Across the Sea von -B-chan- (The Power of Gods) ================================================================================ Prolog: Die Dunkelheit in den Herzen der Menschen ------------------------------------------------- ♫♪ Blut tropfte von meinen Fingerspitzen hinunter auf den Boden. Der Arm hing nutzlos herab, doch ich hielt mich gerade und aufrecht und trotzte der Schwerkraft, die mich nach unten zu ziehen drohte. Hinter mir stand Virginia – Königin dieses Landes und hoch schwanger – und drückte schützend Raine und Genis an sich. „Du wirst sie nicht ewig beschützen können. Ich bin viel mächtiger als du und schon bald wird nicht nur euer sondern jedes Leben auf der Welt in meiner Hand liegen.“ Ein gefährliches Raunen lag in der Stimme, die genauso kalt war wie die Augen, die mich unter diesen langen Haaren heraus fixierten. „Du irrst.“ Meine Stimme war leise, doch konnte man sie deshalb nicht weniger deutlich hören. „Das Leben der Menschen gehört nicht dir, sondern ihnen selbst. Es gibt nichts, was du tun kannst, um ihnen diese Freiheit zu nehmen.“ Für einen Moment schwieg ich, versuchte diese gefühllosen Augen zu ergründen, die sich nun im Zorn verengt hatten. „Falsch! Wenn ich erst einmal die Artefakte habe, wird sich das ändern. Mit Thor wird mir alle Macht gehören. Aber wie heißt es so schön? Man muss erst einmal den ersten Schritt tun, um an sein Ziel zu kommen. Und das hier ist sogar schon mein zweiter Schritt. Ich war natürlich nicht untätig.“ Blut tropfte nicht nur von meiner Hand. Ich konnte die kalte Genugtuung spüren, als mein erschrockener Blick auf der bleichen Hand meines Gegenübers liegen blieb und ich ungläubig die Luft einzog. „Wusstest du, dass dem Volk bereits verkündet wurde, dass der König für immer fort ist? Stell dir nur die Verzweiflung vor, die diese Nachricht verursacht hat! Sie gibt mir so viel zusätzliche Macht!“ Diese Worte versetzten mir einen Stich im Herzen. Beinahe hätte ich auch – geschwächt durch den Blutverlust – meinen Stand verloren, doch ich riss mich zusammen und schüttelte meinen verschwommenen Blick weg. Ich konnte nicht gerade jetzt meine Kraft verlieren – wie auch die folgenden Worte bekräftigten: „Aber natürlich war das noch lange nicht alles. Ich kenne die Königin und ihre Macht zu gut, als dass ich sie einfach davonkommen lassen könnte, also tritt mir aus dem Weg und übergib sie mir. Sie alle. Ich werde mit der hübschen Prinzessin und dem kleinen Prinzen natürlich auch meinen Spaß haben.“ Das kalte Grinsen ließ mir meine Adern gefrieren. „Jedoch...nein, so stimmt das nicht ganz. Ich sollte mich korrigieren. Ich meinte natürlich mit beiden Prinzessinnen, wenn die Zeit gekommen ist.“ Ich spürte den scharfen Luftzug hinter mir und ergriff die Königin am Handgelenk, bevor sie einen unüberlegten Fehler machen konnte. Jetzt war ich froh, dass Raine vorhin mit erstaunlicher Starrköpfigkeit darauf bestanden hatte, mir meine langen Haare zu flechten, denn sonst hätte ich jetzt vielleicht zu spät reagiert. ♫♪ “Er steht dir!“, hatte Raine mit strahlenden Augen gesagt. „Du solltest die Haare öfter so tragen.“ Mein erheitertes Lachen hatte ihr Grinsen noch breiter werden lassen. „Aber dann seh ich doch gar nicht mehr gefährlich aus. Wie soll ich euch denn dann beschützen, wenn jeder meint, er könne uns angreifen, weil ich schwach bin und mir lieber die Haare mache als für den Kampf zu trainieren?“ Grübelnd runzelte sie sichtlich unzufrieden mit dieser Antwort ihre Stirn. „Aber du bist doch gar nicht schwach. Und außerdem: Wenn die Gegner dich zu übermannen drohen, kann ich auch kämpfen! Ich bin nämlich auch richtig stark! ......Hey! Du sollst mich nicht auslachen!