Götterdämmerung von Skadi91 ================================================================================ Kapitel 1: Fremd ---------------- Die Wellen reflektierten die zarten Sonnenstrahlen, die zaghaft durch den Nebel drangen. Die See war um diese Jahreszeit unruhig, doch hinter den hohen Felsen, welche die harte Wucht der anrollenden Wellen brachen, wurde es still. Dumpfes Rauschen. Kalte Gischt. Der Schrei einer Möwe. Nach Seetang riechende Luft, die einen Hauch von Eis mit sich trug. Das dumpfe Rauschen wurde lauter, kam näher. Hände griffen nach ihr, umklammerten sie fest und sie spürte den eisigen Wind, der an ihrem nassen Körper rüttelte. Sie hörte einen schnellen Herzschlag und fühlte sich in dem festen Griff geborgen. Geborgenheit. Etwas, das sie seit langer Zeit nicht mehr gespürt hatte. Sie blinzelte und sah den rauen Ozean in den Augen, die sie anblickten. Wieder ein Herzschlag. Stille. Stimmen summten in ihrem Kopf und etwas wurde über einen hölzernen Boden in ihre Nähe gezogen. Sie spürte die Vibration, als der Gegenstand gegen ihre Lagerstätte rumste. Eine Tür quietschte in den Angeln und es wurde hell in dem Raum, in dem sie sich befand. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie bereits seit einiger Zeit durch halbgeöffnete Augen den Raum betrachtete. Die Ausrichtung der Balken an der Decke ließen auf eine runde Bauweise schließen. Eine Hütte? Reet lag auf den schweren Balken und ein Schornstein ragte durch das Gebälk. Es roch nach Feuer. Jemand musste den Kamin geschürt haben und es blubberte in einem schwarzen, gusseisernen Kessel über der Kochstelle. Sie spürte etwas Warmes und Weiches auf ihrer Brust liegen. Die Stimmen wurden lauter und sie schrak hoch, so dass ihr die schwere Wolldecke in den Schoß fiel. Gesichter mit roten Nasen blickten sie an, ihre Münder bewegten sich, doch sie konnte die Worte nicht klar zusammenfassen. „Sie ist endlich aufgewacht. Ein Wunder, dass sie nicht an den Felsen zerschellt ist.“ Ein dicker Junge mit blonden, strubbeligen Haaren unter einem winzigen Helm, trat näher an sie heran. „Kannst du mich verstehen? Hicks, sieh nur! Ihre Handgelenke!“ Langsam griff er nach ihrer Hand. Sie zuckte zurück, ihr Atem ging schneller. Das behagliche Gefühl, dass sie vor einigen Augenblicken noch hatte, war verschwunden. Panik machte sich in ihr breit. Was war geschehen? Wer waren diese Leute? Ihre Gedanken kreisten wie wild und blieben dennoch ein zusammenhangloses Chaos. Die dunkle Tiefe der See. Der frostige Wind. Rauschen. Die Sonnenstrahlen. Die Augen. Sie blickte in die gleichen Augen, die zu den Händen gehören mussten, welche sie aus dem Meer gezogen hatten. Der Junge hockte auf dem Schemel neben ihrem Bett und sah sie schweigend an. Ein anderer fuchtelte mit einer Hand vor ihrem Gesicht herum. „Hallo, hallo, wer bist du?“ Wer bin ich? „Wie heißt du?“ In diesem Moment wusste sie nicht, welchen Namen sie trug, oder ob sie überhaupt jemals einen hatte. „Rotzbakke, jetzt hör auf damit. Du siehst doch, dass sie noch nicht ganz beisammen ist!“, mahnte ein großer, hagerer Junge mit braunen, wuscheligen Haaren. „Genau. Sie muss jetzt erstmal zu sich kommen. Astrid hat sich dazu bereit erklärt, ihr saubere Kleidung zu bringen. Sie lässt für das Mädchen gerade zusammen mit Sturmpfeil ein warmes Bad ein.“, sagte der dickliche Junge und reichte ihr einen dampfenden Krug. Der Geruch des Gebräus war ihr fremd, aber die Wärme die es versprühte war ihr sehr willkommen. Zögerlich griff das Mädchen danach. „Du musst ja ein Eisklotz sein. Bald gefriert das Meer wieder an manchen Stellen.