Vor langer Zeit.. von Orophin ================================================================================ Kapitel 1: Spinner's End ------------------------ Vor langer Zeit... Kapitel 1 Spinner's End     „Diese dusselige Kuh! Es wird ihr noch leid tun!" Der abgesetzte Rand ihrer gelben Gummistiefel kickte einen großen Haufen Schotter vor ihr her. Und auch wenn Mommy wieder schimpfen würde, dass sie ihre neuen Sachen doch ein wenig pfleglicher behandeln sollte, würde sie ihr gar nicht zuhören. Nicht nur das! Sie würde sich die Ohren zu halten! All das war nur Petunias Schuld. Wütend vergrub sie die Spitze ihres Stiefels wieder im Schotter vor dem Spielplatztor und trat eine recht effektvolle Menge Steine in Richtung der Schaukeln.   „Ich bin kein Freak!" Sie schrie so laut, dass sie selbst darüber erschrak. Und sie hatte auch das Weihnachtsfest nicht mit ihren Geschichten über Hogwarts versaut. Oma und Opa hatten sich doch darüber gefreut. Sie konnten gar nicht genug von den Erlebnissen ihrer jüngsten Enkelin im ersten Halbjahr in der neuen Schule hören. Nur leider hatte sie ihnen keine Zauber zeigen dürfen. Severus hatte zwar immer gesagt, dass sie vor den Zauberern im Ministerium keine Angst haben müsse, wenn sie versehentlich doch mal zaubern sollte... aber wenn dennoch ein Dementor kommen würde? Dann sollte er Petunia mitnehmen! Sobald sie diesen Gedanken in ihrem Kopf verbalisiert hatte, tat es der jungen Hexe auch schon wieder Leid. Natürlich sollte der Dementor Petunia nicht mitnehmen... aber trotzdem würde sie selbst nicht mehr zurück nach Hause gehen. Zumindest vorerst nicht! Bis auch ihr das wirklich Leid tun würde.   Trotzig schnaufend setzte der Rotschopf seinen Weg fort. Zielstrebig führten sie ihre Füße in Richtung des riesigen Industrieschornsteins, den sie auch von einem ihrer Zimmerfenster aus in der Ferne entdecken konnte. Manchmal stellte sie sich vor, dass diese ganze Gegend wesentlich freundlicher wäre, wenn es kein Schornstein sondern ein Leuchtturm wäre - auch wenn der Fluss dafür ein wenig zu klein war und die Schiffe das Wasser wahrscheinlich noch dreckiger machen würden. In ihren eiligen Schritten hielt das junge Mädchen inne, um ein umher segelndes Fish-and-Chips-Papier im hohen Gras aufstiegen zu sehen, ehe der Wind das Papier die Böschung hinunter riss um dann schlussendlich auf der schwarzen Wasseroberfläche des Flusses zu landen und dort langsam zu versinken. Sie krallte ihre behandschuhten Finger in den Gitterzaun und zog sich gegen diesen, damit sie die Verpackung noch einen Moment beobachten konnte, bevor es vollständig vom dunklen Nass verschluckt worden war. Über diesen Anblick hatte sie einen Moment ihre doofe Schwester vergessen, stellte das junge Mädchen grimmig fest und setzte ihren Weg mit stampfenden Schritten fort. Die dünnen Sohlen ihrer Gummistiefel eigneten sich jedoch nicht dafür, auf den alten Pflastersteinen herumzutrampeln und nach nur wenigen Schritten taten Lily beide Füße weh. Das war jedoch sofort wieder vergessen, als sie in die nächste Straße huschte. Erschrocken stellte sie fest, dass die Fenster bei der alten Dame, die direkt neben Severus wohnte, mit Brettern zugenagelt waren. Die Fenster zu Severus Haus hingegen waren so stumpf und blind wie sonst auch immer.   