Paul von Fara_ThoRn ================================================================================ Kapitel 6: 05. -------------- Nach dem fiesen Cliff will ich mal nicht so sein und lade das nächste Kapitel schon heute Morgen hoch. Viel Spaß damit ^^ 05. "Dir war das wirklich nicht bewusst, oder?" Ma wirkt überrascht. Ich schüttle leicht benommen den Kopf. "Ich dachte, ihr habt dafür so eine Art Radar. Erkennt euch untereinander." Sie wedelt mit ihrem Zeigefinger vor meinem Gesicht herum. Ich kann nicht antworten, auch wenn ihre Annahme, WIR erkennen uns untereinander mich etwas kränkt. "Hast du echt geglaubt, Paul und ich wären mal liiert gewesen? Wie lustig!" "Ich weiß nicht, was daran lustig sein soll. Hätte ja sein können", blaffe ich sie an, doch sie kichert bloß. "Als ob ich es nicht versucht hätte, aber bei ihm habe ich schnell auf Granit gebissen. Auf schwulen Granit." Ich verziehe das Gesicht. Was redet sie da wieder für einen Unsinn?* "Okay. Willst du die ganze Geschichte hören? Von Anfang an?" "Falls du sie mir erzählen willst." In Wahrheit brenne ich darauf! "Gut", nickt sie und trinkt einen Schluck von ihrem Milchkaffee. "Wir lernten uns in der Firma kennen. Das dürftest du ja wissen. Zwischen deinem Vater und mir kriselte es schon länger. Auch das dürfte kein Geheimnis für dich sein." Und ob. "Zu dieser Zeit bekamen Paul und ich einen gemeinsamen Auftrag für eine Drogeriekette. Man konnte super mit ihm arbeiten, er war immer gut drauf, lustig und so unfassbar charmant. Jeder mochte ihn. Auch ich. Und je mehr Zeit wir miteinander verbrachten, desto näher kamen wir uns. Dachte ich zumindest." Sie schüttelt lachend den Kopf und scheint ganz in der Vergangenheit versunken zu sein. "Ich spielte ernsthaft mit dem Gedanken, deinen Vater mit Paul zu betrügen, sollte sich die Gelegenheit bieten. Hannes war oft nicht zuhause und die Ehe mit ihm verlief nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich war einfach zu naiv gewesen und viel zu jung. Na ja." Sie zuckt mit den Schultern. "Mir fehlte die Nähe zu einem Mann. Geistig und körperlich. Dann, eines Abends, als Paul und ich über das Werbekonzept grübelten, lagen plötzlich meine Lippen auf seinen. Ich hatte ihn geküsst!" Ich schlucke hart. Diese Info hätte sie ruhig auslassen können. "Doch Paul schob mich von sich und gestand mir, dass er nichts für Frauen empfinden konnte, bis auf Freundschaft. In der Firma wusste es niemand. Er war noch ungeoutet und ich versprach ihm, es für mich zu behalten. So wurden wir Freunde." "So war das also", murmle ich und schiebe gedankenverloren meine Tasse hin und her. "Paul ist schwul." Ändert das jetzt was? In gewisser Weise ja, aber schlussendlich doch nicht. Nicht, wenn Paul immer noch den kleinen Jungen in mir sieht. "Dich scheint das ja richtig mitzunehmen", meint meine Mutter und mustert mich streng. "Quatsch!", winke ich ab. "Es kam bloß überraschend für mich. Damit habe ich nicht gerechnet." Obwohl ein nicht gerade geringer Teil in mir es sich gewünscht hat … "Ach deshalb warst du heute so komisch!", japst meine Mutter plötzlich. Hä? "Und ich dachte schon, ich wäre dir vor Paul peinlich." "Wovon redest du?", frage ich sie, habe aber schon eine leise Ahnung, was sie meint. Und falls das stimmt, wäre das ganz und gar nicht gut. "Guck nicht so. Du weißt ganz genau, wie ich das meine." Schluck! "Weiß ich nicht", grante ich sie an. Sie verzieht den Mund und mustert mich eingehend. "Warum ist mir das vorher nicht aufgefallen?" "Was soll dir nicht aufgefallen sein?" Langsam bekomme ich Angst. Ahnt sie tatsächlich etwas? "Im Nachhinein betrachtet, ist