Metamorphosis von hYdro_ ================================================================================ Kapitel 12: Trust ----------------- 12. Trust –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – ∵ Vertrauen. Es jemandem entgegenzubringen, dazu war ich nicht mehr in der Lage. Nicht in diesem Ausmaß, nicht so bedenkenlos wie ich es einst getan hatte. Ich erinnerte mich noch genau an jene einprägsamen Momente der Realisation. Als mir bewusst wurde, dass mein Gegenüber, die Menschen, die mir am nächsten standen, sich meiner nicht so sicher waren, wie ich ihrer. Eine harte Lektion, die mir das Leben erteilte. Und meine Grundhaltung für immer veränderte. Es war nichts worauf ich Einfluss hatte. Keine aktive Entscheidung, nicht mein freier Wille. Das Brandeisen, das mir ins Fleisch gedrückt worden war, ließ mir gar keine Wahl als zu denken: Jeder war mein Feind. Meine Erschöpfung war nicht in Worte zu fassen. Ich hatte mein Zeitgefühl verloren, wusste nicht wie lange ich geschlafen hatte. Ob es überhaupt Schlaf gewesen war oder doch eine Ohnmacht. Aber letzten Endes spielte es keine Rolle. Denn das Einzige, was meinem Geist gerade beschäftigte, war der harte Wannenrand in meinem Rücken und die kalten Wandfliesen gegen die ich lehnte. Es schmerzte und mein Körper würde nur noch mehr leiden, wenn ich weiter in dieser Kauerhaltung verblieb. Der ausgebreitete Futon im Nebenraum, nur einige Meter entfernt, erschien mir dagegen wie der wahr gewordene Himmel. Gerade hinlegen, die steifen Glieder ausstrecken, die Decke über mich ziehen. Vielleicht würde dann auch endlich das Zittern nachlassen. Der Futon. Mein einziges Ziel. Es brauchte unglaubliche Anstrengung, um meinen trägen Körper in Bewegung zu setzen. Jedes Körperteil fühlte sich unsagbar schwer an, als würde alles von einer übernatürlichen Macht nach unten gezogen werden. Als hätte sich die Erdanziehung verstärkt. Doch ich schaffte es, stützte mich an der Wand ab und mühte mich wankend auf die Beine. Die glitschige, schwarze Flüssigkeit, die sich zu meinen Füßen in der Wanne zu einer Pfütze gesammelt hatte, machte es mir fast unmöglich über den Rand zu steigen ohne dabei auszurutschen. Ich brauchte einige Versuche und es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis es mir endlich gelang. Meine Lider fühlten sich an wie Blei, wollten mir immer wieder zufallen, als ich mich an Waschbecken und Wand stützend entlang hangelte. Ich bewegte mich langsam vorwärts, obwohl die Kälte in Armen und Beinen so schlimm war, dass sich diese steif und taub anfühlten. Als wären sie blutleer. Die Tür stand halb offen und wurde nur noch an der unteren Angel am Rahmen festgehalten. Ich lief einfach dagegen, schob sie mit meinem Körper auf und schleppte mich über die Schwelle. Mein Blick blieb sogleich an ersehntem Objekt hängen. Dem Futon. Eine Bewegung im Augenwinkel verleitete mich dazu meinen Kopf nach rechts zu drehen. Da war ein Schatten, der sich vorsichtig vom Boden erhob. Ich brauchte einige Sekunden um zu erkennen, dass es Hidan war. Er war noch da? Er schien zu zögern, doch dann blieb er einfach wo er war. Ich schleppte mich mit letzter Kraft zum Futon und beim Versuch runterzukommen, gaben meine Knie nach und so plumpste ich das letzte Stück einfach auf die erlösende Matratze. «Ey.» Zum Zudecken hatte es nicht mehr gereicht, aber das machte nichts. Ich war so geschafft von dem kurzen Gang, dass ich das Zittern gar nicht mehr spürte. «Fuck, was ist nur mit dir?» Die weiche Matratze war besser als ich sie mir vorgestellt hatte. Sie schien meinen schwer gewordenen Körper beinahe schon zu verschlucken, so sehr versank ich darin. Mein Geist kam langsam zur Ruhe, während mein Bewusstsein immer weiter abdriftete. «Ey, hörs.... ....u mich?» Die störende Stimme war lauter geworden, als wäre sie näher gerückt. Dennoch blieb sie unbedeutend in dem einhüllenden Nebel, dass ich mich nicht darum kümmerte. Genau wie die vermeintliche Berührung an meiner Schulter. Nur blieb es nicht dabei. Aus der Berührung wurde ein Rütteln, während nun lauter auf mich eingeredet wurde. Ich spürte nur, wie sich meine Welt drehte – ich wurde bewegt, was meine Ruhe fortlaufend störte und den erlösenden Schlaf weiter zurück trieb. Mit jedem Wort wurde die Stimme wieder präsenter, rückte immer mehr in den Vordergrund, was mich ärgerlich die Augenbrauen zusammenziehen ließ. Hände tatschten an mir rum. Ich konnte nicht sagen was sie taten, nur, dass sie zunehmend penetranter wurden und nicht mehr von mir abließen. «KOMM ZU DIR VERDAMMT!» Aufgeschreckt von dem Gebrüll, sprangen meine Lider von ganz alleine auf. Ich versuchte auszumachen woher dieser Lärm kam, erkannte jedoch kaum etwas. Mein Blick schweifte ohne Fokus umher – es drehte sich alles. Da war nur eine graue