Lasst die Toten ruhn von Hotepneith (Der 31. Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 1: Leutnant Sato ------------------------ Leutnant Isamu Sato schritt durch den Park, der diesen Teil des Kaiserpalastes außerhalb der Mauer umfasste, die das eigentliche Schloss verbarg, mehr als in Gedanken. Vor wenigen Wochen war der Shogun verstorben – und der junge Kaiser hatte nicht gezögert dessen Haushalt aufzulösen. Den Söhnen des ehrenwerten Heerführers waren ehrenvolle Tätigkeiten überlassen worden, bis hin zu einem Daimyo mit vielem Land, wenngleich außerhalb von Heinan, – aber die Leibwache, was ihn persönlich betraf, war aufgelöst worden. Er hatte es noch relativ gut getroffen, andere Kollegen waren mit den Söhnen des verstorbenen Shogun weit ins Land gereist. Und seine beiden Vorgesetzten waren wegen mehr als geringfügiger Sachen hingerichtet worden. Ihm hatte man nur gesagt, er sei ein guter Ermittler … Nun ja. Er diente jetzt eben dem Kaiser, womöglich war das sogar besser. Er hatte hier in den Kasernen der Wachen ein kleines Zimmer für sich allein. Aber ihm gab zu denken, warum der Oberste der Leibwachen ihn heute sprechen wollte. Es gab jedoch keine andere Möglichkeit als hinzugehen, der Aufforderung zu folgen und sich schweigend niederzuknien und auf den Befehl zu warten. „Sato,“ begann Uyeda Fukuwara ohne jede Begrüßung: „Mir wurde gesagt, dass du bereits sehr klug und diskret Mordermittlungen geführt hast. Es kam zu einem seltsamen Mord, hier im Schloss.“ Der Leutnant hätte fast aufgesehen. Ein Mord im Kaiserschloss? Da war wahrlich Diskretion angesagt. „Isamu Watabe, ein kleiner Fürst, ist verstorben. Er starb in seinem Zimmer, das bedauerlicherweise von innen verriegelt war. Allerdings wurde er von hinten erstochen. Kümmere dich darum. Der Kaiser wünscht die Aufklärung dieses Vergehens ebenso wie der zuständige Daimyo Kumamoto.“ Da gab es keine Ablehnung. So verneigte sich Isamu Sato nur tief. „Ich werde dem Befehl gehorchen. Darf ich nur um eines bitten?“ „Nun?“ „Ich benötige Zutritt und Auskunft von sehr vielen, auch hochgestellten, Personen ...“ „Ja, natürlich.“ Fukuwara winkte und ein Diener nahm ihm ein Siegel ab, um es dem Leutnant zu reichen. „Das Siegel des Kaisers. Du arbeitest in höchstem Auftrag. Und du solltest ihn nicht enttäuschen.“ „Das werde ich nicht,“ beteuerte Sato prompt. „Nun, das hoffe ich für dich. - Solltest du bis in fünf Tagen kein glaubwürdiges Ergebnis liefern können, stirbst du. Der Kaiser schätzt keine Versager. Oder gar Verräter.“ Der Leutnant schluckte trocken. Fünf Tage für einen so mysteriös klingenden Mord? Das wurde mehr als riskant für ihn. Geübt blieb er dennoch sachlich. „Dieses Siegel berechtigt mich auch die Hofärzte zu befragen?“ „Wen auch immer, natürlich bis auf die kaiserliche Familie. Die bisherigen Akten erhältst du in meinem Vorzimmer. Vielleicht sollte ich dir viel Glück wünschen ...“ Das klang fast hämisch, dachte Sato, aber er verneigte sich nur und ging. Das war ja ein unmöglicher Auftrag. Und, da war er sicher, Fukuwara hatte den Auftrag vom Kaiser bekommen, sah keine Lösung und reichte ihn nun so weiter, froh, dass er im Zweifel als Schuldigen einen Mann des verstorbenen Shogun präsentieren konnte. Löste er dagegen den Fall, stand Fukuwara gut da – und würde ihn auch künftig so einsetzten. In der Tat, es ging um sein eigenes Leben. Er musste gut und nüchtern recherchieren, und auch möglichst viel aufschreiben.   Nach zwei Tagen saß der Leutnant mit seinen Notizen abends in seinem Zimmer und dachte nach. Er hatte Zeugenaussagen, sehr viele, teils sogar sehr ausführliche, er besaß die Aussagen des Heilers, der den Toten als erstes behandelt hatte, von dessen Bruder und Diener – und er kam trotz allem Nachdenken immer wieder zu dem Schluss: es war unmöglich. Irgendwo in diesem Papierhaufen lag der Schlüssel zu dem seltsamen Fall, er musste nur den roten Faden finden. Aber, das war leichter gesagt als getan, stellte er fest, wenn er doch irgendwie dauernd daran denken musste, dass er zu diesem Zeitpunkt in drei Tagen seinen Hals unter das Beil des Henkers legen musste. Er sah auf als die Tür ohne Weiteres beiseite geschoben wurde, erkannte dann an den roten Augen und langen Haaren einen Dämon in militärischer Kleidung, der einen Brief in der Hand hielt. Er bekam selten genug Post mit solchen Boten und nur von Sakura. Das war wenigstens erfreulich. „Vielen Dank,“ sagte er und nahm den Brief. Der Hundedämon nickte knapp. „Wenn du Antwort hast, gibt sie mir in zehn Minuten mit. Ich soll die Antwort des Kaisers an den Herrn abwarten.“ „Ja, danke, ich werde mich beeilen.“ Das war immerhin die einzige Möglichkeit mit Sakura in Verbindung zu bleiben. So öffnete er rasch und las mit einem Lächeln, dass sie sich erkundigte, wie es ihm an seiner neuen Stelle gefalle und ob er da auch mal den Kaiser sehen könne. Mochte sie auch Heilerin unter Dämonen sein, ganz eindeutig hatte sie für ihn doch eine gewisse Zuneigung. Aber, was sollte er ihr darauf schreiben? Sie sollte sich doch keine Sorgen um ihn machen …. Sein Blick glitt zu den Aussagen, ehe er durchatmete. „Das ist es. Der Mann, der den roten Faden finden kann.“ Fragte sich nur, was der Herr der Hunde und auch der Kaiser davon hielten, wenn er mal eben einen Dämonenprinzen in den Palast von Heinan einquartieren wollte … Gleich, es war seine Chance, und, wie er langsam befürchtete, seine einzige. So schrieb er hastig und adressierte das Schreiben an den Fürsten der westlichen Länder, was dem zurückkehrenden Boten nur ein Augenbrauenzucken entlockte. Das war nicht sein Problem, dass dieser Mensch sich eine Menge herausnahm. Er konnte beide Briefe gleichzeitig an den Empfänger ausliefern und war rasch wieder bei seinen Kameraden. Heute Abend sollte eine vergnügliche Würfelrunde stattfinden.   Leutnant Sato schlief in dieser Nacht deutlich ruhiger, in der Hoffnung, seine Bitte würde gewährt werden und der Inu no Taishou nicht nur seinen Sohn zum Ermitteln schicken, sondern auch dem Kaiser diesen Gast schmackhaft machen.   Als er morgens zu seinem Vorgesetzten gerufen wurde, war er dennoch angespannt. Wollte Uyeda Fukuwara bereits ein Ergebnis haben? Wurde der Kaiser doch ungeduldig? Dass sein Brief so rasch ein Ergebnis gezeitigt hatte, wagte er nicht zu hoffen. „Du scheinst interessante Kontakte zu haben, Sato,“ sagte der Anführer der Leibwachen sachlich. „Ein hochgeschätzter, besonderer, Gast des Kaisers erwartet dich. Weißt du, wo das private Studienzimmer des Kaisers sich befindet?“ „Neben dem Temari-Spielplatz am Teich im privaten Trakt.“ Isamu Sato bemühte sich nicht zu tief Luft zu holen. Im Studierzimmer wurde nie ein Gast untergebracht, schließlich besaß es kein Bad und war etwas abgesondert, wenngleich neben den Privatgemächern des Kaisers. Nun ja, ein Dämon könnte im Palast auch Aufsehen erregen. Der Inu no Taishou oder sein Sohn? Gleich. Er musste sich bedanken. „Geh. Und denke daran. Noch drei Tage.“   Als ob er nicht dauernd daran denken müsste. Der Leutnant eilte in sein Zimmer zurück und packte hastig alle Aufzeichnungen in einen Lederbeutel, um ja nichts zu verlieren oder neugierigen Blicken auszusetzen, ehe er durch verschiedene, bewachte, Tore und Höfe immer tiefer in das Innere des Palastes ging, vorbei an den Wartehallen für die Höflinge, der großen Halle für Staatsempfänge. An der Pforte zum Hof des Kaisers und dessen privaten Räumen wurde er kurz angehalten, aber sein Siegel wies ihn als Beauftragten des Kaisers höchstselbst aus und so gelangte er durch. Er hatte keine Augen für den Teich mit der kleinen Brücke, die kunstvoll angelegten Inseln und Pflanzen rechts oder dem Ballspielplatz links, als er neben diesem emporstieg und sich hastig die Schuhe auszog. Er war gehört worden, denn er erkannte eine schmale, weibliche Hand, die die Tür für ihn zurückzog und ihn in das mit kunstvollen Holzmalereien geschmückte Studierzimmer ließ. Sakura war da, dachte er erleichtert, aber er verneigte sich und erkannte aus den Augenwinkeln, dass auch sie sich hastig wieder zusammenkauerte. Das deutete nicht auf eine gute Laune ihres Herrn hin und der Leutnant verneigte sich lieber noch einmal tiefer vor dem am vergitterten Fenster Stehenden. Seine Lordschaft blickte hinaus, als ob er den Teich überaus interessant fände, aber Isamu Sato erkannte an der Kühle im Raum, dass der Dämonenprinz nicht gerade erfreut über diesen Sonderauftrag war, den ihm ohne jeden Zweifel sein Vater erteilt hatte. So kniete er lieber nieder und wartete. „Bericht,“ sagte Sesshoumaru eisig. Zwar war dieser Sato durchaus ein fähiger Mann, ein logisch denkender Ermittler, soweit er ihn bislang kennengelernt hatte, aber dass es dieser Kerl fertig gebracht hatte Vater dazu zu bringen, dass er sich hier in einem Menschenschloss praktisch einschließen lassen musste und noch dazu einen Mordfall lösen … Was der offenbar ja nicht allein hinbekam. Er selbst hatte ja zuerst Sakura im Verdacht gehabt, dass sie Vater beschwatzt hatte, immerhin hatte dieser unverschämte Sato schon mal eine Art Heiratsantrag gemacht, aber sie hatte beteuert, sie habe davon nichts gewusst. Und sie log nicht. Eigentlich nie und gleich zwei Mal nicht mit seiner Klaue an der Kehle. Er musste sich zusammennehmen, nur dann kam er rasch hier weg. Kapitel 2: Der Polizeibericht ----------------------------- Leutnant Sato atmete einmal durch, ehe er, geübt in Berichten, begann. „Der Tote ist Isamu Watabe, ein kleiner Fürst, dem Daimyo Kumamoto zugehörig. Er und sein Bruder, Takeru, haben daher auch Zimmer am Schloss des Daimyo, vor der Tür des kaiserlichen Palastes. Diese Zimmer liegen an der Außenmauer des Schlosses, wie üblich, um den gesamten Hof. Es handelt sich um Einzelzimmer, die mit einem Hakenverschluss verriegelt werden können. Jedes Zimmer verfügt über ein eigenes, kleines Bad. Und sie besitzen keine Fenster, wenn man von einem kleinen Lüftungsschlitz oben im Bad absieht. Nach hinten ist die Mauer, jenseits derer liegen wieder Räumlichkeiten für die Gefolgsleute des nächsten Daimyo. Diese, so genannten, inneren Schlösser, werden von den Daimyo für offizielle Anlässe genutzt. Soweit ich weiß, dienten sie auch schon dem Kaiser als Residenz, falls das Schloss hier einmal abbrannte. Die beiden Watabes hatten an diesem Tag, dem Todestag des Kleinfürsten, auf Befehl des Kaisers eine Audienz bei ihm. Isamu Watabe war ein durchaus harter Mann und hatte in einer Fehde vor gut einem Jahr die Familie der Fusudo bekämpft und besiegt. Es gab ein Massaker, als Einzige überlebte Kaori Fusudo, die den Neffen des Kleinfürsten und ältesten Sohn Takerus, Takeo, heiraten musste. Da die Mutter des Kaisers aus eben dieser Familie, wenngleich aus der Hauptlinie stammt, war dieser nach seinem Amtsantritt natürlich an der Sache interessiert. Es gelang mir durch Befragungen den Tagesablauf der beiden Watabes zu rekonstruieren. Nachdem sie in ihren jeweiligen Zimmern gefrühstückt hatten, bereitete sie Seiichi, der Diener aus ihrem Clan, auf die Audienz vor. Festlich gekleidet gingen sie von dem Schloss des Daimyo in den eigentlichen Palast und betraten die Wartehalle für höfische Besucher. Ihre Schuhe blieben davor stehen. Das war um halb elf, das offizielle Leben bei Hofe hier beginnt um zehn. Diese Halle besteht aus drei verbundenen Räumen, in der die Besucher je nach Rang an den Wänden aufgereiht sitzen. Es gab also genug Zeugen dafür, dass die beiden Watanabe-Brüder dort waren. Sie wurden gegen dreizehn Uhr von einem Beamten abgeholt und durch die überdachten Korridore in die alltägliche Residenz des Kaisers gebracht. Das ist üblich. Dort sahen genug Beamte und Wachen sie. Sie lagen zu Füßen des Kaisers, der, wie es die Regel ist, hinter einem vergitterten Wandschirm saß. Niemand sieht das Gesicht des Kaisers.