Paul von Fara_ThoRn ================================================================================ Kapitel 2: 02. -------------- Hallöchen ^^ Weil einige Fragen aufkamen, wegen Pauls und Oles Altersunterschied, habe ich euch mal kurz aufgeschrieben, wie das mit Oles und Pauls Alter aussieht: Oles Mutter Edith bekam ihn sehr früh mit 18 Jahren. Das war 1987. Jetzt ist er 31. Paul 1969 geboren (wie Edith) ist jetzt 49. Als Paul Oles Mutter und ihn traf war er 23 und Paul 5 (1992) Ihr Altersunterschied liegt also bei 18 Jahren. Ich hoffe, alle Fragen sind damit geklärt ^^ Viel Spaß mit dem zweiten Kapitel Fara 02. "Echt jetzt? Dein Vermieter wusste gar nichts von der Mieterhöhung?" "Nein." "Sicher, dass er nicht gelogen hat, um dich schnell wieder los zu werden?" Sarah sieht mich skeptisch an "Ganz sicher", beteuere ich. "Seit wann bist du so ein vertrauensseliger Menschenfreund?" "Seit ich meinen Vermieter kenne, als ich noch sooo klein war." Ich mache die entsprechende Armbewegung und ahme meine ungefähre Größe im Alter von 5 Jahren nach. "Hä?" Sarah sieht mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. "Das heißt nicht hä, sondern: Wie bitte, mein lieber Boss? Ich habe Sie nicht verstanden. Würden Sie den letzten Satz noch einmal für mich in aller Deutlichkeit wiederholen", ärgere ich sie. Leider versteht diese Frau selten Spaß, der auf ihre Kosten geht. Ich bekomme einen ihrer schmerzhaften Armzwicker ab. "Nun sag schon! Wie meintest du das, du kennst ihn schon, seit du soooo klein bist?" "So, wie ich es gesagt habe", blaffe ich sie an. Für ihre freche Art bestrafe ich sie damit, ihr die wichtigsten Details des gestrigen Tages zu verschweigen. Im Gegenzug bestraft sie mich wiederum mit Nichtbeachtung. Auch gut. So arbeitet sie wenigstens mal für ihr Geld und verwickelt mich nicht ständig in belanglose Gespräche. Etwas, was sie ganz hervorragend kann. Und da heute wieder wenig los ist, gibt es auch kaum Gäste, die ihre Zeit in Anspruch nehmen können. Deshalb bleibt ihr nur eins übrig: Putzen. Gut so. Und ich kümmere mich mal um die Tische. Wir putzen also still vor uns hin, während die beiden einzigen Gäste aufessen und mein kleines Lokal wieder verlassen. "Sagst du es mir jetzt?" Sarah hat ihre Sprache wiedergefunden. Dabei war es gerade so schön ruhig … "Herr Lüksch ist ein alter Bekannter meiner Mutter", kläre ich sie nun doch auf. "Ach sagt bloß. Und das wusstest du nicht?" "Nein. Ich war damals noch sehr klein. Fünf, sechs Jahre alt." "Och wie süß. Gibt es aus dieser Zeit noch Fotos?" "Nein", blaffe ich sie an. "Alle verbrannt, verschollen und in der Versenkung verschwunden." "Zicke!", zischt Sarah, grinst allerdings. "Warum nochmal soll ich dich nicht feuern?" "Weil du mich liebst", säuselt sie mir zu und legt ihre Arme um meinen Nacken. "Sag das aber nicht deiner besseren Hälfte, sonst schlägt sie mir noch den Schädel ein." Sarahs Freundin kann ganz schön eifersüchtig werden. Sarah kichert und lässt mich wieder los. In dem Moment geht die Ladenglocke. "Hey Ben." Mein Flurnachbar betritt das Lokal. "Hey. Du wolltest mich sprechen?" Er kommt vor an den Tresen und lehnt sich dagegen. "Ja", nicke ich. "Hast du auch einen Brief von der Hausverwaltung bekommen?" "Erinnere mich bloß nicht daran!", regt Ben sich sofort auf. "Ich könnt kotzen!" "Nur die Ruhe", beschwichtige ich ihn. "Den Wisch kannst du getrost vergessen." "Wieso?" Man kann die Fragezeichen förmlich