Suppe, in der sich undeutliche Flecken und Formen bewegten. «Ja! Kakuzu! Hallo? Kannst du mich hören?» Die Hände blieben unnachgiebig, tätschelten meine Wange und ich wollte ihm sagen, dass er das endlich lassen soll. Ich strengte mich an und tatsächlich – vor mir wurde langsam Hidans aufgekratzte Gestalt erkennbar. Allen voran sein Gesicht, das mir mit diesem besorgten Ausdruck seltsam fremd vorkam. Mir fiel ein getrocknetes Rinnsal Blut an seiner Augenbraue auf. Die Platzwunde dazu war schon längst wieder verheilt. Ein unwichtiges Detail, bevor die Ohnmacht schlagartig wieder ihre Klauen nach mir schlug. Meine Augen nach hinten verdrehend, wurde mein Bewusstsein über den Rand gekickt und hing nur noch an einem seidenen Faden über dem Abgrund. Dieses mal klang Hidans Stimme beinahe verzweifelt – was er sagte, konnte ich schon nicht mehr verstehen. Dann hielten die nervigen Hände endlich still. Ich versuchte noch einmal zu mir zu kommen, doch brachte nicht mehr als ein Flattern meiner Lider zustande. Ich gab auf, war so unendlich müde. Mein Kopf sank zurück auf das Kissen. Dann drang nur noch ein Wispern zu mir hindurch, bevor sich der Rest in den Tiefen des Abgrundes verlor. «Du glühst ja.» Was? Nein, das konnte nicht sein. Mir war doch so fürchterlich kalt. Die Präsenz zog sich zurück, gewährte mir endlich meine ersehnte Ruhe. In jener jäh ganz willkürlich ein Bild vor meinem geistigen Auge auftauchte. Ein getrocknetes Rinnsal Blut. Eine Platzwunde an der Augenbraue. Und als das Bild klarer, größer wurde, waren es nicht Hidans magentafarbene Iriden die mir entgegen blickten, sondern Smaragde. Mein Abbild in der Spiegelung des Fensters schaute stumm zurück. Ein feiner Schnitt zog sich quer über meine Wange, die Jo-Nin Uniform war am linken Oberarm angesengt – dem Feuerball war ich nur haarscharf ausgewichen – ansonsten hatte ich kaum etwas abbekommen. Einen Moment lang blieb mein Blick an der Platzwunde an meiner Augenbraue hängen. Während des Kampfes hatte ich davon gar keine Notiz genommen. Ein Schmerzenslaut ließ meine Aufmerksamkeit wieder zurück zu meinen Kameraden wandern, welche eben von einer jungen Kunoichi behandelt wurden. Ihre Hände ruhten auf Naokis Unterarm, während ihr grünliches Chakra diesen umhüllte. Der kurze Wortabtausch mit der leitenden Iryounin* war ernüchternd. Rens Wunden waren nicht das Problem. Diese waren nur oberflächlich, weshalb er schnell wieder einsatzbereit sein würde. Naokis Arm hingegen konnte nur unterstützend behandelt werden. Es war ein komplexer Bruch mit Absplitterungen – er würde einige Wochen ausfallen. Ärgerlich, denn gerade in dieser schwierigen Zeit konnten wir auf keinen Mann verzichten. Angriffe und Überfälle im Land hatten zugenommen. Obwohl Takigakure nur durch einen Geheimpfad zugänglich und dadurch selbst nicht davon betroffen war, litten die umliegenden Dörfer. Dem Land standen nur wenige Ressourcen zur Verfügung, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Die Shinobi waren die beste Option dafür, doch leider hatte Taki versäumt, diesen Berufszweig zu fördern und dementsprechend gering war die Zahl der gut ausgebildeten Kämpfer. Da ich nichts gegen den Ausfall tun konnte, nahm ich ihn widerstrebend hin. Die alte Iryounin wandte sich ab, um Naoki eine Schiene zu legen. Die Kunoichi, vermutlich ihre Schülerin, kam nun ihrerseits auf mich zu. «Bist du auch verletzt?», fragte sie. Mir fiel auf, dass ich sie hier noch nie gesehen hatte. Da es nicht viele Shinobi im Dorf gab, ging man hier als solcher regelmäßig ein und aus. Man ließ sich rasch verarzten, bevor man direkt dem nächsten Einsatz zugeteilt wurde. Deshalb wäre mir die junge Frau mit den langen, türkisfarbenen Haaren bestimmt aufgefallen. Ihr dicker Zopf fiel ihr über die rechte Schulter nach vorne und reichte ihr bis zur Hüfte. Sie trug einen kurzen Schurz, darunter enge, knielange Leggins und ein bauchfreies Top. Ich verneinte ihre Frage. «Was ist damit?» Sie deutete auf meine Augenbraue und wollte schon ihre Hand nach mir ausstrecken. Doch ich winkte ab. «Ist nicht nötig.» Überrascht hielt sie inne. «Es wird nicht lange dauern. Und es bereitet mir auch keine Umstände. Da wird sonst eine Narbe zurückbleiben.» «Soll es das ruhig. Dann wird es mich immerhin jeden Tag erinnern, woran ich noch an mir arbeiten muss.» «Huh», machte sie erstaunt, ehe sie ihren Kopf schief legte. Anscheinend hatte ich ihr Interesse geweckt. Ich erwiderte nichts darauf, beobachtete stattdessen, wie die Iryounin Naokis Arm eine Schlinge verpasste und die geeignete Länge einstellte. «Na gut, dann lass mich die Wunde wenigstens versorgen.» Auch das empfand ich als unnötig. Jedoch machte sie einen entschlossenen Eindruck – als würde sie mich erst dann wieder gehen lassen, sobald sie sich darum gekümmert