Urisen von MAC01 ================================================================================ Kapitel 1: Das Leben von Jonouchi Katsuya ----------------------------------------- Jonouchi Katsuya war kein Musterschüler. Seine Noten waren bestenfalls ausreichend, eher mangelhaft. Sein Glück war, dass es im japanischen Schulsystem eine automatische Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe gab. Andernfalls hätte er sicherlich die eine oder andere Ehrenrunde gedreht. Gelangweilt hatte er seinen Kopf auf die verschränkten Arme vor sich auf seinem Schulpult gebettet und blickte gedankenverloren aus dem Fenster. Dabei blickte er nichts Bestimmtes an. Er hing lediglich seinem Wunsch, ganz weit weg zu sein, nach. Beobachtete wie eine breite, graue Wolkenfront sich über die Stadt schob und Regen mitbrachte. Keine Seltenheit im Herbst. Als ein Schatten auf seinen Tisch fiel musste er nicht aufschauen, um zu wissen, dass der Englischlehrer vor ihm stand. Jetzt würde sicherlich wieder ein dummer Spruch kommen und der Siebzehnjährige sollte nicht enttäuscht werden. "Für einen Halbamerikaner beherrschst du deine Muttersprache aber nicht sehr gut", merkte der Lehrer streng an. Jonouchi lenkte seinen Blick von draußen auf den Lehrer, ohne seinen Kopf zu heben. "Vatersprache", merkte er nur resigniert an. "Was?", fragte der Lehrer irritiert. "Egal", meinte der Schüler und blickte wieder nach draußen. Der Lehrer seufzte nur laut und legte die Englischarbeit vor Jonouchi. Jonouchis Vater, ein hochgewachsener, blonder Amerikaner war im Zuge seines Dienstes bei den United States Marine Corps nach Camp Mctureous in der Kantoregion versetzt worden. In Tokyo hatte er dann Jonouchis Mutter kennen gelernt und sich in sie verliebt. Was anfänglich als lockere Beziehung begann entwickelte sich rasch zu etwas Handfestes. Nicht zuletzt deshalb, weil sie nach wenigen Wochen bereits von ihm schwanger geworden war. Sein Vater musterte aus, heiratete in ihre Familie ein und war betört von der Exotik der japanischen Kultur. Doch die Faszination hielt nicht lange. Schon kurz nach Jonouchis Geburt begann es zwischen seinen Eltern zu kriseln. Was mit Schreien begann entwickelte sich schließlich schnell zu Handgreiflichkeiten. Die zierliche Japanerin, die seine Mutter damals gewesen war, hatte dem durchtrainierten, gestandenen Amerikaner kaum was entgegen zu setzen. Dennoch wollte sie ihre Ehe nicht aufgeben. Schließlich wurde sie erneut schwanger und im ersten Moment wirkte es auf den Dreijährigen, der Jonouchi damals gewesen war, als würde sich alles zum Besten wenden. Seine Eltern hörten auf sich anzuschreien und schienen sich auf das neue Kind zu freuen, dass auf dem Weg war. Tatsächlich würde Jonouchi heute sagen, dass es die glücklichste Zeit seines Lebens gewesen war. Nach der Geburt seiner Schwester Shizuka fing der Kreislauf aber wieder von vorne an. Da seine Eltern oft mit schreien und streiten beschäftigt waren, oblag es oft seiner Verantwortung die kleine Schwester zu versorgen. Als gewitzter Vierjähriger baute er eine Art Kissenburg in den Wandschrank, in den er sich mit ihr dann zurück zog und ihr dann eine Geschichte erzählte. Es war sein siebter Geburtstag als sich seine Eltern erneut heftig in die Wolle bekamen. Sein Vater schlug seine Frau wieder hart ins Gesicht