Was wäre wenn... von DonnaHayley ================================================================================ Kapitel 12: Ich geb Gas, ich will Spaß! --------------------------------------- Sprachlos stand Seth vor diesem wundervollen Auto und konnte nur drauf starren. „Steig ein“, Yasuo hielt ihm die Schlüssel hin. „Übertreibe es nicht, sonst steig ich nie mehr in ein Auto das du fährst.“ Natürlich würde Seth es übertreiben, das wusste Yasuo, aber dieses Leuchten in den blauen Augen war ihm viel mehr Wert, als seine Furcht vor der hohen Geschwindigkeit. Zögerlich nahm Seth den Schlüssel an sich. „Ich darf es wirklich fahren? Ich kann es nicht fassen.“ „Ich hatte noch etwas vergessen.“, hauchte Yasuo in sein Ohr. „In einer Woche muss ich das Auto zurück bringen, solange kannst du es behalten.“ „Ist das dein Ernst?“ „Spätestens übermorgen kann ich mein Auto wieder abholen. Ich habe dieses hier nur deinetwegen besorgt.“ „Warum? Wir kennen uns doch noch nicht lange und dann machst du mir schon solche Geschenke?“ „Ich würde das auch nicht für jeden tun, deshalb genieße die Zeit einfach.“ * Masao saß mit dem Kopf auf die Hand gestützt auf dem Fußboden in Atemu’s Zimmer und grübelte über seinen nächsten Zug nach. „Wir schlafen hier gleich ein.“, beschwerte sich Atemu der unbedingt seine Kartenkombination ausspielen wollte. Seto schaute sich die ausgespielten Karten seiner beiden Mitstreiter genau an. Duel Monsters hatte er lange nicht mehr gespielt, weil keiner Lust hatte gegen ihn anzutreten. Er war einfach zu gut darin und das frustrierte die anderen immer. Endlich konnte er seiner Leidenschaft wieder einmal nachgehen, auch wenn sich einer seiner Mitspieler in jedem Zug sehr viel Zeit ließ und seine Geduld strapazierte. „Jetzt hetz mich nicht.“ Masao spielte eine Karte verdeckt und versetzte ein Monster in den Angriffsmodus, welches nur 800 Angriffspunkte hatte. „Offensichtlicher geht es doch gar nicht.“, knurrte Atemu. „Du willst doch angegriffen werden.“ Masao zuckte mit den Schultern. „Wenn es so offensichtlich ist, dann greif mich an.“ „Das kannst du vergessen. Ich spiele drei Karten verdeckt und greife Seto mit meinem Drachenfluch an.“ „Da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden. Ich decke diese Karte auf und Konter so deinen Angriff.“ Seto’s Herz schlug vor Aufregung schneller, als Atemu seine Fallenkarte aktivierte und seinen Angriff zurück schmetterte. So leicht war Seto nicht zu schlagen und er hatte auch noch ein Ass im Ärmel. „Ich nutze die Fähigkeit meines Drachen und annulliere deinen Angriff.“ So viel Spaß hatte Seto schon lange nicht mehr und er fand es viel schöner, als mit Bakura um die Häuser zu ziehen. * „Fahr doch wenigstens ein bisschen langsamer.“, bettelte Yasuo. Sie befanden sich außerhalb Tokios auf einer Autobahn, wo Seth das Gaspedal bis zum Bodenblech durchdrücken konnte. „Sei doch kein Spielverderber. So ein schnelles Auto durfte ich noch nie fahren und wir wollen doch herausfinden, wie schnell es wirklich ist.“ Seth drückte das Gastpedal noch weiter durch. So frei wie heute hatte er sich noch nie gefühlt und er kostete jeden Moment voll aus. „Wenn es nur das ist, kannst du so oft du willst ein Auto wie dieses fahren, aber bitte, mach langsamer.