“ Ich schüttelte vehement den Kopf. „Ich lache dich nicht aus.“, erklärte ich, als ich mir vergeblich das Lachen zu verkneifen versuchte. „Aber woher willst du denn wissen, dass du schon so stark bist? Du hast doch noch nie gekämpft.“ Und das war auch gut so, denn sie war immerhin noch ein Kind. „Na und? Das ist doch glasklar, dass ich stark bin! Das hab ich schließlich von meinem Papa geerbt!“ Stolz hatte sie mir in die Augen geblickt und dieser feste Blick hatte mir fast den Atem genommen. So jung und schon so mutig. Beeindruckt war ich, wie konnte ich es auch nicht sein, dennoch schmunzelte ich und stand auf. „Na wenn das so ist, dann kann ich ja heute früher schlafen gehen und du übernimmst die Wache?“ Ein entschlossener Blick folgte. „Aber selbstverständlich.“ Raines Augen waren zu ihrem kleinen Bruder gewandert, der schon in den Armen seiner Mutter tief und fest schlief und eine Hand auf den Bauch gelegt hatte, in dem seine zukünftige kleine Schwester wohl auch gerade träumte. „Überlass das ganz mir! Ich werde Mama, Genis und Marble beschützen! Und natürlich auch meinen Papa, der immer so fleißig und bis spät für unser Volk arbeitet!“ ♫♪ Da also mein Genick frei lag, hatte ich den leichten Wind, den die Bewegung der Königin verursachte, frühzeitig bemerkt und zog nun die stolze Frau mit dem silbernen Haar hinter mich. Virginias Geschwindigkeit war erschreckend, selbst jetzt, wo ihre Niederkunft nicht mehr weit entfernt war. Vielleicht sollte ich mir wirklich öfter die Haare zusammenmachen, dachte ich mir, während sie sich gegen meinen Griff wehrte. „Lass mich los! Niemand droht meinen Kindern!“ Ich aber schüttelte den Kopf, woraufhin sich ein paar Strähnen aus dem Zopf lösten. „Nein. Ich habe geschworen, euch zu beschützen, egal was passiert. Ihr müsst von hier weg, solange es geht.“ Ich spürte ihr Zögern, doch schließlich gab die Königin ihren Widerstand auf und versuchte sich nicht länger aus meinem Griff zu winden. Ich ließ sie los und atmete erleichtert auf, dass diese starrköpfige Frau wenigstens dieses Mal meinen Worten nachgab. Sie drehte sich zu den Kindern, doch ehe sie mit ihnen die Flucht ergriff, erklang noch einmal ihre unnachgiebige Stimme. „Vergiss diesen Schwur nicht. Das hier ist nicht der letzte Kampf, den du auszutragen hast.“ Ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus, während ich mich in Angriffsposition begab und mit grimmigem Blick vorwärts stürmte. „Ich weiß. Und jetzt lauft!“ Ein heller Strahl aus Licht und Schatten war das letzte, was ich in jener Nacht sah... Kapitel 1: Yanshi Dou – Stadt der Erde -------------------------------------- ♫♪ Die Stadt sprudelte nur so voller Leben. Die Geräusche arbeitender Menschen, aufgeregter Kämpfer und neugieriger Besucher schallten von den Straßen bis zu Dhaos empor. Er stand am Rand einer der zahlreichen Klippen und blickte von dort auf die Leute unter sich hinab. Wie klein und unbedeutend sie von hier aus aussahen. Und doch trug jeder einzelne von ihnen zur Stimmung hier auf der Insel bei. Egal, wo man war, man konnte die Freude, die in der Luft hing, schon fast greifen und ehe man es merkte, hatte man sich angesteckt und lief selbst mit interessierten und offenen Augen und einem zum Lächeln verzogenen Gesicht an den Steinfronten vorbei, in denen alle Häuser und Läden ihren Platz gefunden hatten. Getrennt wurden die Steinfronten von einem Fluss, der wohl in mittlerweile lange vergessenen Zeiten das damals ebene Land zerschnitten und die tiefen Furchen eingeprägt hatte, die heute die Schluchten bildeten. Yanshi Dou – die Stadt