Fremde gehen von suugakusan ================================================================================ „Naruto, ich liebe dich.” Er ist verschwunden. Ich gehe zum Fenster hin. Naruto ist gerade aus dem Haus herausgelaufen. Sein blonder Schopf bewegt sich zielstrebig in Richtung U-Bahn. Die Menschenmasse macht es nicht einfach, ihn im Blick zu behalten, aber noch sehe ich seine immer kleiner werdende Gestalt. Tja, Naruto, so stolz wie du deinen Kopf hältst, würde man niemals vermuten, dass du vor fünf Minuten heulend in meinen Armen lagst. Generell bist du heute komisch gewesen. Wenn ich das Schlechteste bin, was dir passiert ist, wieso bist du überhaupt gekommen? Warum hast du einen Schmerz empfunden, als du mich leiden gesehen hast, wenn du mich wirklich aus dem tiefsten Herzen verabscheust? Allgemein hat dein jetziges Leben sehr viele Berührungspunkte mit mir. Dein Job, deine Wohnung, deine Verlobte… ach, und darüber möchtest du nichtmal reden… ich hoffe, dass du sie trotzdem heiraten willst. Das wäre ihr gegenüber ziemlich unfair. Ich weiß, ich bin der Letzte, der darüber eine Moralpredigt halten sollte. Trotzdem hätte ich gerne, dass du nicht dieselben Fehler machst, wie ich. Wenn man nicht ehrlich ist, dann richtet man zwangsläufig irgendwann massiven Schaden an. Wenn du diese Ehe von vornherein mit Zweifel beginnst, denke ich nicht, dass es eine besonders gute Konstellation ist. Also passt da bitte-bitte auf, okay? Aber du bist schon ein helles Köpfchen. Du weißt wahrscheinlich, was du da machst, ganz unabhängig davon, wie ich es empfinde. Was mir deutlich mehr Sorge bereitet, ist dein Vibe, Naruto. Ich kann es leider mit keinem anderen Wort beschrieben. Ich habe dich ungefähr ein Jahr nicht gesehen und es scheint, als wärest du im Grunde eine andere Person geworden. Eine Sache, die dich ausgezeichnet hat, war dein inneres Feuer. Es war eine unaufhaltsame Kraft. Du warst begeisterungsfähig, lebensfroh, leidenschaftlich und das hast du an alle um dich herum weitergegeben. Du warst eine kleine Sonne. Leider hast du es komplett verloren. Jetzt wirkst du ausgebrannt, verbittert und sehr zynisch. Genau das hat mir am meisten weh getan. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, aber vermutlich bin ich der Hauptgrund dafür, warum du heute so bist. Naru, sag mir, habe ich dich ernsthaft zu einem anderen Menschen gemacht? Das fühlt sich surreal an… kann ein Mensch wirklich einen anderen Menschen so stark beeinflussen? Eigentlich schon… ja, es kann definitiv passieren. Schließlich bin ich auch nicht mehr derselbe. Komischerweise würde ich meine eigene Änderung eher als positiv betrachten. Das ist ziemlich unfair. Der kleine Punkt ist um die Ecke verschwunden. So, das war's jetzt wirklich. Naruto, was auch immer du im Leben machst, ich wünsche dir vom ganzen Herzen alles Gute. Ich geh dann man rein. Ich betrete die Küche. Der Raum fühlt sich verlassen an. Ich mach den Wasserkocher an und lege einen Teebeutel in die Tasse. Was habe ich denn hier geschnappt? Grüntee? Ja, ist gut… also, wenn ich ganz ehrlich sein müsste, was habe ich eigentlich vom heutigen Treffen erwartet? Keine Ahnung? Dass er mir alles verziehen hat und jetzt gerne da weitermachen würde, wo wir aufgehört haben? Das wäre natürlich das Beste. Na, zumindest habe ich erwartet, dass er immer noch er selbst ist und keine absolut andere Person. Und wenn doch, dass die Person nicht so destruktiv erscheint. Hmmm, jetzt, wo ich so darüber nachdenke, war das womöglich ein Hilfeschrei? Wollte er etwa gerettet werden? Warum sonst würde er hier auftauchen, ein Label für sich einfordern und danach in meinen Armen zusammenbrechen? Tatsache, vielleicht will