“ Die Tür quietschte erneut und ein blondes Mädchen stand in der Tür. „Was ein Glück, dass sie wieder aufgewacht ist. Um ehrlich zu sein, hatte ich kurzzeitig Zweifel daran. Aber Taffnuss hat sich ja rührend um sie gekümmert!“, schmunzelte sie und sah mit einem amüsierten Blick zu dem Jungen auf dem Schemel. „Das Wasser war doch überhaupt nicht tief und bei dem furchtbaren Gejaule wäre auch jemand tatsächlich Totes noch einmal lebendig geworden!“, lachte der schwarzhaarige Junge, der zuvor noch vor ihrem Gesicht herumgefuchtelt hatte, spöttisch. „Mach dich bloß nicht lustig über ihn. Dieses Lied hat unsere Mama früher für uns gesungen, wenn wir krank waren!“ Ein extrem dürres Mädchen mit blonden Zöpfen trat neben ihn und hatte die Fäuste in die Hüfte gestemmt. Sie sah dem Jungen auf dem Schemel sehr ähnlich. Allerdings hatte dieser seine langen Haare zu vielen filzigen Strähnen gebunden, die mit einigen Perlen verziert waren. Er machte eine Grimasse in Richtung des Schwarzhaarigen mit dem Widderhelm, dann saß er weiterhin nur da und schaute auf das Mädchen, das er aus dem Wasser gezogen hatte. Ein Räuspern. „Ich würde sagen, die Jungs gehen jetzt besser mal und lassen uns mit ihr alleine. Sie muss sich aufwärmen und mal das Seegras aus den Haaren loswerden. Außerdem wird sie sich bestimmt auch mal etwas anziehen wollen!“ Das Mädchen, das zuvor noch in der Tür stand, scheuchte die anderen aus der Hütte. Dabei fiel ihr auf, dass der braunhaarige, große Junge eine Prothese am linken Bein trug. „Hab keine Angst! Du bist hier sicher. Wir wollen dir helfen!“, sagte sie in sanftem Ton zu dem Mädchen, das immer noch verängstigt in der hintersten Ecke ihres Schlafplatzes kauerte. „Ich bin Astrid.“ Sie lächelte und reichte ihr die Hand. Langsam griff das Mädchen, das immer noch den halben Ozean im Haar hatte, ihre Hand und stand auf. Der hölzerne Boden fühlte sich fest unter ihren nackten Füßen an. Jetzt erst bemerkte sie, was Astrid mit „etwas anziehen“ meinte. Sie trug ein schmutziges, immer noch feuchtes Leinengewand, das bis zu den Knien zerrissen war. Bei dem Blick an ihren Beinen entlang, sah sie auch die roten Striemen an ihren Fußgelenken. Bei jedem Schritt schmerzten die Stellen, aber die Aussicht auf ein warmes Bad, ließen sie vorwärts gehen. Astrid führte sie an den Händen, da das Mädchen sehr wackelig auf den Beinen war. Auch an ihren Handgelenken sah sie die Striemen. Sie waren etwas tiefer, als die an ihren Füßen. Wieder keimte in ihr bei diesem Anblick Panik auf. Was war nur passiert? Fesseln? Doch die warmen Hände von Astrid und ihr aufmunterndes Kopfnicken ließen die Panik wieder abflauen. Die Blonde legte ihr die Wolldecke über die Schultern und langsam liefen sie zu einer Hütte, die direkt neben der ersten stand. Diese Hütte war größer und auf dem Dachfirst thronte die blaue Skulptur eines, ihr unbekannten Wesens. Es waren nur wenige Meter, doch fröstelte es Astrid und auch ihre Gesichter röteten sich. Winter lag in der Luft. Die Sonne stand niedrig und dennoch blendete sie das unbekannte Mädchen, so dass es sich eine Hand über die Augen halten musste. Blumiger Dampf strömte ihnen beim Betreten der Hütte entgegen. In einem großen Zuber war heißes Badewasser eingelassen, auf dem sich rosiger Schaum türmte. Für einen kurzen Augenblick huschte ihr ein Gedanke in den Sinn, wie es Astrid wohl geschafft haben mag, diesen großen, vollen Badezuber von der Feuerstelle in ihre Hütte zu bringen. Eimerweise konnte sie das heiße Wasser nicht rangeschafft haben, denn das wäre bei den frostigen Temperaturen sofort ausgekühlt. Aber sie wurde von den vielen Waffen, hauptsächlich Äxte, an den Wänden abgelenkt. Ein richtiges Waffenarsenal. Dagegen wirkte der wohlige Badezuber mit seinen rosigen Schaumtürmchen und den hellen Handtüchern, die neben einem vergoldeten Spiegel lagen, einfach fehl am Platz. „Brauchst du Hilfe?