hatte. Also setzte ich mich, worauf sie zufrieden nickte. Während sie ein Tuch befeuchtete, wies sie mir an mein Stirnband abzunehmen. Dann fing sie an, mir das Blut in geübter Manier abzuwischen, die Wunde zu säubern. «Ich bin übrigens Suiko», stellte sie sich vor. «Bin noch relativ neu hier, wie dir vielleicht aufgefallen sein mag. Mein Vater hat mich vor einigen Jahren auf Reisen geschickt, damit ich bei verschiedenen Lehrmeistern Erfahrungen in der Heilkunst sammeln kann.» «Kakuzu», erwiderte ich schlicht und ignorierte das Brennen, als sie die Wunde nun mit einem Jod getränkten Tupfer desinfizierte. Sie lächelte, ihre hellgrauen Augen funkelten mich keck an. «Ich weiß.» Nun war ich es, dessen Interesse geweckt worden war. Ihr Lächeln hielt an, als sie meine Braue mit einem Klammerpflaster versah. Doch auf einmal zog ein kalter Luftzug durch den Raum, der mich frösteln ließ. Ich sah zu den Fenstern, doch keines davon stand offen. Der Raum verdunkelte sich, jede Farbe schien sich aus der Umgebung zu ziehen. Das Licht der Sonne, das von draußen herein fiel, wirkte plötzlich vielmehr wie das des Mondes. Dann vernahm ich leises Gemurmel, das sich anhörte, als würde es ganz aus meiner Nähe kommen. Ich schaute mich um, doch es kam von keinem der Anwesenden. «Hörst du das?», fragte ich, doch Suiko reagierte nicht. Ihre Bewegungen hatten sich seltsam verlangsamt, sie war wie eingefroren. Wobei es schien, als würde sie mich gar nicht hören. War ich denn der Einzige, dem die Veränderung aufgefallen war? Ich stand auf und ging im Raum umher, versuchte auszumachen woher die Stimmen kamen. Sie führten mich zur Wand und als ich davor stehen blieb und lauschte, waren sie laut genug, so dass ich das Gesprochene verstehen konnte. «Iiiiiiiiikh!! W-was… ist hier passiert? Was ist d-dieses schwarze Zeug überall?» «Keine Zeit die Scheiße zu erklären, komm her und hilf ihm!» «Iiiikh, wie f-fürchterlich. W-was ist mit ihm?» «Wenn ich das wüsste, hätte ich dich nicht geholt! Also tu endlich was, verdammt!» «Was wollt ihr, das ich tue? I-ich bin keine Medizinerin…» «Aber du hast mich doch auch behandelt mit deinen Salben und Kräutern!» Ich führte mein Ohr näher an die Wand heran, um dem Gespräch besser lauschen zu können. Worum ging es da im Nebenzimmer? «Ja, schon. Aber ihr seid auch– und er ist–… ich verfüge nur über Halbwissen. Ich habe nie eine Ausbildung oder dergleichen durchlaufen. Ich kenne mich mit Kräutern aus, ja, da habt ihr recht! Aber die meisten davon sind nur zur äußeren Wundheilung gedacht. Was die innere Medizin angeht, bin ich ein Laie. Erst recht wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um einen andersartigen Köper zu handeln scheint.» «…» «Ich meine, seht euch doch nur diese Fäden an, die überall in seiner Haut stecken. Ich finde es f-furchterregend wie sie zucken, als wären sie von Leben erfüllt. Wozu sind diese Würmer überhaupt gut?» «…» «Ich w-weiß nicht, ob… ahhh!» Das helle, schmerzerfüllte Fiepen brachte mich dazu, mich alarmiert von der Wand zu lösen. Da auf der anderen Seite stimmte etwas nicht. Also riss ich schnell die Tür zum Nebenzimmer auf, doch dahinter kamen nur Ziegel zum Vorschein. Der Durchgang war zugemauert. «Schluss damit oder ich raste aus!!!» «Ah! B-bitte lasst mich los, Hidan-san. Ihr t-tut mir weh!» «Dann tu endlich was ich sage und hilf ihm!» «Schon gut, wie ihr wünscht. Tut mir leid, falls ihr das falsch verstanden haben solltet, ich–» «Schnauze! Ich habe es genau so verstanden wie es gemeint war.» «Verzeiht mir, i-ich… werde mein Möglichstes tun.» Die Stimmen verstummten und ich starrte verwirrt auf die roten Ziegel. Ich wollte die anderen dazu befragen und wandte mich um, musste jedoch feststellen, dass sie wie vom Erdboden verschluckt waren. Ich suchte nach ihnen, ging hinaus auf den Flur und öffnete Tür um Tür, doch nirgendwo war mehr eine Menschenseele vorzufinden. Als wären sie alle Kopien, sah jedes Zimmer eins nach dem anderen genau gleich aus. Ich arbeitete mich weiter vor, doch die Türen und Gänge wollten kein Ende nehmen. Nein, das war nicht möglich. So groß sollte dieses Gebäude nicht sein. Der Grundriss enthob sich doch jeder Logik. Panik machte sich bemerkbar, als ich schließlich komplett orientierungslos die Gänge entlang rannte und nicht mal mehr sagen konnte, in welcher Richtung sich der Ausgang befand. Bald konnte ich nicht mehr und hielt an um zu verschnaufen. Dann war sie auf einmal da. Am Ende des Ganges. Die Tür, die sich von den anderen abhob. Meine Atmung beruhigte sich sogleich. Ich konnte meinen Blick nicht mehr von ihr lösen und wusste einfach, dass jetzt alles gut war. Ich steuerte sie sicheren Schrittes an und wurde ein anderes Ich, als ich durch sie hindurch trat. Ich blieb vor dem Schreibtisch stehen und deutete eine