Close to you von Evi1990 (A Puppyshipping (Seto x Joey) Oneshot) ================================================================================ Kapitel 1: I wanna be close to you ---------------------------------- Joey wischte sich den Schweiß von der Stirn, richtete sich auf und streckte sich, ließ alle seine müden Gelenke knacken. Wer hätte gedacht, dass es so anstrengend sein konnte, Blumen zu schneiden. Okay, gut, er hatte ja auch den ganzen Laden voll davon, er war also selbst dran Schuld, und manche Stiele waren auch echt richtige Biester, da sprach er noch nicht mal von denen mit den Dornen. Rosen waren die schlimmsten, aber die gingen nun mal am besten weg, gerade jetzt, eine Woche vor Valentinstag.   Er legte die schwere Schere, mit der er die Blumen geschnitten hatte, zur Seite und ging für einen Moment wieder nach vorne in den Laden. Zu dieser Zeit hatte er neben den Blumen auch Schokolade in der Auslage liegen – verdiente ihm ein paar Dollar dazu, und dazu würde er sicher nicht nein sagen. Er arrangierte sie ordentlich, sodass sie nicht nur gut zu sehen, sondern auch so ansehnlich waren, dass man gar nicht dran vorbei gehen konnte. Er musste über sich selbst lachen – seit wann war er denn so versessen darauf, noch mehr Geld zu machen? Seit er seinen Blumenladen vor zwei Jahren eröffnet hatte, lief es doch wirklich gut für ihn. Ja, zumindest finanziell konnte er sich nicht beschweren.   Er seufzte, doch bevor er diesen Gedanken weiterführen konnte, hörte er hinter sich die Türglocke läuten. „Morgen, Joey!“, rief ihm Susi, seine längste und treueste Mitarbeiterin, fröhlich zu. „Hey, Susi, wie geht’s?“, fragte Joey freundlich lächelnd und lehnte sich gegen die Verkaufstheke, die Arme in die Hüften gestemmt.   „Ach, weißt ja, das Übliche“, sagte sie, während sie in den hinteren Teil des Ladens ging, wo der Mitarbeiterbereich lag, und sich ihre grüne Schürze überzog. Joey lachte auf – ja, er wusste genau, was sie meinte. Susi hatte zwei Kinder, und wer es nicht besser wüsste, würde ihren Ehemann glatt dazu zählen. Wie Susi das alles unter einen Hut bekam, war Joey immer wieder ein Rätsel. Wenn sie den einen Samstag pro Monat arbeiten musste, den sie so vereinbart hatten, war ihr Mann mit den Kindern allein zuhause und damit absolut überfordert. Joey tolerierte, dass sie ständig von ihm angerufen und somit bei der Arbeit gestört wurde, vor allem deshalb, weil er sich immer köstlich darüber amüsierte, wenn er ihnen zuhörte. Wie konnte jemand, der es schaffte, zwei Kinder in die Welt zu setzen, nur so unselbstständig sein? Na ja, wenn man es so sah, die Kinder zu zeugen war sicherlich nicht der schwierige Part dabei gewesen.   Erneut lachend schüttelte Joey den Kopf und damit auch die Gedanken ab. Susi kam zurück in den vorderen Teil des Ladens und sah ihn neugierig an. „Und bei dir, alles gut?“   Der Blonde legte sein breitestes Grinsen auf, als er antwortete: „Klar, weißt doch, schlechte Laune ist was für Loser.“ Das Lächeln auf ihren Lippen war verhaltener und er konnte in ihren grünen Augen und an den vor dem Körper verschränkten Armen sehen, dass sie ihm das nicht voll abkaufte, wie immer eigentlich. Sie hatte ein Mal versucht, ihn zu fragen, ob was hinter seinem Grinsen steckte, aber er hatte sich rausgeredet, und seitdem hatte sie keinen weiteren Versuch unternommen. War auch besser so, er würde sowieso nicht mit der Sprache rausrücken. Es hätte keinen Sinn. Vermutlich würde sie auch bald aufhören, ihn überhaupt noch nach seinem Befinden zu fragen, wenn sie doch eh immer nur die gleiche Antwort erhielt. Aber es war erschreckend, wie gut sie ihn durchschauen konnte, auch wenn er gar nichts sagte. Und er hatte dazu noch nie was gesagt, und das würde auch so bleiben.   Er hörte sie seufzen, dann band sie sich die langen, pechschwarzen Haare zu einem Zopf und machte sich ohne ein weiteres Wort an die Arbeit, fing an, die Blumen, die Joey beschnitten hatte, in die entsprechenden Behälter des Verkaufsraums zu stellen. Joey ging zur Tür und drehte das Schild von ‚Closed‘ zu ‚Open‘ um, und nur wenige Minuten später betraten die ersten Kunden den Laden.   Wie zu dieser Zeit des Jahres üblich, war er den ganzen Tag sehr beschäftigt. Er verstand nicht, warum die Leute, gerade die Männer, jetzt schon Blumen für ihre Angebeteten kauften, wo Valentinstag doch erst in einer Woche war. Waren sie so naiv zu glauben, dass sie jetzt noch günstiger bei wegkommen würden? Joey war nicht blöd, er fing bereits Anfang Februar damit an, die Preise zu erhöhen, so wie auch alle anderen Blumenläden auf diesem gesamten Planeten. In der ersten Woche noch leicht und jetzt waren sie schon auf Valentinstagsniveau, wo er die Preise halten würde, bis ungefähr eine Woche danach. Der Februar war bisher immer der verkaufsstärkste Monat für ihn gewesen, dicht gefolgt von Weihnachten. Und während er den nächsten, individuell angefertigten Strauß zusammenband, ging er gedanklich schon mal die Aufgaben für die nächsten Tage durch.   Gegen 20 Uhr kam er geschafft aus dem Laden und schloss hinter sich zu. Susi ging meist schon nachmittags, um die Kinder von der Schule abzuholen und sie zu ihren außerschulischen Aktivitäten zu fahren. Joey war erneut erstaunt, wie sie das irgendwie alles so locker wuppte. Ihr Alltag wurde so von ihren Kindern bestimmt, dass sie kaum Zeit für sich selbst haben konnte. Ihr Mann war ja nicht wirklich eine Hilfe. Machte der wenigstens im Haushalt mal die Finger krumm, oder blieb das wohl alles an ihr hängen?   Aber egal, wie anstrengend ihr Tag auch war - sie wirkte immer so unheimlich glücklich, und das machte Joey irgendwie neidisch. Er war nicht unbedingt unglücklich in seinem Leben, das konnte er wirklich nicht behaupten. Seit er vor etwas mehr als drei Jahren nach seinem Oberschulabschluss nach New York gekommen war, hatte er sich ein ordentliches Leben aufgebaut. Zunächst hatte er sich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen, bevor er vor zwei Jahren seinen Traum verwirklicht und seinen eigenen Blumenladen eröffnet hatte. Er war klein und auch nicht gerade in einer exponierten Lage, aber er war seiner – und darauf war er stolz. Außerdem sah er jetzt seine Mum und seine Schwester Serenity regelmäßig, und sie waren ja auch der eigentliche Grund gewesen, warum er überhaupt nach New York gezogen war. Na ja, dass er so weit wie möglich weg von seinem Dad wollte, spielte sicherlich auch eine Rolle. Und es gab wohl wenige Orte, die noch weiter weg von Japan waren als New York. Gut, vermutlich gab es die schon, aber ihm reichte diese Entfernung.   