Stolen Dreams Ⅻ von Yukito ================================================================================ 1. Kapitel ---------- „Valentin, kannst du mir einen Gefallen tun?“ Angesprochener sah von seinem Tablet auf, das er zum Lesen von Nachrichten benutzte, und schaute zu Anastasia, die im Türrahmen zur Küche stand und sich nervös auf die Unterlippe biss. „Was kann ich für dich tun?“, fragte er, obwohl er bereits wusste, dass er keine Lust hatte, auf die Bedürfnisse seiner Tochter einzugehen. „Ich... habe einen Stiefbruder. Er heißt Yuri und lebt bei seinem Vater, mit dem meine Erzeugerin einige Jahre lang eine Ehe geführt hat.“ „Uh-hm“, machte Valentin desinteressiert und richtete sein Augenmerk wieder auf den Artikel, in dem der Verfasser Dinge thematisierte, die er lieber nicht hätte erwähnen sollen. „Yuri, ihm... ihm geht es sehr schlecht. Sein Vater schlägt ihn, in der Schule wird er gemobbt und--“ „Und was hat das mit mir zu tun?“, unterbrach Valentin sie und griff nach seinem Glas, das mit Rotwein gefüllt war und vor ihm auf den Tisch stand. „Ich möchte“, sagte Anastasia und holte tief Luft, „dass er bei uns wohnen kann.“ Die Antwort auf diese Frage war so eindeutig, dass Valentin sie sich sparte, aber das schien Anastasia erwartet zu haben. „Ich weiß, dass ich ihn damit möglicherweise in Gefahr bringe und dass er ein Risiko für dich darstellen könnte, aber--“ „Warum fragst du überhaupt, wenn du meine Antwort und Begründung schon kennst?“ „Aber überall ist es besser als da, wo er gerade ist. Er braucht meine Hilfe.“ Valentin seufzte, schaltete das Tablet aus und legte es auf dem Tisch ab. Es war kurz vor Mitternacht und alles, was er gewollt hatte, war etwas Ruhe, die er sich seiner Meinung nach auch verdient hatte, wenn man bedachte, dass er und der Rest seiner Familie vor wenigen Tagen einen Krieg gewonnen hatten. Dort draußen war immer noch die Hölle los und das Letzte, was Valentin jetzt gebrauchen konnte, war eine weitere Person, um dessen Sicherheit er sich kümmern musste. „Dann sag ihm, dass er ausziehen soll. Zu uns kommt er jedenfalls nicht.“ „Aber--“ „Anna, kannst du dich noch an Sascha erinnern? Du weißt schon, der Junge, mit dem Andrej sich abgibt?“ „Ja, du meinst Alex.“ „Mir egal, wie du ihn nennst – das wird nichts daran ändern, dass er momentan im Krankenhaus liegt.“ „Was ist passiert?“ „Unsere Feinde haben ihn entführt und Dinge mit ihm getan, die ich dir nicht näher erläutern werde, weil du dann wahrscheinlich Albträume kriegst. Ich werde dir nur sagen, dass die meisten Menschen, die das Gleiche oder Ähnliches erleben mussten, sich umbringen, weil sie die Folgen nicht aushalten. Willst du, dass dein Bruder genauso endet?“ „Nein, aber--“ „Na also.“ Für Valentin war das Gespräch damit beendet, aber Anastasia ließ nicht locker. Sie setzte sich ihm gegenüber an den Tisch, holte ihr Handy hervor und zeigte es ihrem Vater, der es keines Blickes würdigte. „Siehst du das hier? Yuri ist verzweifelt! Er braucht meine Hilfe!“ „Nur fürs Protokoll: Das Helfersyndrom hast du nicht von mir geerbt.“ „Das ist nicht lustig! Siehst du das hier?“ Sie deutete auf eine bestimmte Stelle in dem Chatverlauf. „Er hat mir danach nicht mehr geantwortet. Irgendetwas muss passiert sein!“ „Vermutlich ist er ins Bett gegangen“, erwiderte Valentin ruhig und sah in das Gesicht seiner Tochter. Zwei Augen, deren Farbe seiner stark ähnelte, sahen zurück. „Du solltest froh sein, dass ich dir erlaube, Kontakt zu ihm zu haben, weißt du das?