Von Peking bis Barcelona von Flokati ================================================================================ 6 - Barcelona Christmas Market ------------------------------ 01. Dezember 2016, Hasetsu „Hm, Yuko, Nishigori?“ Verwundert sehe ich beide an, weil sie dastehen, als wollten sie unbedingt etwas loswerden. Ich versteh schon, dass es ungewöhnlich ist, dass ich mich in der Halle alleine fertigmache. Viktor ist noch zuhause und kümmert sich um unser Hotel und den Flug nach Barcelona und wartet nebenbei noch auf Cedex, weil sein Kostüm zu Stammi Vicino heute ankommen soll. „Wo ist deine bessere Hälfte?“, fragt Nishigori, streckt den Hals und sieht sich um, ob er Viktor nicht doch irgendwo erspähen kann. Yuko sieht mich weiterhin erwartungsvoll an. „Ok, was ist los?“, frage ich, denn ihr Verhalten ist sehr verdächtig. „Das wollten wir dich fragen“, lächelt Yuko etwas verlegen. „Nichts ist los, außer dass das Finale bevorsteht“, antworte ich irritiert. Und das ist eigentlich auch genug, wenn ich das mal so sagen darf. „Viktor“, erklärt sich Yuko. „Er wirkt unglaublich glücklich. Richtig zufrieden, ausgeglichen – kein Vergleich zu dem, als er hier angekommen war.“ „Und das könnt' man auch über dich sagen!“, pflichtet Nishigori bei und ich habe schon wieder einen Arm unsanft auf meiner Schulter liegen, „Letztes Jahr haste fast am Rad gedreht so kurz vorm Finale und im Moment biste die Ruhe selbst. Ist der Sex mit Viktor so gut?!“ „Nishigori!“, heule ich auf und er grinst so breit, wie er nur kann. Als ob das irgendwas mit meiner inneren Ruhe zu tun hätte! Ich bin ganz sicher nicht die Ruhe selbst! Vielleicht etwas entspannter. Aber wie entspannt, das geht ihn gar nichts an...! Er lässt mich los und ich bin froh, dass mein Schlüsselbein noch heil ist. „Wirste ihn fragen?“ „Eh, was?“ „Na, fragen! Weißte doch, fragen halt.“ Ich verstehe nur noch Bahnhof und wende mich hilfesuchend an Yuko. Sie lächelt weiter, aber die Verlegenheit nimmt zu. „Wir haben uns gefragt - weil ihr doch diese Exhibition plant - ob du vielleicht, naja, in Betracht ziehst, ihm einen Antrag zu machen?“ Mir stürzt das Gesicht fast ab. Bitte was zur Hölle geht mit den Beiden?! „Ihr seid noch nicht lange zusammen, das ist uns schon klar... Aber ihr wirkt so verliebt, so unglaublich mit euch im Reinen, als hättet ihr schon immer zusammengehört und das Programm… jetzt, wo ihr es zu zweit lauft, ist es schon so ein bisschen wie eine Hochzeit, oder?“, erklärt sich Yuko und wird dabei rot. Ich kann darauf gar nichts sagen. Das sind zu viele Dinge, die ich nicht unter einen Hut bringen kann. Im Grunde habe ich, mehr oder minder, bereits um seine Hand angehalten – aber nur als mein Trainer, dass er noch bei mir bleibt, bis ich zurücktrete. Viktor muss zurück aufs Eis. Dass er sich wieder erinnert, der Schneeflockentanz, dass er die Exhibition mitlaufen will, dass er wieder ein Ziel verfolgt... All das spricht dafür, dass er sich danach sehnt. Deswegen geht es überhaupt nicht, dass ich ihm eine solche Frage stelle, die übers Ziel hinausschießt, egal was ich gerne will...! Diese Frage kommt nicht in Frage, auf gar keinen Fall! Yuko wartet geduldig auf meine Antwort und ich überlege fieberhaft, was ich sagen sollte, als ich Viktor nach mir rufen höre. Sie und Nishigori fahren zusammen; er kommt zu uns in die Halle, alles bis auf das Cedexpaket landet auf dem Boden und ich werde sofort umarmt, weil wir uns furchtbar lange dreißig Minuten nicht gesehen haben. „Ich hab die Kostüme dabei!“, strahlt er und hält mir das Paket unter die Nase, „Los, mach's auf!“ „Moment mal, was heißt hier 'die Kostüme'?“ Ich bin sicher ich habe mich verhört. „Yuuri... Wenn schon, denn schon!“, schmollt er, als wäre das das Normalste der Welt. Ich hoffe einfach, das ist ein Witz. Es muss einfach ein Witz sein, alles andere könnte ich glaube ich nicht verkraften. Vorsichtig ziehe ich an der Lasche und auf den ersten Blick sehe ich Schwarz, Purpur und Blau. Blau. Viktors Kostüm hat kein Blau. Ich glaube, mein Herz bleibt stehen. Ungeschickt und mit einem Puls von weit über Normalwert greife ich in das Paket und ziehe den schwarzen Teil heraus, der von durchsichtiger Plastikfolie geschützt wird. „Das sind die Hosen und Oberteile“, kommentiert Viktor mit einem prüfenden Blick und nimmt mir sie mir ab, „Zwei Paar, oder? Ich hab meiner Schneiderin die Maße von deinen Kostümen gegeben, das sollte also passen.