Rivals' Reunion von MizunaStardust ================================================================================ Kapitel 17: Bande ----------------- XVII: Bande Hold on What's the rush, what's the rush? We're not done, are we? 'Cause I don't need to change this Atmosphere we've made If you can stay one more hour Can you stay one more hour? Hold on, I will be here When it's all done, you know 'Cause what's the point in chasing If I can't enjoy your face and We can't be wrong tonight? Can we be wrong tonight? You know I'm gonna find a way To let you have your way with me You know I'm gonna find the time To catch your hand and make you stay. (SafetySuit) Mokuba Kaiba im Interview Part II Hi. Ich bin‘s wieder. Naja, ihr habt noch nicht allzu viel Action von mir gesehen, seit wir hier sind, befürchte ich. Ich weiß auch nicht. Ich bin eigentlich kein langweiliger Typ. Aber … es ist komisch in den letzten Tagen. Am Anfang dachte ich, ich bringe diese Sache hier so schnell es geht hinter mich. Ja, ich geb‘s ganz ehrlich zu: Mir war diese Woche hier ein Dorn im Auge. Eine Woche, in der für mein komplettes Leben die Pausetaste gedrückt wurde. Ich hatte richtig ein wenig Panik. Eine Woche nicht arbeiten, keine Vorlesungen, keine Freizeitaktivitäten. Alles, woran ich denken konnte, war: Ich habe so viel Arbeit auf dem Schreibtisch, ich habe so viele Kurse, die ich nachholen muss, so viele Prüfungen, für die ich lernen muss. Und ich muss auch privat weiterkommen: Ich verpasse diese oder jene Party, ich muss eine Freundin finden. Und so weiter. Ihr wisst schon. Ich bin nur noch so mitgeschwommen und hab mir nie mal die Zeit genommen, meine Prioritäten neu zu setzen. Zu überlegen, was MIR eigentlich davon wichtig ist und was nicht. Aber jetzt, wo ich zwei Tage hier bin, wirkt das alles plötzlich so weit entfernt. Ich hab einen ganz anderen Blickwinkel. Ich hab richtig gemerkt, wie eine riesige Anspannung von mir abfällt. Ich bin so viel ruhiger geworden, es ist unglaublich entschleunigend. Und was mir die ganze Zeit über so unheimlich wichtig und dringend vorkam, erscheint mir jetzt total lächerlich. Ich meine: Was ist schon eine einzige Woche? Wie viele Wochen hab ich hiervor schon sinnlos vergeudet? Warum sollte ich mir dann diese Zeit nicht auch mal nehmen, um mich einfach mit mir zu beschäftigen. Einfach mal abzuschalten. Es fühlt sich grade an, als würde mein Körper und mein Kopf innerlich heilen. Und sich erholen von alldem, was ich mir so zugemutet hab in der letzten Zeit. Gestern war ich sogar richtig erschöpft. Sowas hab ich vorher nie gekannt. Ich verstehe langsam echt, was alle immer mit diesem Hamsterrad meinen, in dem man sich befindet. Und mit Hashtag Achtsamkeit und dem ganzen Scheiß. Und ich bin erst 20. Vielleicht mache ich das mal öfter. Einfach mal rauskommen, wegfahren. Mir fallen jetzt hundert Dinge ein, die ich gerne machen würde und die ich nicht machen konnte, weil ich so auf alles fixiert war, von dem ich dachte, dass es wichtig ist. Wir haben ein ganzes Leben Zeit. Aber manchmal ist dieses ganze Leben schneller vorbei als man denkt, wenn man nicht nach links und nach rechts schaut. Und wenn man nicht ein bisschen auf sich achtet. Also …. Ja. Das habe ich in den letzten Tagen getrieben: Ich habe einfach nachgedacht, abgeschaltet. Sinnloses