“ Seth bremste ab. „Warum steigst du mit mir in so ein Auto, wenn du dir denken kannst, das ich es voll ausfahren werde?“ Yasuo war schon leicht grün im Gesicht. „Mein Bruder passt auf unsere beiden Streithähne auf und deshalb wollte ich die Zeit nutzen und sie mit dir verbringen. Koste es was es wolle. Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, das du uns umbringen willst.“ „Warum sind wir dann nicht einfach ausgegangen?“, wunderte sich Seth. So liefen jedenfalls die Verabredungen, die er sonst immer hatte. „Ich bin nicht wie andere.“, lächelte Yasuo schelmisch. „Dein Blick, als du das Auto gesehen hast, ist mir diese Fahrt wert.“ Nachdenklich sah Seth auf die Straße. „Du solltest für mich nicht so viel Geld ausgeben. Versteh mich nicht falsch, aber ich möchte keinen falschen Eindruck bei dir erwecken.“ „Du machst dir viel zu viele Gedanken.“, winkte Yasuo ab. Für Seth war es nicht zu übersehen, das Yasuo finanziell gut da stand. Allein die Kleidung die er trug, war nicht von der Stange. „Du sollst einfach nichts falsches von mir denken.“ „Das denke ich nicht.“ Yasuo merkte wie die Stimmung kippte. Dies hatte er mit dem Auto nicht bezwecken wollen. „Teure Geschenke bist du offensichtlich nicht gewohnt.“ „Nein, ich bin eher der Typ dem man einen Strauß Blumen in die Hand drück, um ihn ins Bett zu bekommen.“ Jetzt sickerte die Erkenntnis durch. „Dir ist das unangenehm.“ Seth wurde leicht rot. „Etwas.“ „Du kannst es wieder gut machen. Hilf mir morgen beim Einbau meines neuen Herdes und wir sind quitt.“ Seth hatte eher an Sex gedacht, mit Handwerklicher Arbeit in der Küche hatte er nicht gerechnet. „Das kommt überraschend, aber ich bin dabei.“ Yasuo biss die Zähne zusammen, als Seth wieder Gas gab. Dabei war ihm doch noch immer so schlecht. * Zufrieden packte Atemu seine Karten zurück in die Schachtel. „Ich habe vier Mal gewonnen, Seto drei Mal und Onkel Masao nicht einmal. Du solltest an deinem strategischen Denken arbeiten.“ Beleidigt winkte Masao ab. „Meine Stärken liegen in anderen Dingen. So ein kindisches Kartenspiel sagt nichts darüber aus.“ „Duel Monsters spielen auch Erwachsene.“, verteidigte Seto sein heißgeliebtes Kartenspiel. „Aber nicht dieser Erwachsene.“, zeigte Masao auf sich. „Ich mag lieber Spiele, die für richtige Männer sind.“ Atemu sah seinen Onkel nachdenklich an. „Etwa das, was Papa gerade mit Seth macht?“ „Meinst du Sex?“, wollte Seto wissen. Atemu nickte. Masao entglitten die Gesichtszüge. „Ihr seid noch zu jung dafür. Wie kommt ihr nur darauf?“ Atemu hob seinen Zeigefinger. „Erstens, weil die Zwei alleine sein wollten. Erwachsene wollen immer nur dann alleine sein, wenn sie in die Kiste hüpfen. Zweitens, fahren sie mit dem Auto bestimmt weit raus um es ungestört...“ „Du musst es nicht weiter ausführen.“, redete Masao dazwischen. „Wahrscheinlich amüsieren sie sich gerade miteinander.“, überlegte Seto. * „Lass es raus.“, tröstete Seth Yasuo, der am Straßenrand hockte und gegen seine Übelkeit kämpfte. „Auf dem Rückweg fahre ich langsamer.“ „Ich bitte darum.“ * „In eurem Alter solltet ihr nicht an dem Liebesleben anderer Leute interessiert sein“ Atemu schaute seinen Onkel tadelnd an. „Wenn sie sich so gut verstehen, habe ich bald zwei Väter und einen Bruder. Deshalb sollen sie so oft miteinander Spaß haben, wie sie wollen.