Von Peking bis Barcelona von Flokati ================================================================================ 10 - Welcome to the Madness --------------------------- „Glückwunsch, Yuuri!“, ruft mir Phichit entgegen, der scheinbar mit Chris zusammen auf uns vor der Halle gewartet hat. „Das war so knapp, es tut mir echt Leid für euch!“ „Kann man nichts machen...“, entgegne ich, aber Chris hebt seine Augenbraue verdächtig. „Du hast ihn gelinkt?“, fragt er an Viktor gerichtet. „Wer, ich? Niemals“, beschwert sich Viktor sofort, aber ich stutze doch etwas. „Der Einzige, den ich gelinkt habe, bin ja wohl ich selbst.“ „Genau deswegen, Viktor. Du kannst es nicht haben, wenn andere das letzte Wort haben“, stichelt Chris weiter. „Ich kenn‘ dich, das muss an dir nagen. Dein kleiner Eros übertrumpft dich einfach mal so aus dem Nichts und das, nachdem der Giftzwerg dich auch schon übertrumpft hat. Da würd' mir auch der Hut hochgehen. Dass du überhaupt noch die Füße still hältst, ist eigentlich ein Wunder.“ „Er kommt zurück aufs Eis“, werfe ich in die Runde und Chris sieht mich verblüfft an. „Weißt du, Chris, ich kenne ihn mittlerweile auch ganz gut. Mir ist bewusst, dass er immer das letzte Wort haben muss, dass Arschkeks sein zweiter Vorname ist und dass ich bescheuert wäre, nicht anzunehmen, dass er nicht irgendwo seine Finger mit drin hatte.“ Chris sieht aus, als wüsste er gerade nicht, was er mit dieser Aussage anfangen soll. „Aber ich weiß, warum er das getan hat“, sage ich und schaue einen nicht weniger überraschten Viktor an. „Wenn er das gemacht hat, dann doch nur, weil ich schon wieder zu blind war, das Offensichtlichste zu begreifen.“ „Und das wäre?“ „Dass er es wirklich ernst meint“, antworte ich. „Viktor kann sich und seine Gefühle nicht gut mit Worten ausdrücken. Aber auf dem Eis kann er es und es hat bis jetzt gedauert, dass ich das wirklich verstanden habe. Und wenn ich ehrlich bin, dann will ich auch nichts anderes mehr.“ „Bon?“, antwortet Chris und sieht Phichit mit einem fragenden Blick an, aber meine Anspielung war zu viel für Viktor. „Es ist spät“, sage ich auffordernd, bevor gleich wieder Land unter ist. „Wir sollten schlafen gehen.“ „Übertreibt es nicht“, meint Chris mit einem hämischen Grinsen, aber ich winke ab. „Nicht vor der Hochzeit, Chris“, erwidere ich trocken. Sofort rümpft er pickiert die Nase und Phichit reißt die Augen auf, entsetzt darüber, dass man von Worten keine Fotos machen kann. Viktor beginnt kurz darauf zu kichern, dann zu lachen und umarmt mich. Er weiß genau, von wem ich diese Qualität Antworten gelernt habe. Grand Prix Finale, Barcelona. 11. Dezember 2016: EXHIBITION Es ist die größte Exhibition, an der ich bis her teilgenommen habe. Ich habe zwar unzählige im Fernsehen gesehen, aber ich war noch nie selbst ein Teil davon. Der Ablauf ist dem einer kleineren Exhibition in den Vorentscheiden ähnlich, aber es ist das Erreichte und die Aufmerksamkeit, die den Unterschied ausmachen. Mein Herz pocht wie verrückt, aber zum ersten Mal pocht es vor Vorfreude auf das, was vor mir liegt. Noch trage ich brav meine Trainingsjacke geschlossen über meinem blauen Jackett, aber das auffälligste Accessoire, das ich gerade bei mir habe, lässt sich nicht so einfach verstecken: Nämlich Viktor selbst. Die Trainer befinden sich zwar während der Exhibition auch mit im Backstagebereich, aber in der Regel tragen sie kein Kostüm und vor allem keine Schlittschuhe. Auch wenn niemand Viktors Kostüm unter seinem Trenchcoat sehen kann, die Schlittschuhe fallen einem durch die goldenen Kufen sofort auf. Viktor grinst wie ich auch nur noch dümmlich vor sich hin, weil er weiß, wie sehr er zwischen den eigentlichen Teilnehmern auffällt. Einige beobachten ihn amüsiert, doch die Mehrheit teilt trotz angekündigtem Comeback dieselbe Verwunderung