Der Wächter von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 64: Familienbande ------------------------- Isaak lachte herzlich und sagte mental: „Ich mag deine Schwester. Sie hat eine gute Auffassungsgabe. Allein an ihrem Blick erkenne ich, dass sie den Kern des Problems im Rudel verstanden hat, bevor du es ihr gesagt hast. Ich bin ja echt mal gespannt auf das Gespräch mit deinem Vater.“ Dann aus heiterem Himmel sah Rachel auf und fragte: „Die drei sind Gestaltwandler, Kinder der Wölfe und was ist mir dir? Ein normaler Mensch bist du sicherlich nicht, zudem du auch nicht zu unserem Stamm gehörst. Also was bist du?“ Das Lachen des Rotblonden erstarb und er schaute sie nachdenklich an. „Hm, ich bin ein Wächter. Dank der besonderen Verbindung zwischen Jakes und mir, bin ich auch ein Gestaltwandler.“ „Was ist ein Wächter?“, harkte sie augenblicklich nach. „Ich würde vorschlagen, dass wir dieses Thema erstmal aufschieben. Einfach ausgedrückt ich bin ein Wächter allen Lebens. Meine Aufgabe ist es: Die Zukunft allen Lebens sicher zu stellen und Bedrohungen globalen Ausmaßes abzuwenden.“ Irritiert runzelte Rachel die Stirn. „Wie gesagt, lass uns das erstmal hintenanstellen. Es gibt noch so viel zu erklären, dass würde zu viel werden, fürchte ich.“ „Ok, dann: Du kannst auch zu einem Wolf werden? Darf ich es sehen?“ Jake knurrte und Rachel trat hastig einen Schritt zurück. „Keine Angst, das galt nicht dir. Jedenfalls nicht direkt. Mein Freund mag es nicht, wenn ich mich vor anderen Entblöße und ich möchte mich gerade auch nicht verwandeln. Vielleicht zeige ich dir meine Wolfsgestalt später“, erklärte Isaak. Der Rostbraune unter ihm Schnaubte zustimmend und warf einen Blick zu den anderen Wölfen. Kurz dachte er nach, nickte und trat ein paar Schritte zurück. Dann wurde er wieder zum Menschen, wobei sein Freund neben ihm zum Stehen kam. Schnell raffte Jake seine sieben Sachen zusammen und zog sich an. „Jungs, wir sind noch eine Weile vom Revier der Quileute entfernt. Wenn ihr wollt, könnt ihr als Wölfe umherstreifen. Ich gebe euch später einen Treffpunkt durch.“ Kamden hob den Kopf und nickte erhaben. Das war ganz nach seinem Geschmack. Sein Freund hingegen hatte offenbar nichts mitbekommen und schmuste einfach unbeirrbar weiter. Als Wolf war Embry sehr anhänglich und kuschelbedürftig. „Gut, bleibt in unserer Nähe. Viel Spaß euch“, sagte der Leitwolf und hob eine Hand. Schon schossen die beiden davon. Wobei der Hellgraue auch weiterhin an dem Schwarzen klebte. Rachel sah den beiden Wölfen nach und fragte sich, was hier abging? Ihr kleinster Bruder war offenbar sowas wie der Anführer der Bande. Er entschied und alle fügten sich. Wenn sie an die Legenden dachte, dann vermutete sie, dass er der Alpha, der Leitwolf des Rudels sein musste. Jakes Magen rumorte laut und er sah sich nach seinem Gefährten um. Dieser hatte schnell die Kleidung der anderen eingesammelt und im Kofferraum verstaut. Neben dem Wagen stehend sah der Rotblonde auf und offenbarte: „Wir kommen bald bei einer kleinen Siedlung an. Da können wir sicher was zu essen auftreiben.