“ Oh Gott, nicht wirklich...?! Gedanklich mache ich mir sofort eine Notiz, dass ich Russisch lernen muss. Ich habe immer das Gefühl, dass er, wenn er mit irgendwem in Russland telefoniert, irgendwelche Sachen ausheckt und jetzt stehe ich da mit einem Paket, dessen Inhalt meine Knie in Wackelpudding verwandeln kann. Allein die Idee, für die blanke Möglichkeit, dass ich wirklich Gold gewinne, ein extra Kostüm zu ordern, überfordert mich völlig! Ich greife erneut in das Paket und halte Viktors Weltmeister-Jackett in Purpur und Rosa in der Hand. Der Stoff fühlt sich trotz Schutzfolie unfassbar leicht und geschmeidig an, aber die Schulteraufsätze sind doch schwerer, als ich dachte. Viktor schnappt es sich direkt aus meiner Hand. „Miss Piggy! Lange nicht gesehen!“ „Was?!“, platzt es aus mir heraus. Yuko und Nishigori sind sich auch unschlüssig, ob sie meinem Entsetzen folgen oder doch lieber lachen sollen. „Wieso nicht?“, fragt Viktor und schaut mich nahezu unschuldig an, „Yakov sagte das, als er das Kostüm zum ersten Mal gesehen hat. Er sagte, ich sähe aus wie Miss Piggy, weil es rosa ist. Ab dann hieß das Kostüm eben so. Ist kürzer als Stammi vicino, non te ne andare.“ Klar, warum nicht... Irgendwie bin ich ja froh, dass im Karton nichts Grünes ist, denn auf Kermit den Frosch hätte ich nicht direkt Lust. Viktor betrachtet weiter sein Jackett, erst von vorne, dann von hinten, dann legt er es über seinen Arm und sieht mich auffordernd an, endlich das letzte Kleidungsstück aus diesem Paket zu ziehen. Ich atme noch einmal tief durch, greife schließlich in den Karton und dann halte ich es in der Hand. „Der Wahnsinn, Yuuri, zieh‘ es an!“, brüllt mir Yuko sofort entgegen, während Nishigori so aussieht, als müsste er seinen Unterkiefer unter der Bank suchen gehen. Auch wenn ich es nur zusammengefaltet in Folie vor mir sehe, ich weiß gar nicht, was ich sagen könnte. Es ist Seins. In Blau. Royalblau dort, wo seines Purpur ist und Hellblau, wo er Rosa hat. Vor lauter Aufregung fummele ich ungeschickt an den Klebestreifen und dann fühle ich den Stoff mit meinen Fingern. Es hat die gleiche Leichte, die gleichen, goldenen Borten und die gleichen winzigen, aufgesetzten Kristalle. „Yuuri, steh nicht dumm rum, mach‘ endlich!“, drängt Yuko weiter, „Es ist perfekt, es ist Deins, genau Deins!“ „S-soll ich das jetzt einfach über mein Sweatshirt ziehen?“, frage ich unschlüssig, denn das würde diesem kleinen Wunder wohl kaum gerecht werden. „Ich habe Hemden zum Anprobieren mitgebracht. Ich will eine Idee davon bekommen, wie es zusammen wirkt“, erklärt Viktor und deutet auf den Rucksack, „Ich hatte Weiß dazu an, aber das sähe nicht gut aus wegen deinen Haaren. Der Kontrast wäre zu groß. Schwarz passt besser.“ Ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll. Oder sagen könnte. „Gefällt es dir nicht?“, fragt er mich irritiert. „Viktor, ehrlich“, antworte ich, begleitet von unwirklichen Glücksgefühlen, die sich in meinem ganzen Körper breit machen, „Natürlich gefällt es mir. Wie sollte es mir nicht gefallen...!“ Er sieht mich skeptisch an und legt den Kopf schief. Wahrscheinlich wartet er darauf, dass er noch ein Küsschen als Bestätigung bekommt, dass ich die Wahrheit gesagt habe und ihn lieb habe. Er ist so ein Depp... Ich seufze. Es gibt jetzt kein Zurück mehr. Ich muss alles geben, den Flip meistern und Gold für ihn gewinnen. Nach allem was er getan hat, darf er am Ende nicht mit leeren Händen dastehen...! „Ihr werdet fantastisch aussehen, Yuuri“, sagt Yuko lächelnd, „Ich kann es kaum erwarten, euch beide laufen zu sehen!