er immer noch, dass ich ihm hinterherlaufe und mich vor ihm zum absoluten Deppen mache?! Oh Gott, das sind super schwierige Fragen! Ich will ihm unter keinen Umständen zu nahe treten, überhaupt nicht. Zumal habe ich null Anrecht darauf. Es ist allein seine Entscheidung. Wenn er sein Verlobungsplan will, dann sollte er ihn durchziehen. Aber wenn er eigentlich gehofft hat, dass ich ihn heute stoppe… oooh, wie soll man denn sowas alleine rausfinden, ha?! Gott, oder wer auch immer da oben sitzt, bitte sende mir ein deutliches Zeichen, falls er möchte, dass ich was mache! Bitte! Ich will es wissen! Jetzt sofort! Mein ganzer Körper spannt sich an. Ich halte sogar instinktiv den Atem an. Mein Herz schlägt kräftig. Ich schließe die Augen und halte inne… Nichts passiert. Die Spannung verlässt meinen Körper und ein riesiges schwarzes Loch öffnet sich in meinem Inneren. Ich spüre, wie meine Systeme runtergefahren werden. Alles wird in dieses Loch eingesaugt und ich merke es einfach. Verzweiflung. Scheiße, wieso ist denn nichts passiert?! Warum habe ich… Moment mal… ich will doch ihn aufhalten! Wieso mache ich das einfach nicht?! Oh, ich bin so verdammt dumm!!! Ich flüchte panisch aus meiner Wohnung und renne zur U-Bahn so, als würde mein Leben davon abhängen. Tatsächlich hängt mein Leben davon ab. Alles oder nichts. Ein kräftiger Platzregen bricht aus. Ich werde binnen Sekunden komplett nass. Endlich erreiche ich den Bahnhof. Ich stürme wie verrückt auf die Plattform. Dabei schlägt mein Herz kräftig. Wenn ich jetzt Naruto vorfinde, springt es bestimmt aus dem Brustkorb heraus und ich versterbe am Blutverlust. Ich bin unten. Für diese Uhrzeit ist die Plattform ungewöhnlich leer. Die Menschenmasse ist relativ überschaubar. Ich scanne jeden hungrig ab. Mein Blick krallt sich intensiv in einen Fahrgast nach dem nächsten. Nein… nein… nein… nein… ebenfalls nein… scheiße, er ist nicht mehr hier. Oh nein… Eine Bahn fährt ein und wenige Sekunden später noch eine auf der gegenüberliegenden Seite. Die Türen gehen auf. Die Menschen verteilen sich auf die Waggons. Ein lautes Signal und eine rote Lampe zeigen das Ende des Stopps an. Die Türen schließen. Sie fahren weg. Niemand sonst bleibt auf dem riesigen Bahnsteig übrig. Wenn du so weiter machst, verreckst du irgendwann ganz allein. Die Worte vom Trennungsfreitag erklangen in meinem Kopf wie ein mächtiger Donner. Das riesige schwarze Loch in meinem Inneren öffnet sich wieder und verschlingt die kleine Hoffnung, an der sich mein gesamtes Wesen festgeklammert hat. Jetzt ist auch das weg. Ich verspüre eine unangenehme Schwere in der Brust. Mir geht's das überhaupt nicht gut. Ich muss mich erstmal hinsetzen. Nach ein paar Minuten habe ich mich wieder eingekriegt. Der Bahnsteig inzwischen etwas voller geworden und das half mir tatsächlich. Es ist gut zu wissen, dass es noch jemanden hier gibt außer mir. Es ist irgendwie lächerlich, aber was soll's… im Moment brauche ich einfach irgendeine menschliche Präsenz, denn sonst hätte der Uzumaki komplett Recht. *** Einige Monate sind seit dem Treffen vergangen. Seit einigen Monaten ist mir also bewusst, dass ich völlig allein bin. Ich versuchte diese Lücke zu schließen, indem ich mich öfter mit meiner Tochter treffe. Uns beiden hat es sehr gut getan. Ich glaube, Sakura ist auch sehr froh darüber. Doch seit einigen Tagen weiß ich, dass Sarada ins Ausland zieht wird. Es gibt da so eine Internatsschule für begabte Kinder und da wurde sie zufälligerweise aufgenommen. Die Situation hat mich schon echt hart getroffen. Nicht, dass sie so spontan gehen möchte – das begrüße ich wiederum sehr – sondern dass sie mir nichts von diesem Vorhaben erzählt hat. Naja… Kinder