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Der fremde Gast

Heiji x Kazuha || FF-Adventskalender
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Viel Spaß beim Lesen und eine schöne Vorweihnachtszeit. :) Komplett anzeigen

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Winterurlaub

Kazuha seufzte als sie aus dem Auto stieg und ihre Winterstiefel zum ersten Mal seit Jahren Schnee berührten.

Eigentlich hatte sie sich auf diesen Urlaub gefreut. Eigentlich fand sie es großartig, dass sie in ein Skigebiet gefahren waren, weil es in Osaka so gut wie nie schneite und sie den Anblick der weißen Decke auf den Straßen, Bäumen und Hausdächern liebte. Und eigentlich hatte sie sich vorgenommen ein paar wirklich schöne Tage hier zu verbringen, um vom Stress in der Schule zu entspannen.

Tja, daraus wurde allerdings nichts. Und Schuld daran war, wie sollte es auch anders sein, ihr idiotischer Freund aus Kindertagen, Heiji Hattori, seines Zeichens Schülerdetektiv und der Grund, wieso sie heute nicht nur drei Stunden später losgekommen waren, sondern auch warum Kazuha sich in den letzten Tagen nichts sehnlicher gewünscht hatte, als endlich aus der Schule hinauszukommen.

In zwei Tagen war Weihnachten und in der Klasse waren alle damit beschäftigt gewesen, für den Abend des vierundzwanzigsten Dezembers zu planen (selbst ihre und Heijis Eltern hatten hier im Skigebiet Tische reserviert) und hatten mehr als nur einmal bei ihr nachgefragt was sie denn vorhatte.

Und die Antwort darauf war immer 'nichts' gewesen.

Denn die einzige Person, mit der sie an diesem Abend etwas unternehmen wollte, war Heiji und der hatte sie nicht gefragt. Nun gut, Weihnachten war auch eher ein Tag für Liebende und selbst wenn sie sich das seit Jahren wünschte, waren sie nun mal keine, aber das machte die mitleidigen Blicke ihrer Freundinnen und dummen Kommentare, wenn Heiji in Hörweite gestanden hatte, nicht besser.

»Kazuha. Nicht träumen«, riss ihre Mutter sie aus ihren Gedanken und reichte ihr einen kleinen, grauen Koffer, in dem sich ihre Klamotten befanden.

Kazuha nahm ihn entgegen und drehte sich dann Richtung Hotel, das nur ein paar Laufmeter vom Parkplatz entfernt in den Himmel ragte.

Es war ein schönes Gebäude im typischen schweizer Stil mit der Holzverkleidung ab dem zweiten Stock, dem flachen, überstehenden Dach und den verträumten Schnitzereien in den Balken. Außerdem passte es perfekt in diese winterliche Umgebung und Kazuha hatte plötzlich das Gefühl nicht länger in Japan zu sein, sondern sich in den Schweizer Alpen zu befinden.

Schade, dass dem nicht wirklich so war, sonst könnte sie den hiesigen Traditionen aus dem Weg gehen und Weihnachten nach westlichem Vorbild feiern - nur mit ihrer Familie und ohne einen Abend allein, weil sie keinen Freund hatte.

»Nett hier. Nich' wahr?«, ertönte genau in diesem Augenblick neben ihr die tiefe Stimme ihres besten Freundes und holte sie vollends zurück in die Gegenwart.

»Ja«, erwiderte sie kurz angebunden und marschierte dann einfach den Weg, der frisch vom Schnee befreit worden war, zur Eingangstür davon.

Kazuha hörte noch, wie Heiji irgendetwas genervtes von sich gab, aber sie ignorierte ihn und konzentrierte sich lieber darauf die drei Stufen zur Veranda hinaufzugehen, statt die, durch den Schnee knirschenden Schritten, hinter sich.

Sollte er doch dahin gehen, wo der Pfeffer wächst. Hier ruinierte er ihr nur den Winterurlaub.
 

