I love the broken ones von littlemoony (ɪᴛᴀᴄʜɪ x sᴀᴋᴜʀᴀ, sᴀsᴜᴋᴇ x sᴀᴋᴜʀᴀ) ================================================================================ Kapitel 7: ɪɢɴᴏʀᴀɴᴄᴇ -------------------- ᴡᴇʟʟ, ʏᴏᴜ ᴛʀᴇᴀᴛ ᴍᴇ ᴊᴜsᴛ ʟɪᴋᴇ ᴀɴᴏᴛʜᴇʀ sᴛʀᴀɴɢᴇʀ. ᴡᴇʟʟ﹐ ɪᴛ·s ɴɪᴄᴇ ᴛᴏ ᴍᴇᴇᴛ ʏᴏᴜ﹐ sɪʀ. ɪ ɢᴜᴇss ɪ·ʟʟ ɢᴏ﹐ ɪ ʙᴇsᴛ ʙᴇ ᴏɴ ᴍʏ ᴡᴀʏ ᴏᴜᴛ. ▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬ Mein Name in seinem Mund hörte sich fast schon an wie ein Stoßgebet, das er gen Himmel schickte. Ich erzitterte förmlich, konnte spüren, wie jegliche Wärme aus meinem Körper wich und wie schon am Abend zuvor appellierte meine innere Stimme an mich, sagte mir, ich sollte bloß das Weite suchen. Verschwinden und schnellstmöglich in den Bus steigen, der mich zu meinen Eltern brachte, in die schützenden Arme meiner Mutter, die mich hielten. Zu meinem Vater, der mich immerzu und bedingungslos unterstützte, egal, was ich tat. Seine Worte kamen mir vor wie ein Rätsel, welches ich entschlüsseln musste, aber keine Lösung fand, dabei war es so simpel zu verstehen. Itachi war nicht gekommen, um über Sasuke zu sprechen, sondern über mich. Ich erwischte mich dabei, wie ich ihn entgeistert anstarrte, schauen musste, als würde ich seine Sprache nicht sprechen, geschweige denn sie verstehen. Mein Hirn fuhr in Wahrheit aber auf Hochtouren, versuchte die Worte auseinanderzunehmen, um ihnen irgendeinen Sinn abzugewinnen, der sich mir in keinster Weise erschloss. Hatte ich ihm irgendwelche Signale gesendet, die nach Hilferufen aussahen? War ich mittlerweile nicht perfekt darin, mir und der Welt etwas vorzuspielen? Ich begann damit an meiner Selbstreflexion zu zweifeln oder war er bloß so gut darin, aus Menschen zu lesen, aus mir zu lesen? Warum über mich sprechen? Warum war er wegen mir gekommen? Obwohl sein jüngerer Bruder doch wieder wie vom Erdboden verschluckt war, ohne irgendein eindeutiges Lebenssignal, was er nicht einmal Naruto sendete? Vielleicht wusste Itachi mehr? Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen, ich blinzelte, um eine klare Sicht zu bekommen, um dem Tunnelblick zu entfliehen, der sich bildete, als ich Itachi fixierte und sich meine Gedanken überschlugen. Wusste er, wo Sasuke war? Hatte er etwas von ihm gehört? Hatte er sich doch verabschiedet? Der Einzige, der mir darauf eine Antwort geben konnte, stand in meinem Flur. Ich schluckte merklich und hoffte, meine Stimme wiederzufinden, die ich bei seinem Satz irgendwo tief in mir verloren hatte. War er es, der mir Gewissheit geben würde, der mich für diesen winzigen Moment von jeglicher Sorge befreien, meine verdrängte Hoffnungsflamme auflodern lassen würde? Noch bevor mich eine lähmende Angst einnehmen und mich vom Gegenteil überzeugen konnte, stellte ich ihm die wohl elementarste Frage: „Weißt du wo er ist?“ Und warf damit wohl alle seine Vorsätze über den Haufen. Ich war scheinbar längst nicht mehr fähig an mich zu denken. Ich dachte immer zu an Sasuke. Ständig und manchmal pausenlos, selbst jetzt noch, nachdem er gegangen war. Doch mit all den Gefühlen, den Sorgen um ihn, der Ungewissheit war ich zurück geblieben. Deshalb fiel es mir auch schwer zu akzeptieren, dass sich jemand um mich sorgte, statt um ihn. Es mochte sich komplett verrückt anhören, aber ich empfand den Gedanken als unerträglich, dass Itachi sich nicht um Sasuke kümmerte, sondern um mich. Dass er hier bei mir war und nicht bei ihm, wo auch