Der Wächter von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 25: Blutbindung ----------------------- „Wird das dein neues Mantra?“, fragte der Wächter und genoss diese unschuldige Zweisamkeit. Solange Jake wusste was er tat, und bewusst die Grenze zwischen Freunden und Partnern überschritt, würde er ihn nicht aufhalten oder abweisen. „Vielleicht.“ „Gefällt mir besser als das Letzte.“ Dann blieben beide still und lagen eine ganze Weile so im Gras. Isaak entfuhr ein gequältes Stöhnen und er sagte: „Ich wünschte, wir hätten noch Zeit, aber wir müssen los. Die Versammlung beginnt bald.“ „Hast du meine oder deine Geschwindigkeit eingerechnet?“ „Deine“, sagte der Wächter und wurde überrascht. „Dann gib Bescheid, wenn es für dich knapp wird.“ „Einverstanden“, gluckste Isaak und drückte kurz Jakes Hand. Dieser ahmte die Geste nach und beide blieben einfach liegen. Ihnen war bewusst was das bedeuten würde. Eine knappe halbe Stunde später setzte sich der Rotblonde auf und Jake gab seine Hand frei. Dann öffnete er die Lider und sie sahen sich tief in die Augen. Isaak lächelte und sagte: „Na komm. Hoch mit dir. Wir haben wirklich keine Zeit mehr.“ „Schade“, brabbelte der Beta verlegen und stand auf. Anschließend hielt er dem anderen seine Hand hin und Isaak ging bereitwillig darauf ein. Beide streckten sich ausgiebig und der Wächter ging vor dem Wolfsjungen in die Hocke. Dann wartete er ab. Insgeheim hatte er ein paar Minuten eingeplant bis sich Jake überwinden würde, er wurde jedoch abermals überrascht. Ohne zu zögern sprang der Wolfsjunge ihm auf den Rücken. Unsicher fragte der Beta, als Isaak sich erhob: „Unsere Abmachung gilt aber noch, oder?“ „Selbstverständlich“, bestätigte der Wächter und rannte los. Diesmal behielt Jake die Augen offen und spürte den Wind an seinem Gesicht und den Haaren ziehen. Seth hatte Recht gehabt, dass machte irgendwie Spaß. Natürlich hatte Isaak seine Gedanken mitbekommen und schmunzelte. Viel zu schnell rasten sie durch den Wald und kamen in nur wenigen Minuten bei der Wolfshöhle an. Isaak hielt sein Wort und ließ Jake außer Sicht der anderen absteigen. Dann gingen sie den Rest des Weges nebeneinander. Sie wurden vom ganzen Rudel und Emily erwartet. Alle Augen ruhten auf ihnen und Jake bekam einen Hauch Farbe im Gesicht. Er wollte zwar seinem Drang nach Nähe zu Isaak nachgeben, aber er war noch nicht bereit sich den Konsequenzen zu stellen. „Jake, du hast Isaak gefunden? Ich hoffe du hast jetzt bessere Laune“, schnatterte Seth, der beleidigt schien, weil sein Kumpel ihn nicht mitgenommen hatte. Die Gedanken des Betas begannen zu rasen. Was sollte er sagen? Was konnte er sagen? Würden sie es verstehen? Würde sie ihn dann alle so ansehen, wie es Paul immer tat? Bevor er zu einem Ergebnis gelangte, kam ihm Isaak zuvor und sagte: „Eigentlich war es andersrum. Ich habe den hier“, er nickte zu Jake hin: „auf dem Rückweg aufgegabelt. Wie ihr gestern hat er völlig die Orientierung verloren und hat den Weg zurück nicht mehr gefunden.“ Seth, wie auch die anderen, schluckten die Lüge, ohne nachzufragen. Alle hatten mitbekommen, dass sie ohne ihre Wolfssinne echt aufgeschmissen waren. Sie hatten sich viel zu abhängig von diesen gemacht. Enttäuscht meinte der Jüngste: „Ach so. Ja, na dann gut, dass Isaak dich gefunden hat.“ „Danke“, sagte Jake mental und grinste gleichzeitig verlegen vor seinem Kameraden. „Ist echt schwer. Alles sieht so gleich aus.