The good part von lunalinn (EraserMight) ================================================================================ Kapitel 5: Presence ------------------- Es war eine dieser Nächte, in denen er wach lag, weil sich seine Gedanken weigerten, ihn zur Ruhe kommen zu lassen. Zu viel ging ihm durch den Kopf...die Ausbildung der Schüler, allen voran Midoriya, der sein Nachfolger war. Also hatte er seine Notizen mit ins Bett genommen und diese im Schein der Nachttischlampe solange durchgekaut, bis seine Lider schwerer wurden. Ein neuer Versuch, Schlaf zu finden, scheiterte letztendlich genauso. Unterbrochen von Gedanken an All For One und das, was er über Shigaraki…nein, Shimura Tenko gesagt hatte. Obwohl er für sich die Entscheidung getroffen hatte, ihn als Schurken zu sehen, wusste er nicht, ob er dies wirklich in die Tat umsetzen konnte. Es hätte Nana das Herz gebrochen, zu wissen, dass ihr Enkel solch einen Weg eingeschlagen hatte…dass er unter ihrem Mörder zu einer Bedrohung geworden war. Dieses Thema kam häufig in ihm hoch, auch wenn er mit niemandem darüber sprach. Nicht, seitdem er mit Tsukauchi und Gran Torino beschlossen hatte, was zu tun war…nicht seit dem Gespräch mit All For One in Tartarus. Die Entscheidung war gefallen…nur konnte er sich nicht damit abfinden. Ob er die Situation in seinem Kopf Revue passieren ließ oder sein Zwiespalt in Albträumen wiederkehrte – er konnte dem nicht entkommen. Jedenfalls nicht dauerhaft. Einige, wenige Male hatte er überlegt, sich Aizawa mitzuteilen, es im Endeffekt aber wieder verworfen. Er wollte ihre seltenen Treffen, bei denen sie ausnahmsweise etwas Freizeit teilten, nicht mit so etwas belasten. Schließlich war er nervös genug, wann immer sie sich näher kamen…und er wollte Aizawa zeigen, dass er an sich arbeitete. Dass er sich bemühte, seine zahlreichen Befürchtungen und Selbstzweifel abzustellen, die angeblich nicht nötig waren. Dennoch war er die letzte Woche gespannt wie eine Bogensehne gewesen, wann immer sich Bakugou in seiner Sichtweite aufgehalten hatte. Allerdings war der Junge gewohnt mürrisch gewesen, hatte nicht erkennen lassen, ob er nun etwas in die unangenehme Situation hineininterpretiert hatte oder nicht. Aizawa hatte gemeint, sie sollten es damit auf sich beruhen lassen und so war es vermutlich auch am besten. Bakugous Blick war schließlich immer stechend, seine Worte scharf und von einer gewissen Aggression geprägt. Er drehte sich auf die Seite, die nicht von einer riesigen Narbe gezeichnet war, und schaute zu den leuchtend roten Ziffern der Digitaluhr. 01:13. Das würde er morgen beim Unterrichten bereuen, weswegen er erneut alles auszublenden versuchte. Schlaf war wichtig. Tief atmete er durch, schloss die Augen dann wieder und fiel nach einer Weile endlich in einen einigermaßen ruhigen Schlaf… …zumindest, bis ihn ein leises Geräusch, das er nicht direkt zuordnen konnte, aus diesem riss. Er blinzelte in die Dunkelheit, sah verschwommen die Zahlen der Uhr. 03:07. Das orientierungslose Gefühl wandelte sich schnell in Alarmbereitschaft um, schließlich waren seine Instinkte nicht plötzlich verschwunden, nur weil er One For All nicht mehr in sich trug. Er blieb still, während er auf weitere, verdächtige Geräusche horchte. Da war es wieder. Eine Art Schlurfen. Ein leises Klappern. Jemand war hier. In seiner Wohnung, die sich auf dem Gelände der U.A. befand. Seitdem Nezu seine Bedenken geäußert hatte, dass jemand aus ihren Reihen ein Verräter sein könnte, lebten mittlerweile auch die Lehrkräfte in den Gebäudekomplexen der Schule. Aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen