Der Wächter von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 81: Bauprojekt XXL -------------------------- Isaak Sein bewusstes Denken schlief tief und fest. Wobei der Teil seines Verstandes, der bei normalen Menschen das Unterbewusstsein darstellte, weiter arbeitete. Während er die Berechnungen der dimensionalen Verschiebung durchging, achtete er auf Gefahren und Besonderheiten innerhalb seiner Reichweite. Eine wachsende Aufruhr in der Verbindung der Gestaltwandler lenkte seine Aufmerksamkeit nach La Push. Mit seinem inneren Auge sondierte er die Lage. Menschen, keine Magie zu erkennen. Ein Angriff von Morgan le Fay? Nein. Bedrohung alles Lebens? Nein. Einstufung: Unbedenklich. Somit bestand kein Grund sein bewusstes Denken zu wecken. Alle gesammelten Informationen wurden für die spätere Durchsicht aufbewahrt, während sein Verstand sich anderen Dingen widmete. „Isaak, Jake, könnt ihr mich hören?“ Embrys Stimme drang durch die mentale Verbindung. Die darin enthaltene Dringlichkeit lenkte ihn vom Studium der Werwolfdaten ab. Hatte er sich geirrt? Bestand doch eine Gefahr? Ohne sein bewusstes Denken konnte er nur einfache Aufgaben durchführen. Berechnungen und Analysen. Jedoch keine komplexen Bewertungen. Er beschloss aufzuwachen und die Entscheidung abzugeben. Augenblicklich schlug Isaak die Augen auf. Mental antwortete er: „Ich kann dich hören. Was ist los?“ In der kurzen Wartezeit ging er alles durch, was sein Verstand während seiner Ruhephase erfasst hatte. Er runzelte die Stirn. Zwei ihm wohl bekannte Personen waren im Reservat erschienen. Obwohl keine Gefahr von ihnen ausging, waren die Quileute aufgebracht. Seltsam. „Ein gewisser John Turner sucht nach Jake“, erklärte Embry. „Was habt ihr nun schon wieder ausgefressen? Wollt ihr das Dorf platt machen?“ Ein Blick durch die Augen der Wölfe vor Ort bestätigte Isaaks bisherige Beobachtungen. John wie auch Vincent standen auf dem Dorfplatz, umringt von einigen ihm unbekannten Menschen. Die Fremden hatten sich um einen Tisch versammelt und schienen lautstark zu diskutieren. Dabei gestikulierte eine adrett gekleidete Frau enthausiastisch mit den Händen zu den umstehenden Häusern. „Weder von John noch von seinen Leute geht eine Gefahr aus. Am besten du wartest kurz bei ihnen, wir sind auf dem Weg.“ Noch während er Embry antwortete, begann er sich leicht zu bewegen. „Halt still. Will noch schlafen“, brummte Jake hinter ihm. „Es tut mir leid, Wölfchen, aber wir müssen aufstehen.“ Möglichst sanft befreite er sich aus dem Klammergriff seines Freundes. „Komm wieder her“, murmelte Jake im Halbschlaf. Er streckte eine Hand aus und versuchte ihn zu fassen zu kriegen. Geschickt wich Isaak ohne hinzusehen aus. „John ist in La Push. Komm schon, wir müssen los.“ „Sag ihm, er soll später wieder kommen.“ Wehleidig seufzte Jake und drehte sich um. Die Botschaft war eindeutig, er wollte noch nicht aufstehen. Mitten in der Tür zum Bad blieb Isaak stehen. „Schatz, wir sollten nachsehen was los ist. Das ganze Dorf ist in Aufruhr.“ Begleitet von einem zutiefst frustrierten Stöhnen öffnete Jake einen Spalt breit die Augen. „Was soll das heißen? Was hat er überhaupt hier zu suchen? Und was treibt er im Dorf?“ Isaak richtete seine Aufmerksamkeit auf Embry und Kamden. Durch ihre Sinne nahm er wahr, was vor Ort geschah. „Er diskutiert gerade mit einem stämmigen Mann, wie viele Bäume abgeholzt werden müssen. Ich glaube, es geht um die Zugangsstraße ins Reservat.“ „Was, so schnell? Ich habe erst in einigen Wochen mit ihm gerechnet.