“ „Gerne Wölfchen. Und so weit von der Wahrheit ist das gar nicht entfernt. Dein einziger Anhaltspunkt ist unsere Verbindung zueinander. Wenn du aber nicht auf mich zuläufst weißt du nur, dass du dich von mir entfernst, nicht aber wo deine Schritte dich hinführen. So gesehen war es keine Lüge, ich habe lediglich die Wahrheit ein wenig verdreht“, erklärte Isaak mental und sah sich um. Laut sagte er: „Ich nehme mal an, dass Sam schon los ist?“ Emily antwortete: „Ja, da er sich nicht mehr verwandeln kann, ist er früh aufgebrochen. Ich soll euch sagen, dass ihr in zwei Stunden erwartet werdet. Er möchte vorher die Möglichkeit haben dem Rat Bericht zu erstatten.“ „Ausgezeichnet. Das erspart mir eine Menge Erklärungen. Komm Jake, wenn wir uns beeilen kannst du noch schnell duschen und dich umziehen“, meinte der Wächter und wandte sich dem kleinen Waldweg zu, welcher Sams Hütte mit dem Dorf verband. Jake senkte den Kopf und roch an sich. Angeekelt verzog er das Gesicht und bestätigte: „Boah, ok du hast Recht.“ Auch wenn er es nicht sah, wusste er, dass Isaak amüsiert grinste und die Augen verdrehte. Sie verabschiedeten sich und rannten los. Verstohlen sah Jake sich um und sprang dem anderen auf den Rücken, als sie außer Sicht waren. Sofort tauchten dessen Hände unter seinem Hintern auf und Isaak beschleunigte. Möglich unauffällig roch er an dem Rücken vor sich. Er wollte sich für den Spruch rächen und suchte nur einen Grund, aber Isaak roch nicht unangenehm nach Schweiß und Blut. Eher ein wenig nach Kräutern. Jene, mit denen er das Fleisch gewürzt hatte. Augenblicklich bekam Jake Hunger. Da er nicht mehr riechen konnte, mit seinen beschränkten Fähigkeiten, legte er seinen Kopf missmutig auf Isaaks Schulter und knurrte leise vor sich hin. „Ich habe heute Morgen in einem See gebadet. Meine Hose habe ich dabei auch gereinigt“, erklärte Isaak mental. So war das also, dachte Jake und er knurrte erneut auf. Dennoch verdiente der andere eine Bestrafung, für den frechen Kommentar über seinen Geruch. Ohne weiter nachzudenken, drehte er den Kopf und öffnete den Mund. Der Wächter blieb geschockt stehen und schrie: „Nein.“ Vergebens, denn Jake biss zu. Ein Zucken durchlief den Rotblonden. Dann wurde der Beta abgesetzt und er plumpste auf den Waldboden. Im Bruchteil einer Sekunde drehte sich Isaak um und ging wütend vor ihm in die Hocke. „Zeig mir deine Zähne, du Idiot. Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Ungläubig ignorierte Jake den anderen und starrte an die Stelle, in die er gebissen hatte. In der gebräunten Haut sah er seine Zahnabdrücke und Blut drang aus der Wunde. Neben sich stehend hob er einen Arm und zeigte auf seine Schandtat. Dabei stammelte er tonlos: „Du blutest.“ „Was?“, fragte Isaak irritiert und fuhr sich mit der Hand an den Hals. Als er auf seine Handfläche sah, war diese rot verschmiert. Isaak erbleichte und ließ sich ebenfalls auf den Boden fallen. „Das ist unmöglich“, murmelte er und starrte entsetzt auf sein Blut. Die Wunde schloss sich und einen Augenblick später war nichts mehr zu sehen, beide aber waren noch immer gebannt von dieser Situation. Dann, schneller als Jake reagieren konnte, griff der Wächter nach einem Stein am Boden. Es sah nicht aus als ob es ihn wirklich Kraft kosten würde, als er den Stein in zwei Teile brach. Anschließend zog er eine der scharfen Kanten über den Unterarm. Jake stürzte vor und wollte ihn daran hindern, doch mit Isaaks Geschwindigkeit konnte er nicht einmal ansatzweise mithalten. So schnell er konnte, griff er nach Isaaks Arm. Die malträtierte Stelle war makellos. Es war kein Schnitt zu sehen und auch kein Blut. Der Wächter indes betrachtete die Kante des Steins. Sie war abgerieben und stumpf. „Genau so, wie sie sein sollte“, murmelte Isaak leiste vor sich hin und sah auf. Wütend öffnete Jake den Mund und wollte gerade losschimpfen, als blitzschnell ein Finger in seinen Mund eindrang und sich die Fingerkuppe gegen seinen unteren linken Eckzahn drückte. Ebenso schnell zog sich der Finger zurück und Isaak starrte angestrengt auf dessen Spitze. „Was?