“ „Ok. Dann lass uns weiterfahren. Es gibt noch so viel zu erklären“, bestimmte der Leitwolf und scheuchte seine Schwester auf die Rückbank. Er nahm ebenfalls hinten Platz. Während Isaak das Auto wieder zu der Straße zurückfuhr, klärte Jake Rachel weiter auf. Nun da sie die Grundlagen verstand, begann er mit seiner Prägung und allem, was seitdem passiert war. Über eine halbe Stunde redete er ununterbrochen, bis sie die versprochene Kleinstadt erreichten. Kurz zuvor bog Isaak wieder in den Wald ein und sie sammelten die Wölfe ein. Gemeinsam ließen sie sich in einem Diner nieder und wählten den abgelegensten Tisch, damit sie weiterreden konnten. Jake der sich über die Gesellschaft seiner Schwester freute lud alle ein und sagte: „Ihr könnt euch holen, was immer ihr wollt. Keine falsche Scheu, haut euch kräftig die Bäuche voll.“ Bei der Bestellung allerdings mahnte Isaak mental mit einer todernster Stimme: „Ihr könnt so viel Essen wie ihr wollt, aber bestellt bitte nicht mehr, als ihr auch essen könnt. Ich mag derlei Verschwendung nicht. Bei sowas werde ich echt wütend. Glaubt mir, ihr wollt euch meinen Zorn nicht zu ziehen.“ Entgegen dieser Warnung war der Tisch kurze Zeit später brechendvoll und Rachel machte große Augen als die drei Wölfe, ohne mit der Wimper zu zucken, mit ihrem Beutezug begannen. „Wölfe brauchen mehr Essen als normale Menschen. Die Menge ist also für sie als normal anzusehen“, flüsterte der Wächter und grinste die Frau an. „Dass sie keine Tischmanieren haben, offenbar auch“, gab sie ungerührt zurück und drei Köpfe am Tischen zuckten wie geschlagen. „Oh, wenn du das schon schlimm findest, dann solltest du nicht bei einem Gelage des ganzen Rudels dabei sein“, lachte Isaak und bekam für den freche Kommentar einen Rippenstoß, den er ohne die Miene zu verziehen ertrug. „Wer gehört denn noch alles zum Rudel“, fragte Rachel leise nach. „Es gibt aktuell zwei Rudel“, erklärte der Rotblonde. „Sam und Jake sind die Alphas ihrer Rudel. Zu Sam Uley gehören: Jared Cameron, Paul Lahote…“ Bei diesem Namen knurrten die drei Wölfe böse auf. „…Quil Atara V, Collin Littlesea und Brandy Fuller. Jakes Rudel besteht aus: Leah und Seth Clearwater, Embry Call, Kamden Hayes und mir, wobei ich da eine Sonderstellung habe.“ Rachel nickte und sagte: „Du bist sein Beta oder? Als der Freund des Alphas ist das nur verständlich.“ „Das hätte Jake gerne, aber ich weigere mich. In seinem Rudel habe ich keinen Rang und stehe ganz unten in der Nahrungskette“, offenbarte Isaak und sah wie ihre Gesichtszüge entgleisten. „Ich möchte das so. Als Wächter darf ich nicht in den natürlichen Lauf der Dinge eingreifen. Deshalb halte ich mich möglichst raus.“ „Ich bin wohl immer noch nicht ganz auf dem Laufenden, oder?“, fragte die Frau. „Noch nicht“, meinte Jake und sah von seinem Essen auf. Das war ein Fehler, als der Leitwolf gerade nicht hinsah leerte Kamden dessen Teller. „Bis wir zu Hause sind solltest du aber alles nötige wissen.“ Er sah auf seinen leeren Teller und grollte: „Wer war das?“ „Ich“, sagte sein Bruder, als dieser den letzten Rest Essen beseitigt hatte. „Dein Freund sagt doch: Esst so viel ihr wollt und ich wollte das haben.“ Er zuckte mit den Schultern und feixte seinen Leitwolf an. Isaak legte Jake eine Hand auf den Oberschenkel und besänftigte ihn ein wenig. Dennoch schnauzte er: „Na warte, deinem Alpha das Essen zu stehlen. Dir werde ich später beim Training die Ohren langziehen.