Christmas Angel von Khaleesi26 (Eine Weihnachtsgeschichte) ================================================================================ Kapitel 1: Scheiß Weihnachten! ------------------------------ Ich hatte es so satt! Scheiß Weihnachten! Scheiß Glühwein! Scheiß Weihnachtsgebäck! Scheiß Zimtstangen! Scheiß Weihnachtsdeko! Ach ja und – scheiß Weihnachten! – aber das hatte ich ja schon. Aber natürlich sprach ich das nicht laut aus. Die hier anwesenden Gäste hätten mich wahrscheinlich sofort mit brennenden Mistgabeln aus dem Haus gejagt – meine beste Freundin inbegriffen. Ich war gerade auf ihrer Party. Natürlich war es eine Weihnachtsfeier, denn sie liebte Weihnachten. Ganz im Gegensatz zu mir und dieses Jahr war es besonders schlimm. Hoffentlich merkte man mir das nicht an. Doch, wenn es nicht mein für diese Jahreszeit viel zu knappes Sommerkleid tat, dann war da ja immer noch das „Verpiss dich!“, was ich auf meine Stirn tätowiert hatte. Was wahrscheinlich auch der Grund war, warum ich mutterseelenallein hier rumstand, während die anderen lachten, Kekse aßen und Unmengen an Glühpunsch in sich reinlaufen ließen. Weihnachten war doch im Grunde einfach nur die Rechtfertigung sich permanent auf irgendwelchen Feiern volllaufen zu lassen. Genervt sah ich mich um. Überall leuchtete es bunt – was für eine Reizüberflutung. Es roch nach Tannenzweige – von dem Duft wurde mir schlecht. Mistelzweige wohin man auch ging, weswegen man sich als Single gar nicht mehr traute, sich vom Fleck zu bewegen. Sora hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Die Weihnachtswerkstatt des Weihnachtsmanns war vermutlich ein Dreck gegen ihre Wohnung. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und ließ den Blick weiter durch den Raum schweifen. Ein Typ am anderen Ende des Wohnzimmers grinste mir zu und hob seine Tasse Glühpunsch, um mir zuzuprosten. Das tat er jetzt schon zum zweiten Mal. Entschuldigung? Kannten wir uns etwa? Wieso dachten immer alle Leute, nur weil die Zeit der Liebe und Besinnlichkeit gekommen war, dass man sich irgendwelchen Menschen annähern und so etwas, wie Nächstenliebe entwickeln musste? Genervt rollte ich mit den Augen und drehte mich weg. Dann schnappte ich mir ein Lebkuchenherz vom Tisch mit der üppigen Weihnachtsdeko und stopfte es mir gleich ganz in den Mund, während im Hintergrund „Let it Snow“ lief. Scheiß Weihnachten! „Hey, was hat dir denn den Tannenzweig verknotet?“ Meine beste Freundin tauchte neben mir auf und grinste mich unsicher an. Sie trug ein rotes Kleid, mit kleinen, Gold glitzernden Sternen darauf. Als würde das nicht reichen, hatte sie sich Ohrringe in Form von Zuckerstangen ans Ohr gehangen. Eine Kette mit Rudolf dem Rentier rundete das Weihnachtsoutfit ab. Ich verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und stopfte mir gleich noch eins von diesen verdammten Plätzchen in den Mund. „Was? Ich hab total Spaß!“, nuschelte ich mit vollem Mund. Doch sie stemmte streng die Hände gegen die Hüften. „Das sehe ich! Warum hast du eigentlich dieses gelb geblümte Sommerkleidchen an? Was ist mit dem tollen, tannenzweiggrünen Kleid, dass wir zusammengekauft haben? Es hätte perfekt zu meinem gepasst.“ „Soll ich etwa aussehen, wie der Grinch?“ Sie zog bedächtig eine Augenbraue in die Höhe. „Dafür brauchst du kein grünes Kleid, das kriegst du auch so hin.“ Ich seufzte. „Tut mir leid, Sora. Es ist nur… das ist irgendwie nicht mein Jahr. Weihnachten macht mich echt fertig.“ Und das war nicht mal gelogen. Ich hatte dieses Jahr mein Studium geschmissen. War aus meiner Wohnung geflogen. Hatte zig verpatzte Dates – eines davon einen Abend zuvor. Und ich hatte absolut keinen Plan, was ich mit meinem Leben anstellen sollte. Und das Schlimmste überhaupt: ich hatte meiner Familie noch nichts von alledem erzählt. „Ich hasse mich irgendwie selber“, gestand ich frustriert und ließ die Schultern hängen, doch Sora grinste nur und legte einen Arm um meine Schultern, ehe sie mich schwungvoll umdrehte. „Ach, komm schon, Mimi. Sei kein Grinch. Sieh mal.