“ Verständnislos schaute Masao aus der Wäsche. „Die Zwei kennen sich erst seit kurzem. Du denkst mindestens zehn Schritte zu weit.“ „Finde ich nicht. Du weißt wie geizig Papa für gewöhnlich ist. Er gibt nie Geld für Leute aus, die nicht zu seiner Familie gehören. Seth ist etwas besonderes für ihn.“ Interessiert hörte Seto zu und hörte deutlich heraus, wie ernst es Atemu meinte. Es klang nicht nach kindlicher Naivität und schließlich kannte er seinen Vater von allen am besten. „Als Erwachsener hat man es gut.“, träumte Atemu vor sich hin. „Man kann tun und lassen was man will und muss nicht um Erlaubnis fragen.“ „Wenn ich meinen Vater so ansehe, glaube ich kaum, das er glücklich ist.“, war Seto weniger optimistisch. „Wie kommst du darauf?“, wollte Masao wissen. „Er arbeitete den ganzen Tag und wenn er nicht arbeitet, versucht er ab und an jemanden kennenzulernen. Meistens geht’s in die Hose.“ „Manchmal dauert es, bis man den richtigen Partner findet.“, klärte Masao auf. „Die Männer, die mein Vater bisher kennengelernt hat, waren Versager.“ Atemu legte überlegend seinen Zeigefinger ans Kinn. „Wie gut das er jetzt meinen Vater kennengelernt hat. Er ist kein Versager.“ „Kann ich noch nicht beurteilen.“, sagte Seto so ernst wie er konnte. Innerlich hoffte er jedoch, das es zwischen den beiden funktionierte. „Suchst du Streit?“, fuhr Atemu sofort hoch. Masao rieb sich die Stirn. Yasuo hatte ihn bereits gewarnt, dass der Frieden nicht lange anhalten würde und er sich eine Strategie zurecht legen sollte. „Was haltet ihr davon, wenn wir uns einen Film ansehen?“ Atemu schaute seinen Onkel geschäftig an. „Kommt drauf an.“ Masao grinste in sich hinein. Atemu war in dieser Hinsicht leicht zu überzeugen. „Ich besorge Popcorn und Süßigkeiten. Ihr sucht den Film aus.“ „Abgemacht.“ Atemu schob den verwirrten Seto aus seinem Zimmer. „Du darfst den Film aussuchen.“ „O-okay...“ * Bei diesem Ausflug hatte Seth eine für ihn wichtige Erkenntnis gewonnen. Dieses Auto hatte Yasuo einzig und allein für ihn geliehen. Yasuo selbst mochte zwar tolle Autos, aber er hatte kein Interesse daran es auszufahren, oder durch die Gegend zu heizen. Yasuo war noch nie so froh darüber gewesen zuhause zu sein. Er wollte nur noch etwas warmes trinken und sich entspannen. Seth hingegen war schon lange nicht so entspannt gewesen, wie jetzt. „Ist für heute noch etwas geplant?“ „Außer die Raubtiere davon abhalten sich an die Gurgel zu gehen, eigentlich nicht.“ Yasuo schloss die Tür zu seiner Wohnung auf und blieb erstarrt in der Tür stehen. Masao saß gelassen auf der Couch und schaute in sein Handy. Neben ihm schliefen die beiden Jungs, um sie herum jede Menge Bonbonpapier und auf dem Tisch stand eine halb aufgegessene Torte. „Du solltest auf die Raubtiere aufpassen und sie nicht mästen.“ Masao winkte ab. „Sie sind brav, also habe ich mein Tagesziel erreicht.“ Seth kratzte sich ratlos am Kopf. „Für gewöhnlich ist Seto nicht so für süßes.“ Masao lachte leise. „Dafür hat er ganz schön reingehauen. Er ist halt noch ein Kind, auch wenn er versucht erwachsen zu sein. Atemu hat ihn solange bedrängt, bis er nachgegeben hat.“ „Wenigstens scheint ihr einen schönen Tag gehabt zu haben.“, stöhnte Yasuo. „Im Gegensatz zu dir.