konnten Fremde von außen eigentlich nicht eindringen…und es wäre leichtsinnig für einen Schurken, dort einzubrechen, wo sich einige der bekanntesten Pro-Heroes aufhielten. Oder…befand sich der unbekannte Verräter in seiner Wohnung? Eigentlich wollte er weder Schülern, noch Kollegen misstrauen, aber Nezu hatte Recht; es musste irgendwo ein Leck geben. So geräuschlos wie er konnte, schlug er die Decke zurück und erhob sich, wobei die Matratze seines Kingsize Bettes nicht mal knarzte. Nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass seine Betten in seinen besten Zeiten über 250 Kilogramm hatten aushalten müssen. Der Laminatboden unter seinen nackten Füßen fühlte sich kalt an, als er im Dunkeln durch sein Schlafzimmer schlich, die angelehnte Tür öffnete und auf den Flur trat. Ein leises Klappern sagte ihm, dass sich der Einbrecher in der Küche aufhalten musste…war er hier, um Informationen zu sammeln? Unterschätzte man ihn, nun, da er zurückgetreten war? Seines hageren Aussehens wegen? Er mochte keine Bärenstärke mehr besitzen, aber vollkommen wehrlos war er nicht. Technik und Reflexe waren nach wie vor vorhanden, er würde sich eine Weile behaupten können, es dem Fremden nicht leicht machen. Tief atmete er durch, sammelte sich, ehe er langsam Richtung Küche ging, aus welcher er ein erbostes Zischen vernahm. Yagi spannte sich an, drückte sich an den Türrahmen und…warf einen Blick hinein, nur um beinahe einen Schwall Blut zu spucken. Der Einbrecher saß an seinem Esstisch, wobei er ein Bein angewinkelt hatte und dieses auf der Sitzfläche des Stuhls abstützte. Der Erste-Hilfe-Koffer lag auf dem Tisch, zur Hälfte ausgeräumt und die Utensilien verstreut, während er damit beschäftigt war, seinen linken Oberarm mehr schlecht als recht zu verbinden. Blut hatte Haut und Bandagen rot gefärbt, fing zuerst seine Aufmerksamkeit ein, bis ihm bewusst wurde, dass der Mann mit freiem Oberkörper da saß. Mit einem muskulösen, nicht zu breitem Torso, auf dessen Haut sich ebenso viele Narben befanden, wie an den Armen. Die wilde, dunkle Mähne fiel ihm bis über die Schultern und in die Stirn, während er sich konzentriert und…kauend verarztete. Yagi erfasste eines der Onigiri, die er für die nächsten Tage zubereitet hatte und das nun zwischen den Lippen des Mannes steckte. Die dazugehörige, halb leere Bento-Box lag ebenfalls auf dem Tisch. „Ai-Aizawa-kun?!“, entfuhr es ihm fassungslos, woraufhin der Underground-Hero innehielt. Beinahe wäre ihm das Onigiri aus dem Mund gefallen, so ruckartig wie er den Kopf hob und ihn durch den Haarvorhang aus seinen blutunterlaufenen Augen fixierte. Dieselbe Ungläubigkeit, die wohl auch in seinem eigenen Gesicht geschrieben stand, breitete sich in Aizawas Mimik aus, als er in die Küche trat. Eine Braue zuckte merklich, während er ihn von Kopf bis Fuß musterte. Bleierne Stille. Aizawa erinnerte ihn, so wie er dort saß und das Onigiri im Mund hielt, unweigerlich an eine streunende Katze, die eine Maus erbeutet hatte. Schließlich ließ dieser die Bandage los, woraufhin sie ihm vom Arm rutschte, doch er ignorierte es, nahm stattdessen das Reisbällchen in die Hand und schluckte den Bissen nach kurzem Kauen herunter. „…“ „…“ „Aizawa-kun…wie bist du…?“ „Durchs Fenster.“ „…“ „Im Wohnzimmer. Es stand offen.“ „Oh…“ Abermals sagte keiner von ihnen etwas, sodass sie einander nur abwartend in die Augen schauten. Erklärte ein offenes Fenster, warum Aizawa bei ihm eingebrochen war? Sollte er wütend sein? Nun, Wut war das Letzte, das er fühlte, schließlich war ihm der andere stets willkommen…vielleicht wäre ein Anruf und das Benutzen der Tür schöner gewesen, aber… „Du bist verletzt?