“ „Ganz ohne Frage“, grinst Nishigori. …Vielleicht gäbe es doch eine Möglichkeit. Ich hasse mich für meine dummen Ideen. Der Teufel soll mich holen, wenn ich das wirklich tun sollte. Barcelona Christmas Market, 7. Dezember 2016 Ich könnte mir in den Arsch beißen. Der Tag in Barcelona hat so gut angefangen und jetzt ist Viktor sauer wegen so vielen Dingen. Das Training am Morgen verlief ohne größere Probleme und Viktor hat meinem Vorschlag, auf ein Date zu gehen, ohne Verdacht zu schöpfen zugestimmt. Er ist da leicht zu durchschauen, denn was gibt es Besseres für ihn als meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit? Er hat Spaß daran, mich herumzuführen und es war wirklich gut gelaufen, vom Besichtigen der Sehenswürdigkeiten bis hin zum Paella essen im Restaurant und unserer kleinen Einkaufstour durch die Stadt. Aber dass er aber auf die Idee kommen würde, mir einen Anzug als Geburtstagsgeschenk kaufen zu wollen, obwohl mein Geburtstag schon mehr als eine Wochen her ist, war keinesfalls Teil dieses Plans gewesen. Abgesehen davon, dass mein Anzug gar nicht so schlimm ist, wie Viktor es behauptet, hat mich der Vorschlag völlig aus dem Konzept gebracht. Ich bin mir bewusst, dass ich sein Angebot nicht so vehement hätte ablehnen sollen, aber es hätte einfach zu viel Zeit gekostet. Einen Anzug kauft man nicht ein paar Minuten und das Wichtigste für heute fehlt mir immer noch, sodass ich stur geblieben bin und wir diskutiert haben, bis er schließlich missmutig aufgab. Viktor wollte sich gerade von mir seine Taschen geben lassen, als mir auffiel, dass zu allem Überfluss eine von seinen, nämlich die mit den karamellisierten, spanischen Mandeln, fehlte. Wir sind so schnell es geht zurück zu der Bank vor der Casa Batlló geeilt, aber wie man es in jedem Reiseführer für Barcelona lesen kann, hatte die Tasche längst Füße bekommen. Es war schon zu spät, um neue Mandeln zu kaufen und Viktor machte gute Miene zum bösen Spiel, aber an seinem Tonfall konnte ich hören, dass er überaus verstimmt war. Er wollte daraufhin zurück zum Hotel, lief aber an der ersten Metrostation einfach vorbei, ohne sie wahrzunehmen. Ich hielt es für besser, einfach nichts dazu zu sagen und ihm zu folgen, denn irgendwie schien es, als wäre jedes Wort eines zu viel. Wir hatten bereits das Gotische Viertel erreicht, als plötzlich etwas sehr Helles mein Interesse auf sich zog: Vor einer riesigen Kathedrale war ein Weihnachtsmarkt aufgebaut, mit vielen Ständen und Holzbuden, Girlanden und funkelnden Winterdekorationen. Die Lichter leuchteten warm und einladend, Menschen mit glücklichen Gesichtern kamen und gingen und der Geruch von süßen Churros und Zimt stieg in unsere Nasen. Auch Viktors Blick hing auf dem weihnachtlich-kitschigen Ambiente vor uns. Ich fasste mir ein Herz und fragte ihn in der Hoffnung, dass ein Gang über den Markt seine Laune etwas bessern würde und in Gedanken versunken stimmte er zu. Seit gut einer Viertelstunde laufen wir jetzt also schweigend nebeneinander zwischen den Ständen auf dem Markt entlang. Viktor trinkt hin und wieder einen kleinen Schluck von seinem Glühwein, den er sich gleich am ersten oder zweiten Stand gekauft hat. Sein Blick weicht meinem aus und er betrachtet viel mehr die Luft als irgendetwas anderes. Ich möchte gerne etwas zu ihm sagen, aber ich weiß nicht was. Meinen ursprünglichen Plan werde ich wohl nur noch durch eine Fügung des Schicksals umsetzen können, dabei war es mir so wichtig, dass dieser Tag ein schöner Tag für Viktor wird. Ich seufze, schaue mich weiter um. Wir sind schon an ein paar Händlern vorbeigekommen, die vielleicht etwas Ähnliches verkaufen könnten, wonach ich suche, aber es fühlt sich irgendwie nicht richtig an. Es soll für uns beide sein und ich will nichts übers Knie brechen. Vielleicht würde er auch noch etwas entdecken, das ihm gefällt und das ich auch bezahlen könnte, aber darauf sollte ich mich nicht verlassen. Es wäre auch nur die letzte Möglichkeit, wenn gar nichts anderes mehr ginge. Ihn zu entlassen, ohne dass ich etwas hätte, dass meine Dankbarkeit ausdrückt, will ich nicht riskieren... Ich seufze. Den Rest des Tages weiterhin mit missmutigem Schweigen zu zubringen, liegt allerdings genauso wenig in meiner Absicht. Ob ich ihn einfach fragen sollte? Es wäre allemal besser, als wortlos nebeneinander herzulaufen und nichts zu tun. Ich sollte lediglich versuchen, ihn so unauffällig wie möglich anzusprechen: „Viktor, du hast doch an Weihnachten Geburtstag, nicht?