“, zog Masao die Stirn kraus. „Du siehst krank aus.“ „Halb so wild. Wir sind nur zu schnell unterwegs gewesen.“ Masao sah zu Seth, der die beiden Jungs zudeckte. „Wenn Sie meinen Bruder rum bekommen wollen, bleiben Sie im Stadtverkehr und suchen sich ein Restaurant, welches eine entspannte Atmosphäre hat. Auf keinen Fall sollten Sie...“ „Gibst du meinem Freund etwa Tipps? Die braucht er nicht.“, empörte sich Yasuo. „Wenn es schon ein Arzt schafft dich rum zu bekommen, sollte ich ihn unterstützen wo ich kann. Im Gegensatz zu deinem letzten Freund, hat Dr. Kaiba wenigstens etwas im Kopf.“ „Du redest zu viel.“ „Mag sein, du solltest es nur nicht vermasseln.“ Masao sah zu Seth rüber, der interessiert zuhörte. „Mein Bruder verliebt sich nicht so schnell in jemanden und spendabel ist er normalerweise auch nicht. In Wirklichkeit ist er ein richtiger Geizkragen.“ Yasuo fuhr sich peinlich berührt durchs Gesicht. Sein Bruder war aber auch eine Labertasche. „Erzähl ihm doch gleich, wie ich im Bett bin und wenn du schon dabei bist, wie lange ich durchhalte.“ „Solche Informationen vertraust du mir ja nicht an, aber einer deiner Exfreunde hat sich darüber ausgelassen und mir erzählt, das du dich manchmal...“ „Noch ein Wort und du kannst was erleben.“ Seth fand Masao gar nicht mal so unsympathisch. Die Brüder schienen sich gut zu verstehen und Masao nahm seinen älteren Bruder gerne auf die Schippe. „Habt ihr denn noch andere Geschwister?“ Masao nickte eifrig. „Unserem Nesthäkchen solltest du allerdings aus dem Weg gehen.“ Fragend runzelte Seth die Stirn. „Wie meinen Sie das?“ Yasuo versuchte ihm diese Frage zu beantworten. „Solltest du ihn doch einmal treffen, unterhalte dich nicht zu viel mit ihm. Wie soll ich dir das erklären? Er gehört zu den Menschen, denen man besser aus dem Weg geht.“ „Oh, danke für die Warnung.“ Seth wusste nicht was er davon halten sollte. Andererseits gab es in jeder Familie schwarze Schafe. Seine eigene Familie bildete da keine Ausnahme. „Ich sollte dann besser gehen, bevor mein großer Bruder noch sauer wird.“, grinste Masao und beugte sich ein Stück zu Yasuo. „Wenn du es ernst mit ihm meinst, solltest du ihm die Wahrheit über dich sagen.“ „Das weiß ich selbst, aber wie soll ich ihm das denn bitte beibringen, ohne das er durchdreht?“ „Ich wünsche dir viel Glück, Brüderchen. Du kannst es brauchen.“ Damit verabschiedete sich Masao. Yasuo ließ den Kopf hängen und sank in seinen Sessel. „Was meinte er damit?“, wollte Seth wissen, der gute Ohren hatte. „Mein Bruder bringt mich gerne in die Zwickmühle.“, versuchte Yasuo sich zu retten. „Ach so ist das.“ Seth wollte nicht näher darauf eingehen. Dafür kannten sie sich noch nicht lange genug. „Ich sollte mich mit Seto auf dem Weg machen.“ „Warum denn? Ich habe dir doch angeboten hier zu übernachten.“ Yasuo hätte heulen können. Warum musste sein Bruder nur so ein loses Mundwerk haben? „Du siehst erschöpft aus und mit Seto hattest du heute schon genug Arbeit gehabt.“ Eigentlich wollte Seth noch bleiben, doch... „Ich habe mich gern um ihn gekümmert und dich habe ich auch gerne in meiner Nähe. Ich würde mich freuen wenn du bleibst.“ Seth haderte mich sich. „Hör zu.“ Yasuo ging auf ihn zu und sah Seth bittend an. „Mein Bruder redet viel dummes Zeug. Wenn er dich jetzt verschreckt hat, dann tut es mir Leid.