Als am nächsten Morgen ihr Wecker geklingelt hatte, war Kazuha noch nicht bereit dazu gewesen, aufzustehen und hatte deshalb die Schlummertaste gedrückt. Sie war anschließend tatsächlich noch mal in diesem warmen und überaus kuscheligen Bett eingeschlafen und erst, als ihre Mutter laut gegen ihre Zimmertür geklopft hatte, war sie langsam wieder aus dem Reich der Träume zurückgekehrt.

Wie sie beim Fertigmachen festgestellt hatte, war über Nacht erneut Schnee gefallen und hatte die Schneedecke um gut dreißig Zentimeter erhöht.

Es wäre also sicher ein guter Tag um zu einer der Pisten hier zu fahren und sich die Skier an die Füße zu schnallen, allerdings empfand sie nicht sonderlich viel Interesse an dieser Aktivität, nachdem was ihr beim letzten Mal passiert war – und natürlich dem Mord, den Heiji hatte unbedingt aufklären müssen.

Also hatte sie sich nach dem Frühstück, während dem ihr Heiji zum Glück nicht unter die Augen gekommen war, wieder in ihr Zimmer zurückgezogen, um ein Buch zu lesen.

Und nun lag Kazuha auf ihrem Bett und starrte zur eierschalenfarbene Decke hinauf, auf der mittlerweile einige silber flimmernde Punkte herumtanzten, weil ihre Augen begonnen hatten zu schmerzen. Das Buch lag vergessen auf dem Nachtkästchen und außer an der Tatsache, dass sie tatsächlich alleine ein Zimmer bekommen hatte (in diesem Alter mit ihren Eltern zusammen in einem Raum zu schlafen sagte ihr nicht sonderlich zu), konnte sie nichts positives an diesem Urlaub erkennen.

Klar, dass sie nicht auf die Piste zum Skifahren gehen würde, war ihr im Vorfeld schon klar gewesen, aber bei der Buchung damals war sie noch fest davon ausgegangen, dass sie mit Heiji zusammen die Umgebung auskundschaften und vielleicht im nächsten Dorf das ein oder andere Souvenir für ihre Freunde kaufen würde.

Wegen ihr hätten sie im Garten hinter dem Haus auch gerne einen Schneemann bauen oder eine Schneeballschlacht machen können, auch wenn das eher etwas für Jüngere war, aber nachdem ihr klar geworden war, dass Heiji kein Interesse daran hatte, Weihnachten mit ihr zu verbringen, hatten sich diese Pläne alle in Luft aufgelöst.

Und auch, wenn sie das gestern schon gewusst hatte, merkte sie erst jetzt, dass es tatsächlich der Wirklichkeit entsprach.

Was sie tatsächlich gewaltig hinunterzog und gleichzeitig ärgerte sie sich schrecklich darüber. Er war schließlich nicht gezwungen, sie an einem typischen Paarabend zu irgendetwas einzuladen – nur wenn sie sowieso schon hier waren und ihre Eltern etwas eigenes geplant hatten, hätte er zumindest vorschlagen können, dass sie die freie Zeit gemeinsam miteinander verbrachten.

Aber noch nicht einmal auf diese Idee war der wehrte Herr gekommen. Und nun lag sie hier, starrte ins Leere und wartete darauf, dass … ja worauf? Keine Ahnung.

Vielleicht, dass sich doch noch alles zum Guten wendete, wenn sie es nur lange genug zerdachte oder er plötzlich vor ihrer Tür stehen und sie fragen würde, was sie denn am vierundzwanzigsten Dezember unternehmen wollten, wenn ihre Eltern weg waren.

Natürlich sollte sie nicht so dämlich sein und sich wirklich Hoffnungen darauf machen, aber trotzdem konnte sie diesen kleinen Teil tief in sich nicht zum Schweigen bringen.
 