“ „Hm,“ sagt er, sieht etwas irritiert zu mir herüber und nimmt den Becher vor den Mund. „Wünscht du dir etwas?“ „In Russland feiert man den Geburtstag eigentlich nicht vor“, antwortet er knapp. „Und Weihnachten auch nicht.“ „Oh, verstehe...“, antworte ich und versuche, meine Enttäuschung zu verbergen. Damit ist wohl auch meine letzte Hoffnung gestorben, wenn nicht noch ein Wunder passiert. „Yuuri, willst du probieren?“ fragt er und hält mir den Becher hin. „Vor Wettkämpfen trinke ich nicht“, lehne ich freundlich, aber bestimmt ab. „Stimmt ja...“ murmelt er abwesend, aber seine Frage beruhigt mich. Wenn er teilen will, will er sich vertragen. Er ist nicht mehr böse. Vielleicht sollte ich doch nicht vorschnell aufgeben. Solange wir noch unterwegs sind, würde sich vielleicht noch eine Chance auftun. Es muss doch irgendwas geben, irgendetwas... Mein Blick fällt just in diesem Moment auf ein Geschäft abseits des Weihnachtsmarkts mit einer großen, blauen Markise und einer elegant geschwungenen, weißen Schrift. Kann es sein, das es das ist, was ich denke? Mein Herz schlägt schneller als mich meine Schritte dorthin tragen, um mich zu vergewissern, dass ich es wirklich das sein könnte, wonach ich gesucht habe. Und ich glaube, ich habe Recht! Oh Gott. Ich darf jetzt keine kalten Füße bekommen...! Es ist für uns. Für ihn, weil ich es ihm schuldig bin und für mich, dass ich das wahrmachen kann, was wir uns beide wünschen. „Viktor, lass uns hier reingehen!“ ------------------------------------------------------------ Huh? In den Laden da, Yuuri? Was willst du denn da, das ist doch ein Juwelier...? „Los, Viktor, komm'!“ Jetzt im Ernst? Du hast einen Juwelier gesucht...? Puh, Yuuri, du kommst auf Ideen. Ein Souvenir für deine Mutter? Für deine Schwester kann ich mir das kaum vorstellen. Außer Piercings trägt sie keinen Schmuck, schon gleich gar nicht in dieser Preiskategorie, außerdem sollte sie doch mittlerweile schon hier gelandet sein? Ich folge Yuuri in den Laden, aber beschließe, ihn einfach machen zu lassen. Er wird mich nicht brauchen. Aber irgendwie ist mir etwas komisch. Weil Yuuri komisch ist. Dass er überhaupt in die Stadt gehen wollte, war schon komisch. Mein Blick wandert ziellos durch den das Geschäft und bleibt doch wieder an Yuuri hängen. Er wirkt unglaublich nervös. Ich kann es sehen, ich kann es sogar fühlen. Und das macht mich jetzt auch nervös. „Können Sie mir die hier vorne einmal zeigen?“ „Das Paar hier vorne?“, fragt die Verkäuferin und wundere mich. Paar? Das Einzige was man in Paaren kauft, sind doch Ohrringe...? Aber für Hiroko? Trägt sie überhaupt welche? „Und die Größe, bitte?“ Größe? Ohrringe haben doch keine- ... Himmel! Es geht doch nicht etwa um...?! „Viktor, weißt du das?“ Yuuri... Das ist nicht dein Ernst? Ich glaube, ich vergesse mich... „Für dieses Modell haben wir verschiedene Größen hier, Siñor. Aber wenn Sie mögen, versuchen wir es einfach mal? Der Größere ist für Sie?“ Die Verkäuferin lächelt Yuuri freundlich an und ich will eigentlich nicht mehr zuhören, aber Yuuri schüttelt den Kopf, deutet auf mich und antwortet: „Nein, für ihn.“ Das darf doch nicht...! Meine Augen hängen wie gebannt an dem fest, was die Verkäuferin in einem kleinen Tuch zu mir trägt. Sie lächelt mich beinahe so an, als hätte sie Mitleid mit mir, dass mir das so unvorbereitet passiert. „Sie können mir Ihre Tasche geben.“ Ich stelle sie einfach ab. „Links oder rechts, Siñor?“ „Rechts“, höre ich Yuuri sagen. „Ihre rechte Hand, bitte. Und den Handschuh müssten Sie ausziehen.“ Ich bin völlig überfordert mit der Situation. Und traue mich nicht mal, weiter hinzusehen. Ich schließe fest die Augen, spüre die Finger der Verkäuferin an meiner Hand, das Tuch, dann... Das kommt zu plötzlich. Mir ist heiß, mir wird kalt... Yuuri! „Was meinen Sie?“ „Gut“, bestätigt er und ich petze die Augen noch fester zusammen. Die Angestellte nimmt mir das kleine Gewicht vom Finger, aber ich spüre es immer noch. Ich kann mich nicht rühren, mir ist so schlecht. Als wollte mir das Herz aus der Kehle springen und mich dabei ersticken. Am liebsten würde ich schreiend aus dem Geschäft rennen, aber mir fehlt es an Kraft, an Stimme, an allem. Der Drang ist da, aber er stürzt sofort ohne Halt eine Klippe hinunter und verhallt im Nichts. Vorsichtig sehe ich wieder zu Yuuri hinüber. Er steht vor dem Tresen, mit dem Rücken zu mir gewandt, dass ich nicht genau sehen kann was passiert. „Mit Karte. In Raten, bitte.