Urisen von MAC01 ================================================================================ Kapitel 3: Trautes Heim ----------------------- Traurig zog Jonouchi durch die Mall von Schaufenster zu Schaufenster und betrachtete sich die Auslage. Das meiste interessierte ihn nicht, aber es lenkte ihn davon ab, dass er doch nicht so viel Zeit mit Shizuka hatte verbringen können, wie er es sich gewünscht hatte. Im Gegenteil. Sie hatten kaum Zeit gehabt sich gegenseitig auf den neusten Stand der Dinge zu bringen, als ihre Mutter sie störte. Als ob diese Frau ein Gespür dafür hatte. Ärger wallte in Jonouchi auf. Wut auf seine Mutter. Nein, er musste sich selbst berichtigen, denn sie hatte ihm ja verboten sie jemals wieder so zu nennen. Noch so eine Enttäuschung und bittere Erkenntnis, die ihm nicht erspart geblieben war. So viel zur bedingungslosen Elternliebe, aber wenigstens waren seine Eltern in diesem Punkt konsequent. Dann kam er an ein Schaufenster eines Spieleladens und blieb stehen. Auf einem großen Plakat wurde das neue Booster Deck für Duel Monsters vorgestellt. Er studierte es akribisch, griff dann in seine Hosentasche und zog die wenigen Scheine, die er noch hatte, hervor. Er zählte schnell sein Geld und wog dann ab, ob er sich ein Booster Pack leisten oder das Geld lieber für den nächsten Schultag aufheben sollte. Schließlich steckte er das Geld wieder zurück in seine Hosentasche, stopfte seine Hände, die sich zu Fäusten geballt hatten, in die Taschen seiner Jacken, während er sich vom Schaufenster abwandte und davon stapfte. Er verließ zügig die Mall, um nicht noch einmal in Versuchung geführt zu werden und machte sich auf den Heimweg. Mit etwas Glück wäre sein Vater schon in einer der Mahjongstuben und würde wieder ein ordentliches Sümmchen verlieren. Nach mehr als einer halben Stunde erreichte er das hohe Wohnhaus, in dem er mit seinem Vater wohnte. Da der Aufzug standardmäßig nicht funktionierte stieg er die Treppen hinauf in den dritten Stock und wandte sich in die Richtung der Wohnungstür. Gerade als er den Schlüssel ins Schloss schieben wollte wurde die Tür von innen aufgerissen und sein Vater blickte ihn mit unverhohlenem Ärger an. "Rein", zischte ihn sein Vater an und nach einem kurzen Zögern wurde Jonouchi von dem Älteren gepackt und rein gezerrt. Schnell ging er im Kopf durch, ob er etwas vergessen hatte, doch wenn ja, wusste er es nicht. Doch der Zustand der Wohnung überraschte ihn, denn es sah so aus, als ob jemand den gesamten Inhalt des Mülleimers im Wohnzimmer verteilt hatte. "Was fällt dir ein?", begann sein Vater ihn anzuschreien, nachdem er die Tür wieder ins Schloss geschlagen hatte. Dann schlug er mit der offenen Handfläche gegen Jonouchis Stirn, was er immer dann tat, wenn er ihm Dummheit vorwarf. "Wieso musst du sie nur immer so provozieren?" Sie? Jonouchi begann zu dämmern, was los war. Doch ehe er was erwidern konnte traf die Hand seines Vaters bereits auf die Wange und ließ ihn ein, zwei Schritte zur Seite stolpern. Die Wange begann sofort höllisch zu brennen und Jonouchi legte instinktiv seine Hand über sie. "Ich hatte gerade ein unerfreuliches Telefonat mit der werten Wächterin", blaffte ihn sein Vater an. Da wusste Jonouchi sicher, von wem sein Vater sprach, denn 'Wächterin' war dessen Bezeichnung für seine Ex-Frau. "Sie hat mir gesagt, dass du dich mit deiner Schwester rumgetrieben hast." Woher sie das wusste, war Jonouchi ein Rätsel. Sicherlich hatte sie irgendeinen Ansatz bei Shizuka gefunden und so lange Druck in irgendeiner Form ausgeübt, bis sie ihr das gestand. Er machte seiner Schwester