in der Luft über Bens Kopf schweben sehen. "Ole kennt urplötzlich den Hausbesitzer", mischt sich Sarah ein. "Und der weiß nichts von einer Mieterhöhung." "Was?" Ben schaut zwischen mir und Sarah hin und her. "So wie es aussieht, hat der Hausverwalter sein eigenes Ding durchgezogen. Mit der ursprünglichen Miete stimmt auch was nicht", erkläre ich meinem Nachbarn. "Das gibt's doch nicht! Den zeig ich an! Ich schwöre!" "Besser nicht. Paul regelt das alles." "Wer ist Paul?" Wieder kommt Sarah mir zuvor. "Na der, dem das alles hier gehört. Oles Jugendliebe." Bitte?! "Sarah! Red nicht so einen Schwachsinn! Ich war damals noch nicht mal in der Schule." "Ja, ja, ja …" "Ganz sicher nicht!", gifte ich sie an. "Würde mich mal einer endlich richtig aufklären?" Ben tippt ungeduldig auf den Tresen. Ich erzähle ihm alles haargenau. Diesmal ohne Sarahs Einmischung. Am Ende verspricht Ben mir, seinen Mietvertrag für mich zu kopieren, damit ich ihn gegebenenfalls an Paul weiterleiten kann. Er ist jedenfalls richtig froh, dass ihm die angekündigte Erhöhung erspart bleibt, und er wird gleich mal den Flurfunk einschalten. Angefangen bei der lieben kleinen Oma Klara, die schon ewig in diesem Haus wohnt. Sie bekommt kaum Rente und wir alle helfen ihr wo es geht. Die Arme hat bestimmt schon tiefe Sorgenfalten bekommen bei der Überlegung, wo sie noch was von ihrer Minirente abzwacken kann, das heißt, wenn ihr schon jemand den Brief vorgelesen hat. Die Gute sieht nicht mehr allzu gut. Selbst mit Brille erkennt sie nur das Nötigste. Gegen Abend wird es etwas voller in meinem Lokal. Sarah und ich haben ganz schön was zu tun. Nach der wochenlangen Durststrecke fast ungewohnt, aber es macht mir unheimlich viel Spaß. So bin ich auch ziemlich beschäftigt, als ein neuer Gast eintritt. Ich stehe am Kaffeeautomaten. Sarah kommt zu mir und stellt sich neben mich. "Ich übernehme. Der Gast an Tisch drei wünscht dich zu sehen." "Ist gut." Ich mache ihr Platz und wische mir die Hände notdürftig an meiner dunkelroten Schürze ab. Als ich rüber zu Tisch drei sehe, dann die Überraschung. Paul sitzt dort! "Na das ging aber schnell", begrüße ich ihn. Er deutet auf den freien Platz vor sich, woraufhin ich mich zu ihm setze. Die anderen Gäste sind alle versorgt und Sarah bekommt das auch erstmal allein in den Griff. Die kleine Auszeit gönne ich mir jetzt einfach. "Und? Bist du aus allem schlau geworden?" "Kann man so sagen", seufzt er. "Keine schöne Sache." "Erzähl!" Das will ich unbedingt wissen. "Zuerst einmal habe ich meine Kopie mit deinem Mietvertrag verglichen. Und wie ich mir anfangs gedacht habe, stimmen die Kaltmieten nicht überein." "Was bedeutet, der Hausverwalter hat Mist gebaut", mutmaße ich. "Wahrscheinlich mit Absicht." "Denke ich auch." "Hast du ihn darauf angesprochen?" "Noch nicht. Ich will erst mit allen Mietern reden." "Okay." Das ist wahrscheinlich erst einmal das Vernünftigste. "Und deshalb bin ich hier. Dazu bräuchte ich etwas von dir." "Was denn?" Was könnte Paul schon von mir brauchen? "Dein Bistro. Ich würde es gern für ein Treffen mit allen mieten. Geht das?" Ob das geht? Macht er Witze? "Natürlich!", willige ich selbstverständlich ein. "Und wann?" "Kommt drauf an. Wann könntest du dein Lokal entbehren?" "Wie es dir passt. Momentan ist nicht viel los." Ein Abend bei geschlossener Gesellschaft wird drin sein. "Wenn das so ist, vielleicht in einer Woche? Am besten Abends. Ich würde noch