die so alt war wie die Welt selbst, wie manche behaupteten. Betrachtete man sich nicht nur die Felsformationen, die wohl schon vor tausenden von Jahren so ausgesehen haben mussten, sondern auch die darin eingeschlagenen Häuser, so war man schnell davon überzeugt, dass die Stadt diesen Beinamen zu Recht trug. Auch wenn man deutlich sehen mochte, dass der Stein schon vor vielen Generationen bearbeitet worden war, so konnte selbst dem ungeübtesten Auge nicht entgehen, dass das ungeheure Können der damaligen Steinmetze bis heute Bestand hatte und diese Stadt wohl auch noch in weiteren tausend Jahren hier stehen würde. So phantasievoll und einfallsreich die Bauer dieser Stadt aber gewesen sein mochten, waren ihnen jedoch an anderer Stelle wohl die Ideen für den Namen der Stadt ausgegangen. Steiler Fels – nichts anderes bedeute der Name „Yanshi Dou“ und es gab wohl beinahe keinen anderen Namen, der diesem Ort auf wahre Weise weniger gerecht wurde. Erfüllt war die Stadt von spielenden Kindern, schreienden Händlern und tüchtigen Fährmännern, die diejenigen Menschen von einem Ufer zum anderen brachten, die nicht eine der zahlreichen und hochgelegenen Brücken der Stadt dafür benutzen wollten. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich alle Menschen hier bewegten, zeugte davon, dass das Wesen Yanshi Dous schon immer so gewesen war. Dhaos jedoch stand am Rand der hohen Klippen – schweigend und mit steinerner Miene. Der Wind, der hier oben wehte, wirbelte um seinen Umhang und sein Haar, vertrieb mit seinem Brausen beinahe die Stimmen der Menschen unten in der Stadt, doch als sich die Böe für einen Moment legte, waren hinter ihm zwei maskierte Gestalten aufgetaucht, die kurz seinem Blick folgten. „Das Feuerwerk wird nach der Dämmerung stattfinden. Dort.“, berichtete einer der beiden und deutete in eine Richtung, in der ein großer Platz zu sehen war. „Das ist die Gelegenheit, um zuzuschlagen und den Schatz an uns zu reißen.“ Dhaos schwieg kurz, nachdem er diese Information erhalten hatte und fixierte die Menschen unter sich mit einem ernsten Blick, nickte aber schließlich. „Dann soll es so sein.“ Ja, dieses Fest würde ohne Zweifel allen Anwesenden in Erinnerung bleiben. Abgelenkt durch die Farbenpracht und den Lärm, den die Feuerwerke machen würden, würden die meisten gar nicht merken, was los war – bis es zu spät war. „Ich werde mich um die letzten Vorbereitungen kümmern. Sobald es dunkel ist, werden wir in Aktion treten... Die Sprengsätze?“ Kurz wechselten die beiden maskierten Männer einen ernsten Blick miteinander, bestätigten dann aber, dass diese gelegt seien und erklärten außerdem, dass sie die Gegend noch weiter auskundschaften und im Anschluss ebenfalls in Stellung gehen würden. Nachdem sie wieder verschwunden waren, wanderte Dhaos' Blick weiter die Schlucht entlang, bis seine Augen bei einem großen und alt aussehenden Gebäude stehen blieben. Es sah beinahe wie ein Tempel aus alter Zeit aus und einst war er das auch gewesen, jedoch war es nunmehr viel eher ein Museum als ein Ort der Spiritualität. Doch genau dieses Gebäude war sein Ziel und sobald die Sonne untergegangen war und der Mond sich erhoben hatte, würde die Ruhe, die im Moment noch im Inneren des Gebäudes wohnte, durch ihn und die ihm Unterstellten vertrieben werden. Die Schätze, die darin lagen, waren alt und unersetzbar und genau auf diese hatte Dhaos es abgesehen. Hineinzukommen würde kein Problem darstellen, doch sobald er sich der Artefakte ermächtigt hatte, musste er darauf Acht geben, dass sie nicht zerstört wurden, während er sich – höchst wahrscheinlich – kämpfend wieder einen Weg nach