Zeug gemacht. Tatsächlich sind mir sogar einige neue Ideen für die Firma dabei gekommen. Die muss ich Seto unbedingt mal unterbreiten. Aber das hat Zeit bis nächste Woche. Ich hab eh den Eindruck, mein großer Bruder ist gerade gedanklich mit anderen Dingen beschäftigt. Ich dachte mir: Vielleicht sollte ich generell mehr mit Seto reden, vielleicht sollten wir mal was zusammen machen. Bowlen gehen, Billard spielen, in ne Kneipe gehen …? Wir hatten nie so ein freundschaftliches Verhältnis, wo man über Sachen redet, ihr wisst schon. Über Freundschaft und Beziehungskram und so. Er war immer mehr wie ein Elternteil für mich. Vielleicht ist es mal an der Zeit, das zu ändern. Also, Leute, ich kann euch nur empfehlen: Nehmt euch Zeit, auch wenn ihr sie nicht habt. Und wenn es nur ein, zwei Tage sind. Denkt mal an euch. Mir hats jedenfalls geholfen. ~*~ Yami hatte das Gefühl, dass sie gerade noch rechtzeitig die Lichtung hinter sich gelassen hatten. Etwas sehr Dunkles, sehr Hasserfülltes schien sich hinter ihnen aufzubäumen. Offenbar hatte Miko nicht damit gerechnet, dass sie so unvermittelt ihre Meinung ändern und die Flucht ergreifen würden. Das schien seinen Zorn nur weiter zu entfachen. „Jetzt sollten wir wirklich einen Zahn zulegen, wenn wir nicht doch in die Offensive gehen wollen“, rief Bakura ihnen zu, während er besorgt über die Schulter schaute. Yami musste sich konzentrieren, um sich gegen den Schmerz des blassen Jungen abzuschirmen, der zu Bildern in seinem Kopf werden wollte. Er erahnte ihren Weg mehr als er ihn sah, während sie zwischen den Bäumen entlanghechteten. Er lauschte auf Setos und Bakuras Atem neben sich, um sicherzugehen, dass sie nicht zurückgeblieben waren. Plötzlich stieß er mit seinem Fuß gegen eine Wurzel und für eine Sekunde setzte sein Herz aus. Er versuchte, sein Gleichgewicht zu halten, aber es gelang ihm nicht und er stürzte zu Boden. „Verdammt“, stieß er aus und Panik wallte in ihm auf. Das Adrenalin in seinen Adern veranlasste ihn, sich sofort wieder aufzurappeln, doch bei der ersten Belastung schoss ein heftiger Schmerz wie eine Nadel durch seinen Knöchel und für einen Augenblick tanzten Sterne vor seinen Augen. Er keuchte. „Was ist passiert? Alles in Ordnung?“, Bakura war als Erster bei ihm und packte ihn am Oberarm. „Ich glaube, ich hab‘ mir den Knöchel verstaucht oder so“, sagte Yami. Wut und Scham darüber, dass ausgerechnet ihm das zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt passieren musste, stieg ihm heiß in den Kopf. „Kannst du laufen?“, zögerte Bakura nicht lange. Yami sah ihn an und schüttelte wortlos den Kopf. In Bakuras Gesicht zeichnete sich Sorge ab, aber auch eine Entschlossenheit, die seine Züge hart scheinen ließ. Eine Dunkelheit kroch nun über den moosigen Waldboden und tastete sich von der Lichtung her an sie heran. Sie kroch Yamis Bein hinauf wie giftige Sporen und paralysierte ihn mindestens ebenso sehr wie der Schmerz in seinem Knöchel. Die fast flüssige Schwärze berührte auch Bakura, der neben Yami kniete und sich daraufhin schmerzvoll zusammenkrümmte. „Du! Priester! komm her!“, bellte er angestrengt zu Seto hinüber, „Du stützt ihn. Ich verlass‘ mich auf dich. Überlasst den Rest mir. Na los, beeilt euch.“ „Aber du …“, wollte Yami protestieren. „Ich bin gleich hinter euch, na los jetzt!