“ Der Leutnant erkannte an der leichten Handbewegung, dass der Hundeprinz erstaunt war. Trat der mächtige Kaiser Dämonen einfach so gegenüber? Aber da sollte er lieber nicht nachfragen. „Nach Ende der Audienz folgten sie wiederum einem Beamten durch einen Seitenausgang aus der Halle zu einem überdachten Gang. Dieser Korridor beginnt mit zwei Wachen, führt an mehreren Gebäuden vorbei und endet wieder an der Halle des Thronfolgers, gleich neben den Wartehallen. Dort verließ der Beamte sie um den nächsten Besucher zu geleiten, aber ich habe Zeugen, Wachen und Diener, sowie Höflinge, die sie beide sahen, wie sie ihre Schuhe anzogen und den eigentlichen Palast verließen. Sie gingen nebeneinander, schwiegen zumeist. Das einzige Mal, als einer etwas sagte, war bereits im Hof des Schlosses des Daimyo. Der jüngere Bruder lachte laut und hörbar erleichtert auf und schlug dem Älteren auf den Rücken. Dieser beugte sich nach vorne und schimpfte dann vernehmlich, warum Takeru keine Rücksicht auf seinen Schmerz nähme. Takeru selbst und auch der Diener bestätigten mir gestern unabhängig voneinander, dass Isamu eine Kriegsverletzung am Rücken habe, die ihm immer wieder Schmerzen zufüge, vor allem, wenn er still über Stunden sitzen müsse, wie eben in der Wartehalle. Von dem Liegen vor dem Kaiser wohl ganz zu schweigen. Ich fand einen Wachposten, der am Tor des Daimyo stand, der sah, wie die beiden Brüder anschließend zu ihren, wie erwähnt, nebeneinander liegenden, Räumen gingen, Isamu sichtlich schmerzgebeugt, da er wohl annahm unbeobachtet zu sein. Takeru sagte, und das bestätigte der Posten, er habe darum seinem Bruder auch die Tür aufgeschoben, Sie wechselten noch einige Worte, dann, das bestätigte mir der Mann ebenfalls und auch sein Doppelposten, sahen sie, wie Takeru sich abwandte und zu seiner Tür ging, offenbar etwas nervös oder verwundert, während Isamu die Tür schloss. Mit Nachdruck. - Offenbar verriegelte er sie auch von innen. Dort befindet sich an allen Türen ein kleiner Haken, der verhindern kann, dass jemand des Nachts eintritt. Später kam Seiichi, der Diener, um den Herren aus der steifen Hofkleidung zu helfen. Er fand Isamus Tür verriegelt vor. Dieser bemerkte aber, dass er da war, denn er rief ihm, mit hörbar schmerzlicher Stimme, zu, er solle gehen, er habe wieder Rückenschmerzen und würde sich allein zurecht machen, dann baden. Seiichi sagte mir, dass der Kleinfürst das öfter tat, wenn er die Kriegsverletzung aufbrechen spürte, und wunderte sich weniger, sondern ging zu Takeru, um dem zu helfen. Er ist sicher, dass es sich um die Stimme des Fürsten handelte. Als bei dem Abendessen, das der Daimyo gab, Isamu nicht erschien, wunderte sich Takeru, aber entschuldigte ihn als krank. Da er seinen Bruder aber am folgenden Morgen noch immer nicht sah und die Tür verriegelt war, überdies Seiichi dazu kam, brachen beide die Tür auf und fanden Isamu tot auf dem Boden liegend. Er trug noch immer den höfischen Kimono, wenngleich keine Kopfbedeckung. Seiichi lief zu ihm und stellte seinen Tod fest und Blut an seinem Rücken, worauf Takeru in das Bad rannte, um einen verborgenen Mörder zu finden. Die Tür war ja verriegelt gewesen. Es war leer. Danach lief er aus dem Raum und alarmierte die Wachen, die bereits mitbekommen hatten, dass etwas nicht stimmen konnte. Den gesamten Morgen über befanden sich Takeru und Seiichi unter den Augen der Wachen. Die Heiler untersuchten Isamu, so gut sie es hier verstehen. Sie sind Morde nicht gewohnt. Yasuo, der mir zugeteilte kaiserliche Heiler, sagte jedoch, es sei eindeutig der Stich eines Messers, direkt von hinten in das Herz. Der Stichkanal verlief von schräg unten nach oben, so dass man davon ausgehen kann, dass der Mörder von unten her zustach. Oder kleiner als Isamu war.“   Wunderbar, dachte Sesshoumaru zynisch. Jetzt war klar, warum der für einen Menschen doch intelligente Leutnant nicht weiter kam. Erstochen, in einem von innen verriegelten Zimmer. Das erinnerte ihn unangenehm an den letzten Termin dieses Richters … nun ja, der Mörder hatte es damals geschafft die Tatwaffe zu entsorgen und sich als Unschuldslamm zwischen die Anderen zu schieben. War das hier etwa auch der Fall gewesen? „Wurde irgendetwas aus dem Zimmer entfernt?“ „Nein, Lord Sesshoumaru. Da es sich augenfällig um Mord handelte, wurde unverzüglich der Leiter der kaiserlichen Wachen informiert, während Wachen und Neugierige vor dem Raum stehen blieben. Uyeda Fukuwara ließ den Toten wegschaffen und das Zimmer gründlich untersuchen. Ich habe die Berichte dazu hier….“ „Keine unauffällige, morgendliche, Routine?“ „Äh, nein. Es wurde sogar der … der Toilettenkübel nach einer möglichen Tatwaffe durchsucht, ehe er weggeschafft wurde.“ Die Nase des Hundeprinzen zuckte instinktiv bei dieser Vorstellung. „Die mögliche Tatwaffe?“ „Euer Lordschaft meint, ob ein Brieföffner oder ein jitte oder anderes? Das konnte mir der Heiler nicht sagen. Wie erwähnt, sie kennen sich hier nicht aus.“ Na schön, dachte der junge Dämon gepeinigt. Er musste den Fall lösen, sonst käme er hier nie weg. Vater war offenkundig wegen seiner kleinen Bemerkung über dessen seltsame Ausflüge zu einem menschlichen Schloss erbost genug gewesen ihm das hier aufzuhalsen. Ärger mit dem Herrn der westlichen Länder war etwas, was man auch und gerade als sein Sohn weiträumig vermeiden sollte. Dabei war der Scherz doch eigentlich klar gewesen – nun ja, sein verehrter Vater hatte es augenscheinlich als Beleidigung aufgefasst, dass er ihm eine Liaison mit einer menschlichen Prinzessin auch nur angedeutet hatte. „Ich will den Heiler und den Bruder sprechen.“ Isamu Sato vermied es wohlweislich Seine genervte Lordschaft darauf aufmerksam zu machen, dass er bereits deren Aussagen erhalten hatte. Sesshoumaru war seine einzige Hoffnung am Leben zu bleiben. Überdies fragte dieser, das wusste er aus Erfahrung, anders – und Menschen waren durchaus manchmal bei einem Dämon auskunftsfreudiger. So verneigte er sich nur. „Weitere Anweisungen?“ „Danach den Diener.“ „Sehr wohl.“ Der Leutnant wandte sich um und ging, nicht, ohne erfreut zu festzustellen, dass Sakura rasch mit einem Lächeln zu ihm aufgesehen hatte.   Die Heilerschülerin hatte durchaus bemerkt, dass ihr Verehrer in der Klemme steckte – umsonst hatte der sicher nicht an den Inu no Taishou um Hilfe geschickt. Ein Mord in einem von innen verschlossenen Raum, der noch dazu draußen von Wachen beobachtet wurde? Selbstmord war bei einem Stich in den Rücken eigentlich auszuschließen, es sei denn, dieser Kleinfürst hätte irgendeine besonders raffinierte Vorgehensweise ersonnen. Aber ein Gerät oder ähnliches wäre doch aufgefallen? Andererseits hatte Isamu Sato zwei Mal erwähnt, dass sich die Heiler und wohl auch die kaiserlichen Wachen nicht gerade mit Morden auskannten. Deswegen hatte er wohl auch diesen Auftrag erhalten – und kam nicht weiter. Sie wusste nicht viel vom Leben am kaiserlichen Hof, aber sie vermutete, dass es wie in jedem Schloss war – wer bei seinem Auftrag patzte, wurde bestraft, nicht selten mit dem Tod. Der arme Isamu steckte wahrlich in der Klemme. Kapitel 3: Die Aussage des Heilers ---------------------------------- Yasao war ein alter Mann, ergraut in den Diensten des letzten Kaisers und jetzt von dem neuen übernommen. Durchaus keine Selbstverständlichkeit in Anbetracht der Konkurrenz der Heiler und auch der manchmal doch schwierigen politischen Lage in Heinan. Es zeugte daher nicht nur von Sachverstand, sondern auch von gewissen Diplomatie, dass er noch immer in Amt und Würden lebte. Er rückte auch nur seinen schwarzen Beamtenhut gerade, als ihm Leutnant Sato von dem Wunsch eines besonderen Gastes berichtete, der auf Wunsch des Kaisers ihm zur Seite gestellt worden sei. Während sich der menschliche Ermittler dachte, dass das kaum eine Begründung wäre, die Seiner Lordschaft gefallen würde, klang sie doch so, dass der Heiler nicht plaudern würde, einen lebenden Dämon praktisch neben dem Schlafzimmer des göttlichen Kaisers gesehen zu haben. Yasao fiel allerdings unverzüglich auf die Knie, als er die vornehme Kleidung des unbekannten Gastes sah. Dass es sich um einen Dämon handelte, erkannte er erst, als er vorsichtig die locker herabhängenden Hände betrachtete – Klauen. Und viel zu langes Haar, eine seltsame Boa über der Rüstung …. Wie nur hatte der Kaiser ... gleich. Es handelte sich um einen Befehl. Und im Zweifel um sein Leben. „Yasao, Lord Sesshoumaru,“ meldete Sato geübt mit einer Verneigung, ehe er sich niederkniete. „Der zuständige Heiler, der den Toten untersuchte.“ Lord? Dachte der alte Heiler. Dann war Höflichkeit sicher wichtig. Aber, welchen Einfluss hatte der doch junge Nachkomme der Sonnengöttin auf dem Chrysanthementhron, dass er solche Wesen herzitieren konnte? Der besagte Dämonenlord seufzte nur innerlich, ehe er sagte: „Du hast den Toten untersucht. Wann starb er?“ „Das … das kann ich Euch doch nicht sagen,“ stammelte Yasao, entsetzt bereits bei der ersten Frage zu versagen. Wenn sich der Gast bei dem Kaiser beschwerte, oh, eine ihm so schrecklich erscheinende Verbannung in irgendein ödes Provinzkaff würde noch gnädig sein. Sesshoumaru sah sich missgestimmt nach einem vernünftigeren Lebewesen um. „Sakura.“ Ach du je, dachte die Heilerschülerin, ehe sie auf Knien neben den älteren Mann vorrutschte, dem dabei demonstrierend, dass es lebenserhaltender war den Kopf stets geneigt zu halten. Immer sie. Aber vermutlich war hier ein Dolmetscher Dämon-Mensch nur zu sinnvoll, sollte es nicht im Kreis der Höflinge weitere Lücken geben. Der junge Hundeprinz spannte bereits fast unmerklich die Rechte an. Er hatte sie ja bei ihrem Lehrer Neigi nur aufgefordert mit zu einer Strafexpedition zu kommen, sie vermutete jedoch inzwischen, dass die Strafe sich auf ihn selbst bezog. Aber das hatte sie nichts anzugehen. „Seine Lordschaft, verehrter Yasao, möchte wissen, ob sich irgendwelche Zeichen des Todes bereits an der Leiche fanden. Totenflecken oder – starre.“ „Äh, ja, einige Totenflecken, auf der vorderen Körperhälfte, der Verstorbene lag ja auch auf dem Bauch.“ Ein so junges Mädchen sollte sich doch nicht mit Toten auskennen, sondern Gedichte schreiben oder Laute spielen, ihren Ehemann beglücken. Sie sah eigentlich recht hübsch aus und schien fügsam zu sein. Gut, dachte Sakura erleichtert. Der alte Heiler kannte sich nur nicht mit solchen Fragen aus, war aber vom Fach. Nun ja, sonst wäre er kaum am Kaiserhof. „Also hatte die Starre bereits nachgelassen? So, dass er vermutlich bereits seit Stunden verstorben war? Er wurde morgens gefunden?“ „Ja, ja, genau. Er wies keinerlei Starre mehr auf. Stimmt, da hast du … habt Ihr recht.“ Das war wohl eine menschliche Heilerin, die für Dämonen oder gar den Kaiser arbeitete. Da ziemte sich Höflichkeit. Auch, wenn er es ungewohnt fand eine so junge Frau als Heilerin zu sehen. „Also müsste der Tod bereits am Abend erfolgt sein?“ „Ich kenne mich da nicht so aus, aber es klingt logisch, ja. Er war auch bereits kalt.“ Sie riskierte einen fragenden Blick zu der Schleife um die Taille Sesshoumarus, der, ungewöhnlich für ihn, mit dem Gesicht zu den Menschen stand. Der Grund lag schlicht darin, dass er lieber drei Menschen ansah als zehn, die draußen vor seinem Fenster mit einem Ball spielten. „Was für Verletzungen konntest du an ihm finden?