draußen bahnte. Auch der Fluchtweg musste gut geplant sein. Viele Leute wären zum Zeitpunkt des Feuerwerks auf dem großen Platz nahe des Tempels und ein paar kleinere und größere Wege aus unterschiedlichen Zweigen der Schluchtformation führten zu ihm. Nun stellte sich nur die Frage, ob man auf dem Weg des Rückzugs eine schmalere und weniger bevölkerte Route nehmen sollte, oder ob man das Chaos, das gerne unter größeren Menschengruppen herrschte, nutzen konnte. Während Dhaos das abwägte, blieb sein Blick auf zwei Personen hängen, die unten die Straße entlanggingen. Die langen orangen Haare der kleineren Person hätten im Wind wohl um die zierliche Gestalt der jungen Frau geweht, hätte sie sie nicht zu einem kunstvollen Haarknoten zusammengebunden. Ihr schien diese Stadt der Erde und des Windes gut zu gefallen, den sie deutete immer wieder begeistert auf verschiedenen Stellen und beobachtete aufmerksam die kleinen Segelboote, die den Großteil des öffentlichen Verkehrs ausmachten. Dhaos konnte ihre Worte nicht hören, doch sie zu beobachten reichte vollkommen aus, um ihm klar zu machen, dass sie eine Navigatorin sein musste und sich mit Wind und Wasser auskannte. Die größere Person – gemächlich neben der Frau schlendernd – fiel mit seinen grünen Haaren äußerlich noch stärker auf. Zumindest wenn man ihn nur mit einem unerfahrenen Auge betrachtete. Dhaos aber bemerkte noch mehr: Eine Aura, die von Stärke und Unnachgiebigkeit zeugte. In Kombination mit der Ruhe und Gelassenheit, die der Mann ausstrahlte, konnte das ein gefährliches Zeichen sein. Dass der Mann tatsächlich nicht zu unterschätzen war, machten aber spätestens die drei Schwerter deutlich, die an der Hüfte des Kämpfers befestigt waren. Eingeholt wurden die beiden nach einer Weile von einer schwarzhaarigen und hochgewachsenen Frau und nachdem sie ein paar Worte miteinander gewechselt hatten, schlug die Dreiergruppe die Richtung zum Museum ein. Dhaos beobachtete sie noch einen Moment, ehe er sich abwandte und vom Rand der Schlucht verschwand. „...“ Zorros Blick wanderte stumm vom hohen Rand der Klippen zurück zu Nami, eine Augenbraue fragend hochgezogen: „Kannst du mir nochmal erklären, warum ausgerechnet ich mit euch beiden ins Museum gehen sollte?“ Es gab wohl kaum einen Ort, wo er mehr fehl am Platz wäre und wo er sich mehr langweilen würde als dort. „Du hast doch Robin mit dabei, also was soll ich da?“, fragte er brummend. Der Blick, der ihm daraufhin entgegenschlug, sagte nur zu deutlich aus, was gleich auch ausgesprochen wurde: „Das fragst du noch?“ Als wäre die Antwort nicht offensichtlich. „Wenn wir dich jetzt dir selbst überlassen, finden wir dich nie wieder. Diese Stadt ist so verflochten wie die zahlreichen Flussarme, die sich hier durchschlängeln. Haben wir dich einmal verloren, hätten wir eher das One Piece gefunden als dich.“ Nein, dieses Risiko wollte Nami definitiv nicht eingehen. „Außerdem...sind dir die ganzen Kämpfer hier aufgefallen? Du hast doch auch vorhin kurz nach unserer Ankunft gehört, dass heute das Finale der Wettkämpfe stattfinden, um den stärksten Schwertkämpfer der hiesigen Inselgruppe zu bestimmen. Wenn du hier alleine rumläufst, wirst du mit deinen drei Schwertern nur auffallen und aus dem Kämpfen vermutlich gar nicht mehr herauskommen. All diesen Leuten ist es doch egal ob du hier aus der Gegend kommst oder nicht.“ Tatsächlich war Yanshi Dou bekannt für seine ausgezeichneten Schwertkämpfer und schon bevor die Crew hierher gekommen war, hatten sie so einiges über das große Fest gehört, das wohl alle 5 Jahre hier abgehalten wurde. Als wollte diese Stadt Namis Worte bestätigen, konnte man in einiger Entfernung eine Meute junger, grünschnäbliger Kerle einem einzelnen Mann in dunkelblauem Yukata und hellblauem Haori hinterherjagen sehen. Ihre Rufe „Bleib stehen, Zura!