Im Wohnzimmer unten schien ein schwaches Licht durch die gelblichen Vorhänge und auch aus Severus Zimmer, ein Stockwerk darüber, drang ein mildes Leuchten. Manchmal beneidete die junge Hexe den Slytherin darum, dass er seine Etage nicht mit einem weiteren Geschwisterteil zu teilen brauchte. Den Gedanken verwarf sie dann jedoch immer recht schnell. Für keine Schokofroschkarten der Welt würde sie ihren Daddy gegen Severus Vater tauschen wollen. Als sie ihre Kapuze, ihrer gleichsam gelben Regenjacke, ein Stück zurück schob, um besser zu Severus Zimmerfenster hinauf schauen zu können, tropfte ihr der feine Nieselregen in die Augen und benetzte das rote, lockige Haar, dass sie zur Feier des Tages mit einer Schleife im Nacken zusammen gebunden hatte.   „Severus...?", rief sie unsicher und viel zu leise in die Höhe. Manchmal, das hatte Severus ihr ganz im Vertrauen erzählt, musste er schon ganz früh im Bett sein, wenn sein Vater wütend auf ihn war. Siedend heiß schoss es Lily durch den Kopf, dass Severus sie gar nicht hören könnte, wenn er an diesem frühen Abend tatsächlich schon schlief. Sie machte sich daran ein paar kleine Steine aus dem wilden Vorgarten der netten alten Nachbarin von Severus zu sammeln. Ganz besonders gefiel ihr der rötliche Stein, der neben einer der hochgewachsenen, doch mittlerweile vertrockneten Disteln gelegen hatte. Lily musste kräftig schmunzeln bei dem Gedanken, dass sie im letzten Jahr Severus so eine stachlige Distelfrucht in die Haare gesteckt hatte. Er hatte ganz schön ziehen müssen um sie wieder heraus zu bekommen. Anders als Petunia war Severus jedoch nie lange sauer auf sie.   Mit einer Hand voll kleiner Steine bewaffnet lief die junge Hexe zurück an das Haus der Familie Snape und warf das rötliche Steinchen zuerst. Leider traf sie damit nur das Fensterbrett. Sie überlegte den Stein zu suchen und es nochmals zu versuchen. Da sie aber noch einen weiteren, recht hübschen gelben Stein in der Hand hielt, nahm sie diesen und warf. Dieses Mal hatte sie Glück und das Fenster gab ein leises „Plop" von sich. Der Erfolg stimmte sie euphorisch und veranlasste sie den nächsten Stein gleich hinterher zu schmeißen. Als nur Augenblicke später das Fenster nach Innen aufgezogen wurde und der so sehnlichst erwartete schwarze Haarschopf ihres Freundes aus dem Fenster lugte, konnte Lily ihr Glück kaum fassen und sie quietschte begeistert auf. Severus war da!   „Lily?", fragte dieser gedämpft in den immer dunkler werdenden Abend hinein. „Kannst du mich rein lassen? Mir ist kalt.", gab die junge Hexe lauthals kund und rieb sich, wie zum Beweis, dass sie in ihrer gepunkteten Regenjacke langsam fror, mit den Händen über beide Unterarme. „Sei aber leise." Mit dieser Antwort schob der Slytherin das Fenster wieder zu. Zufrieden ließ Lily die restlichen Steine aus ihrer Hand auf den Boden fallen. In ihrer Brust wurde ihr ganz warm und die Vorfreude, den restlichen Abend mit Severus zu verbringen, zauberte ein Lächeln in ihr Gesicht. Wer brauchte schon diesen Waldschrat Petunia? Als der hagere Slytherin endlich die Haustüre aufzog, hatte die Hexe die Stufen davor schon erklommen und stand nun, vor Freude strahlend auf dem Podest, die Arme weit ausgestreckt um ihren Freund in eine Umarmung zu ziehen. Dieser wirkte, gekleidet in ein einfaches schwarzes T-Shirt das ihm weit bis fast zu den Knien fiel, ein paar dicke, grobe Wollsocken mit zwei unterschiedlichen Mustern und einer blauen Schlafanzughose, die ihm nicht ganz bis zu den Knöcheln reichte, recht verdutzt. Die Umarmung nahm er, wie immer, eher stoisch hin.   Bevor Lily jedoch ein Wort der Begrüßung an ihren Freund richten konnte, legte dieser seine Hand auf ihren Mund und mahnte sie, mit einem gezischten „Pssss" und einem seiner dünnen Finger, den er sich an die Lippen legte, still zu sein. Verstehend nickte das Mädchen. Sogleich wurde sie von Severus am Arm in das Haus gezogen.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)