Kazuha überlegte eine Weile, ob sie zum Mittagessen hinuntergehen sollte oder nicht, da sie zum einen keinen Hunger verspürte und zum anderen am Frühstücksbuffet aus Frust kräftig zugelangt hatte und eigentlich nicht sonderlich scharf darauf war über Weihnachten Kilos zuzulegen.

Am Ende entschied sie sich aber dafür zumindest hinunter zugehen, um den immer enger werdenden vier Wänden hier zu entkommen und ihren Eltern ein wenig Gesellschaft zu leisten.

Als sie im kleinen, aber sehr gemütlich eingerichteten Speisesaal ankam, der mit seinen beige gestrichenen Wänden und den hellen Holztischen und -stühlen freundlich und selbst bei diesem wolkenverhangenen Himmel draußen, hell wirkte, besserte sich ihre Stimmung ein wenig.

Nur, um bei der Nachfrage wo Heiji denn sei, da zwar neben ihren auch seine Eltern, aber nicht er, anwesend waren, zu erfahren, dass er gleich nach dem Frühstück mit dem Bus zur nächstgelegenen Skipiste gefahren war, wieder zu sinken.

Dieser Kerl hatte eindeutig zu viel Macht über ihre Gefühle und Empfindungen, weshalb sie schweigend neben den Älteren saß und sich lieber auf den Früchtetee konzentriere als dem Gespräch zu folgen. Allerdings merkte sie durchaus, dass ihre Mutter ihr immer wieder verstohlene Blicke zu warf und auch ihr Vater bei dem Anblick seiner Tochter die Augenbrauen zusammenzog, aber keiner der beiden sagte etwas zu ihr und als schließlich die Teller abgeräumt wurden und sie alle sich erhoben, um sich ebenfalls für das Skifahren umzuziehen, verabschiedete Kazuha sich schnell und bog vor dem Treppenhaus rechts ab in die Lobby.

Sie hatte keine Lust mit Heijis und ihren Eltern den Nachmittag zu verbringen, aber in ihr kleines Zimmer wollte sie auch nicht mehr zurück, also hatte sie beschlossen, sich ein wenig auf eins der gemütlichen Sofas neben dem Empfangsbereich zu setzten und sich mit dem Beobachten von Leuten und dem Begutachten der Nachrichten ihrer Freundinnen die Zeit zu vertreiben.

Es war zum Glück relativ wenig los und so konnte Kazuha sich das rot-weiß gestreifte Sofa mit den kleinen, sternförmigen Kissen sichern, dass perfekt in Richtung Ausgang stand.

Sie ließ sich darauf fallen und wurde von der Härte der Polster unangenehm überrascht. Mit einem lauten Seufzer lehnte sie sich zurück und holte ihr Handy aus der Hosentasche, um ihre Nachrichten zu überprüfen.

Natürlich gab es keine.

Nein, das war nicht ganz richtig, aber sich die Pärchenbilder ihrer Freundinnen anzuschauen und irgendetwas unter deren quietschenden Kommentaren zu schreiben, fehlte ihr schlicht die Lust, also öffnete sie lieber eine ihrer Spielapps und begann lustlos auf dem Bildschirm herumzutippen, bis ihre Eltern vor ihr standen.

»Du solltest mitkommen Kazuha«, sagte ihre Mutter gut gelaunt und die Angesprochene blickte auf. Ihre Mutter trug eine weiße Skihose mit lila Streifen an der Seite und die passende Jacke dazu, während ihr Vater in seinen braunen Skiklamotten hinter ihr stand und die Helme in der Hand hielt – er hatte seine Tochter mit diesem typischen Polizistenblick fixiert und sie musste sich konzentrieren sich nicht unter diesem zu winden wie ein Fisch am Haken.

»Schon gut. Morgen vielleicht, draußen sieht es so ungemütlich aus«, erwiderte sie schließlich mit einem aufgesetzten Lächeln und hoffte, dass ihre Eltern endlich gehen würden.