“ Sie deutete mit dem Kopf in Richtung des Typen, der mir vor ein paar Minuten noch zugeprostet hatte. „Jackson schaut dich schon den ganzen Abend über an. Ich glaube, er ist sehr interessiert.“ „Toll. Ich aber nicht.“ Ich runzelte angewidert die Stirn und wollte mich wieder den Plätzchen zuwenden, doch Sora riss mich an meinem Arm zurück. „Hör auf damit, Mimi. Ich meine es ernst! Das halbe Büro ist hier und ich habe eine Menge an unverheirateten, hübschen und vor allen willigen, jungen Männern eingeladen. Irgendeiner wird schon dabei sein, der dir deine miese Laune vertreiben kann.“ „Ich will nix vertrieben haben, ich bin ganz zufrieden so, wie es jetzt ist“, sagte ich, doch Sora schien mir gar nicht zuzuhören. Stattdessen gab sie mir einen kräftigen Schubs, der mich fast stolpern ließ. „Misch dich ein bisschen unters Volk! Nur Kekse essen macht dick!“, grinste sie und tänzelte eine Sekunde später schon wieder zu ihren Freunden hinüber, die ausgelassen lachten und Punsch tranken. „Toll, danke“, meckerte ich ihr hinterher und schickte sie gedanklich in die Weihnachtshölle. Wie auch immer die aussehen mochte. Aber warm war sie definitiv nicht. Und dort gab es keinen ekelhaften Tannenduft. „Hallo. Bist du Mimi?“, fragte mich eine Stimme und ich wandte mich um. Oh, nein. Jackson. Den ich nicht kannte und auch nicht kennenlernen wollte. Der allerdings mich kennenlernen wollte – offensichtlich – denn er streckte mir die Hand entgegen. „Hi, ich bin Jackson. Ich arbeite seit ein paar Monaten mit Sora in derselben Abteilung. Woher kennt ihr euch?“ Er lächelte mich an, mit seinen perfekt sitzenden, blonden Haaren, seinen grünen Augen und seinem… Ich zog eine Augenbraue nach oben und deutete mit dem Finger auf seine kunterbunte Krawatte. „Sind das Wichtel?“ Jackson lachte. „Erwischt. Aber genau genommen sind es Weihnachtselfen.“ „Wo ist da der Unterschied?“ Er sah mich an, als hätte ich einen Knall. Dann lachte er und nahm einen Schluck von seinem dampfenden Getränk. „Du bist wirklich lustig, Mimi. Ehrlich.“ Oh Gott. Ich musste hier weg. „Also, wollen wir mal miteinander ausgehen? Ich glaube, wir sind ungefähr im selben Alter und Sora meinte, du hättest schon länger keinen Freund gehabt…“ „Mach’s gut, Jackson. War nett dich kennengelernt zu haben“, entgegnete ich knapp und ließ ihn stehen, als hätte ich seine Frage nicht gehört. Schon länger keinen Freund gehabt? Na, die konnte was erleben! Wut kroch in mir hoch, in Anbetracht der Tatsache, dass sie leider vollkommen recht hatte. Meine letzte, richtige Beziehung war keine Ahnung wie lang her und so langsam wurmte es mich fast selbst, dass die Männer alle Reißaus vor mir nahmen. Vielleicht war ich ja verflucht. Oder aber ich vergraulte alle, so wie Jackson eben, der mir ja eigentlich nichts getan hatte, aber trotzdem nicht in mein Beuteschema passte. Eine Krawatte mit Wichteln drauf? Mal ehrlich, wer zog denn so was an? Ach nein, es waren ja Weihnachtselfen. Scheiß Weihnachtselfen! Ich stapfte in den Flur und griff nach meinem Mantel. Ich brauchte ganz dringend frische Luft. Dieser Tannenduft, der überall in der Wohnung hing, brachte einen ja völlig um den Verstand. Ich zog mir den schwarzen Mantel über und wickelte ihn wie eine Decke um mich, ehe ich die Tür öffnete und überrascht in den Himmel blickte. Es hatte tatsächlich angefangen zu schneien. „Das auch noch“, motzte ich still vor mich hin und trat hinaus. Ich schloss die Tür hinter mir und atmete erleichtert aus. Endlich ein wenig Ruhe. Ich schlenderte durch den Vorgarten und trat auf die Straße. Warum ging einfach alles immer so verdammt schief? Ich schloss die Augen und