schnell einen Schrieb aufsetzen und allen schicken, dann …" "Quatsch! Musst du nicht. Schicks mir per Mail und ich verteile es im Haus. Das geht viel schneller." "Das macht dir nichts aus?" "Ach was. Ich bin ja selbst froh, wenn das alles zeitig geklärt wird." Und dieser arrogante Dreckskerl von einem Hausverwalter endlich mal einen vor den Latz bekommt! Paul lächelt mich teils dankbar, teils entschuldigend an, wobei mir nicht einfallen würde, für was er sich bei mir entschuldigen müsste. Ist ja nicht seine Schuld, wenn der Hausverwalter in seine eigene Tasche wirtschaftet, in dem er Mietverträge manipuliert. "Möchtest du einen Kaffee?", frage ich Paul, weil es vorerst nichts mehr zu besprechen zu geben scheint. "Gern", erwidert er und behält sein charmantes Lächeln bei. Es verwirrt mich leicht, das muss ich zugeben. Vielleicht, weil ich es so lange nicht mehr gesehen habe und mein damaliges Ich anspricht, das total in Paul vernarrt gewesen ist. "Fein. Ich mache dir meine Spezialröstung." "Hört sich gut an." Lächel, lächel. Ich schüttle das merkwürdige Gefühl ab und stehe wieder auf, um mich an die Arbeit zu machen. "Magst du auch eine Kleinigkeit essen? Wir haben verschieden belegte Baguettes und leckere Muffins", biete ich Paul an, als ich ihm den Kaffee nach ein paar Minuten bringe. "Nein, Danke", winkt er ab. "Ich muss gleich wieder los." Wie schade! "Du bist ein vielbeschäftigter Heilpraktiker, was?", grinse ich und lasse es mir nicht nehmen, mich wieder zu ihm zu setzen. "So in der Art", lacht er, gibt mir aber keine weitere Auskunft. Das ärgert mich. Obwohl es das gar nicht sollte. Was interessiert es mich, was er heute noch zu tun hat? Verdammt! Ich will es wissen! Und ich will nicht, dass er deswegen gleich wieder von hier abhaut. "Wie wäre es mit einem Abendessen", platzt es aus mir heraus, noch bevor ich genauer darüber nachdenken kann. "Ein Abendessen?" Paul sieht mich überrascht über den Rand der Kaffeetasse hinweg an. "Als Dankeschön. Dafür, dass du dich so hinter die Sache mit der Miete und so klemmst." Ja. Nur als Dankeschön … "Du musst dich nicht dafür bedanken." Paul runzelt amüsiert die Stirn, was irgendwie komisch aussieht. Ich wusste gar nicht, dass man amüsiert die Stirn runzeln kann. Doch Paul kann es. "Möchte ich aber", bestehe ich. "Irgendwann, wenn es dir passt. Ich koche ein hervorragendes Curry. Es ist das Rezept meiner Mutter, wenn du dich noch erinnerst?" In der Küche ist meine Mutter immer noch eine Niete, obwohl sie schon etliche Versuche gestartet hat, dies zu ändern. Aber eins kann sie: Curry. "Und ob!", freut sich Paul. "Das war wirklich hervorragend. Und du kannst das genauso gut wie sie?" "Besser", behaupte ich hochnäsig. "Denn ich kann kochen." Das bringt Paul wieder zum lachen und er willig schließlich ein, morgen Abend gegen neunzehn Uhr mein Curry zu probieren. Warum mein Bauch deswegen solche Saltos macht und mein Herz gleich drei Takte schneller schlägt, das will ich gar nicht näher analysieren. "Wer war denn das?" Sarah. Sie hat nur darauf gelauert, das Paul endlich zur Tür hinaus ist. "Mein Vermieter." Ihre Augen werden groß. "Das war dein alter Bekannter Paul?" "Ja." Weshalb macht sie deswegen so ein Fass auf? "Mann! Der sieht gut aus. Selbst für sein Alter und trotz des kleinen Bläuchleins." Was läuft denn hier für ein Film? "Seit wann findest du Männer attraktiv?" Für sie sehen alle Kerle gleich aus. Zumindest jeder mit einem