“ erkundigte sich der Dämonenprinz nur sachlich, bemüht sich unter Kontrolle zu halten. Vater würde es fertig bringen ihn hier für Wochen sitzen zu lassen. Was geschehen würde, würde er sich diesem Befehl entziehen, nun, da versagte leider nur seine Phantasie, kaum die des Fürsten. Ein Bad in einem Vulkan oder noch einmal so etwas wie dieser unselige Hundedämon mit der noch unseligeren Steuerprüfung? Oder noch etwas viel Grässlicheres? Eine Heirat? „Nur eine, Lord Sesshoumaru,“ erklärte Yasao eifrig, froh eine fachgerechte Frage beantworten zu können. Immerhin waren außer ihm noch zwei Menschen im Raum, die seine Furcht vor einem Dämon anscheinend nur bedingt teilten, was in ihm die Hoffnung weckte, dieses Monster würde ihn nicht zerreißen, sondern unter der Kontrolle des mächtigen Kaisers stehen. „Es handelte sich um eine offenkundige Stichverletzung, zwischen dem linken Schulterblatt und der Wirbelsäule, zwischen zwei Rippen. Genau in das Herz.“ „Zufall oder ein Fachmann.“ „Ja, genau das könnte man vermuten, Lord Sesshoumaru.“ „Was für ein Messer?“ Yasao blickte etwas hilfesuchend zu der jungen Frau neben sich. Sakura übernahm mit innerem Seufzen. „War die Klinge flach, oder die Verletzung sehr groß? Könnte es sich der Größe nach um eines dieser Messer gehandelt haben, die jeder Beamte zum Brieföffnen besitzt? Oder eher ein Schwert?“ „Oh, nein, sicher kein Schwert. Eher ein kleines Messer, ja, ein Brieföffner oder etwas ähnlich Scharfes. Der Einstich war recht klein und schmal, also, eher unauffällig. Man sah ihn nur, weil der Kimono Blut zeigte. Erstaunlich viel Blut, übrigens, dafür, dass der Einstich so direkt war.“ „Dann sollte Isamu Watabe gleich nach dem Stich verstorben sein?“ fragte Sesshoumaru prompt. „Das sollte man annehmen, aber ...“ „Aber?“ Nur ein Narr hätte die Drohung in der kühlen Stimme überhört. Yasao war keiner. „Nur ein Lebender blutet, Lord Sesshoumaru, wenn ich das so sagen darf. Aber bei einem Stich in das Herz stirbt man gewöhnlich gleich.“ „Sakura?“ „Ja,“ bestätigte die so Angesprochene eilig. „Eine Blutung kann nur solange auftreten, wie das Herz schlägt.“ Das wurde ja immer besser. Er kannte das schließlich aus Kämpfen – wenn man jemandem das Herz durchstieß, war der tot. Mausetot, gleich ob Dämon oder Mensch, um das so auszudrücken. Wieso sollte dieser Kleinfürst dann so viel Blut noch verloren haben? „Dann wäre die Blutung ein Hinweis darauf, dass Isamu Watabe noch lebte, obwohl er bereits Minuten zuvor den Stich bekommen hatte.“ Er sah zu dem Leutnant, der sichtlich unglücklich wirkte. Ja, das öffnete das Zeitfenster für den Mord noch einmal etwas mehr, darüber sollte der Kerl ruhig nachdenken. „Ja, Lord Sesshoumaru,“ erwiderten Yasao und Sakura förmlich im Chor. De alte Heiler ergänzte: „Ich hörte allerdings schon von Kriegern, die trotz schwerster Verletzung noch zu kämpfen vermochten und erst danach starben. Zwar lernte ich niemanden persönlich kennen, aber ...“ Ja, aber. Dieser Watabe war offenbar ein Krieger gewesen, er hatte sich ja auch bei diesem Feldzug gegen den anderen Clan eine schwere Verletzung zugezogen, an der er immer noch litt. Schmerzen ertragen konnte der also sicher. Hatte der womöglich nicht einmal gemerkt, dass er eigentlich eine Leiche auf zwei Beinen war, weil ihn der Rücken sowieso schmerzte? Und wieso geriet immer er selbst in solche verzwickten Lagen? Er war schon ein armer Hund … Und sollte jetzt zusehen, dass er hier weitermachte und sich nicht tagelang in diesem Studierzimmer aufhalten. „Sato, in welcher Lage wurde der Tote gefunden?“ Der Leutnant richtete sich eilig etwas auf. „Er lag auf dem Boden, auf dem Bauch, das Gesicht seitlich, als ihn sein Diener und sein Bruder fanden, offenbar auf halbem Weg in das Bad. Er trug die schwarze Beamtenmütze nicht mehr, aber noch die Hofkleidung. Bei dem Versuch der Rettung veränderte Seiichi, der Diener, allerdings die Position der Leiche. Ich weiß nicht, ob das noch etwas an den Totenflecken änderte.“ „Nein,“ antwortete Yasuo prompt, ehe er höfisch erfahren erkannte, dass er gerade dem vornehmen Dämon, ja, Gast des Kaisers, vorgegriffen hatte. Erst auf dessen Handbewegung sprach er weiter. „Totenflecken sind bei Blutverlust immer selten oder auch gar nicht vorhanden. Es waren auch nicht viele, ich vermutete zunächst, sie seien schon wieder verblasst.“ Unnatürliche Tote hatte er nur in seiner Jugend auf den Schlachtfeldern gesehen. In aller Regel behandelte er Lebende. Der junge Hundeprinz dachte kurz an vergangene Fälle. „Also hast du auch keine Abwehrverletzungen gefunden.“ „Nein, Lord Sesshoumaru, wenn Ihr damit Verletzungen an den Händen oder so meint. Auch der Kimono war nur an dieser Stelle zerschnitten.“ Das wiederum ließ eigentlich nur einen dämonisch-logischen Schluss zu. Was zur … hatte dieser dämliche Kaiser für schlafmützige Wachen und Bedienstete, wenn ein Kerl, der den ganzen Tag über nicht allein war, ohne Gegenwehr von hinten erstochen wurde, ohne dass es jemand bemerkte? Oder es gar bemerken wollte? Die einzige Zeit, die ausgeschlossen werden konnte, war die, nachdem ihn sein Bruder verlassen und das Opfer die Tür hinter sich von innen verriegelt hatte. Oder? Hatte er das Wie hatte er das Wer. „Du kannst gehen, Yasao, aber wenn noch medizinischer Rat nütze ist, werde ich Sakura zu dir schicken.“ Kapitel 4: Der Bericht des Bruders ---------------------------------- Leutnant Sato brachte auf seinem Rückweg gleich den Bruder des Ermordeten mit, schließlich hatte Seine dämonische Lordschaft geäußert den sehen zu wollen. Aus doch gewisser tagelanger Kenntnis des schwierigen, wenngleich genialen, Teenagers, ließ er Takeru Watabe allerdings mehr oder weniger bei den Wachen vor dem kaiserlichen Trakt stehen und schritt selbst allein weiter. Sakkura öffnete ihm prompt, was nur als einzigen Schluss zuließ, dass der Hundeprinz ihn kommen gehört hatte und diese Anweisung gegeben hatte. Er verneigte sich tief, blieb jedoch stehen. Sesshoumaru hob kurz die Brauen, ehe er verstand. „Der Bruder.“ „Ja. Takeru Watabe. Euer Lordschaft wünschte ihn zu sprechen.“ Für einen Menschenmann war der Kerl wirklich brauchbar. „Hole ihn herein.“   Nur drei Minuten später knieten beiden Menschenmänner vor Seiner Lordschaft, der den Bruder seines Mordopfers mit einem Ausdruck beäugte, der Sakura um ein Haar zum Lachen gebracht hätte. Nur langjährige Übung und das Wissen mit dem eigenen Leben nicht nur zu spielen, ließ sie mühsam um die Fassung kämpfend zu Boden starren. Für den Bruder eines Mannes, der als grausamer Kämpfer galt, ja Massaker veranstaltet hatte, war Takeru eindeutig zu sehr geschminkt, zu sehr parfümiert, selbst für die Tatsache, dass es hier am Hofe sicherlich zivilisierter zuging. Vermutlich erinnerte er Sesshoumaru ein wenig bis zu sehr an diesen Fuchsprinzen, der ihn damals im Norden angemacht hatte. Natürlich hatte sich der Dämonenprinz rasch unter Kontrolle, aber das letzte Mal, als sie jemand so gucken sah, war das ein zahmes Kaninchen einer Hofdame vor einer schimmeligen Mohrrübe.   „Takeru Watabe, Lord Sesshoumaru,“ meldete der Leutnant formell. Sachlich bleiben, ruhig, ermahnte sich Seine momentan wenige Eisigkeit. Er wollte hier weg und je verrückter diese Menschen auftraten umso lieber. Also schön. „Dein ermordeter Bruder und du wart in Audienz beim Kaiser. Wie lief das ab?“ „Das habe ich dem Leutnant ... äh, ja, Lord Sesshoumaru.“ Takeru Watabe hatte gerade noch realisiert, dass der unbekannte und geheimnisvolle Gast des Kaisers ein Dämon war, niemand, mit dem man sich anlegen sollte. Schon zwei Mal nicht, wenn man sowieso bei dem göttlichen Kaiser nicht in sonderlich gutem Bild stand. „Wir waren mit unserem Daimyo, Herrn Kumamoto, nach Heinan gekommen, obwohl mir, und ich denke doch auch Isamu, klar war, dass das riskant werden konnte. Eure Lordschaft wird es nicht wissen, ich meine, natürlich wisst Ihr es, dass der junge Kaiser eine Mutter aus dem Hause Fusudo hat. Unsere Familie, namentlich Isamu als unser Herr, lag mit einem Seitenzweig dieser Familie in Fehde und bekämpfte sie. Voriges Jahr gelang es uns deren Burg zu erobern. Dabei stürzte Isamu sehr unglücklich vom Pferd und verletzte sich so schwer, dass man im ersten Moment man denken musste, er würde sterben. Darum befahl er, als Strafe, den gesamten Clan der Fusudos dort umzubringen. Einzig Kaori Fusudo, die älteste Tochter, blieb verschont. Sie heiratete dann, als es Isamu besser ging, meinen ältesten Sohn Takeo.“ „Natürlich wusste zu diesem Zeitpunkt niemand, wer der neue Kaiser werden würde,“ schloss Sesshoumaru. Der Junge dachte mit. Nicht nur mächtig sondern auch denkend. Eigentlich fast angenehm, wenn man über gewisse Umstände hinwegsah. „Nein. Und ich gebe zu, dass ich fast etwas erschrocken war, als die Nachrichten aus Heinan kamen, aber Isamu war sicher, dass solche kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Kleinfürsten toleriert würden. Umso entsetzter war ich, als wir pflichtgemäß mit unserem Daimyo hier eintrafen, dass wir sofort den Befehl zur Audienz erhielten. Es konnte da rasch um unsere Köpfe gehen. Isamu war wie immer sehr zuversichtlich. Er … er war ein Krieger durch und durch. Schon immer gewesen, ja, auch durchaus hart. An dem Morgen der Audienz half uns unser Diener, Seiichi, der ist aus unserem Clan, in diese aufwendigen Hofkleider zu gelangen. Dann gingen wir zu der Wartehalle, zogen, wie es sich gehört, die Schuhe aus und nahmen Platz.“ „In welchem Teilbereich?“ „Der Raum der Kraniche.“ „Weiter. Ihr musstet warten. Fiel das deinem Bruder schwer?“ Ein Dämon verstand? Darüber erstaunt erwiderte der Gefragte: „Ja, Lord Sesshoumaru. Er leidet, litt, ja immer noch Schmerzen von diesem Sturz. Seine Rüstung hat ihm da sicher einige Rippen gebrochen und noch etwas anderes, das unser Heiler nicht finden konnte. So hatte er gewöhnlich eine feste Bandage um den Oberkörper und die Hüfte, so dass er steif sitzen kann und seines Amtes walten. Das war natürlich am Kaiserhof nicht möglich.“ „Warum?“ Takeru Watabe blickte unwillkürlich zu dem Leutnant neben sich, ehe er antwortete: „Nun, man liegt auf dem Bauch vor dem göttlichen Kaiser. Mit solch einer festen Bandage wäre das unmöglich.“ „Ihr wurdet aufgerufen.“ „Ja, nach langer Zeit und in die Halle gebracht. Der göttliche Kaiser saß, wie es üblich ist, hinter einem Sitzschirm, aber ich erkannte einen Fusudo unter den Beratern, den Bruder der Kaisermutter – und den Bruder der Fusudofrau, die ...“ „Die ihr umgebracht habt.“ „Ja. Aber es war Krieg.“ Selbst Takeru hörte, dass das nach reiner Verteidigung klang. „Sah der Kaiser das ebenso?“ „Isamu erläuterte ihm, wie wir es zuvor auch besprochen hatten, dass die Fusudos immer wieder kleine Stiche geführt hatten, die irgendwann auf unserer Seite einen großen Zorn hervorgerufen hatten – zu groß möglicherweise. Ich hatte Isamu zuvor den Rat gegeben, das als Irrtum hinzustellen. Er hätte es besser gefunden auf Tapferkeit zu plädieren, aber es wohl eingesehen. Zudem konnte ich dem Kaiser beteuern, dass Kaori Fusudo von meiner Frau und meinem Sohn gut behandelt wird, wenngleich sie noch kein Kind bekommen hat. Der Kaiser wünscht, dass nächstes Jahr Takeo und Kaori mit hier nach Heinan kommen, damit sie ihre Tante besuchen kann.“ Was natürlich auch bedeutete, dass die Tante ihrem Sohn genau erzählen würde, wie es Kaori ging. Takeo war sicher höflich zu seiner Ehefrau, aber wie die das sah … und sie hatte jetzt einen Cousin in der Position nicht nur eine Scheidung zu bestimmen, sondern gleich die gesamte Watabe-Familie hinrichten zu lassen. „Danach sagte uns ein Beamter, dass wir ihm folgen sollten, da wir entlassen worden waren. Wir erhoben uns, natürlich mit einer weiteren Verneigung, und folgten dem Beamten seitlich durch einen schmalen Korridor in einen der überdachten Gänge, die hier ja alle Gebäude des Inneren Palastes verbinden.