“ Nach dem Essen fuhren sie weiter. Diesmal schloss sich auch Jake den beiden anderen an und überließ es Isaak weiter zu reden. Rachel saß vorne als Beifahrer und sie unterhielten sich ausgiebig. Neugierig wollte sie ihm einige Informationen zu ihrer Beziehung entlocken, aber der Wächter gab in diesem Punkt nur preis, dass sie ein gleichberechtigte Partnerschaft führten. Die höfliche und herzliche Art des Rotblonden hatte es ihr angetan und sie mochte den Mann jetzt schon. Erst hatte sie bedenken, aber nun da sie sah wie die beiden miteinander umgingen, konnte sie beruhig sein. Nachdem dann alles erzählt war und sie im hier und jetzt angekommen waren, schwirrte Rachel der Kopf ein wenig. Sie hüllte sich einige Minuten in Schweigen. Dann sah sie den Fahrer an und fragte: „So, habe alles verarbeitet fürs Erste, aber da gibt es ein paar Lücken. Ich nehme mal an, das hat was mit dem Thema Wächter zu tun?“ „Sehr scharfsinnig“, lachte Isaak. „Soll ich diesen Teil auch noch erzählen oder willst du erstmal deine Ruhe haben? Das war schon eine Menge an Informationen heute.“ „Ach, da kennst du meinen Tutor Mr. Davis nicht. Er hält Vorträge in Philosophie. Durch ihn bin ich abgehärtet. Er redet ohne Punkt und Komma die ganze Stunde lang durch. Fragen sind nicht gestattet. Wer nicht folgen kann, der fliegt aus dem Kurs.“ „Das klingt interessant. Mal sehen“, murmelte Isaak und sein Blick wurde leer. Es sah so aus, als ob er seine Umgebung nicht mehr wahrnahm. Sie wedelte kurz vor seinen Augen, keine Reaktion. Sofort legte sie eine Hand auf das Lenkrad. Aber sie konnte dieses keinen Millimeter bewegen. Der eiserne Griff des Wächters war unbeirrbar. Dann plötzlich grinste der Rotblonde und sah zu ihr herüber. „Sehr interessanter Mann, dieser Mr. Davis. Einige seiner Theorien sind seiner Zeit weit voraus, andere eher mangelhaft. Im Großen und Ganzen ist er aber ein guter Lehrer, würde ich sagen.“ „Was?“, fragte Rachel und schnappte nach Luft. „Beginnen wir also mit der Vorlesung zum Thema Wächter…“, sagte Isaak, wobei er perfekt die Mimik und Sprechweise des Lehrers nachahmte. Rachel wurde bleich. Woher wusste dieser Mann neben ihr auf einmal so gut über ihren Tutor beschied. Das war unheimlich. Sie fühlte sich auf einmal sehr unbehaglich. Isaak registrierte ihr Verhalten und sah entschuldigend zu ihr herüber: „Bitte verzeih. Ich wollte dich nicht ängstigen. In deiner Stimme lag nur viel Hochachtung für Mr. Davis, sodass es mein Interesse geweckt hat. Mit Hilfe meiner Magie kann ich durch Raum und Zeit sehen. Daher konnte ich einigen Vorlesungen deines Tutors beiwohnen.“ Der Wächter achtete mal wieder überhaupt nicht auf die Straße und Rachel riss die Augen auf, als sie auf eine scharfe Kurve an einem Abgrund zusteuerten. Während sie schon mental ihr Testament machte, wurde das Auto langsamer und nahm die Kurve ohne von der perfekten Mittelline abzuweichen. „Ängstigt dich meine Art und Weiße?“, fragte Isaak und versuchte ihre Miene zu ergründen. „Das war nicht meine Absicht. Ich wollte dir nur eine Freude bereiten. Entschuldige bitte.“ „Wie machst du das?“, stieß Rachel hervor und sah ihm ins Gesicht. Sie deutete auf die Straße. „Wie kannst du mich ansehen und gleichsam den Weg sehen?“ „Oh“, meinte der Wächter und runzelte die Stirn. „Nun ja, ich sehe die Straße nicht. Jedenfalls nicht mit den Augen. Das ist vielleicht ein wenig zu kompliziert. Sagen wir einfachheitshalber, ich habe mehr Sinne als normale Menschen. Ich orientiere mich anhand einer Art Echolot, zudem behalte ich die Umgebung mit meinem Geist erfasst. Es ist schwer einem Menschen das zu erklären. Zumal mein Verstand auch wesentlich komplexer und effizienter arbeitet.