Schwanz, der nicht mit ihr befreundet ist. "Selbst mir fallen gutaussehende Männer auf, Sherlock. Lesbisch hin oder her." Ich werfe ihr einen skeptischen Blick zu und gleich darauf den Spüllappen. "Ey!" "Da ist ein Haufen dreckiges Geschirr im Waschbecken. An die Arbeit." Während sie noch zetert, gehe ich in Gedanken durch, was ich morgen alles für das Curry brauche und versuche zu vergessen, dass sie Paul attraktiv findet … *** Mittwoch Morgen. Nichts los im Supermarkt. Trotzdem kann ich nicht entspannt einkaufen. Eine nagende Unruhe hat von mir Besitz ergriffen. Schon als ich vorhin wach wurde, konnte ich sie spüren. Nur deshalb tingle ich in aller Frühe im Supermarkt herum, um für heute Abend einzukaufen. Das wird mich hoffentlich ablenken von diesem Ziehen in meinem Bauch. Hoffentlich werde ich nicht krank. Das würde mir noch fehlen! Nach und nach füllt sich mein Einkaufswagen. Es steht nicht mehr viel auf meiner Einkaufsliste, als mich plötzlich jemand von hinten antippt. "Hallo schöner fremder Mann. Lust auf ein kleines Frühstück?" "Mama?" Was macht die denn hier? Um diese Uhrzeit? "Bist du aus dem Bett gefallen?" "Das Selbe könnte ich dich fragen." Sie linst in meinen Wagen. "Curry?" War ja klar, dass sie sofort erkennt, was ich vorhabe. "Ja. Ich koche für einen Freund." Das hätte ich nicht sagen sollen. Ich weiß es, kaum dass ich es ausgesprochen habe. "DEIN Freund?!" "Nein." Ich rolle mit den Augen. "EIN Freund." "Wenn du ihm schon unser Curry kochst, muss es aber ein sehr enger Freund sein." Ihr zweideutiges Grinsen gefällt mir nicht. Und weil es mir nicht gefällt, werde ich ihr auch nicht verraten, wer der Freund ist. Zumindest heute nicht. "Denk doch was du willst", brumme ich und rolle mit meinem Einkaufswagen davon. "Jetzt sei doch nicht so." Sie setzt zur Verfolgung an. "Also?" "Was also?" "Was ist jetzt mit einem Frühstück? Oder magst du nicht mit deiner alten, peinlichen Mutter in der Öffentlichkeit gesehen werden?" "Du hast es erfasst", foppe ich sie. "Altes Ekel! Was habe ich nur bei dir falsch gemacht?" Sie verdrückt ein paar unsichtbare Krokodilstränchen. Das bringt mich zum grinsen. Diese alte Spinnerin! Benimmt sich mit ihren 49 Jahren immer noch wie ein Kind. "Okay. Aber nur, wenn du bezahlst." Einen Vorteil muss es ja haben, wenn man seine Mutter im Supermarkt begegnet. Gemeinsam beenden wir unsere Einkäufe. Vorn am Eingang des Supermarktes gibt es einen kleinen Bäcker, der auch ein paar Sitzmöglichkeiten hat. Auch hier ist nicht viel los. Wir parken unsere Wagen neben einen der Tische und setzen uns. "Was möchtest du?", werde ich gefragt. "Einen Milchkaffee und ein Stück Käsesahne." Meine Mutter verzieht das Gesicht. Süßes am Morgen war noch nie ihr Ding. Wetten, sie kommt mit einem Käse- oder Salamibrötchen an? Und dazu einen bitteren Kräutertee. Ich behalte Recht. Käse und Kräuter. "Wie kann man sowas morgens essen?", frage ich sie. "Genau", blafft sie mich an und schiebt mir meinen Käsekuchen hin. "Wir sind uns mal wieder einig, dass wir uns uneinig sind." "Wie immer." Wir grinsen und an. Eine Zeit lang essen wir ohne einen Ton miteinander zu wechseln. Jedoch nur so lange, bis der gröbste Hunger gestillt ist. "Nun sag schon", frage ich und schiebe ein paar Kuchenkrümel über den Teller. "Warum bist du so früh am Einkaufen?" Und dann noch mitten in der Woche. "Ich war bis gestern verreist." "Echt?" Davon wusste ich gar nichts. "Ohne mir davon