“ Ich bin fassungslos. Sie packt alles in eine Schachtel. In eine Tüte. Yuuri, was tust du mir gerade an? Ich hab doch gesagt...nicht vor irgendwas... Du hörst mir nicht zu! „Viktor, los, komm mit!“ Er drückt mir meine Tasche wieder in die Hand, packt meinen Arm und zieht mich hinter sich her. Ich habe kein Gefühl mehr in den Beinen und laufe ihm durch das Getümmel des Weihnachtsmarkts hinterher, zurück in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Obwohl meine Augen fest auf den gepflasterten Boden gerichtet sind, stolpere ich fast über eine Stufe. Ich wage nur einen kurzen Blick nach vorne. Heiliger Bimbam. Die Kathedrale?! Da willst du hin?! Yuuri, nein... das kann nicht, ich... Yuuri, wird das etwa... lieber Himmel... das... Ich glaube, der Glühwein kommt wieder hoch. „Yuuri, stopp!“ Ich kann nicht mehr. „Viktor?“ „Bleib‘ kurz... warte. Bitte...“ Meine Beine zittern, mein ganzer Körper zittert. „Alles in Ordnung bei dir, Viktor?“, fragt er, gerötete Wangen, aber sein Blick scheint so fest entschlossen. Ich atme tief durch. Herr im Himmel, wenn es so ist, lass es nicht enden. Yuuri... hast du das wirklich vor? „T-tut mir Leid, i-ich wollte nicht so zerren. Kommst du?“ Ich nicke. „Ja.“ Seine Hand findet schüchtern zu meiner, er lächelt verlegen und führt mich weniger hektisch die Stufen hinauf. Wollte er deswegen mit mir auf ein Date? Zu einem Stadtbummel und über den Weihnachtsmarkt? Um unbehelligt einen Juwelier suchen zu können? Yuuri, du bist einfach unglaublich... Sein Griff wird wieder fester, wahrscheinlich vor Nervosität. Du musst keine Angst haben... Vor dir würde ich niemals weglaufen, aber du schaffst mich gerade. Wir laufen den Gang entlang an einem singenden Chor vorbei, erklimmen einige Stufen am äußeren hinteren Rand und bleiben vor einem Gitter stehen. Yuuri stellt die Taschen auf die Seite, nimmt mir meine ebenfalls ab und öffnet ungeschickt die blaue Schachtel. Die kleinere Hälfte drückst er mir hastig in die Hand. „Tu' das noch kurz in deine Jackentasche“, erklärst du, aber mein Blick bleibt auf sein hochrotes Gesicht gerichtet. „G-gib mir deine rechte Hand, Viktor.“ …Yuuri. Ist das die Antwort auf den Sturm, der in dir tobt? Willst du es vorziehen, dass du dir sicher sein kannst, dass ich bei dir bleibe? Menschen, die sich in die Ecke drängt fühlen, sind zu höchst unerwarteten Handlungen fähig... Aber genau dann zeigt sich oft, was sie wirklich wollen und dass sie in der Lage sind, Grenzen zu überschreiten. Und du hebst gerade die Welt aus den Angeln, Yuuri. Diesmal schließe ich die Augen nicht. Der Handschuh verschwindet zum zweiten Mal für diesen Abend von meiner Hand. Ich höre Glocken läuten, sehe deine Hände, wie sie etwas Rundes und Goldenes an meinen Ringfinger stecken. „Ich möchte mich bedanken für das, was du alles für mich getan hast. M-mir ist nichts Passenderes eingefallen... Und ich will morgen mein Bestes geben können... dass wir, also... gibt es etwas... das du mir auf den Weg geben kannst...?“ Auf den Weg...? Oh Yuuri... „Gut,“ beginne ich, „dann verrate ich dir etwas, über das du gar nicht erst nachdenken musst.“ Und ich auch nicht. Ich nehme deine Hand und den zweiten Ring. „Ich möchte dich morgen so laufen sehen, wie du es am Meisten liebst.“ Mein geliebter Yuuri... Das ist die einzige Abkürzung zur Goldmedaille, die ich kenne. ------------------------------------------------------------ Für eine Weile sagen wir gar nichts. Unsere Blicke sind uns Antwort genug. Der Chor hat sein Lied beendet, man hört nur noch das Gemurmel der Menschen, die sich verabschieden oder jener, die die Kirche betreten. Die Glocken sind verstummt und in meinem Kopf ist absolute Stille eingekehrt. Ich fühle mich so unendlich befreit... aber Viktor beginnt zu kichern. „Was ist?