“ Sprachlos starrte die Frau ihn an. „Können wir nicht einfach sagen: Ich bin ein Wächter und ich kann das? Das würde die Angelegenheit wesentlich vereinfachen.“ „Du kannst in die Vergangenheit sehen und hast zusätzliche Sinne. Ok, das muss ich erstmal verarbeiten“, sagte Rachel und schloss die Augen. Langsam kehrt die Farbe in ihr Gesicht zurück. Sie machte es sich auf dem Sitz bequem und sagte: „Du wolltest mir eine Vorlesung halten. Leg los. Mal sehen wir gut du Mr. Davis imitieren kannst.“ Als Isaak anfing zu sprechen, riss sie abermals die Augen auf und starrte ihn an. Neben ihr saß noch immer der Rotblonde aber die Stimme mit der er redete, gehörte eindeutig ihrem Lehrer. Er ahmte Mr. Davis nicht nach, er war Mr. Davis. Sie grinste, entspannte sich wieder und lauschte der Vorlesung. Nach einigen Minuten zückt sie sogar Block und Stift und machte sich Notizen. Isaak sah ihr dabei zu und legte nebenher einen kleinen Verwirrungszauber über das Geschriebene, nur zur Sicherheit. Er konnte es nicht gestatten, dass sein Wissen ungeschützt irgendwo niedergeschrieben stand. Alle Eingeweihten könnten es lesen, alle Unwissenden würden nur eine Mischung aus unzusammenhängenden Zeichen vorfinden. Die Wölfe im Wald lauschten ebenfalls dieser Vorlesung. Vor allem für Kamden und Embry war einiges dabei, was sie noch nicht wussten. Da ihr Verstand mit dieser Informationsflut zu kämpfen hatte, gaben sie es irgendwann auf, folgten ihren wölfischen Instinkten und rannten ziellos umher. Nach einer Weile bog Isaak wieder in den Wald ein. Kurz hinter einer Kurve tauchten auch schon die Wölfe auf. Der Rostbraune trabte neben der Fahrertür. Die anderen beiden liefen auf der anderen Seite, wobei der Hellgraue sich so nahe wie möglich bei dem Schwarzen aufhielt. Rachel beobachtete die Wölfe und deren Interaktionen miteinander, bis sie im Unterholz verschwanden, um sich zu verwandeln. Zu fünft fuhren sie weiter und erreichten die Grenze der beiden Rudel. Die drei Jungs hatten sich auf die Rückbank gequetscht. Embry saß in der Mitte und freute sich mal wieder ausgelassen mit Jake zu reden. Kamden hörte nur mit einem Ohr zu und sah aufs Meer hinaus. Nach einer ausschweifenden Erklärung von der Jagd auf einen Blutsauger, welche Jake während seiner Zeit in den Außenposten und in New York verpasst hatte, landete seine Hand aus Versehen auf Kamdens Bein. Dieser sah auf und legte ebenso zufällig seine Hand obendrauf. Je mit einem Daumen begannen sie die jeweils andere Hand zu streicheln, während nun Jake begann zu erzählen, was sie auf ihrer Reise erlebt hatten. Einiges unwichtiges hatte er bisher ausgelassen. Nun erfuhren die anderen von der Story in der Schwulenbar und wie sie da überhaupt gelandet waren. Bei dieser Geschichte rümpfte Rachel die Nase und meckerte: „Jake, du bist erst 16. Du hast weder etwas in einer Bar zu suchen, egal welche es sein mag, noch Alkohol zu trinken!“ Schuldbewusst kratzte sich ihr Bruder am Hals und sah angemessen drein. Isaak lachte auf und sagte: „Rachel, du solltest nicht allzu streng sein. Auch wenn Jake auf dem Papier 16 ist, vom Körper und Verstand her ist er wohl eher auf deinem Niveau. Wölfe wachsen rasant bis sie einen Körper von 25 Jahren erreichen. Dann bleibt ihre körperliche Entwicklung stehen. Sie altern nicht mehr und könnten quasi ewig leben. Zudem solltest du wissen, dass der Wolfsmetabolismus wesentlich schneller arbeitet. Einen Wolf betrunken zu bekommen ist nicht leicht. Außerdem war ich ja auch noch da. Ich habe auf ihn aufgepasst.