“, ließ Bakura ihn nicht zu Wort kommen. „Yami, komm schon, wir müssen hier weg“, redete auch Seto auf ihn ein. „Ok, aber du musst versprechen, dass du wieder zu uns zurückkommst“, sagte Yami dringlich an Bakura gewandt. Bakura blickte ihm fest in die Augen. Dann nickte er. „So wie immer. Jetzt mach schon!“ Yami stemmte sich an Setos Schulter nach oben. Dann setzten sie ihren Weg fort. Bakura war unmittelbar hinter ihnen. Doch plötzlich blieb er zurück, während Seto Yami weiterzog und dieser die Luft anhielt und die Zähne zusammenbiss. Das alles kam ihm vor wie ein böser Traum, nach dem man erwachte und sich fühlte, als sei man die ganze Nacht in eine Verfolgungsjagd verwickelt gewesen. Obwohl sie sich nicht sicher waren, vor was sie davonliefen, zweifelten sie alle drei nicht daran, dass die Bedrohung erschreckend real war. Aus dem Augenwinkel nahm Yami wahr, wie Bakura nun fast vollständig von der finsteren Präsenz umhüllt war. Er stieß einen Schrei aus und ein gleißendes Licht stach plötzlich durch die Dunkelheit. Als Bakura wenige Minuten später wieder zu ihnen aufschloss, war die dunkle Masse ein wenig zurückgewichen und auch in den Nebel um sie herum schien was auch immer Bakura bewirkt hatte ein großes Loch gefressen zu haben. Der Milleniumsring um Bakuras Hals, den Yami zuvor gar nicht bemerkt hatte, glomm noch immer schwach. Für die nächsten Minuten lauschte Yami nur auf seinen eigenen Atem und dem der beiden anderen. Er war entsetzlich müde, aber er wusste, er durfte nicht darüber nachdenken, nicht nachlassen. Bakura schien zu wissen, wohin er sie führte. Endlich, Yami kam es so unwirklich vor wie diese wilde Flucht selbst, erschienen die Umrisse der Villa in ihrem Blickfeld. Er war versucht, Erleichterung von sich Besitz ergreifen zu lassen, wäre ihm nicht so bewusst gewesen, dass ihr unsichtbarer Verfolger in diesem scheinbaren Rückzugsort fast ebenso mächtig war wie im Zentrum des Waldes. Erschöpft erreichten sie die Eingangstür und Seto half Yami die Treppe hinauf. Drinnen angekommen schloss Bakura die Tür hinter ihnen und Seto lockerte den Griff um Yamis Taille erst, als dieser die Eingangshalle durchquert und sich auf dem Treppenabsatz zu den oberen Stockwerken niedergelassen hatte. Yami sackte in sich zusammen, aber die Anspannung fiel nicht von ihm ab. Bakura stand noch einige Sekunden da und presste seine Hand gegen die Rückseite der großen, schweren Eichentür. Dann kam er zu ihnen herüber. Er kniete sich neben Yami. Dieser sprach die Frage aus, die ihm momentan mehr als alle anderen auf der Zunge brannte: „Bakura … sind wir hier denn sicher?“ Bakuras Gesicht verdunkelte sich und er wich Yamis Blick aus. „Tja, wenn ich dir das sagen könnte, Pharao. Wenn ich tippen müsste, dann würde ich sagen, für heute Nacht haben wir erst mal nichts mehr zu befürchten, aber wer weiß das schon. Trotzdem: Mach dir keine Sorgen. In jedem Fall werde ich wach bleiben. Du solltest dich ausruhen und wieder auf die Beine kommen.“ Yami wollte protestieren, aber Bakura hob die Hand. „Hey, Langer“, sagte er an Seto gewandt, „sorg dafür, dass er in sein Zimmer kommt und sich schont.