“ „Yuri befindet sich psychisch in einem schlechten Zustand. Wenn ich ihm nicht helfe, wird es niemand tun. Ich habe Angst, dass ihm etwas zustößt oder er sich sogar umbringt.“ „Das ist bloß ein weiterer Grund, ihn dort zu lassen, wo er ist. Ich habe keinen Bock, mich um einen Psycho zu kümmern.“ „Schön!“ Sie erhob sich mit einer schnellen Bewegung, was den Stuhl zum Umfallen brachte. „Wenn du mich nicht unterstützen willst, dann mache ich es halt alleine!“ „Viel Glück“, rief er ihr hinterher, während sie aus der Küche stampfte. Valentin hatte gehofft, dass Anastasia wieder zur Vernunft kommen würde, doch eine knappe Viertelstunde später erwischte er sie dabei, wie sie angezogen und mit gepacktem Rucksack das Haus verlassen wollte. „Was soll das werden? Du weißt nicht mal, wie man ein Auto fährt.“ „Macht nichts; ich wollte eh gehen.“ „Aus reinem Interesse: Wie lang ist der Weg?“ „Wenn ich mich beeile, sollte ich“, sie schaute auf ihre Armbanduhr, die ihr verriet, dass es kurz nach Mitternacht war, „noch heute ankommen.“ „Das ist bescheuert. Lass den Mist.“ Sie wollte ihn ignorieren und die Haustür öffnen, aber Valentin lehnte sich dagegen und verschränkte genervt die Arme vor der Brust. Seine Tochter würde absolut nirgendwo hingehen und erst recht nicht alleine. „Anna, selbst wenn du es aus dem Haus schaffen solltest – meine Männer werden dich innerhalb weniger Sekunden finden und zu mir zurückbringen. Erspare uns beiden unnötigen Ärger und--“ Sie ließ den Rucksack fallen und zog sich Jacke, Pullover und Schuhe aus, ehe sie sich von ihrem Vater abwandte und in den Garten ging, wo sie sich auf die mit Schnee bedeckte Terrasse setzte. „Was zur Hölle“, fragte Valentin, der ihr gefolgt war, „soll das werden?“ „Ich komme erst wieder rein, wenn du mir versprichst, dass du mich zu Yuri bringst.“ „Alles klar.“ Er schüttelte den Kopf und bezweifelte, dass wirklich die Hälfte seiner Gene in diesem Mädchen steckten. „Sag Bescheid, wenn du deinen Verstand wiedergefunden hast.“ Er setzte sich vor den Fernseher, zappte sich durch das Programm und wartete darauf, dass Anastasia wieder reinkommen würde, damit er mit dem Thema abschließen und ins Bett gehen konnte, aber selbst eine halbe Stunde später machte das Mädchen immer noch keine Anstalten, ins Haus zurückzukehren. Hätte ich gewusst, dass Kinder so anstrengend sein können, wäre Anna nicht hier. Er stöhnte genervt und ging nach draußen, wo Anastasia sich nicht von der Stelle gerührt hatte. In T-Shirt und Jeans saß sie in der Kälte und zitterte wie Espenlaub. Ihre Nasenspitze und Ohren hatten sich gerötet, während der Rest ihres Gesichtes eher blass wirkte. „Anna, es ist spät. Kommst du bitte wieder rein?“ „Fährst du mich zu Yuri?“ „Vergiss es.“ „Dann bleibe ich.“ Ich hätte damals ein Kondom benutzen sollen. „Ich bin mir sicher, dass Kälte nicht gut für deine Haare ist“, wechselte er seine Taktik, in der Hoffnung, dass Anastasia ihre Meinung ändern würde, doch das machte es nur noch schlimmer. „Und ich bin mir sicher, dass meine Haare das Letzte sind, das mich gerade interessiert“, erwiderte sie schnippisch. „Ich mache das hier nicht, weil es spaßig ist, in der verdammten Kälte zu sitzen oder mich mit dir zu streiten, sondern weil es keine andere Möglichkeit gibt, gegen dich anzukommen. Verstehst du es nicht? Ich muss Yuri helfen. Außer mir hat er niemanden.“ Valentin verdrehte die Augen und spielte kurz mit dem Gedanken, die Tür von innen abzuschließen und Anna erfrieren zu lassen. „Schön. Wie weit ist dein dummer Bruder etwa von uns entfernt?“ „Ein bisschen mehr als hundert Kilometer.