Nein, er war nicht unglücklich. Aber glücklich war er auch nicht. Weil er etwas zurücklassen musste, das ihm wichtig war. Und wäre es nicht schon immer so einseitig gewesen, vielleicht hätte er dann...   Nein. Kaum hatte er diesen Gedanken bekommen, stoppte er sich selbst. Es hatte keinen Sinn. Hatte es noch nie. Und dennoch verfolgten ihn diese Spinnereien, und was machte er sich vor, egal, wie weit weg er auch ziehen würde, das würde an dieser Tatsache absolut nichts ändern.   Kaum machte er den ersten Schritt auf den Gehweg, erfasste ihn eisiger Wind und Schneeflocken flogen ihm um die Nase. New York im Winter war echt arschkalt. Joey mochte den Sommer einfach lieber, aber die brütende Hitze, die sich dann in dieser Stadt ausbreitete, war wohl kaum einen Deut besser. Er sah auf die Uhr und überlegte, ob er nicht doch lieber die U-Bahn nehmen sollte, entschied sich dann aber dafür, zumindest ein paar Stationen zu laufen. Gerade die nächsten Tage würden echt stressig werden, mit dem 14. Februar als vermutlich kräftezehrendsten Tag des Jahres. Da würde ihm ein bisschen Bewegung nicht schaden.   Also setzte er seine Schritte fort und zog seinen Schal noch enger an sich, um sich vor dem peitschenden Wind zu schützen. Seine Uhr hatte ihm außerdem gesagt, dass er noch ungefähr zwei Stunden haben würde, bevor er anrufen würde. Ihr monatliches Ritual stand bevor, und er rief immer pünktlich an, immer. Er hatte sich noch nie auch nur um eine Minute verspätet.   Und als er so gedankenverloren durch die Straßen der Stadt stiefelte, holten ihn die Erinnerungen ein. Der Schnee knirschte unter seinen Schuhen, während er darüber nachdachte, wie es eigentlich noch mal dazu gekommen war.   Es hatte alles an ihrem letzten Schultag begonnen. Joey hatte gewusst, schon einen Tag danach würde er im Flieger in die USA sitzen und sein bisheriges Leben hinter sich lassen. Dass er den Schulabschluss überhaupt geschafft hatte, grenzte ja schon an ein Wunder. So hatten das auch die Lehrer gesehen, die die Zeremonie abgehalten hatten, und als sie ihm sein Abschlusszeugnis überreicht hatten, konnten sie sich ihre Kommentare nicht verkneifen. Joey war gar nicht böse drum, immerhin hatten sie ja auch recht gehabt. Lange hatte er sich selbst auch für den Versager gehalten, der er damals vielleicht sogar gewesen war. Aber seitdem er seinen eigenen Laden und alles im Griff hatte, hatte er auch neues Selbstbewusstsein dazu gewonnen.   Auch seine Freunde wurden in alle Himmelsrichtungen verstreut. Tristan war der Einzige ihrer Clique, der in Japan geblieben war. Er hatte eine Motorradwerkstatt eröffnet, mit der er wohl auch ziemlich erfolgreich war. Téa war nach Großbritannien gezogen, um dort Englische Literatur zu studieren, während Yugi als professioneller Duellant um die ganze Welt flog.   Tja, und dann war da Kaiba. Man konnte gar nicht so richtig davon sprechen, dass sie sich verabschiedet hatten. Wenn er so recht darüber nachdachte, da hatten sie es wohl versucht, aber als sie sich dann gegenübergestanden hatten, hatte keiner von ihnen ein Wort rausgebracht. Sie hatten sich minutenlang nur angestarrt, und auch wenn Joey immer wieder den Mund geöffnet hatte, um etwas zu sagen – Worte waren ihm dabei nicht über die Lippen gekommen. Joey hatte einfach nicht gewusst, was es zu sagen gab, gleichzeitig hatte er das Gefühl, so viel sagen zu wollen. Es war schon eine komische Vorstellung gewesen, nicht mehr jeden Tag mit ihm zu streiten, eine Tätigkeit, die so selbstverständlich zu ihrem Alltag gehört hatte.   Und dann wurde es eigentlich nur noch verwirrender, als Kaiba plötzlich gesagt hatte: „Gib mir dein Handy.“ Joey erinnerte sich, dass er sich in dem Moment nicht einen Zentimeter bewegt hatte, teilweise weil er dachte, sich verhört zu haben, teilweise weil er absurd fand, was er da gehört hatte.   Kaiba war ungeduldig geworden, weil Joey noch immer keine Anstalten gemacht hatte, ihm Folge zu leisten, weshalb er zusätzlich angefügt hatte: „Mach doch ein Mal, was man dir sagt, Köter.“ Er war wie in einer Trance gewesen, als er ihm das Handy gegeben hatte. Er hatte beobachtet, wie er etwas eintippte – und sich dann offensichtlich selbst anrief, weil er sein eigenes Handy direkt daneben hielt. Als er getan hatte, was er scheinbar vorgehabt hatte, gab er Joey sein Telefon zurück.   Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, hatte Kaiba erklärt: „Ich werde dich ein Mal pro Monat anrufen. Ich texte dir die Details.“ Dann hatte er sich umgedreht und war gegangen, und Joey hatte zu dem Zeitpunkt nicht einschätzen können, was er davon halten sollte. Oder was das zu bedeuten hatte.   Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, er wusste es heute noch nicht. Sie telefonierten immer am 7. des Monats, wenn es bei Joey 22 und bei Kaiba 12 Uhr war – wobei es bei dem Brünetten dann schon der 8. war, was an der ziemlich großen Zeitverschiebung lag. Joey aß dann meist zu Abend, während Kaiba sich ein schnelles Mittagessen einverleibte. Sie unterhielten sich dann über dies und das, aber meistens stritten sie, wie früher in der Oberschule. Es fühlte sich an, als hätte sich nichts verändert, und doch hatte sich alles verändert. Sie taten das jetzt seit über drei Jahren, und Joey hatte nicht ein einziges Mal nachgefragt, warum – weil er Angst vor der Antwort hatte.    Dass er Gefühle für den Brünetten entwickelt hatte, war ihm erst bewusst geworden, als es schon zu spät war, als er schon in den USA war und es keinen Weg mehr zurück gab. Es gab eine Zeit, ganz am Anfang, da hatte er gehofft, dass diese vielleicht erwidert werden würden. Aber mit den Jahren musste er einsehen, dass das falsche Hoffnungen waren. Sie hatten sich keinen Zentimeter aufeinander zubewegt, sondern einfach da weitergemacht, wo sie aufgehört hatten. Vielleicht konnte man sie mittlerweile als sowas wie Freunde bezeichnen, auch wenn sie immer noch mehr stritten als alles andere, aber manchmal, wenn auch deutlich seltener, kamen durchaus gute Gespräche zustande. Es war natürlich ein himmelweiter Unterschied zu den freundschaftlichen Gesprächen, wie er sie beispielsweise mit Yugi führte. Aber es war auch anders, als er mit Susi sprach, oder mit Téa oder Tristan. Es bekam eine ganz eigene Dynamik, wenn er mit ihm sprach, irgendwie hatte es diese ja schon immer gegeben.   