“, frage ich angesäuert, weil er die schöne Stimmung kaputt macht. „Ich überlege nur“, sagt er und legt die Arme auf meine Schultern. „Was sind wir jetzt? Ein bisschen verlobt? Ein bisschen verhei-“ „Blödmann“, unterbreche ich ihn sofort, er fängt an zu lachen und drückt mich an sich, kuschelt und ich frage mich, ob wir abseits genug stehen, um nicht zu sehr aufzufallen. „Und jetzt, Yuuri? Küssen wir uns?“ Eh, was? Wir sind in einer Kirche! U-und das war kein Antrag gerade...! Gott, als ob ich ihn tatsächlich gefragt hätte, aber: „Ja.“ Mein Hirn ist so blöd. Oder die Liebe zu groß, ich bin mir nicht sicher, aber ich spüre seine Lippen schon auf meinen, wenn auch zaghaft, aber so sanft... „Verlobt?“ Ich könnt ihn klatschen, wenn er die Fragerei nicht lassen kann. „Ein bisschen.“ Und mein blödes Mundwerk auch, wenn ich es nicht halten kann. „Wow.“ Er schaut mich mit großen Augen an. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich ein bisschen verloben kann ohne es zu merken, weil ich nicht gefragt werde, ob ich heiraten will.“ „Viktor...!“, beschwere ich mich und nuschele betreten weiter: „Ich wollte etwas für uns, das uns zusammenhält...als Danke für deine Mühe...für mich als Glücksbringer, dass ich gewinnen kann...“ „Yuuri, ich versteh' dich doch“, flüstert er mir zu. „Du hast mich nur gerade auf eine ziemlich heftige Gefühlsachterbahn geschickt.“ „Das machst du schon mein halbes Leben lang...“ „Yuuri...“, haucht er mir zu, hält mich bei sich und ich erlaube mir, für diesen Moment die Welt um uns herum egal sein zu lassen und die Wärme zu spüren, die Verbundenheit, die Intimität... Alles, was er mir gegeben hat und was er mir bedeutet. Es ist mehr als ich verdient habe und ich fühle mich nicht imstande, auch nur einen Bruchteil davon je an ihn zurückgeben zu können. Jetzt, wo wir so kurz vor dem Ziel stehen, überkommt mich das merkwürdige Gefühl, dass die Suche, auf der wir uns befunden haben, schon längst ihr Ende gefunden hat... Alles hat sich verändert; für ihn, für mich. Unser Traum von Gold im Finale... Lieber Gott, wenn ich noch einmal einen Wunsch frei hätte, dann wäre er alles, was ich wollte. Am späten Abend bahnt sich eine kleine Sensation an: Auf dem Weg, ein Restaurant zum Abendessen zu finden, sind wir Minako-sensei und meiner Schwester vor die Füße gelaufen, die wiederum Yurio zusammen mit dem kasachischen Läufer Otabek Altin in einem Café erspäht haben. Überfallartig wurde von den Beiden beschlossen, dass ich Yurio und Otabek (den ich gar nicht kenne?!) fragen muss, ob sie mit uns zum Essen gehen wollen. Während ich also bei Yurio unheimlich viele Pluspunkte dafür gesammelt habe, seine Unterhaltung gestört zu haben, wurde Viktor von Minako-sensei gebeten, Chris auch anzurufen. Viktor zögerte, aber bevor Chris uns wieder in den Ohren liegen würde, dass ihm keiner Bescheid gesagt hat, habe ich auch ihm kontaktiert (warum nicht Viktor?!) und Phichit war zufällig auch in der Nähe, sodass wir uns nun zu acht in einem Tapas-Restaurant eingefunden haben. Wir sitzen unter einem kleinen Pavillon vor dem Restaurant und Minako-sensei und Mari können ihr Glück kaum fassen, neben ihren Herzbuben Chris und Yurio auch noch Phichit und Otabek Altin on top bei uns am Tisch zu haben. Ich hoffe einfach mal, dass ich meine Schuldigkeit in Sachen Vitamin B damit getan habe. Yurio scheint sich zwar noch nicht ganz sicher zu sein, wieso er überhaupt mitgegangen ist und Otabek zuckt nur mit den Schultern, aber solange keiner von beiden die Flucht ergreifen will, ist es wohl in Ordnung. Es sitzen also so gut wie alle Finalisten des Grand Prix zusammen an einem Tisch und essen gemeinsam zu Abend. Normalerweise gibt es das immer erst nach dem Wettkampf, nicht davor. „Ich weiß noch,“ sage ich, „letztes Jahr beim Bankett habe ich nur alleine in der Ecke gestanden. Und mit Viktor habe ich kein Wort gesprochen.“ Ich höre nur ein Pfffttt links neben mir und Viktor hat das Bier, das er trinken wollte, ins Glas zurück gespuckt. Er sieht entsetzt zu mir herüber und sagt: „Yuuri, du erinnert dich, oder?!“ „Eh?“ „Yuuri,“ beginnt Chris merkwürdig gelassen, „Du hast dich mit Champagner betrunken. Dich ausgezogen und vor allen getanzt. Jeder hat's gesehen.“ „HEEEE?!