Verneigung an. Die Person dahinter hatte mir den Rücken zugekehrt. Es war eine Ehre, dass dem Dorfoberhaupt, Takeru-sama, etwas an meiner Meinung zu liegen schien. Nicht das erste mal behielt er mich nach der Versammlung der Shinobi-Elite bei sich, um mit mir zu sprechen. Er teilte seine Ansichten und Ziele mit mir, oft sprachen wir über Takis Zukunft. Für mich war er die Verkörperung unseres Dorfes, er war mir wie ein zweiter Vater. Seine Autorität und mein Respekt vor ihm als mein Vorgesetzter, dem Führer Takis, hielten mich jedoch davon ab, unser Verhältnis als innig zu bezeichnen. So gerne er mich zum Austausch – und gelegentlich sogar lockerem Plausch – hier behielt, heute schien es einen anderen Grund dafür zu geben. Denn als er sich zu mir umwandte, waren seine Züge streng und sein Blick ernst. «Ich will, dass du ehrlich bist, Kakuzu. Sag mir wie deine Absichten aussehen.» «Ich verstehe nicht.» «Versuchst du es etwa zu leugnen?» «Was meint ihr? Bitte erklärt mich auf.» «Na schön, ich habe euch beide gesehen. Du triffst dich mit meiner Tochter. Suiko.» Ich erstarrte. War für einen Moment völlig sprachlos. Takeru-sama war Suikos Vater? Sie und ich sahen uns nun schon eine ganze Weile. Doch über ihre Familie hatte sie bisher kaum etwas erzählt, weswegen mich diese Erkenntnis gerade eiskalt erwischte. Das einzig markante, was ich aus ihren vagen Erwähnungen herausgehört hatte, war die schwierige Beziehung zu ihrem Vater. Hatte sie mir absichtlich verschwiegen wessen Tochter sie war? Und das, obwohl sie genau wusste, dass ich, der zur Shinobi-Elite gehörte, fast täglich mit Takeru-sama zu tun hatte. «Nach deiner Reaktion nach zu urteilen nehme ich an, dass sie dich tatsächlich in Unwissen gelassen hat.» «Ich fürchte so ist es.» So lieb ich Suiko bekommen hatte, so bitter war es, dass sie mir das vorenthalten hatte. Dafür würde sie mir noch Rede und Antwort stehen müssen. Gleichzeitig erklärten sich mir jetzt auch die komischen Blicke meiner Kollegen, sobald ich erwähnte, mit wem ich mich noch verabredet hatte. «Das sieht ihr ähnlich.» Takeru lächelte unglücklich. Wahrscheinlich hatte es jeder gewusst außer mir. Das hatte ich davon, jedem Klatsch und Tratsch augenverdrehend aus dem Weg zu gehen. «Aber gut, du scheinst die Wahrheit zu sagen. Ich wäre sehr enttäuscht von dir gewesen, hättest du dich bewusst für eine solche Heimlichtuerei entschieden. Ihre Intention hingegen entspricht wohl genau dessen, das lässt sich leider nicht schönreden.» Seufzend machte das Dorfoberhaupt eine Pause, ehe er fortfuhr: «Versteh mich nicht falsch, ich sorge mich nur um ihr Wohlergehen. Ich möchte sichergehen, dass der Mann an ihrer Seite zu etwas taugt und sie mit der Achtung behandelt, die sie verdient.» «Es ist zwar noch etwas früh das zu sagen, da wir noch dabei sind uns kennenzulernen, aber...» Ich räusperte mich. «Ich mag ihre Tochter. Ich kann nicht vorhersagen wie es sich entwickeln wird, doch ich versichere ihnen, es steht nicht in meiner Absicht ihrer Tochter zu schaden.» Ich wusste nicht, was mich dazu verleitet hatte mein Verhältnis zu Suiko herunterzuspielen. In Wahrheit waren wir schon längst übers Kennenlernen hinaus. Wir hatten eine Vertrauensbasis aufgebaut, meine Gefühle ihr gegenüber waren dabei sich zu vertiefen. Ich fühlte mich zu ihr hingezogen. Und sie machte keinen Hehl daraus, dass sie genauso für mich fühlte. «Gut. Ich sehe dich keinesfalls als ungeeignet dafür, den Platz an ihrer Seite einzunehmen, Kakuzu. Ich möchte dennoch, dass du mir etwas versprichst.» «Alles was sie wollen.» «Es mag etwas altmodisch sein. Doch ich appelliere an deinen Anstand, dass du dich daran hältst. Ich möchte, dass sie sich erstmal auf ihren Werdegang konzentriert. Ihr ist vorbestimmt irgendwann die Führung des Dorfes zu übernehmen. Das ist eine wichtige Aufgabe und bedarf keiner Ablenkung. Diverse Ausschweifungen verbiete ich mir und ernste Familienplanung soll erst später von Relevanz sein. Bis dahin möchte ich, dass ihr euch gesittet verhaltet. Hast du das verstanden, Kakuzu?» «Ich... denke schon», antwortete ich langsam und fragte mich, wie groß die Chance bestand, dass ich seine Worte fehlinterpretierte. «Sie soll rein und unbefleckt bleiben.» Er drückte es so unmissverständlich aus, dass es schon unangenehm war. Ein Vater sollte so nicht über seine Tochter sprechen. Ich drehte meinen Kopf ruckartig zur Seite, als ich meinte erneut Stimmen zu hören. Doch dieses mal schienen sie in meinem Geist widerzuhallen. «Und?!» «Scheint, als würde sein Körper gegen etwas ankämpfen. Er hat starkes Fieber.» «Ja, aber was bedeutet das?! Was fehlt ihm?» «Das kann ich nicht ohne weiteres sagen, aber... ist er plötzlich in diesen Zustand geraten oder ging es ihm davor schon längere Zeit schlecht?» «Ich… fuck, ich weiß