“, begann Jake zu toben. „Warte“, wurde er unterbrochen. Dann drang ein Blutstropfen aus der Fingerkuppe des Wächters und er befahl: „Zeig mir deine Zähne.“ Wütend verengte Jake die Augen und knurrte. Dabei entblößte er zum Teil seine Zähne und Isaak beugte sich vor. Er starrte auf die Zähne und konnte es nicht fassen. „Deine Zähne sind verändert. Sie sind härter als sie sein sollten.“ Der Beta konnte nicht anders und tastete seine Zähne mit der Zunge ab. Alles war so wie immer, entschied er nach einer Weile. Isaak war aber noch nicht fertig und griff nach seiner Hand. Diese hielt er sich vors Gesicht und starrte auf Jakes Fingernägel. Ungehalten knurrte der Wolfsjunge erneut auf und entwand ihm seine Hand. „Auch deine Fingernägel haben eine andere Struktur“, berichtete Isaak und hielt ihm einen Arm hin. Dann sagte er: „Kratz mich.“ Nur zu gerne kam Jake dieser Aufforderung nach und bereute es sogleich. Seine Nägel hinterließen tiefe Furchen und abermals drang Blut hervor. „Tut mir leid, ich wollte nicht…“, stammelte er aufgelöst. „Interessant“, sagte der andere und untersuchte die Kratzer. Er hörte ihm gar nicht zu und sah wie die Wunden sich zusammenzogen und heilten. „Ich frage mich…“, begann Isaak und sah auf. Schneller als Jake reagieren konnte griff der andere nach der anderen Hälfte des zerbrochenen Steins und ritzte ihn am Arm. Entsetzt riss Jake seinen Arm zurück und sah auf die Stelle. Abermals konnte er nichts finden. Der Wächter hingegen sah die Kante des Steins an. Diese war stumpf und abgerieben, wie bei der zweiten Hälfte. „Unerwartet“, murmelte er nachdenklich und sah auf. So langsam verlor Jake echt die Geduld und sprang auf. Es war ihm aber erneut nicht vergönnt seinen Emotionen Ausdruck zu verleihen. „Warte, lass mich nachdenken, dann erkläre ich dir alles, versprochen“, versucht der andere ihn zu besänftigen. Jake schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. Isaak legte den Kopf leicht schief, dann nickte er und sagte: „Weder deine Zähne, noch deine Nägel, sollten in der Lage sein meine Haut zu durchdringen und doch tun sie es. Zudem haben diese und deine Haut fast dieselbe Oberflächenstruktur, wie bei mir. Ich fürchte durch die Blutbindung wurde deine Zellstruktur verändert und von meiner überschrieben. Aber, das ist nur eine Theorie. Erst der „wahre Blick“ und nun das. Das sollte so nicht sein. Ich muss unbedingt unsere Verbindung genauestens untersuchen. Es kann sein, dass du noch mehr meiner Fähigkeiten übernommen hast.“ Jake sah sich seine Nägel an. Außer dem Dreck darunter konnte er nichts Interessantes erkennen. Langsam sagte er: „Ich fühle mich nicht anders als zuvor.“ „Ja, das habe ich mir gedacht. Entschuldige bitte meinen Überfall“, sagte der Wächter und grinste schief. „Müsste ich mich nicht entschuldigen dich gebissen zu haben?“, fragte Jake irritiert. Isaak runzelte die Stirn und machte den Vorschlag: „Hm… unentschieden?