“ „Okay, was hältst du von einer Abmachung? Du kommst jetzt rein und hörst mit diesem Theater auf, wenn ich dich dafür morgen zu... wie war noch mal sein Name?“ „Yu--“ „Auch egal. Ich fahre dich zu ihm, aber ich werde ihn nicht mitnehmen. Wir schauen, wie es ihm geht, und dann verschwinden wir wieder, verstanden?“ „Und was ist, wenn es ihm schlecht geht?“ „Dann werde ich ihm sagen, dass das nicht mein Problem ist.“ Könnten Blicke töten, wäre Valentin jetzt tot umgefallen. „Nein, Anna. Ich werde ihn nur mitnehmen, wenn er sterbend auf dem Boden liegt und seine letzten Worte spricht.“ „Gut.“ Ohne ihn anzusehen, stand sie auf, ging an ihm vorbei, sammelte im Flur ihre Sachen auf und verschwand in ihrem Zimmer. Valentin machte die Tür zu und war heilfroh, dass er den Mist endlich hinter sich hatte. Etwa acht Stunden später, als es draußen gerade hell wurde, platzte Anna angezogen und bereit zur Abreise in die Küche, wo Valentin mehr schlecht als recht gegen eine der Theken lehnte und ungeduldig darauf wartete, dass sein dampfender Kaffee kalt genug wurde, um ihn trinken zu können. „Wann geht's los?“ Er antwortete vorerst nicht, sondern drehte sich zu ihr um. Seine kinnlangen dunkelbraunen Haare sahen aus, als hätte er sie in einen Mixer gehalten, dunkle Ringe lagen unter seinen müden Augen und alles, was er momentan am Leib trug, war eine Boxershorts und ein lockeres T-Shirt. „Wenn ich nicht mehr so aussehe, als hätte ich die letzten Tage in der Wildnis verbracht, okay?“ Valentin wollte sich Zeit lassen, aber Annas Gedränge wurde irgendwann so nervig, dass er seine Tasse zügig leerte, unter die Dusche sprang – selbst hier hörte Anna nicht auf, gegen die abgeschlossene Tür zu trommeln und ihrem Vater zu sagen, dass er sich gefälligst beeilen soll – sich anzog und eine kurze Weile später im Auto saß. „Nur damit du es weißt: Ich bin so müde, dass ich hier und jetzt einschlafen könnte. Wundere dich also nicht, falls ich einen Unfall baue.“ Anna schien das nicht zu interessieren. Während der Fahrt sah sie ständig auf ihr Handy und murmelte gelegentlich, dass Yuri ihr immer noch nicht geantwortet hatte und sie hoffte, dass es ihm gut ging. Valentin wäre es am liebsten, wenn dieser verdammte Junge einfach sterben würde, aber weil er keine Lust auf Streit hatte, behielt er seine Meinung für sich. Er verstand, dass Anna sich Sorgen machte, aber er war jetzt schon mit der Verantwortung überfordert, die ein Teenager mit sich brachte, und konnte wirklich getrost darauf verzichten, sich noch mehr Last auf die Schultern zu packen. Außerdem gefiel ihm der Gedanke, eine fremde Person in sein Haus zu lassen, überhaupt nicht. „Mein Gedächtnis ist nicht das beste. Warum willst du dem Typen noch mal helfen?“ „Weil es ihm schlecht geht. Seine Mitschüler und sein Vater machen ihm das Leben zur Hölle.“ „Kann er sich nicht ans Jugendamt wenden?“ „Auf das Jugendamt kannst du dich nicht verlassen; erst recht nicht in Russland.“ „Und deswegen müssen wir uns jetzt darum kümmern oder was?“ „Er ist der einzige richtige Freund, den ich habe, okay? Sowohl im Internat als auch in den Schulen, in denen ich schon war, gab es niemanden, der mir auch nur annähernd sympathisch vorkam. Alle Jungs sind Arschlöcher, die entweder nur an sich selbst oder an Sex denken, und die Mädchen – die sind noch schlimmer! Haben nur Jungs, Make-up und Kleider, die sie wie Nutten aussehen lassen, im Kopf und verbringen ihre Zeit lieber auf Partys als vor dem Schreibtisch. Dann wundern sie sich, dass sie die Prüfungen nicht bestehen, und--“ Anastasia verschränkte die Arme vor der Brust und kochte vor Wut. Valentin lehnte sich unauffällig nach links, um möglichst viel Abstand zu ihr zu gewinnen. Er hätte schwören können, gerade ihren Kopf rauchen zu sehen. „Okay, okay, komm wieder runter. Ich hab's verstanden, dein Bruder ist dein einziger Kumpel.