“ Astrid deutete auf die wunden Füße, unsicher, ob es das Mädchen alleine in den hohen Badezuber schaffen würde. Doch es schüttelte den Kopf. „Ich habe dir ein paar Kleidungsstücke bereitgelegt. Nimm dir, was dir gefällt.“ Astrid nickte noch einmal aufmunternd und lies sie dann allein. Das Mädchen ging langsam auf ihr Spiegelbild zu. Trotz der prunkvollen Goldumrahmung, strahlte ihr Gegenüber nicht einmal ansatzweise etwas Würdevolles aus. Ein Häufchen Elend. Der Anblick passte, denn so fühlte sie sich auch. Eingefallene Wangen, dünne Ärmchen und Beinchen. Ein leerer Blick, der sich langsam mit Tränen füllte. Hätte sie sich mit einem Wort beschreiben müssen, es wäre „Grau“ gewesen. Vielleicht lag es auch nur an dem Halbdunkel der Hütte, oder an ihrem schmutzigen, zerfetzten Leinengewand, aber Grau beschrieb tatsächlich alles an ihr. Ihre Haut war, bis auf die blutig roten Striemen an ihren Gelenken, grau. Wie die Haut einer Wasserleiche. Ihr Gesicht hatte keine Farbe und auch ihre Haare, die ihr in hüftlangen, zerzausten Strähnen wild über die Schultern und den Hals fielen, hatten tatsächlich unter dem Schmutz einen silbrig weißen Ansatz. Sie war noch jung, vermutlich nicht älter als Astrid, dennoch sah sie uralt aus. Als läge die Last einer alten, gebrochenen Frau auf ihrem Herzen. Sogar ihre Augen hatten einen Grauton. Die tiefen Augenringe darunter, untermalten ihren traurigen Gesichtsausdruck nur. Sie hatte schöngeschwungene Lippen und eine hübsche, kleine Nase in ihrem herzförmigen Gesicht, aber das konnte an dem trostlosen Gesamtzustand auch nichts mehr ändern. Ihre Lippen zitterten, als sie sich zusammenreißen musste, nicht loszuheulen und gegen den Spiegel zu schlagen. Womöglich hätte sie dafür noch nicht einmal mehr die Kraft gehabt. Sie streifte sich das feuchte Gewand von ihren knochigen Schultern und es fiel wie ein alter Lumpen auf den Boden. An ihrer Flanke und den Oberschenkeln zeigten sich Schürfwunden. Als sie sich drehte, um das ganze Ausmaß der Verletzung im Spiegel sehen zu können, zuckte sie zusammen. Stechende Schmerzen. Eine Schnittwunde. Sie musste noch recht frisch sein. Die etwa handgroße Wunde zwischen ihren Schulterblättern bestand aus einem senkrechten Strich mit einer liegenden Mondsichel und einem größeren Gegenstück mit geraden Kanten. In der Mitte des Gebildes befand sich eine Art Auge. Ein beklemmendes Gefühl stieg in ihr bei diesem Anblick auf. WAS WAR PASSIERT? Um ihr rasendes Herz und ihre wirren Gedanken zu beruhigen, stieg sie in das wohlduftende, warme Bad und tauchte vollständig unter. Sie hörte nur noch das dumpfe Pochen ihres Blutes in den Ohren. Das Meer. Sie wurde immer ruhiger und das Gedankenkarussell drehte sich immer langsamer. Dann stand es still. Mit einem tiefen Luftzug tauchte sie wieder zwischen den Schaumkronen auf und sagte seit ihrer Ankunft ihr erstes Wort: „Aska!