immer er sein mochte. Für einen Wimpernschlag war ich nicht mehr von seiner Perfektion geblendet, stellte ihn unter ein ganz falsches Licht, fehlinterpretierte seine Sorge komplett, sah ihn aus seinen Augen, aus Sasukes. War es das was er meinte, wenn er von Familienverrat sprach? Dieses hässliche Gefühl, das ich niemals auf Itachi produzieren wollte, fraß sich durch meine Knochen, bis hin zu meiner Magengrube, schlug um in Wut, als ich ihn dabei beobachtete wie er darüber nachdachte, was er als nächstes zu mir sagte. Das unwohle Gefühl manifestierte sich, wurde zu einem gefährlichen, brodelnden Vulkan, der drohte sogleich auszubrechen. Dass es ihm womöglich ähnlich erging, war ich nicht fähig zu sehen, viel zu aufgewühlt war mein Inneres. Wäre ich fähig, in diesem Augenblick auf mich herabzusehen, hätte ich mir wohl eine ähnlich emotionale Bindung wie zu seinem Bruder gewünscht, eine die mich daran hinderte, ihn für meine und Sasukes missliche Lage verantwortlich zu machen. Eine, die mich dazu bewogen hätte, rational zu denken und seine wahren Absichten deutlich vor mir zu sehen. Das Einzige was ich in diesem Moment jedoch sah, war der ältere Bruder von meines Ex-Freundes, der sich ungefragt in Dinge einmischte, die ihn nichts, aber wirklich gar nichts angingen. „Ich bin nicht gekommen, um über ihn zu sprechen“, wiederholte er seine Worte mit einer beneidenswerten Ausgeglichenheit und einer Schlagfertigkeit, die nur ein Uchiha besitzen konnte. Womöglich hätte ich ihn sogar dafür bewundert, wäre ich nicht damit beschäftigt gewesen, die unterschwellige Botschaft zu verdauen, die er mir damit mitteilte. Nun war er es der mir den Wind aus den Segel nahm, mit einer unausgesprochenen Erklärung, welche nur zwischen den Zeilen zu lesen war und mich zerschmetterte. Er verdeutlichte mir indirekt, dass es mich nichts anging, wo Sasuke war, zumindest war es genau das, was ich verstand. Vielleicht auch das, was ich hören wollte, um an irgendjemanden meinen Frust auszulassen, die angestaute Wut über mein Alleinsein, die Zweifel, ob es richtig gewesen war, ihn gehen zu lassen, anstatt weiter für ihn zu kämpfen. Seit dem gestrigen Abend stellte ich mir immer wieder dieselben Fragen, auf die ich keine Antwort wusste: War es zu früh gewesen? Hatte ich überhaupt alles versucht, was in meiner Macht stand, um diese Beziehung aufrecht zu halten? War mein Kampf vorüber oder hatte ich es erst gar nicht richtig versucht? Es wäre einfacher zu verstehen gewesen, hätte ich gewusst, wohin er verschwunden war. Doch Itachi verwehrte mir diese Antwort und ich ging vor lauter Zorn auf sein Ablenkungsmanöver ein, kam mir aber noch im selben Moment absolut dämlich vor. War ich wirklich so angreifbar, wenn es um Sasuke ging? Ob es ihm ähnlich erging? Ich hätte zu gerne eine Antwort darauf gehabt. Stattdessen antwortete ich mit einer Gegenfrage, auf Itachis Aussage hin: „Und worüber willst du dann mit mir sprechen, wenn schon nicht über deinen Bruder?