und sie stürzte gegen die Küchenanrichte. Das hatte das Fass bei ihr zum Überlaufen gebracht. Sie packte die fast dreijährige Shizuka und verließ mit nichts als den Klamotten am Leib die gemeinsame Wohnung. Sie kehrte nie wieder zurück. Wenige Monate später waren seine Eltern geschiedene Leute und Jonouchi hatte nie verstanden, warum seine Mutter ihn zurück gelassen hatte. Noch heute wartete der siebenjährige, blonde Junge darauf, dass seine Mama zurück kommen und ihn holen würde. Die Gewissheit, dass sie das nie getan hatte, schmerzte. Während sich seine Mutter ein neues Leben aufbaute, sah Jonouchi mit an, wie sein Vater immer mehr in die Alkoholsucht abglitt und in den Mahjongstuben der Yakuza einen Großteil seines Einkommens verlor. "Boa, Herr Kawasaki nervt", maulte Jonouchi, als er mit seinen Freunden in die Mittagspause aufbrach. "Der schnallt eben nicht, dass nur weil man eine Sprache fließend sprechen kann noch lange keinen Schimmer von der Theorie dahinter haben muss", stimmte Honda, sein ältester und bester Freund, zu. Sie hatten sich auf der Mittelschule kennen gelernt. Damals hatte Jonouchi zu einer Gang gehört, ohne zu realisieren, was das bedeuten konnte. Doch Honda hatte sich davon nicht abschrecken lassen. Als Jonouchi einmal Prügel von einer gegnerischen Gang bezog war er zu ihm geeilt und hatte sich eingemischt. Daraufhin hatten sie beide noch mehr Prügel eingesteckt. Doch das war der Grundstein ihrer Freundschaft. Nach der Prügel hatte Honda ihn mit zu sich nach Hause genommen und Hondas Mutter hatte ihre Platzwunden versorgt. "Adjektive, Adverben, Substantive, klingt alles gleich, wenn ihr mich fragt", strahlte Yugi sie breit grinsend an. Mutou Yugi war kaum größer als ein Grundschüler und wartete nur darauf endlich einen Wachstumsschub zu bekommen und endlich die 1,60 Meter-Marke zu knacken. Solange machte er sich durch eine auffällige, mehrfarbige Punkfrisur etwas größer. "Der macht sich doch nur wichtig. Da brauchst du keinen Pfifferling drauf geben", meinte Otogi, der seit letztem Jahr an ihrer Oberschule war. Selbst in der Schule verzichtete er weder auf das rot-schwarze Stirnband, noch den modischen Kajalstrich unter seinem linken Auge. "Wichtigtun oder nicht, er kann einem damit die Aufnahme an einer Uni versauen", wandte Bakura auf seine eher schüchterne Art ein. Bakura und Jonouchi hatten eines gemeinsam: Sie waren beide Halbjapaner. Während Jonouchis Vater Amerikaner war, war Bakuras Mutter Britin gewesen. Das waren Jonouchis Freunde: Ein bunter Mix aus den verschiedensten Typen und doch verstanden sie sich alle herzlich. "Versager", zischte es plötzlich leise, als ein hochgewachsener Mitschüler an ihnen vorbei schritt. Kaiba Seto. Sohn eines Industriellen, der sich vor wenigen Jahren das Leben genommen hatte. Kaiba hatte mit 15 Jahren die Firma übernommen und gründlich umstrukturiert. In manchen Kreisen wurde er Genie und Wunderkind genannt. Aber für Jonouchi war Kaiba nur ein arroganter Arsch ... und sein heimlicher Crush. "Was hast du gesagt?", keifte er dem Brünetten mit den stechend blauen Augen nach. "Hey, nicht, Jou... das ist der Geldsack doch nicht wert", beruhigte Honda ihn sofort und zog ihn weiter mit ihnen. "Der glaubt auch, der kann sich alles erlauben, weil er Geld hat", maulte Jonouchi weiter. "Hey, nicht