“ „Sein Name lautet Yuri. Merk dir das“, zischte Anastasia gereizt, ehe sie knurrend hinzufügte: „Ich könnte diesen Mädchen ihre leeren Köpfe abreißen; bezeichnen mich als Streberin, weil ich es wage, Wert auf Bildung zu legen.“ Während sie mit ihrer Tirade fortfuhr, konzentrierte sich Valentin auf den Verkehr und wich geschickt einem anderen Auto aus, dessen Fahrer seinen Führerschein offensichtlich nicht auf legale Weise erhalten hatte. Als Valentin das Ziel der Fahrt erreichte, war es später Vormittag. Das Haus, vor dem er parkte, war ein Reihenhaus, das exakt wie seine Nachbarn aussah und sich nur durch die Hausnummer von den anderen unterschied. „Du weißt, was du tust, oder?“, fragte er Anastasia, die zielstrebig an ihm vorbeiging und auf die Klingel drückte. Valentin stellte sich einen knappen Meter hinter sie und schaute sich um. Von rechts kam das nervige Geschrei eines Babys und im linken Haus konnte man einen Fernseher hören. „Scheint nicht da zu sein“, sagte er, als nach einer Minute immer noch keine Reaktion kam. Anastasia ignorierte ihn und klingelte Sturm. Als auch das nichts brachte, schlug sie mit der Faust gegen die Tür und rief: „Ich weiß, dass du da bist, Oleg! Mach die scheiß Tür auf!“ Valentin wollte ihr sagen, dass es sinnlos war, aber genau in diesem Moment wurde die Tür geöffnet und ein Mann Mitte fünfzig erschien. Er wirkte äußerst mürrisch und sein Bart – falls man dieses Schlachtfeld überhaupt so bezeichnen konnte – sah ziemlich unordentlich aus. „Was willste?“, fauchte er Anna an, die sich davon nicht beeindrucken ließ. „Ich will zu Yuri.“ „Kannste vergessen. Er ist in der Schule.“ „Es ist Samstag.“ „Er ist trotzdem nicht da.“ Mit diesen Worten griff Oleg nach der Türklinke, doch bevor es dazu kam, hatte Anastasia ihm bereits mit voller Wucht zwischen die Beine getreten. Er keuchte vor Schmerz, krümmte sich zusammen und fiel auf die Knie. Seine schmutzige Hand streckte sich nach dem Mädchen aus, das eilig an ihm vorbeiging. Fast berührte er es, als sich plötzlich ein schwerer Fuß samt Schuh auf seinen Handrücken stellte und ihn auf den Boden presste. Valentin musste ihm nicht sagen, dass er die Finger von seiner Tochter lassen sollte; das hatte er sicherlich soeben verstanden. Mit einem kräftigen Tritt beförderte er Oleg, der wütend fluchte und sich die gequetschte Hand hielt, in den Flur, ehe er die Tür hinter sich zumachte und zu Anastasia sah, die neben einer Treppe stand und jemanden betrachtete. Alles, was er von hier aus sehen konnte, war der Körper eines Jugendlichen. Er schien sich nicht zu bewegen, aber Valentin wusste nicht, ob das gut oder schlecht für ihn war. Sollte der Junge tot sein, wären sie den ganzen Weg umsonst gefahren, und sollte er leben, würde Anna sicherlich verlangen, dass Valentin ihn unter seine Fittiche nahm. „Raus aus meinem Haus!“, brüllte Oleg. „Oder ich rufe die Poli--!“ Valentin trat ihm so heftig in den Magen, dass der Ältere wie eine Puppe in sich zusammensackte und qualvoll stöhnend am Boden lag. Er wandte sich von ihm ab und ging zu Anna, die mit Tränen in den Augen auf Yuri oder dessen Leichnam starrte. Sie schien Angst davor zu haben, ihn anzufassen. Valentin legte vorsichtig zwei Finger auf den blassen Hals. Da war ein Puls, wenn auch nur ein schwacher. „Er lebt. Was machen wir jetzt?