“, erkundigte er sich anstatt eines Vorwurfs besorgt und trat näher. Aizawa warf einen Blick zu seinem blutigen Arm, während sich Yagi einen Stuhl heranzog und sich neben ihm niederließ. „Nur ein Kratzer“, brummte der Jüngere. „Wollte dich deswegen nicht wecken.“ „Uhm…weißt du, es ist schwierig, nicht wach zu werden…wenn man denkt, jemand Fremdes ist in der Wohnung…“, kam es zögerlich und mit einem schiefen Lächeln von ihm. Aizawa blinzelte, schien für einen Moment aus dem Konzept gebracht. Er wirkte, wie sehr oft, übermüdet, was um diese Uhrzeit kein Wunder sein sollte. „…stimmt wohl.“ Yagis Lächeln wurde eine Spur wärmer, dann nahm er sich einen frischen Verband vom Tisch und bedeutete dem anderen, ihn dies machen zu lassen. Der Underground-Hero gehorchte kommentarlos, ließ ihn die Stichverletzung begutachten – desinfiziert hatte er sie dem Geruch nach bereits. Sie schien nicht allzu tief zu sein, aber sie blutete immer noch, wenn auch nicht stark, weswegen er ein feuchtes Tuch nahm und die Haut säuberte, ehe er ein trockenes gegen die Wunde presste. „Was ist passiert?“, fragte er, ohne aufzusehen. Er wollte nicht zu offensichtlich Aizawas blanken Oberkörper anstarren, auch wenn das nicht leicht war. Sein Blick heftete sich auf die wenigen, dunklen Haare, die sich in einem schmalen Streifen vom Bund der Hose bis zum Bauchnabel zogen und die er ebenso auf der Brust hatte. Seine Wangen röteten sich unweigerlich, sodass er sich wieder auf die Wunde fixierte. „Hn“, kam es von dem Jüngeren, der immer noch das angebissene Onigiri hielt. „Schätze, mir ist die Situation kurzzeitig entglitten. Bei mehreren Gegnern kann das schnell passieren.“ Yagi fragte nicht weiter nach, nickte bloß und legte das Tuch beiseite, um den Verband anzulegen. Aizawas Fähigkeit war an sich zwar eine sehr nützliche, wie er fand, doch es wurde schwieriger, wenn die Gegner in der Überzahl waren. Er erinnerte sich daran, was die Schüler nach dem Vorfall im USJ erzählt hatten…und was er selbst bei seiner Ankunft gesehen hatte. Es musste ein steiniger Weg gewesen sein, die fehlende physische Stärke auszugleichen, um so weit zu kommen. „…was ist?“ Er zuckte zusammen, blickte direkt in die stechenden, dunklen Augen des anderen. Plötzlich wurde ihm bewusst, wie nah sie sich waren. Abermals spürte er seine Wangen brennen, versuchte daher, weiter im Gespräch zu bleiben, um dies zu überspielen. „Uhm…nichts, nur…es…ist gut, dass nichts Schlimmeres passiert ist…“ „Ja“, brummte Aizawa nur, ehe er in das Onigiri biss. „Sorry noch mal fürs Wecken.“ „Ach, schon in Ordnung. Du…weißt, dass du immer zu mir kommen kannst.“ „Hm.“ „Und…ich habe sowieso einen…na ja, ich schlafe schlecht. Also…generell…oft jedenfalls, aber…wie auch immer, es ist nicht wichtig. Du bekommst ja auch wenig Schlaf und…schon gut. Es-“ „Yagi.“ Er hielt in seinem Gestammel inne, die großen Hände blieben still und er schaute Aizawa an, der ihm ernst entgegen sah. Auf einmal wirkte er gar nicht mehr so müde, sah man von den kleinen roten Äderchen ab, die sich durch das Weiß seiner Augen zogen; vermutlich hatte er Erasure zu oft einsetzen müssen. „Wieso schläfst du schlecht?“ Verunsichert sah er ihn an und obwohl die Frage so einfach war, brauchte er Zeit, um darauf zu antworten. Hatte er nicht genau das nicht gewollt? Aizawas Rat würde vermutlich derselbe sein, den er auch von Gran Torino und Tsukauchi bekommen hatte. Er selbst machte sich Stress, indem er sich damit auseinandersetzte, ohne dass er im Moment etwas tun konnte. „Ich…da sind viele Dinge…“, gab er leise zu und senkte den Blick wieder. Aus den Augenwinkeln bemerkte er Aizawas Nicken. „Erzähl mir davon.