“ Rachel betrachtete den Wächter neben sich und sagte spitz: „Wenn du besser aufgepasst hättest, dann hätte dieser Kellner meinem Bruder keine Drogen unterjubeln können. Wie viel wert ist also dein Schutz?“ Das hatte gesessen und der Rotblonde sackte zusammen. Sie hatte recht, es war seine Schuld. Er war ein miserabler Freund gewesen und begann sich schreckliche Vorwürfe zu machen. Mit jedem Gedanken und jeder Sekunde fühlte er sich schuldiger und hilfloser. Der Schmerz bohrte sich tief in sein Herz und er begann sich in sein Inneres zurückzuziehen. Die Umgebung blendete er mehr und mehr aus. Allein seine Aufgabe als Fahrer vernachlässigte er nicht, überließ dies aber seinem Körper. „Es war nicht seine Schuld“, knurrte Jake wütend. Er spürte, was die Worte seiner Schwester angerichtet hatten und musste diese Spirale schnell unterbrechen. „Das sehe ich aber anders“, meinte Rachel stur und sah zur Seite. Sie erschrak. Der Blick des Wächters war leer und ausdruckslos. „Was ist mit ihm?“, fragte sie entsetzt. „Er gibt sich selbst die Schuld und versinkt gerade in Selbstvorwürfen“, schrie der Alpha aufgebracht. „Bei sowas ist er sehr empfindlich. Du hast ihm weh getan. Wärst du nicht meine Schwester, würde ich dich dafür zerreißen.“ Rachel zuckte zurück. So aufgebracht hatte sie ihren Bruder noch nie gesehen. „Es… Es tut mir…“, stammelte sie eingeschüchtert, aber er brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. Mit sanfter Stimme sagte der Leitwolf: „Isaak, setz den Blinker für rechts, werde langsamer und halte den Wagen an.“ Der Körper seines Freundes tat wie ihm befohlen. Alle wirkten etwas Irritiert. Was war hier los? „Gebt mir einen Augenblick. Ich versuche ihn zu wecken“, meinte der Alpha und griff nach dem Geist seines Freundes. Er redete eine Weile auf seinen Geliebten ein und versicherte ihm, dass ihn keine Schuld traf. Er war doch kein Gott und konnte nicht alles im Auge behalten. Zudem war er geschwächt und irren sei menschlich. Nach viereinhalb Minuten blinzelte Isaak und sagte kleinlaut: „Verzeiht, ich war kurz abgelenkt.“ Schnell wandte sich Rachel an den Mann neben sich und bat: „Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht verletzen.“ „Du hast mich nicht verletzt. Es ist die Wahrheit, die mir Schmerzen bereitet. Ich hätte es sehen müssen, habe es aber nicht. Dieser Fehler wird mir kein zweites Mal unterlaufen.“ „Genug davon“, entschied Jake und stieg aus. Seine Stimme war sanft, aber es lag auch eine Tonlage darin, die Eindeutig machte, dass er keinen Widerspruch duldete. Isaak stieg ebenfalls aus und wurde in eine Umarmung gezogen. Schnell raubte sich der Leitwolf noch einen Kuss, dann stiegen sie wieder ein. Den Rest des Weges fuhr der Alpha selbst. Es herrschte betretenes Schweigen und keiner wagte es die Stille zu durchbrechen. Dann räusperte sich Jake. „Ich möchte euch bitten, das mit den Ko-Tropfen für euch zu behalten.“ Die drei anderen stimmten murmelnd zu. Schnell schüttelte der Alpha den Kopf und seine sonst so fröhliche Art kehrte zurück: „So Schwesterherz, soll ich dir unser neues Zuhause zeigen oder willst du direkt nach La Push.