Joey seufzte. Er hatte das Gefühl, er drehte sich im Kreis. Es war nicht so, dass er sich nicht auf die Telefonate freute, aber es tat immer auch ein bisschen weh. Weil er wusste, dass es nie eine Chance für sie geben würde. Nach jedem Telefonat nahm er sich voller Enthusiasmus vor, ihn endlich abzuhaken – aber gelungen war es ihm bisher nicht.   Er sah auf sein Handy – verdammt, es war schon zehn vor zehn, er hatte offensichtlich total rumgetrödelt, und arschkalt war ihm jetzt auch. Der Wind war weniger geworden, aber es schneite noch immer unaufhörlich. Er lief nie eine Hauptstraße entlang, wenn er zu Fuß ging, weil er nach der Arbeit Ruhe brauchte, die ihm hupende Autos und große Menschenmassen einfach nicht geben konnten. Also lehnte er sich an eine Hauswand und wartete einfach ab, dass die verbleibende Zeit verstrich.   Als es eine Minute vor 22 Uhr war, öffnete er seine Uhren-App auf dem Handy und beobachtete, wie der Zeiger sich bewegte. Noch zehn Sekunden. Und dann, kaum hatte der Zeiger wieder seine Startposition erreicht und eine neue Minute begonnen, rief er an. Joey fand es schon irgendwie gruselig, wie krass pünktlich Kaiba jedes Mal war. Als ob ihre Uhren exakt identisch eingestellt wären. Aber es war auch etwas, auf das er sich immer voll und ganz verlassen konnte – ganz im Gegensatz zu den vielen Dingen in seinem Alltag, bei denen das nicht so war. Vielleicht war es sogar die einzige Konstante in seinem Leben.   Wie üblich wartete er zwei Mal Klingeln ab, atmete tief durch und nahm den Anruf dann an.   „Hey, du reicher Schnösel!“, sprach er ins Telefon und hoffte, seine schlechte Laune wäre anhand seiner Stimme nicht erkennbar. Scheinbar funktionierte das, als er Kaiba wie üblich antworten hörte: „Na, Köter?“   Joey schloss für einen Moment die Augen. Seine Stimme zu hören, ließ sein Herz immer einen Schlag aussetzen. Und gleichzeitig spürte er den bittersüßen Schmerz – er wollte seine Stimme hören, aber er wollte es auch nicht. Es war einfach jedes Mal das Gleiche. Auch das würde sich vermutlich nie ändern.   „Sorry, bin noch draußen, könnte ein bisschen laut werden im Hintergrund“, sagte Joey und hörte Kaiba arrogant lachen.   „Was ist los, hast du dich beim Blumenschneiden übernommen?“ Joey musste sich ermahnen, dass er sich den sorgenvollen Unterton nur einbildete. Mitleid war ein Gefühl, das Kaiba gänzlich unbekannt war, und für ihn würde er das ganz sicher nicht empfinden.   „Hab‘ ehrlich gesagt einfach ein bisschen rumgetrödelt. Hier schneit’s echt extrem, wenn ich zu schnell laufe, fliege ich auf die Fresse.“   Und schon wieder lachte Kaiba, und Joey wollte glauben, dass es ein freundliches war, aber er wusste es mittlerweile so viel besser. Freundschaft war Kaiba fremd, das Einzige, das ihm wichtig war, war sein Bruder Mokuba. Und seine Firma. Ende der Aufzählung.   „Hör auf zu heulen, Streuner. Japan ist ein verdammter Gletscher, als ob New York da auch nur ein bisschen mithalten könnte.“   Joey lachte auf. „Na, dann müsstest du dich doch richtig wohlfühlen, Mr. Eisklotz.“   Er hörte, wie Kaiba im Hintergrund wohl irgendwas in der Mikrowelle warm machte. Als das Piepsen nicht aufhörte, ergänzte Joey genervt: „Mann, Kaiba, kannst du nicht endlich mal richtig kochen lernen statt dir ständig diesen Mikrowellenfraß zu kaufen? Ist ja nicht zum Aushalten.“   Mit leicht wütender Stimme erwiderte der Brünette: „Vergiss es, Wheeler. Aber einen Koch einzustellen, wäre vielleicht nicht die schlechteste Idee.“   „Oder du besorgst dir einfach eine Freundin, die dich von vorne bis hinten bekocht.“   Da fiel Kaiba in ungehaltenes Lachen aus. „Hündchen, kannst du dir mich wirklich mit einer Freundin vorstellen?“   Joey atmete tief durch und schaute in den Nachthimmel, noch immer mit dem Rücken an die Mauer gelehnt. Die ausströmende Luft hinterließ feuchte Wolken kurz vor seiner Nase. „Nein, kann ich nicht.“ Und auch nicht mit jemand anders, nicht mal mit ihm selbst, aber diesen Teil dachte sich Joey im Stillen.   Dann war es einen Moment ruhig, bis es sich so anhörte, als ob Kaiba aus irgendwelchen Schubladen das entsprechende Besteck rausholte. Dann hörte er ihn wieder sprechen.   „Was ist los, ist der Köter depressiv?“ Joey konnte sein Grinsen genau raushören und spürte, wie ihm selbst eine einsame Träne über die Wange lief.    Er hatte jetzt über drei Jahre so getan, als wären ihm die monatlichen Gespräche mit Kaiba genug. Hatte die Fassade aufrecht erhalten, um überhaupt noch die Möglichkeit zu haben, mit ihm zu reden und Kontakt zu halten. Aber er musste einsehen, wie aussichtslos das war. Er war müde, einfach erschöpft. So zu tun als ob war anstrengend gewesen. Mittlerweile übertraf der Schmerz über das Wissen, was er niemals haben würde, die Freude, die er empfand, wenn er auch nur für zwei Sekunden seine Stimme hörte.   Und als er spürte, wie weitere Tränen sich ihren Weg zum Boden bahnten und seine Wangen anfingen zu glühen, seufzte er auf. Was taten sie hier eigentlich? Es führte zu nichts, und diese Erkenntnis traf ihn so hart, dass er das Gefühl hatte, jemand hätte ihn mitten in den Magen geboxt und er würde sich gleich übergeben müssen. Es war einfach so sinnlos. Und er konnte nicht mehr.   „Ich... ich denke, wir sollten das lassen, mit den monatlichen Telefonaten, Seto.“ Fuck, hatte er ihn da gerade wirklich mit seinem Vornamen angesprochen? In seinen Gedanken hatte er ihn immer so genannt, aber nie laut ausgesprochen. Aber er fühlte sich kraftlos. Es fühlte sich an wie Schlussmachen, was absurd war, weil sie doch gar nicht zusammen waren. Und genau da lag das Problem – weil sie es auch nie sein würden.   „Joey, was...“ Dass Kaiba nun auch seinen Vornamen genutzt hatte, war zwar ungewöhnlich, aber er hatte es schon mal gemacht – zwei Mal sogar, und beide Male waren in den letzten Monaten gewesen. Der Unterschied zwischen heute und den letzten bestand allerdings darin, dass er es vorher wohl immer unbeabsichtigt gemacht hatte, und Joey beschlich das Gefühl, heute hatte er es das erste Mal mit voller Absicht getan. Wirkte sogar ein bisschen verblüfft, atemlos sogar?   Joey war sich sicher, er interpretierte da viel zu viel hinein. Er hatte das jetzt über drei Jahre mitgemacht und gesehen, was passierte – nämlich gar nichts.   