es sogar logisch." Oh verflucht! "Wie die Mutter, so der Sohn. So heißt es doch, nicht?" "Ma! Hör auf damit!" Ich schiebe die Kaffeetasse von mir und stehe auf. "Ich muss los. Das Bistro öffnet gleich." "Renn doch nicht gleich weg", seufzt sie. "Ist doch okay. Paul ist immer noch ein attraktiver Mann. Und sein charmantes Wesen hat sich kaum verändert. Eigentlich finde ich, ist er sogar noch reifer und anziehender als damals." Ich will das nicht hören! "Wenn du meinst", brumme ich und verlasse die Küche. Im Flur fummle ich meine Jacke von der Garderobe. Meine Mutter ist mir, welch Überraschung, gefolgt und steht nun mit verschränkten Armen und einem wissenden Lächeln an die Wand gelehnt. "Vor was läufst du weg?" "Ich laufe nicht weg!" "Oh doch, mein Lieber. Das tust du." "Himmel noch eins!", brülle ich. "Ich kann nicht in Paul verliebt sein, weil er für mich wie ein … wie eine Art Vater-Onkel ist!" So wie ich für ihn nur der kleine Ole bin ... "Ach so. Na wenn das so ist." Achselzucken. Das freche Grinsen bleibt. "Du bist dumm." "Danke, Ma. Sehr freundlich von dir." Und weg bin ich. *** Ich war noch den gesamten Abend über total aufgewühlt und sauer. So sehr, dass sogar Sarah mir aus dem Weg ging. Und das will schon etwas heißen. Das Gefühl wurde auch am darauffolgenden Tag nicht besser. Wie auch? Dienstag, also nur einen Tag später, würde ich Paul wiedersehen und ich wusste nicht, wie ich ihm jetzt noch unter die Augen treten kann, nachdem meine Mutter mitbekommen hat, was in mir vorgeht, denn das könnte bedeuten, dass er auch etwas davon mitbekommen könnte. Wenn er das nicht schon längst hat … "Ahh!" Ich wälze mich auf meiner Couch herum. Heute ist Dienstag. Nur noch ein paar Stunden. Vorher muss ich noch alles vorbereiten. Die Tische umstellen, Einkaufen und noch ein Schild schreiben, dass wir Abends eine geschlossene Gesellschaft haben. Am liebsten würde ich mich vor dem Treffen drücken, doch das kann ich natürlich nicht. Ich muss dabei sein. Erstens weil es wichtig ist und zweitens weil ich als Besitzer des Bistros ebenfalls anwesend sein muss. Außerdem habe ich Paul versprochen ihm beizustehen, falls es zu wütenden Ausbrüchen seitens der Mieter kommt, was ich jedoch nicht glaube. Seufzend schaue ich auf die Digitalanzeige meines DVD Players. Schon halb drei. Ich sollte mal langsam anfangen alles anzupacken. Zu aller erst fahre ich in den Supermarkt. Dort sind die Getränke im Angebot und sogar billiger als auf dem Großmarkt. Hier schlage ich zuerst zu. An Lebensmitteln benötige ich nicht viel. Nur etwas Salat und ein paar Tomaten. Zuhause alles ausgeladen mache ich mich daran, die Tische so zu stellen, dass sie in U-Form in Richtung Theke stehen. Sieht zwar komisch aus mit runden Tischen, aber es wird gehen. Noch die Stühle verteilen, fertig. Jetzt noch das Schild, das ich schnell auf meinem PC schreibe, ausdrucken und gleich an die Tür hängen. Das war's vorerst. Schon viertel nach fünf. Nicht mehr lang … Die restliche Wartezeit vertreibe ich mir in meinem kleinen Büro. Buchhaltung lenkt ab. Bedauerlicherweise muss ich nicht viel machen. Also bleibe ich bald schon bei einem Onlinespiel hängen. Nicht ein sehr aufregendes, aber es lenkt ab. Jedenfalls so lange, bis mein Handy klingelt. Onkel Pauli steht auf dem Display. Ich sollte das besser mal in Paul umändern ... Mit einem mulmigen Gefühl gehe ich dran. "Ja?" /Hallo Ole. Bist du nicht zuhause? Ich klinge und klingle, aber niemand macht auf./ Er ist schon hier? "Warte! Ich bin unten im Lokal. Ich komme hinter." /Ist gut/, schmunzelt er und legt auf. Mit wackeligen Beinen stehe ich auf und eile