“ Gähnend stemmte sich Jake in eine sitzende Position und streckte sich. „Wir haben ihm doch erst gestern Nachmittag den Auftrag gegeben. Meine Güte. Das ist ein wenig zu viel Arbeitseifer, wenn du mich fragst.“ „Kann schon sein“, murmelte Isaak nachdenklich. Auf solche Dinge hatte er nie geachtet. Daher wusste er nicht, wie schnell solche Arbeiten verrichtet wurden. Seinem Empfinden nach stellte es sich so dar: Er ging einen schmalen Weg entlang. Weit und breit nichts als Felder. Bei seinem nächsten Besuch dieser Stelle, stand dort eine Stadt voller Menschen. So etwas war ihm schon häufiger passiert. Die Menschen ließen Städte wie Ameisenhügel aus dem Boden ragen. Einmal kurz blinzeln und schon sah alles anders aus. Bisher hatte er dem Faktor Zeit in diesem Zusammenhang wenig Beachtung geschenkt. Am Rande bekam Isaak mit, dass Jake seinen Gedanken lauschte. „Na komm, lass uns duschen bevor La Push zu einer Weltmetropole heranwächst.“ Isaak runzelte die Stirn. War das eine Metapher oder ernst gemeint? * Weniger als eine halbe Stunde später erreichten sie La Push. Mittlerweile war das ganze Dorf auf den Beinen. In einem weiten Kreis standen sie um den kleinen LKW und beäugten die Eindringlinge kritisch. Sam und sein Rudel hielten sich am Waldrand versteckt, bereit einzugreifen, falls es nötig sein sollte. Schnell schoben sich Isaak und Jake durch die Menge. „John?“ „Guten Morgen, Big Boss“, sagte John als sie auf ihn zukamen. Er streckte Isaak aufgeregt eine Hand entgegen. „Guten Morgen, Jake.“ „Hi, John. Wir haben dich nicht so schnell erwartet“, murmelte Jake und schlug ebenfalls ein. Bevor John zu einer Antwort ansetzen konnte, dränge sich Vincent vor. „Da seid ihr zwei ja endlich. Kommt, lasst euch drücken.“ Ohne zu zögern schloss er Jake, der zu perplex war um sich zur Wehr zu setzen, in die Arme. Zu allem Überdruss bekam sein Freund auch noch ein Küsschen rechts und links auf die Backe. Alarmiert wachte Isaak genau über Jakes Geisteszustand. Derlei Verhalten könnte seinen Freund leicht in Rage versetzen. Der Schock über diesen Überfall verhinderte jedoch schlimmeres. „Hi“, stammelte Jake neben sich stehend. Reflexartig schlang er einen Arm um den Mann und drückte Vincent kurz, die Küsschen erwiderte er aber nicht. Anschließend war Isaak an der Reihe. Vorsichtshalber hielt er Vincent auf Abstand, in dem er ihm seine Hand hinhielt. Er wusste nicht, wie Jake auf diese Form der Begrüßung reagieren würde. In einem war er sich aber absolut sicher, sein Freund war sehr besitzergreifend. Da wollte er kein Risiko eingehen. Ein wild gewordener Wolf mitten im Dorf war das letzte, was sie gerade gebrauchen konnten. Etwas enttäuscht gab sich Vincent mit einem Handschlag zufrieden. Tadelnd mischte sich John ein: „Schatz, bitte. Das hier ist meine Arbeit, kein Kaffeekränzchen.“ „Man wird doch wohl noch hallo sagen dürfen.“ Vincent seufzte theatralisch und zog sich zurück. „Bin ja schon weg und spiele das brave Frauchen.“ Ein wenig eingeschnappt lehnte er sich an das schwarze Auto. Seine Aufmerksamkeit galt dabei seinem Handy. „Honey, das solltest du mit auf die Liste setzen. Der Empfang hier ist grauenhaft.“ „Ja, Schatz“, versichert John. Er warf Isaak und Jake einen entschuldigenden Blick zu. In dem Augenblick da er zu sprechen ansetzte, rief Jake: „Ist das ein Aston Martin DBS Coupé?