über seine Anwesenheit. Ich bin mir nicht mal sicher woher das kommt, aber dass etwas im Busch ist, kann sich jeder, der uns backstage sehen kann, denken. Ungeachtet dieser Blicke jedoch funkeln Viktors Augen nicht weniger wie das Eis vor ihm und ich kann nicht anders, als seine Hand noch fester zu greifen, wie ich es eh schon die ganze Zeit tue. Er ist wieder da, wo er hingehört. Obwohl das Finale vorbei ist, hat keiner von uns seinen Ring abgelegt. Wir tragen sie auch jetzt noch und so langsam wird es Zeit, dass auch ich mir bewusst werde, wo ich hingehöre: Genau hierher, an seine Seite, und wir sind bereit, der Welt zu zeigen, dass uns ab jetzt nichts mehr auseinander bringen kann. --------------------------------------------------- „Mila, mach hin!“, halte ich sie an, weil sie mir immer noch nicht sagt, dass ich die Augen wieder aufmachen kann. „Wenn du nur halb so viel meckern würdest, wäre ich schneller fertig.“ Ich schnaube. Das Gefühl von diesem Pinsel auf den Augenlidern nervt tierisch! „Dann habt ihr deine Exhibition gestern Nacht noch umgestellt?“, fragt sie. „NEU, Mann, nicht umgestellt. Sieht man ja wohl, Sherlock.“ „... Otabek muss echt Nerven haben, wenn er sich von deiner rotzigen Art nicht beeindrucken lässt.“ „Er ist mein Freund.“ „Ahahahaha, ja klar“, gackert sie, dann pinselt sie am anderen Auge rum. „Was war eigentlich los? Du hast Gold gewonnen und nur Trübsal geblasen. Deinem Gesicht nach zu urteilen, hättest du die Medaille am liebsten in die Ecke gefeuert.“ „Das geht dich 'n Scheiß an“, pampe ich zurück. „Aber gut genug zum Schminken bin ich, ja?“ Sie setzt den Pinsel ab, ich öffne sofort die Augen. Dass Weiber nicht nur nervtötend sozial, sondern auch immer noch sofort beleidigt sein müssen, wenn man ihnen nicht alles auf'm Tablett serviert. „Die feige Sau rennt weg“, sage ich schließlich. „Viktor hat sein Comeback schon an die große Glocke gehängt. Katsudon hört auf, damit Viktor wieder aufs Eis kann.“ Mila hebt die Augenbrauen. „Und das ist alles?“ „Was heißt hier alles?! Der haut 'nen Weltrekord raus und gibt niemandem mehr die Chance, direkt gegen ihn anzutreten? Das kann er sich abschminken!“ „Ah, und was ist jetzt dein Plan?“ „Die Exhibition, Mann. Ich kann das andere Ding nicht laufen, weil's dasselbe ist wie die Kür. Ich will, dass ihm wenigstens noch einmal der Kiefer runterklappt! Heute ist mein Moment!“ „Dann mach' die Augen zu, ich bin noch nicht fertig“, sagt sie und bürstet den Pinsel wieder durch den schwarzen Lidschatten. Dann setzt sie wieder an, umfährt meine Augen und tupft in meinem Gesicht rum. „Meinst du nicht, Viktor hat was dagegen?“ „Tz, wieso sollte er?“ „Naja, hast du nicht Yakov brühwarm erzählt, Viktor habe gesagt, der andere Yuuri muss erst eine Goldmedaille gewinnen, bevor geheiratet wird?“ „Ja und?!“ „Und hast du nicht auch herum geflucht, dass Viktor dir noch vor deiner Kür gesteckt hat, dass er aufs Eis zurückkommt und dass er irgendwas geredet hat von wegen er habe die falsche Wahl getroffen? Viktor würde niemals zugeben, eine falsche Wahl getroffen zu haben. Schon gleich gar nicht dir gegenüber.“ Ich springe vom Stuhl auf, Mila flucht, dass ich sitzen bleiben soll, aber was zur Hölle?! Hat Viktor mir das am Ende bloß aufgetischt, dass ich an seiner Stelle Katsudon nen Grund liefere, nicht aufzuhören, oder was?! „Nimm's locker, Yuri. Viktor ist so“, grinst Mila und tätschelt meinen Kopf, als wär ich fünf und hätt dem Schnuller im Tausch gegen nen Lolli hinterher geheult. „Dafür lieben wir ihn doch irgendwie, oder? Weil er uns alle mit seiner Art fasziniert.“ Sie sind tot. Sowas von tot! Der Alte und Katsudon können sich auf was gefasst machen! Meine Exhibition wird einschlagen wie eine Bombe! Der neue Sieger hier bin ich, Yuri Plisetsky! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)