hinter zum Treppenhaus um Paul einzulassen. "Du bist aber früh", begrüße ich ihn. "Zu früh?" Hör auf so zu lächeln! "Nein", murmle ich. "Komm rein." Ich lasse ihn eintreten, doch da taucht noch eine weitere Person auf. "Darf ich vorstellen? Das ist Herr Brückner. Mein Rechtsanwalt." "Oh. Hallo. Schön Sie kennenzulernen." "Ebenfalls." Wir schütteln uns die Hand, dann lasse ich beide an mir vorbei eintreten. "Zum Bistro geht es hier lang." Ich zeige beiden den Weg und führe sie in mein kleines Lokal. "Du hast ja schon alles umgestellt", stellt Paul fest. "Geht das so?" Unsicher knete ich mir die Hände. "Perfekt!" Paul strahlt mich an. Ich kann nicht anders und lächle zurück. Die Zeit scheint still zu stehen. Bis sich plötzlich jemand räuspert. Herr Brückner. "Wo kann ich denn meine Tasche abstellen?" "Ähm am besten hier. Hinter den Tresen." Den Anwalt hatte ich ja total vergessen. *** Das Mietertreffen verlief unerwartet gut. Alle waren bestürzt und wütend, als sie die ganze Geschichte mit dem Hausverwalter erfahren haben, aber Pauls Anwalt konnte die Gemüter wieder beruhigen. Zwar konnte er uns nichts versprechen, von wegen Rückzahlung der zu viel gezahlten Miete, aber da Paul allen versicherte, dass es weder eine Mieterhöhung geben wird, und die Miete ab nächsten Monat an den richtigen Betrag angepasst wird, waren alle erstmal zufrieden. "Danke für deine Hilfe." Paul tätschelt mir den Rücken. Ich muss ein zusammenzucken unterdrücken, weil ich davon eine Gänsehaut bekomme. Die anderen Mieter sind gerade dabei das Lokal zu verlassen und der Anwalt packt auch alles zusammen. "Kein Ding. Wozu sind Freunde da?" Uh! Ich beiße mir auf die Unterlippe. Was für ein bescheuerter Satz! "Außerdem betrifft mich das ja auch, also ..." Ich zucke hilflos mit den Schultern. Paul nickt mir lächelnd zu und wendet sich seinem Anwalt zu. Er begleitet ihn nach draußen. Ich bleibe allein zurück. Jammernd lege ich mich mit dem Oberkörper auf den Tresen. "Ich Vollpfosten!", nuschle ich in meine Armbeuge. "Wozu sind Freunde da? Wie konnte ich nur sowas dämliches sagen?" Freunde! Ha! Klar sind wir das, aber ich will nicht, dass wir nur Freunde sind. "Was soll ich nur tun?" "Was willst du denn tun?" Paul! Wie eine Sprungfeder stehe ich in Sekundenschnelle aufrecht und drehe mich halb um. Paul steht keine zwei Meter von mir entfernt. Wie lange steht er schon da? "Ähm …" Mein Hirn setzt aus und spielt Hirntod. "Hast du Probleme? Wegen deinem Bistro? Geldsorgen?" "Äh ... Ja!" Ja, warum denn nicht? "Aber es ist nichts schlimmes. Das wird wieder. Sobald das Wetter besser wird." Paul runzelt die Stirn und mustert mich. Er glaubt mir nicht. Das sehe ich ihm an. "Du kannst deine Miete auch auf nächsten Monat verschieben, wenn es dir hilft. Kein Problem." "Ach was! Nein, nein. Geht schon." "Rede nicht. Komm erstmal wieder richtig auf die Füße. … Hier." Er kramt seine Geldbörse hervor und zieht einen Hunderter heraus. "Ich weiß nicht, ob es reicht, aber für deinen Verdienstausfall heute." "Spinnst du!" Ich schlage seine Hand weg. "Das brauchst du nicht." "Doch. Nimm. Wegen dem Treffen hast du heute keinen Cent eingenommen." "Und? Das Treffen ging mich schließlich auch etwas an." "Aber du hattest doch Unkosten." "Quatsch! So viel war das nicht." "Egal. Nimm." Er versucht mir den Schein in die Hand zu drücken. So geht das nicht! "Ich will kein Geld von dir!", sage ich zum wiederholten Male und verstecke meine Hände hinter dem Rücken. Paul sieht genervt aus. "Schön", brummt er, was mich erleichtert ausatmen lässt. Er gibt auf. "Dann eben anders." Hö? Paul ist so schnell, dass ich gar nicht