“ Mit weit aufgerissen Augen ging er staunend auf das Auto zu. Wie aus dem nichts tauchten Kamden und Embry neben ihm auf. Wobei, aus dem Nichts war es nicht. Isaak hatte sie nie aus den Augen verloren. Nur ein kleiner Teil seines Denkens war auf die Geschehnisse vor Ort gerichtet. Der überwiegende Teil war noch immer mit Berechnungen, Analysen und der Umgebungsobservierung beschäftigt. Für Isaak ein Normalzustand. „Der Hammer, oder? Sieh dir die Ledersitze an, Bruder. Das ist ein Luxusschlitten ganz nach meinem Geschmack.“ „Ja, das stimmt.“ John grinste den Brüdern verlegen zu. „Ihr beiden kennt euch wohl aus.“ Ohne die Augen von dem Auto abzuwenden, fragte Jake: „Wie bist du da ran gekommen, John? Der kommt doch erst nächstes Jahr raus.“ „Als Geschäftsführer von Turner Industries habe ich viele Kontakte in den höchsten Kreisen. Geld regiert die Welt.“ „Darf ich mal unter die Haube sehen“, fragte Jake hibbelig, während er um den Wagen tänzelte. „Aber klar doch, Boss. Hier, fang.“ Mit Leichtigkeit und überaus enthusiastisch, wie Isaak feststellte, wurden die Schlüssel von Jake aus der Luft gegriffen. Wie zwei Kindergartenkinder deuteten Jake und Kamden auf verschiedene Dinge unter der Motorhaube. Offensichtlich waren sie nicht länger in der Realität, sondern in ihrer eigenen Welt. Der Welt der Pferdestärken, Motoren, Zahnriemen und vielem anderen mehr. Irritiert runzelte Isaak die Stirn. „Geht das wirklich in Ordnung?“ Freundlich lächelnd antwortete John: „Selbstverständlich, Big Boss. Das ist immerhin ein Firmenwagen.“ Na, wenn das so war. Isaak zuckte mit den Schultern. Insgeheim speicherte er allerdings die Information ab: Jake mochte Autos. Dieses Wissen würde er zu gegebener Zeit noch zu nutzen wissen. „Hey, John. Wenn du sagst, das ist ein Firmenwagen, dann gehört er Isaak oder?“ Jake sah auf. „Es spräche also nichts dagegen, wenn ich eine kleine Spritztour mache?“ „Tu dir keinen Zwang an. Wenn du es willst, kann ich das Auto auch direkt auf dich überschreiben.“ John kam näher und fragte Isaak flüsternd: „Es wird doch hoffentlich keinen Ärger geben, oder? Ich meine Jake ist erst sechzehn und hat noch keinen Führerschein.“ Mit einem leichten Grinsen versicherte er ihm: „Keine Sorge. Hier im Reservat fragt keiner danach. Zudem der Sheriff von Forks ein guter Bekannter ist. Nach der Angelegenheit mit meinem kurzen Aufenthalt in der Zelle, bezweifle ich stark, dass Charlie sich traut Jake anzuhalten.“ „Verstehe.“ John druckste ein wenig rum. Seine nächsten Worte waren sogar noch leiser. „Ich habe Vincent gegenüber Jakes Alter verschwiegen. Ist wohl besser so. Er würde sich sonst nur aufregen. Die Idee in die Bar zu gehen, kam immerhin von ihm. Auch wäre er bestimmt gegen diese Spritztour ohne einen Führerschein.“ Beruhigend legte Isaak ihm eine Hand auf die Schulter. „Glaub mir, ich kann Schweigen wie ein Grab.“ „Danke.“ Nur um auf Nummer sicher zu gehen, überprüfte Isaak Johns Gedankenmuster. Innerlich musste John schmunzeln. Wie immer war Isaak ein Rätsel für ihn. Wenn es um das Thema Geheimnisse ging, so kannte er niemanden, dem er mehr vertrauen würde. Denn immerhin hütete sein Boss die seinen mit Argusaugen. Nach beinahe jedem Gespräch mit Isaak blieb er mit mehr Fragen zurück als zuvor. John hatte schon längst aufgegeben aus ihm schlau zu werden. Das musste er auch nicht. Isaak war sein Boss und er tat, was dieser von ihm wollte, solange es keine verwerflichen oder illegalen Aufträge waren. Mehr musste er nicht wissen, um friedlich schlafen zu können. Innerlich musste auch Isaak grinsen. Wenn John nur wüsste, was er alles übersah. Die Frage war nur, ob Johns Verstand mit all dem klar kommen würde. Isaaks enormer Wissensschatz würde einem normalen Menschen wohl den Verstand rauben. Beruhigt zog er sich aus Johns Gedanken zurück. Vincent mischte sich mit geschürzten Lippen ein: „Wenn Jake den Wagen behält, wie kommen wir dann hier wieder weg?