“ Oh. Er wollte es also wirklich hören…schließlich konnte er sich nicht vorstellen, dass der andere aus Höflichkeit fragte. Das passte nicht zu ihm. Er befestigte den Verband, fokussierte sich darauf, während er sprach. „Meistens ist es…All For One…ich höre seine Stimme in meinem Kopf. Das, was er damals zu mir gesagt hat…es lässt mir keine Ruhe…“ Ihm wurde plötzlich bewusst, dass Aizawa keine Ahnung haben konnte, wovon er redete. Er hatte mit kaum jemandem darüber gesprochen. Er machte einen letzten Knoten, ließ seine Hände in den Schoß sinken. „Shigaraki Tomura…ist der…Enkel meiner verstorbenen Meisterin“, fuhr er fort und es laut zu sagen, schmerzte ihn. „Es…All For One benutzt ihn absichtlich, um mich zu brechen. Um meinen…Glauben an das Gute zu erschüttern…und…ich weiß, was Shigaraki alles Schreckliches getan hat. Das im USJ…was er mit den Kindern vorhatte. Er hat Bakugou entführt…und…Gott, ich weiß, was er dir angetan hat, Aizawa-kun, und das werde ich ihm nie vergeben, aber ich…er…“ Er zuckte zusammen, als sich Aizawas freie Hand auf seinen Unterarm legte. Warm und beruhigend. „Du willst ihn dennoch retten.“ Yagi fühlte sich plötzlich sehr erschöpft, denn es zu hören, machte es noch realer. Tsukauchi und Gran Torino hatten gemeint, dass man ihn nicht retten konnte. Ein Schurke, der bereits Verbrechen begangen hatte…und ja, sie hatten Recht. Trotzdem… „Ein…Teil von mir kann das nicht…so einfach akzeptieren“, wisperte er und blickte vor sich hin. „Ich…Nana war wie eine Mutter für mich…durch sie…und All For One hat sie umgebracht. Er hat sie mir genommen…und ihr Vermächtnis in die Finsternis gezogen…es ist schwer für mich, Shigaraki nur als Bösewicht zu sehen. Trotz seiner schrecklichen Taten…und ja, er muss aufgehalten werden, aber…“ „Du musst dich nicht dafür rechtfertigen.“ Irritiert blickte er auf, verstand nicht, wie Aizawa das so sagen konnte. Nach allem, was er wegen Shigaraki durchgemacht hatte… „Du wärst seinetwegen beinahe gestorben“, entwich es ihm und er schmeckte das Blut in seinem Hals. „Asui wäre beinahe…“ Aizawa zuckte mit der unverletzten Schulter, blickte ihn weiterhin mit dieser Ruhe an, die er nicht nachvollziehen konnte. „Nun, ich lebe, Asui lebt…und du kannst diese Gefühle nicht einfach abstellen. Niemand kann das…selbst All Might nicht.“ Obwohl Aizawas Mundwinkel leicht zuckten, er den seichten Spott in seiner Stimme vernahm, wollte die Erleichterung nicht kommen. Er fühlte sich schlecht dabei, Shigaraki als jemanden zu sehen, der möglicherweise ein Opfer von All For One war…aber er kam auch nicht dagegen an. „Ich könnte dir jetzt sagen, dass es nicht richtig ist und dir damit ein schlechtes Gewissen machen. Du kannst mir versprechen, was du willst…aber wenn es soweit ist, entscheidest du, was passiert.“ Yagi presste die dünnen Lippen fest aufeinander, spürte seine Narbe pochen, wie immer, wenn er über diese Themen nachdachte. Es war ein furchtbares Gefühl, so erschüttert zu sein…denn das war er. Den Schock hatte er noch lange nicht verarbeitet, vielleicht würde er das nie können. Er stockte, als sich eine warme Stirn gegen seine lehnte und er blickte in Aizawas dunkle Augen. So nahe, dass er seinen Atem spüren konnte, seinen Geruch noch präsenter wahrnahm. Plötzlich war nur noch das intensive Pochen in seiner Brust von Bedeutung…auch wenn die finsteren Gedanken wiederkommen würden. Das taten sie jedes Mal. „Es ist in Ordnung.