»Aber ...«, versuchte es ihre Mutter, biss sich allerdings auf die Unterlippe und nickte. »Gut, wie du magst. Aber beschwere dich später nicht, dass wir dich nicht mitnehmen wollten.«

»Werde ich nicht. Versprochen.« Geht nur endlich, dachte Kazuha gereizt und war froh, als ihre Eltern sich zur Eingangstür wandten und sich von ihr entfernten.

Um ehrlich zu sein überraschte es sie ein bisschen, dass ihre Mutter so schnell klein bei gegeben und sich sogar im Satz unterbrochen hatte, aber so wirklich Gedanken darüber wollte sie sich keine machen, sondern einfach nur froh sein, dass sie in Ruhe gelassen wurde.

Und so saß sie anschließend eine gute Stunde in der Lobby und beobachtete die Menschen beim rein- und rausgehen. Es waren hauptsächlich Paare, vor allem junge und einige konnten kaum älter als sie und Heiji sein, was Kazuhas Stimmung nicht unbedingt hob.

Im Gegenteil, immer wenn ein Pärchen in ihren Wintersachen und geröteten Wangen das Haus betrat, verspürte sie einen Stich in ihrem Herzen und Eifersucht in ihrem Magen aufkeimen und immer wieder wünschte sie sich, dass die zwei Personen, die gerade an ihr vorbei liefen sie und Heiji wären.

Kazuha war nur froh, dass niemand ihre Gedanken hören konnte, denn sie schämte sich schrecklich für diese. Normalerweise gehörte sie nicht zu den Menschen, die anderen ihr Glück nicht gönnten – und es war auch nicht so, als würde sie es im Moment nicht tun, aber ihr Wunsch mit diesen ganzen Verliebten zu tauschen überwog.

»Junge Frauen sollten um diese Jahreszeit kein Trübsal blasen.«

Kazuha schreckte bei diesem Satz auf und entdeckte vor sich einen älteren Herren mit Glatze. Er lächelte sie freundlich an, was seine Falten im Gesicht deutlicher hervorstechen ließ und setzte sich auf den roten Sessel, der neben der Couch stand.

»Ich blase kein Trübsal. Ich denke nach«, erwiderte sie in einem kläglichen Versuch ihre schlechte Laune zu kaschieren. Am Liebsten hätte sie ja gefragt, was ihn das anging, aber dagegen sprach ihre gute Erziehung und der automatische Respekt gegenüber älteren Mitmenschen.

»Warum sitzen Sie denn hier und denken nach? Draußen ist wunderschönes Wetter.«

»Finden Sie? Die Sonne wird von dicken Wolken verdeckt und es scheint ein richtig kalter Wind zu wehen«, antwortete sie mit einem Blick zum Fenster neben der Eingangstür.

Der Mann lachte, wodurch Kazuhas Aufmerksamkeit erneut auf ihn gelenkt wurde, bevor er weitersprach: »Das kann ich natürlich nicht bestreiten. Allerdings liegt auch Schnee und soweit ich weiß, ist das in Osaka nicht so üblich.«

»Woher …?«, begann Kazuha, stoppte aber bei dem wissenden Lächeln, welches seine Lippen umspielte, wieder.

»Ich lese Zeitung und habe Sie gestern mit Herrn Hattori und seiner Familie ankommen sehen«, erklärte er mit einer vergnügten Stimme. Das Erste, was Kazuha bei diesen Worten durch den Kopf schoss, war die Bitte, dass er nicht auch noch ein Detektiv sei, denn von dieser Sorte kannte sie mittlerweile schon mehr als genügend.

»Verstehe.«

»Also, worauf warten Sie dann noch? Ich könnte mir vorstellen, dass Sie sich auf den vielen Schnee hier gefreut haben, nicht wahr?«

Kazuha entwich ein lautes Seufzen. Sie schien wohl wirklich ein offenes Buch zu sein, oder wie sonst konnte ein fremder Mann sie so schnell durchschauen?