“ Dieses Schweigen machte Yasuo total nervös und er fing an, am Saum seines Hemdes herum zu nesteln. Warum hatte er Masao überhaupt rein gelassen? Irgend etwas musste ja wieder schief gehen. Jetzt wurde ihm schon wieder schlecht und dabei saß er längst nicht mehr im Auto. Warum nochmal hatte er seinen dummen Bruder reingelassen? Yasuo ließ resigniert den Kopf hängen. „Ich bringe euch zum Auto.“ „Versteh mich bitte nicht falsch.“, begann Seth und suchte die richtigen Worte. „Ich weiß deine Bemühungen zu schätzen, doch wie ich dir vorhin schon sagte, sollst du von mir nichts falsches denken. Du brauchst mir keine teuren Geschenke machen. Wenn du deswegen Schulden machst...“ Yasuo zog überrascht beide Augenbrauen hoch. Also darum ging es. „Ich habe keine Schulden und ich bin mir dessen bewusst, das ich einen hören Lebensstandart führe, als der Durchschnitt. Wenn ich anderen Geschenke mache, dann tue ich dies, weil ich es will und nicht weil ich mich dazu verpflichtet fühle.“ Seth wollte ihm antworten, aber Atemu kam ihm zuvor, der die beiden schon eine Weile beobachtet hatte. „Papa verdient viel Geld, Seth. Er hat noch nie einem seiner Freunde ein Auto für ein paar Tage zum Geschenk gemacht. Du bist die Ausnahme.“ Auf Atemu’s Gesicht schlich sich ein Lächeln. „Er hat sich in dich verliebt und träumt Nachts von dir. Er redet sogar im Schlaf über dich.“ `Von wem hat mein Junge nur dieses lose Mundwerk?´, brummte Yasuo in Gedanken. „Wirklich?“ Seth zeigte sich überrascht und sah Yasuo mit großen Augen an. Yasuo versuchte mitzuspielen und seinen vorlauten Sohn jetzt nicht zu tadeln. Hauptsache Seth ging nicht. „Bitte bleib hier. Ich möchte dich besser kennenlernen und ich werde dir so viel wie möglich über mich erzählen.“ `Bis auf die eine Sache.´, fügte Yasuo in Gedanken hinzu. Dafür brauchte er den richtigen Zeitpunkt. „Also gut, ich bleibe.“ Seth wollte nicht gehen. Für ihn lief es einfach zu gut und er wartete nur darauf, das Yasuo ihm den Laufpass gab. So wie es immer der Fall war. „Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein.“, zeigte sich Yasuo erleichtert. „Entschuldige.“ Seth fühlte sich wirklich wohl in Yasuo’s Familie. Deshalb hatte er auch Angst. Seto gähnte verhalten und sah verschlafen zu Atemu. „Mir ist schlecht.“ „Bei den vielen Süßigkeiten wundert mich das nicht.“, schmunzelte Seth und wollte schon eine Rede darüber halten, wie ungesund übermäßiger Zuckerkonsum war. Doch er wurde von Yasuo zum Schweigen gebracht, indem er ihn küsste. Seto verdrehte die Augen. „Können die sich nicht zurückhalten?“ Er stand auf und verschwand in der Küche. Atemu folgte ihm und setze sich auf einen der Stühle. „Lass sie doch. Sie passen gut zusammen. Wenn sie heiraten, wären wir beide wie Brüder.“ „Wie kann man nur so naiv sein?“, brummte Seto. „In Japan können gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten.“ „Wirklich? Warum denn nicht?“ Seto verdrehte die Augen. „Ist es dir denn noch nie aufgefallen?“ Verständnislos schüttelte Atemu den Kopf. „Ich erkläre es dir.“ Seto räusperte sich, weil sein Hals kratze. Jetzt kamen auch noch Halsschmerzen hinzu. „Immer wenn mein Vater mit seinem Freund ausgegangen ist, haben die Leute hinter seinem Rücken geredet.