werden irgendwann auch erwachsen, dann möchten sie ihren Alten nicht unbedingt alles erzählen. Kann ich schon nachvollziehen. Heute habe ich noch einen kleinen Schicksalsschlag erlebt. Naruto hat am Samstag geheiratet. Das habe ich unauffällig bei den Buchhaltern überhört, als ich Akimichi auf einen groben Fehler in einer sehr wichtigen Rechnung hingewiesen habe. Die Hochzeit wäre voll toll gewesen, zumindest wenn man Nara glaubt. Außerdem hat er gesagt, dass Naruto echt glücklich wirkte. Das hätte ich gern gesehen. Ich habe das Gefühl, dass ich genau diesen Anblick für meinen persönlichen Seelenfrieden brauche. Genau so wie Naruto unbedingt eine Bezeichnung für seinen Platz in meiner Welt wollte. Innerer Seelenfrieden, ha? Existiert sowas überhaupt? Ich dachte schon viel zu oft, dass wenn etwas bestimmtes passiert, bin ich glücklicher, zufriedener, ausgeglichener… dann ist dieses bestimmte Etwas passiert, aber es gab keine nachhaltige Änderung. Kann man denn also den inneren Seelenfrieden jemals finden? Beziehungsweise kann ich das? „Uchiha-san, entschuldigen Sie bitte…” Ich hebe meinen Kopf hoch und sehe Yamanaka vor mir. „Ja?” „Feedback für die Beförderungsrunde… Sie haben noch kein einziges eingereicht und so langsam ist es sehr dringend.” Achso, scheiße, da war ja was, was ich seit drei Wochen konsequent ignoriere… „Ja, natürlich, bis heute Abend EOB kriegen Sie alles.” „Danke.” „Bis wann ist denn die Frist eigentlich?” „Gestern wäre der letzte Tag gewesen.” „Oh… okay, dann erledige ich es gleich im Anschluss.” „Alles klar, dann war's das schon. Ich möchte Sie nicht länger aufhalten.” „Yamanaka-san, warten Sie bitte…” „Ja, was denn?” „Sie kennen mich schon länger. Sagen Sie… bin ich in den letzten zwei Jahren irgendwie netter geworden?” Ihre Augen werden plötzlich wie riesige Teller. Ja, die Frage hat sie komplett umgehauen… hmmm, vielleicht hätte ich lieber die Klappe halten sollten. „Keine Angst, es ist keine Fangfrage oder so. Ich möchte nur Ihre ehrliche Meinung hören.” Oh, jetzt guckt sie mich nicht nur perplext an, sondern auch ängstlich. Ach man, ich hätte wirklich-wirklich die Klappe halten müssen. Soft Skills, Sasuke, soft Skills! „Okay, ich sehe, Ihnen ist die Frage unangenehm. Es tut mir leid und Sie können sie gerne ignorieren. Entschuldigen Sie mich bitte.” „Nein, bitte entschuldigen Sie mich. Ich… ähm…” „Ach, Ino, kommen Sie, wir wissen beide, dass ich eine schrecklich unnette Person bin. Ich wollte nur wissen, ob sich das wenigstens etwas gebessert hat.” Jetzt schaut sie mich richtig erstaunt an. Gott, ich habe nicht so viele Gesichtswechsel innerhalb von einer Minute erwartet. Ich füge hinzu: „Ich gebe mir tatsächlich seit zwei Jahren Mühe, nicht mehr so unausstehlich zu sein.” „Oh…”, lässt sie nur verwundert ab. „Ja, anscheinend klappt es nicht so gut. Zugegebenermaßen ist es mit meiner beinahe nicht existenten Geduld überhaupt nicht einfach.” „Naja, reden Sie sich nicht so schlecht. Viele haben eine hohe Meinung von Ihnen.” „Wahrscheinlich eher aus fachlichen Gründen.” „Das haben Sie jetzt gesagt…”, wirft sie leise ein. „Naja, ich kenn doch meine Mitarbeiter und sie kennen mich. Niemand von ihnen kann mich wirklich privat leiden. Leider beruht das auf Gegenseitigkeit.” Ich fange ihren verwirrten Blick. Sie weiß nicht, was sie sagen soll. Ich breche das Schweigen: „Es ist eigentlich schlecht. Deswegen versuche ich seit zwei Jahren aktiv dagegen zu wirken.” „Macht es Ihnen so viel aus?” „Letzter Zeit schon. Man wird nicht jünger, da ändern sich die Prioritäten. Es ist schon traurig, dass man mich hier nach zwanzig Jahren kaum leiden kann.” „Wow… Sie haben jetzt mein Bild von Ihnen irgendwie komplett