zu sagen?" "Seit wann muss ich mich bei meinem Sohn abmelden?" Leicht zickiger Unterton. "Ich frage ja nur. Sonst erzählst du mir doch auch jeden Mist." Sie sieht mich schnippisch an. "Und wo warst du, wenn ich fragen darf?" "Frauenangelegenheit", meint sie lapidar und schiebt ihren leeren Teller beiseite. Bitte?! "Bist du krank?" Warum sagt sie mir denn nichts? Sie wirft mir einen verdammt bösen Blick zu. "Nein! Denk doch nicht gleich wieder das Schlimmste!" "Na Entschuldigung das ich mir Sorgen mache." Jetzt bin ich beleidigt. "Wenn ich dir sage, wo ich war, sagst du mir nur wieder, du hättest das gar nicht wissen wollen", pampt sie mich an und schlürft ihren Tee. Eh … So ist das. "Gut. Ich will es nicht wissen." Entwaffnend hebe ich die Hände. Momentan ist sie auf ganz merkwürdige Dinge 'scharf'. Selbstfindungsdinge … Auch sexuelle. Das geht mich tatsächlich nichts an. "Nur, damit du beruhigt bist. Es geht mir gut, alles ist Bestens, ich bin vollauf zufrieden." "Schön für dich." Es beruhigt mich tatsächlich. Irgendwie hat sich unser Verhältnis zueinander irgendwann zu drehen begonnen. Früher machte sie sich immer Sorgen um mich, jetzt mache ich mir welche um sie. Vielleicht liegt es daran, dass sie immer noch Single ist und allein lebt. Keine Ahnung. Aber seit ich ausgezogen bin, mache ich mir öfter Gedanken, weil sie alleine in ihrer Bude hockt. Dabei hat sie viele Freunde und steht mitten im Leben. Sie ist teilweise richtig arbeitswütig und ihr Job macht ihr Spaß. Ich weiß, ich sollte wirklich damit aufhören, mir Gedanken über sie zu machen. Aber ich kann da nicht aus meiner Haut. "Kommst du dieses Wochenende mal wieder nach Hause?" Ihre Frage überrumpelt mich. "Warum?" Sie verzieht ärgerlich den Mund. "Warum? Fragt man das seine Mutter, wenn sie ihren Sohn bittet, sie mal wieder zu besuchen?" "Entschuldige. Ja, ich komme gern zu Besuch Mutter, doch sag, gibt es einen bestimmten Anlass für deinen Wunsch mich am Wochenende zu sehen?" "Jetzt werde nicht auch noch Sarkastisch. … Nein. Es gibt keinen bestimmten Anlass. Einfach mal so." Einfach mal so? Komisch. "Willst du etwa wieder eins deiner neuen Rezepte bei mir testen? Falls ja, dann …" "Sei unbesorgt. Ich habs aufgegeben mit dem Kochen. Nein. Ich dachte, wir könnten mal wieder einen schönen ruhigen Tag miteinander verbringen. Uns austauschen … Mutter Sohn Kram machen … Sowas halt." Sie spielt mit dem Teebeutel in ihrer Tasse. "Bist du einsam?" Sorry, das musste ich jetzt fragen. Ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen und der Teebeutel bleibt in der Luft hängen. "Bilde dir bloß nichts ein! Ich habe genug zu tun und genug Freunde. Ich dachte einfach, wir beide haben lange nicht mehr Zeit zusammen verbracht. Mehr nicht." Okay. Jetzt ist sie wirklich sauer auf mich. Ich lächle sie süßlich an und lege ihr den kleinen Keks, den ich zusammen mit meinem Milchkaffee bekommen habe, vor die Nase. "Schön. Ich komme am Sonntag." "Fein." Immer noch leicht angesäuert knabbert sie an dem Keks. Die einzige Süßigkeit am Morgen, die sie mag. "Ich freue mich schon." "Du mich auch." Habe ich nicht eine nette Mutter? Zwei Dates in einer Woche. Bei mir läufts. Übergeht man, dass das eine mit meiner Mutter ist, und das andere mit einem alten Bekannten, der mir als Kind vor dem Kindergarten die Schuhe zugebunden hat, könnte man glatt meinen, es würde tatsächlich bei mir laufen. Egal. Ich freue mich auf jeden Fall auf Pauls