Er seufzte erneut auf und hatte das Gefühl, dass er sein leises Schluchzen nicht erfolgreich hatte unterdrücken können. Aber das war jetzt sowieso nicht mehr wichtig, weil es ihr letztes Telefonat sein würde. Es musste sein. Es würde weh tun, ja, und wer wusste schon, wie lange er brauchen würde, um über ihn hinwegzukommen. Aber er akzeptierte jetzt, dass er nicht mehr so tun könnte, als würde er nichts für ihn fühlen. Als würde er ihn nicht lieben. Es brauchte einen harten Bruch. Das Einzige, was er hoffen konnte, war, dass er sich davon würde erholen können, auch wenn ihm bewusst war, dass es Jahre dauern könnte.   Also nahm er einen weiteren, tiefen Atemzug, dann sagte er, was er zu sagen hatte, und als er das tat, zersplitterte sein Herz in tausend Scherben vor ihm auf dem eiskalten Winterboden. „Ich habe dich nie gefragt, warum du mich jeden Monat anrufst. Nicht, als du deine Nummer in mein Handy getippt hast, damals, als ich noch in Domino war, und kein einziges Mal seitdem. Und ich werde es jetzt auch nicht tun. Alles, was ich weiß, ist, dass ich das nicht mehr kann. Ich weiß nicht, was du für einen Beweggrund hast, oder hattest, aber ich kenne meinen und weiß, dass ich ihn aufgeben muss. Weil es niemals das wird, was mein Kopf sich immer wieder ausmalt. Das weiß ich so sicher, wie der Schnee weiß ist. Also...“   „Hündchen, warte!“ Setos Stimme hörte sich in seinen Ohren tatsächlich ein wenig verzweifelt an, aber das bildete er sich wahrscheinlich auch nur wieder ein. Er konnte den Schwall an Tränen nun nicht mehr zurückhalten und war sich sicher, der Brünette könnte es hören. Warum nur tat es so weh? Warum nur war er ihm jemals begegnet? Wieso war er so dumm gewesen, sich in seinen Erzfeind zu verlieben? Warum hatte Seto ihn nicht einfach, verdammt noch mal, wie einen räudigen Köter verstoßen und in der Gosse verrotten lassen?   Seine Stimme war kaum mehr als ein zittriges Flüstern, als er ihm die letzten Worte sagte, die er jemals von ihm hören würde: „Leb wohl, Seto.“   „Joey, wa-“ Der Blonde legte auf. Damit war es vorbei. Alle Kraft wich aus seinen Gliedern und das Handy fiel vor ihm in den Schnee und hinterließ einen Abdruck. Er hockte sich auf den Boden, spürte schon den Schnee ganz nah überall an seinen Jeans, aber er hatte nicht mehr die Energie, um sich auf den Beinen zu halten. Er ließ all den Schmerz raus, den er so lange, viel zu lange, in sich getragen hatte.   Er konnte das Handydisplay aufflackern sehen, als er sah, dass Seto ihn erneut anrief. Er nahm den Anruf nicht an. Was hätte das wohl auch für einen Sinn gehabt? Er hatte auf Wiedersehen gesagt, und es war ein Abschied für immer. Er würde nie wieder seine tiefe, vertraute Stimme hören, und ihm schon gar nicht mehr in seine wunderschönen, tiefblauen Augen schauen können, die wie Saphire strahlten, wenn sie von der Sonne berührt wurden. Würde nie wieder das Gefühl haben, ihm eine Haarsträhne aus der Stirn streichen zu wollen, weil er ihn nie wiedersehen würde.    Seto ließ nicht locker, rief immer und immer wieder an, hinterließ offenbar sogar Nachrichten auf der Mailbox. Joey atmete tief durch. Wenn er schon einen Schlussstrich zog, dann musste er konsequent sein. Noch immer zitterten seine Hände, als er sein Telefon in die Hand nahm und auf sein Adressbuch klickte. Es wäre einfach, die Nummer zu löschen, aber Joey musste sichergehen – und drückte statt ‚Löschen‘ auf ‚Blockieren‘. Damit war es amtlich – er hatte gerade die Liebe seines Lebens für immer aus seinem eigenen ausgeschlossen.   Er war erst mitten in der Nacht nach Hause gekommen, weil er sich kaum von der Stelle hatte bewegen können. Erst, als ihn ein Passant angesprochen hatte, war er wieder im Hier und Jetzt angekommen, in New York, obwohl sein Geist noch immer in Domino war. Irgendwie hatten ihn seine Füße wohl in die U-Bahn und dann nach Hause getragen.   Er war froh, dass auch die nächsten Tage viel los war im Laden, auch wenn ihm Susis Blicke nicht entgangen waren. Sie hatte ihn bisher nicht gefragt, aber sie kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass das Lächeln absolut fake war. Die Kunden mochte er damit ja täuschen können, aber Susi wusste es besser.   Sie half auch am Valentinstag im Laden aus, blieb sogar deutlich länger als normalerweise. Es war ein Dienstag, und wie erwartet, war es der stressigste Tag, den er dieses Jahr bisher erlebt hatte. Sie hatten beide so viel zu tun, dass niemand die Zeit hatte, richtig aufzuräumen, also würde Joey wohl länger bleiben müssen. Aber das sollte ihm nur recht sein. Für jemanden, dessen Liebe unerwidert blieb, war der Valentinstag einfach nur nervenaufreibend. Und es tat weh, noch genauso sehr wie schon vor einer Woche. Noch immer nahmen eisblaue Augen seine Träume in Beschlag, und wenn er schweißgebadet aufwachte, konnte er die Tränen nicht zurückhalten. Er wusste nicht, wie er das durchstehen sollte, stellte alles in Frage, was ihm jemals Gutes widerfahren war, weil er das Beste gerade aus seinem Leben verbannt hatte. Und ihn überkam das Gefühl, damit den größten Fehler in seinem Leben gemacht zu haben.   Dennoch – er hätte so nicht mehr weitermachen können. Damit hätte er sich nur selbst verletzt. Er musste sich selbst die Möglichkeit eröffnen, doch irgendwann glücklich werden zu können, auch ohne ihn. Auch wenn das im Moment noch unerreichbar weit entfernt lag, würde es ihm vielleicht irgendwann gelingen. Und wenn nicht, dann starb er eben als alte Jungfer.   Als er um 20 Uhr den Laden schloss, atmete er erleichtert auf. Er war fix und alle, würde aber noch mehrere Stunden damit beschäftigt sein, das Chaos wieder zu beseitigen, das dieser Tag in seinem Geschäft ausgelöst hatte. Also ging er in eines der hinteren Zimmer und rief Susi zu: „Hey, mach du doch Feierabend, deine Kinder warten doch bestimmt auf dich.“   Susi streckte den Kopf durch die Tür und antwortete prompt: „Kommt gar nicht in Frage. Ich lass dich doch nicht einfach hängen. Und zu zweit geht es sowieso schneller. Harry kommt schon für ein paar Stunden ohne mich klar.“   „Und da bist du sicher, ja?“, fragte Joey und konnte tatsächlich den Anflug eines Lächelns auf seinen Lippen spüren, aber so schnell, wie es kam, war es auch schon wieder verschwunden. Da trat Susi in den Raum und grinste belustigt. „Er wird es müssen. Der kann mir auch mal was abnehmen.