“ Tief in mir drin wusste ich die Antwort darauf, konnte sie erraten, doch ich ignorierte bewusst mein Gewissen, welches sich einen Weg in meine Gedankengänge kämpfen wollte – nein, viel zu groß war die Verlockung, jemanden, irgendjemanden für diese ganze Dramatik verantwortlich zu machen, in der ich mich gerade wortwörtlich verrannte. Leider war ich zu schwach um mich selbst zu bremsen, mich daran zu erinnern, wer dort eigentlich vor mir stand, dass dieser Mann dort niemals irgendetwas getan hatte, was Sasuke, mir oder seiner Familie hätte schaden können. Vielleicht ertrug ich diesen gutherzigen Menschen einfach nicht? Ich konnte sehen, wie mein Vorwurf an ihm abprallte, wie Wasser an Fels und gleichzeitig fragte ich mich, ob er sich aus meinen Worten überhaupt etwas machte. War er zu professionell, zu unantastbar, um ihn zu reizen? War ein kleines Wortgefecht zu viel verlangt, wenn er mir schon nicht verraten würde, wohin sein Bruder verschwunden war? Warum gab er mir nicht diesen winzigen Schwächemoment und machte sich zu meiner Zielscheibe? „Ich fühle mich schuldig.“ Ich konnte spüren, wie mir jegliche Gesichtsausdrücke entglitten. „Schuldig?“, wiederholte ich leise, während ich ihn ungläubig musterte, eindringlich, als könnte ich irgendeine Schuld aus seinem Gesicht oder seiner Körpersprache lesen. Aber da war nichts, was den Eindruck erweckte, als sei Itachi auch nur an irgendetwas schuld. Doch so langsam dämmerte es mir und ich war bemüht, nicht aus der Haut zu fahren, nicht so lange ich keinen Anlass dafür hatte. Ich verengte meine Augen, traute mich das erste Mal seitdem er sich in meiner Wohnung befand, direkten Blickkontakt aufzunehmen. „Weshalb schuldig?“ In meiner Stimme war ein deutlicher Nachdruck zu hören, der ihm meine Ungeduld signalisierte, er sollte endlich mit der Sprache herausrücken. Offenbar hatte ich ihn aber doch aus der Bahn geworfen, denn solch ein Verhalten war ich von keinem der Uchihas gewohnt. Sie waren immer zielgerichtet, sagten in der Regel das, was sie dachten und nahmen nur selten ein Blatt vor den Mund. Aber Itachi haderte mit sich, immer wieder konnte ich beobachten, dass er es sich zweimal überlegte, wie er was zu mir sagte – wollte er mich vielleicht wirklich nicht verletzen oder hatte er tatsächlich Bedenken, ich könnte ihn anschreien? Ich besaß bei Weitem mehr Temperament als Naruto oder Ino, wenn es darum ging meine Meinung zu vertreten. Zwar schaffte ich es mich immer wieder zu zügeln, doch gerade jetzt, in diesem Moment versagte mein Verstand. Im Grunde war es nun sogar egal was folgte, ich hatte Itachi schon längst zu meinem Boxsack gekürt, auf den ich mental einschlagen würde, sobald sich die Möglichkeit dazu ergab und leider war da auch nichts, was mich davon abhalten würde. Nicht einmal mein Gewissen, auf das sonst immer Verlass war. Ich hatte beschlossen meiner ganzen Wut und dem Frust Luft zu machen und es an jemandem auszulassen, der nichts dafür konnte. Diese Entscheidung fällte ich nicht einmal bewusst, es passierte einfach so, ohne dass ich dagegen etwas unternehmen konnte. Witzig, wenn man bedachte, dass man sich sonst nur Menschen offenbarte, denen man traute. „Ich habe mit Sasuke über dich gesprochen, ihm gesagt, dass ich der Meinung bin, dass ihr beide Abstand voneinander benötigt, damit euch klar wird, was ihr überhaupt wollt.