Lasst die Toten ruhn von Hotepneith (Der 31. Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 2: Der Polizeibericht ----------------------------- Leutnant Sato atmete einmal durch, ehe er, geübt in Berichten, begann. „Der Tote ist Isamu Watabe, ein kleiner Fürst, dem Daimyo Kumamoto zugehörig. Er und sein Bruder, Takeru, haben daher auch Zimmer am Schloss des Daimyo, vor der Tür des kaiserlichen Palastes. Diese Zimmer liegen an der Außenmauer des Schlosses, wie üblich, um den gesamten Hof. Es handelt sich um Einzelzimmer, die mit einem Hakenverschluss verriegelt werden können. Jedes Zimmer verfügt über ein eigenes, kleines Bad. Und sie besitzen keine Fenster, wenn man von einem kleinen Lüftungsschlitz oben im Bad absieht. Nach hinten ist die Mauer, jenseits derer liegen wieder Räumlichkeiten für die Gefolgsleute des nächsten Daimyo. Diese, so genannten, inneren Schlösser, werden von den Daimyo für offizielle Anlässe genutzt. Soweit ich weiß, dienten sie auch schon dem Kaiser als Residenz, falls das Schloss hier einmal abbrannte. Die beiden Watabes hatten an diesem Tag, dem Todestag des Kleinfürsten, auf Befehl des Kaisers eine Audienz bei ihm. Isamu Watabe war ein durchaus harter Mann und hatte in einer Fehde vor gut einem Jahr die Familie der Fusudo bekämpft und besiegt. Es gab ein Massaker, als Einzige überlebte Kaori Fusudo, die den Neffen des Kleinfürsten und ältesten Sohn Takerus, Takeo, heiraten musste. Da die Mutter des Kaisers aus eben dieser Familie, wenngleich aus der Hauptlinie stammt, war dieser nach seinem Amtsantritt natürlich an der Sache interessiert. Es gelang mir durch Befragungen den Tagesablauf der beiden Watabes zu rekonstruieren. Nachdem sie in ihren jeweiligen Zimmern gefrühstückt hatten, bereitete sie Seiichi, der Diener aus ihrem Clan, auf die Audienz vor. Festlich gekleidet gingen sie von dem Schloss des Daimyo in den eigentlichen Palast und betraten die Wartehalle für höfische Besucher. Ihre Schuhe blieben davor stehen. Das war um halb elf, das offizielle Leben bei Hofe hier beginnt um zehn. Diese Halle besteht aus drei verbundenen Räumen, in der die Besucher je nach Rang an den Wänden aufgereiht sitzen. Es gab also genug Zeugen dafür, dass die beiden Watanabe-Brüder dort waren. Sie wurden gegen dreizehn Uhr von einem Beamten abgeholt und durch die überdachten Korridore in die alltägliche Residenz des Kaisers gebracht. Das ist üblich. Dort sahen genug Beamte und Wachen sie. Sie lagen zu Füßen des Kaisers, der, wie es die Regel ist, hinter einem vergitterten Wandschirm saß. Niemand sieht das Gesicht des Kaisers.“ Der Leutnant erkannte an der leichten Handbewegung, dass der Hundeprinz erstaunt war. Trat der mächtige Kaiser Dämonen einfach so gegenüber? Aber da sollte er lieber nicht nachfragen. „Nach Ende der Audienz folgten sie wiederum einem Beamten durch einen Seitenausgang aus der Halle zu einem überdachten Gang. Dieser Korridor beginnt mit zwei Wachen, führt an mehreren Gebäuden vorbei und endet wieder an der Halle des Thronfolgers, gleich neben den Wartehallen. Dort verließ der Beamte sie um den nächsten Besucher zu geleiten, aber ich habe Zeugen, Wachen und Diener, sowie Höflinge, die sie beide sahen, wie sie ihre Schuhe anzogen und den eigentlichen