“, oder „Stell dich uns zum Kampf!“, konnte man deutlich bis hierher hören. Als hätte der Verfolgte keine anderen Sorgen, war seine einzige Antwort: „Es heißt nicht Zura, sondern Katsura!“, und als ihm einfiel, dass ihm diese Antwort nicht gerade zu seinem Vorteil reichte, fügte er noch hastig hinzu: „I-ich meine, ich bin NICHT der, nach dem ihr sucht!“, was zur allgemeinen Erheiterung aller Umstehenden beitrug. „Herrje,“, konnten Nami, Robin und Zorro eine ältere Dame ganz in ihrer Nähe amüsiert mit einer anderen Frau sprechen hören. „Jagen sie ihn etwa schon wieder? Als wäre er ein schwer gesuchter Verbrecher. Wenn das so weitergeht, frag ich mich, ob der arme Kerl heute im Finale seiner Kampfkunst gerecht werden kann, wenn er sich davor die Lunge aus dem Leib rennt.“ „Meinst du? Auf mich wirkt er eher wie ein kleiner Feigling.“, bekam die ältere Dame als Antwort zu hören. „Er trägt nicht umsonst den Titel 'Runaway Kotarou.' Du kennst ihn doch. Er drückt sich vor jedem Kampf, den er nicht kämpfen muss. Ich glaube nicht, dass er gewinnen wird. Bis jetzt hatte er einfach nur Glück.“ Von Robin konnte man daraufhin ein leises Lachen hören. „Da scheint aber jemand die Menge zu spalten, wenn er von den einen bewundert und von den anderen nur belächelt wird.“ Die Archäologin folgte dem Schwertkämpfer mit dem langen Haar kurz mit ihrem Blick. „Hoffentlich kommt er in einem Stück auf dem Platz der Schwerter an.“ Dort würde später das Finale stattfinden. Einstweilen aber sollte das ihr Problem nicht sein, denn auch wenn sie sich nachher zweifelsohne den letzten Kampf ansehen würden, war bis dahin noch lange Zeit. Und um diese Zeit zu nutzen, wollte Robin einen der berühmtesten Orte dieser Stadt aufsuchen. Das Museum – früher ein Tempel eines lange vergessenen Glaubens, barg so viel Wissen, welches die Menschen hier über so lange Zeit hinweg gesammelt hatten, dass es ein Verbrechen gewesen wäre, ihn nicht aufzusuchen. Robin hatte Nami davon begeistern können, mitzukommen und folglich hatte auch Zorro keine andere Wahl gehabt. Schon allein der Eingang war imposant und über dem großen doppelflügligen Tor war eine Inschrift eingearbeitet, die jeden davor warnte, diesen spirituellen Ort zu zerstören: Der Krieger der Erde bewacht diesen Ort. Stört friedliche Ruhe, sein Zorn jagt euch fort. „Sieht so aus, als wären die Menschen hier früher etwas angriffslustiger gewesen, wenn jemand meinte, für Unruhe sorgen zu müssen.“, kommentierte die Archäologin die Inschrift erheitert, was Nami ihrerseits zum Lachen brachte. „Wer sagt, dass das nur früher so war?“ Man brauchte sich ja nur hier auf der Insel umsehen und schon konnte man überall kampfeswütige Schwertkämpfer sehen. ♫♪ Im Innern des Museums sah die Sache ganz anders aus. Hier herrschte die Ruhe, wie sie in der Inschrift beim Eingang gewünscht war. Als Robin, Nami und Zorro eintraten, konnten sie auf den ersten Blick tatsächlich niemanden sehen. Zorro blieb trotzdem eher im Hintergrund und schaute sich nur einzelne Ausstellungsstücke an, die für ihn auch interessant waren: alte Klingen, robuste Scheiden und kunstvoll gearbeitete Stichblätter, auf denen noch heute die Symbole der Familien zu sehen waren, denen sie einst gehörten. Einige waren in so gutem Zustand, dass selbst heute noch der Tiger unter den Kirschblüten, der Fuchs im Getreidefeld oder der Panther im Wasserstrom schon beinahe lebendig wirkten. Eines musste man den Menschen