»Ja, schon. Aber ich bin nicht sonderlich in Stimmung dafür«, erwiderte sie und bemerkte den frustrierten Unterton in ihrer Stimme, der ganz offensichtlich nicht nur ihr aufgefallen war.

»Also blasen Sie wirklich Trübsal«, stellte er verständnisvoll fest.

»Fehlt Ihnen für den morgigen Abend noch eine Begleitung?«

Kazuhas Augen weiteten sich erschrocken und für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie doch tatsächlich Angst, dass er ihr anbieten würde mit ihm den Weihnachtsabend zu verbringen.

Und erneut schien er ganz genau zu wissen, was in ihr vorging, denn sein Lächeln wurde breiter und aus seinen freundlichen, grauen Augen konnte man richtig herauslesen, dass es ihn amüsierte.

»Vor vierzig Jahren hätte ich tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, aber ich bin nur ein alter Mann«, kommentierte er ihre Sorge und fügte hinzu: »und als dieser möchte ich Ihnen sagen, dass Sie sich wegen solcher Traditionen nicht die schönen Wintertage verderben lassen sollten.«

»Leichter gesagt als getan«, rutschten ihr diese Worte deprimiert über die Lippen und sie lief rot an.

»Versuchen Sie es doch einfach mal«, schlug er vor und erhob sich schließlich vom Sessel. »Ich an Ihrer Stelle würde es zumindest so machen.« Und damit verabschiedete er sich und ging Richtung Speisesaal, in dem wohl demnächst Kaffee und Kuchen serviert werden würden.

Kazuha sah ihm mit mürrischem Blick hinterher, konnte seine Worte allerdings nicht aus ihren Gedanken verscheuchen, obwohl es so viel angenehmer gewesen wäre, weiterhin hier zu sitzen und in Selbstmitleid zu versinken.

Immerhin hatte er nicht unrecht damit es zumindest zu versuchen. Sie hatte sich schließlich aus mehr Gründen auf diesen Urlaub gefreut und nur, weil sie Weihnachten wahrscheinlich allein verbringen würde, war das noch lange kein Grund sich die Tage vermiesen zu lassen.

Was allerdings, wie bereits angesprochen, leichter gesagt als getan war.

Mit einem erneuten Seufzen erhob Kazuha sich dennoch und lief durch die Lobby zum Treppenhaus, um in ihr Zimmer zu gehen und sich ihre Winterjacke zu holen. Es war immerhin einen Versuch wert, auch wenn sie noch nicht so genau wusste, was sie draußen tun sollte und ihre Stimmung sich nach wie vor auf einem Tiefpunkt befand.
 

Der kalte Winterwind schmerzte Kazuhas Wangen und sie bereute es nach einigen Metern schon wieder nach draußen gegangen zu sein. Trotzig wie sie aber war, wollte sie nun auch nicht mehr zurück ins Warme und setzte mit zusammengebissenen Zähnen ihren Weg fort.

Kazuha musste ihre Augen zusammenkneifen, weil diese wegen der beißenden Kälte zu tränen begannen und ihre Entschlossenheit ließ leider recht schnell immer weiter nach. Ein lautloser Fluch entwich ihrer Kehle und eine weiße Wolke stieg vor ihrem Gesicht gen Himmel auf.

Zumindest bis zum nächsten Dorf wollte sie es schaffen, dass laut dem Wegweiser vor dem Hotel gerade einmal einen halben Kilometer nach Westen entfernt lag und in dieser Richtung befand sie sich gerade – zumindest hoffte sie das.

Mit einem kurzen Blick zurück, erkannte sie die Umrisse des Hotels und der Autos, die vor diesem parkten und kämpfte sich dann weiter durch den Schnee hindurch, der die Straßen und Gehwege längst vollständig unter sich begraben hatte.