jeder, der etwas Geld hat, ist ein Arsch", wandte Otogi gespielt empört ein. Immerhin führte auch er eine Firma, wenn auch kaum vergleichbar mit dem Spieleimperium Kaiba. "Der Beweis dafür stünde noch aus", neckte Jonouchi frech und grinste. Dafür kassierte er von Otogi einen sanften Schlag gegen die Schulter. Als sie in der Mensa ankamen studierten sie kurz die Auslage, bevor sich einer nach dem anderen von ihnen für eines der drei Essen entschied. Jonouchi wartete, bis er der letzte war. Yugi und Bakura waren bereits an der Ausgabe und ließen sich ihr Essen geben, während Otogi noch überlegte, worauf er eigentlich Hunger hatte und seine Optionen mit Honda diskutierte. Jonouchis Magen knurrte. Er hatte Kohldampf. Am liebsten hätte er sich gleich zwei Portionen gegönnt. Die Sache hatte nur einen Haken: Er hatte kein Geld. "Hey, Jou... wartest du auf besser Wetter?", rief Honda ihm zu. Jonouchi setzte ein Grinsen auf, schnappte sich ein Tablett und schloss zu Otogi und Honda auf. Otogi hatte sich endlich für eines der Essen entschieden und ließ es sich gerade reichen. Dann gab Honda seine Wahl über die Theke an die Dame der Essensausgabe. "Scheiße... ich hab was vergessen. Geht schon mal vor, ich komme nach", meinte Jonouchi, als die Frau sich ihm zuwandte. Er nahm sein Tablett von der Führungsschiene, verließ die Schlange und verschwand aus der Mensa. Honda blickte ihm nur belämmert hinterher, nahm seinen Teller entgegen und legte noch zwei verpackte Sandwiches auf sein Tablett. "Man, der hat's aber eilig", merkte Otogi ruhig an. Honda zuckte mit den Schultern, bevor sie weiter zur Kasse gingen. Kurz davor griff Honda noch nach zwei Trinkpäckchen, sowie einen Schokoriegel. Dann zahlte er. Die Freunde saßen an ihrem Stammtisch in einer Ecke der Mensa mit Fensterblick. Eigentlich waren solche Tische immer rasch weg, doch diesen hatten sie sich durch ihre Beständigkeit erkämpft und keiner würde wagen, sich an diesen Tisch zu setzen. Plötzlich kam Jonouchi mit einem Tablett und einem reichlich gefüllten Teller, sowie einem Trinkpäckchen zu ihnen. Erstaunt musterte Honda das Essen des Blonden und verstand die Welt auf einmal nicht mehr. Er hätte seine Hand darauf verwettet, dass Jonouchi pleite war und deshalb den Rückzieher an der Ausgabe gemacht hatte. Deshalb hatte er die Sandwiches und das zusätzliche Trinkpäckchen mitgenommen. Es wäre nicht das erste Mal, dass er Jonouchi etwas unauffällig ausgab, denn er wusste, dass Jonouchi sich niemals direkt einladen lassen würde. Einerseits war es Jonouchi peinlich zugeben zu müssen kein Geld zu haben und anderseits wollte der andere keine Almosen. "Hier", meinte Jonouchi plötzlich zu ihm und grinste ihn an, während er ihm einen Schokoriegel hinhielt. Es war der gleiche, den auch Honda für Jonouchi gekauft hatte. In der Packung waren zwei Riegel und sie hatten ihn sich immer geteilt. Baff nahm Honda den Riegel an und erwiderte das Lächeln kurz. "Was hattest du denn vergessen?", fragte er Honda. "Hä?", kam es verwirrt von Jonouchi, während er sich die erste Gabel von seiner doppelten Portion in den Mund schaufelte. "Schon gut", winkte Honda ab, bevor er selbst weiterass. Doch die Frage, woher Jonouchi plötzlich das Geld fürs Mittagessen hatte, ließ ihn nicht los. . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)