“ Seto grummelte ein wenig, aber nickte schließlich. Dann erhob sich Bakura und wollte die Treppe nach oben nehmen, aber Yami hielt ihn im Gehen am Handgelenk fest. Wieder überkam ihn dieses warme Gefühl. Dankbarkeit und Vertrauen. Die Berührung löste eine verschüttete Erinnerung aus, die nur als Emotionen ihren Weg an die Oberfläche fand. Bakura sah ihn an, in seinem Blick lag nun etwas Weiches und fast Neugieriges. „Danke, Bakura. Dass du uns da rausgeholt hast. Du … bist unschlagbar.“ Er hörte sich die Worte sagen und verstand es selbst nicht ganz, aber es fühlte sich richtig an. Bakura sah zu Boden. „Red‘ keinen Blödsinn. Ich hatte gar keine Wahl und ich habe es auch nicht für dich getan, damit wir uns da verstehen!“, sagte er schroff, aber in seinen Worten klang wenig ernstgemeinter Ärger mit. „Trotzdem danke“, sagte Yami sanft. Dann ließ er Bakura los, „und gute Nacht.“ * Als er verschwunden war, war es still in der großen Halle. Yami starrte versunken auf das Eingangstor, noch immer in der vagen Erwartung, es könne sich wie von unsichtbarer Hand öffnen. Etwas berührte leicht seine Hand. Die Berührung war überraschend und doch seltsam vertraut und holte Yami wieder ins Hier und Jetzt zurück. „Alles in Ordnung?“, fragte Seto etwas hilflos. „Ja, ich schätze schon. Zumindest soweit das momentan möglich ist“, erwiderte er mit einem schwachen Lächeln, „Und bei dir?“ „Abgesehen davon, dass ich höchstbeunruhigt bin UND außerdem für einen Abend oft genug ‚Hohepriester‘ genannt wurde, ja, ich denke schon“, gab Seto zu. „Tut mir leid, dass ich dich da mitreingezogen hab. Ich hätte es besser wissen sollen. Ich hab nicht nachgedacht“, Yami schlug die Augen nieder. „Ach … vergiss es. Du hattest ja keine bösen Absichten. Es war ehrenhaft von dir, Bakura suchen zu wollen.“ Sie sahen sich an. Yami hatte das Gefühl, alles, was in den letzten Tagen und Stunden zwischen ihnen gestanden hatte, war in diesem Moment wie weggewischt. In Setos Blick lag Besorgnis und Unsicherheit, aber auch Sehnsucht und Offenheit. Yami wollte diesen schwachen Moment nicht schamlos ausnutzen, aber er sehnte sich nach Nähe und er spürte, dass Seto ihn nicht zurückweisen würde. Er schaltete seinen Verstand aus und schlang seine Arme um Setos Hals. Für einen Moment fürchtete er, dieser könne ihn abweisen, aber dann legten sich auch Setos Arme um ihn. Erst jetzt spürte Yami, wie ausgekühlt sein ganzer Körper war. Die Wärme der Umarmung jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Seto strich Yami sanft über den Rücken und Yami legte seinen Kopf auf dessen Schulter ab. So saßen sie einfach so da und waren völlig beieinander, ganz still und unbeweglich. Sie dachten nicht und sprachen nicht und die letzten acht Jahre verschwanden irgendwo zwischen der Nähe und den Berührungen, die sie teilten. Yami vergaß für diesen Augenblick, wer er war und was ihn von Seto fortgetrieben hatte. Dieses Gefühl schien so richtig, so unumstößlich und in Stein gemeißelt. Und vielleicht war es ein jahrtausendealtes Band, das ihn sich so fühlen ließ, und vielleicht nur die Hitze, die aus diesem eisigen Moment oder der übermächtigen Bedrohung heraus geboren war, die ihnen in den Knochen saß. Für sie beide spielte es keine Rolle. Irgendwann hatte Yami aufgehört zu frieren, auch wenn seine Hände noch immer eiskalt waren. Auch ihren dunklen Verfolger hatte er ein wenig vergessen. Er löste sich von Seto. Ihre Gesichter waren sich unendlich nahe. Yami hauchte einen Kuss auf Setos Lippen. Als