“   Sie sah ihn mit diesem intensiven, durchdringenden Blick an, den er schon von ihr gewohnt war, wenn sie sich offensichtlich Sorgen um ihn machte. Sie war wirklich schlecht darin, es zu verbergen, aber vermutlich gab sie sich auch keine Mühe.   Susi seufzte und ging noch einen Schritt näher auf ihn zu. „Hör zu, Joey, ich weiß, dass ich dich nicht fragen brauche, was los ist. Weil du es sowieso nicht erzählen wirst. Und das ist okay. Ich will nur, dass du weißt, dass ich hier bin, wenn du mal wen zum Reden brauchst, okay?“   Sie legte ihm eine Hand auf den Rücken, die ihn beruhigen sollte, aber nicht wirklich einen Effekt hatte. Joey atmete hörbar aus. „Ist es so offensichtlich?“   Aus dem Augenwinkel konnte er wahrnehmen, wie sie die Hände in die Hüften stemmte, dann antwortete sie: „Ganz ehrlich, Joey, wir arbeiten jetzt fast so lange zusammen, wie du diesen Laden hast. Ich habe dieses Gesicht, das du jetzt gerade machst, schon oft an dir gesehen, aber ich würde sagen, die letzten zwei Wochen ist es besonders schlimm. Ich weiß nicht, was passiert ist, und vielleicht geht es mich auch gar nichts an, aber wenn ich so auf die letzten zwei Jahre zurückblicke, und insbesondere die letzten zwei Wochen betrachte, habe ich nicht das Gefühl, dass du wirklich glücklich bist.“   Damit hatte sie den Nagel verdammt noch mal auf den Kopf getroffen und Joey ärgerte sich, dass er seine Gefühle vor seiner Mitarbeiterin nicht besser hatte verschleiern können. Aber was machte er sich vor – Susi war mehr als eine Mitarbeiterin. Sie war über die Jahre eine Freundin geworden. Er war schon oft bei ihnen zum Abendessen eingeladen gewesen, hatte Spiele mit ihren Kindern gespielt und ihrem Mann immer und immer wieder versucht zu erklären, wie man eine Waschmaschine bediente, aber der Typ war ein hoffnungsloser Fall. Susi war talentiert darin, hinter die Fassade anderer Menschen zu schauen, aber er hatte seine Mauern auch ein bisschen fallen gelassen.   Joey seufzte auf. Er konnte darauf nicht antworten, er wusste auch gar nicht, was er hätte sagen sollen. Und vielleicht gab es auch einfach nichts mehr zu sagen. Er hatte vor einer Woche einen unwiderruflichen Schlussstrich gezogen und musste jetzt eben mit den Konsequenzen leben. Das hieß es doch auch, erwachsen zu sein, oder?   Statt auf das einzugehen, was sie gerade gesagt hatte, drehte er ihr den Rücken zu und sagte: „Ich kümmere mich um die Räume hier hinten. Könntest du vorne sauber machen?“   Auch sie sagte nichts, aber er konnte sie kurz aufschnaufen hören, bevor sie sich auf den Weg in die Verkaufsräume machte. Es war still, zu still, und Joey hielt das nicht aus. Also ging er rüber zum Radio und schaltete es ein, in der Hoffnung, ein bisschen Ablenkung zu finden. Dann machte er sich an die Arbeit, um hier so schnell wie möglich rauszukommen.   Es verging ungefähr eine halbe Stunde, bis im Radio ein Lied gespielt wurde, das ihn innehalten ließ. Es war, als hätte der Künstler das Lied nur für ihn geschrieben.   It’s that time of the month When I pick up the phone To give you a call Sometimes I would think It’d be better if you didn’t answer at all   Ob Seto das auch so gesehen hatte? Ob er gehofft hatte, er würde die Anrufe nicht annehmen? Aber warum sich dann die Mühe machen, ein Mal pro Monat anzurufen?   But you do, so I ask About Boston and friends Feels like we’re in Allston at Union again That time of the month When I pick up the phone To give you a call   Ja, manchmal hatte es sich tatsächlich so angefühlt, als wären sie noch auf der Domino High gewesen. Mit ihren Sticheleien, all den bissigen Bemerkungen und unsinnigen Streits. Joey konnte nicht anders, er vermisste ihn, vermisste den Klang seiner Stimme, aber noch viel mehr vermisste er es, ihm in die Augen zu sehen und nah bei ihm zu stehen, auch wenn er wusste, dass er ihn niemals würde berühren können.   I wanna be close to you I know that it’s worth it But what am I supposed to do ‚Cause it feels like we’re either Too close or we’re not close enough   Joey spürte, wie ihm die ersten Tränen in die Augen stiegen, gegen die er machtlos war. Er wollte ihm nah sein, Gott, er würde alles dafür geben, ihn nur ein Mal berühren zu dürfen, um danach zu wissen, wie sich seine Haut anfühlte. War sie weich? Rau? Hatte er viele Haare an den Armen? Wie fühlten sich seine Finger an, wenn sie sich mit seinen verkeilten? Die Gewissheit, dass all diese Fragen ein Leben lang unbeantwortet bleiben würden, schnürten ihm jetzt die Kehle zu.   I know that we ended it all, said, goodbye ‚Cause I moved away We pushed away problems Ignored all our issues And I went to LA   But can we just agree It was stupid and dumb? ‚Cause when you talk to me It’s like I’m still the one I know that we said That we ended it all ‚Cause I moved away   Der nächste Teil des Songs passte nicht zu 100%, allein der Tatsache geschuldet, dass sie nie zusammen gewesen waren. Es war vorbei gewesen, bevor es überhaupt angefangen hatte, und statt durchs Ziel zu laufen, hatte Joey jetzt das Gefühl, es noch nicht mal bis an die Startlinie geschafft zu haben. Und dennoch erinnerte er sich, wie besonders er sich immer gefühlt hatte, wenn er mit ihm geredet hatte. Er hatte ihn immer angerufen, auch wenn es ein hektischer Tag war, auch wenn er unheimlich viel zu tun hatte, aber für ihn hatte er sich immer die Zeit genommen. Aber jetzt hatten sie sich voneinander verabschiedet – und er fühlte sich wirklich dämlich, weil er das Einzige hatte ziehen lassen, das ihm jemals etwas bedeutet hatte. Er hatte nicht darum gekämpft, und jetzt war es zu spät.   Then we hang up And it feels like a breakup all over again And I want to tell you So I write another text I’ll never send So I get up and go I move on with my day It was nice for a second Like nothing has changed Then we hang up And it feels like a breakup all over again   Der letzte Teil des Songs traf es eigentlich ziemlich genau – es hatte sich immer angefühlt, als wenn sich nie etwas zwischen ihnen geändert hatte. Und genau da lag das Problem. Joey wollte es, wünschte sich so sehr, dass sie einen Schritt nach vorne machen würden, aber er wusste, dass Seto niemals so für ihn empfinden würde, nicht für einen verlausten Straßenköter wie ihn.   