Palast verließen. Sie gingen nebeneinander, schwiegen zumeist. Das einzige Mal, als einer etwas sagte, war bereits im Hof des Schlosses des Daimyo. Der jüngere Bruder lachte laut und hörbar erleichtert auf und schlug dem Älteren auf den Rücken. Dieser beugte sich nach vorne und schimpfte dann vernehmlich, warum Takeru keine Rücksicht auf seinen Schmerz nähme. Takeru selbst und auch der Diener bestätigten mir gestern unabhängig voneinander, dass Isamu eine Kriegsverletzung am Rücken habe, die ihm immer wieder Schmerzen zufüge, vor allem, wenn er still über Stunden sitzen müsse, wie eben in der Wartehalle. Von dem Liegen vor dem Kaiser wohl ganz zu schweigen. Ich fand einen Wachposten, der am Tor des Daimyo stand, der sah, wie die beiden Brüder anschließend zu ihren, wie erwähnt, nebeneinander liegenden, Räumen gingen, Isamu sichtlich schmerzgebeugt, da er wohl annahm unbeobachtet zu sein. Takeru sagte, und das bestätigte der Posten, er habe darum seinem Bruder auch die Tür aufgeschoben, Sie wechselten noch einige Worte, dann, das bestätigte mir der Mann ebenfalls und auch sein Doppelposten, sahen sie, wie Takeru sich abwandte und zu seiner Tür ging, offenbar etwas nervös oder verwundert, während Isamu die Tür schloss. Mit Nachdruck. - Offenbar verriegelte er sie auch von innen. Dort befindet sich an allen Türen ein kleiner Haken, der verhindern kann, dass jemand des Nachts eintritt. Später kam Seiichi, der Diener, um den Herren aus der steifen Hofkleidung zu helfen. Er fand Isamus Tür verriegelt vor. Dieser bemerkte aber, dass er da war, denn er rief ihm, mit hörbar schmerzlicher Stimme, zu, er solle gehen, er habe wieder Rückenschmerzen und würde sich allein zurecht machen, dann baden. Seiichi sagte mir, dass der Kleinfürst das öfter tat, wenn er die Kriegsverletzung aufbrechen spürte, und wunderte sich weniger, sondern ging zu Takeru, um dem zu helfen. Er ist sicher, dass es sich um die Stimme des Fürsten handelte. Als bei dem Abendessen, das der Daimyo gab, Isamu nicht erschien, wunderte sich Takeru, aber entschuldigte ihn als krank. Da er seinen Bruder aber am folgenden Morgen noch immer nicht sah und die Tür verriegelt war, überdies Seiichi dazu kam, brachen beide die Tür auf und fanden Isamu tot auf dem Boden liegend. Er trug noch immer den höfischen Kimono, wenngleich keine Kopfbedeckung. Seiichi lief zu ihm und stellte seinen Tod fest und Blut an seinem Rücken, worauf Takeru in das Bad rannte, um einen verborgenen Mörder zu finden. Die Tür war ja verriegelt gewesen. Es war leer. Danach lief er aus dem Raum und alarmierte die Wachen, die bereits mitbekommen hatten, dass etwas nicht stimmen konnte. Den gesamten Morgen über befanden sich Takeru und Seiichi unter den Augen der Wachen. Die Heiler untersuchten Isamu, so gut sie es hier verstehen. Sie sind Morde nicht gewohnt. Yasuo, der mir zugeteilte kaiserliche Heiler, sagte jedoch, es sei eindeutig der Stich eines Messers, direkt von hinten in das Herz. Der Stichkanal verlief von schräg unten nach oben, so dass man davon ausgehen kann, dass der Mörder von unten her zustach. Oder kleiner als Isamu war.