es nicht! Kakuzu ist keiner, der sich so was anmerken lassen würde!» «Kakuzu? Beantworte meine Frage», verlangte Takeru zu wissen, mit einer Ungeduld, die einer unterschwelligen Drohung gleichkam. Ich blinzelte verwirrt. «Entschuldigt, ich war kurz weggetreten. Könnt ihr eure Frage wiederholen?» «Ich will wissen, ob es dafür etwa schon zu spät ist und du ihre Unschuld womöglich bereits geraubt hast.» Das Dorfoberhaupt sprach so schamlos darüber, dass es mir fast übergriffig vorkam. Solche Fragen verletzten Suikos und meine Privatsphäre. Innerlich war ich davon sogar etwas peinlich berührt. Gegen außen hin blieb ich jedoch professionell und ließ mir nichts anmerken. «Nein. Nein, seid unbesorgt. Selbstverständlich werde ich ihrem Wunsch entsprechen.» «Gut. Du darfst gehen.» Ich deutete eine Verbeugung an und entfernte mich. Doch bevor ich den Raum verlassen konnte, wurde ich noch mal von ihm zurückgerufen. «Halt, warte. Ich hätte da noch eine letzte Frage.» «Ja?» «Ich möchte, dass du intuitiv antwortest. Wenn du wählen müsstest, wofür würdest du dich entscheiden? Meine Tochter oder das Dorf?» «Das Dorf.» Wie gewünscht hatte ich ohne langes Nachdenken, aus dem Bauch heraus entschieden. Wenn Suiko hier gewesen wäre und das gehört hätte, wäre sie bestimmt wütend und enttäuscht gewesen. Ich stand zu meiner Entscheidung, obwohl sich ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber nicht leugnen ließ. Und um vor Suiko im Geiste meine Entscheidung zu rechtfertigen, begründete ich diese damit, dass die Wahl des Dorfes doch auch sie mit einschloss. Unsicher suchte ich Takerus Blick mit der Befürchtung, dass ihm meine Antwort nicht gefallen haben könnte. Doch wider erwarten lag ein Lächeln auf seinen Lippen, ehe er mir anerkennend zunickte. Dann traf uns plötzlich eine Erschütterung. Wir sahen uns überrascht in die Augen, ehe die Erde erneut zu beben anfing. Dokumente fielen vom Tisch, Bücher sprangen aus ihren Regalen, während die Stimmen in meinem Kopf zurückkehrten. «Und was tun wir jetzt?» «Ich vermute eine Vergiftung oder Infektion. Wir können nur auf letzteres hoffen, ihn dementsprechend behandeln und abwarten. Ich werde ihm etwas brühen, das das Fieber senken sollte und entzündungshemmend wirkt.» «Gut und was soll ich tun?» «Sucht seinen Körper nach einer entzündeten Wunde ab. Das kann auch nur ein Kratzer sein.» Das Erdbeben wurde immer heftiger. Ich versuchte mich am Schreibtisch festzuhalten, doch bei einer besonders starken Welle riss es mich von den Beinen und ich ging zu Boden. Das Beben hatte aufgehört, kaum dass ich auf dem von Erde und Stroh bedeckten Untergrund aufgekommen war. Blut lief mir aus Mund und Nase, tropfte vor mir zu Boden. Auf den Unterarmen abgestützt, versuchte ich zittrig hochzukommen, mich aufzurichten. Der Fuß an meinem Rücken brachte meine Arme jedoch zum einknicken und drückte mich erneut zu Boden. Ein schadenfrohes Auflachen folgte, ehe der Fuß durch ein Knie ersetzt wurde, welches genau zwischen meinen Schulterblättern schmerzlichen Druck gegen meine Wirbel ausübte und mich unten hielt. Zusätzlich wurde mein Hinterkopf gepackt, mein Gesicht in den Dreck gepresst. Ich hustete kläglich. Da meine Nase geschwollen war, blieb mir keine andere Wahl als durch den Mund zu atmen und so gelangten gezwungenermaßen Staub und Dreck in meine Atemwege. Die vergangenen Wochen hatten meinen Körper zu sehr ausgezehrt, als dass ich die Kraft gehabt hätte, mich gegen all dies zu wehren. «Wollen wir mal sehen, wie dir das gefällt.» Der Mann hinter mir ließ erst von mir ab, doch im nächsten Augenblick krallte sich seine Hand in meinen Hinterkopf. Er zerrte mich an Haut und Haar gewaltvoll vorwärts, wobei ich instinktiv mit kroch, um zu verhindern, dass er mir nicht auch noch ein Büschel Haar ausriss. Bei dem mit Wasser gefüllten Zuber angelangt, zwang er mich in eine gebeugte Haltung darüber. Ich stützte mich an den Rändern ab, ehe von mir abgelassen wurde. Da ich nicht gerade sanft dahin zugeführt worden war, schwappte das Wasser stark im Behältnis umher. Wollte mir er mir mein Spiegelbild zeigen? Ihm genügte es anscheinend nicht mehr, mich körperlich zu quälen. Schläge, Tritte, Schnitte, Verbrennungen und Nahrungsentzug… er hatte mir bereits einiges angetan. Dabei genoss er es, Herr über andere zu sein, über sie zu verfügen und empfand Befriedigung darin, zu foltern, ihnen Schreie zu entlocken. Er hatte es auf jene bemitleidenswerte Reaktionen abgesehen – weshalb ich mich erst recht weigerte, irgendwelche Laute von mir zu geben. Ich versuchte seine Grausamkeiten stillschweigend über mich ergehen zu lassen. So gut ich konnte. Er wollte mich brechen, doch das würde ihm nicht gelingen. Er konnte meinen Körper schneiden, doch er war nicht dazu in der Lage mich zu verletzen. Auch