Er hatte ihm so oft nach ihren Telefonaten schreiben wollen, einfach, um die Konversation aufrecht zu erhalten, aber er hatte es einfach nie übers Herz gebracht, weil er Angst hatte, dass ihn das zurückschrecken lassen würde und sie dann gar keinen Kontakt mehr hätten. Und immer, wenn sie auflegten, war es das schlimmste Gefühl für ihn. Er vermisste ihn sofort, dabei war er sich sehr bewusst, dass Seto ihn vermutlich in der Sekunde vergessen hatte, in der er den roten Hörer drückte. Aber Joey ging das nicht so, er wollte ihn und wusste doch, dass er ewig unerreichbar sein würde.   Er hörte Susis Schritte hinter sich und drehte sich nicht zu ihr um, stand mit dem Rücken zu ihr, als sie den Raum betrat. Er schämte sich, weil er hier so hemmungslos weinte, aber er konnte es nicht verhindern. So etwas wie jetzt hatte er noch nie gefühlt. Jede Faser seines Herzens schrie nach ihm, und er konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Schmerz einmal nicht mehr Teil seines Lebens sein würde. Er liebte ihn, und das würde er auch immer, weil es niemanden geben würde, der an ihn rankam.   Dabei wusste er nicht mal, warum er ihn liebte. Als sie noch in der Oberschule waren, hatte er mit Beleidigungen um sich geworfen, ihn mehr von sich weggeschubst als zu ihm rangezogen und hatte ihm deutlich gemacht, wie sehr er ihn verachtete. Aber Joey war das Gefühl nicht losgeworden, dass das gar nicht der echte Seto Kaiba war. Er hatte ihn einmal dabei belauscht, wie er mit seinem Bruder Mokuba telefoniert hatte, und da konnte er ihn sehen, den weichen Kern hinter der harten Schale. Er wusste nicht, ob Seto ihn überhaupt bemerkt hatte, aber das spielte auch keine Rolle, weil er ihn jetzt gesehen hatte, wie er wirklich war. Und in den Monaten, die darauf folgten, bevor sie in anderen Ländern getrennte Wege gingen, da hatte er irgendwann das Gefühl, dass er es wusste, dass Joey hinter seine Maske schauen konnte. Dass er ihn sah. Und dass er ihn akzeptierte und respektierte, so wie er war, und er vielleicht der einzige Mensch auf der Welt war, der ihn nicht ändern wollte. Denn egal, wie sehr sie sich auch gegenseitig geärgert hatten – er wollte nicht, dass Seto zu jemand anderem wurde, weil er gut so war, wie er war.   „Hey, Joey, ich...“, hörte er Susi hinter sich reden, doch er unterbrach sie sofort. „Susi, geh nach Hause. Du hast jemanden, der auf dich wartet. Bring deine Kinder ins Bett und mach dir mit Harry einen schönen Abend.“   „Nein, ist schon gut, ich...“   „Susi, bitte, geh. Ich krieg das hier schon allein hin. Wirklich.“ Seine letzten Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. Sein ganzer Körper tat weh und er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie musste sein Schluchzen ganz deutlich wahrgenommen haben, aber er konnte einfach nichts dagegen tun.   Er hörte, wie sie in schnellen Schritten auf ihn zuging. Als sie neben ihm stand und ihn sah, wie er sich da so elendig in seinem Selbstmitleid suhlte, da wurde ihre Stimme plötzlich ernst, fast ein bisschen wütend. „Joey, jetzt hör mir mal zu. Ich weiß nicht, was mit dir los ist, aber so kann es doch nicht weitergehen.“   „Vielleicht kann ich da helfen.“   Was... nein, das musste er sich eingebildet haben. Jetzt wurde er offensichtlich total verrückt, wenn er schon halluzinierte. Er konnte ja unmöglich hier sein. Was dachte er sich, das war lächerlich, nichts weiter als...   „Ah, ja, den Typen da habe ich gerade vor deinem Laden rumlungern sehen. Ganz ehrlich, der ist echt gruselig. Er sagt, er kennt dich, aber das kann ja wohl kaum richtig sein, oder?“   Er hatte es sich nicht eingebildet? Vorsichtig hob er den Kopf an, und wie in Zeitlupe drehte er sich um – und als er ihn sah, weiteten sich seine Augen, die noch immer einen Bach aus Tränen freiließen.   Er konnte erst gar nichts sagen. Da stand er nun, seitlich gegen den Türrahmen gelehnt, die Arme vor dem Körper verschränkt. Joey spürte, dass Setos Aura sofort den gesamten Raum ausfüllte. Er sah unverschämt gut aus, noch viel besser, als er ihn in Erinnerung hatte. Er hatte trainiert, das sah man sofort an der Art, wie sich seine Oberarme und die Beinmuskeln gegen seine Kleidung pressten. Seine Haare waren noch immer so glänzend braun wie das letzte Mal, als er ihn bei der Abschlusszeremonie getroffen hatte. Und seine Augen waren so intensiv blau, dass er seinen Blick nicht abwenden konnte.   „Se... Kaiba?“, fragte Joey und konnte nicht verbergen, wie geschockt er war.   „Scheiße, ihr kennt euch tatsächlich? Ich hatte das Gefühl, der Typ will mich verarschen.“ Susi sah zwischen ihnen beiden hin und her, und als keiner etwas sagte, wurde ihr offensichtlich bewusst, dass sie hier nichts mehr verloren hatte.   „Okay, Joey, ich hau‘ dann ab. Harry hat mir schon 20 Nachrichten geschickt, weil Kelly schon wieder nicht ins Bett will. Also... bis morgen.“   „Ja, bis morgen“, sagte Joey monoton, sah sie aber nicht an, als sie ging, weil sein Blick noch immer auf Seto lag.   Selbst Minuten, nachdem Susi verschwunden war, hatte sich keiner von beiden bewegt. Doch irgendwann, nach einer Zeitspanne, die Joey wie Stunden vorkam, seufzte Seto auf, stieß sich vom Türrahmen ab und kam mit entschlossenen Schritten auf ihn zu.   „Meinst du nicht, dass wir mittlerweile darüber hinaus sind?“   „Was... was meinst du?“   Mittlerweile stand Seto direkt neben ihm, die Arme aber noch immer vor dem Körper verschränkt. „Ich meine dieses ganze Wheeler-Kaiba-Ding. Als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, hast du mich Seto genannt.“   Bei der schmerzlichen Erinnerung musste sich Joey auf dem Tisch vor ihm abstützen und schaffte es nun endlich, seine Augen von dem Brünetten abzuwenden, damit dieser nicht sah, wie seine Wangen rot wurden.   „Was machst du hier?“, fragte Joey und vermied absichtlich, irgendeinen seiner Namen zu nennen.   „Was glaubst du, was ich hier tue?“   Genervt rollte Joey mit den Augen, auch wenn Seto das nicht sehen konnte. „Woher soll ich das wissen? Ich würde ja schließlich nicht fragen, wenn dem so wäre. Irgendwas Geschäftliches in der Gegend zu erledigen?“   Er hörte Seto auflachen, so wie er es oft auch schon am Telefon getan hatte, aber es jetzt live zu hören, das erste Mal seit Jahren, fühlte sich so viel intensiver an und machte ihm nur noch schmerzhafter bewusst, wie sehr er ihn wollte.   Seto stützte sich mit einer Hand auf dem Tisch ab und lehnte sich ein wenig zu Joey rüber, wenn auch noch immer mit deutlicher Distanz zu ihm. „Nein, deswegen bin ich nicht hier. Auch wenn ich es mehr oder weniger damit verbinde, aber das ist nicht der Grund, warum ich in erster Linie nach New York geflogen bin.