“ „Einverstanden“, entfuhr es dem Beta erleichtert. Die ganze Situation hatte ihm nicht gefallen. Er wollte dem Rotblonden nur eine Lektion erteilen, nicht ihn verletzen. „Danke. Spring auf. Wir sind spät dran“, meinte Isaak fröhlich und ging vor ihm in die Hocke. Jake verdrehte die Augen und kam der Aufforderung nach. Sofort erhob sich der Träger und rannte weiter. Diesmal achtete er nicht auf die Umgebung und dachte ebenfalls nach. Er konnte Isaak verletzen, aber das schien ihn gar nicht zu stören. Ob er noch mehr Kräfte besaß? Die Geschwindigkeit und Kraft wären schon cool gewesen, genauso wie die schärferen Sinne. Dabei hatte er das alles bereits, durch seine Wolfskräfte. Als Wolf war er genauso schnell wie ein Vampir. Isaak war aber noch schneller. Er konnte als Wolf mühelos Steine zerbeißen. Konnte der Wächter das auch? „Ja, das kann ich, aber warum sollte ich das machen? Ich beiße einen Vampir doch nicht mit meinen kleinen Zähnen zu Tode. Da gibt es viel einfachere Methoden. Ihn zu enthaupten und den Flammen zu übergeben, beispielsweise“, gluckste der Wächter mental und erheitert über diesen Gedanken. „Dir ist es egal, dass ich dich nun verletzen kann?“ „Ja. Jake. Ich vertraue dir. Ich sehe das eher als ausgleichende Gerechtigkeit. Dennoch, bitte beiße mich nicht mehr ohne Vorwarnung. Jedenfalls nicht mehr so und vor allem nicht am Hals.“ „Warum?“, fragte Jake, bekam aber keine Antwort. Durch ihre Verbindung spürte er Scham und wusste, dass Isaak rot angelaufen war. Das weckte die Neugierde des Betas und dieser bettelte: „Komm schon. Sag es mir, bitte.“ „Es ist mir aber peinlich.“ Der andere wollte es nicht ausspucken und dessen Gedanken verrieten ihn auch nicht. Dann dachte er an Isaaks Wort auf der Lichtung und änderte den Wortlaut ein wenig: „Isaak, vor mir brauchst du dich weder zu verstellen noch zu verstecken. Sag einfach frei heraus was du denkst.“ „Das ist unfair, du hast meinen Satz für deine Zwecke missbraucht“, maulte der Wächter. „Komm schon. Sag es mir“, versuchte es Jake mit einem weiteren Betteln. „Nun gut. Ich bin empfindlich am Hals. Wenn DU mich dort so beißt erregt mich das. Zufrieden?“, offenbarte Isaak und betonte das Du, um ihm zu zeigen, dass er das nur so bei ihm verspürte. Jake war sich durchaus bewusst, wie viel Überwindungskraft es Isaak gekostet haben musste, ihm das anzuvertrauen. Der Wächter glaubte zu viel preisgegeben zu haben, und wurde noch röter im Gesicht. Er hoffte den Wolfsjungen mit seinem Geständnis nicht verschreckt zu haben. „Hast du nicht. Ich werde mir das aber merken. Nun da ich es weiß, werde ich dich so nicht mehr beißen, es sei denn ich möchte das. Ein Schritt nach dem anderen, okay? Ich kann mir immer noch nicht vorstellen mit dir zu schlafen. Ich brauche mehr Zeit, um meine Gefühle und meine Ansichten zu hinterfragen“, sagte Jake, und nun war er es, der knallrot wurde. „Wow, dass aus deinem Munde. Ich muss Bella wohl einen weiteren Gefallen erweisen. Muss ja ein unglaublich erhellendes Gespräch gewesen sein“, sagte der Wächter und lachte erleichtert auf. Dann fügte er ernst hinzu: „Du hast mir schon mehr gegeben, als ich erwartet habe. Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst. Tu mir nur einen Gefallen und spiel nicht mit mir. Das würde ich nicht verkraften.“ „Das tue ich nicht, versprochen“, erwiderte Jake. Sie waren kurz vor dem Haus der Blacks und Isaak wurde so langsam, dass der Wolfsjunge abspringen konnte. Nebeneinander setzten sie ihren Weg fort. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach und beachteten gleichzeitig, was der andere dachte. Ihre Vertrautheit hatte heute einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Jake war sich sicher, dass das nur an Bellas Worten lag. Ohne sie hätte er sich wohl nicht getraut so offen zu sein. Er sollte ihr einen Strauß Blumen pflücken, als Dank für ihr Eingreifen. Damit konnte er außerdem auch ihren Blutsauger reizen. Diese Idee war durchaus vielversprechend. Der andere hingegen dachte an die Veränderungen an Jakes Körper und wollte diesem Geheimnis auf den Grund gehen. Ohne nachzudenken folgte er dem Beta ins Haus und setzte sich einfach auf dessen Bett. Dann nahm er eine Meditationsposition ein und begann die Verbindung zwischen ihnen bis ins kleinste Detail zu untersuchen. Jake starrte den anderen irritiert an. Ein spitzer Kommentar lag ihm auf der Zunge. Einfach so in sein Zimmer zu kommen und sich dort breit zu machen, das ließ er nur Bella durchgehen. Er wusste aber über Isaaks Gedankenwelt Bescheid und, dass dieser keinerlei Absichten hatte ihm zu nahe zu treten. Er war schlichtweg rein mechanisch ihm gefolgt und nun mit den Gedanken tief in sich gekehrt. Aus diesem Grund schluckte er seine Worte hinunter und suchte sich etwas zum Anziehen. Ein Glück, dass er gewaschen hatte. Sein Zimmer war dementsprechend recht ordentlich. Auch wenn der Wächter auch genauso gut mitten im Wald sitzen könnte, so wenig wie er seine Umgebung, beachtete wäre es Jake peinlich gewesen, ihm seine normale Unordnung zu zeigen. An was er schon wieder dachte. Er schüttelte den Kopf und ging rasch zur Dusche, bevor Isaak seine glühenden Wangen sehen konnte. Ausgiebig wusch er sich den Schweiß und den Schmutz vom Körper. Als er dann die Kabine öffnete traf ihn fast der Schlag. Isaak saß direkt vor der Dusche und starrte ihn an. Der Kopf des anderen war genau in der Höhe seines Schritts. Jake entwich ein spitzer Aufschrei und er hatte Mühe nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dann holte er aus und wollte Isaak seine Faust schmecken lassen. Sein Gegenüber starrte einfach nur geradeaus und rührte sich keinen Millimeter. Nicht einmal ein leichtes Schmunzeln zeigte sich in dessen Mimik. Verdutzt hielt er seine Faust nur Zentimeter vor dem Gesicht des anderen an und griff nach dessen Geist. Isaak war noch immer in seiner Meditation vertieft und bekam nichts von dem mit, was um ihn herum geschah. Jake runzelte die Stirn und kehrte in die Realität zurück. Er sah zu dem Sitzenden hinunter. Dieser starrte immer noch unfokussiert geradeaus. Auch, wenn der Wächter nichts mitbekam, wollte er sich seinem Blick entziehen und griff rasch nach einem Badetuch. Dieses schwang er sich um die Hüften und stieg vorsichtig aus der Dusche und an dem anderen vorbei, ohne diesen zu berühren. Erleichtert ließ er den Rotblonden, wobei eine Fährte aus nassen Fußspuren seinen Weg zierte, hinter sich. Seine Nackenhaare stellten sich auf und er sah über die Schulter. Wie in Trance folgte Isaak ihm. Jake knurrte erbost, aber das zeigte keine Wirkung. Der starre Blick blieb unverändert. „Lass das gefälligst“, maulte Jake obwohl ihm bewusst war, dass seine Worte keinen Effekt haben würden. Schnell schloss er die Zimmertür in der Hoffnung, dies würde den Rotblonden aufhalten. Er trat einen Schritt zurück und die Tür öffnete sich. Isaak kam herein und stellte sich direkt vor ihn. Der folgt mir wie ein Hund seinem Herrchen, schoss es Jake durch den Kopf. Dann musste er fies grinsen und sagte: „Mach Sitz.“ Erstaunt sah er, wie Isaaks Körper sich auf den Boden setzte. „Der ist ja echt wie ein dressierter Hund“, brabbelte Jake und ihm kam eine Idee. Er befahl: „Bleib.