“ Die Worte waren wie Balsam für seine Seele und für einen Moment schloss er die Augen, wollte sich einfach nur darauf einlassen. Sein innerer Kampf kam zum Erliegen, wenn auch bloß für ein paar Nächte…er glaubte nicht, dass er auf Dauer akzeptieren konnte, was er in Bezug auf Shigaraki fühlte. Es war ein schmerzhafter Prozess und All For One hatte das genau gewusst, ihn deshalb auf diese grausame Weise verletzt. Trotzdem…tat es so unheimlich gut, Verständnis zu bekommen. „…das ausgerechnet von dir zu hören“, murmelte er und hob die Lider ein Stück. „Du bist nicht gerade der Typ für freundliche Worte, Aizawa-kun…“ Der andere schnaubte daraufhin. „Mag sein“, erwiderte er und löste sich von ihm, um den Rest des Onigiri zu verspeisen. „Hmpf…wie du weißt, halte ich aber auch nichts von unrealistischen Vorstellungen. Sich selbst zu belügen, gehört dazu.“ Yagi musste schmunzeln, obwohl ihm die Bitterkeit der ganzen Angelegenheit noch in den Knochen steckte. „Das…klingt schon eher nach dir.“ Aizawa nahm es still zur Kenntnis, leckte sich die Finger ab, ehe er einen Blick auf die Uhr über der Küchentür warf und eine Braue hob. Kein Wunder, schließlich war es schon vier Uhr und sie mussten in spätestens drei Stunden aufstehen. Wie kam Aizawa bloß mit so wenig Schlaf dauerhaft aus? „Ich würde vorschlagen, dass ich kurz dein Bad benutze und wir dann schlafen gehen.“ Yagi hatte darauf gehofft, musste unweigerlich an die Nacht nach dem Karaoke-Abend denken. Sie waren ineinander verschlungen auf der Couch eingeschlafen – und zumindest der Hüne erinnerte sich noch an die Rückenschmerzen. Nun, die waren es wert gewesen. Auch wenn es beim Küssen und Berührungen oberhalb der Gürtellinie geblieben war. Langsame Schritte. Das war gut, denn es überforderte ihn nicht. „Ach übrigens…“ Yagi runzelte die Stirn, als der Underground-Hero noch einmal innehielt und ihn über seine Schulter hinweg anfunkelte. „…ich habe nichts dagegen, wenn dieser furchtbare Pyjama gleich verschwunden ist.“ „Uhm…furchtbar?“ Er neigte den Kopf, wobei ihm seine blonden Strähnen ins Gesicht fielen, ehe er einen Blick an sich herunterwarf. Die rot-weiß gestreifte Stoffhose war ebenso ein Andenken an seine Zeit in Amerika, wie das blaue, langärmlige Hemd, auf welches weiße Sterne, sowie ein Adler aufgedruckt waren. Beides war ihm mittlerweile ein paar Nummern zu groß, doch immerhin war es bequem. Deswegen also der ungläubige Blick vorhin…bevor er sich allerdings dazu äußern konnte, war Aizawa schon im Bad verschwunden. Hm… Letztendlich ließ er den Pyjama an, wobei das auch daran lag, dass er nicht sicher war, ob Aizawa ihn bloß aufziehen wollte, um die Stimmung aufzulockern, oder…ihm schoss die Röte in die Wangen. Er hustete ein paar Mal, schmeckte wieder den eisenhaltigen Geschmack in seinem Mund. Oh Gott, das meinte er sicher nicht…oder? Er zog die Bettdecke bis über die Nase, sah leidend an die Decke. Er wusste nicht mal, ob er das konnte. Langsames Tempo, hallte es in seinem Kopf wieder, auch wenn es ihn nur mäßig beruhigte. Im Dunkeln sollte Aizawa sein Pyjama wohl kaum so sehr stören…oder hatte er ihn missverstanden? Vielleicht würde er die Nacht auch auf der Couch verbringen? Zumal Aizawa länger als erwartet brauchte…lag er möglicherweise im Wohnzimmer und dämmerte bereits weg? Sollte er nachschauen? Enttäuschung machte sich in ihm breit, auch wenn er versuchte, diese zu verdrängen. Seine eigene Unsicherheit war manchmal wie ein Fluch…hatte er Aizawa mit seiner Reaktion zuvor irgendwie signalisiert, dass es ihm zu viel war? Hatte er ihn abgewiesen? War es der Pyjama? Er fuhr heftig zusammen, als die Tür aufging und sich die dunkle Silhouette des anderen