“ Rachel dachte kurz nach und entschied erstmal zu Billy zu fahren. Die Situation mit ihrem Stamm schien ihr das vordringlichste Problem. Gegen diese Magierin Morgan Le Fay konnte sie eh nichts ausrichten, wenn die Angaben des Wächters korrekt waren. Das überstieg eindeutig ihren Horizont. Als sie in die Straße nach La Push einbogen, bekamen die drei Wölfe ein mulmiges Gefühl. Sie sahen nach rechts in den Wald und wussten, dass sie beobachtet wurden. „Das fängt ja gut an“, murrte Jake und fuhr langsamer. Er fragte sich, welcher seiner ehemaligen Kameraden im Gebüsch lauerte. Isaak beantwortet die ungestellte Frage: „Es ist Quil. Er hat Alarm geschlagen. Sam mitsamt seines ganzen Rudels ist auf dem Weg hierher.“ Der Leitwolf wurde langsamer und hielt an. Dann stieg er aus und rief in den Wald: „Wir begleiten nur meine Schwester Rachel zu unserem Alten. Das ist kein Angriff auf das Rudel. Sag Sam, wenn er will, kann er sich mit uns vor unserem Haus treffen.“ Er sah zu seinem Freund und dieser nickte. „Er hat dich gehört und gibt es weiter. Sams gesamtes Rudel wird kommen, als Menschen.“ „Gut“, knurrte Jake, stieg wieder ein und fuhr langsam weiter. Er wollte den anderen Zeit geben, sich zu beruhigen bevor die Situation noch eskalierte. Rachel saß eingesunken auf ihrem Sitz und fragte ängstlich: „Vielleicht war das doch keine gute Idee.“ „Keine Sorge“, besänftigte der Leitwolf. „Dir werden sie kein Haar krümmen. Die Gesetze des Rudels sind in der Hinsicht eindeutig. Du bist ein Mensch und ein Mitglied des Stammes. Außerdem auch noch die Tochter des Häuptlings. Sam würde es nicht wagen dich zu verletzen. Du bist eine Schutzbefohlene und somit sicher.“ Auch wenn er selbst nicht zu 100% von seinen eigenen Worten überzeugt war, so legte er so viel Zuversicht wie möglich in seine Stimme. „Rachel ist sicher“, bestätigte Isaak und sagte zu ihr: „Ich garantiere für deine Sicherheit. Keiner wird dich anrühren, solange ich in deiner Nähe bin.“ Auch wenn sie nicht wirklich wusste, wie mächtig der Wächter eigentlich war, so beruhigte sie das Wissen, dass dieser sie beschützen würde. Vor dem Haus der Blacks hatte sich das gesamte Rudel von Sam aufgestellt und blockierte den Weg. Alle trugen lediglich kurze Short in mehr oder weniger gutem Zustand und hatten die Arme vor der Brust verschränk. Ihr Alpha stand an der Spitze. Noch bevor sie ganz ausgestiegen waren, hörten sie schon Pauls liebliche Stimme: „Sie mal einer an, ein Wagen voller Schwuchteln. Na ihr Homos, fühlt ihr euch sicher, wenn ihr euch hinter einer Frau verstecken könnt?“ Eher war Rachel diejenige, die sich etwas hinter die vier stellte. Zwar erkannte sie einige der vor ihnen stehenden Jungs, aber die gesamte Masse an Muskeln und die unnatürliche Größe jedes Einzelnen ließ ihren Magen doch etwas flau werden. Wütend stürmten Jake und Kamden los und wurden von ihren jeweiligen Partnern zurückgehalten. Erzürnt knurrte der Brünette überheblich: „Komm doch her, du hässlicher Bettvorleger. Dann zeige ich dir, was so ein Homo mit einem Schwächling wie dir anstellen kann. Wir haben eh noch eine Rechnung offen, du Penner.“ „Da reißt der kleine Schwanzlutscher ja richtig die Fresse auf. Wollen wir mal sehen, ob meine Faust da hineinpasst?“ Kamden grinste fies: „Neidisch, dass du keine Freundin findest? Ich meine, wer will schon sowas wie dich. Wobei es wohl auch sehr schwer wird eine Partnerin zu finden, die dir nicht intellektuell überlegen ist. Wie wäre es mit einem holen Stein? Der würde wunderbar zu dir passen.