“   Nun riskierte Joey es doch und blickte auf, sah ihm in die Augen, die er aus so einer geringen Distanz vermutlich noch nie gesehen hatte. So, wie das Blau sich in seinen Augen bewegte, so stellte er sich den Ozean vor. Tief und dunkel, geheimnisvoll und stürmisch. Es war so wunderschön und gleichzeitig tat es so weh, dass Joey nicht verhindern konnte, dass ihm erneut Tränen über die Wangen flossen. Es fiel ihm schwer zu atmen und er musste seinen Blick wieder von ihm lösen, während er die Augen zusammenkniff und die Tränen herauspresste, die anschließend erbarmungslos auf seine Hände tropften.   „Du hast meine Nummer blockiert. Wieso?“   War er deswegen hier? Gekränkter Stolz, weil es eine Person auf dieser gottverdammten Erde gab, die er nun nicht mehr mit seinen Anrufen nerven konnte?   „Was kümmert es dich?“, brachte Joey mit leiser Stimme und hinter dem Zähneknirschen hervor.   Seto schwieg für eine Sekunde, doch dann setzte er erneut an. „Du hast gesagt, du hast mich nie gefragt, warum ich dich jeden Monat anrufe. Willst du es wissen?“   Joey spürte, wie er anfing zu zittern. Warum nur quälte er ihn so? War das alles nur ein Spiel für ihn? Genoss er es, ihn so leiden zu sehen?   „Ich... ich kann nicht“, brachte er mit erstickter Stimme hervor. Plötzlich hörte er Seto ungeduldig ausatmen, bevor er ihm am Arm griff und sagte: „Sieh mich an, Joey.“ Er zog ihn so, dass er ihn anschauen musste, und wenn er es nicht besser wüsste, würde er denken, dass seine Gesichtszüge irgendwie weicher geworden waren. Aber konnte das denn sein? Immerhin war er Seto Kaiba, der Mann mit dem Herz aus Eis – oder?   Seto starrte ihn eine Weile lang an, dann begann er wieder zu sprechen, und Joey konnte genau sehen, wie viel Überwindung das den Größeren kostete. „Ich rede nicht über meine Gefühle. Das habe ich noch nie. Die meisten würden sicherlich denken, ich hätte keine. Aber das ist falsch, ich habe sie durchaus. Ich äußere sie nur nicht. Weil ich nicht weiß, wie.“   Er ließ von Joeys Arm ab, und der Blonde konnte nicht mehr tun als ihm zuzuhören. Er wandte sich ihm zu, sodass sie sich nun genau gegenüber standen. Er verstand nur leider immer noch nicht, was Seto ihm eigentlich sagen wollte, und vermutlich war ihm die Verwirrung deutlich ins Gesicht geschrieben, weil der Braunhaarige sich erneut dazu durchrang, mehr zu erzählen.   „Joey, ich habe mehr als nur ein Mal in den letzten drei Jahren überlegt, dich einfach zu kidnappen und nach Domino zurückzubringen. Aber ich weiß, du hast dir hier ein Leben aufgebaut. Du hast mir von deinem Laden erzählt, wie stolz es dich macht, dass du das selber geschafft hast, ohne Hilfe, und darauf kannst du auch verdammt stolz sein, das kann ich dir sagen. Du hast erwähnt, wie schön du es findest, nun endlich von deinem Dad weg zu sein und näher bei deiner Mum und deiner Schwester. Also, wie hätte ich das tun können, wenn du dich doch offensichtlich hier so wohlfühlst?“   Was redete er da? Er hatte ihn zurückholen wollen? Warum?   „Seto, was...“ Joey wusste einfach nicht, was das hier alles zu bedeuten hatte. Was er jetzt sagen konnte, oder was Seto von ihm hören wollte. Ihm war durchaus bewusst, dass er ihn gerade wieder beim Vornamen genannt hatte, aber er benutzte ja auch seinen, also wollte er Gleiches mit Gleichem vergelten.   Der Brünette stöhnte auf, dann legte er eine Hand auf Joeys Wange, und die Berührung brannte augenblicklich auf seiner Haut.   „Du bist echt schwer von Begriff, Hündchen. Ich bin wegen dir hier, du Idiot. Nach unserem letzten Telefonat habe ich gemerkt, dass du offensichtlich dasselbe fühlst wie ich. Ich mag ja mit Emotionen im Allgemeinen nicht so viel am Hut haben, aber ich bin nicht blind, und ich bin, entgegen der landläufigen Meinung, auch kein Eisklotz ohne eigene Gefühle und Bedürfnisse. Ich habe nur nie gelernt, mit ihnen umzugehen, und schon gar nicht musste ich sie mal irgendwem gestehen.“   Ge...stehen? Was gestand er denn hier? Stand Joey so sehr auf dem Schlauch? Er sagte, er fühlte wie er, aber das... das konnte er ihm doch unmöglich glauben.   Als Joey noch immer keine Anstalten machte, darauf zu antworten, runzelte Seto die Stirn und massierte sich die Nasenwurzel, bevor er weitersprach.   „Okay, ich sehe schon, ich muss noch deutlicher werden. Du machst es mir echt nicht leicht, Joey.“   Er atmete tief durch, dann blickte er ihm wieder intensiv in die Augen und nahm Joeys Hände in die seinen. „Ich habe beschlossen, wenn du nicht zu mir kommen kannst, dann komme ich eben zu dir. Mokuba hat noch zwei Jahre bis zu seinem Abschluss, und ich habe heute den Mietvertrag für ein Office in New York unterschrieben. Ich werde die nächsten zwei Jahre noch regelmäßig nach Japan fliegen müssen, um Mokuba entsprechend einzuarbeiten, damit er die Geschäfte in zwei Jahren dort übernehmen kann, aber ich kann hier sein. Wird nicht einfach, aber es ist ja nur temporär. Und dann werde ich...“   „Okay, halt mal für eine Sekunde die Klappe, bitte.“ Joey wurde überwältigt von seinen Gefühlen. Das hatte er gemacht, um hier bei ihm zu sein? Das... was... vielleicht... ganz vielleicht... fühlte er tatsächlich dasselbe wie er?   Er hob seinen Blick wieder an und sah, wie Setos Augen noch weicher geworden waren, eine Nuance heller als sonst. „Was hat das alles zu bedeuten, Seto? Ich meine... überstürzt du das nicht alles ein bisschen?“   Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, schüttelte Seto den Kopf. „Nein, Joey. Wir haben drei Jahre unseres Lebens verschwendet. Ich werde nicht noch drei weitere warten.“   Joey entwich alle Luft aus seinen Lungen und er musste sich wieder auf dem Tisch abstützen, um nicht umzufallen. Sein Atem ging schnell und seine Augen waren weit geöffnet. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, hatte alle Mühe, mit dem, was Seto ihm da gerade eröffnete, mitzukommen. Und plötzlich hatte er das Gefühl, dass es tatsächlich wahr war, was er ihm gesagt hatte.   Er sah ihn, noch immer atemlos, wieder an, bevor er leise die Frage stellte, die ihn schon die letzten drei Jahre verfolgt hatte: „Du liebst mich?