durch diese schob. Das einzige, sehr spärliche Licht kam von der Digitalanzeige, 04:21, und von draußen, da die Rollos nicht vollkommen heruntergelassen waren. Es reichte jedoch aus, etwas Entscheidendes zu erkennen…und dies ließ Yagi erneut Blut in seinem Mund schmecken. Oh Gott. Aizawa bewegte sich überraschend zielstrebig durchs Zimmer, ehe er sich auf der freien Seite des großen Bettes niederließ…und unter seine Decke rutschte. „Ich…du hättest…etwas sagen können“, stammelte Yagi. „Ich…hätte sicher noch…einen Pyjama…und…also…das…“ „Ich schlafe immer nackt.“ „Oh…“ „Wenn es dich stört, bleibe ich auf meiner Seite.“ Als ob stören hier das richtige Wort war, bestimmt nicht. Abgesehen davon, dass Aizawas Freizügigkeit ihn nervös machte, wurde ihm bewusst, dass dieser tatsächlich gemeint hatte, was Yagi glaubte, das er meinte. „Nein, es ist nur…uhm…ungewohnt?“ „Ah.“ Kurz herrschte Stille. Dann folgte das Raschen der Bettdecke und Aizawas nackter Körper schmiegte sich an seine Seite. Obwohl es seine empfindliche, vernarbte Seite war, schmerzte ihn die Berührung nicht. Brummend vergrub der Jüngere das Gesicht an seinem Hals, machte es sich bequem…und das kannte Yagi noch vom letzten Mal. Auch wenn da mehr Kleidung zwischen ihnen gewesen war – von Aizawas Seite aus. Tief durchatmen. Wer hätte gedacht, dass jemand wie Aizawa gerne kuschelte… „Außerdem muss meine Kleidung trocknen“, nuschelte dieser und klang so, als befände er sich schon im Halbschlaf. Deswegen hatte er also länger gebraucht…und Yagi fiel auf, dass seine Haare feucht waren und er nach seiner Seife roch. Erst zögerte er, doch dann überwand er sich, legte seinen knochigen Arm um den anderen, der sich ungeniert an ihn schmiegte. Wieso machte er sich eigentlich so viele Gedanken? Jedes Mal von neuem… „Yagi.“ „Mh?“ „...du musst nichts tun, was du nicht willst.“ „Ja…ich weiß…“ „…soll ich mir was anziehen?“ „Eh…nein. Das musst du nicht.“ „Hm.“ Abermals verfielen sie in Schweigen und anhand der ruhigen Atemzüge des anderen, war Yagi nicht sicher, ob er nicht bereits schlief. Sie waren einander so nahe, dass ihn bei der ungewohnten und sehr intimen Geborgenheit eine Gänsehaut überkam. Eines beschäftigte ihn dennoch, nur wusste er nicht, wie und ob er es zur Sprache bringen sollte. „…Aizawa-kun?“ „Hm…“ „Nicht, dass ich…ich bin froh, dass du da bist, aber…wieso…? Du wohnst praktisch…nebenan.“ „…“ „…“ „Mein Kühlschrank ist leer.“ „Oh…verstehe.“ Was hatte er erwartet? Die Frage war ihm mit einem Mal sehr unangenehm und er wünschte, er hätte sie nicht gestellt. Aizawa unterrichtete tagsüber und patrouillierte in der Nacht als Held, demnach hatte er kaum Zeit für irgendetwas anderes. Natürlich war es naheliegend, dass er zu ihm kam…eine praktische Entscheidung. Vor allem, da Aizawa keine kulinarischen Vorlieben zu haben schien, wenn er dessen Vorrat an Flüssignahrung in Betracht zog. Onigiri waren simpel, aber sie erfüllten ihren Zweck, den Magen zu füllen. „…außerdem schlafe ich in deiner Gesellschaft besser.“ Yagi spürte, wie die Scham der Wärme wich, die Aizawas Worte in ihm auslösten. In seiner Gesellschaft schlief er besser. Nicht in irgendjemandes…und dieser kleine Unterschied machte viel aus, jedenfalls für ihn. Sanft streichelte er dem anderen über den Rücken, genoss die Nähe, die sie teilten, während er den regelmäßiger werdenden, leisen Atemzügen lauschte. Er fühlte, wie seine eigenen Lider schwerer wurden und in seinem Inneren eine Ruhe einkehrte, die alle negativen Gedanken ausbremste. Die verbliebenen Stunden schlief er durch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)