“ Astrid kehrte in ihre Hütte zurück, um nach dem unbekannten Mädchen zu sehen. Es stand vor dem Spiegel und kämmte sich das lange Haar. Es war silbrigweiß und fiel in glänzenden Locken bis zur Hüfte. Im Spiegelbild konnte Astrid einen leicht rosigen Schimmer auf den Wangen des Mädchens erkennen. Das Bad musste ihr wieder Leben eingehaucht haben. In der Kleidung wirkte sie mit ihren dünnen Gliedmaßen recht schlaksig. Sie hatte sich für die dunkelgraue Hose, schwarze, warme Fellstiefel und einen langen weichen, dunkelgrünen Pullover mit Kapuze entschieden. Über ihre dünnen Finger hatte sie Stulpen gezogen, die ihre verwundeten Handgelenke bedeckten. Um ihre Hüfte trug sie einen schwarzen, schmalen Gürtel. Astrid war etwas größer als sie und hatte auch eine muskulösere und kräftigere Statur, welche auf regelmäßige Trainingseinheiten schließen ließ. Das Mädchen erblickte Astrid im Spiegel und drehte sich zu ihr um. In ihren grauen Augen zeigte sich immer noch Traurigkeit und etwas Furcht, aber dennoch konnte man den Funken neuerweckten Lebensmutes deutlich erkennen. „Ich danke dir für all das!“ Die Stimme des Mädchens war leise und etwas rau, dennoch wohlklingend. Astrid winkte lächelnd ab. „Komm. Die anderen warten bereits mit dem Essen auf dich.“ Essen! Der stechende Schmerz in ihrer Magengegend wies sie darauf hin, dass sie bereits seit mehreren Tagen nichts mehr gegessen haben musste. Sie traten aus der Hütte. Wieder verdeckte das Mädchen seine Augen mit der Hand. „Du bist wohl sehr lichtempfindlich!“, stellte Astrid fragend fest. Das Mädchen zuckte nur mit den Schultern und zog sich die Kapuze in die Stirn, so dass ihre langen Locken vorne über die Schultern hingen. Sie folgten einem kurzen, breiten Weg an einer Klippe entlang. Das Meer peitschte die Wellen gegen die Felsen vor der Bucht. Weiße Gischt spritzte auf. Ein Seil war von der oberen, bis zur untersten Klippe gespannt. Eine Seilrutsche. Trotz der zarten Sonnenstrahlen, tobte der Wind draußen auf hoher See. Von der Klippe aus, konnte man weit sehen. Einzelne hohe Felsen ragten aus der See und am Horizont endete das Meer mit einer sanften Krümmung unter dem, sich verdunkelnden Himmel. Es musste bereits früher Abend sein, denn die Sonne berührte im Westen beinahe den Meeresrand. Vier weitere Hütten standen rings um einen großen Platz, auf dem eine Art Katapult stand. Hoch oben auf dem ungespannten Arm des Katapults saß ein Vogel. Er hatte ein eigenartig. rundes Gesicht, große Augen und schien keine Federn zu tragen. Das Mädchen runzelte die Stirn, wurde von Astrid jedoch abgelenkt. „Wir sind da. Das ist die Hütte von Hicks. Fischbein hat Yakkoteletts zubereitet.“ Die Anderen saßen in einer halbdunklen Halle an einem großen, hölzernen Tisch. Diese Hütte war die größte, die sie in diesem winzigen Dorf sehen konnte. Die Hütte glich viel mehr einem richtigen Haus. Starke Eichenpfeiler stützen das Dach. Im Kamin loderte ein Feuer. Der aromatische Duft von würzigem Fleisch drang in ihre Nase. Der Junge mit den schwarzen Haaren und ihr Retter schienen sich zu streiten und das dürre Mädchen mit den Zöpfen mischte ordentlich mit. „Ich hätte das viel eleganter gelöst. Wir Jorgensons sind dafür bekannt, Heldentaten zu vollbringen.“, ätzte der kleinere der Jungs. „Pah, sieh dir doch Hühnchen an. Sie gedeiht prächtig. Und das nur durch meine führsorgliche Pflege. Wenn hier einer sich kümmern kann, dann wohl ich. Sieh nur das glänzende Gefieder.“ Der Blonde drückte dem Kleinen ein dickes Huhn ins Gesicht, worauf dieser angewidert zurückwich. „Ja, deine Wildschweine hast du auch spitzenmäßig gepflegt … und dann aufgefressen!“, merkte das dürre Mädchen an, was seine Zwillingsschwester sein musste, so ähnlich wie sie sich sahen. Das Huhn gab ein ersticktes „Gag“ von sich und schien für ein Federvieh sehr entrüstet. „Vielen Dank, dass du mir in den Rücken fällst!“, zischte ihr Bruder in ihre Richtung. „Was? Du hast die Schweine doch gepflegt, oder nicht?