“ „Keine Sorge, Schatz. Ich rufe einfach ein Taxi.“ An Vincents Miene sah Isaak genau, wie sehr ihm diese Vorstellung zusagte. In diesem Moment erwachte der Aston Martin lautstark zum Leben. Kurz ließ Jake den Motor aufheulen, dann sah er aus dem offenen Seitenfenster. „Keine Sorge, Vincent. Ich nehme euch den Wagen nicht weg. Ich will nur eine Runde drehen. Bis später, Isaak.“ Er sah zu Kamden auf. „Komm schon, steig ein. Wenn du brav bist, lasse ich dich vielleicht auch mal ans Steuer.“ Isaak nickte ihnen zum Abschied zu. Vor versammeltem Dorf sollte er sich besser zurückhalten. Nicht, dass sein Geliebter noch böse auf ihn wurde, wenn er ihn in aller öffentlichkeit Schatz nannte. Zum Glück lag die Aufmerksamkeit der Umstehenden auf Jake, sonst hätte er mit seiner Magie eingreifen müssen. Kamden war so schnell auf dem Beifahrersitz gestiegen, dass es wohl jedem Menschen aufgefallen wäre. Neben dem Auto verschränkte Embry die Arme und tippt missmutig mit dem Fuß auf den Boden. Aus dessen Gedanken erfuhr Isaak, dass er ein wenig sauer war. Kamden hätte ihn ja wenigstens fragen können. Durch ihre Prägung konnten sie sich nicht allzu weit voneinander trennen. Also musste Embry mitfahren. Ein wenig bedröppelt stieg Kamden wieder aus und klappte den Sitz nach vorne. Begeleitet von gemurmelten Entschludigungen ließ er Embry auf dem winzigen Rücksitz Platz nehmen. Für einen gestandenen Mann, wie alle Wolfswandler es waren, gab es dort nicht viel Raum sich zu entfalten. Dementsprechend sank Embrys Laune noch weiter. Auch wenn er versuchte, Kamden nicht den Spaß zu verderben. Innerlich schmunzelte Isaak. Die beiden waren schon ein süßes Paar. Murmelnd machten die Quileute dem Luxusschlitten Platz und Jake brauste davon. Mental rief Isaak in die Rudelverbindung: “Paul, wärst du so nett, Billy bescheid zu gehen. Du kannst dann auch gleich dort bleiben. Ich denke nicht, dass es zu einem Kampf kommen wird.” Mit dieser Aussage hatte er den Wolfswandler in der Tasche. Der wollte eh nur das eine: Zu Rachel. Schnell grummelte Paul: “Mach ich”, dann war er auch schon auf und davon. „So, nun zu den wichtigen Themen“, begann Isaak und hob den Blick. „Warum seid ihr beiden hier?“ Vincent kam John zuvor und sagte: „Weil du meinem Freund einen Auftrag erteilt hast. John wartete schon seit Jahren darauf etwas für den Big Boss erledigen zu können. Da konnte er einfach nicht an sich halten sofort loszustürmen.“ „Schatz, bitte“, warf John ein. Sein Gesicht lief langsam rot an. „Das ist mein Boss, mit dem du da sprichst. Falls du es vergessen haben solltest, er bezahlt uns unseren Lebensstil.“ Angesäuert kniff Vincent die Augen zusammen. Mit einem verhaltenen Räuspern wandte sich Isaak an ihn: „Das erklärt Johns Anwesenheit, nicht die deine.“ „Heute ist unser Jahrestag. Den wollte ich nicht allein zu Hause verbringen“, beschwerte sich Vincent, versuchte aber sich zu zügeln. In diesem Augenblick erklang eine vertraute Stimme: „Hi Isaak. Was machen die Leute denn alle hier und wo hast du Jake gelassen. Ihr beiden klebt doch normalerweise immer aneinander.“ Seth zwängte sich durch die Menge. „Guten Morgen, Seth. Leah.“ Missmutig sah Leah sich um: „Wer sind die Fremden?“ „Wenn ich euch vorstellen dürfte, das hier sind John Turner und sein Lebensgefährte Earl Vincent Elroy. John, Vincent, das hier sind die Geschwister Seth und Leah Clearwater.