“ „Woher willst du das wissen?“, runzelte Atemu die Stirn. „Ich kann es mir denken. Unsere Nachbarn reden auch über ihn. Ich habe es schon ein paar Mal mitbekommen. Die lassen kein gutes Haar an meinen Vater, weil er sich mit Männern trifft. Das ist doch bei deinem Vater bestimmt nicht anders.“ Atemu wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. „Über meinen Vater redet man hier nicht. Sie grüßen ihn immer freundlich.“ „Hinter seinem Rücken sieht das bestimmt anders aus.“ „Ist das denn so schlimm?“, wollte Atemu wissen. „Ist es denn nicht viel wichtiger, das dein Vater glücklich ist?“ Seto schaute wütend zu Boden. „Der sucht sich immer nur Idioten aus, die ihn am Ende fallen lassen.“ „Mein Vater ist nicht so. Er würde Seth nicht versuchen zu halten, wenn er es nicht ernst meinen würde.“ „Ich bin gespannt, wer am Ende Recht behalten wird.“ Auch Seto hatte Angst, denn er mochte Yasuo und je mehr Zeit er mit ihm verbrachte, umso weniger wollte er ihn verlieren. * In der Nacht beobachtete Seto den schlafenden Atemu, der es sich auf dem Boden in einem Futon gemütlich gemacht hatte. Genau wie sein Vater, fühlte er sich hier richtig wohl. Wenn er morgen noch nicht zur Schule durfte, würde er den ganzen Tag bei Yasuo verbringen. Zwar war die Schule bisher das einzig wichtige in seinem Leben, aber nun schien sich alles zu ändern. Er wurde vom Freund seines Vaters sofort akzeptiert. Yasuo schien auch nicht böse zu sein, wenn er frech wurde und ihn sogar beleidigte. Sogar Masao mochte er auf anhieb, als ob sie schon ewig dazugehörten. „Und wenn er uns doch verlässt?“ * Gähnend saß Atemu am Frühstückstisch und hing mit geschlossenen Augen über seinem Müsli. „Wenn du nicht aufpasst, wirst du noch in deiner Milch ertrinken.“, schmunzelte Yasuo. „Ihr zwei habt euch bestimmt die halbe Nacht unterhalten und deshalb bist du jetzt so müde.“ „Stimmt nicht“, log Atemu und fing an zu essen. Seth saß Atemu gegenüber und trank seinen Kaffee. Für ihn war es ungewohnt sich nicht ums Frühstück kümmern zu müssen. Als er aufstand, hatte Yasuo bereits alles fertig und saß nun entspannt mit ihm am Tisch. „Warum habt ihr mich nicht geweckt?“, brummte Seto heiser und ging schnurstracks auf die Kaffeemaschine zu. „Weil du noch krank bist.“, bemerkte Yasuo. „Und so wie du dich anhörst, wirst du noch für den Rest der Woche im Bett bleiben, mein Junge.“ „Mir geht es wieder gut.“ Seto nahm sich eine Tasse aus dem Schrank und schenkte sich seinen morgendlichen Kaffee ein. „Was wird das denn?“, wollte Yasuo wissen und stand auf. Seth zog den Kopf ein. Gleich war der Frieden vorbei. Wenn es um Seto’s heißgeliebten Kaffee ging, kannte er keinen Spaß. „Ich will nur meinen Kaffee trinken.“, brummte Seto mürrisch. „Vergiss es. Du bekommst wie Atemu einen Tee, oder einen Kakao. Ganz bestimmt keinen Kaffee.“ „Das haben Sie nicht zu entscheiden!“ Yasuo nahm Seto die Tasse aus der Hand und kippte ihren Inhalt in die Spüle. „Das sehe ich anders, kleiner Seto. Dich hat es ganz schön hart erwischt. Ich mache dir einen Salbei-Tee. Der ist gut für deinen Hals und wenn du mit dem Frühstück fertig bist, gehst du zurück ins Bett.“ „Ich will aber zur Schule.“, wurde Seto laut. „So lass ich dich nicht gehen.