“ Achselzuckend drehte sie sich zur Tür. Der kleine Schwarzhaarige mit den geschwungenen Widderhörnern am Helm verstummte abrupt mit seinem höhnischen Gelächter. Alle starrten stumm zu den beiden weiblichen Schemen, die sich vor dem Hintergrund der untergehenden Sonne abzeichneten. Der hagere Junge stand auf und ging auf die beiden Mädchen zu. „Geht es dir besser?“ Das weißhaarige Mädchen nickte und blickte ihm dabei in seine grünen Augen. Er hatte ein markantes Kinn mit einer feinen Narbe. Seine braunen Haare standen zottelig in alle Richtungen. Er hatte einen sehr gütigen Blick und ein freundliches Lächeln auf seinen schmalen Lippen. Seine sanfte Stimme gab ihr ein gutes Gefühl. „Ich bin Hicks. Willkommen auf der Drachenklippe und fühl dich als Gast. Das sind übrigens Rotzbakke, Raffnuss und Taffnuss.“ Mit einem Kopfnicken deutete der große Junge auf die drei Streithälse. „Astrid hast du ja bereits kennen gelernt.“ Astrid lächelte und schob das Mädchen sanft Richtung Tisch. „Ich bin Fischbein und für heute Abend Ihr Koch, werte Dame.“ Der freundliche Dicke reichte ihr eine Schale. Es roch fantastisch und als hätte sie noch nie in ihrem Leben etwas gegessen, machte sich das unbekannte Mädchen über die Koteletts her. „Wow, du musst ja echt am Verhungern sein!“, stellte Hicks fest. Etwas beschämt zügelte das Mädchen das Tempo und nahm einen großen Schluck Met aus dem, ihr von Fischbein gereichten Horn. Die Anderen fingen nun auch an zu essen und sie mit Fragen zu löchern. „So, jetzt noch einmal. Wer bist du?“, fragte der Schwarzhaarige fordernd. Dabei zeigte er mit einem abgenagten Knochen auf das schweigsam kauende Mädchen. Sie hielt inne und starrte auf die übrigen Erbsen auf ihrem Teller. „Ja, wo kommst du her? Was machst du so den ganzen Tag, wenn du nicht gerade im Meer rumtreibst? Und was ist deine Lieblingsfarbe? Meine ist Rot. Blutrot um genauer zu sein.“, mampfte das Zwillingsmädchen mit vollem Mund und rammte bei der Nennung ihrer Lieblingsfarbe ein Messer in die Tischplatte. „Leute, Leute. Macht mal halblang.“ Hicks hob beschwichtigend die Hände und schüttelte seinen wuscheligen Kopf. „Hast du noch Schmerzen?“, fragte der Hüne und deutete dabei auf ihre Hände. Das war die einzige Frage, auf die das Mädchen eine Antwort wusste. „Ja, ein wenig.“, sagte sie leise und blickte dabei weiterhin auf ihren Teller. Sie fühlte sich sichtlich unwohl. Wer war sie? So sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte keine Antwort darauf finden. Was tat sie den ganzen Tag? Bis vor wenigen Stunden wusste sie noch nicht einmal, dass sie im Meer gewesen war. Sie konnte sich nicht daran erinnern. Geschweige denn, einen Reim darauf bilden, warum sie überhaupt dort war, woher sie kam und woher diese Fesselstriemen an ihren Gelenken stammten. Und das eingeritzte Symbol auf ihrem Rücken. Das Alles hatte sicherlich nichts Gutes zu bedeuten. Wieder keimte in ihr die Verzweiflung auf und Tränen traten in ihre Augen. „Ich weiß es nicht!“, flüsterte sie und schüttelte ihren Kopf. Die weißen Locken wippten dabei auf und ab. Tränen rannen über ihre eingefallenen Wangen. „Ich kann mich an nichts mehr erinnern!“ Ihre Stimme zitterte. „Hey, ganz ruhig. Du hast sicherlich einen Schock erlitten. Du musst erstmal zu Kräften kommen, dann kommt bestimmt auch die Erinnerung wieder.“, sagte Astrid, die neben ihr saß und legte eine Hand sanft auf ihre zitternde Schulter. Mit tränenverschleierten, müden Augen blickte sie in das Feuer im Kamin. Kleine Funken stoben in die Luft und es knisterte behaglich. „Ich weiß bloß meinen Namen.“, flüsterte das Mädchen. Erwartungsvoll hob Hicks den Kopf und sah ihr dabei in die grauen Augen. „Aska! Mein Name ist Aska!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)