wollte gerade anfangen, mich selbst zu bemitleiden, als plötzlich ein lautes Hupen meine langersehnte Ruhe störte. Wütend riss ich den Kopf herum und erstarrte sofort zur Salzsäule, als ich das grelle Licht auf mich zurasen sah. Ich wollte aufschreien, doch im letzten Moment riss jemand das Steuer rum und das Licht sauste an mir vorbei, nur um mit einem lauten Knall gegen den gegenüberliegenden Laternenpfosten zu donnern. Erschrocken hielt ich mir die Hände vor den Mund und starrte mit weitaufgerissenen Augen in die Richtung, wo es geknallt hatte. Ein schwarzes Motorrad lag auf dem Weg und ein ebenso schwarz gekleideter Mann hievte sich unter seiner Maschine hervor. Er richtete sich mit etwas Mühe auf und stützte sich mit den Händen auf seine Knie ab. „Ach, du scheiße!“, rief ich und stürmte zu ihm hinüber. „Ist Ihnen was passiert?“, fragte ich voller Sorge, doch der Unbekannte hob nur seinen Kopf, um mich durch das verdunkelte Glas seines Helms hindurch anzusehen. Dann richtete er sich ganz auf, was mich unweigerlich einen Schritt zurückweichen ließ. Er nahm den Helm ab und dunkelbraune, wuschelige Haare kamen zum Vorschein. Ebenso ein äußerst attraktives Gesicht. Was noch viel attraktiver gewesen wäre, wenn es mich nicht so aggressiv angesehen hätte. Seine braunen Augen durchbohrten mich und eine tiefe Zornesfalte bildete sich auf seiner Stirn. „Sag mal, bist du völlig bescheuert?“, schrie er mich an und machte einen Schritt nach vorn. „Äh… was?“, stammelte ich und wich einen Schritt zurück. „Ich hab gefragt, ob du sie noch alle hast? Was stehst du hier mitten auf der Straße rum?“ Er schrie mich an? Er schrie mich tatsächlich an! Dann schmiss er seinen Helm auf den Boden und fluchte, wie ein wilder, während er seiner schönen Maschine einen Tritt verpasste, als könnte sie irgendetwas dafür. Oder als könnte ich irgendetwas dafür. „Entschuldige, aber… so, wie es aussieht, bist du eben fast in mich reingerast und nicht umgekehrt“, sagte ich, was sofort wieder seine Aufmerksamkeit erregte. Oh, oh. Das hätte ich wohl lieber nicht sagen sollen. Mit großen Schritten kam er auf mich zu. Wie versteinert blieb ich stehen und starrte ihn mit großen Augen an, während er mich weiter böse anfunkelte. „Weißt du eigentlich, wie teuer diese Maschine war?“ Ich versuchte, ihm nicht direkt in die Augen zu sehen, die selbst wütend so wunderschön aussahen, dass sie mein Herz zum flattern brachten. Stattdessen sah ich an ihm vorbei zu der am Boden liegenden Maschine. „Keine Ahnung. Aber da du sie eben getreten hast, kann sie nicht allzu teuer gewesen sein“, sagte ich schulterzuckend, woraufhin der Mann einen Finger hob und ihn mir drohend vor die Nase hielt. „Den Schaden ersetzt du mir! Auf jeden Fall!“ „Bitte was?“, blaffte ich ihn an und Empörung machte sich in mir breit. War das sein Ernst? Er fuhr mich mit dem Teil fast über den Haufen und ich sollte dafür bezahlen? Ganz sicher nicht! Der Typ litt wohl offensichtlich an Größenwahn. Wenn hier jemand sauer sein durfte, dann ja wohl die Fast-Tote – also ich! „Das kannst du so was von vergessen!“, entgegnete ich giftig und stemmte die Hände gegen die Hüften. „Ich bin doch nicht schuld daran, dass du gegen den Mast geknallt bist. Du hättest eben besser aufpassen müssen!“ Seine Lippen – seine wunderschönen Lippen – verengten sich zu einer schmalen Linie und er kam mir noch ein Stück näher. Wahrscheinlich um mir Angst einzuflößen, doch das klappte nicht. Nicht mit mir, Freundchen! Das war das schlimmste Weihnachten seit Jahren für mich und du würdest es nicht noch schlimmer machen! Definitiv nicht! „Ich hätte besser aufpassen müssen?“, presste er unter zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ja, du hättest besser aufpassen müssen!