“ Ein schmaler Korridor. Sesshoumaru dachte unwillkürlich an den Mord an einer Hofdame seiner Mutter. „Wie schmal ist dieser Korridor?“ „Man muss hintereinander gehen, Euer Lordschaft.“ Takeru klang erstaunt, zügelte sich jedoch rasch. „Zuerst ging der Hofbeamte, der uns ja den Weg zeigen sollte, dann ich, dann Isamu. Ja, das ist nicht die ganz korrekte Reihenfolge, aber Isamu benötigte aufgrund seiner Schmerzen und Verletzung etwas länger, um aufzustehen. Damit das nicht auffiel, schloss ich mich direkt dem Beamten an.“ Was natürlich bedeutete, dass das spätere Mordopfer der Letzte in dieser Gänsemarschprozession gewesen war. „Gibt es in dem Korridor Türen?“ Da der Bruder offenkundig überfragt war, ergänzte Sesshoumaru nur: „Sato?“ Der Leutnant brauchte nicht nachzudenken. „Ja, Lord Sesshoumaru, gegen Ende des Korridors auf beiden Seiten. Platz für Sekretäre und andere Beamte.“ Aha. „Weiter.“ Takeru Watabe bezog das zurecht auf sich. „Äh, ja, draußen, also, in dem überdachten Gang, verließ uns der Beamte bei den dortigen Wachen und kehrte durch den Korridor zurück. Wir dagegen liefen weiter, zu den Wartehallen, um unsere Schuhe wieder aufzunehmen.“ „Wart ihr allein?“ „Oh, nein, Lord Sesshoumaru. Andere Männer, Höflinge, kamen uns entgegen, auch Wachen und Diener. Deswegen mussten wir auch da weiter hintereinander gehen.“ „Dein Bruder hinter dir. Ihr habt dann eure Schuhe angezogen. Weiter.“ „Äh, dann gingen wir über den Hof, durch das rechter Hand liegende große Tor, durch das man als Höfling eben geht, und kehrten in den Palast unseres Daimyo zurück.“ „Wenn ich einwerfen darf, Lord Sesshoumaru,“ ergänzte Isamu Sato: „Beide Brüder wurden an den Toren sowohl des Palastes als auch des Schlosses des Daimyo von den Wachen gesehen. Auch im Hof des Daimyo.“ Das wurde ja immer besser, dachte der Ermittler missgestimmt. „Gab es im Hof des Daimyo noch andere Personen?“ „Ja.“ Takeru hätte um ein Haar die Schultern gezuckt. „Natürlich liefen Dienstboten und andere Männer herum. Man achtet jedoch nicht so darauf.“ „Dein Bruder war bei dir.“ „Ja, seitdem wir die Schuhe angezogen hatten, liefen wir nebeneinander. Ich ….“ Takeru sah zu dem Leutnant, aber der wusste das ja schon. „Ich war die gesamte Zeit angespannt gewesen, ob wir nicht doch noch verhaftet werden würden. Als wir den Hof des Daimyo erreichten und nichts passiert war, war ich so glücklich, dass ich laut auflachte und meinen Bruder die Hand auf die Schulter schlug. Der hätte allerdings fast vor Schmerz aufgeschrien und gab mir allerlei Namen. Nun ja. Ich war einfach zu erleichtert gewesen. Ich entschuldigte mich vielfach bei ihm, aber er war nur noch mehr missgestimmt. Nun ja, er war immer missgestimmt, wenn er solche Schmerzen hatte. Um ihm zu zeigen, dass ich doch höflich war, schob ich vor ihm die Tür zu seinem Zimmer beiseite. Jeder von uns besitzt, besaß, einen Raum, dessen Tür direkt zum Hof geht, mit eigenem Badezimmer. Isamu ging an mir vorbei. … Ich sagte noch, dass sicher Seiichi kommen würde, um ihm zu helfen, aber er knurrte nur etwas und schob sehr nachdrücklich die Tür vor meiner Nase zu. Nun ja. So ging ich in meinen Raum. Nach einigen Minuten, ich weiß nicht, wie viele, ich war doch noch etwas aufgeregt, kam dann Seiichi. Natürlich hatte er zuerst Isamu helfen wollen, aber der hatte zu ihm nur gesagt, dass er allein zurecht kommen würde und baden wolle.“ „Der Diener sah also seinen Fürsten?“ „Äh, nein, Lord Sesshoumaru. Die Tür war verriegelt, aber natürlich erkannte er Isamus Stimme. Der war eindeutig wütend und schickte ihn weg. Wie gesagt, immer bei Schmerzen.“ „Geschah das öfter, dass er sich allein umkleiden wollte?“ „Durchaus. Auch in unserem heimatlichen Schloss schloss er sich dann ein. Er war ein Krieger und wollte nicht, dass ihn jemand so sieht.“ „Darum hast du dir auch nichts gedacht, als er nicht zum Abendessen erschien und ihn nur krank gemeldet.“ Der Dämonenprinz hätte fast zu tief Luft geholt. „Und wie wurde der Tote gefunden?“   Kapitel 5: Neue Aussagen ------------------------ Takeru Watabe sah lieber zu Boden. „Nun ja, Euer Lordschaft ... Seiichi wollte am Morgen Isamu beim Ankleiden helfen, fand aber die Tür verriegelt vor. Er rief, aber bekam keine Antwort. Er kam daher zu mir, ich habe ja das Zimmer nebenan, und klopfte, ehe er hereinkam. Ich hatte den Riegel nicht vorgeschoben, fühle ich mich doch im Schloss unseres Daimyo sehr gut bewacht. Jedenfalls sagte er, dass er noch immer nicht in den Raum käme, aber eben Isamu auch nicht antworte. So gingen wir gemeinsam hinüber.“ Er warf einen Blick seitwärts. „Der Leutnant bekam ja einige Aussagen, die das bestätigen können. Der Riegel war in der Tat noch immer vorgelegt, das konnte man an einem Spalt erkennen. Ich holte einen Brieföffner und versuchte den Riegel durch den Spalt zu entfernen, als noch immer keine Antwort kam. Das misslang. So drückten Seiichi und ich gemeinsam gegen die Tür und … nun ja. Nicht nur der Riegel brach, sondern gleich die gesamte Schiebetür. Daimyo Kunamoto war nicht sehr erbaut, sah aber die Notwendigkeit ein. - Mein Bruder lag auf dem Boden, auf dem Bauch. Man sah deutlich in seinem Rücken Blut. Seiichi rannte sofort zu ihm, während ich mich auf die Suche nach dem Täter machte und in das Bad lief.“ „War Wasser eingelassen?“ unterbrach der Dämonenprinz prompt. „Äh, ja, wie bei allen, kaltes Wasser, natürlich, immer zur Verfügung.“ Kaltes Wasser? Der Hundeprinz schüttelte sich innerlich. Und er hatte gedacht wenigstens dabei seien Menschen zivilisiert. Unwillkürlich warf er einen Blick auf Sakura. Irrte er sich, oder hatte sie gestutzt? Warum? Das musste er nachfragen, wenn dieser parfümierte Trottel draußen war. „Weiter.“ „Es war niemand da, und so kehrte ich zu Seiichi … also, zu den Beiden zurück. Seiichi hielt Isamu und sagte, er sei tot.“ „Du warst sicher, dass es kein Unfall gewesen war?“ „Ich bin Krieger, Lord Sesshoumaru.“ Das klang durchaus stolz. „Ich erkenne natürlich eine Stichwunde. Und es konnte kein Selbstmord gewesen sein. Isamu war Krieger, wenn, hätte er das nach allen alten Riten getan, in der Öffentlichkeit mit Helfer. Und es war im Rücken. Ich gebe zu, im ersten Moment war ich auf Seiichi ….nun ja.“ Ach. Täter frei Haus? „Du hast es im ersten Moment für möglich gehalten, dass er der Täter ist?“ „Es war außer ihm und mir, und natürlich meinem toten Bruder, ja niemand im Zimmer.“ „Dein Bruder war, wenngleich ein kleiner, Fürst. Das bist du dann?“ „Oh nein, mein Ältester, Takeo. Ihn hatte Isamu schon vor Jahren zum Nachfolger bestimmt. Er war sehr stolz auf ihn, denn Takeo ist ein wahrer Krieger, so nannte es mein Bruder immer. Ich bin da eher ein Verwalter, wenngleich ich in Fehden natürlich stets meine Pflicht getan habe. Taiki, mein jüngerer Sohn, kommt da eher nach mir.“ „Du hast nur diese beiden Kinder?“ „Ja, von Ima, das ist meine Ehefrau. - Ehe Ihr fragt: Isamu war verheiratet, aber seine Frau starb nur drei Jahre nach der Heirat kinderlos. Er hat nie wieder geheiratet, da er so um sie trauerte. Er wurde da auch … nun, sagen wir, härter zu sich und allen anderen. Es war eine Tragödie für ihn. - Er wusste ja, dass ich da schon zwei Söhne hatte, die das Erbe antreten könnten.“ „Keine Töchter?“ „Nein, nach zwei Söhnen sah ich meine Verpflichtung gegenüber der Familie erfüllt.“ Takeru klang sachlich.   DAS, dachte Sakura, konnte sie sich lebhaft vorstellen. Und Taiki kam nach seinem Vater, der älteste Sohn hatte eine Frau geheiratet, die allen Grund hatte ihn zu hassen. Für sie sah das so aus, als ob die Familie Watabe noch mit dieser Generation aussterben würde.   Sesshoumaru dachte ähnlich, aber ihn interessierte das wenig. „Du bist jetzt also der Verwalter deines Ältesten? Weiß der bereits von seinem Amtsantritt?“ „Ähm, Euer Lordschaft, das weiß ich nicht.“ Takeru Watabe sah zu dem Leutnant. „Unser Daimyo und Herr sagte nichts dazu.“ „Es wurde Nachrichtensperre verhängt, Lord Sesshoumaru,“ erklärte Isamu Sato eilig, den es noch immer ein wenig störte, dass ein Toter seinen Namen trug. Aber gut, es gab eben auch modische Namen nach berühmten Zeitgenossen, Väter orientierten sich gern nach Vorbildern, wenn sie ihre Kinder anerkannten. „Geh.“ Nur raus mit diesem parfümierten Menschen, der seine arme Hundenase bei jedem Atemzug beleidigte. „Sato, bring den Diener. Und diesen Wächter des Daimyo.“ Hoffentlich stank der Diener nicht genauso. Wie der Herr so das Gescherr, gab es da kein menschliches Sprichwort? Alleingelassen mit einem der wenigen vernünftigen Menschen, den er je kennengelernt hatte, meinte er nur: „Sakura?“ Sie neigte sich eilig vor. Sie kannte mittlerweile die stummen Anzeichen der Stimmung des jungen Herrn. Und darauf wieder an einem Pfosten an der Wand zu landen, konnte sie wahrlich verzichten. „Euer Befehl?“ Das war Benehmen und Diskretion, jawohl. Immerhin. „Was soll das mit dem kalten Wasser?“ Sie richtete sich etwas auf und wagte es zu seiner Boa aufzusehen. „Ich vermute, Lord Sesshoumaru, dass die Bäder in den einzelnen Zimmern gegen Abend zwar mit warmem Wasser gefüllt werden, aber dann eben morgens kalt sind. Durch den Befehl zur Audienz kam Isamu Watabe kaum mehr dazu morgens zu baden, sondern erledigte das gewiss am Abend. Überdies ist warmes Wasser deutlich angenehmer bei Rückenschmerzen. Kaltes ist eher – schädlich.“ Hm. „Es wäre also töricht von dem Toten gewesen mit seinen Schmerzen im kalten Wasser zu baden.“ „Ja.“ Nun ja, außer der war Masochist gewesen, aber nach allem, was sie bislang gehört hatte, eher Sadist. Es hatte bestimmt eine Menge Leute gegeben, die ihm gern ein Messer reingerammt hätten – in dem aufrichtigen Bedauern nicht mehr für ihn tun zu können. Angefangen bei der Ehefrau seines Neffen. Die war zwar nicht hier, dafür aber einige Leute ihrer Familie, noch dazu in höchsten Kreisen. Kein Wunder, dass sich der arme Leutnant so schwer tat. Warum also hatte der Narr das dann behauptet? Oder hatte gar der Diener gelogen? Es half alles nichts, er musste unbedingt mit diesem Seiichi reden. Hoffentlich war der wenigstens mit einem Hauch Anstand ausgestattet und trug kein Parfüm.   Diese Besorgnis hätte Seine Eisigkeit kaum haben müssen. Der Mann um die Fünfzig, den der Leutnant hereinbrachte, und der sich vorsorglich flach zu Boden warf, trug einfaches, grau-braunes Hemd und Hose, die dunklen, schon grau gesträhnten Haare zu einem Zopf zusammengebunden. „Seiichi, Euer Lordschaft,“ meldete Sato, ehe er sich höflich neben dem zitternden Mann, aber vor dem dämonischen Ermittler zu Boden ließ. „Seiichi.“ Sesshoumaru betrachtete etwas missgestimmt das Häufchen Elend. Trauerte der so um seinen Fürsten oder was war los? „Richte dich etwas auf. Du bist der Diener der Brüder Watabe gewesen?“ „Ja, ja, Euer Lordschaft.“ Der Diener gehorchte und versuchte sich mit einem Seitenblick zu orientieren, wie sehr sich der Leutnant verneigt hielt. Das war ein Anhaltspunkt, wie viel tiefer er bleiben musste. „Hat Isamu Watabe am Abend vor seinem Todestag gebadet?“ „Ja, Euer Lordschaft. Er genoss warmes Wasser immer.“ „Du hast ihm geholfen.“ „Ja, Euer Lordschaft.“ „Hatte er da schon Schmerzen?“ „Ja. Er hatte immer Schmerzen seit diesem unseligen Sturz, obwohl unser Heiler sagte, die Rippen seien wieder geheilt.“ Schön, das würde wieder eine Frage an Sakura ergeben. Eigentlich praktisch, dass sie dabei war. Wahrlich, Vater wusste, was er tat. „Wie lief der Todestag ab? Du kamst, um den beiden Herren zu helfen.