Besuch und auch auf den Sonntag zuhause. Mama möchte bestimmt mal wieder in Erinnerungen schwelgen, die alten Fotoalben und VHS Kassetten heraus kramen und mit mir dabei auf dem Sofa herumlümmeln. Eben das, was sie als Mutter Sohn Kram bezeichnet. Ich könnte ein paar Muffins vom Bistro mitnehmen. Ja, keine schlechte Idee. Aber bevor es soweit ist, kümmere ich mich erstmal um mein heutiges Date. Ein Date, das eigentlich gar keins ist. Ein Date mit Paul … Grinsend schüttle ich über mich selbst den Kopf. Das Curry habe ich schon heute Morgen gleich nach dem Einkaufen angesetzt. Je länger es zieht, desto besser. Morgen wäre es noch besser, aber sei es drum. Paul wird es schon schmecken. Während das Curry vor sich hin köchelt, räume ich meine Wohnung noch etwas auf. Er muss nicht unbedingt sehen, dass ich nicht der ordentlichste Mensch auf Erden bin. Mit Ordnung habe ich es nicht so. Denkt jetzt nicht, ich würde im dicksten Dreck leben. Soweit ist es noch lange nicht. Aber hier und da lasse ich gern mal was stehen und liegen. Staubsaugen könnte ich auch mal wieder … Doch das muss allem Anschein nach warten. Es klingelt. Ein panischer Blick auf die Uhr. Zehn vor Sieben! Das muss Paul sein! Ich drücke den Knopf der Gegensprechanlage. "Ja?" /Paul/, dröhnt es blechern. "Komm hoch. Zweiter Stock." Es summt, dann hört man unten die Tür aufgehen. Mein Herz rast. Warum bin ich nur so aufgeregt?! Ein schneller Blick in den Spiegel. Nochmal schnell die Haare zurechtzupfen, die Kleidung richten. Ist in meiner Bude auch alles weggeräumt? Sieht so aus. Schritte im Flur. Ich öffne die Wohnungstür und da kommt er auch schon um die Ecke. "Hey", begrüße ich ihn. "Hallo. Bin ich zu früh?" "Was? Ach nein!" "Sicher? Du siehst so gehetzt aus?" Was soll ich? Habe ich etwa rote Flecken im Gesicht? Die bekomme ich immer, wenn ich nervös bin. Aber Moment! Wer ist denn hier nervös? Ich doch nicht! "Bestimmt vom Curry. Das dampft ganz schön", schustere ich mir als Ausrede zurecht. "Man riecht es schon. Duftet richtig gut. Das erinnert mich an früher." "Das freut mich. Komm rein." Ich lasse Paul den Vortritt. Interessiert sieht er sich in meiner Wohnung um. "Schön hast du es hier." "Danke." Langsam läuft er umher. "Gemütlich." Er deutet auf meine große, breite Couch. "Die musste sein. Nach Feierabend brauche ich Platz zum Beine hochlegen." Es gibt nichts schöneres als sich nach harter Arbeit entspannt vor die Glotze zu hauen und einzudösen. "Das glaube ich", schmunzelt Paul. "Und wer macht heute dein Bistro? Es hat doch offen, nicht?" "Ja", nicke ich. "Sarah und Konstantin kümmern sich darum. Heute habe ich mir mal frei genommen." Konstantin springt immer in Notfällen für mich ein. Wie gut, dass er heute Zeit hatte. Das lag vor allem daran, dass ich ihm etwas vom Curry versprochen habe. Apropos. "Komm mit in die Küche und setzt dich ruhig schon mal. Ich decke nur schnell noch den Tisch. Das Essen müsste schon fertig sein." "Setzen? Red nicht. Ich helfe dir. Wo sind die Teller?" Ich führe Paul in meine kleine Küche. Viel Platz ist hier nicht. Aber für einen kleinen runden Tisch hat der Platz alle mal gereicht. Neben an der Wand habe ich vier zusammenklappbare Stühle hängen. Die sind prima, wenn mal Besuch eintrudelt. Zwei von ihnen habe ich schon an den Tisch gestellt. Ich zeige Paul, in welchem Schrank das Geschirr steht und kümmere mich erstmal um das Curry. Sieht gut aus und riecht noch besser. Der