“ Er wandte sich an die beiden Wölfe. „Perfektes Timing. John und ich haben noch einiges zu besprechen. Wärt ihr so nett, Vincent ein wenig herumzuführen. Ihr könntet ihm den Strand zeigen.“ „Alles klar, machen wir. Komm, Vincent, wir zeigen dir alles. Das hier ist immerhin unser Revier“, schnatterte Seth vergnügt los. Ohne Scheu griff er nach dem Arm des anderen und zog ihn mit sich. Leah sah ihnen augenrollend hinterher. Mental fügte Isaak hinzu: „Vergiss bitte nicht, die beiden sind normale Menschen. Sie wissen nichts über die übernatürliche Welt.“ „Ich passe auf“, versicherte Leah stumm und folgte ihrem Bruder. Nun waren alle Unruhestifter beseitigt. Ob er jetzt endlich dazu kam, mit John zu reden? Ein wenig ärgerte ihn diese ganze Angelegenheit. Alles, was er wissen wollte, wusste er bereits. Kaum dass er in ihrer Nähe war, hatte er ihre Erinnerungen durchforstet. Zum einen eine Vorsichtsmaßnahme, zum anderen pure Neugierde. Hier zu stehen und so zu tun, als ob er nichts wüsste, ging ihm gegen den Strich. Wie viel einfacher war seine Welt als er noch in den Schatten gelebt hatte. Dort musste er sich nie verstellen oder mit normalen Menschen rumschlagen. Jedoch würde er sich diese Zeit auch nicht zurückwünschen, da er ansonsten Jake nicht bei sich hätte. Innerlich seufzte er. Dann wandte er sich erneut John zu, mit den Gedanken ganz woanders. „Was genau gedenkst du jetzt zu unternehmen? Und wer sind die anderen?“ John hob eine Hand und winkte die Gruppe Fremder zu sich. Bisher hatten diese das Geschehen beobachtet, ohne auch nur auf die Idee zu kommen einzugreifen. Isaak wusste auch wieso. John hatte ihnen allen Verschwiegenheitsklauseln vorgelegt und sie anschließend unterrichtet, wer der Kopf des ganzen Unternehmens war. Großartig! Noch mehr Menschen, denen er einen Bann auferlegen musste. Nahm das denn nie ein Ende? „Das hier ist Mrs. Darlyn Brown. Sie hat sich freiwillig gemeldet für den Posten der Projektmanagerin. Mr. Christan Blackwood kümmert sich um den Papierkram. Er redet mit den Behörden und überwacht das Budget. Dann haben wir den Leiter der Architekten: Willhelm Schmidt. Zu guter Letzt den Leiter der Bauabteilung: Frank Stone.“ Der Reihe nach traten sie vor und schüttelten Isaak die Hand. “Ich freue mich Sie kennenzulernen, Mr. Wächter.” “Sehr erfreut.” “Der Big Boss. Welch Ehre Ihnen zu begegnen.” Als letztes war Daryln an der Reihe. Äußerlich schien sie die Ruhe selbst zu sein. Isaak ließ sich aber nicht täuschen. Er war in ihrem Kopf. Während sie eine einstudierte förmliche Begrüßung runter ratterte, bei der sie sich auf gute Zusammenarbeit freute, sprach sie in Gedanken etwas vollkommen anderes: “Meine Güte ist der heiß. Hoffentlich werde ich nicht rot. Ganz ruhig. Nur nicht den Faden verlieren … Seine Hände sind so weich. Ach, wie neidisch ich bin. Warum müssen die bestaussehensten Männer immer schwul sein? Die Welt ist so ungerecht.” Isaak prägte sich geistesabwesend sämtliche Daten ein. Größe, Haarfarbe, Körpermaße, Gedankengänge und vieles mehr. Er bezweifelte diese Information jemals zu benötigen, aber er ging bei sowas immer auf Nummer sicher. Auch ihre Auren speicherte er sofort. Anhand derer würde er jeden einzelnen aufspüren können, egal wo dieser sich befand. Seinem Blick entging nichts. Außer Morgana. Aber die zählte nicht. Sie schützte sich mit Magie vor ihm. Nach einer gefühlten Ewigkeit, mittlerweile hatte er allen einen Bann auferlegt, war die Begrüßungsrunde zu Ende und sie konnten weitermachen. John trat vor und erklärte: “Nach deinem Anruf habe ich eine