Sie lief eine ganze Weile geradeaus und stellte fest, dass dieser Ort hier sicher ein richtiges Winterwunderland sein könnte, wenn erstens ihre Stimmung nicht so mies wäre und zweitens der Wind endlich nachlassen würde.

Kazuha musste unterwegs öfter ihre Kapuze wieder über ihre Haare ziehen, weil diese hinunter geweht worden war, aber nun war sie schon so weit gekommen, dass sie sicher nicht mehr umkehren würde. Außerdem hatte sie beschlossen sich am Ende dieses Marsches ein kleines Cafe zu suchen und sich als Belohnung eine heiße Schokolade zu gönnen – das sorgte schließlich immer für gute Laune und angenehme Wärme in einem.

Von diesem positiven Gedanken geleitet, fiel es ihr gleich leichter ihren Weg fortzusetzen, allerdings hielt dieser Stimmungsaufschwung nicht sonderlich lang, denn als sie sich das nächste Mal umblickte, um einen Anhaltspunkt zum angepeilten Dorf zu erhaschen, stellte sie fest, dass es keinen gab.

Sie stand zwischen ein paar verlassenen, mit Schnee bedeckten Tannen, die das sonst triste Weiß um sie herum etwas unterbrachen, aber ansonsten war hier nichts, dass sich davon abhob.

Bei diesem Anblick fühlte Kazuha sich plötzlich vollkommen verloren und konnte sich im ersten Moment nicht einmal mehr daran erinnern, aus welcher Richtung sie gekommen war, bis sie schließlich ihre eigenen Schuhabdrücke im Schnee vor sich sah und erleichtert ausatmete.

Das hieß sie musste nur ihren eigenen Spuren folgen, um wieder zurück oder zu einer Gabelung zu kommen, die sie wohl zwischen all dem Schnee übersehen hatte. Sie konnte sich bei diesen Temperaturen zwar ehrlich gesagt etwas besseres vorstellen, als wegen ihrer eigenen Unachtsamkeit die doppelte Strecke zu laufen, aber da musste sie jetzt wohl durch.

Mit zusammengebissenen Zähnen, den Händen tief in ihren Taschen vergraben und den Blick stets auf ihre Fußspuren gerichtet, machte Kazuha sich auf den Rückweg und hoffte, dass dieser nicht allzu lang war. Dabei fiel ihr ein, dass sie nicht einmal wusste, wie lange sie schon unterwegs war, aber ihr Handy aus der Hosentasche, die sich unter ihrem Mantel befand, wollte sie auch nicht holen, weil das bedeuten würde, dass sie ihre Hände aus dem halbwegs Warmen in die Kälte ziehen musste.

So spät war es sicher noch nicht und außerdem konnte sie noch immer die Gabelung hinter sich lassen und direkt zum Hotel gehen – eine Idee, die ihr von Meter zu Meter mehr zusagte.

Wenn sie nur endlich bei diesem verflixten Ding ankommen würde oder es zumindest in Sicht kam, aber nein. Nur Schnee über Schnee um sie herum. Ein Glück hatte es nicht wieder zu schneien begonnen, sonst hätte sie ihre Fußspuren (und mittlerweile bekam sie doch etwas Angst, dass es gar nicht ihre eigenen war) auch nicht länger als Pfad zurück in die Zivilisation.

Und noch etwas positives galt es sich im Kopf zu behalten: sie waren noch keinem Mörder über den Weg gelaufen. Gut, das hieß nicht viel, das konnte sie aus der reichlichen Erfahrung, die sie dank Heiji mittlerweile besaß, sagen, aber daran wollte sie nicht denken. Eher an den guten Aspekt und der war: keine Leichen, keine Angst davor alleine durch einsames Gebiet zu laufen!

Denn wenn sie sich schon vor etwas fürchten musste, dann eher davor, dass sie nie wieder im Hotel ankommen und hier außen jämmerlich erfrieren würde.