Reis ist auch soweit und bereit, abgeschüttet zu werden. Als das erledigt ist, hat Paul auch schon den Tisch zu Ende gedeckt. "Sieht sehr professionell aus", lobe ich ihn. "Vielen Dank. Hat mir deine Mutter beigebracht." "Ahso", lache ich, weil das sicher nur als Scherz gedacht war. So wie meine Mutter kocht, ist auch ihr Dekorationstalent. Tischdecken heißt bei ihr zwei Teller und höchstens noch ein Glas. Das Besteck muss man sich dann immer selbst aus der Küche holen. Wegen des geringen Platzangebotes am Tisch, bedienen wir uns direkt am Herd. Als wir sitzen, klatsche ich mir gegen die Stirn. "Mist! Ich habe vergessen den Rotwein zu holen!" Ich Idiot! "Nicht schlimm", grinst Paul. "Wasser ist mir sowieso lieber." "Ich kann ihn noch holen! Er steht unten im Keller und …" "Nein, wirklich. Wasser reicht. Ich bin nicht so der Alkoholtrinker." "Ach so. … Na dann." Ich schenke uns beiden Wasser ein und erhebe mein Glas. "Guten Appetit." "Wohl bekomms!" Gespannt warte ich auf Pauls ersten Bissen. Zwar mache ich das Curry nach dem selben Rezept wie meine Mutter, aber man weiß ja nie. Meist schmeckt es anders, wenn eine andere Person kocht. "Und?", frage ich, weil ich einfach zu gespannt auf sein Urteil bin. "Wirklich sehr lecker. Du hast nicht zu viel versprochen." "Nicht zu scharf?" "Überhaupt nicht. Deine Mutter macht das Curry nicht besser." Ein Lob von Paul. Das hat mich früher schon immer um einige Zentimeter wachsen lassen. Und auch heute noch macht es mich stolz. Es freut mich sehr, dass es ihm schmeckt. "Ich habe übrigens das Schreiben für die Mieter fertig", sagt Paul. "Sehr gut. Dann kann ich sie morgen gleich in die Briefkästen werfen." "Habe ich schon gemacht. Bevor ich bei dir geklingelt habe." "Du bist ja schnell." "Logisch. Je schneller, desto eher kann ich Löffler mit allem konfrontieren." Pauls verärgerter Blick sagt alles. Löffler, das ist unser 'lieber' Herr Hausverwalter. "Zeigst du ihn an?" "Auf jeden Fall!" "Und das Geld? Meinst du, wir sehen davon jemals etwas wieder?" "Das weiß ich nicht. Ich werde aber alles dafür unternehmen. Morgen Mittag habe ich ein Treffen mit meinem Anwalt. Der hat mehr Ahnung von solchen Dingen." Sogar einen Anwalt will Paul einschalten. Na ja. Ist auch logisch. Es sind ja auch viele Leute davon betroffen und es geht um eine Menge Geld die sich der Hausverwalter unter den Nagel gerissen hat. "Ich habe schon überlegt, euch allen die Miete zu kürzen. Als Entschädigung." "Das ist zwar sehr nobel von dir, aber du kannst doch nichts dafür." "Nicht direkt, aber ich habe nicht richtig aufgepasst und Löffler zu wenig auf die Finger geschaut. Irgendwie hätte es mir auffallen müssen, dass er krumme Dinger zieht." Armer Paul. Er sieht tatsächlich richtig geknickt aus. Aus einem Reflex heraus lege ich meine Hand auf seine, die neben seinem Teller liegt. Noch bevor ich reagieren, und sie wieder wegziehen kann, hat er sie mit seiner umschlossen. Mein Herz jagt davon und ich weiß nicht, wohin ich gucken soll. "Zuerst möchte ich mit allen Mietern darüber sprechen. Das ist erstmal das Wichtigste. Damit sich keiner mehr über den Tisch gezogen fühlt, als ohnehin schon. Danach sehen wir weiter." Sein Lächeln wirkt aufmunternd. Dabei war er es doch, der eben noch so niedergeschlagen aussah. Meine Hand wird wieder losgelassen. Ich habe Mühe, sie nicht zu schnell von seiner Seite des Tisches zu ziehen. Nachdem wir fertig sind mit Essen, ist die Stimmung