er in Setos Augen sah, wusste er, er hatte seine Schutzschilde durchbrochen. „Yami … ich hatte heute große Angst um dich“, Setos Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Yami griff nach seiner Hand und umschloss sie mit einer eigenen, „und ich denke, ich könnte es nicht ertragen, wenn du nicht mehr in meinem Leben wärst. Auch wenn wir in den letzten Jahren nicht sonderlich viel Kontakt hatten, war es immer beruhigend, von dir zu hören oder zu lesen. Aber … die letzten Tage haben mir gezeigt, dass es schöner ist, dich hier neben mir zu haben.“ Und während Yami sich noch fragte, warum mit Seto alles so viel einfacher war, obwohl die Voraussetzungen dafür, dass sie sich auf diese begegneten, denkbar kompliziert waren, zog Seto ihn enger an sich und in einen langen Kuss, der so viel Spannung und Erlösung, so viel Verlangen und Sehnsucht, aber auch Neugierde und Zurückhaltung in sich vereinte. Yami war sich vage darüber bewusst, dass Kameras jede Regung von ihnen aufzeichneten und dass Millionen Zuschauer gebannt jede ihrer Handlungen beobachteten, aber die Geschehnisse des Abends ließen all das so unbedeutend erscheinen. Was zählte war hier bei ihnen, nicht weit weg. Und zum ersten Mal seit langer Zeit war es ihnen beiden egal, was in den Köpfen derjenigen vorging, die ihnen zusahen. Als sie sich voneinander lösten, musterte Seto Yami erneut eindringlich. „Hast du starke Schmerzen?“, fragte er und holte Yami wieder in die Realität. Dieser konzentrierte sich auf seinen linken Knöchel. Seit er sich hingesetzt hatte, war das schneidende Stechen zu einem dumpfen Pochen abgeklungen. „Es geht schon. Ich hoffe, ein wenig Schlaf und ein, zwei Tage Schonen wird es wieder richten“, sagte er. Als Seto ihm die Treppe nach oben half, bemerkte Yami erst, wie müde und benommen er war. „Dann bis morgen“, murmelte er nur noch mit einem matten Lächeln in Setos Richtung, bevor er in die Stille seines Zimmers abtauchte und die Wärme seines Bettes begrüßte. Mit einer unruhigen Mischung aus Grauen, Freude, Hoffnung und Gewissensbissen übermannte ihn schließlich der Schlaf. * Ryou saß mit einem Mal kerzengerade in seinem Bett. Sein Blick flog zu dem kleinen Sekretär schräg gegenüber von seinem Bett, auf dem er sein ägyptisches Artefakt, den Milleniumsring, abgelegt hatte. Im Grunde wusste er selbst nicht so genau, warum er den Gegenstand stets mit sich führte. Womöglich war es der Wunsch nach Kontrolle. Solange er nichts weiter war als ein gewöhnliches Schmuckstück, hatte er die Gewissheit, dass er über den Dingen stand, dass keine fremde Macht ihn beherrschte. In diesem Moment hatte sich dies schlagartig geändert. Denn der Ring glomm bläulich-golden in der Dunkelheit und eine pulsierende Energie schien von ihm auszugehen. Ryou schälte sich aus dem Bett und näherte sich behutsam dem Tisch – doch in diesem Moment löste sich der Milleniumsgegenstand in Luft auf und verschwand. Ryou starrte finster auf die Stelle, wo er noch eben gelegen hatte. Es bestand kein Zweifel, wer hierfür verantwortlich war, und er machte sich innerlich auf das Schlimmste gefasst. Er war nun hellwach und wusste, er würde so schnell nicht wieder friedlich einschlafen können. Eine Weile lang saß er auf einem großen Ohrensessel, der in seinem Zimmer stand, und grübelte nach. Doch plötzlich hörte er