zerstört”, lächelt sie mich weiterhin etwas gehemmt an. „Kein Problem, sowas mache ich gerne.” Ich erwidere. Jetzt lächelt sie aufrichtig: „Wo ich Sie jetzt so sehe… ich glaube, ich habe Sie in den sechs Jahren, in denen ich hier bin, noch nie lächeln sehen. Ach, ne, Quatsch…” Ihr Blick geht zur Decke und sie versucht sich an irgendwas zu erinnern. „Ja, so ungefähr vor drei-vier Jahren… ja, Naruto war noch hier. Stimmt! Ich glaube, es war irgendeine firmeninterne Veranstaltung und da habe ich Sie ausnahmsweise sehr aufgeschlossen erlebt.” „Achso.” Ich schmunzle leicht. „Na dann…” Ino signalisiert mir, dass sie gehen möchte. „Ich reiche die Feedbacks noch heute ein.” „Vielen Dank.” Sie geht sich zur Tür. „Bis dann!” Sie verlässt mein Büro und ich seufze. Mir kommen die Erinnerungen hoch. Das war nicht irgendeine firmeninterne Veranstaltung, sondern die, die meiner Abteilung in allerletzten Minute aufgedrückt wurde. Damals musste Naruto die gesamte Orga schmeissen. Trotz Zeitdruck ist sie echt klasse geworden. Die Woche davor war ich super gestresst, genervt und ausgelutscht und unter keinen Umständen wollte ich dahin. Naruto hat mich nichtsdestotrotz mitgeschleppt. Für meine eigene geistige Gesundheit, meine er. Ich bin natürlich sehr voreingenommen hineingegangen. Aber Naruto hat mich sehr geschickt entspannt gemacht und irgendwann im Laufe des Abends habe ich festgestellt, dass ich da überhaupt nicht weg möchte. Nach der Party fuhren wir ins Hotel und verbrachten fast die ganze Nacht draußen auf dem Balkon. Er hat mir noch mehr Details von seiner Vergangenheit verraten. Es ging um seine Zeit an der Mittelschule und wie schrecklich sie war. Und danach führten wir ein langes tiefsinniges Gespräch über Fairness und Chancengleichheit. Bei diesem Gespräch entdeckte ich, dass er sehr viele Vorurteile über mich hatte. Ich sei ja privilegiert aufgewachsen. Ich würde ja nur die Eliteschulen besuchen. Ich hätte ja eine reiche Verwandtschaft mit Connectios. Ich fand es einfach lustig, was er alles über mich so angenommen hat. Schlussendlich bin ich in seinen Armen eingeschlafen. Dieser Abend ist mir sehr gut in Erinnerung geblieben, denn da hatte ich seit langem dieses Gefühl, dass ich genau am richtigen Ort, zur genau richtigen Zeit und mit der genau richtigen Person bin. *** Ich schwänze heute meine Therapie schon wieder. Meistens mache ich das, weil ich wirklich viel zu tun habe. Das ist für mich ein legitimer Grund. Heutiger Grund ist nicht legitim. Seit einigen Wochen verfalle ich in eine sehr starke Sehnsucht nach menschlichen Kontakt. Ich kotze mich zwar bei meiner Therapeutin darüber aus, aber irgendwie ist das nicht so effektiv. Ich weiß nicht wieso, aber die Gespräche bringen keinen Seelenfrieden. Deswegen greife ich neuerdings öfter zum Alkohol. Ich weiß, dass das dumm ist, aber ich kann diesen Zustand sonst nicht adäquat managen. Diese Woche war extrem schlimm. Nichtmal Alkohol half. Die ganze Woche ging's mir richtig unterirdisch. Gestern erreichte die Sehnsucht ihren Höhepunkt. Was habe ich also gemacht? Richtig, ich bin ausgerastet und mir verbindlich einen Callboy gebucht. Jetzt muss ich mich mit ihm treffen und es fühlt sich einfach falsch an, in diesem Hotel zu sitzen und… Oh, jemand hat an der Tür geklopft. Ich öffne. An der Türschwelle steht ein rothaariger braunäugiger Typ. Sein Gesicht ähnelt erstaunlich Naruto Uzumaki. Bei diesem Anblick verziehe ich unkontrolliert mein Gesicht zu einem Grinsen und mein Herz füllt sich mit einer angenehmen Wärme. Er bewirft mich erstmal mit einem skeptischen Blick. „Bist du Sasuke?” „Ja.” „Dann bin ich richtig hier.” Er lässt sich hinein und fährt direkt fort: „Ich habe zwar