“ „Ja, ich half ihnen beiden in diese steife Hofkleidung und so, Euer Lordschaft.“ Seiichi hörte selbst, dass seine Stimme zitterte. Aber war ihm schon ein Leutnant der kaiserlichen Wache bedrohlich erschienen, um wie viel mehr ein Dämon, so mehr oder weniger direkt neben dem Schlafzimmer des göttlichen Kaisers, der dieses Monster bestimmt gezähmt hatte. Hoffte der Diener jedenfalls inständig. „Dann gingen sie. Und du?“ „Ich ordnete noch die Decken, ehe ich frühstücken ging.“ Das klang, als habe er irgendwelche Pflichten vernachlässigt, aber es war doch die Wahrheit. „Und das Wasser in den Badewanne blieb.“ „Ja. Es kommen erst gegen Abend Diener des mächtigen Daimyo die sie auskippen und neu mit heißem Wasser füllen, damit sich die Herren für den Abend bereit machen können. - Nach meinem Frühstück wartete ich im Schatten auf meine Herren. Als sie kamen ...“ „Du hast gesehen, dass Takeru Isamu auf die Schulter schlug?“ „Oh ja. Ich meine, es war töricht, zumal der Herr ja schon so steif ging … Natürlich wusste Lord Takeru nicht, was er tat. Er ist manchmal impulsiv,“ versuchte er hastig seinen Patzer auszugleichen, machte dadurch die Sache allerdings nicht besser. Sesshoumaru dachte kurz nach. „Sie gingen dann in ihre Räume. Du hast einen Moment gewartet, ehe du zu deinem Fürsten gingst, um ihm beim Auskleiden zu helfen.“ „Ja, genau, ich meine, ja, Euer Lordschaft. Die Tür war jedoch verriegelt und so klopfte ich höflich, aber Fürst Isamu sagte mir, ich solle verschwinden, er kleide sich ohne Hilfe aus und werde allein baden.“ „Und du erkanntest seine Stimme.“ „Ja, Lord … Sesshoumaru. Er klang schmerzgeplagt, so kenne, kannte, ich ihn. Da wünschte er lieber allein zu sein, um sich nicht vor jemandem Unwürdigen zu blamieren.“ Der widerwillige Ermittler bemerkte, dass Sakura erneut stutzte, wusste allerdings diesmal warum. „Und du warst froh, dass er dich nicht eingelassen hat.“ Seichii hätte um ein Haar geseufzt. „Ihr wisst, was Herren dürfen, Lord Sesshoumaru. Sagen wir, Herr Isamu war unter Schmerz oft nicht … nicht sehr freundlich. Ja. Und so ging ich lieber zu Lord Takeru, als noch einmal um Einlass zu bitten und Zorn herauf zu beschwören.“ „An diesem Tag trug Isamu keine Bandage. Was war das gewöhnlich?“ „Das Rezept hat mir unser Heiler gegeben. Es ist eine feste Bandage aus eng gewebter Baumwolle. Ich muss sie morgens in eine bestimmte Mischung aus Wasser und Gips einlegen, dann Fürst Isamu umlegen und sie trocknet an ihm. So hat er weniger Schmerzen. Niemand merkte etwas, das war ihm sehr wichtig.“ „Du hast also Takeru geholfen. Dann?“ „Ging ich in das Dienerzimmer und wartete. Erst kurz vor dem Abendessen, als alle gingen, ging ich auch, aber Fürst Isamu hatte noch immer den Riegel vor und antwortete mir nicht.“ „Das kam dir nicht seltsam vor?“ „Oh nein, Euer Lordschaft. Wenn es dem Herrn gelang trotz der Schmerzen einzuschlafen, schlief er stets sehr tief. Ich war eigentlich froh und ging zu Lord Takeru, der seinen Bruder ja auch als krank bei dem mächtigen Daimyo entschuldigte. Wirklich, ich dachte, er schlafe. Das dachten wir alle.“ „Du wurdest erst am Morgen stutzig?“ „Ja, Euer Lordschaft, das war doch noch nie vorgekommen. Trotz allem wollte der Herr ja stets die Bandage haben und erfüllte seine Pflichten. Sei es die Audienzen zuhause oder auch hier gegenüber dem Daimyo.“ „Berichte diesen Morgen, genau.“   Kapitel 6: Der Bericht des Dieners ---------------------------------- Seiichi hätte liebend gern einen Blick zu der doch offenbar ebenfalls menschlichen Dienerin oder gar Heilerin geworfen, die da neben der Tür kniete, wagte es aber nicht. Das vor ihm war ein Monster, das sicher nur dem Kaiser gehorchte – und ein Leutnant der kaiserlichen Wachen war auch im Raum. Es ging da nur zu leicht um seinen Kopf. Er war noch nie in solch eine Lage gekommen und spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. „Ja, natürlich, Euer Lordschaft,“ beteuerte er, um Zeit zu gewinnen. „Ich stand auf und frühstückte, wie alle anderen auch, eilig, natürlich, um die Herren nicht warten zu lassen. Ich kam zu Fürst Isamu, klopfte, aber niemand antwortete. So rief ich nochmals, als ein Diener des Daimyo vorbei kam und mir mitteilte, dass er zuvor bereits vergeblich versucht hatte, das Wasser im Bad auszutauschen. Auch da habe der Herr nicht reagiert. Er ging dann weiter und ich versuchte die Tür zu öffnen, aber sie war verriegelt. Was sollte ich tun? Ich ging also zu Lord Takeru und machte ihm Mitteilung. Er kam auch sofort mit und rief ebenfalls nach seinem Bruder. Es kam keine Antwort, daher ging er in sein Zimmer zurück, und holte einen Brieföffner. Damit versuchte er den Riegel zu entfernen. Vergeblich. Dann schlug er mir vor, ich hätte das nie gewagt, dass wir die Tür gewaltsam öffnen sollten. Wir taten das und entdeckten natürlich sofort, als wir uns aufgerichtet hatten, nun ja, auch Lord Takeru war, wie meine Wenigkeit unter dem Nachgeben der Tür gestolpert, dass der arme Herr da lag.“ „Warte,“ befahl Seine Eisigkeit. „Ihr habt die Tür aufgebrochen, sie fiel nach innen?“ Es handelte sich immerhin um eine Schiebetür und er nahm nicht an, dass die Qualität der Schienen viel schlechter war als in diesem Gästezimmer. Damit bewies er allerdings nur, dass er noch nie in den entfernteren Teilen eines Palastes gewesen war. Das Studierzimmer des Kaisers war deutlich besser ausgestattet als die Zimmer irgendwelcher Gefolgsleute. Aber er hatte keinen Blick für die kunstvoll mit Landschaften bemalten Wände hier im Ogakumon-jo, nur für den Teich und den Garten, wenn man aus dem Fenster blickte. „Ja, ja, genau, Euer Lordschaft.“ Seiichi blickte verängstigt auf, sah aber hastig wieder auf die Matten vor sich. „Wie genau lag Fürst Isamu?“ „Er lag auf dem Bauch, das Gesicht beiseite, man hätte fast denken können, er schliefe, so friedlich sah er aus.“ Schön, er hatte nach dem Wie gefragt. So sehr er es eigentlich schätzte, wenn Leute genau das taten, was er forderte, manchmal war es einfach enervierend. Denken war bei Menschen wohl wirklich Glückssache. „Wo?“ „Äh, in der Mitte des Zimmers, ich würde sagen, auf halbem Weg zwischen dem Bett und dem Bad.“ „Was tatest du dann?“ „Ich lief natürlich eilig zu ihm, da ich annahm, er sei gestürzt, also, im ersten Moment. Als ich ihn ansprach und dann, ja, unhöflich, etwas hochzog, entdeckte ich das Blut am Rücken. Lord Takeru hatte das wohl gleich gesehen, nun ja, die gesamte Familie sind Krieger, denn er begann unverzüglich den Mörder zu suchen. Ich musste ja feststellen, dass Fürst Isamu bereits kalt war.“ „Wann ist er gestorben?“ Seiichi wollte fast schon in Panik verfallen, ehe er zu seiner Erleichterung erkannte, dass die Frage nicht ihm gegolten hatte. Sakura überlegte hastig, ehe sie meinte: „Ich bitte um Verzeihung, Lord Sesshoumaru, darf ich noch eine Frage an Seiichi richten?“ „Ja.“ Sie dachte wenigstens mit, dachte der Hundeprinz mit einem gewissen, ihm unerklärlichen, Gefühl der Erleichterung. Allein unter Menschen war nicht gerade seine Lieblingsrolle. Sakura verneigte sich lieber nochmals. In Anbetracht der deutlich überreizten Laune des Erbprinzen sollte man kein Risiko eingehen. „Danke, Euer Lordschaft. - Seiichi, als du Fürst Isamu hochgezogen hast, war er kalt. War er steif oder eher locker?“ Yasao als Heiler hatte zwar vom Abklingen der Totenstare gesprochen, aber wer wusste, was in der Zwischenzeit alles geschehen war. Der Diener brauchte nicht nachzudenken. „Er war ziemlich steif, ja, ehrenwerte Heilerin. Es war ... unangenehm.“ Und es war natürlich extrem unhöflich einen Fürsten einfach anzufassen. Gewöhnlich zog das mindestens Schläge nach sich. „Danke.“ Sakura atmete tief durch. Das war schrecklich wichtig, das war ihr klar. Ihr sollte besser kein Fehler unterlaufen. Todeszeitpunkte waren immer nur eine reine Schätzung. Sie musste jedoch antworten. Also lieber großzügig entscheiden. „Wenn bei den momentan herrschenden Bedingungen, warm und feucht, der Tote bereits abgekühlt ist, aber noch Totenstarre vorliegt, Lord Sesshoumaru, erfolgte der Tod mindestens vor acht Stunden, da diese allerdings bereits abklang, als der Heiler den Toten untersuchte, maximal vor zweiunddreißig.“ Das war immer noch eine große Zeitspanne, aber zumindest für die zweiunddreißig Stunden sprach gar nichts, immerhin hatte dieser Seiichi ja noch am Abend mit ihm geredet. Ja. Und nur der. Acht Stunden würden sich freilich mit der Aussage dieses Dieners decken. Ach, das war wahrlich ein schwerer Fall und der Dämonenprinz begriff, warum ihn Sato so erbeten hatte. Moment. „Diese Totenflecken?“ Er hatte sich gemerkt, dass sich auch diese mit dem Todeszeitpunkt veränderten. Sie sollte weder an seinem Gedächnis noch an seiner Auffassungsgabe zweifeln. „Wenn die Einschätzung des ehrenwerten, kaiserlichen, Heilers zutrifft, dass Fürst Isamu verblutet ist, wird es nur wenige geben. Und die befanden sich auf dem Bauch, also der Unterseite. Das würde anzeigen, dass der Tote nicht mehr bewegt wurde, nachdem er verstarb.“ Bloß keine voreiligen Schlüsse oder Folgerungen, beschwor sie sich. Seine Lordschaft war mehr als angespannt. „Auch das deckt sich mit der Zeiteinschätzung.“ „Du hieltest also den verstorbenen Fürsten im Arm und Lord Takeru rannte ins Bad?“ wandte sich Sesshoumaru wieder an den Diener, der prompt zusammenzuckte, aber eilig erwiderte: „Ja, Euer Lordschaft. Dann kam er zu mir. Ich, ich war ziemlich verwirrt.“ Das konnte sich Seine Eisigkeit lebhaft vorstellen. Menschen waren an und für sich schon die mindere Art, aber in ungewohnten Situationen ausgesprochen … nun, ein Dämon aus gutem Hause sollte es anders formulieren: noch unfähiger als sonst. „Weiter.“ „Er… Lord Takeru sagte, sein Bruder sei ermordet worden, und ging zur Tür, rief nach den Wachen, die auch sofort kamen. Es stehen ja immer am Tor mindestens zwei. Einer blieb bei uns, einer rannte los, um seine Vorgesetzten und Kollegen zu holen.“ „Keinen Heiler.“ „Äh, nein, Euer Lordschaft, der Fürst war ja schon kalt.“ Hm. „Wenn der Fürst Schmerzen hatte, wollte er so gut es ging allein sein.“ „Ja, Euer Lordschaft. Er hatte ja auch in seinem eigenen Schlafzimmer, also im heimatlichen Schloss, einen Riegel an seine Tür anbringen lassen. Und er hat auch zuvor jeden bestraft, der hinein ging.“ Letzteres machte er auch, dachte Sesshoumaru prompt. Aber mittlerweile war keiner mehr so lebensmüde ihn unaufgefordert in seinem Zimmer heimzusuchen. „Die Wachen kamen. Du hast den Fürsten kaum die ganze Zeit im Arm behalten.“ „Nein, natürlich nicht, ich meine, nein, Euer Lordschaft.“ „Fiel dir irgendetwas Ungewöhnliches im Zimmer auf?“ „Nein, Euer Lordschaft. Auch der Vorgesetzte der Wachen und hier der Leutnant fragten das. Aber es sah wirklich alles aus wie zuvor,“ beteuerte Seiichi, der allzugenau wusste, dass man leicht gestraft wurde, wenn einem der hohen Herren auch nur ein Blick missfiel. „Keine Schnur aus Leder?“ „Äh, nein ….“ Seiichi hätte fast aufgesehen. Was sollte das denn? Isamu Sato dachte dagegen zufrieden, dass sich die Gedanken des Hundeprinzen wohl ähnlich den seinen bewegten. Auch er hatte überlegt, ob es sich nicht um einen Selbstmord, getarnt als Mord, handeln könnte, aufgrund der Schmerzen und um gegenüber der Außenwelt nicht zuzugeben, dass man so schwach war. Der Tote schien ja überaus stolz auf seinen Ruf als wüster Krieger gewesen zu sein. Aber er gestattete sich mit einer tiefen Verneigung den höflichen Einwurf: „Falls es Euer Lordschaft beliebt, kann ich Euch die genauen Protokolle der Durchsuchung geben. Der Raum wurde überaus gründlich durchsucht, ebenso wie Lord Takeru und hier Seiichi als Personen.