hier auf jeden Fall lassen: Sie verstanden etwas von der Schmiedekunst und nachdem man all die Stücke hier gesehen hatte, wunderte es niemanden mehr, dass auf Yanshi Dou die Schwertkunst so gepflegt wurde. Doch nicht nur die Präsenz alter und edler Waffen zeichnete dieses Museum aus. Da die Insel so alt war und ihre Geschichte so weit zurückreichte, hatte man hier auch viele andere Stücke zusammengetragen. Alte Gebrauchsgegenstände vergangener Zeiten, wichtige schriftliche Dokumente und Reliquien, denen man früher besondere Kräfte zugeschrieben haben musste. Robins Blick blieb etwa auf einer alten Musikschelle liegen, unter derer Beschreibung, dass sie vornehmlich nach der Geburt eines Kindes erklang, um die guten Geister zum Schutz des Säuglings herbeizurufen, auch noch eine Spruch aus damaliger Zeit stand, der genau dies bestätigte: Klang der Glocken leis' und zart Rufen Geister guter Art. Ihr Geschenk für Menschlein klein Sollen Schutz dem Kinde sein. Robin schmunzelte leise bei diesem Spruch und meinte belustigt: „Scheint, als hätten sie früher gern gereimt.“ Auch die Worte im Torbogen war schon in ähnlicher Manier geschrieben worden. „Mittlerweile scheinen sie das aber wohl nicht mehr so zu tun.“ Als ihr Blick weiter zum nächsten Stück wanderte, blieb dieser aber stattdessen auf zwei jungen Frauen liegen, die eines der Exponate angeregt tuschelnd näher betrachteten. „Meinst du wirklich?“, konnte die Archäologin die Blonde fragen hören, während ihre blauhaarige Freundin eifrig nickte. „Ja, Lucy. Du spürst doch die Magie, die darin liegt. Ich bin mir sicher, dass dieser Spruch dort Aufschluss darauf gibt, wofür diese Schale verwendet wurde.“ „Hmmm, du hast sicherlich Recht, Levy. Das Problem ist allerdings, dass wir nicht lesen können, was der Spruch da besagt.“ Das schien die Blonde sehr zu beschäftigen. Robin ließ daraufhin einen bedeutenden Blick zu Nami wandern. Das Gespräch der beiden Mädchen hatte ihr Interesse geweckt und deshalb ging sie nun, begleitet von der Navigatorin und gefolgt von Zorro zu dem Ausstellungsstück, vor dem die Freundinnen standen. „Ist das Stück denn so besonders?“, fragte die Schwarzhaarige, die nun hinter den beiden Frauen stehen blieb, woraufhin diese erschrocken zusammenzuckten. Sie waren anscheinend so vertieft in ihr Gespräch gewesen, dass sie Robin, Nami und Zorro noch gar nicht bemerkt zu haben schienen. Die Blonde namens Lucy fing sich als erste wieder, nachdem sie erschrocken aufgerufen hatte und schaute Robin vorsichtig aber ohne Argwohn an. „Najaaa...der Gegenstand selbst ist nichts Besonderes. Es ist eigentlich nur eine einfache Schale.“, wie sich auch zeigte, als sie einen Schritt beiseite trat. „Aber Levy und ich können an ihr eindeutig die Spuren von Magie fühlen. Sehr alter Magie, wie es scheint. An sich ist das nichts Besonderes, denn ein paar der Sachen hier im Museum sind mit Magie erfüllt, aber was uns stutzig gemacht hat, ist die Beschreibung des Gegenstandes und die Zusatzinformation, wenn man sie denn so nennen will.“ Sie deutete zuerst auf das Schild, auf dem stand: »Steinschale aus dem Zimmer des letzten Hohepriesters – ihr Verwendungszweck ist unbekannt.« Tatsächlich hatte die Schale genau die falsche Größe, um als Trinkgefäß verwendet zu werden, doch andererseits war sie als Schale für eine Mahlzeit zu klein. Und wenn man allein das schlichte Aussehen betrachtete, schien sie auch für kein Ritual im Tempel verwendet worden zu sein. Was Robin – ebenso wie schon zuvor die beiden Frauen – aber stutzig machte, war der Text, den Lucy gerade als Zusatzinformation bezeichnet hatte. „Das ist die Schrift des Porneglyphs!