“ Mein Herz setzte für einen Moment aus, ich hielt instinktiv meine Luft an, während ich vernehmen konnte, wie der Vulkan in mir explodierte. Es kostete mich einiges an Kontrolle, nicht auf ihn zuzugehen und ihn wegzustoßen, weil ich absolut keine Worte für eine Antwort fand. Das Problem war nicht einmal dass er es gewagt hatte, sich in unsere Beziehung einzumischen, sondern dass er richtig mit dem lag, was er sagte, denn Liebe war nur ein Grundstein, um uns ein gemeinsames Leben aufzubauen. Manchmal reichte dieses Gefühl alleine aus, doch in unserem Fall benötigte es offenbar mehr als das. Ob unsere Beziehung schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war? Ich lenkte mein Augenmerk wieder auf Itachi, um seine Reaktionen sehen zu können, die immerzu so undurchlässig waren, wie ein Milchglas. Sprach das schlechte Gewissen aus ihm? Hatte er mit dieser Schuld, wie er sie selbst nannte, nicht weiter leben können oder weshalb sagte er mir das? Ich wünschte mich an den Zeitpunkt zurück, wo ich ihm die Tür geöffnet hatte, wollte nichts lieber als sie schließen, so wie ich es zuerst vorgehabt hatte. Tat er das mit Absicht? Wollte er womöglich wirklich mein ganz persönlicher Sündenbock sein, an dem ich mich ordentlich ausließ, damit ich eine Art Befreiung verspürte, damit es mir besser ging? Oder war er womöglich nur egoistisch und wollte sich selbst erleichtert fühlen, in dem Moment als er dieses Geständnis ausgesprochen hatte? Mein Kopf fühlte sich plötzlich an, als würde er explodieren. Meine Wut und auch der Frust verpufften und hinterließen ein grässliches Gefühl: Verrat. Ich fühlte mich hintergangen, so wie in dem Café, als Naruto und Itachi mir den Rücken zukehrten. Aber es gab nichts zu verraten, er war der Bruder meines Ex-Freundes, da waren keine Gefühle, keine emotionalen Bindungen, oder? Aber warum tat er mir dann trotzdem so weh? Warum fühlte es sich an, als hätte er mich in ein unsichtbares Gefängnis geschlossen und den Schlüssel weggeworfen? Er ließ mich mit diesem Geständnis alleine, ignorierte meine Frage nach Sasukes Aufenthaltsort und gab mir stattdessen wieder etwas zum Verarbeiten, etwas, was ich von ihm am allerwenigsten erwartet hätte. „Du ... du...“ Mir fielen tausend Begriffe ein, Betitlungen, die mir unaufhörlich auf der Zunge brannten und denen ich den Ausgang aus meinem Mund verweigerte. Während ich auf und ab lief, hin und her, von links nach rechts, bändigte ich die aufkeimende Hysterie, die sich wie ein durchsichtiger Schleier über mein dünnes Nervenkostüm legte und fuhr mir immer wieder durch mein Haar. Ich biss mir auf die Zunge und erinnerte mich daran, dass ich ein nettes Mädchen war, ein höfliches, welches nicht wild mit Kraftausdrücken um sich schmiss. Außerdem bezweifelte ich stark, dass er mich dann noch ernst nehme würde – warum zum Teufel war mir das überhaupt so wichtig?! „Du hattest kein Recht dazu!“, stieß ich zischend aus und beendete meinen angefangenen Satz, als ich stehen geblieben war, um mich offensiv zu ihm umzudrehen und ihm zu verdeutlichen, dass ich allezeit bereit für einen Angriff war. Er durfte sich nicht einmischen, aber Naruto schon? Ich zweifelte meine Worte an, noch bevor er sie richtig registrieren konnte. Strenggenommen hatte er mehr Recht darauf als Naruto, als ich, seinen jüngeren Bruder zur Vernunft zu bringen. Allerdings empfand ich den Zeitpunkt als völlig unpassend und das zeigte ich ihm auch ganz ungeniert, als sich unsere Blicke wieder trafen und ich mir beste Mühe gab, wütend, anstatt traurig oder verletzt zu wirken: „Warum jetzt, Itachi? Warum nicht schon vor einem Jahr? Warum nicht schon in seiner Schulzeit? Warum schreitest du genau jetzt ein, wo dich keiner gebrauchen kann, am allerwenigsten Sasuke?!