keinen Vorwurf, denn er kannte die Methoden seiner Mutter. Sie waren nicht körperlicher Art, wie die seines Vaters, der ihn wieder gerade hinstellte und erneut zulangte. "Du wirst dich nicht mehr mit ihr treffen, solang eure Mutter das nicht will, verstehst du das?", schrie sein Vater ihn an, während er ihm weiter ins Gesicht schlug, so dass Jonouchi irgendwann auf den Boden sank, in der Hoffnung so den Schlägen zu entgehen. Doch das brachte den Alten noch mehr in Rage. Als sein Vater endlich am Ende seiner 'Predigt' war ließ dieser sich auf die alte Couch fallen, legte die in Stiefel steckenden Füße auf den Fernsehtisch und zündete sich eine Zigarette an. "Räum hier auf und dann mach was zu essen", blaffte sein Vater zu ihm, bevor er die Fernbedienung in die Hand nahm und einen Sportsender einschaltete. "Das gibt's doch nicht, haben sie den Quarterback durch 'ne Pussy ausgewechselt?" Jonouchi brauchte einen langen Moment, bevor er sich zusammenrollen konnte, um sich langsam aufzusetzen. Ihm war schwindlig und das Gesicht tat ihm weh. Die Hitze schien ihm unerträglich. Dann zog er sich an der Küchentheke hoch und brauchte einen Moment, bis er seinen Beinen zutraute, ihn zu tragen. Mühsam schleppte er sich ins Badezimmer und wusch sich das Blut aus dem Gesicht, welches aus der Nase gelaufen war. Dabei kühlte er sich die Blessur auf der rechten Wange mit einem feuchten Handtuch, welches er vorher unter das fließende Wasser gehalten hatte. Das heftige Anklopfen an der Badezimmertür ließ ihn zusammenfahren. "Was ist? Haste deine Tage bekommen oder was brauchst du so lange da drin? Schaff dich endlich raus, ich muss pissen", dröhnte die gereizte Stimme seines Vaters durch die Tür. Sofort sprang er auf und richtete das Badezimmer kurz. Dann öffnete er die Tür und wurde sofort von dem scharfen Blick seines Vaters taxiert. Vorsichtig schob er sich an dem ehemaligen Militärangehörigen vorbei ohne diesen zu berühren, bevor dieser ins Badezimmer ging und auch diese Tür lautstark ins Schloss fallen ließ. Sofort machte sich Jonouchi dran die Wohnung aufzuräumen, bevor er dann - als sein Vater wieder vom Klo kam - sich dem Essen machen widmete. Nach zwanzig Minuten hatte er seinem Vater ein Ramen zubereitet und theoretisch war genug für eine zweite Portion übrig. Er brachte dem Älteren dessen Schüssel. "Wird auch Zeit", knurrte dieser und sah missbilligend auf die Schüssel. "Wieder so ein Fraß?" "Du hast nicht gesagt, was du möchtest", erwiderte Jonouchi leise. "Kann... kann ich mir den Rest nehmen?" "Den Rest?", hakte sein Vater nach. "Welchen Rest?" "Es ist noch etwas in der Küche", antwortete der blonde Oberschüler. "Da ich ja so lange auf mein Essen warten musste, hab ich jetzt natürlich Bärenhunger. Also nein. Geh dir selbst was kaufen", blaffte der Amerikaner ihn wieder an. War klar, dachte Jonouchi sich. Vor drei Jahren hatte seine Mutter ihrem Ex-Mann brühwarm erzählt, was Jonouchi ihr anvertraut hatte und sein Vater war davon noch viel angepisster gewesen als sie. Als Jonouchi damals heim gekommen war hatte er eine ordentliche Tracht Prügel bekommen. Damals hatte es begonnen, dass sein Vater ihn zwar hier wohnen ließ, aber ansonsten seinen Sohn sich selbst überließ, was die Versorgung betraf. Also zog sich Jonouchi noch einmal um, warf seine Schuluniform in die Waschmaschine und wusch das Blut heraus. Dann verließ er die Wohnung, um sich am Conbini noch schnell etwas zu holen. Doch kaum hatte er die Wohnung verlassen und war einige Meter gegangen brachen die Tränen aus ihm heraus. . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)