wenn er nie die Lust daran verlor, mir jeden Tag neue Schmerzen zuzufügen, musste ihn meine Standhaftigkeit ein Dorn im Auge sein. Suchte er deshalb neue Methoden? Wollte er nun meine Psyche angreifen? Obwohl es mich vor meinem Spiegelbild grauste, nahm ich mir vor, auch hierbei stark zu bleiben und keine Schwäche zu zeigen – wie bei allem anderen davor. Ich wandte den Blick nicht ab, sah wie gebannt aufs Wasser, dessen Oberfläche sich langsam beruhigte. Dann stutzte ich. Vielleicht war ich tatsächlich schon so ausgezehrt und geschwächt, dass ich anfing zu halluzinieren. Denn ich erkannte Schemen die sich bewegten – das war nicht mein Spiegelbild. Vielmehr war es eine andere Welt, auf die ich, wie durch ein Fenster, einen Blick erhaschen konnte. Zwei Gestalten, eine davon bewegte sich unruhig, in ihrer Mitte eine tote Silhouette. Je mehr ich mich anstrengte, das verwackelte Bild klarer zu erkennen, desto lauter wurde das Piepen in meinen Ohren. Im nächsten Augenblick tauchte ich in diese vermeintlich andere Welt ein, als mein Kopf unter Wasser gedrückt wurde. Es war eiskalt und vor Schreck entwich mir ein Großteil der Luft aus meiner Lunge. «Verdammte Scheiße!» «Alles in Ordnung, Hidan-san?» «Teufel, nein! Er will das Zeug einfach nicht schlucken! Ich schaffe es noch nicht mal, dass er sein Maul aufmacht, er sperrt sich komplett!» «Versucht ihm gut zuzureden. Vielleicht hört er euch.» Die dröhnenden Stimmen kamen aus dem Wasser, vom Grund des Zubers. Das war nicht möglich. Doch trotz immer knapper werdender Luft, öffnete ich die Augen einen Spalt und blickte vor mich. Der Boden des Zubers konnte nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt sein. Ich sollte ihn sehen können, doch alles was ich erkannte, war immer dunkler werdendes Blau. Keinen Grund, sondern ein tiefes Loch, das sich jeder Logik entzog. Nur Sekunden später wurde mein Kopf wieder hochgerissen und während ich keuchend Luft holte, konnte ich hinter mir den Kerkermeister auflachen hören. Er ließ mir kaum Zeit zum durchatmen, ehe er mich erneut runterdrückte. Dieses mal wehrte ich mich. Ich versuchte mit aller verbliebenden Kraft meinen Kopf wieder hochzureißen, doch es war schnell abzusehen, dass es sinnlos war. Erbarmungslos wurde ich unten gehalten, der eiserne Griff an meinem Hinterkopf machte ein Entkommen unmöglich. Also sparte ich mir die Gegenwehr, mir blieb ja sowieso nichts anderes übrig als abzuwarten. Stattdessen konzentrierte ich mich darauf meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen und die Panik, die sich in meiner Brust auftat klein zu halten. Plötzlich schrie ich auf vor Schmerz, Luftblasen stiegen blubbernd nach oben, als ich ein scharfes Brennen an meiner linken Seite spürte. Es fühlte sich an, als würde mein Hintermann mit einem glühenden Schürhaken in meiner noch unverheilten Wunde herumstochern. Dabei mussten es bloß seine Finger sein, die ihren Spaß hatten, die Verletzung, die er mir bei einer seiner Folter-Sessions beigebracht hatte, zu traktieren und wieder zum bluten zu bringen. Als er mich endlich hochriss, spuckte ich einen Schwall Wasser aus und schnappte röchelnd nach Luft, während mir kurz Schwarz vor Augen wurde. «Und? Wie hat es dir gefallen?» Ich versuchte die Restflüssigkeit auszuhusten, hatte aber auch nach einer Weile immer noch das Gefühl, als wäre Wasser in meiner Lunge. «Wenn du mir nicht antwortest, kann ich leider nur mutmaßen. Na?» Ich antwortete nicht, würde nicht auf seine Spielchen eingehen. Stattdessen spuckte ich verabscheuend zu Boden und obwohl es nicht sein Gesicht war, verstand er die Geste, denn mit dem nächsten Satz verdunkelte sich sein Tonfall. «Schön, dann halt noch eine Runde.» Das Spiel ging von vorne los und ich wurde wieder und wieder unter Wasser gedrückt. Ich verlor das Zeitgefühl, wusste nicht, zum wievielten mal er mich nun schon untertauchte, hoch riss und wieder untertauchte. Doch mit jedem mal schien er mich eine Sekunde länger unten zu halten und schließlich ließ er mich erst dann wieder Luft holen, als ich schon kurz davor war das Bewusstsein zu verlieren. «Sag mir, dass ich aufhören soll», verlangte er. Heftiger Schwindel lähmten meine Sinne, meine Welt drehte sich. Meine Glieder waren schwer geworden, einen klaren Gedanken zu fassen erschien kaum mehr möglich. Mein Gehirn wurde nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff versorgt. Übrig blieben einzig meine Instinkte, die meinen Körper beherrschten. Kein Wasser einatmen. Durchhalten. Überleben. «Na los! Bitte mich drum!» Erneut kollidierte mein Gesicht platschend mit dem Nass und dieses mal kam mir die Zeit unter Wasser wie eine Ewigkeit vor. Meine Lungen schrien bereits nach Sauerstoff und fühlten sich an als würden sie platzen. Er wollte mich umbringen. Da war ich mir