Urisen von MAC01 ================================================================================ Kapitel 16: Rückkehr -------------------- Jonouchi seufzte. Wieder ein Abend in der Seitengasse. Was sonst nur ein Mal pro Woche oder alle zwei Wochen notwendig war, musste er im Winter fast täglich tun. Das lag einfach daran, dass die Anzahl der Freier sich in der kalten Jahreszeit drastisch reduzierte. Wenn er im restlichen Jahr an einem Abend, drei oder vier Freier abfertigen konnte war es im Winter alle zwei Tage vielleicht einer. Und er brauchte das Geld... er musste schließlich was essen. Er war nur froh, dass die Lüftung in seinem Rücken warme Luft entließ und die Kälte so etwas ertragbarer machte. Andernfalls drohte er ernsthaft zu erfrieren. In den Nachrichten war gesagt worden, dass es heute die bislang kälteste Nacht in diesem Winter werden würde. Er raffte seine Jacke etwas mehr um sich. Vielleicht konnte er heute noch einmal bei einem seiner Freunde schlafen? Doch bei wem? Bei Yugi war er gestern gewesen. Ryou hatte ihn am Wochenende bei sich schlafen lassen. Zu Honda wollte er nicht, solange er noch so angeschlagen war. Dessen Mutter würde mit ihrer Herzlichkeit und Fürsorge nur die Dämme zum Brechen bringen. Und Otogi... mit Otogi war er nie sehr eng befreundet gewesen. Außerdem spielte er als Ladenbesitzer in einer anderen Liga und würde ihn sicherlich nicht ohne weiteres bei sich übernachten lassen. Unter welchem Vorwand hätte er sich auch an ihn wenden sollen? Der Blonde kam zu dem Schluss, dass seine Freunde für heute keine Option waren. Vielleicht war der Platz hinter dem kleinen Restaurant hier um die Ecke noch frei. Dort gab es ein Bodengitter aus dem immer recht warme Luft kam, auch wenn sie teils bestialisch stank. Oder im Park in der Nische der Unterführung. Wenn er sich ein paar alte Zeitungen besorgte könnte er für etwas Dämmung sorgen. Aber, ging es ihm plötzlich durch den Kopf, vielleicht sollte er sich einfach auf eine Parkbank setzen und darauf warten zu erfrieren. Dann hätte das alles endlich ein Ende. Und ein großer Verlust wäre er ohnehin nicht. Klar, seine Freunde würden trauern, aber er war sich sicher, dass sie ihn schon ein paar Wochen später vergessen hätten. Seine Schwester wäre traurig, sofern sie davon erfahren würde. Oder nur betroffen? Seinen Eltern wäre es egal. Da war er sich sicher. Im Augenwinkel nahm er wahr, wie einer der älteren Jungs auf ihn zukam. Sofort spannte er sich an. Es wäre nicht das erste Mal, dass er seinen Platz hier verteidigen müsste. Seine Hände ballten sich in seinen Jackentaschen bereits zu Fäusten. "Hey", sprach ihn der andere an, der vielleicht zwei oder drei Jahre älter war und definitiv ein Drogenproblem hatte. "Das ist mein Platz", keifte Jonouchi sofort abwehrend. "Ja, schon klar...", erwiderte der andere. Jonouchi hatte sich nie mit den anderen Urisen in dieser Straße abgegeben und war für sich alleine geblieben. Eigentlich hatte er sich nicht selbst als einen Urisen gesehen, bis Kaiba ihn so genannt hatte. Da hatte ihn die Wahrheit wie ein Schlag getroffen. Dennoch hatte er eigentlich keinen Kontakt zu seinen Konkurrenten. "Ich will ihn dir nicht streitig machen, aber ich möchte dich warnen", meinte der Junkie. "Warnen? Vor wem?", wollte der Blonde wissen, immer noch bereit einen eventuellen Angriff abzuwehren. "Ich weiß nicht, ob du Ken und Shuntaro kennst", begann der Urisen und Jonouchi schüttelte seinen Kopf. "Egal, aber in den letzten Wochen geht hier einer um, der Jungs mit in ein Love Hotel nimmt. Dort lässt er sich erst einen blasen, dann schlägt er einen fast bewusstlos und dann vergewaltigt er sie stundenlang." Bilder kamen in Jonouchi hoch, die er mit aller Mühe wieder runterschluckte. Sein Zittern hatte zu genommen und das war nicht der Kälte geschuldet. Er presste seine Lippen fest aufeinander, was seine Zähne nicht vom Klappern abhielt. "Am Ende peitscht er mit einem Gürtel auf einen ein. Ken hat er mit einem Messer das Wort 'Sünder' in den Rücken geritzt. Shuntaro auch, aber... dem hat er auch die Kehle durchgeschnitten. Ich wollt dich nur warnen, damit du auf dich aufpasst", erzählte der gefärbte Rothaarige zu Ende. Dann wandte er sich ab, um zu seinen Freunden zurück zu gehen. Jonouchi blickte ihm fassungslos hinterher. 