“ Yasuo holte einen kleinen Topf aus dem Schrank und stellte ihn auf den Herd. Nebenbei goss er heißes Wasser in eine Teekanne. „Warum bist du nur so stur? Die Schule läuft dir doch nicht weg. Deine Gesundheit ist wichtiger und außerdem solltest du in deinem Alter Kaffee aus dem Hals lassen.“ Atemu stellte auf Durchzug. Wenn sein Vater erst einmal anfing, hörte er nicht so schnell auf. Ob Seto wollte oder nicht, er musste auf ihn hören, sonst hörte Yasuo nie auf zu reden. Seto kochte die Wut hoch. „Ein bisschen Kaffee bringt mich nicht gleich um.“ Yasuo grinste fies. „Der Kaffee ganz bestimmt nicht. Ich bin es, vor dem du dich in Acht nehmen musst.“ Seto gab es auf. Mit Yasuo zu diskutieren brachte nichts. Stattdessen setzte er sich an den Tisch und nahm seinen fertigen Tee entgegen. „Sie werden wohl nie müde mit ihrer Besserwisserei.“ Atemu fing an zu lachen. „Wenn du das schon schlimm findest, solltest du ihn in Aktion erleben. So mancher ist schon vor ihm davon gelaufen.“ Seto sah Yasuo von oben bis unten an. „Furchteinflößend sieht er aber nicht aus.“ „Du solltest mit Papa keine langatmigen Diskussionen anfangen. Ich verliere auch immer gegen ihn.“ „Hab ich noch gar nicht gemerkt.“, murrte Seto und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. „Magst du Haferflocken mit warmer Milch?“, wollte Yasuo wissen. „Ja.“ Seto pustete sich die braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Seth wuschelte seinem Sohn durch die Haare und lächelte ihm aufmunternd zu. „In ein paar Tagen hast du es ausgestanden.“ „Hast du heute viel auf der Arbeit zu tun?“, wollte Seto wissen und stellte seinen Unmut beiseite. „Nicht so viel wie gestern. Heute steht nur eine Operation an. Dafür habe ich viel Papierkram zu erledigen.“ „Dann bist du heute früher zuhause?“ Seth nickte. „Ich mache um 15 Uhr Schluss.“ „Schön.“ Seth spürte unbändige Freude in sich. Dies war das erste normale Gespräch, welches er mit Seto seit Wochen geführt hatte. Es tat zwar weh, aber er musste sich eingestehen viele Fehler gemacht zu haben. Grenzen aufzuerlegen fiel ihm schwer, aber wie es aussah brauchte Seto eine klare Linie, in der es bestimmte Regeln gab. „Fertig! Wenn du noch etwas möchtest sag mir bitte Bescheid.“, sagte Yasuo, stellte die volle Schüssel vor Seto hin und setzte sich dann auf seinen Platz. „Mach ich.“ Innerlich seufzte Seto. Sie kannten sich erst so kurz, doch es kam ihm so vor, als wäre es nie anders gewesen. Yasuo behandelte ihn wie einen Sohn und schien sich auch nicht dazu zu zwingen, um seinem Vater zu gefallen. Atemu stand gähnend vom Tisch auf und stellte seine leere Schüssel in den Geschirrspüler. „Ich geh mich dann anziehen.“ „Soll ich dich fahren?“, wollte Yasuo wissen. „Nein, ich bin mit Yugi und den anderen verabredet.“ „Ich muss mich auch auf den Weg machen.“ Seth wäre gerne noch länger geblieben, aber die Arbeit rief. Seine Gedanken schweiften zur letzten Nacht, in der er sich viel mit Yasuo unterhalten hatte. Es ging um nichts bestimmtest und sie hatten nur belanglose Themen, aber es fühlte sich unglaublich schön an. Yasuo war nicht nur auf das Körperliche aus, sondern wollte ihn wirklich kennenlernen. Er freute sich schon auf den Nachmittag und konnte es bis dahin kaum erwarten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)