“, wiederholte ich und reckte mich ihm herausfordernd entgegen. Was der Typ konnte, konnte ich schon lange! Dachte er etwa, er konnte mich einschüchtern? Niemals! Nur weil er komplett in schwarzes Leder gekleidet und über einen Kopf größer war als ich? „Sag mal, hast du den Verstand verloren, du blöde Ziege?“, platzte es plötzlich aus ihm heraus. „Was stehst du denn hier mitten auf der Straße rum, sodass dich jeder über den Haufen fahren kann? Es hätte auch ein Bus sein können, ist dir das klar?“ Ich zischte verächtlich. „Was kümmert dich das? Ich kann schließlich rumstehen, wo ich will! Und überhaupt, wie schnell bist du eigentlich gefahren? Fünfzig? Das hier ist eine Dreißiger Zone, du Armleuchter!“, schoss ich zurück, doch das machte bei dem attraktiven Typen offenbar wenig Eindruck. „Ich bin überhaupt keine Fünfzig gefahren! Lass mal deine Augen kontrollieren!“ Besagte Augen verengten sich zu Schlitzen. „Wenn du meinst. Fakt ist: du warst viel zu schnell. Du konntest mich überhaupt nicht sehen. Vielleicht zeig ich dich an“, drohte ich ihm, obwohl ich im selben Moment wusste, dass ich das natürlich nicht tun würde. „Du hast sie doch nicht mehr alle! Lebensmüde Tussi!“, schimpfte er unaufhörlich weiter, während er sich abwandte und seinen Helm von der Straße aufsammelte. „Wer bitte ist überhaupt so blöd und fährt mit einem Motorrad durch die Straßen, wenn es gerade anfängt zu schneien? Du bist selbst schuld“, bestand ich weiterhin darauf und sah dabei zu, wie er seine Maschine hochhievte und sie begutachtete. „Toll. Jetzt kann ich auch noch in die Werkstatt fahren.“ Dann kam er schnellen Schrittes wieder auf mich zu und ich unterdrückte den Drang danach, vor diesen wildfremden Typen zurückzuweichen. Ein wenig einschüchternd war er ja schon. „Gib mir deine Nummer!“, forderte er plötzlich. „Was?“ Völlig perplex starrte ich ihn an. Er schnaufte. „Deine Nummer!“ Ich sah unsicher an ihm vorbei und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr, während mein Herz einen Hüpfer machte. „Du musste komplett verrückt sein“, sagte ich. Als ob ich ihm nach dieser Aktion noch meine Nummer geben würde! Nachdem er mich Ziege und lebensmüde Tussi genannt hatte. Obwohl ich zugeben musste, dass ich unter anderen Umständen nichts lieber getan hätte, als ihm meine Nummer zu geben. Der Unbekannte schnalzte mit der Zunge. „Oh Gott. Denkst du etwa gerade, ich will dich angraben?“ Fassungslos sah ich ihn an, ohne mir anmerken zu lassen, wie enttäuscht ich gerade war. „Nein?“ „Dann gib mir endlich deine Nummer. Ich schick dir dann die Rechnung zu.“ Mein Mund klappte auf. Sein Ernst? Widerwillig kramte ich in meiner Manteltasche nach meinem Handy, während ich „Das ist echt die Höhe“ murmelte. Doch was sollte ich tun? Irgendwie mussten wir uns ja einigen. Und zugegebenermaßen war ich auch nicht ganz unschuldig an dem Beinahe-Unfall. Ich hätte wirklich nicht einfach so auf die Straße gehen sollen. Doch das sagte ich natürlich nicht laut. Stattdessen suchte ich nach meinen Kontaktdaten in meinem Handy und reichte es ihm, damit er es in seins eingeben konnte. Er nahm es entgegen, warf einen Blick darauf und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. „Mimi?“ Herausfordernd sah ich ihn an. „Ja, so heiße ich. Vielleicht noch ein Problem mit meinem Namen?“ Kommentarlos richtete er den Blick wieder aufs Display und tippte meine Nummer, samt meiner Anschrift in sein Handy ein. Dann gab er es mir zurück. „Ich melde mich bei dir, wegen der Rechnung“, sagte er wie selbstverständlich und ließ mich dann einfach so stehen. Wie unhöflich! Verständnislos sah ich ihm hinterher. „Darf ich vielleicht auch deinen Namen erfahren?“ Er schwang sich auf sein Motorrad und sah mich an. „Ich möchte wenigstens den Namen meines Fast-Mörders kennen. Nur, falls ich dich doch noch verklagen will.“ Seine Mundwinkel zuckten. „Tai. Mein Name ist Taichi Yagami.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)