“ Dann ging er an dem anderen Mann vorbei und zurück ins Bad. Mit einem Blick über die Schulter registrierte er, dass Isaak gehorchte und sich nicht rührte. Im Bad schnappte er sich seine Boxer und kehrte zurück. In seinem Zimmer warf er dem Mann seine Unterwäsche zu und sagte: „Fang.“ Sofort griff dessen Hand zu und schnappte nach dem Kleidungsstück. Mit einem fiesen Grinsen ging Jake auf alle Viere und stöberte unter seinem Bett. Er fand ein paar alte Socken und roch daran. Schnell hielt er sie weit von sich und verzog das Gesicht. Die Dinger brauchten keine Wäsche, sondern eine chemische Entsorgung. Er warf Isaak die Stinkbomben vor die Füße und befahl: „Nimm die Socken und steck sie dir in den Mund.“ Ohne mit der Wimper zu zucken kam der Körper des Wächters auch diesem Befehl nach. Es schüttelte Jake angeekelt, aber er war noch nicht fertig. Anschließend ließ er ihn sich seine alte Boxershorts über den Kopf ziehen. Zufrieden mit seinem Werk begutachtete er schadenfroh das sich ihm bietende Bild. Dass der Wächter nichts von alledem mitbekam interessierte ihn dabei nicht die Bohne. Fröhlich pfeifend wandte sich Jake ab und griff nach dem Handtuch um seine Hüften. Dann hielt er kurz inne. „Dreh dich um und schließ die Augen“, befahl er. Nur um auf Nummer Sicher zu gehen. Dann zog er das Handtuch weg, trocknete sich rasch ab und zog sich an. Als er dann vorzeigbar war, und sich zur Feier des Tages sogar ein wenig Deo gegönnt hatte, setzte er sich auf sein Bett und sah zu dem Wächter hinunter. Dieser hatte sich keinen Millimeter mehr bewegt. Jake grinste fies und drang in den Kopf des anderen ein. Isaak war noch immer mit seiner Untersuchung beschäftigt und nahm seine Anwesenheit kaum zur Kenntnis. „Bin fertig“, flötete Jake mental. „Ich auch“, bekam er als Antwort. „Ich habe alles mehrmals überprüft. Bei der Bindung, und durch dein Zutun, hat sich meine These bewahrheitet. Deine Zähne, Fingernägel und Haut haben sich den meinen angepasst. Zudem hast du den „wahren Blick“ erhalten. All das entsprach deinem Wunsch es wenigstens zu versuchen. Magie ist manchmal sehr seltsam. Aber, weder deine Sinne, deine Kraft, noch deine Geschwindigkeit oder deine Knochenstruktur haben sich geändert. Die Frage ist nur, wie sich das auf dich als Wolf auswirkt. Das muss ich untersuchen, wenn du dich wieder verwandeln kannst. Zudem ist die Bindung wirklich stärker als ich sie beabsichtigt habe. Du scheinst mir außerdem auch etwas gegeben zu haben. Ich glaube, aber das ist wieder nur eine Theorie, ich kann mich nun auch in einen Wolf verwandeln. Nicht, dass ich das mit meiner Magie nicht schon vorher gekonnt hätte, aber nun bin ich mit dem Quell der Magie der Quileute verbunden, genau wie du. Das ist mir bisher nicht aufgefallen. Ob ich zum Wolf werden kann, ohne meine Magie zu benutzen, sollten wir mal bei Gelegenheit ausprobieren. Da werde ich aber deine Hilfe benötigen. Ich habe keine Ahnung wie ich diese Verwandlung einleiten soll.“ Das hatte Jake nicht erwartet und er fragte erstaunt: „Du kannst mit deiner Magie zum Wolf werden?