“   Wunderbar, dachte Sesshoumaru zynisch. Jetzt war klar, warum der für einen Menschen doch intelligente Leutnant nicht weiter kam. Erstochen, in einem von innen verriegelten Zimmer. Das erinnerte ihn unangenehm an den letzten Termin dieses Richters … nun ja, der Mörder hatte es damals geschafft die Tatwaffe zu entsorgen und sich als Unschuldslamm zwischen die Anderen zu schieben. War das hier etwa auch der Fall gewesen? „Wurde irgendetwas aus dem Zimmer entfernt?“ „Nein, Lord Sesshoumaru. Da es sich augenfällig um Mord handelte, wurde unverzüglich der Leiter der kaiserlichen Wachen informiert, während Wachen und Neugierige vor dem Raum stehen blieben. Uyeda Fukuwara ließ den Toten wegschaffen und das Zimmer gründlich untersuchen. Ich habe die Berichte dazu hier….“ „Keine unauffällige, morgendliche, Routine?“ „Äh, nein. Es wurde sogar der … der Toilettenkübel nach einer möglichen Tatwaffe durchsucht, ehe er weggeschafft wurde.“ Die Nase des Hundeprinzen zuckte instinktiv bei dieser Vorstellung. „Die mögliche Tatwaffe?“ „Euer Lordschaft meint, ob ein Brieföffner oder ein jitte oder anderes? Das konnte mir der Heiler nicht sagen. Wie erwähnt, sie kennen sich hier nicht aus.“ Na schön, dachte der junge Dämon gepeinigt. Er musste den Fall lösen, sonst käme er hier nie weg. Vater war offenkundig wegen seiner kleinen Bemerkung über dessen seltsame Ausflüge zu einem menschlichen Schloss erbost genug gewesen ihm das hier aufzuhalsen. Ärger mit dem Herrn der westlichen Länder war etwas, was man auch und gerade als sein Sohn weiträumig vermeiden sollte. Dabei war der Scherz doch eigentlich klar gewesen – nun ja, sein verehrter Vater hatte es augenscheinlich als Beleidigung aufgefasst, dass er ihm eine Liaison mit einer menschlichen Prinzessin auch nur angedeutet hatte. „Ich will den Heiler und den Bruder sprechen.“ Isamu Sato vermied es wohlweislich Seine genervte Lordschaft darauf aufmerksam zu machen, dass er bereits deren Aussagen erhalten hatte. Sesshoumaru war seine einzige Hoffnung am Leben zu bleiben. Überdies fragte dieser, das wusste er aus Erfahrung, anders – und Menschen waren durchaus manchmal bei einem Dämon auskunftsfreudiger. So verneigte er sich nur. „Weitere Anweisungen?“ „Danach den Diener.“ „Sehr wohl.“ Der Leutnant wandte sich um und ging, nicht, ohne erfreut zu festzustellen, dass Sakura rasch mit einem Lächeln zu ihm aufgesehen hatte.   Die Heilerschülerin hatte durchaus bemerkt, dass ihr Verehrer in der Klemme steckte – umsonst hatte der sicher nicht an den Inu no Taishou um Hilfe geschickt. Ein Mord in einem von innen verschlossenen Raum, der noch dazu draußen von Wachen beobachtet wurde? Selbstmord war bei einem Stich in den Rücken eigentlich auszuschließen, es sei denn, dieser Kleinfürst hätte irgendeine besonders raffinierte Vorgehensweise ersonnen. Aber ein Gerät oder ähnliches wäre doch aufgefallen? Andererseits hatte Isamu Sato zwei Mal erwähnt, dass sich die Heiler und wohl auch die kaiserlichen Wachen nicht gerade mit Morden auskannten. Deswegen hatte er wohl auch diesen Auftrag erhalten – und kam nicht weiter. Sie wusste nicht viel vom Leben am kaiserlichen Hof, aber sie vermutete, dass es wie in jedem Schloss war – wer bei seinem Auftrag patzte, wurde bestraft, nicht selten mit dem Tod. Der arme Isamu steckte wahrlich in der Klemme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)