“ Paul bebte vor Zorn und trat einen Schritt vor. „Genug“, knurrte Sam und nutzte die Macht des Alphas um den Streit zu beenden. Paul bebte weiterhin, konnte sich aber nicht gegen den Befehl seines Leitwolfs stellen. Der Brünette grinste fies und stichelte: „Und nun gib brav Pfötchen.“ Daraufhin kämpfte sein Widersacher gegen die Macht, die ihn zurückhielt an und seine Augen traten leicht hervor, während er versuchte, so viel Verachtung und Hass wie nur möglich in seinen Blick zu legen „Kamden!“, mahnte Jake. „Man tritt nicht nach. Oder hast du keine Ehre im Leib?“ Auch wenn sein Bruder die Macht des Alphas nicht benutz hatte, so zeigten seine Worte die gleiche Wirkung, aber aus einem anderen Grund. Sam hatte absichtlich nur sein Mitglied zurückgehalten. Er wollte wissen, was sein ehemaliger Beta in dieses Situation tun wurde. Eigentlich hatte er erwartet das Jake ebenso wie er auf die Macht des Alphas zurückgreifen würde, aber er tat es nicht. Das ärgerte Sam. Schnell sah er sich die gegnerische Gruppe an und sein Blick blieb auf der Frau hängen, die sich mittlerweile neben den Wächter getreten war „Rachel weiß Bescheid?“ Der andere Leitwolf nickte. „Ja, sie weiß alles.“ „Das ist schon wieder ein Verstoß gegen unsere Gesetze. Aber es macht die Sache auch leichter. Rachel darf durch. Ihr anderen, verschwindet wieder. Die Sitzung des Rates ist erst heute Abend, bis dahin bleibt ihr außerhalb meines Reviers.“ Jake baute sich zu voller Größe auf und knurrte: „Das ist nicht deine Entscheidung. Du kannst uns weder verbannen noch werden wir uns deinem Willen beugen. Wir können kommen und gehen, wie es uns passt. Wir werden nun alle gemeinsam meinen Alten besuchen, ob du willst oder nicht. Wenn das alles war, was du zu sagen hattest, dann mach nen Abflug und nimm deine Schar willenloser Schafe mit.“ Die Stimmung war angespannt und gereizt. Beide Alphas taxierten sich und spielten verschiedene Kampfszenarien durch. Aber egal wie man es drehte oder wendete, es lief immer auf einen Kampf um die Macht hinaus. Nur ein Leitwolf konnte mit einem Leitwolf kämpfen und der Macht der Stimme widerstehen. Sam würde Jakes Rudel erstarren lassen, aber Jake würde das Gleiche auch mit seinem Rudel machen. Ein Zweikampf schien unausweichlich. Sam schluckte und versuchte eine andere Taktik: „Jake, es ist noch nicht zu spät. Lass uns das friedlich beenden. Ich gebe zu: Deine Verbannung war vorschnell. Gib deinen kindischen Widerstand auf und lass die Rudel wieder zu einem werden. Was sagst du?“ Der zweite Alpha wurde sehr ruhig und fragte tonlos nach: „Das soll dein Kompromiss sein? Ich soll mich dir unterwerfen, und dann? Alles vergeben und vergessen?“ „Ja“, sagte Sam und breitete die Arme aus. „Lügner!“, fauchte Isaak und erklärte: „Du hast vergessen zu erwähnen, dass dieses Angebot nur für Leah und Seth gilt. Die beiden können zurückkommen. Aber Jake, Kamden, Embry und auch ich werden verbannt.“ „Ist das wahr, Sam?“, fragte Jacob ruhig. „Was hast du erwartet? Ihr brecht unser Gesetz. Ihr vier könnt nicht bleiben. Aber für Leah und Seth ist es noch nicht zu spät“, knurrte sein ehemaliger Alpha wütend, weil er ertappt worden war. „Ist das deine Art zu verhandeln? Wo ist deine Ehre geblieben? Hast du so große Angst vor mir, dass du es mit sowas versuchst?“ Der jüngste der Blacks schüttelte den Kopf und ergänzte: „Das ist echt armselig, Sam. Ich hatte so lange zu dir aufgesehen und mehr von dir erwartet. Du tust mir echt leid. Du bist nichts weiter als meines Vaters Marionette.