dazu komme zu reagieren. Plötzlich steht er dicht vor mir, packt mein Kinn und … Küsst mich! Das Ganze ist so schnell vorbei, wie es begonnen hat. "Nochmal Danke", lächelt mich Paul an und dreht sich von mir weg. "Wir sehen uns. Tschau." Weg ist er. Und ich? Ich stehe da, klammere mich an die Theke hinter mir, höre meinem rasenden Herzen beim Stolpern zu und fühle immer noch die Wärme von Pauls Lippen auf meinen prickeln. Paul hat mich geküsst! Er hat mich tatsächlich … geküsst ... *** Was soll denn das jetzt? Was klingelt denn da? "Ja, ja", krächze ich müde und schäle mich aus meiner Bettdecke. Erstmal orientieren und überlegen, was mich aus den Schlaf geklingelt hat. Nach kurzer Überlegung erkenne ich den Klingelton meines Handys. Aber wo liegt das Teil noch gleich? Normal habe ich es immer in meiner Hosentasche. Also in der Hose. Wo ist meine Hose? Auf dem Boden vor dem Fußende meines Bettes werde ich fündig. Noch halb blind versuche ich es aus meiner Hosentasche zu fummeln. Es gelingt mir, aber das Klingeln hat inzwischen aufgehört. Mit zusammengekniffenen Augen versuche ich den Anrufer zu entziffern. Muttern Handy steht auf dem Display. Was will die denn? Ich vergesse den Umstand, dass ich eigentlich noch sauer auf sie bin, rufe zurück und lege mich wieder ins Bett. Mit dem Handy am Ohr schließe ich die Augen und warte, bis sie abhebt. /Ole?/ "Nein. Hier ist Oles Entführer. Wir verlangen 300.000 Euro in Bar sonst rasieren wir ihm die Haare vom Kopf." /Eine Glatze würde ihm sicher stehen/, kichert sie. "Sehr nett. Was gibt's?" /Denkst du noch an Morgen?/ "Morgen?" /Ja, morgen. Freitag./ Freitag … Freitag … Freitag … Keinen Dunst was sie meint. "Was ist Freitag?" /Karfreitag, du Esel. Es gibt grüne Soße und Paul wird auch da sein./ Ich kann richtig hören, wie sie bei diesen Worten vom einen bis zum anderen Ohr grinst. "Bin nicht da. Tschüss." Ich lege auf und schalte mein Telefon aus. Paul … Musste sie ihn erwähnen? Bis eben habe ich nicht mehr an ihn denken müssen. Obwohl ich von ihm geträumt habe, ehe ich aus dem Schlaf geklingelt wurde. Einen verstörenden Traum, in dem es um Geld, Küsse und mein Bistro ging. Merkwürdiges Zeug. Ich seufze und rolle mich zu einer Kugel ein. Seit Pauls Kuss weiß ich weder ein noch aus. Wenigstens die Frage, warum er das getan hat, hatte sich nach ein paar Minuten von selbst geklärt. Der Idiot hat meine Verwirrung über den Kuss ausgenutzt, nein! Ihn gezielt eingesetzt, um mir den Geldschein in die Hosentasche zu stecken. Als mir das aufgefallen ist, ist meine Enttäuschung natürlich groß gewesen. Aber was hatte ich auch anderes erwartet? Dass er mich küsst, weil er ebenfalls in mich …? Dummer, dummer Ole! Ich bin anscheinend doch noch nicht so erwachsen, wie ich immer gedacht habe. Jedenfalls fühle ich mich seitdem wie ein verlorenes Kleinkind, unfähig, den Weg nach Hause zu finden. Paul hat mich für Geld geküsst! Na ja. So irgendwie. Das ärgert mich. Genau wie mich meine Reaktion darauf ungemein ärgert. Ich hätte nicht einfach wie erstarrt dastehen dürfen, sondern ihn packen, gegen die nächstbeste Wand drücken und zurückküssen sollen. Jawohl! Dann hätte ich jetzt einen Trumpf in der Hand. Oder die Arschkarte, aber egal. Alles wäre besser gewesen, als nur dumm dazustehen und sich das gefallen zu lassen. Ich hätte den Spieß umdrehen müssen. Damit er jetzt derjenige ist, der wach im Bett liegt und darüber nachgrübeln muss. Aber nein! Ich liege jetzt hier und komme mir vor wie ein an der Nase herumgeführtes Kind. Weil ich Hornochse mir in den ersten Momenten ernsthafte Hoffnungen gemacht habe, dass er vielleicht doch … "Fuck!" Ich entrolle mich und springe aus dem Bett. Extrem mies gelaunt schnappe ich mir ein paar frische Klamotten aus dem Schrank und laufe ins Bad rüber. Eine Dusche später stehe ich vor meiner Kaffeemaschine und brühe mir eine Tasse auf. Paul kommt morgen also zu Mama, hm? Ob ich doch hingehen soll? Auf der einen Seite möchte ich ihn natürlich gern wiedersehen, aber auf der anderen am liebsten zum Teufel jagen dafür, dass er mich so zum Narren gehalten hat und ich seit zwei Tagen deshalb so schlechte Laune habe, dass Sarah langsam überlegt mich zu einer Therapie zu schicken. 'Ich muss ihm zeigen, dass er das nicht mit mir machen kann', überlege ich. "Aber wie?" Es klingelt. Schon wieder. Diesmal an der Haustür. "Ja?", brumme ich in die Gegensprechanlage. /Mach schon auf! Es ist kalt und es regnet wieder!/ Was will meine Mutter denn jetzt hier?! Ich drücke den Türsummer und öffne meine Wohnungstür. Schon kommt sie angehechtet. "Man! Was für ein scheiß Drecks-Frühling!", schimpft sie. "Womit haben wir das verdient, hm?" "Das frage ich mich auch gerade", grummle ich. "Was machst du hier?" "Dir eine Ohrfeige verpassen, weil du mich einfach weggedrückt hast. Undankbares Balg!" Ihre Hand trifft meine Wange. Ganz leicht nur. Sie würde mir niemals eine klatschen. "Mach die weg! Die ist schweinekalt!" Brrr! "Hast du schon Kaffee gekocht?" "Küche." Sie stürmt voran, ich hinterher. "Ah, schön warm." Sie schnuppert an der Tasse, an meiner(!) Tasse und trinkt dann einen großen Schluck. "Das tut gut." Glücklich hockt sie sich an meinen Küchentisch. Ich ergebe mich der Situation und setze mich ebenfalls, nachdem ich mir eine neue Tasse aus dem Schrank genommen habe. "Was ist jetzt wegen morgen?" Fängt sie schon wieder damit an? "Paul freut sich schon auf dich und ich habe ihm versprochen, dass du auch da sein wirst. Außerdem brauche ich Hilfe bei der grünen Soße." "Du sollst keine Versprechungen machen, die du nicht halten kannst", erinnere ich sie. "Aber du wolltest doch kommen. Außerdem machen wir jedes Jahr. Grüne Soße am Karfreitag." "Ja. Aber nur wir beide. Das Paul kommt war nicht abgesprochen." "Ich dachte, du magst Paul." "Paul kann mich mal", schnaube ich. Ma runzelt besorgt die Stirn. "Ehekrach?" "Ich gebe dir gleich Ehekrach." "Brauche ich nicht. Davon hatte ich schon genug in meinem jungen Leben." "Sehr witzig." "Das fand ich früher nicht." "Ma!", jammere ich verzweifelt. "Bitte verschone mich. Ich will Paul nicht sehen und gut is." "Er will aber dich sehen, du Blindgänger!" Sie gibt ein genervtes Schnauben von sich. Wie soll ich denn das bitteschön verstehen? "Erklärung", belle ich angespannt. Ma windet sich. "Ich soll es dir eigentlich nicht sagen …" "Was sagen?" Ich hasse es, aber es keimt schon wieder ein leiser Hoffnungsschimmer in mir auf. "Na das Paul dich mag." "Wie mag?" Das kann ja alles bedeuten! "Schön", seufzt sie und stellt die Tasse ab. "Er war gestern bei mir." "Warte mal. Sag mir bitte nicht, du hast ihm erzählt, dass ich …" "Nein! Wo denkst du hin? Ich verrate doch meinen Sohn nicht." Uff! "Aber es könnte sein, dass ich Andeutungen gemacht habe …" "WAS?!" Ich springe vom Stuhl auf. "Beruhige dich und setzt dich bitte wieder!" Zähneknirschend tue ich ihr den Gefallen, bleibe aber weiterhin bis in die Haarspitzen angespannt. Sie trinkt noch einen Schluck Kaffee, was mich fast zum zerplatzen bringt vor Aufregung. "Er hat mir erzählt, dass er dich geküsst hat." Ich muss schlucken und spüre, wir mir sämtliches Blut in den Kopf schießt. Wieso erzählt er ihr das? "Hat er auch gesagt warum?" "Ja. Weil du zu stolz warst, um sein Geld