Notfallsitzung des Aufsichtsrates einberufen. Es kommt immerhin nicht jeden Tag vor, dass ich einen Auftrag von dir erhalte. Ich habe bereits alles in die Wege geleitet. Alle Abteilungen arbeiten auf Hochtouren. Die Rechtsabteilung zum Beispiel ist mit den Behörden im Dialog. Sie kümmern sich um die Bau- und Transportgenehmigungen. Wir werden wohl so einige Straßen und Autobahnen sperren lassen müssen, um alle Teile für die Bauprojekte hierher zu bekommen.” Gelangweilt hörte Isaak seinen Ausschweifungen zu. Angemessen für diese Informationen wäre wohl eine gehobene Augenbraue. Oder? “Keine Sorge, Boss. Die bekommen das hin. Sie alle sind Experten in ihrem Metier. Bevor wir jedoch beginnen können, müssen wir die Straße ausbauen. Darüber hatten wir gerade gesprochen als ihr zu uns kamt.” Die Dorfbewohner um sie her begannen zu murmeln. Was sie hörten, schien ihnen nicht zu gefallen. Isaak ließ den Blick schweifen. Für die Ureinwohner war es sicher sehr seltsam, dass hier Fremde über solche Dinge sprachen. In der Menge entdeckte er zwei bekannte Gesichter. “Sue, Quil, würdet ihr bitte zu uns kommen.” Mental nahm er Kontakt mit Sam auf. “Du bitte auch. Billy ist auch gleich da. Dann sind alle beisammen.” “John, das hier sind Sue Clearwater und Quil Ateara III. Sie gehören zum Ältestenrat und sind im Bilde.” Isaak hob einen Finger und deute zum Waldrand: “Das dort ist Sam Uley. Er wird Jake in den Angelegenheiten des Stammes vertreten.” Er sah genau, wie Sam die Augenbrauen hob. Damit hatte der zweite Alpha nicht gerechnet. Aus seinen Gedanken erfuhr Isaak, dass er angenommen hatte: Isaak würde als Freund des Leitwolfs den Macker raushängen lassen. Was auch immer diese Formulierung bedeuten sollte. Erneut gab es eine Runde Händeschütteln, während alle sich vorstellten. Auch wenn das sehr nervig war, musste es sein. Es war eine wohl überlegte Verzögerungstaktik. Billy würde gleich da sein und Isaak hatte kein Interesse sich Johns Vorträge zwei mal anzuhören. Wenn es nach ihm ginge, müsste John gar nichts mehr sagen. Isaak war bereits bestens Informiert. Während John seinen kurzen Eingangsmonolog abhielt, traf dann auch Billy ein. Nun war die Runde komplett. Isaak zog sich ein wenig zurück. Er hatte nicht vor sich groß einzumischen. Das hier war Jakes Projekt nicht das seine. Nachdem dann die Begrüßung des Häuptlings abgeschlossen war, wandte Billy sich an die Dorfbewohner. Diese hatten mittlerweile begonnen laut zu tuscheln. “Bitte beruhigt euch. Ich erkläre, was hier los ist.” Isaak sah genau, wie er schwer schluckte. Bei Billy vermied er es in dessen Gedanken einzudringen. Er hatte schlicht und einfach keine Lust auf das Gezeter dieses Mannes. “Isaak Wächter hat sich bereit erklärt eine Spende zum Erhalt des Dorfes zu tätigen. Ich weiß, dass Gerüchte die Runde machen, wonach mein Sohn schwul ist.” Er senkte kurz den Blick und sammelte sich. Isaak sah ihn nachdenklich an. Was hatte er vor? Würde das schon wieder ein Schlag gegen Jake und ihn werden? “Das ist die Wahrheit. Dieser Mann hier”, Billy deutete auf ihn, “ist sein fester Freund. Der Ältestenrat ist nach reiflicher Überlegung zu der Überzeugung gelangt, dass Homosexualität nicht länger als verwerflich angesehen werden darf. In diesem Zusammenhang haben wir der großzügigen Spende zugestimmt. Alle sind eingeladen der heutigen Besprechung beizuwohnen.” Etwas eingeschüchtert sahen sich John und die seinen um. Nicht alle Blicke der Dorfbewohner waren ihnen wohlgesonnen. “Niemand muss der Modernisierung seines Hauses zustimmen. Es