auch wieder gelöster. Genau wie das Tischgespräch. Paul hat mir von seiner Arbeit erzählt. Natürlich keine Patientengeschichten, sondern viel mehr, was er alles tut und wie sehr es sein Leben verändert hat, nicht mehr ständig unter Strom zu stehen, wie er seine Arbeit in der Werbebranche genannt hat. Ich dagegen habe ihm von den Anfängen meiner Selbstständigkeit berichtet. Wie es war, den Schritt zu wagen, die ersten holprigen Gehversuche und die Angst am Ende doch zu scheitern. Paul hat ähnliches durchmachen müssen, als er seine Praxis eröffnete. Aber er hat es geschafft und inzwischen einen guten Kundenstamm. So wie ich. Wenn mir nur nicht das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen würde! Doch das wird auch wieder. Es kann ja nicht immer Winter bleiben. "Magst du noch einen Nachtisch?" Wir räumen den Tisch ab. "Was hast du denn?" "Eis und Obst. Vanillesoße müsste auch noch da sein", überlege ich. "Eis? Was denn für eins?" Ich schaue nach. "Erdbeerhörnchen, Schoko mit Keksen, Vanille und was ist das? … Himbeere." "Ein Hörnchen reicht", seufzt Paul. "Ich bin zu voll gegessen für mehr." "Kommt sofort." Ich schnappe mir ebenfalls ein Hörnchen. Ist auch einfacher und geht schneller als das Eis aus den Dosen zu kratzen. "Das haben wir früher oft gemacht", nuschelt Paul mit vollem Mund, der sich aus versehen mit der roten Erdbeersoße des Eises bekleckert hat. Bei mir sieht es nicht besser aus. "Was denn? Eine Eissauerei?", frage ich ihn lachend und stehe auf, um uns mit Küchenrolle zu versorgen. "Das auch", gluckst er. "Ich meine Eis gegessen. Erinnerst du dich? Wir sind immer in die kleine Eisdiele am Stadtpark gelaufen. Du wolltest immer eine Kugel Vanille und eine Kugel Schokolade. Aber nicht im Becher sondern in der Muschel." "Das weißt du noch?" Ich schaue ihn überrascht an. "So oft, wie ich das bei dem quirligen Italiener bestellen musste, konnte ich das gar nicht vergessen", lacht Paul. "Bis wir wieder zuhause waren, sahst du selbst aus wie ein geschmolzener Eisbecher. Und ich sehe, heute ist das kaum anders." "Hm?" Ich schaue an mir runter. Das Eis tröpfelt fröhlich auf meinen Ärmel. "Oh Shit!" Paul reicht mir kichernd ein Stück Küchenpapier. "Hör auf zu lachen", beschwere ich mich und tupfe die Sauerei weg. Es ist mir peinlich. Nicht, dass ich mich bekleckert habe sondern das Paul in mir immer noch den kleinen Jungen zu sehen scheint. Das wird sich bestimmt auch nie ändern. Für ihn bin und bleibe ich sicher eine Art Ziehsohn. Der kleine Ole, der jetzt zwar erwachsen, aber immer noch ein Jungspund ist. Das ärgert mich. Ich will nicht, dass Paul mich so sieht. Er soll mich so sehen, wie ich jetzt bin! Ich bin schließlich keine fünf mehr sondern einunddreißig! Ein Kerl, der mitten im Leben steht und sich nur mit Eis bekleckert, wenn er von seinem Gegenüber abgelenkt ist und nicht auf das schmelzende Zeug in seiner Hand achtet! "Hast du noch was vor heute?", frage ich ihn, während sich in meinem Hinterkopf eine Idee zusammenbraut. Eine vermutlich ziemlich blöde Idee, doch das verdränge ich. "Nein. Heute Abend habe ich keine Termine mehr." "Super! Dann gehen wir beide jetzt miteinander aus." ****** Ich höre euch schon schreien: Ahh bitte kein Cliffhänger! Sorry, aber damit müsst ihr heute leben. Aber morgen geht es ja weiter, sofern unser Router geht. Der spinnt wieder rum und keiner weiß warum *grrrr* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)