“ Das wurde immer besser. „Bring ihn weg.“ Als er sich allein mit Sakura fand, machte er einen Schritt auf sie zu. „Wieso hatte der Fürst noch immer Schmerzen, wenn doch die Rippen geheilt waren?“ Ach du je. Sie starrte zu Boden. „Ich kann es nur vermuten, Lord Sesshoumaru.“ Sein Schweigen war als Aufforderung zu deuten. „Soweit ich mitbekam, stürzte Fürst Watabe bei einem Feldzug vom Pferd, so unglücklich, dass er sich dabei einige Rippen brach. Vermutlich durch den Aufprall auf das Metall der Rüstung. Da er wohl im Rücken besonders schmerzempfindlich war, nehme ich an, dass er sich dabei auch etwas in der Wirbelsäule zumindest angebrochen hatte, oder auch, oder zusätzlich, sich Nerven eingeklemmt hatte. Das würde auch erklären, warum eine so feste Bandage ihm Linderung verschaffte.“ „Ist solch eine Bandage nicht ebenfalls lästig?“ Sie wusste, dass ein Dämon seines Ranges kaum je Schmerzen verspürte, wenn überhaupt. „Ein Mensch, der große Schmerzen hat, nimmt eher Bewegunsbehinderung auf sich.“ Nein, sie würde ihn nicht darauf hinweisen, dass er auch alles unternommen hatte, um aus seiner Lage zu entkommen, als er die vermeintliche Tollwut hatte. Dann könnte sie vermutlich von Glück sagen, würde sie nur an der Wand landen und nicht in Stücke gerissen werden. Es war besser ihn nicht daran zu erinnern, dass sie Zeugin seiner demütigenden Lage gewesen war, die einzige, menschliche, Zeugin. Sesshoumaru wandte sich ab und trat an das Fenster. Verworrener Fall, dachte er. Aber es musste eine logische Erklärung geben. Denke an das Wie, beschwor er sich. Hast du das Wie, hast du das Wer. Und, genau, der Leutnant kann auch einmal damit herausrücken, was der sich eigentlich gedacht hat. Danach würde er selbst zumindest wissen, wo der sich geirrt hatte. Haben musste.   Kapitel 7: Der Bericht des Wächters ----------------------------------- Mit diese guten Einfall drehte sich der Hundeprinz um, als er Sato kommen hörte – Sato, und mit wem zum Kuckuck denn jetzt schon wieder. Es handelte sich um einen Mann mittleren Alters, dessen Uniform und Bewaffnung verriet, dass er zu der kaiserlichen Wache gehörte. Ach du je. Ja, er hatte diesem Leutnant ja selbst gesagt, er wolle mit jemandem der Wachen reden – musste der Narr denn alles wörtlich nehmen? Na schön, jetzt noch diese Unterhaltung, dann war Sato mal dran. „Das ist Honda,“ erklärte der Leutnant behutsam, der den flüchtigen Unmut durchaus wahrgenommen hatte, und verneigte sich lieber deutlich höflich. Sein Leben war übermorgen beendet, wenn Seine Eisigkeit versagte oder sich schlicht entschloss, das gehe ihn hier alles nichts an. „Er stand am Nachmittag des Tages vor Fürst Watabes Tod am Tor des Daimyo.“ Sesshoumaru bemerkte mit gewisser Genugtuung, dass ihn dieser Mann, als er niederkniete, mit der gleichen militärischen Art grüßte wie Vaters Krieger – den rechten Arm an die Brust gelegt. „Du hast folgerichtig gesehen, wie sich Fürst Watabe und sein Bruder dem Schloss des Daimyou näherten.“ Honda neigte den Kopf. „Ja, Lord Sesshoumaru. Wir stehen zumeist im Tor, zum Einen, um doch gewissen Schatten zu haben, zum Anderen, weil wir so sowohl den Hof als auch den Platz davor überblicken können.“ Ja, das war militärische Ausbildung. „Auf dem Platz vor dem Hof und im Hof – waren da jeweils viele Personen?“ „Im Hof einige, Diener, die bereits Wasser holten und in das Bad schleppten. Ich weiß nicht, ich meine, Eure Lordschaft wird wissen, dass Abends sehr viel heißes Wasser benötigt wird, um die Bäder der vornehmen Herrn anzuheizen. Auch sonst einige Diener, alle männlich. Die Damen der Familie und damit auch das weibliche Personal befindet sich im mittleren Schloss des Daimyo.“ Das nicht der Repräsentation diente und so familiärer gehalten wurde. Das waren ja mal geradezu entzückend klare Aussagen für einen Menschen. Dadurch deutlich beruhigter fragte Sesshoumaru weiter: „Und im Hof davor?“ „Einige Beamte mit Sekretären, das Übliche. Jeder hat seine Aufgabe und seinen Weg. Es war durchaus erstaunlich, dass Fürst Watabe bereits so früh zurück kam. Der Arbeitstag im Palast beginnt gegen zehn, obwohl der göttliche Kaiser natürlich sich bei Sonnenaufgang erhebt.“ Aber da gab es auch viele Gebete und Rituale, die zu beachten waren, das wusste Honda. „Die Brüder haben mit niemandem gesprochen?“ „Nein, nicht einmal miteinander, auch nicht, als sie an uns vorbeikamen. Wir achteten dann eigentlich auch nicht mehr auf sie, erst, als Lord Takeru so unerwartet laut auflachte. Aber ich vermute, da sahen ihn alle an. Er strahlte förmlich über das ganze Gesicht und schlug dem Fürsten auf die Schulter, der darüber nicht sonderlich erfreut schien, sondern, wenngleich auch in gedämpftem Ton, seinem Bruder energische Vorhaltungen zu machen schien. Das konnten wir nicht hören.“ „Lord Takeru entschuldigte sich für sein schlechtes Benehmen?“ „Das konnte man seinen Gesten und Verneigungen entnehmen, ja, Euer Lordschaft. Er begleitete dann seinen Bruder zu dessen Zimmer und schob ihm die Tür beiseite, ließ ihn eintreten, dabei entschuldigte er sich nochmals, verneigte sich noch einmal. Durch das Aufsehen, das sie auf sich gelenkt hatten, bin ich mir, wie ich schon Leutnant Sato berichtete, ganz sicher, dass der Fürst lebendig den Raum betrat. Als dann Lord Takeru zurückwich, sah ich deutlich, wie der Fürst die Tür schloss. Sehr nachdrücklich. Lord Takeru wandte sich sichtlich irritiert ab und zog sich in seinen Raum zurück.“ „Lord Takeru stand also kurz vor der Tür und wich dann beiseite um den Fürsten eintreten zu lassen. Danach verneigte er sich in den Raum – und dann sahst du den Fürsten noch lebendig.“ „Ja, genau das ist der Ablauf.“ „Natürlich sahst du nicht, ob er den Riegel vorlegte.“ „Nein, Lord Sesshoumaru, aber ich vermutete es, denn als ein Diener kam, um ihm heißes Wasser für die Wanne anzukündigen, gelangte er weder in den Raum noch erhielt eine Antwort.“ Das hatte er rein zufällig bemerkt, aber es war wohl besser stete Aufmerksamkeit und Wachsamkeit anzugeben. Immerhin war das ein Gast des göttlichen Kaisers und hatte gewiss dessen Ohr, wenn er hier im Studierzimmer übernachtete, zum Anderen war da auch ein Leutnant der Wachen im besonderen Auftrag des Kaisers … Honda wusste, wann er vorsichtig zu werden hatte.   Das musste der Diener sein, mit dem Seiichi auch gesprochen hatte. Alles passte – nur, wieso war der Kerl erstochen worden? Von hinten? Wie? Das Wie, nicht das Warum, ermahnte Sesshoumaru sich. Bei dem Temperament des Opfers hatten vermutlich alle Menschen um ihn und auch sonst noch einige Leute Grund dafür ihn lieber tot zu sehen. Hm. Auch der Daimyo? Immerhin hatte der liebe Isamu Watabe die Familie der Kaiserinmutter umgebracht, nun gut, einen Zweig davon. Aber ein Risiko bliebe durchaus auch für Kumamoto. Das konnte nicht nur gegen die Familie Watabe gehen, sondern auch auf den Mann, der für sie zuständig war. Und es gab sicher einige andere Leute, die gern Daimyo werden wollten. Das würde natürlich auch erklären, warum niemandem ein zusätzlicher Diener auffiel, der den Riegel lösen konnte. Dieser Seiichi hatte ja erwähnt, dass Isamu Watabe, wenn er unter Schmerzen einschlafen konnte, so tief schlief, dass er auf Ansprache nicht reagierte. Schlich sich der Mörder dann hinein? Den Riegel beiseite zu schieben mochte für Takeru mit einem Brieföffner nicht möglich gewesen sein, aber bei einem Diener des Daimyo mit gesondertem Auftrag, kurz, Mordauftrag, der sicher die Riegel und deren Distanzen kannte, war es immerhin denkbar. Abgesehen davon: die Tatsache, dass Takeru gleich die Tür einriss, wenn sie sich nicht öffnete, sprach für eine gewisse Familienähnlichkeit mit dem Opfer. Die Watabes waren wohl allgemein sehr direkt. Hm. Hatte Fürst Isamu sich mit seinem Massaker an den Fusudos ein gutes Image verschaffen wollen, um höher hinaus zu gelangen, und sich dabei nur in der Person des neuen Kaisers, besser, dessen Mutter, verschätzt? Und hatte der Daimyo als sein Vorgesetzter das nicht sonderlich gern gesehen? Gleich. Jetzt sollte er erst einmal mit dem Wächter hier fertig werden. „Fiel Takeru Watabe bereits zuvor durch solches Benehmen auf?“ „Nicht, dass ich wüsste, Lord Sesshoumaru.“ „Und Isamu Watabe?“ „Auch nicht. Beide Herren waren für jemanden wie mich praktisch … unsichtbar, auch, wenn ich als Kommandeur dieses Hofes natürlich wusste, wer sie waren und wo sie wohnen.“ Da brachte jemand wohl die Zeiten etwas durcheinander, kommentierte Seine Eisigkeit prompt. Nun ja, ein Kommandeur der Wachen sollte kämpfen und denken, nicht schreiben können. Es gab natürlich auch Leute wie seinen verehrten Vater, die beides beherrschten. Aber er konnte einen Dämonenfürsten solchen Ranges ja auch nicht mit so etwas vergleichen. „Kennst du auch Seiichi?“ Honda neigte sich eilig tiefer. „Ich erfuhr seinen Namen erst durch Leutnant Sato, allerdings kannte ich ihn vom Sehen wie alle privaten Diener in diesem Hof. Man sieht sie jeden Tag im Sommer, wenn Hofsaison ist. Allerdings sind es oft andere, jedes Jahr. Ich bitte Euer Lordschaft um Nachsicht, dass ich sie nie nach dem Namen frage.“ Diener waren namenlos, in aller Regel, ja. Ihn interessierte auch nicht, wer sein Bad eingoss, dachte der Hundeprinz. Wenn er es wollte, hatte es da zu sein. „Die Diener verlassen das Schloss des Daimyo nie?“ „Den ganzen Sommer nicht, nein, Euer Lordschaft.“ „Gab es in Bezug auf die Watabes Gerede?“ Fast ein wenig hoheitsvoll antwortete Honda: „An so etwas beteilige ich mich nie und würde auch jeden meiner Männer bestrafen, der sich dazu herablässt.“ „Du darfst gehen.“ Erleichtert, zumal auch der Leutnant sich erhob um ihn zu begleiten, gehorchte Honda, der zum ersten Mal in seinem Leben in einem der privaten Räume des Kaisers gewesen war. Davon könnte er noch seinen Enkeln erzählen. Natürlich auch davon, dass er mit einem leibhaftigen Dämon gesprochen hatte und unverletzt geblieben war. Der göttliche Kaiser verfügte anscheinend über ungeheures magisches Potential, denn nach der Kleidung des Monsters zu urteilen spielte dieser junge Dämon in einer sehr hochklassigen Liga.   „Sakura.“ Bitte nicht wieder Dämon-Mensch-Dolmetscher! Aber sie musste antworten, das war ihr klar. „Lord Sesshoumaru?“ „Wie lange dauert es, bis ein Mensch verblutet?“ Sie war erleichtert, dass es nur eine Fachfrage war. „Das … das hängt davon ab, wie groß die Wunde ist. Ein Mensch stirbt, wenn er eineinhalb bis zwei Liter Blut verloren hat.“ „Aber er kann nur verbluten, solange er lebt.“ Er hatte wieder einmal genau zugehört, dachte sie. „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Das bedeutete, alles, was an Blut am Kimono des Opfers zu finden war, und nur da, war erfolgt, als Isamu Watabe noch lebte. Es gab nur eine logische Schlussfolgerung. „Er blutete also hauptsächlich nach innen.“ Er dachte wahrlich mit. „Ja. Es steht zu vermuten, dass das Herz getroffen wurde, aber sich, wie auch durchaus bei einer Verletzung des Armes oder Beines, ein Blutgerinnsel bildete, das die Wunde einigermaßen verstopfte.“ Hm. Selbst ein Mensch sollte mitbekommen, wenn er tödlich verletzt war oder am Verbluten. „Warum rief er nicht um Hilfe?“ Immerhin war sein Bruder im Zimmer nebenan und die Wände waren nicht gerade schalldicht, nicht einmal für die mindere Art. „Wenn Menschen viel Blut verlieren, werden sie sehr müde, Lord Sesshoumaru. Ich fürchte, er merkte zu spät, dass etwas anderes als seine gewöhnlichen Schmerzen vorlag.“ Und er hatte ins Bad gehen wollen, um sich mit kaltem Wasser zu erfrischen oder so etwas, als er feststellte, dass er ungewöhnlich müde wurde. „Wie viel Zeit kann maximal zwischen der eigentlich tödlichen Verletzung des Herzens und dem Verbluten liegen?