“ Isaak schmunzelte und offenbarte: „Ja, Magie ist sehr vielschichtig. Ich kann nahezu jede Form und Gestalt annehmen. Die Verwandlung aufrechtzuhalten kostet aber viel Kraft und daher nutze ich diese Fähigkeit sehr selten. Einmal wollte ich, in einem Anflug von Übermut, als Vogel über den Atlantik fliegen. Es war ein Desaster. Nach weniger als einem Viertel der Strecke ist mir die Magie ausgegangen und ich bin ins Meer gestürzt. Ich trieb tagelang vollkommen entkräftet umher. Dann kam ein Kreuzfahrtschiff vorbei und ich kletterte an Bord. Ich habe für einiges Aufsehen gesorgt. Bis zum Ende der Fahrt hatte ich mich aber weitestgehend erholt und allen an Bord das Gedächtnis gelöscht. Im Hafen dann, musste ich leider feststellen, dass die Polizei bereits auf mich wartete. Das Bordpersonal hatte mich zuvor bereits angekündigt. Was für ein Schlamassel. Ich habe fast einen Monat gebraucht alle zu finden, die davon Wind bekommen haben. Ihnen die Erinnerungen an mich zu nehmen und alle Unterlagen verschwinden zu lassen inbegriffen. Das war mir eine Lektion. Seitdem bevorzuge ich es andere Wege zu gehen.“ Er schwelgte einen Augenblick in der Vergangenheit und sagte dann: „Wie dem auch sei, wir sollten langsam los.“ Schnell schüttelte Jake den Kopf und zog sich zurück. Er wollte nichts von dem Spektakel verpassen. In der Realität rührte sich Isaak und schlug kurz um sich. Ein dumpfes Brabbeln sagt dem Beta, dass der andere soeben entdeckt hatte, dass ihm etwas im Mund steckte. Da konnte der Wolfsjunge nicht anders und brach in schallendes Gelächter aus. Vorsichtig zog sich Isaak die getragenen Boxershorts vom Kopf und begutachtete diese skeptisch. Dann spuckte er die Socken aus und verzog angeekelt das Gesicht. „Alter Jake, die schmecken ja widerlich.“ „Das ist die Rache für das Pflanzenzeugs“, prustete der Beta und hielt sich lachend den Bauch. „Dazu dieser Geruch. Was hast du mit diesen Socken angestellt?“ „Rache für dein Kommentar über meinen Geruch.“ Entgeistert schüttelte sich Isaak und streckte die Zunge raus. „Echt mal, das ist ja abartig.“ Das half Jake nicht gerade sich zu beruhigen. Zweifelnd sah der Wächter auf die Boxershorts und fragte. „Und was soll die da über meinem Kopf?“ „Rache für deine Aktion im Bad“, presste Jake hervor und schnappte zwischenzeitlich immer mal wieder nach Luft. „Das verstehe ich nicht“, gab Isaak zu und sah den anderen irritiert an. Dann wurde er sich seiner Position bewusst und sprang auf. „Warum sitze ich eigentlich auf dem Boden? Was hast du noch alles mit meinem Körper angestellt?“, fuhr er Jake scharf an. Der sah ein, dass es reichte. Er wollte Isaak nur etwas ärgern, ihn aber nicht wütend machen. Jake zwang sich dazu, sich etwas zu beruhigen und erklärte: „Nichts weiter, ich schwöre. Nur die Socken und die Boxer.“ Auf diese Worte fragte Isaak scharf nach: „Und wie komme ich auf den Boden?“ „Nun ja“, begann Jake und wurde ernst. „Du bist mir, wie in Trance, ins Bad gefolgt. Ich hatte fast einen Herzstillstand als ich aus der Dusche steigen wollte und du vor mir gesessen hast. Du hast mir in den Schritt gestarrt. Da wollte ich dir eine reinhauen,“ gestand Jake und machte die dazu passende Bewegung. „Dann habe ich aber bemerkt, dass dein Blick leer ist und du offenbar gar nichts mitbekommst. Du bist mir dann in mein Zimmer gefolgt und da habe ich festgestellt, dass du alles tust was ich dir sage.“ Jake deutete auf die Socken und die Boxer und grinste fies. „Ich verstehe“, meinte Isaak und ließ traurig die Schultern hängen. „Hey. Das war nur ein Spaß. Ich habe dir nichts angetan“, sagte Jake schnell und ihn überkam ein schlechtes Gewissen. Von unten heraus wurde er wachsam angesehen. Dann seufzte der Wächter. „Daran werde ich mich wohl erst gewöhnen müssen.“ Mit einem schiefen Grinsen verriet er: „Normalerweise, bin ich es der andere veräppelt, nicht umgekehrt. Solange du aber nicht zu weit gehst, lasse ich dir das durchgehen.