'Sünder', hallte eine tiefe, hasserfüllte Stimme in seinen Gedanken wieder. Das hatte er auch immer wieder gesagt, während er seinen Gürtel über seinen Rücken gezogen hatte. 'Sünder'. Immer und immer wieder. "Sünder", hörte er das Wort erneut und hätte schwören können, dass es dieses Mal nicht nur in seinem Kopf erklungen war. Doch er verdrängte den Gedanken rasch wieder und schrieb es seiner Nervosität zu, die seit dem 'Überfall' sein ständiger Begleiter war. "Sünder", hallte es erneut leise hinter ihm. Jonouchi schluckte und wandte seinen Blick in die Gasse, an deren Ecke er stand. Sie lag dunkel dar und die Umrisse der Müllcontainer der Bars und Clubs, deren Eingang vorne an der Hauptstraße lagen, zeichneten sich ab. Dampfschwaden stiegen auf, dort wo warme Luft durch irgendwelche Lüftungsschlitze in die Kälte drang. "Sünder", kam es dieses Mal etwas näher aus dieser Gasse und Jonouchi wurde sich bewusst, dass es doch nicht nur Einbildung gewesen war. Er stieß sich von der Hauswand ab und drehte sich etwas, so dass er besser in die Gasse schauen konnte. Eine Bewegung ließ ihn sich mehr anspannen. Dann löste sich der Schatten einer Person aus der Umgebung. "Sünder", erkläng es ein weiteres Mal und dieses Mal klang Abscheu und Ekel in der Stimme mit. Diese Stimme ließ Jonouchi ein Schauer über den Rücken laufen. Er kannte sie. Stundenlang hatte er ihr zugehört, wie sie ihn beschimpft hatte. Wie sie über ihm gekeucht und sein Betteln und Flehen ausgelacht hatte. Langsam stolperte er einige Schritte von der Hauswand und der Gasse weg. Dann trat der Mann in dem maßgeschneiderten Anzug und dem superteuren Mantel aus der Gasse und fixierte Jonouchi mit einem irren Blick. Als der Typ versuchte nach ihm zu greifen erwachte Jonouchi aus seiner Schockstarre und der Fluchtinstinkt übernahm. Er wandte sich dem Ende der Seitenstraße zu, die ihn aus dem Schwulenviertel heraus führen würde und gab Fersengeld. Er schoss an den wenigen Urisen vorbei, die bei dem Wetter hier noch standen und spürte, dass der Pseudo-Geschäftsmann ihm folgte. Der Blonde wagte nicht über seine Schulter zu schauen, um sich zu vergewissern, ob sein Gefühl ihn belog hatte oder um abzuschätzen, wie nah der Mann tatsächlich war. Schließlich erreichte er das Ende der Seitenstraße und wollte über die tagsüber stark befahrenen Straße hechte, die um die Uhrzeit eher wenig genutzt wurde. Wenn er es über die Bahngleise schaffte konnte er in der nächsten Wohnsiedlung den Mann abhängen. Davon war er überzeugt. Das Hupen und Quietschen von Reifen riss ihn aus seiner Überlegung, er blieb geschockt stehen und sah die Scheinwerfer eines Oberklassenfahrzeuges auf sich zu kommen. Er streckte seine Arme der Motorhaube entgegen, als könne er den Wagen damit abbremsen. Doch zu seinem Glück verfügte das Auto über ausgezeichnete Bremsen und Winterreifen mit gutem Gripp. Dann wurde er bereits an seinem unverletzten Arm gepackt und sah in das Gesicht des Mannes, der ihn mehrfach vergewaltigt hatte. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht als er den irren Ausdruck in dessen Augen sehen konnte. "Hab ich dich", zischte er ihm atemlos entgegen. Die Schockstarre ergriff den Blonden erneut. "Mir entkommt keiner." Nur am Rande hörte Jonouchi, wie jemand aus dem Auto stieg und etwas fragte. Doch die Worte verstand der Blonde nicht. Es war, als würde er sie aus sehr großer Entfernung wahrnehmen. Doch die Antwort des Mannes, der womöglich einen der Urisen auf dem Gewissen hatte, grinste nur höflich an Jonouchi vorbei, während er wem auch immer antwortete und irgendetwas von Sohn faselte. Der Wortabschlag der beiden Männer ging in einem Rauschen unter. Alles, was Jonouchi denken konnte war, dass er nicht sterben wollte! . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)