sicher. Ich wand mich im Todeskampf, zuckte unkontrolliert unter Widerwillen. Alles sträubte sich in mir aufzugeben, mich meinem Schicksal zu ergeben. Den Mund aufzureißen, Wasser einzusaugen und nie wieder einen weiteren Atemzug tun zu können. «Kakuzu, jetzt sperr dein scheiß Maul auf!» Nein, das konnte ich nicht! «Komm schon! Es ist alles in Ordnung, damit wird es dir besser gehen.» Nein, würde es nicht. «Ich will dir doch nur helfen...» Das war eine Falle. Oder? «Weißt du, ich… du kannst mir vertrauen.» Konnte ich? Ich fand keine abschließende Antwort darauf und dennoch entspannte sich mein Kiefer, den ich bis dato verbissen zusammengepresst hatte, von ganz alleine. Und schließlich öffnete ich nachgebend meinen Mund und ließ das Wasser meine Lungen füllen. Nie hätte ich gedacht, dass sterben so tröstend sein würde. ∴ –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – They say we are what we are, but we don′t have to be I'm bad behavior, but I do it in the best way I′ll be the watcher of the eternal flame I'll be the guard dog of all your fever dreams –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – ∵ Als ich erwachte, fühlte ich mich miserabel. Meine Kehle war staubtrocken und meine Schläfen pochten schmerzhaft im Takt meines Pulses. Das helle Licht stach in meinen Augen, als ich diese öffnete, um mich zu orientieren. Ich lag noch immer auf dem Futon, auf den ich mich vergangene Nacht geschleppt hatte. Ich erinnerte mich an das Essen, die Übelkeit und meinen… Anfall im Bad. Der Rest blieb ein einziger Fiebertraum. Glücklicherweise hatte sich mein Zustand seit letzter Nacht verbessert, auch wenn es sich nicht wirklich danach anfühlte. Die schwarze Substanz lief mir nicht mehr aus der Brust wie bei einem undichten Fass. Ich hatte zwar Fieber und fühlte mich komplett matt, doch wenigstens plagten mich keine Krämpfe mehr, als würde mich jeden Moment mein Ende ereilen. Die letzte Nacht hatte deutliche Spuren hinterlassen. Der Futon, die Decke, ich selbst – alles klebte und war beschmiert von dieser schwarzen Substanz, die ich gefühlt literweise verloren hatte. Meine Haut juckte unangenehm an den Stellen, an denen sie bereits eingetrocknet war. Wenigstens ist diese überwältigende Übelkeit verschwunden, sagte ich mir und nahm erst jetzt die leisen Atemzüge wahr. Ich drehte mich auf die andere Seite, blickte hinüber zu der schlafenden Gestalt, die im Schneidersitz eine Armlänge entfernt vor meinem Futon hockte. Mit leicht geöffnetem Mund und auf die Brust gefallenem Kopf. Eine untypische Schlafposition für meinen Partner. Eine Teekanne und ein Becher standen auf einem Tablett neben ihm und direkt meldete sich mein Durst wieder. Ich streckte meine Rechte nach dem Becher aus – in der Hoffnung, dass er noch nicht leer war – und stockte, als mir die Bandagen an meiner Hand auffielen. Die sich spannende und wunde Haut darunter fühlte sich viel besser an – sie musste mit einer Salbe oder ähnlichem behandelt worden sein. Als ich nach der verätzten Stelle in meinem Nacken tastete, stellte ich fest, dass man sich auch darum gekümmert hatte. Ein dickes Wundpad befand sich unter dem Verband, der zur Befestigung diagonal um meine Brust gewickelt worden war. Ich konnte das nicht ausstehen. Die Bewusstlosigkeit und alles, was sie mit sich brachte. Im Normalfall behielt ich sogar im Schlaf immer ein halbes Auge offen, ließ nie wirklich meine Schilde fallen. Denn wenn man die Kontrolle abgab, bot man Angriffsfläche und das wiederum machte einen verwundbar. Aus diesem Grund, war, nicht zu wissen, was um mich herum passierte, was mit mir passierte, für mich der absolute Horror. Und letzte Nacht musste ich völlig weg gewesen sein, denn ich konnte mich nicht erinnern, wer den Verband angebracht hatte. Das löste ein ekelhaftes Gefühl in meinem Magen aus, das ich versuchte zu ignorieren, genauso wie ich die Tatsache verdrängte, dass ich unter der dicken Deckenschicht nackt war. Mein Blick blieb an dem Becher hängen und erneut streckte ich meinen Arm danach aus. Ich bekam ihn jedoch nur ungünstig zu fassen und er fiel klirrend auf das Tablett. Wenigstens wurde nichts verschüttet, denn der Becher war leer. Der Lärm hatte allerdings Hidan geweckt – er rieb sich über die Augen und fluchte leise. «Eh? Du bist wach.» Er blinzelte ein paar mal. «Warum zum Fick hast du mir nichts gesagt?» Sein Tonfall war innerhalb einer halben Sekunde umgeschlagen und es war direkt klar, dass er nicht mein Erwachen meinte. «Hast mich einfach weggekickt als wär ich ein scheiß Fremder!» Ich gab ein genervtes Grummeln von mir. Kaum wach und schon meckerte er mir die Ohren voll. «Hab ja gecheckt, dass du empfindlich reagierst, wenn es um dein spezielles Jutsu geht. Aber spätestens wenn man aus der Brust kotzt und wortwörtlich