ist eure Entscheidung, ob ihr das Angebot annehmt, oder ausschlagt. Bei allen allgemeinen Themen entscheidet, wie stehts, der Ältestenrat.” Billy drehte sich zu den Neuankömmlingen um. “Wir können beginnen.” “In Ordnung”, stammelte John eingeschüchtert. Er rückte seine Seidenkrawatte zurecht und räusperte sich. “Als erstes sollten wir über die Straße reden. Mr. Stone?” Frank, ein stämmiger Mann Mitte vierzig trat vor. “Um die Bauarbeiten wie geplant auszuführen, müssen wir die Zugangsstraße ausbauen. In Anbetracht der bevorstehenden Modernisierungen und des damit entstehenden Tourismus, würde ich eine zweispurige Straße vorschlagen. Daneben können wir die Rohrleitungen verlegen.” “Wäre es nicht besser, unter der Straße einen Schacht zu graben und in diesem die Leitungen zu verlegen? Das würde eine Modernisierung in einigen Jahren erleichtern und einen stetigen Zugang gewährleisten.” Alle starrte Isaak an. Verdammt, er hätte sich besser nicht einmischen sollen. Frank rang die Hände miteinander. “Das stimmt schon, wäre aber wesentlich teurer. Auch wird so etwas hier zu Lande kaum gemacht. Es geht ja auch nur um die Wasser- und Abwasserleitungen. Strom verlegen wir mittels Oberleitungen.” “Nein.” Isaak verschränkte die Hände vor der Brust. “Keine Oberleitungen. Die zerstören das Ambiente. Zudem vereinbart wurde, so wenig Wald wie möglich abzuholzen. Die Natur darf nicht beschädigt oder verschandelt werden.” “Mr. Turner, bitte sagen sie etwas dazu.” Erwartungsvoll wandte sich Frank an John. Dessen Miene wurde hart. Er hob einen Finger und tadelte: “Mr. Stone, Geld spielt keine Rolle. Sie sind der Bauleiter und werden alles Menschenmögliche veranlassen, um die Wünsche von Mr. Wächter umzusetzen. Sollten Sie sich diesem nicht gewachsen sehen, dann suche ich mir einen anderen für den Job.” Resigniert ließ Frank den Kopf hängen. “Keine Oberleitungen und unterirdische Wasser- und Abwasserleitungen, wie sie wünschen Mr. Wächter.” “Gut, damit wäre das geklärt.” Isaak lächelte freundlich. Auf John war verlass. Und je mehr Geld er hier ausgab, um so besser. Sie versammelten sich um den Tisch und gingen den Verlauf der Straße im Detail durch. Der Ältestenrat hatte wenig zu bemängeln in diesem Bereich. Immerhin hatte Isaak die für sie wichtigsten Punkte bereits geklärt. Die Quileute lebten im Einklang mit der Natur, demnach hätten sie die Pläne mit der Oberleitung eh abgelehnt. Zumal die Wölfe von dem Brummen der Strommasten verrückt werden würden. Nach dieser kleinen Show, wagte es niemand mehr Isaak zu widersprechen. Die Arbeiten an der Straße würden in den nächsten Tagen beginnen. Dafür hatte John schon den Kauf eines großen Bauunternehmens in Seattle angeordnet. Bis die fabrikneuen Bagger, Kräne, Raupen und sonstigen Baumaschinen angeliefert wurden, sollte der Straßenumbau mit den vorhanden Geräten möglichst abgeschlossen sein. Die in die Jahre gekommenen Maschinen wurden in diesem Augenblick bereits auf LKWs verladen. Als nächstes sprachen sie kurz über die Häuser des Dorfes. In diesem Punkt mischte vor allem Darlyn stark mit. Das Dorfbild zu modernisieren war ihr Herzensprojekt. Schon immer wollte sie ein ganzes Dorf ihrem Ermessen nach umgestalten. Allerdings übertrieb sie es ein wenig mit ihren Vorstellungen. Ein Marterpfahl aus Stahl wurde vehement von den Ältesten abgelehnt. Auch alle Häuser mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten scheiterte lautstark. Am Ende einigten sie sich darauf, die Aussenfassaden möglichst intakt zu lassen, jedoch mit den modernsten Baustoffen