Na toll. Jetzt wünschte sie sich wirklich, Heiji und Weihnachten wären ihre größten Probleme in diesem Urlaub und nicht …

»Da bist du ja«, unterbrach eine nur allzu bekannte Stimme Kazuhas düstere Gedanken und sie blickte auf.

»H-heiji«, antwortete sie überrascht und ihr Herz machte einen überraschten Hüpfer. Die kleinen Atemwolken kamen in kurzen Abständen hintereinander aus seinem Mund und Kazuha sah, wie sein Brustkorb sich unter der dicken, grauen Winterjacke schnell hob und senkte. Er war gerannt. Aber wieso?

»Sag mal, weißt du eigentlich wie spät es ist, du dumme Kuh?«, fuhr er sie an und sofort kam Kazuha wieder in der Realität an.

»Nein«, gab sie klein laut zu, merkte aber, wie der ganze Frust der letzten Tage plötzlich aus ihr heraus wollte und holte tief Luft, bevor sie mit lauterer, wütenderer Stimme fortfuhr, »was aber noch lange nicht heißt, dass du mich beleidigen darfst!«

»Was ich auch nicht tun würde, wenn du an dein verdammtes Handy gegangen wärst«, erwiderte er gereizt.

Oh Mist. Vielleicht hätte sie doch darauf schauen sollen, anstatt sich über die Wärme an ihren Händen Gedanken zu machen. Wenn Heiji ihren Eltern – und vor allem ihrem Vater – gesagt hatte, dass sie verschwunden war, wäre das ganz, ganz schlecht. Nicht, weil sie Angst davor haben musste, dass er sauer auf sie sein würde (gut, das kam dann vielleicht später), sondern da er wohl alle Hebel in Bewegung setzten würde, um sie zu finden.

»Und du … du musst ja nicht gleich so einen Aufstand machen, nur … nur … ich wollte eben einfach meine Ruhe haben.«

»Und darum bist du in die tiefste Pampa gelaufen?«

»Ich wüsste nicht was dich das angeht?!«

Kazuha sah richtig, wie Heijis Zorn ein neues Level erreichte und machte sich auf alles gefasst, doch er schwieg. Starrte sie nur an – und schwieg weiter.

Langsam wurde es richtig unangenehm, mit welchem Blick er sie bedachte und sie suchte fieberhaft nach einer Aussage, die endlich zu einem Ende des Anstarren führen würde, als er seine Stimme doch wieder erhob: »Gut, dann erfrier hier halt.«

Und mit diesen Worten drehte er sich um und stapfte durch den Schnee zurück in die Richtung aus der er gekommen war. Kazuha sah ihm im ersten Moment mit offenen Mund hinterher, bis sie endlich ihre Fähigkeit zu sprechen wieder gefunden hatte.

»Das ist doch sowieso nur deine Schuld!«, schrie sie so laut es ging.

Heiji blieb abrupt stehen und wandte seinen Kopf in ihre Richtung.

»Aha, wieso das?«, fragte er genervt.

»Du … du bist doch einfach so zum Skifahren abgehauen«, erwiderte sie wütend, bemerkte aber bereits in dem Moment, als sie es aussprach, wie dämlich das klang.

»Ja, weil du nichts besseres zu tun hattest als mich zu ignorieren.«

Pah! Kazuha verschränkte die Arme vor ihrer Brust und sah mit erhobenem Kinn zur Seite.

Auch Heiji fügte nichts mehr an seine Aussage hinzu, sondern fragte mit einem resignierten Ton: »Kommst du jetzt?«

Ohne ihm eine Antwort zu geben oder ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, ging sie auf ihn zu und an ihm vorbei. Mit einem lauten Seufzer schloss er wieder zu ihr auf und sie begannen schweigend ihren Rückweg anzutreten.

Kazuha warf ihm immer wieder Seitenblicke zu und bemerkte recht schnell, dass sie wegen des Streits gerade furchtbare Schuldgefühle bekam.