“ „Was wohl“, knurrte Anastasia, in deren Stimme sowohl Trauer als auch Wut zu hören waren. „Wir nehmen ihn mit.“ Bitte alles nur das nicht. Ich bin kein Babysitter. Valentin suchte nach einer freundlich formulierten Verneinung, als der Junge sich plötzlich regte. Er stützte sich mit seinen Händen am Boden ab, als würde er Liegestützen machen wollen, und setzte sich langsam aufrecht hin. Mit leicht unkoordinierten Bewegungen strich er sich das schwarze Haar hinters Ohr und sah benebelt auf einen unsichtbaren Punkt. „Hallo, ist hier die Polizei?“, war plötzlich Olegs Stimme im Hintergrund zu vernehmen. „Ein fremder Mann ist in mein Haus eingebrochen und hat meinen Sohn angegriffen. Ich brauche Hilfe – sofort!“ „Du verlogener Wichser!“, fauchte Anastasia aufgebracht. „Du bist derjenige, der Yuri zusammengeschlagen hat, und das wird er der Polizei auch sagen!“ Hätte Valentin die Situation nicht unter Kontrolle, wäre er jetzt sicherlich nervös geworden, aber momentan war alles bestens. Oleg sprach aufgeregt in den Hörer, nannte der Polizei seine Adresse und bemerkte gar nicht, dass das Kabel durchtrennt worden war. Valentin hatte es im Vorbeigehen unauffällig vom Hörer gerissen. „Die Polizei ist nicht sonderlich gesprächig, oder?“, fragte er schmunzelnd, woraufhin Oleg kreidebleich wurde. „Nein, sie sagt, sie ist in fünf Minuten hier“, bluffte er. „Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind, aber--“ Sein Blick fiel auf das abgetrennte Kabel, das von der Wand hing. Verwundert nahm Oleg es in die Hand. Als er realisierte, warum ihm noch keiner geantwortet hatte, stand Valentin auf einmal hinter ihm und schlug mit so einer Kraft zu, dass Oleg das Bewusstsein verlor und mit halb geöffnetem Mund zu Boden fiel. „Okay, Anna. Sag Yuri, was du ihm sagen wolltest, und dann gehen wir.“ „Wie du meinst“, erwiderte Anna ohne den kleinsten Funken Aggression. Sie schien nicht verstanden zu haben, dass mit ''wir'' nur zwei Personen gemeint waren. „Wir beide. Nicht wir drei.“ „Kommt nicht infrage. Du hast keine Ahnung, zu was Yuris Dad fähig ist. Sobald er wieder zu sich kommt, wird er Yuri den Hals umdrehen.“ „Das ist nicht mein Pro--“ „Wir gehen jetzt nach oben und werden seine Sachen packen. Du wartest hier, okay? Wir sind in fünf Minuten wieder da.“ Mit diesen Worten legte sie sich Yuris Arm um die Schultern und verschwand mit dem Jungen im oberen Stockwerk. Valentin hätte am liebsten etwas nach ihr geworfen. Wie konnte diese verzogene Göre es wagen, ihn so respektlos zu behandeln und seine Meinung vollkommen zu ignorieren? Wäre sie ein gewöhnliches Mädchen, hätte Valentin sie schon längst vor die Tür gesetzt und sich selbst überlassen, aber das konnte er bei ihr nicht. Sie war seine Tochter, sein eigen Fleisch und Blut. Wenn er sie ansah, erkannte er sich selbst in ihr, was ihr einen Schutzschild verschaffte, dem Valentin nichts anhaben konnte. Das mochte kitschig klingen, entsprach aber der Wahrheit. Er konnte ihr kein einziges ihrer eh schon gelockten Haare krümmen. Wenige Minuten später kam Anna wieder. Den einen Arm hatte sie um Yuris Taille geschlungen, den anderen nutzte sie, um eine große Gepäcktasche zu tragen. „Es tut mir leid“, sagte sie, als sie ihren Vater erreichte, der alles andere als erfreut aussah. „Ich kann ihn nicht hier lassen.“ Valentin sah seufzend zu dem Jungen, der entweder nicht wusste, in welcher Situation er sich befand, oder sich nicht dafür interessierte. „Das ist das erste und letzte Mal, dass ich das zulassen werde.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)