anzunehmen. Stimmt das? Du hast Geldprobleme?" Na super! "Habe ich nicht. Jedenfalls keine großen. Diesen Monat ist es etwas eng, aber ich knabbere nicht am Hungertuch. Keine Sorge." "Ach so. Weil Paul sowas gemeint hat." "Das war ein Missverständnis. Ich dachte, ich wäre allein, brabbelte was vor mich hin und … egal! Was hat er denn jetzt noch gesagt?" Die Spannung bringt mich um! Warum hat Paul ihr von dem Kuss erzählt? War er am Ende doch nicht bloß ein Ablenkungsmanöver, um mir das Geld zuzustecken? "Dafür, dass Paul dich mal kann, bist du aber ganz schön neugierig", lacht sie. "Ma!" "Schon gut, schon gut. Ich erzähle ja schon." Na hoffentlich! "Wie gesagt, Paul kam gestern zu mir und war ganz durcheinander. Er meinte, er hätte Mist gebaut." Es hört sich aber gar nicht gut an, wenn er den Kuss als Mist bezeichnet. "Und dann beichtete er mir regelrecht, dass er dich geküsst hat, es ihm leid täte, aber …" "Es tut ihm leid?" Wieder hält es mich nicht auf meinem Stuhl. "Super! Darüber freut man sich doch! Der Kuss tut ihm leid! Pff!" Unruhig laufe ich in der Küche auf und ab. "Ich wusste es! Er hält mich immer noch für einen kleinen Jungen, oder? Sein kleiner Ole, der dumme Junge, der seinen Onkel Pauli vergöttert. Wahrscheinlich findet er das total lustig! Genau wie früher!" "Um Himmels Willen! Hältst du mal den Rand jetzt?", unterbricht Ma mein Gezeter. "Hör doch erstmal zu!" Mamas Gesichtsausdruck duldet keinen Widerspruch. Also gehorche ich, lehne mich aber gegen die Küchenzeile und verschränke die Arme vor der Brust. Das scheint ihr zu reichen, denn sie erzählt weiter, während es in mir drinnen immer noch brodelt. "Er hat gesagt, es tut ihm leid. Zu mir. Aber nicht, dass ihm der Kuss leid tut." "Was?" Kann sie mal Klartext sprechen? Ich verstehe nur Bahnhof. "Er sagte: Es tut mir leid Edith, aber ich bereue den Kuss nicht." Wie? "Verstehst du?" Verstehen? Nein! Ich verstehe gar nichts mehr! "Er hat sich bei mir entschuldigt, dass er dich geküsst hat, aber er bereut es nicht", startet sie einen weiteren Erklärungsversuch. Und der fruchtet langsam. Meine Beine werden weich und ich hangle mich regelrecht zurück auf meinen Stuhl, um nicht meinen Stand zu verlieren. "Natürlich habe ich ihn dann gefragt, wie er sich das jetzt vorstellt", berichtet meine Mutter weiter. "Er meinte, er fühle sich sehr zu dir hingezogen. Schon seit eurem ersten Treffen in seiner Praxis und das mache ihn ganz schön durcheinander." "Wie?", fiepse ich ungläubig. "Auf deutsch: Paul ist geil auf dich." Musste sie das jetzt so plastisch erklären? "Und deswegen plagt ihm jetzt sein schlechtes Gewissen. Weil du für ihn all die Jahre über sein kleiner Ole warst, wie du so schön gesagt hast. Zudem ist euer Altersunterschied auch beträchtlich, was mich allerdings nicht stören würde. Ältere Männer haben sowieso dieses gewisse Etwas. So eine sexy reife und …" "Stopp jetzt mal!", unterbreche ich Mamas Schwärmerei für ältere Männer. "Und was hast du ihm über mich erzählt?" "Das ich das Gefühl habe, du würdest ihn auch sehr mögen", sagt sie achselzuckend. "Mehr nicht." "Gut", erwidere ich angespannt und knete meine Hände. Plötzlich umfasst meine Mutter sie mit ihren. "Komm morgen. Bitte. Du wirst sehen, alles wird gut." ****** Der Cliffhänger war nicht geplant. Ich schwöre! Echt jetzt! Aber um zu erfahren, was morgen passiert, ob Ole am Karfreitag wirklich zu seiner Mutter und Paul fährt, müsst ihr ja nicht mehr lange warten ;-) Dann bis morgen. Und euch schon mal einen schönen Feiertag morgen :-* *Oles Mutter muss mit mir verwandt sein xDDD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)