“ „Oh, wie gnädig“, frotzelte Jake und grinste frech. Das Isaak ihm diesen Streich nicht allzu übel nahm erleichterte ihn ungemein. „Du kennst doch das Sprichwort, wer andern eine Grube gräbt…“ „Braucht ein Grubengrabgerät“, beendete der Rotblonde den Satz. Beide grinsten und mussten lachen. Nachdem sich Jake wieder beruhigt hatte fragte er möglichst beiläufig: „Warum ist dein Körper mir eigentlich gefolgt?“ Isaak wurde auch wieder ernst und mutmaßte: „Ich glaube, das liegt an unserer Verbindung. Mein Körper kann sich auch ohne mein Zutun bewegen. Das ist eine Schutzfunktion. So wie du habe auch ich das Bedürfnis bei dir sein zu wollen. Mein Körper denkt nicht, sondern handelt einfach. Also folgt er dir und beugt sich deinem Willen.“ Das Gesicht des Wächters verfinsterte sich und er stammelte: „Ich bin dir absolut hörig in diesem Zustand.“ Vor seinem inneren Auge blitzte das Bild seines Vaters auf. Damals konnte er ich auch nicht wehren. Er begann zu zittern und Angst durchflutete die Verbindung. Schnell sprang Jake auf und schlang die Arme um Isaak. „Ich schwöre, ich würde dir nie so etwas antun.“ Er fuhr ihm beruhigend über den Rücken und merkte, wie dieser sich langsam entspannte. „Ich will dir glauben. Daher werde ich meinem Körper keinen Bann auferlegen. Aber, treibe es nicht zu weit. Ich mag stark und mächtig sein, in manchen Dingen bin ich allerdings sehr verletzlich.“ Während Isaak sprach wurde er immer leiser. Seine letzten Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. Dann ließ der Wächter sich fallen, erwiderte die Umarmung und genoss die Nähe. Nach einer Weile fragte Isaak kleinlaut: „Du hast nicht zufällig eine Zahnbürste für mich?“ Reumütig sagte Jake: „Nein.“ Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er dem Wächter übel mitgespielt hatte. Es sollte nur ein Streich sein. Er hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, wie hilflos und verletzlich sich Isaak fühlen musste. Von sich aus hätte er nie danach gedacht seine Kontrolle auf diese Art und Weise zu missbrauchen. Er konnte es aber verstehen und auch, wovor sich Isaak fürchtete. Nach den spärlichen Bildern aus dessen Vergangenheit war dies mehr als nur normal. Langsam sagte Jake: „Wenn du das willst kannst du meine benutzen. Es ist die blaue.“ „Danke“, flüsterte Isaak und sie gaben einander frei. In der Tür stehend sagte er noch schnell: „Mach dir nicht so viele Gedanken. Ich bin so etwas nur nicht gewohnt. Gib mir ein wenig Zeit mich zu erholen. Dann bin ich wieder der Alte.“ Damit war der Wächter auch schon verschwunden. Doch Jake konnte nicht anders: Er machte sich Gedanken. Das sollte doch nur ein Scherz werden und dann so was. Mit einem Seufzen ließ er sich auf sein Bett fallen, legte sich auf den Rücken und sah mit hinter dem Kopf verschränkten Armen zur Decke. Auch Isaak dachte nach. Keiner der beiden verschloss sich vor ihrer Verbindung, aber sie versuchten auch nicht aktiv auf die Gedanken des jeweils anderen zu hören. Nachdem Isaak die benutzte Zahnbürste gesäubert und wieder weggelegt hatte, ging er zu Jake zurück und blieb in der Tür stehen. „Komm, wir müssen los. Ein Streit mit den Ältesten wird mich auf andere Gedanken bringen.“ Jake sah auf und nickte ergeben. Dann aber fiel sein Blick auf Isaaks blanken Oberkörper und er verdrehte die Augen. So konnte er ihn doch nicht vor den Rat erscheinen lassen. Schnell sprang der Wolfsjunge auf und kramte in seinem Schrank. Er fand ein passables Muskelshirt und warf es ihm zu. Ohne ein Kommentar, zog er es sich über den Kopf, und beide setzten sich in Bewegung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)