Pauschalpreise, aber kein Blasen, kein Sex ohne Kondom, kein Küssen…” Plötzlich bricht dieser Junge in einem langen Vortrag über seine Dienstleistungen aus. Währenddessen verflüchtigt sich meine Sekundeneuphorie komplett. An ihrer Statt kommt eine unangenehme Nervosität. Ich unterbreche ihn: „Mal ganz kurz, vielleicht können wir erstmal quatschen, bevor es zur Sache geht?” „Was?” „Steht das nicht auf deiner Preisliste?” „Nein, ich habe für sowas keine Zeit.” „Achso? Warum denn? Ich bezahle doch für deine Zeit, darf ich mir da nicht aussuchen, was wir machen?” „Hör auf, so auf nett zu machen!!!” Er bricht erneut in einem Vortrag aus. Dieser hier ist aber ziemlich wütend. Ich habe darauf auch null Bock. Die Nervosität vergeht vollständig und ich empfinde jetzt nur Ekel. So ein komischer Typ. Plötzlich fasst er mich an. Hey, das geht überhaupt nicht! Ich stoße ihn weg. „Weißt du, ich habe einen Fehler gemacht. Bitte geh jetzt.” „Und was ist mir Geld?!” „Du hast doch deine Voranzahlung, was willst du noch von mir?” „Hä? Du hast mich für zwei Stunden gebucht und schmeißt mich hier so raus! Bezahl mich dann wenigstens!” Ich seufze: „Hier.” Ich drücke ihm ein paar Scheine in die Hand. „Hier noch ein bisschen Trinkgeld.” Ich gebe ihm einen Haufen Münzen. „Schönen Abend noch.” Er stürmt aus der Tür heraus. Es knallt kurz und danach kehrt Ruhe ein. Sehr gut. Scheiße, wieso dachte ich, dass es eine gute Idee ist, einen Naruto-Ersatz zu holen?! Erstens war er viel zu jung, vielleicht zwanzig? Es wirkte schon abschreckend. Auf den Bildern kam das nicht so rüber. Und zweitens ja, er sieht aus wie Naruto, aber er ist überhaupt kein bisschen wie Naruto. Nur Gesicht passt, der Rest ist verfehlt. Vor allem haben wir null Verbindung und ich kann nicht gut mit Fremden. Besonders dann nicht, wenn sie mir gleich erzählen, was bei ihnen Rimming kostet. Gott, ich brauche so dringend eine qualitative menschliche Nähe! Ich will Verbindung spüren! Ich möchte mit jemandem lange tiefsinne Gespräche über Gott und Welt führen! Ich möchte mit jemandem regelmäßig Mahlzeiten teilen! Ich möchte wieder mit jemandem lachen! Ich möchte mich mit jemandem über irgendwas ärgern! Ich will Zärtlichkeit und Wärme und Geborgenheit und Gemeinschaft! Ich will jemandem gehören. Ich will, dass jemand mir gehört… Ach, wen belüge ich hier? Es geht immer noch um ihn. Es ist eigentlich komplett lächerlich. Wir waren nur zweieinhalb Jahre zusammen und seit ungefähr anderthalb Jahren sind wir getrennt. Unsere Zeit war also sehr kurzweilig. Hinzu kommt, dass es jetzt eh alles anders ist. Er hasst mich. Er hat gesagt, ich bin das Schlechteste, was ihm je passiert ist, und da würde ich ihm wahrscheinlich recht geben. Außerdem ist er jetzt verheiratet und allgemein ist er eine ganz andere Person geworden. Dieser Naruto, der eine Sonne war, der meine Termine managte, meinen Geschäftspartner Honig um die Ohren schmierte, sich mit mir verbal anlegte, mit mir gerne ins Hotel ging und mich bis zum Nervenzusammenbruch angebettelt hat, bei ihm zu bleiben, ist ein Relikt aus Vergangenheit. Es ist eigentlich absolut sinnlos, dem nachzutrauern, aber hier bin ich und mache genau das und es bricht mir mal wieder das Herz. Ich jage innerlich diesem bittersüßen Gefühl hinterher, dass ich genau am richtigen Platz zur genau richtigen Zeit mit der genau richtigen Person bin, und ich will, dass er nur noch ein Mal diese Person ist. Ich will ihn nur noch ein Mal an meiner Seite spüren. Ich will nur noch einmal von Naruto geliebt werden. Denn so geliebt wie von diesem Jungen wurde ich von niemandem. Und ich habe noch nie jemanden so geliebt wie ihn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)