“, stellte sie überrascht fest. Was hatte die hier bei diesem kleinen Objekt verloren? Sofort trat sie näher und besah sich den kleinen Absatz. „Du...kannst das lesen?“, fragte diejenige, die Levy hieß, überrascht. „Ich habe diese Schrift noch nie zuvor gesehen und das, obwohl ich schon viele unzählige verschlüsselte Texte enträtselt habe.“ Doch Robin nickte und las dann vor: „Eine Schale so schlicht wie blanker Stein, Könnt' ein schön'res Herz der Erde nicht sein. Nebst Muschel zart wirkt sie große Werke, Reiner an Macht allein ist Gnomes Stärke.“ Einen Moment blieb die Archäologin schweigend davor stehen und dachte über das nach, was sie da gerade gelesen hatte. Mit der Schale war eindeutig dieses Stück hier gemeint, so viel war klar. Doch was hatte es mit der Muschel auf sich, die gleich darauf erwähnt wurde? Robin konnte sich nicht daran erinnern, ein Stück, das darauf zutreffen könnte, hier drin gesehen zu haben. Dass sie noch etwas beschäftigte, merkte sie erst, als sie ein zweites Mal über den Text ließ. „Nami! Diese Schrift! Sie ist ganz neu! Jemand hat diese Worte erst vor kurzem hier angebracht! Sieh dir im Vergleich dazu die anderen Schilder an. Deren Tinte ist schon um einiges stärker verblasst.“ Nicht nur Nami, sondern auch Levy blickte nun überrascht auf. Nami, weil sie schon wusste, was das bedeutete und Levy weil sie eben dies nicht tat. Deshalb fragte die Blauhaarige auch: „Ist das denn ungewöhnlich?“ Robin konnte nicht anders, als gewichtig zu nicken. „Ja, das ist es. Diese Schrift verschwand vor 800 Jahren von dieser Welt, zusammen mit einem ganzen Jahrhundert geschichtlicher Aufzeichnungen und dem vergessenen Königreich, dessen wahren Name heute niemand mehr kennt. Ich bin die einzige noch lebende Person, die sie lesen kann.“ Was auch erklärte, warum weder Levy noch Lucy sie entziffern konnten. Kaum jemand wusste heute noch von der verlorenen Geschichte. Ein Moment der Stille folgte. „Wenn also niemand mehr diese Schrift beherrscht,“, begann Lucy nachdenklich, „wie kommt es dann, dass sie hier frisch niedergeschrieben wurde?“ Robin schüttelte leicht den Kopf. „Ich kann mir nur eine Möglichkeit denken. Diese Person hier kann ähnlich wie Gold Roger die Stimme von allen Dingen hören. Das wäre erst das zweite Mal, dass ich davon höre, doch ausschließen kann ich es nicht.“ Levy legte ihren Kopf leicht schief. „Scheint eine interessante Person zu sein, wenn er etwas mit Gold Roger gemeinsam hat. Vor allem, weil eines ohne Zweifel noch dazu kommt: sie oder er muss auch ein Magier mit einem gewissen Talent sein, sonst hätte sie oder er diese Steinschale niemals als etwas Besonderes identifizieren können.“ „Magie?“ Nun war es Robin, die überrascht war. „Aber ich dachte, diese Kunst ist vor Jahrhunderten verschwunden? Sogar noch vor dem vergessenen Königreich.“ Lucy zuckte nur mit den Schultern. „Ist sie auch. Jedenfalls fast. Die Magier unserer Insel sind die letzten, die diese Macht noch beherrschen. Warum sie sonst überall in Vergessenheit geraten ist, weiß heute aber niemand mehr.“ Was wohl damit zu tun hatte, dass dies schon so lange her war. „Auch wir haben es nur unseren Meistern zu verdanken, dass wir das Wissen um Magie noch in uns tragen.“ Dass es anscheinend nicht ganz stimmte, dass sie die letzten Magier waren, war hier aber gerade klar geworden, als sie festgestellt hatten, dass dieser Unbekannte, der auch die Schrift des Porneglyphs beherrschte, ebenfalls der Magie mächtig war. Grübeln konnten sie darüber noch lange. Hier gab es keine weiteren Hinweise und anstatt hier andere Besucher zu stören, konnte man auch draußen in der warmen Sonne weiter reden. Dieser Vorschlag schien allen zu gefallen. „Wunderbar, dann suchen wir uns doch einen netten Platz, wo wir auch etwas essen können.