“ Ach du je Das wurde heikel. Wenn sie sich irrte und er sich aufgrund ihres Fehlers blamierte … nein, daran durfte sie nicht einmal denken. „Das … das vermag ich nicht zu sagen, Lord Sesshoumaru,“ brachte sie hervor. „Keine Stunden, denke ich.“ Woraus Dämon lernen sollte: Menschen, die man umbringen wollte, sollte man den Kopf abreißen. Das wirkte schneller. Nun gut. Mal hören, was sich dieser Leutnant zusammen fabuliert hatte, und ob ihm selbst auch noch ein lästiges Gespräch mit diesem Daimyo bevor stand. Um den Kaiser würde er sowieso nicht herumkommen, da galt Vaters Anweisung der Diplomatie sicher. Er war schon ein armer Hund. Kapitel 8: Die Lösung des Leutnants ----------------------------------- Sakura war erleichtert, als sich Seine hündische Lordschaft erneut dem Fenster zuwandte. Sie kannte seine – zumeist ihr – peinlichen Fragen zum Thema Menschen. Solange es sich nur um medizinische Probleme handelte, hatte sie ein Glückskleeblatt gezogen.   Sesshoumaru betrachtete für sich noch einmal alle Aussagen, die er hatte. Hm. Konnte es so einfach sein? Nun, einfach war es nicht, es handelte sich immerhin hier um den Kaiserpalast mit jeder Menge Diener und Leuten, die hofften aufsteigen zu können. Er kannte das nur zu gut von Vaters Schloss – und er schätzte Leute, die sozusagen über Leichen gingen, in keinster Weise. Nun, nicht, dass er je gezögert hatte jemanden zu töten. Aber Dämonen und auch Menschen, die Intrigen planten, bewusst nicht ihr eigenes Leben aus Spiel setzten, aber sozusagen den noch warmen Körper ihres Vorgängers beerben wollten ... dafür hatte er höchstens seine Giftklaue übrig. Nun gut, ermahnte er sich. Der Leutnant sollte berichten, er musste dann noch mit dem Kaiser reden und dann war er wieder in der freien Natur. Dieser, wenngleich riesige, Palast in Heinan, war nichts für einen Dämon von Stand. Er hörte, dass Sato zurückkam und wandte sich um, wartete jedoch, bis der Leutnant höflich niederkniete und sich verneigte. „Du hast eine Lösung?“ Auweia, dachte Sakura, die nur zu gut erkannte, dass sich Isamu Sato anspannte. Das hatte so nach einem: natürlich nicht, du Idiot, geklungen. „Ich habe einen Verdacht, ja, Euer Lordschaft,“ erwiderte der menschliche Ermittler jedoch nur wohlerzogen. An diesem Jugendlichen hing sein Leben! „Wenn ich berichten dürfte ...“ Er durfte, das sagte ihm das Schweigen. „Nach der Aussage des kaiserlichen Heilers liegen möglicherweise zwischen dem eigentlichen Tatzeitpunkt und dem Tod einige Minuten, um nicht zu sagen, Stunden. Ich gehe daher davon aus, dass zu dem Zeitpunkt, an dem Fürst Isamu Watabe seine Tür verriegelte, er bereits tödlich verletzt war. Es war grundsätzlich für mich nahe liegend, die Zeiten, die das Opfer, mit seinem Bruder, in der Zeit davor verbrachte, zu überprüfen. Sowohl die Zeit bis zum Aufenthalt in den Wartehallen, in diesem Fall im Saal der Kraniche, als auch jede Bewegung danach konnte rekonstruiert werden. Falls der Fürst zu dem Zeitpunkt der Audienz bereits eine solche Verletzung des Herzens gezeigt hätte, hätte diese wohl deutlich werden müssen, als er vor dem Kaiser flach auf dem Boden war, spätestens beim Aufstehen. Aber er stand zwar langsam auf, durch die bekannten Schmerzen, aber er stand. In dem schmalen Flur, der vom Empfangsraum nach draußen führte, gingen die Brüder hintereinander. Es wäre daher für einen Fusudo-freundlichen Schreiber, beauftragt oder nicht, ein Leichtes gewesen, die Tür aufzuschieben und den hinten gehenden Isamu Watabe zu erstechen, die Tür wieder zu schließen und sich zu setzen. Vermutlich war der Mörder sehr überrascht, dass nichts weiter passierte, nun ja, das Opfer ging anscheinend, wenn auch von erheblichen Schmerzen geplagt, weiter. Der Fürst war es nur zu sehr gewohnt Schmerz zu verbergen und so gelang es ihm auch die Schuhe anzuziehen, mit seinem Bruder zurück in den Palast des Daimyo zu gehen. Als Takeru ihn vor Erleichterung auf die Schulter schlug, schmerzte allerdings nicht nur die alte Kriegsverletzung, sondern auch die … ja, nennen wir es Verstopfung im Herz, wie ich von einem Heiler einst hörte, löste sich, und Isamu Watabe begann innerlich zu verbluten. Als einige Minuten später der Diener kam, hörte er noch den Fürsten reden. Er meinte, er klang schmerzerfüllt, aber womöglich einfach auch schon sehr müde durch den hohen Blutverlust. Womöglich wollte der Fürst noch ins Bad um sich in dem kalten Wasser, so sehr es auch ungesund sein mag für Schmerzen, zu erfrischen, da er sich ungewohnt matt fühlte. Er brach jedoch auf dem Weg dahin zusammen.“ Der Leutnant warf einen vorsichtigen Blick zurück. „Soweit ich die Aussagen des kaiserlichen Heilers und der werten Sakura richtig verstanden habe, ist Verbluten eine nahezu … geräuschlose Methode zu sterben.“ Erleichtert erkannte er ihr unbewusstes Nicken. Er wusste nur zu gut, wie viel der Herr der Hunde und dessen Sohn von ihr hielten – man sollte nie Leute verärgern, auf die man angewiesen war. Überdies schätzte auch er ihre kluge und diplomatische Art, ganz anders als bei so vielen Frauen, die er kennengelernt hatte. War das dämonische Schulung? Womöglich konnte er sich da etwas absehen. Aber nun sollte er seinen Fall darlegen und es ziemte sich nicht einen Prinzen warten zu lassen. „Es wäre möglich, dass Fürst Isamu bereits so ermattet war, dass er nicht mehr daran dachte um Hilfe zu rufen, zumal er sie ja in Form des Dieners bereits weggeschickt hatte. Während Seiichi und sein Bruder ihn nur für krank hielten und vermuteten, dass er eingeschlafen war, ihn Takeru daher auch bei dem Daimyo entschuldigte, starb er.“ „Und den Riegel hatte er selbst vorgelegt.“ „Ja, Euer Lordschaft, das entnahm ich der Aussage des Wachpostens.“ Wieso diese Rückfrage? Hatte er etwas übersehen? Der Posten war ihm überaus aufmerksam vorgekommen. „Auch Lord Takeru erwähnte dies, ebenso Seiichi.“ „Seiichi erwähnte nur, dass der Riegel vorlag, als er kam.“ Sesshoumaru wandte sich erneut zum Fenster. Dass es dieser Menschenbande nicht zu langweilig war, immer dieses Ballspiel zu spielen? Gab es nichts zu tun? Der Garten dort hinter dem Teich mit den Kois sah hübscher aus, die kunstvoll gearbeitete Brücke in eine, wenn auch nur künstlich geschaffene, Natur. Gleich. Er musste nachdenken. Hatte dieser Sato tatsächlich recht? Es gab einige Punkte, die fragwürdig waren. Und die beiden Menschen im Raum mussten eben warten, bis er mit seinen Überlegungen fertig war.   Isamu Sato warf einen erneuten, raschen Blick zu Sakura. Diese schloss hastig kurz die Augen um Schweigen zu ermahnen. Sie mussten warten, das war klar – ebenso klar war auch, dass Seine Eisigkeit immerhin über die ganze Sache sehr gründlich nachdachte. Nach doch so einigen Fällen vermutete sie, dass Lord Sesshoumaru die richtige Lösung finden würde. War es die von Sato? Wenn nicht, würde der Hundeprinz nicht zögern den zu korrigieren. Allerdings würde er auch sagen, wenn der Leutnant seiner Meinung nach richtig lag. Menschen würden sich da zieren, aus persönlichen Erwägungen. Dämonen nie. Sie zuckte förmlich zusammen, als sie aus den Augenwinkeln bemerkte, dass eine Schiebetür auf der hinteren, linken Seite des Raumes einen Spalt weit geöffnet wurde. Sie erkannte seidene Gewänder und bloße Füße und bemühte sich zu Boden zu starren, um nicht zu erkennen zu geben, dass sie wusste, wer da eben aus dem kaiserlichen Schlafzimmer guckte. Sie war sicher, der Hundeprinz hatte ihn bemerkt, aber er blickte nur weiterhin aus dem Fenster, als er langsam sagte: „Nun, Sato, ich werde als Verteidiger argumentieren. Du hast sorgfältig recherchiert. Vor der Audienz kann Isamu Watabe nichts zugestoßen sein, selbst, wenn er nur innerlich verblutete. Jemand wäre das während des stundenlangen Wartens aufgefallen, erst recht beim Verneigen und Aufstehen vor dem Kaiser. Überdies ist zu bezweifeln, dass er dann noch eine klare Aussage hätte treffen können. Der schmale Flur aus dem Audienzsaal in den überdachten Gang bot allerdings Anlass zu einer genaueren Überprüfung. Dennoch: auch, wenn die Warteliste der Audienzsuchenden lang ist und die Besuche beim Kaiser genau geplant werden und zeitlich begrenzt ….es konnte niemand genau wissen, wann die beiden Watabes aus der Audienz gingen. Zum einen beginnt der Plan bereits um zehn Uhr vormittags und es war bereits gegen ein Uhr nachmittags als sie aufgerufen wurden, Verschiebungen sind da immer möglich, zum Anderen wäre ein Mann, der bei jedem Audienzbesucher um eine gewisse Zeit die Tür aufschieben will, sicher seinen Kollegen aufgefallen. Schreiber sitzen gewöhnlich nie allein. Zum Dritten: niemand konnte wissen, ob der Kaiser die Watabes anhören und wegschicken oder gleich verhaften und hinrichten lassen würde, was Takeru ja befürchtete. Viertens: auch ein zufälliger Mord ist nahezu auszuschließen. Falls ein Fusudo-freundlicher Mann rein zufällig seinen Arbeitsplatz verlassen wollte und die beiden Watabes erkannte – warum sollte er Isamu treffen? Nach der höfischen Regel hätte der jüngere Bruder hinter ihm gehen müssen, im Halbdunkel des Ganges, in der Hofkleidung waren sie für Menschen gewiss nicht zu unterscheiden. So stellt sich durchaus die Frage, ob nicht Takeru das Ziel war. Allerdings – warum? Den Befehl zu dem Massaker an den Fusudos und anderem gab Isamu, er war der Fürst. Sein jüngerer Bruder ist nicht einmal der Erbe. Was sollte sich jemand erhoffen. Aber gut, das Motiv … Das Wie ist das Entscheidende, nicht das Warum.“ Und Sakura begriff plötzlich, dass diese für Sesshoumaru geradezu ausufernde Rede an den Kaiser gerichtet war, nicht an Sato. Sicher ein Befehl des Inu no Taishou. Seine Lordschaft wandte sich um, noch immer erfolgreich so tuend, als habe er den Lauscher nicht bemerkt. „Wie. Du hast recht. Nicht vor der Audienz, nicht dabei und weder in dem schmalen Gang noch in dem Korridor später. Takeru sagte aus, und du hast dir sicher Bestätigungen eingeholt, dass sie immer noch hintereinander liefen, da sehr viele Männer unterwegs waren. Takeru ging voran, Isamu hinten. Selbst wenn ein Mann den Fürsten Watabe hätte ermorden wollen – es wäre ein ungemeines Risiko gewesen, geradezu Selbstmord, das in aller Öffentlichkeit zu tun, aus einer spontanen Regung heraus. Jemand, sei es andere Leute auf dem Gang, sei es aus den Fenstern um die Höfe, hätten sehen können, wie ein Mann stehen blieb, einen Dolch aus dem Ärmel zog und zustieß. Spätestens, wenn das Opfer zusammenbrach, wäre der Täter überführt gewesen. Nein, nicht da.“ Der Leutnant wagte einen irritierten Blick bis zu der Schleife um die Taille des Hundeprinzen. „Ja, so glaubt Ihr, dass Takeru seinen Bruder bei diesem scheinbaren Zuschlagen auf die Schulter ermordete?“ „Nein.“   Kapitel 9: Sesshoumarus Lösung ------------------------------ Der junge Hundedämon blickte auf den vor ihm knienden Leutnant, der hastig wieder zu Boden sah und die Hände vor sich ausstreckte, es allerdings vermied die Stirn auf den polierten Boden zu legen. Auch er hatte den Kaiser bemerkt und nahm an dieser könnte verstimmt sein, wenn er gegenüber einem Prinzen, sei er auch ein Dämon, zu große Höflichkeit walten ließe. Sesshoumaru fuhr ruhig fort. „Nein. Takeru ermordete seinen Bruder nicht vor aller Augen mit einem Schulterschlag. Aber natürlich ist diese Handlung verdächtig. Er wusste nur zu gut, dass Isamu unter dauernden Schmerzen litt, wahrscheinlich eine Verletzung der Wirbelsäule davongetragen hatte. Es wäre erstaunlich, wenn er sich nicht bei ihrem Heiler danach erkundigt hätte. Und er war nun einmal der Fürstenbruder, wenngleich nicht dessen Erbe. Das wäre sein ältester Sohn. Interessant, dass der Fürst Watabe seinen Bruder derart für unfähig hielt, aber das schien mir nach seinem Auftreten hier nur glaubhaft. Die Watabes scheinen ein überaus kriegerisch gesinnter Clan zu sein, jemand wie Takeru, der sich eher den ….schönen Dingen des Lebens zugetan fühlt….