“ „Wie kannst du es wagen?“, tobte Sam und hob drohend seine Faust. In Jakes Augen blitzte es gefährlich und er sprach mit der vollen Macht des Leitwolfes: „Ich kann das Schicksal des Rudels nicht länger in deine unfähigen Hände legen. Ich dachte, wir könnten auf Augenhöhe reden, das war wohl ein Irrtum. Heue Abend wirst du dich mir vor den Augen des Rates unterwerfen. Du kannst dein Rudel behalten und auch weiter Alpha spielen, wenn du das willst, aber du wirst mir unterstellt sein und nicht mehr dem Rat. Das ist meine Entscheidung, als der „Wahre Alpha“ des Rudels und du wirst dich mir fügen.“ Sam spürte zum ersten Mal die volle Power eines „Wahren Alphas“ und erzitterte. Er hatte nicht erwartet, dass Jake so stark war. Paul sprang vor und unterbrach den Blickkontakt der beiden. „Du abartige Missgeburt. Wir werden uns dir niemals unterwerfen. Du bist weniger wert als der Dreck unter meinen Fingernägeln. Du widerliche Ausgeburt…“ Klatsch! Alle rissen die Augen auf. Rachel war bei dieser Schimpftirade vorgestürmt und hatte Paul eine saftige Ohrfeige verpasst. Auch wenn ihre Hand nun unglaublich schmerzte, war es das wert gewesen. Ihr Gegenüber schien einen Augenblick erstarrt, aber nicht aus Schmerz, sondern aus Überraschung. Paul blinzelte und in ihm erwachte der Zorn. Er würde sich verwandeln und diese freche Frau in die Schranken weisen. Mit Hass in den Augen sah er zu ihr runter. Sie starrte mit dem gleichen Hass zurück. Ihre Augen trafen sich. Isaak grinste ein schiefes Grinsen und Jake knurrte wütend, war aber machtlos. Es musste einfach sein. Alle aus Sams Rudel zuckten zusammen als Paul sich auf Rachel prägte. Dessen Augen flackerten und die Pupillen weiteten sich. Dann änderte sich der Ausdruck von Hass zu treuer Ergebenheit und Liebe. Rachel bekam davon nichts mit. Ihre Hand schmerzte und sie hüpfte ein wenig auf und ab. Dabei sah sie auf ihre Verletzung und fauchte: „Entschuldige dich, du hirnloser Idiot.“ „Entschuldigung. Ich wollte dich weder verletzen noch verärgern“, sagte Paul ergeben und schien wie ausgewechselt. Irritiert starrten alle den einst so aggressiven Wolfsjungen an. Auch Rachel hob den Blick und sah diesen eigenartigen Ausdruck in den braunen Augen ihres gegenüber. „Du sollst dich nicht bei mir entschuldigen“, sagte sie misstrauisch und deutete auf ihren kleinsten Bruder. „Entschuldige dich bei Jake wegen deiner abfälligen Worte.“ „Entschuldigung, Jake“, sagte Paul mit neutraler Stimme, sah aber nicht auf. Seine Augen waren fest auf die Frau geheftet. „Kann mir mal einer sagen, was hier los ist?“, schrie Billy plötzlich. Der Alte wurde vom Tumult vor seinem Haus angelockt und war mit seinem Rollstuhl durch die Haustür gestürmt. „Was macht das Auto der Cullens hier. SAM! Ist etwa einer der Blutsauger hier? Macht mal Platz, ich wüsste gerne, wer da ist.“ Sams Rudel trat benommen zur Seite und gab dem alten Mann die Sicht auf die Ankömmlinge frei. Er erblickte seine Söhne und deren Partner. „Ich will diese widerlichen Schwuchteln nicht sehen. Scheuch sie weg. SAM! Hörst du mich? Mach, was ich dir sage.“ Rachel machte einen Schritt zur Seite und fuhr ihren Vater an: „Hi, Dad. Wir müssen reden!“ Da Paul direkt vor ihr gestanden hatte, war es ein Schock für den Rollstuhlfahrer als er seine Tochter erspähte. Tonlos sagte er: „Rachel, Schatz? Was machst du denn hier?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)