“ Es war nicht beabsichtigt, dass meine Stimmlage sich erhöhte, einige Oktaven höher sprang und doch zeigte ich so meine Verletzlichkeit. Dass auch ich ihn in diesem Augenblick nicht gebrauchen konnte, verschwieg ich bewusst, doch ich war mir sicher, er würde meine unterschwellige Zurechtweisung verstehen. Ich hatte keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so wütend gewesen war, mein ganzer Körper bebte vor Zorn. Meine Worte waren hart und trafen ihn schwerer als ich erwartete, er senkte seinen Blick, um mir nicht länger in die Augen schauen zu müssen, die ihn böswillig und vor lauter Zerrissenheit anfunkelten. Zumindest gab ich mein Bestes, ihm auch durch meine Augen zu verdeutlichen, dass er einen Schritt zu weit gegangen war, es hieß ja nicht umsonst, dass die Augen der Spiegel zur Seele waren. Meine Seele war zersplittert, aufgeteilt auf Menschen, die mir wichtig waren – bedeutete mir Itachi womöglich auch irgendetwas oder weshalb war ich so getroffen von seinem Schuldbekenntnis? Ich war versucht dieses Verhalten auf seine gesamte Familie zu projizieren, die sich immer und äußerst gern in Angelegenheiten einmischte, die sie nichts angingen. Warum sonst versuchten sie Sasuke noch immer fernzusteuern und seine Zukunft in Stein zu meißeln? Ich hatte darüber hinweg gesehen, wie sie ihn behandelten, hatte auch die schönen Seiten ihres Familienlebens kennenlernen dürfen, die, in denen sie das waren, was sie sollten: Eine Familie. Keine zufällig zusammengewürfelte Ansammlung von Menschen, die blutsverwandt waren und es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatten, die Karriereleiter so hoch wie nur möglich zu klettern. Persönliche Wünsche oder Gefühle standen ganz unten auf ihrer Prioritätenliste. Ja, das versteckte sich in Wahrheit hinter den Uchihas, der perfekten Bilderbuchfamilie, den perfekten Eltern, dem perfekten Ältesten und dem beinahe-perfekten Spross. Doch all das spielte für mich in diesem Moment absolut keine Rolle mehr, ich war nicht länger Sasuke Freundin, musste nicht mehr meinen Mund halten oder mich anpassen - und trotzdem verteidigte ich ihn noch immer, als wären wir noch ein Liebespaar, als stünde er irgendwo klammheimlich und verfolgte unser Gespräch. „Du verstehst das falsch.“ So? Tat ich das? Meine Zähne knirschten ungesund, als ich meinen Kiefer vor lauter Zorn aufeinander presste und ihn unentwegt anspannte. Ich war noch immer erschüttert darüber, dass mich ein Mensch, mit dem ich nur die nötigsten Worte gewechselt hatte, so aus der Fassung brachte. Das schafften sonst nicht mal die fordernden Patienten in der Praxis, die immer unfreundlicher wurden. „Dann erklär's mir!“ Ich hatte meine Arme impulsiv vor meiner dünnen Brust verschränkt und starrte ihn weiterhin an, als befänden wir uns in einem Wettbewerb. Der Verlierer sah zuerst weg und ich, ich wollte um jeden Preis gewinnen und blieb deshalb standhaft. Am liebsten hätte ich ja mit einem Fuß aufgestampft, um ihm meine Ungeduld zu demonstrieren, allerdings empfand ich das im Nachhinein als weniger erwachsen – gut, dass ich noch immer fähig war, erst zu denken und dann zu reden oder zu handeln. Zumindest wiederholte ich jene Weisheit immer und immer wieder in meinem Kopf. Wäre ich nicht so überfordert mit meiner Gefühlswelt gewesen, hätte ich auch aus seiner Körpersprache lesen können, dass seine Selbstbeherrschung für wenige Sekunden in sich zusammenfiel, wie ein Kartenhaus. Er atmete tief ein und wieder aus und ich tat es ihm gleich, das hatte eine erstaunlich entspannende Wirkung auf mein angespanntes Gemüt. Mittlerweile war ich bis ins Wohnzimmer gelaufen, glaubte mit jedem Schritt etwas von der Aufgebrachtheit abschütteln zu können, tatsächlich ähnelte mein hin und her Getigertere einem Marathonlauf: Mit jedem Schritt, dem ich dem Ziel näher kam, schleuderten meine Nebennieren haufenweise Adrenalin durch meine Blutlaufbahn. Atmen, einfach nur atmen, das war der Trick. „Gut, ich erkläre es dir.