ausläuft, könnte man meinen, dass man sich seinem Teampartner anvertraut!» Sein Geschimpfe ignorierend, langte ich nach der Teekanne... die er mir geradewegs vor der Nase wegschnappte. «Oder sich wenigstens helfen lässt!», fügte er wütend hinzu. «Weil, ich bin doch nicht der Feind! Musst ja nicht komplett alles mit mir teilen, aber doch wenigstens so viel, dass ich weiß was mit dir abgeht!» «Hidan.» «Ich meine, was dachtest du denn, warum ich nach dir geschaut hab, als du dich so plötzlich vom Essen verpisst hast? Um dir zu schaden? Dich abzustechen in nem schwachen Moment? Häh? Dachtest du das?» «Gib mir die Kanne, Hidan.» «Beantworte die scheiß Frage!», knurrte er zornig, hielt das Gefäß demonstrativ noch ein Stück weiter von mir weg. «Nein, das dachte ich nicht.» «Was war dann dein Problem?! Hattest du einfach nur so Lust, mich gegen die Wand zu donnern?» «Ich hab dir gesagt, dass du verschwinden sollst.» «Ja, das hab ich gehört! Was ich nicht verstehe, ist warum?» «Weil ich in solchen Situationen niemanden um mich haben kann.» «Du kannst nicht?» «Ja, ich kann nicht.» «Häh? Erklär mir das!» Ich seufzte tief, war kurz davor, ihm mit einem Ich bin einfach so, leb damit! abzuspeisen. Ich wollte kein Buch aufmachen, war doch nur durstig und wollte etwas trinken. Aber Hidan würde in jedem Fall eine längere Diskussion erzwingen, sollte ich ihm keine halbwegs vernünftige Erklärung liefern. «Das Leben hat mich gelehrt, niemandem vertrauen zu können. Und wenn das so tief in einen verankert ist, handelt man in solchen Momenten ganz automatisch.» «Willst du damit sagen, du wurdest gesteuert? Aber von wem?» Damit rang er mir erneut ein resigniertes Seufzen ab und ich widerstand dem Drang, meine Schläfen zu massieren und ihm zu sagen, dass er ein Vollidiot war. Dann gab ich ihm noch eine Chance. «Von meinen Erfahrungen. Ich bin das Produkt davon und habe auf gewisse Verhaltensweisen keinen Einfluss mehr. Es hat sich in mich eingebrannt. Verstehst du das?» «…» «Stell es dir wie einen Selbstschutzmechanismus vor, dessen Ausschalter kaputt ist. Kapiert?» «Ich denke schon. Aber soll das heißen, du willst wirklich, dass ich beim nächsten mal einfach weggehe, wenn du offensichtlich abkackst?» Ich zögerte, wusste darauf keine Antwort und erwiderte schlussendlich nur: «Es wird kein nächstes mal geben. Sowas wird nicht noch mal passieren.» «Gut, wird ja auch Zeit, dass du dich raffst. War nämlich ganz schön anstrengend, sich um deinen Arsch zu kümmern.» Gnädigerweise nahm er den Becher und schenkte mir ein, bevor er sein Gemaule fortsetzte. «Du bist sogar dann noch ein Dickschädel, wenn bei dir die Lichter ausgegangen sind. Kann man sich nicht vorstellen sowas.» Ich grunzte, setzte mich leicht auf und nahm den Becher entgegen. «Du wetterst ganz schön, dabei vergisst du, dass ich es war, der dich den ganzen Weg aus dem Sumpf hergetragen hat.» Ich hob den Becher zum Trinken, hielt jedoch Mitten drin inne und starrte misstrauisch auf den vermeintlichen Tee. Er roch irgendwie komisch. «Keine Sorge, ist nur Medizin. Hat Misaki aufgebrüht. Und es geht dir dadurch doch besser, oder?» Ich trank den Becher wortlos leer, trotz grauenhaft bitteren Geschmacks. «Miskai war sich erst zwar nicht sicher, aber du musst dir irgend ne Infektion eingefangen haben. Vermutlich von dem Dreckwasser im Tümpel. Deine beiden Verletzungen haben zwar nicht nach Infektion ausgesehen und Misaki meinte, dass sowas eigentlich auch nicht so schnell gehen kann. Aber ne andere Wunde hab ich an dir nicht gefunden.» «Was das angeht», sagte ich scharf und bedachte ihn mit einem warnenden Blick. «Tu das nie wieder.» Hidan schnaubte, verschränkte die Arme vor der Brust, fing dann aber an zu grinsen. «Was? Dir helfen? Oder dir an die Wäsche gehen?» Ich legte mich wieder hin, kehrte ihm den Rücken zu und versuchte es mir bequem zu machen. Das Fieber entzog mir jede Energie, ich war bereits wieder todmüde. «Awww, Kakuzuuu», zog er mich auf. «Du genierst dich doch nicht etwa, oder?» «Ich bitte dich, ich wandle schon fast ein Jahrhundert auf dieser Erde. Was das angeht, hab ich mein Schamgefühl längst verloren.» «Na, hätte mich auch gewundert! Weil sich dein Schwanz echt sehen lassen kann. Muss zugeben, es wurmt mich auch ein bisschen... du musstest mich ja auch da wieder übertrumpfen!» «Halt die Fresse, Hidan. Oder ich schlag sie dir ein. Und jetzt lass mich in Ruhe, ich will schlafen.» «Pfft, übertreib halt! War nur ein Kompliment.» ∴ –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – I am the sand in the bottom half of the hourglass I try to picture me without you, but I can't ′Cause we could be immortals –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – ∵ *Iryounin = Medizin-Ninja/Sanitäter Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)