“, schlug die Navigatorin vor. Langsam kam nun doch die Mittagszeit näher. Da Zorro die ganze Zeit über so ruhig gewesen war, drehte sich Nami nun auch nach ihm um. „Zorro, lass uns geh-“, doch sie stockte, als sie schockiert merkte, dass er es sich an einen der Ausstellungskästen gelehnt gemütlich gemacht hatte und dort nun im Schneidersitz ein Nickerchen hielt. „ZORRO!“ Eine Kopfnuss später war der Schwertkämpfer hellwach und trottete murrend hinter den vier Frauen her. „Alte Hexe...“, hört man ihn dabei leise knurren. ♫♪ Der kleine Beulen-Schneemann, der seinen Kopf daraufhin zierte, als sie das Museum verließen, konnte sich sehen lassen, ebenso wie das dazu entschlossene Gesicht, vorerst nichts mehr zu sagen. Nami aber fiel noch etwas auf, das sie so nicht stehen lassen konnte. „Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt! Also das hier ist Robin, ihres Zeichens Archäologin. Der brummige Kerl hinter mir ist Zorro und ich heiße Nami. Es freut uns wirklich sehr, euch kennen zu lernen.“ Die Blauhaarige lächelte breit und nickte gut gelaunt. „Wir freuen uns ebenso. Meine Freundin hier heißt Lucy und ich bin Levy. Wir sind beide Magier von Fairy Tail.“ Die Blonde zwinkerte den neuen Bekanntschaften zu und erklärte dann: „Wir kennen uns hier gut aus. Wenn ihr wollt, können wir euch zu einem guten Restaurant führen, wo wir es uns gemütlich machen können.“ „Das klingt doch sehr gut.“, kam es von Robin als Antwort. „Dann lassen wir uns von euch führen. Zuerst aber noch...“, ihr Blick wanderte zu einer Ecke des Museums und blieb dort haften: „...Zorro, wärst du so nett?“ Einen Moment, nachdem sie ihre Frage gestellt hatte, konnte man ein erschrockenes Quietschen hinter dieser Ecke hören, bevor eine zierliche Gestalt – geworfen durch Robins Teufelskräfte – in Zorros festem Griff landete. An ihrem Kragen hängend versuchte sie sich zappelnd aus diesem zu befreien. „Tu nicht so überrascht.“, meinte der bloß mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Wenn du hier Ninja spielen willst, dann mach es gefälligst auch so, dass es niemand merkt.“ „Lass mich los!“, kam von dem Mädchen nur als Antwort. „Ihr sollt mich doch gar nicht sehen!“ Nun...dafür war es jetzt definitiv zu spät. Ihre langen, hellbraunen Haare hingen nach diesem kleinen Flug trotz des Pferdeschwanzes nun kreuz und quer und vollkommen zerzaust in der Luft und auch wenn ihre rote Shinobi-Kleidung ihr große Bewegungsfreiheit ermöglichte, schaffte sie es gerade nicht, sich von Zorros Griff zu befreien. „Ganz ruhig.“ Nun war es Nami, die freundlich lächelnd sprach. „Wir werden dir nichts tun. Sag uns einfach, was du von uns willst.“ Für einen Moment fixierte das Mädchen die Navigatorin und schien ehrlich versucht, dieses Angebot zu nutzen. Doch dann schüttelte sie den Kopf und legte ihre beiden Hände für eine Beschwörung zusammen: „Jiraiya!“ Ein paar Meter über ihren Köpfen konnten alle Anwesenden das Geräusch einer kleinen Explosion hören und aus der Rauchwolke, die dort für einige Sekunden hing, fiel nun eine riesige Kröte herab – genau auf Zorro und die junge Kunoichi. Zumindest fast, denn überrascht von diesem unerwarteten „Gast“ ließ Zorro das Mädchen los, um in einem Satz rückwärts auszuweichen. Die Unbekannte blieb natürlich nicht untätig, sondern sprang behände auf den Rücken der Kröte, die nach ihrer Landung ihr Maul öffnete und die Gruppe mit einem Atem aus Feuer angriff. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)