vom Erdgeschoss her ein dumpfes Knallen und Boden und Wände erzitterten leicht. Jemand musste die Eingangstür geschlossen haben. Ryou konnte sich nicht recht entscheiden, ob er müde oder aufgekratzt war. Von einer Unruhe gepackt stand er auf. Als er die Tür zu seinem Zimmer öffnete, erstarrte er – denn er blickte direkt in Bakuras Gesicht. Seine Augen weiteten sich, aber Bakura winkte nur müde ab. „Entspann dich, ich wollte dir nur das hier zurückbringen“, sagte er und hielt Ryou den Milleniumsring hin, der nun wieder wie ein lebloses Artefakt anmutete. „Warum behältst du ihn nicht einfach gleich?“, gab Ryou etwas ruppiger als beabsichtigt zurück, „ich wollte das Ding ohnehin nie haben.“ Bakura lächelte matt. „Er ist zu dir gekommen und du bist sein neuer Träger. Aber wir müssen auch keine große Sache draus machen. Wenn er dir so lästig ist, dann verwahre ich ihn so lange für dich.“ „So lange bis was?“, fragte Ryou ehrlich neugierig. „So lange wie ich noch hier bin“, sagte Bakura leise. „Und wie lange wird das sein?“ „Das … kommt darauf an, was es hier noch für mich zu tun gibt, schätze ich“, Bakura zuckte mit den Schultern. Ryou musterte ihn skeptisch. Er schien die Antwort darauf selbst nicht recht zu kennen. In diesem Moment erschien der Geist des Ringes Ryou sehr verloren und müde, erschöpft. „Aber WARUM bist du eigentlich noch hier?“, fragte Ryou sachlich. Er musste es jetzt einfach wissen. Musste sich Klarheit darüber verschaffen, welche Rolle der Geist für ihn selbst in der Zukunft vorgesehen hatte, auf was er sich gefasst machen musste. Bakura seufzte. Dann grinste er Ryou hämisch an. „Du fragst einem ja Löcher in den Bauch, Engelsgesicht. Du brauchst dir nicht den Kopf über Dinge zu zerbrechen, von denen du nichts verstehst. Ich kann dir nur eins sagen: Ich halte dich aus allem raus, du hast nichts zu befürchten. Ich denke, ich hab deine Lebenszeit schon genug strapaziert.“ „Warum hast du mich dann überhaupt aufgesucht?“, fragte Ryou, während er seine Unterarme auf der Brüstung des Treppengeländers abstützte und sich darüber lehnte. Er sog die Atmosphäre des alten Gebäudes ein und ließ dessen das kaleidoskopartige Farbenspiel, die Farben der gemusterten Teppiche, Bilder und Wandbehänge auf sich wirken. Es zog ihn hinein in seine psychedelische Faszination jenseits von Zeit. Auf der untersten Stufe saßen Seto Kaiba und Yami und schienen offenbar in einem zweisamen Moment erstarrt. Sie fügten sich erstaunlich gut in das Standbild ein, das sich Ryou bot, und doch wirkten sie wie Fremdkörper im inneren dieses atmenden Stückes Architektur. Plötzlich nahm er wahr, wie Bakura es ihm gleichtat und neben ihm an der Brüstung auftauchte. Nachdenklich blickte auch er auf die beiden Gestalten unter ihnen, die sich kaum bewegten und nur leise miteinander zu sprechen schienen, und eine Regung trat in die Augen des Ringgeistes, die Ryou nicht deuten konnte. „Ich war neugierig. Ich wollte sehen, was du nach allem, was passiert ist, so treibst.“ Er machte eine lange Pause und Ryou war sich nicht sicher, ob und was er ihm antworten sollte, ob er ihm glauben konnte. Während er noch nach Worten rang, fuhr Bakura jedoch fort, „und ich schätze, ich sollte mich … naja … entschuldigen. Für die Unannehmlichkeiten.“ Ryou konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. „Die ‚Unannehmlichkeiten?