“, entfährt es mir. „Mann, das war ätzend,“ mault Yurio angewidert, „mich haste in die peinliche Nummer auch mit reingezogen, Dance Battle und so'n Scheiß.“ „Ein Dance Battle?! Gegen Yurio?!“ Das ist jetzt aber bitte ganz, ganz sicher nur ein schlechter Witz! „Mich auch. Aber beim Poledance“, ergänzt Chris, beinahe etwas verträumt. Ich glaube, ich will sterben! Habe ich mich wirklich so betrunken?! Wenn ich trinke, dann hab ich gar keine Kontrolle mehr über mich, so wie mein Vater, wie alle Männer auf Kyuushuu! Genau deswegen habe ich aufgehört zu trinken, weil es von Vater schon zu viele Fotos und Videos gibt, die kein Sohn von seinem Vater sehen will und jetzt erfahre ich, dass ich dasselbe gemacht habe? Oh bitte, lass es davon keine - „Ich hab noch Videos davon“, grinst Viktor dümmlich zu mir rüber und hält sein Handy hoch, während ich so entsetzt gar nicht von meinem Sitz hochschnellen, wie ich gerne möchte. Viktor hat Videos davon?! „Ich auch. Und'n Haufen Bilder“, ergänzt Chris und zeigt Phichit sein Handy, der das, was er sieht, sofort mit großen Augen kommentiert: „Boah, Yuuri, wie unanständig!“ Sofort stehen Minako-sensei und Mari mit einem hämischen Grinsen daneben: „Wir wollen auch mal schauen.“ Ich rede sofort dagegen und fuchtele wild vor Chris herum, um ihn davon abzuhalten, das Handy weiter an meine Schwester oder Minako-sansei zu reichen. Ich weiß zwar nicht, was ich da gemacht habe, aber das muss auch niemand mehr wissen, es wissen sowieso schon zu viele, scheint mir! Zu meiner Erleichterung lässt Chris tatsächlich das Handy sinken, fixiert mich aber stattdessen mit den Augen. Dann grinst er. „Was ist das eigentlich für'n Ring, ihr zwei?“ „Eh, was?“ Ich halte sofort inne, Chris grinst weiter als hätte er's geahnt und ich verdecke sofort meine rechte Hand mit der Linken. Viktor lehnt sich von Otabek wieder zurück und schaut ähnlich überrumpelt. „Ring? Seit wann das denn?“, fragt Minako-sensei beinahe enttäuscht darüber, dass sie mich nicht beim Poledance auf dem Handy zu sehen bekommt. Ich bin gerade echt unschlüssig, was weniger unangenehm wäre: Zu versuchen, die Ringe zu erklären oder mitanzusehen, wie weiter mir unbekannte Fotos von mir die Runde machen. Viktor scheint sich da einfacher entschieden zu können und zeigt seine rechte Hand nach dem ersten Schreckmoment unbefangen der ganzen Gruppe. „Wir haben denselben“, lässt er alle wissen und nur etwa eine Sekunde lang passiert nichts auf diese Ankündigung hin, dann rauscht Phichit von seinem Stuhl hoch und beginnt wie wild zu klatschen. „Wahnsinn, Glückwunsch zur Hochzeit!“, ruft er. WAS?! Hochzeit?! Ohne mir eine Pause zu gönnen, wendet er sich enthusiastisch an alle Restaurantgäste und verkündet: „Alle mal herhören! Mein bester Freund hat heute geheiratet!“ Alle Anwesenden sehen überrascht zu uns herüber und beginnen zu klatschen und Glückwünsche auszusprechen und ich glaube einfach nicht, dass das gerade passiert! „Leute, Moment mal, also das stimmt nicht!“, widerspreche ich aufgebracht und versuche, den Beifall aller Restaurantgäste irgendwie zu übertönen. „So war das nicht gedacht, das ist ein Geschenk, für Viktor!; ein Glücksbringer, für mich, das ist alles anders, das...!“ „Stimmt,“ ergänzt Viktor verschwörerisch und hebt demonstrativ die Hand mit dem Ring erneut. „Ist nur ein Verlobungsring. Geheiratet wird erst nach der Goldmedaille, nicht, Yuuri?“ „Vi-, Viktor!“, stammele ich schockiert. Ich hab ihn gar nicht gefragt, er kann doch nicht einfach sagen, wir heiraten, wenn ich gewinn – Moment. Ach so! Duet- „MAL HALBLANG!“, donnert plötzlich jemand mit der Lautstärke eines Megafons über alle Köpfe hinweg und es ist völlig unnötig danach zu fragen, zu wem die Stimme gehört. JJ und seine Freundin haben den Weg auch hierher gefunden. „Es ist ja wohl klar, dass ich nach dem Finale heiraten werde!“ „Genau,“ kichert Ms Beauty of the Universe, „JJ wird gewinnen und heiraten.“ „Also sorry, Leute, ich kann euch den Segen für die Hochzeit leider nicht geben.