das Innenleben umzugestalten. Bei der Frage, wer alles ein solches Haus wollte, wurde es Ruhig. Niemand wollte der Erste sein. Die meisten Quileute waren mehr als skeptisch aufgrund diese Überfalls aus heiterem Himmel. Um mit gutem Beispiel voran zu gehen, entschied der Ältestenrat, dass sie ihre Häuser als erstes anpassen würden. Anschließend konnte jeder für sich entscheiden, ob er oder sie das wollte oder nicht. Als nächstes war die Schule dran. Hier setzte sich Darlyn erfolgreich durch. Dieses Gebäude sollte zum Vorzeigeobjekt für das Dorf werden. Mr. Schmidt stand der Schweiß auf der Stirn. Er sah sich mit einer enormen Herausforderung konfrontiert, denn er musste diese Vorstellungen in einen Bauplan umsetzen. “Glaswände: Hier, hier und hier. Hier einen weiten Bogen. Ich will keine harten Ecken sehen. Alles muss perfekt ineinander übergehen.” Sie sah auf die grobe Zeichnung herab. “Diese Wände müssen weg.” “Aber das sind tragende Wände, das geht nicht”, protestierte Mr. Schmidt. “Ist mir egal, die müssen weg. Setzen Sie sich mit der Technologieabteilung in Verbindung. Die sollen sich etwas einfallen lassen.” Isaak schmunzelte. An dieser Stelle würde er wohl unterstützend eingreifen müssen. Mit Hilfe seiner Technologie sollte es kein Problem sein, die Konstruktion zu stabilisieren. Die Frage war nur, wie er das unbemerkt umsetzen konnte? Die Diskussion verlagerte sich zu den Offshor Windanlagen. Hier gab es gewaltigen Gegenwind. Keiner der Quileute wollte sich die Aussicht durch dutzende Windräder verbauen lassen. Isaak dachte kurz nach und ward dann ein: “Dann nutzen wir eben die Gezeitenkräfte. Kein Problem. Solche Aggregate werden unter Wasser gebaut. Von ihnen geht weder eine Umweltverschmutzung noch eine Beeinträchtigung der Meerestiere aus. Damit ist das Problem vom Tisch.” Zu spät bemerkte er, dass ihn alle entgeistert anstarrten. Diese Technologie war wohl noch nicht erfunden. Verdammt. Ob er sich da wieder rausreden konnte? Zur Not würde er allen das Gedächtnis löschen. “Ich frage gar nicht erst, wie du an dieses Wissen gelangt bist. Die Technologieabteilung arbeitet in der Tat an solchen Aggregaten. Jedoch sind diese noch nicht einsatzbereit.” Wenn schon daran gearbeitet wurde, konnte er mit kleinen Stupsern an den richtigen Stellen die Entwicklung bestimmt beschleunigen. Innerlich seufzte er. Am liebsten würde er das Dorf einfach an den Geothermal-Reaktor anschließen. Das würde die Energieversorgung für mehrere Jahrhunderte sicherstellen. Aber wie sollte er das bitte erklären? Dann eben der Umweg über eine experimentelle Energiegewinnung. “Ich werde mich darum kümmern. Nächstes Thema.” Isaak sah genau, wie einige zögerten, doch keiner wagte es zu widersprechen. “Wie wäre es mit einer eigenen Kläranlage?”, fragte Darlyn. “Darüber haben wir noch gar nicht nachgedacht. Aber es wäre nur logisch.” Nachdenklich ließ John seine Gedanken schweifen. “Wenn wir dieses Dorf zu einem Vorzeigeprojekt in Sachen Umweltschutz und Ökologie machen wollen, dann benötigen wir selbstverständlich eine passende Kläranlage. In diesem Zusammenhang sollten wir vielleicht auch über Gewächshäuser sprechen.” So ging die Besprechung weiter. Von Jake fehlte weiterhin jede Spur. Über ihre Verbindung konnte er fühlen, dass es ihm gut ging. Mehr als gut. Jake jubelte und gönnte sich eine ausgiebige Testfahrt. Wie oft würde er in seinem Leben die Gelegenheit haben so ein Auto zu fahren? Isaak schmunzelte und begann eigene Pläne zu schmieden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)