‘“, fragte er amüsiert. „Ja, du weißt schon“, sagte Bakura etwas ungeduldig und sichtlich angefressen, „dass ich mir deinen Körper ausgeborgt hab und so. Ich weiß, dass das keine Entschuldigung ist, aber ich fühle mich trotzdem besser, wenn ich dir sage, dass das nicht wirklich ich war. Nicht ausschließlich.“ Ryou, der Bakura eben noch eingehend gemustert hatte wie ein abstraktes Gemälde, in dessen Formen er keinerlei Sinn erkennen konnte, sah nun wieder nach unten. „Ich muss gestehen, mir fällt es schwer, das zu begreifen“, gab er dann zu. Bakura wirkte anders, das konnte er nicht bestreiten. Die innere Unruhe und die immense, übermenschliche Triebkraft, die Ryou stets in ihm gespürt und die ihn selbst kaum hatte atmen lassen, schien sich verflüchtigt zu haben. Der Geist ruhte mehr in sich, aber schien auch bitterer und zielloser als vor acht Jahren. „Vielleicht ist das auch zu viel verlangt. Du musst es auch nicht auf der Stelle verstehen. Aber es wäre dennoch nicht verkehrt, wenn du mit der Zeit dahinterkommst“, sagte Bakura und fast war es mehr eine Frage oder eine zaghafte Bitte als eine Feststellung. Schließlich stieß Bakura sich von der Brüstung ab und schlenderte ein Stück in Richtung seines Zimmers. „Also; es ist schon früh am Morgen. Du solltest dir noch ein paar Stündchen Schlaf gönnen. Ach ja, und noch was“, Ryou wandte sich um und sah Bakura an. In seinen Blick hatte sich nun etwas Ernstes, Besorgtes gelegt und sein Gesicht verfinsterte sich, „pass auf dich auf. Hier kann hinter jeder Ecke etwas Unvorhergesehenes lauern. Also, sei wachsam, Partner.“ Ryous Gesicht würde nun ebenfalls ernst und er spannte sich ein wenig an. Was sollten nun wieder diese kryptischen Andeutungen, die Bakura nur allzu gut zu beherrschen schien? Er wusste nicht, was er entgegnen sollte, deshalb sagte er lediglich: „Ich denke nicht, dass wir Partner sind.“ Bakura grinste schief. „Wir waren es zumindest – auch wenn es für dich unfreiwillig war.“ „Aber das warst nicht wirklich du und du hast gesagt, deine Geschäfte heute brauchen mich nicht zu kümmern, also …“ Bakura lachte laut auf. „Kleinkariert wie eh und je. Naja, wenn wir all das nicht sind, dann zumindest Partner im Look. Partnerlook, nennt man das denn nicht so?“ Offenbar amüsierte ihn sein eigener Scherz und er lachte rau auf. Als der Geist des Ringes fort war, stand Ryou noch eine Zeit lang da und grübelte, zu aufgewühlt, um wieder einzuschlafen. Sicher hatte Bakura Recht, sie waren Partner gewesen, sie waren sich näher gewesen, als es ihm lieb war. Nun war all das verschwunden. Er wusste nicht mehr, was der Geist des Ringes dachte, fühlte oder nach was es ihm verlangte. Früher hatte er ihm seine Emotionen und Bedürfnisse förmlich aufgezwungen. Sie hatten zusammengewirkt, zusammen funktioniert. Aber hieß das denn, sie waren Partner auf Lebenszeit? Oder war diese Verbindung endgültig Geschichte? Konnte er Bakura einfach linksliegen und seiner Wege ziehen lassen? Und er umgekehrt Ryou? Sein Kopf pochte, als er diesen Gedankenfaden verfolgte. Yami und Seto hatten sich mittlerweile erhoben und waren im Begriff, die Treppe zu erklimmen. Das riss ihn aus seinen Grübeleien und auch Ryou suchte eilends den Weg zurück in sein Zimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)