“   Seto grinste, zunächst mit einem Anflug von Arroganz, doch schon kurz darauf wich das einem Gesichtsausdruck, der so liebevoll und zärtlich war, dass Joey ihn fast nicht wieder erkannte. So einen Ausdruck hatte er noch nie bei ihm gesehen – oder? Doch dann, ganz langsam, in Mini-Schritten, kam die Erinnerung zurück. Es war derselbe Gesichtsausdruck, den er hatte, als er sich von ihm verabschiedet hatte, nach der Oberschule. Joey hatte es damals als etwas abgetan, das sich wohl nur in seiner Fantasie abgespielt hatte, gerade weil es auch nur ein flüchtiger Ausdruck gewesen war, aber ihn jetzt hier so zu sehen, ganz nah vor ihm, da wurde ihm plötzlich klar, dass es nicht nur Einbildung gewesen war.   Seto streckte eine Hand aus und liebkoste seine Wange, die unter der Berührung sofort zu kribbeln begann. „Hast du’s jetzt endlich kapiert, ja?“, flüsterte er, ohne, dass seine Mimik sich veränderte. Und da wurde es Joey schlagartig bewusst: Seto liebte ihn, und er liebte Seto.   „Seit der Oberschule?“   „Seit der Oberschule.“   Joey blieb die Luft weg. Er fühlte wie er. Er liebte ihn. Alles, was er sich die letzten Jahre so sehr erhofft hatte, wurde in diesem Augenblick wahr, und er konnte die Freudentränen darüber nicht verbergen.   Und dann löste sich der Knoten und er zog Seto in eine feste Umarmung, ließ seinen Tränen und dem Schluchzen endlich freien Lauf. Er konnte spüren, dass Seto zunächst mittelmäßig überfordert war mit der Situation, doch dann schlang auch er seine Arme um ihn und gab ihm einen sanften Kuss auf seine Haare, während Joey mit aller Kraft versuchte, sich zu beruhigen.   Irgendwann löste Joey die Umarmung, behielt seine Hände aber auf Setos Taille. Er schaute zu ihm auf, und sofort spürte er wieder eine warme Hand an seiner Wange, und Setos Daumen strich ihm sanft die Tränen weg.   Joeys Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sein Gesicht ganz langsam dem von Seto näherte. Auch er beugte sich zu ihm runter, und als sich ihre Lippen leicht berührten, löste das eine Explosion in Joey aus, die in seinen ganzen Körper ausstrahlte. Nach einer ganz kurzen, sanften Berührung, gingen ihre Lippen für einen kurzen Moment noch mal auseinander, so als ob sie sichergehen wollten, dass der Andere es genauso wollte. Doch Joey konnte das Verlangen in Setos Augen sehen, und er fühlte es auch, genauso intensiv wie der Brünette. Und als Joey seinen Mund wieder auf den von Seto drückte, da intensivierten sich alle Gefühle sogar noch, und er schlang beide Arme um Setos Körper, um ihn noch näher an sich zu ziehen, ihn noch mehr zu fühlen. Sein ganzes Leben lang hatte er auf diesen Moment gewartet und zuletzt die Hoffnung schon aufgegeben, und nun war sie hier, die Liebe seines Lebens, und küsste ihn, als ob es kein Morgen geben würde.   Gleichzeitig öffneten sie ihre Lippen einen Spalt und ihre Zungen berührten sich. Zunächst zögerlich, aber je mehr Sekunden vergingen, desto mehr tanzten sie umeinander, liebkosten einander. Joey konnte noch den Geschmack von grünem Tee in seinem Mund wahrnehmen, den er schon in der Schule ständig getrunken hatte, und diese süße Erinnerung löste eine angenehme Gänsehaut auf seinem ganzen Körper aus. Er hatte sich immer vorgestellt, wie er schmecken, wie er sich anfühlen würde, aber niemals hätte er sich ausmalen können, wie gut sich das anfühlen würde. Seine Lippen waren warm und weich, seine Hände auf seinen Wangen kräftig und stark und zeitgleich doch so zärtlich. Seto hatte recht, sie hatten so viel Zeit verschwendet, weil sie es versäumt hatten, offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren. Und Joey nahm sich vor, diesen Fehler nicht ein zweites Mal zu machen. Jetzt, wo er ihn endlich so richtig in seinem Leben hatte, würde er ihn nicht mehr loslassen, dessen war er sich sicher.   Mit rosigen Wangen lösten sie sich nach einiger Zeit wieder voneinander, und als Seto ihn dann wieder anlächelte, ging für ihn die Sonne auf, auch wenn es draußen schon lange stockduster war. Er hatte sich nie mehr gewünscht als das hier, und auch wenn es ihm ein bisschen wie in einem seiner nächtlichen Träume vorkam, so war es doch Realität. Und das war einfach so wunderbar.   Seto legte seine Stirn an die von Joey, nahm aber nicht die Hand von seiner Wange. Noch immer atmeten sie beide schnell und Joey brauchte einen weiteren Augenblick, um wieder zu Kräften zu kommen. Doch dann nahm er alle Energie zusammen und sagte: „Ich... kann es noch immer nicht glauben. Dass du hier bist und... dass du... wie ich empfindest. Das... ist das wirklich echt, Seto?“   Seto nahm grinsend die Hand von Joeys Wange – und kniff ihn kräftig in den Arm. „Au!“, schrie der Blonde und strich sich über die schmerzende Stelle, und Seto lachte, so herzlich, dass es Joeys ganzen Körper mit einer nie dagewesenen Wärme durchzog.   Dann grinste er ihn wieder an und fragte: „Und, wie echt hat sich das für dich angefühlt?“   Noch immer rieb Joey über die Stelle an seinem Arm, konnte jetzt aber nicht anders, als das Lächeln zu erwidern. „Ziemlich echt.“   Und da zog Seto ihn schon in den nächsten Kuss, und Joey wusste, dass er jetzt schon niemals genug von ihm bekommen würde.   Als Seto sich wieder von ihm löste, da blieb er mit seinem Gesicht so nah an dem von Joey, dass sich ihre Nasenspitzen fast noch berühren konnten. „Als wir das letzte Mal telefoniert haben, da hast du gesagt, dass du nicht mehr kannst – und ich kann es auch nicht. Ich bin an meinem Limit, und ich werde dich nicht mehr gehen lassen, oder ich folge dir, wohin du auch gehst. Weil... ich dich liebe, Joey.“   Joey konnte die heißen Tränen schon wieder überall auf seinen Wangen spüren, als er antwortete: „Und ich liebe dich, Seto, seit der Oberschule. Wie dumm wir in den letzten Jahren gewesen waren. Du hast recht, wir haben so viel Zeit verschwendet, und jetzt haben wir so viel nachzuholen.“   Der Blonde sah, wie Seto nickte, noch immer sanft lächelnd. „Das haben wir, und wenn es ein Leben lang dauert, alles aufzuholen, dann ist es so. Ich freue mich darauf. Du bist meins, Hündchen, und du wirst mir nicht mehr entkommen, hörst du?“   „Ja“, war das Einzige, was Joey noch flüstern konnte, bevor er Seto wieder küsste, und dann noch mal, und immer und immer wieder. Endlich war er da, wo er immer sein wollte, und es machte ihn glücklicher, als es Worte beschreiben konnten. Heute war der Tag seines Neuanfangs, als wäre er neu geboren, und er würde jede Sekunde mit dem Mann verbringen wollen, der ihn mit seinen eisblauen Augen schon in der Schule so verzaubert hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)