“ Es herrscht eisige Stille am Tisch. Die Frage, wie JJ hierher finden konnte, würde wahrscheinlich durch einen Blick auf einen thailändischen Twitteraccount beantwortet werden können, aber davon abgesehen und ungeachtet der Tatsache, dass wir hier nicht über eine echte Hochzeit geredet haben, verschlägt jedem dieser Kommentar die Sprache. Das Recht zu heiraten wird doch nicht mit Siegen in Wettkämpfen vergeben?! „Die Party ist dann wohl vorbei“, sagt Chris und spricht aus, was alle denken. Er steht vom Tisch auf und zieht seinen Geldbeutel aus der Gesäßtasche. „Lasst stecken, wir regeln das morgen.“ „Hä, was, aber wir sind doch gerade erst gekommen?!“, entgegnet JJ irritiert und erntet zum zweiten Mal unverständliche Blicke aus allen Gesichtern, während Chris den Tisch verlässt, um jemandem zu finden, der uns abkassieren kann. Jetzt sofort aufzubrechen erscheint mir doch etwas voreilig, aber das tut es auch nur solange, bis Viktor neben mir von seinem Platz ebenfalls aufgestanden ist und JJ anspricht: „Du hast keine Ahnung, wann das Maß voll ist.“ „Welches Maß?“ „Ich will dir eins gesagt haben und dass du mich überhaupt soweit bringst, das zu sagen, ist an sich schon eine Kunst. Bisher dachte ich, dass es nur eine Person gibt, die es schafft, mich derart auf die Palme zu bringen.“ „In jeder guten Beziehung gibt’s mal Streit, alles halb so wild“, beschwichtigt JJ, der sich schon wieder grandios in die Nesseln gesetzt hat. Viktor redet nicht von mir, aber JJ nimmt das offenbar an. „Erstens: Es ist eine fürchterliche Angewohnheit, sich anderen ungefragt aufzuzwingen. Zweitens: Wenn man trotzdem ungeladen irgendwo reinplatzen muss, wäre ein „Hallo“ vielleicht die klügere Variante auf sich aufmerksam zu machen, statt ein „Ihr heiratet aber nicht“ in die Runde zu werfen. Und drittens ist es überaus vermessen, überhaupt die Bedingung aufzustellen, dass jemand nicht heiraten darf, weil man selbst heiraten will. Wenn du nur dann bereit bist, deine Freundin zu heiraten, wenn du dir in deiner grenzenlosen Selbstverliebtheit bewiesen hast, der King zu sein, dann bedauere ich, dass sie überhaupt „Ja“ gesagt hat!“ „Ganz ruhig, Viktor!“, entgegnet JJ, als sei er ganz und gar Herr der Situation. „Ich dachte, das ist ein Scherz, also bleib locker.“ „Ein Scherz?“, knurrt Viktor und ich greife vorsichtshalber nach seinem Handgelenk, sonst springt er JJ noch an den Hals. „Der Ring, den deine Freundin trägt, ist also ein Scherz?“ „Natürlich nicht!“, verteidigt sich JJ, aber jetzt sieht man seinem Grinsen doch an, dass es nur seine Unsicherheit überspielen soll. Viktor zum Ausrasten zu bringen lag sicherlich nicht in seiner Absicht, genauso wenig wie die Nummer 2 auf der Abschussliste der lebenden Legende zu werden. „Wie also kommst du dann auf die Idee, dass-“ „Ich hab bezahlt, wir können gehen“, übertönt Chris Viktors letzten Satz und ich atme auf, dass wir wirklich gehen können. Würde Viktor die Beherrschung verlieren, wüsste ich nicht, wer ihn bändigen könnte. Viktor hat Kraft genug, mich durch die Gegend zu heben als wäre ich ein Kuscheltier. „Viktor...“, versuche ich es, lasse meine Hand zu seiner hinabgleiten und halte sie. „Hör‘ nicht hin.“ „Yuuri...!“ „Wirklich... E-es macht mir nicht aus, bitte.“ „Wie, Moment mal...!“ JJ sieht völlig verdattert zwischen Viktor und mir hin und her. „Ich hab‘ gedacht das in China sei’n PR-Gag gewesen!“ „Denk‘, was du willst“, serviert ihn Viktor mit einem vernichtenden Blick ab, aber er greift meine Hand fester. Wir halten Händchen, ohne Handschuhe oder sonst irgendeinen Stoff dazwischen. Und das kann JJ sehen. „Was ist, habt ihr's bald?“, beschwert sich Yurio, der schon längst mit Otabek fertig zum Gehen dasteht. „Wir haben alles“, sagen Mari und Minako-sensei unisono, Phichit geht Chris hinterher und ich ziehe an Viktors Hand, um ihn von JJ loszureißen. Schließlich wendet auch er sich ab und mit der nüchternden Bemerkung, dass wir sowieso alle früh schlafen sollten, verlassen wir geschlossen das Restaurant. Der Kanadier und seine Freundin stehen immer noch genauso da, wie sie gekommen sind und verstehen die Welt nicht mehr. „Momentchen, das war doch wirklich nur ein Witz!“, ruft er uns noch hinterher, aber vorbei ist vorbei. Ohne ein weiteres Wort laufen wir zur U-Bahn L4 und fahren zurück zur Station Le Maresme an unserem Hotel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)