“ Itachi war mir gefolgt und machte den Eindruck als hätte er seine innerliche Ruhe irgendwo auf diesem Weg wiedergefunden. Er wirkte nicht mehr eingeschüchtert oder gar überfordert von meiner Reaktion oder der Gesamtsituation. Die Tiefe, die seine Stimme besaß, als er zu mir sprach, seine straffe Brust, die breiten Schultern die pure Gelassenheit ausstrahlten und seine dunklen Augen, die sich plötzlich förmlich in mein Fleisch bohrten, ließen mich glauben, er hätte das Zepter wieder an sich gerissen. Beinahe so, als wollte er mich mit seiner Ausgeglichenheit verhöhnen. Von nun an lag es an mir, ihm zuzuhören, sofern ich ihn und sein Handeln verstehen und nachvollziehen wollte. Ich war mir allerdings nicht einmal sicher, ob ich das in meiner jetzigen Verfassung überhaupt konnte. Rücksicht auf ihn und seine Gefühlswelt nehmen, das Gesagte reflektieren, ihm stillschweigend zuhören und alles unkommentiert lassen – und trotzdem schloss ich meine Lippen, trommelte mit meinen Fingern einen Takt auf meinem Unterarm und wartete auf seine Erklärung. „Ich weiß, dass ich in der letzten Zeit nicht den Eindruck erweckt habe, mich um ihn zu sorgen. Ich war viel zu häufig weg, als das komplette Ausmaß seiner Probleme mitzuerleben.“ Selbsteinsicht war ja bekanntlich der erste Weg zur Besserung. War es nicht ironisch, dass wir plötzlich doch über Sasuke, satt über mich sprachen? Ich schwieg weiterhin, während ich unbewusst auf der Innenseite meiner Wange herumkaute. „Aber er ist mein Bruder“, führte er weiter aus und ich musste meine Zunge zügeln, seine Worte nicht vorwurfsvoll zu wiederholen. Sehr wohl, er war sein Bruder! „Er war mir nie egal und er wird es mir auch niemals sein und genau deshalb war es richtig, ihm bei dieser Entscheidung beizustehen, ihm einen Rat zu geben, um ihm so ein Bruder zu sein, den er verdient hat.“ Beinahe tat es mir leid, dass ich ihn zu dieser Rechtfertigung zwang, ich konnte fühlen wie schwer es ihm fiel, darüber zu sprechen. Aber ehe das Mitgefühl mit mir durchgehen konnte, erinnerte ich mich wieder daran, warum ich so sauer war. Itachi kam einen Schritt auf mich zu, fast so, als wollte er mehr als nur die räumliche Distanz zwischen uns verringern, ich spiegelte seine Bewegungen allerdings wider und entfernte mich rückwärts von ihm. Das Letzte was ich nun gebrauchen konnte, war sein Duft, der an ihm haftete wie eine zweite Haut, jener der mich immerzu beruhigte. Denn ich wollte mich überhaupt nicht beruhigen! Mein Blut rauschte noch immer in meinen Ohren, selbst nach seiner Rechtfertigung, die noch kein Ende gefunden hatte: „Ich weiß, dass mich das nichts angeht, aber ich kann sehen, wie ihr beide daran zerbrecht. Wie du daran zerbrichst, Sakura. Nicht an dieser Beziehung oder der Liebe zueinander, sondern wegen den Umständen unter denen ihr zusammengefunden habt.