“   Sakura hätte fast über die Pause in dem sonst so nüchternen Vortrag gelächelt, wagte es jedoch wohlweislich nicht. Seine Eisigkeit hatte für Krieger eindeutig mehr Verständnis. Und da gab es ja auch noch diesen Fuchsprinzen vom Festland …   Der widerwillige Ermittler erläuterte weiter. „Dieser Posten sagte aus, beide Brüder Watabe haben ein unauffälliges Leben geführt, Takeru sei auch nie durch Unbeherrschtheit oder Unhöflichkeit aufgefallen. Warum also schlug er nun zu, lachte so laut auf, dass es allgemein auffiel? War er, wie er selbst angibt, einfach nur erleichtert, dass sie heil aus der Audienz herausgekommen waren? Emotionale Gefühlsduselei wäre durchaus ein Grund ihn als Fürsten auszuschließen. Oder hatte er einen anderen Grund, nachdem er ja schon beim Ausgang aus der kaiserlichen Audienzhalle bemerkt hatte, wie schwerfällig sich Isamu gerade heute bewegte, wie er selbst mehrfach aussagte? Er war auch der Einzige, außer Seiichi, der wusste, dass der Fürst Watabe aus Anlass des kaiserlichen Empfanges nicht die gewohnte, feste, Bandage aus Gips trug. Für mich stellt sich der Tatablauf wie folgt dar: Nachdem die Brüder sich die Schuhe an der Wartehalle wieder angezogen hatten, verließen sie den inneren Palastbezirk um zu dem Hof ihres Daimyo Kumamoto zu gelangen. Auch hier gilt: viele Männer unterwegs, Boten, Beamte. Ein Mordanschlag derart in der Öffentlichkeit wäre töricht. Die Beiden passierten die Posten am Tor zum Hof des Daimyo, die sie dann jedoch nur mehr halb beobachteten, ebenso wie die anderen Personen draußen und im Hof. Die Wachen wurden erst wieder aufmerksam als Takeru laut auflachte und konnten sehen – die Wachen, aber sicher auch jeder andere, den du befragt hast – wie dieser seinem jüngeren Bruder offenbar schwer auf die Schulter schlug, was der mit gewissem Zorn aufnahm. Ohne das Auflachen zuvor hätte wohl niemand ausgerechnet auf die Beiden geachtet. Isamu schimpfte noch immer und jeder Anwesende sah, wie sich Takeru wiederholt verneigte, wortreich entschuldigte, voran zum Zimmer seines Bruders ging und die Tür aufschob. Genau so hatte er es geplant. Denn jetzt verneigte er sich und ließ Isamu an sich vorbei eintreten. Laut Aussage der Wache drehte er sich dann und verneigte sich nochmals. Damit, in der aufwendigen Hofkleidung und der hohen Mütze, verdeckte er allerdings auch den Blick auf den Fürsten Watabe und seine eigenen Hände.“ „Ihr denkt ….“ wagte der Leutnant zu sagen. „Immer,“ kam die eisige Replik unverzüglich. „Die Stichverletzung verläuft von unten nach oben, laut Aussage des kaiserlichen Heilers. Erklärlich, denn Isamu ging nach Auskunft der Posten seit dem Schlag auf die Schulter gebückt und Takeru musste schnell handeln, um seinen Plan durchzuziehen, sich, die Familie und vor allem seinen Sohn vor dem Zorn des Kaisers zu schützen. Er besaß immerhin noch die Geistesgegenwart seinen Brieföffner gleich wieder zu ziehen und die Hand im Ärmel zu verbergen. Er war dennoch sicher sehr überrascht, als Isamu nicht wie geplant tot zu Boden stürzte – er sagte mir gegenüber zuvor aus, er sei ein Krieger, also sollte er gewisse Anatomiekenntnisse besitzen. Stattdessen hatte Fürst Watabe nur noch mehr Schmerzen, drehte sich um. Takeru wich zurück, tat erfolgreich so, als wollte er sich weiter entschuldigen, aber Isamu schloss die Tür und verriegelte sie. Takeru wandte sich ab und ging in sein eigenes Zimmer. Dieser Wachposten sagte aus, er habe dabei sehr irritiert gewirkt. Kaum aufgrund der Tatsache, dass sein Bruder zornig auf ihn war, eher aufgrund der Tatsache, dass dieser noch lebte. Aber er musste nun erst recht seine Deckung wahren. Dass Seiichi nicht eingelassen wurde, hatte ihn wohl zum Einen beruhigt, da nun auch niemand die Messerwunde sehen konnte, andererseits aber auch beunruhigt, ob Isamu nicht den Angriff überleben würde. Irgendwann würde der Diener dem Fürsten beim Auskleiden helfen. Es spricht durchaus für gute Nerven, dass Takeru seinen Bruder als krank bei dem Daimyo entschuldigte. Vielleicht ging er nachher noch einmal selbst hin, aber alles war ruhig. Er konnte kaum laut werden und durch den Riegel auch nicht nachsehen, ob Isamu nur so tief schlief wie meist oder doch tot war. So blieb ihm nichts als abzuwarten.“ Mit etwas Spott fügte der Dämonenprinz hinzu: „Ich vermute, er hatte keine sehr entspannte Nacht. - Der Fürst dagegen hatte erhebliche Schmerzen und wurde durch das innerliche Verbluten immer matter. Er legte sich wohl hin und bemerkte, dass es ihm immer schlechter ging. Warum also rief er nicht nach seinem Bruder? Selbst ein Mensch hätte es durch die Gitterwand aus Papier hören müssen. Die Antwort ist klar: er wusste plötzlich, was dieser getan hatte. Darum wollte er meines Erachtens auch nicht in das Bad, wo nur kaltes Wasser auf ihn gewartet hätte, sondern den Riegel öffnen, in den Hof. Auf dem Lager war kein Blut, da es wohl alles nach innen lief und das wenige Blut, das durch den Stichkanal austrat noch von den Kimono aufgefangen wurde. Als er jedoch auf dem Weg stürzte, besaß er weder die Kraft aufzustehen noch Hilfe zu holen. Ein Heiler könnte es genauer sagen, aber ich denke, dass sich durch den Sturz auch der Riss im Herzen und die Stichverletzung vergrößerten und das Blut mit jedem Herzschlag nun nach außen getrieben wurde. Natürlich ist das noch eine Theorie, aber Takeru selbst lieferte am folgenden Morgen noch einen Gegenbeweis für seine Unschuld. Er versuchte vergeblich den Riegel mit einem Brieföffner zu verschieben – mit der inzwischen bestimmt gereinigten Tatwaffe. Dann überredete er Seiichi die Tür aufzubrechen. Es hätte sicher auch andere Möglichkeiten gegeben den Riegel zu beseitigen, einen Draht, einen anderen Hebel, den ein Haushofmeister besitzen sollte, aber er wollte unbedingt schnell und rasch in das Zimmer Isamus. Und dabei passierte ihm ein Fehler. Seiichi sah seinen Herrn auf dem Boden und lief zu ihm, zog ihn hoch, wollte ihm helfen. Takeru dagegen rannte auf der vorgeblichen Mörderjagd in das Badezimmer, ohne sich weiter um seinen Bruder zu kümmern, ohne zu sehen, ob er ihm helfen könne. Sehr ungewöhnlich für einen Menschen, noch dazu für einen liebenden Bruder. Takeru. Das Wie spricht gegen ihn. Tatwaffe der Brieföffner. Übrigens, Sato, solltest du deinen Vorgesetzten darauf aufmerksam machen, dass es ungewöhnlich, um nicht zu sagen, undiszipliniert ist, Audienzbesucher des Kaisers nicht so zu durchsuchen, dass man einen scharfen Gegenstand in dessen Ärmel findet. Die Wachen in der Audienzhalle sind gewiss aufmerksam, aber ...“ „Ja, natürlich, Euer Lordschaft.“ Sato überlegte rasch, ob er das sagen dürfe, in dieser Gesellschaft, bewies dann jedoch erneut seinen persönlichen Mut. „Genau diese Tatsache erschien mir auch als ein Beweis seiner Unschuld, da ich ihn für unbewaffnet hielt. ICH hätte meine Leute dies überprüfen lassen.“ „Ohne Zweifel wird dies dein Vorgesetzter künftig veranlassen. Du darfst gehen und ihm Bericht erstatten.“ „Danke, Lord Sesshoumaru.“ Und nicht nur für diesen Rat, wahrlich nicht. Der Hundeprinz schloss kurz die Augen. Schön, das war erledigt, aber da wartete noch eine Kleinigkeit auf ihn. „Sakura – geh.“ Vater wollte ja, dass er sich mit dem Kaiser wie ein zivilisierter Dämon unterhalten sollte, sozusagen von gleichaltrig zu gleichaltrig. Nun ja. Noch wenige Minuten und er konnte hier wieder verschwinden.   Alleingelassen wandte sich Sesshoumaru seitwärts. Der junge Kaiser kam auch prompt in das Studierzimmer. Sie hatten sich am Morgen nur kurz zum ersten Mal gesehen. „So ist alles geklärt, Lord Sesshoumaru.“ Normalerweise verdiente das keine Antwort, aber Vaters Anweisung war klar. „Ja.“ „Ist dieser Leutnant unfähig?“ Echte Neugier lag in der Frage. Ein Mensch hätte mit der Antwort womöglich gezögert. „Nein. Er hat sehr gut recherchiert. Ihm fehlt nur die Lebenserfahrung die Indizien zu analysieren.“ Der Kaiser lächelte etwas und sah in das Gesicht des Dämons vor ihm. „Mein verstorbener Vater sagte mir, dass ein Wesen Eurer Art sehr viel langsamer altere als eines der unseren. Ich vermute daher nicht, dass Ihr jünger als ich seid – eher um Jahrhunderte älter. Ein Mensch kann es nie mit Eurer Lebenserfahrung aufnehmen. - Wie habt Ihr diesen Leutnant eigentlich kennengelernt?“ Höflich bleiben, ermahnte sich der Hundeprinz. Außer, er wollte ausprobieren, was seinem Vater als nächste Strafe einfallen würde. Immerhin war der Kerl, der ihm hier gegenüber stand – er STAND! - ein Nachfahre der Sonnengöttin. Und Vater würde es ihn mehr als deutlich spüren lassen, würde er ihm Ärger mit „ganz oben“ einbrocken. „Ein Mordfall. Er hatte jemanden verhaftet, den ich auf Befehl meines Herrn und Vaters verteidigen sollte.“ „Ich verstehe. Einige Mordfälle, also. Ich hoffe doch, dass der Leutnant lernfähig ist. - Natürlich werde ich Takeru Watabe hinrichten lassen.“ „Und den neuen Fürsten?“ „Das wird davon abhängen, was meine Cousine meiner Mutter berichtet. Aber, seien wir ehrlich, er musste seinem Onkel gehorchen, was die Eheschließung betrifft. Sein Benehmen danach ist das, was für mich zählt. - Oder, um auf Eure Lebenserfahrung zurückzukommen, seid Ihr anderer Meinung?“ Ach du je. Er sollte jetzt als kaiserlicher Berater fungieren oder was? „Leute, die man nicht wiedersehen will, bringt man um. Aber ja, gebt Takeo eine Chance. Ihr tötet seinen Vater wegen Brudermordes, das kann er Euch verzeihen und dennoch ein loyaler Diener sein.“ Hätte das Vater so gesagt? Ja, vermutlich. Ach, diese ganze Diplomatie war einfach nichts für ihn. Drauf und Ruhe, so wollte er es in Zukunft auch immer handhaben.   Sakura hatte sich an den Rand des kleinen Sees gesetzt, neben die blühenden, blauen Hortensien, um möglichst unauffällig zu sein, und sah den mit einem Ball spielenden Höflingen zu. Sogar jetzt und hier trugen sie aufwendige Kimono und diese eigenartigen, schwarzen, hohen Mützen, die natürlich Statussymbol waren. Warum nur hatte sie plötzlich den Eindruck, dass ein kleiner, in rot gekleideter, Junge mit einem Ball in der Hand dazwischen stand, den sie ignorierten? Sie streckte die Hand nach dem weißhaarigen Kind aus, aber es sah sie nur an und verblasste dann. Litt sie jetzt schon an Halluzinationen? Nun ja, sie hatte schon seit gestern Abend nichts mehr getrunken oder gegessen. Hoffentlich konnte sie bald im Gefolge Lord Sesshoumarus nach Hause. Hier im Palast hätte sie doch nicht gewusst … Oh. Sie erkannte erst jetzt, dass rechts von ihr, zurückgesetzt von den kaiserlichen Privaträumen, wohl der Küchentrakt war. Dort rauchte es zwischen den Bäumen. Natürlich, Dieser versorgte sowohl hier den Palast als auch den sogenannten Nordpalast, in dem die kaiserliche Familie wohnte. Etwas zu trinken wäre nicht schlecht, auch, wenn sie rasch wieder hier sein sollte, um für Anweisungen oder gar die Heimreise zur Verfügung zu stehen. Sie war sicher, dass … Nichts zu trinken, schloss sie aus der Tatsache, dass sich die Tür zum Studierzimmer etwas geöffnet hatte, aber die Heimreise.     **   Da war es wieder einmal aus dieser Reihe. Der nächste Krimi wird wohl wieder auss dem Alten Ägypten stammen, aber schon nächstes Jahr, werde ich beginnen eine HUndebrüdergeschcihte hochzuladen.     hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)