“ Warum machte er es mir so schwer? Warum bloß war er kein Trampeltier, welches mir ungeniert auf die Füße trat und mir so die Möglichkeit bot, aus der Haut zu fahren, mir Erlösung zu bescheren, nur für diesen kleinen Moment!? Warum verdammt noch mal, war er immer so besonnen und raffiniert?! „Ah, wrong time, wrong place?“ Ich wollte überhaupt nicht so sarkastisch klingen, ich konnte nur nicht glauben, dass er tatsächlich diese Karte spielte, sie war so unfair, weil sie wahr war. Unter diesen Umständen hätten Sasuke und ich niemals glücklich werden können und insgeheim fragte ich mich, ob es überhaupt jemals möglich gewesen wäre … Itachi wagte wieder einen Annäherungsversuch, den ich dieses Mal jedoch nicht kommen sah, viel zu abgelenkt war ich von seinem Satz und dem Sinn, der dahinter steckte. Erst als es zu spät war und ich ihn riechen konnte, hob ich meinen Kopf an und machte den Fehler ihm geradewegs in die Augen zu sehen, als mich sein nächster Satz eiskalt erwischte: „Ich werde mir das nicht länger mit ansehen.“ War das ein Versprechen oder eine Drohung? Bedeutete das, dass er gleichzeitig auch für mich da sein wollte und falls ja, was erhoffte er sich davon? Für wenige, unbedeutende Sekunden sah ich ihn einfach nur an. Sein Blick, der immer so viel Nächstenliebe in sich trug, verlangte förmlich nach Verständnis. Verständnis, welches ich bereit war ihm zu geben, je länger ich in seine Augen sah – selbst jetzt noch, obwohl ich mir größte Mühe gab ihn anzusehen, als sei er das schlimmste Übel auf dieser Welt. Es war so als sähe er durch mich und meine Facette aus Lügen hindurch, die bislang jeden geblendet hatten, als kannte er meine wahren Beweggründe, fast so, als wüsste er, dass ich kein glimpfliches Gesprächsende wollte. Noch bevor ich mich in jenem Blick verlieren konnte, der mich bis auf meine Grundfesten analysierte, kämpfte ich mich zurück in die Realität, hatte meine Luft angehalten, war an ihm vorbei in den Flur geflüchtet und hatte meine Haustür prompt aufgerissen. Als er dann wieder in meinem Fokus stand, nachdem er mir erneut gefolgt war, setzte ich zu meinem nächsten Satz an: „Für's erste wird dir nichts Anderes übrig bleiben, denn wie du schon sagtest: Es geht dich nichts an!“ Ob ich ihn dafür büßen lassen wollte, dass er sich in meine Beziehung einmischte, mich rächen? Mit Sicherheit, warum sonst verwendete ich seine eigenen Worte gegen ihn, drehte sie ihm im Mund herum und legte sie mir zurecht. Womit ich aber tatsächlich Recht behielt, war dass es ihn wirklich nichts anging. Zumindest meine Perspektive, aber genau so wenig meine Beziehung zu seinem Bruder und umgekehrt. Es hatte ihn nicht zu kümmern, wie ich mein Leben lebte, er hatte nicht einmal das Recht mich so anzusehen, so, wie er es gerade tat. Ich wollte nicht bemitleidet werden, weder für meinen körperlichen Zustand, der für sich sprach, wie die Handgelenkknochen, die ungesund hinaus stachen, noch für meinen seelischen Schmerz! Ich wollte nur gesehen werden. Das war aber offenbar zu viel verlangt. Ich fühlte mich beinahe schon ertappt, in meiner eigenen kleinen Welt, in die er sich ungefragt Zutritt verschafft hatte – wusste er doch mehr, als ich glaubte? Oder hatte er wie alle anderen nur eine Ahnung, wie es mir erging? Nachdem ich ihn vor die Tür gesetzt hatte, fühlte sich diese kleine Revanche, dieser kleine Triumph so gut an, dass ich sogar kurz mein gebrochenes Herz vergaß. Aber wie sagte man so schön: Hochmut kam vor dem Fall. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)