Sie wusste doch, dass er manchmal aus der Haut fuhr, wenn er sich um jemanden sorgte, der ihm nahe stand und auch wenn das keine sonderlich schöne Eigenschaft von ihm war, hatte er ihr heute nur helfen wollen.

Eine Hilfe, die sie vielleicht nicht unbedingt nötig gehabt hatte, aber sie war froh in dieser rein weißen Umgebung nicht mehr allein laufen zu müssen.

Also atmete sie einmal tief durch – was in ihren Lungenflügen furchtbar schmerzte, weil die Luft eiskalt war – und drehte ihren Kopf komplett in seine Richtung.

»Danke«, sagte sie leise und ärgerte sich sofort darüber, dass ihre Stimme nicht lauter gewesen war. Allerdings merkte sie, wie Heiji sich neben ihr versteifte und sie aus den Augenwinkeln beobachtete.

»Kein Problem«, erwiderte er schließlich.

»Und entschuldige«, fuhr sie fort, wenn sie schon dabei war anzudeuten, dass sie ihren Fehler eingestand, konnte sie es auch komplett tun. Außerdem war sie es leid sauer auf ihn zu sein, vor allem, nachdem er durch die Kälte gelaufen war, um sie zu suchen.

»Vergiss es«, winkte er ihre Worte leichtfertig ab, aber Kazuha konnte schwören, dass sich seine Mundwinkel für den Bruchteil einer Sekunde nach oben bewegt hatten und das reichte ihr für den Moment.

Die weitere Strecke brachten sie still hinter sich, die sich allerdings nicht halb so unangenehm anfühlte wie noch vor wenigen Minuten und Kazuha begann erneut ihren Gedanken nachzuhängen.

Vielleicht hatte der alte Mann recht gehabt und sie sollte aufhören sich wegen solcher blöden Traditionen den Kopf zu sehr zu zerbrechen und einfach den Urlaub genießen. So wie es jetzt war, war es doch ebenfalls schön und man sollte sich ja auch mit dem zufrieden geben können, dass man hatte und nicht immer nach einem mehr streben.

Nur, dass Kazuha sich mit diesem momentanen Zustand kaum zufrieden geben konnte. Es ging einfach nicht, dafür schlug ihr Herz zu laut, wenn sie ihn ansah und ihr wurde zu warm, wenn er neben ihr stand.

Außerdem fühlte sie sich bei ihm sicher, obwohl sie niemand so schnell zur Weißglut treiben konnte wie er und sie sich manchmal wünschte, er wäre ganz weit weg, damit sie endlich ihre Ruhe haben konnte.

Zum Glück war er das aber nicht und auch dieses Mal hatte er sie …

Moment!

»Woher wusstest du eigentlich, wo du nach mir suchen musst?«, fragte Kazuha, bevor sie ihren Gedanken im Kopf komplett zu ende formuliert hatte.

»Ach weißt du ...«, begann Heiji und kratzte sich am Hinterkopf über die graue Mütze.

»Ja?«

»Als du nicht auf mein Klopfen reagiert hast und auch nicht ans Handy gegangen bist, bin ich runter zur Rezeption und hab da nachgefragt. Die wussten aber nur, dass du irgendwann im Laufe des Nachmittags raus bist und dann hat mich so ein komischer, alter Kauz angesprochen und mir gesagt, du wolltest ins Dorf rüber, also bin ich ebenfalls in die Richtung. An der Stelle, wo man nach links abbiegen musste, gab es nur Abdrücke von einem Paar Stiefel, die geradeaus gegangen waren und weil du auf nichts reagiert hattest, was darauf schließen lässt, dass du nicht das Innere eines Hauses betreten hast und es ungefähr deine Größe war, bin ich eben dieser Spur gefolgt.«

Kazuha musste bei diesen Worten schmunzeln und fragte sich unweigerlich, ob das als detektivische Glanzleistung durchgehen würde oder nicht.

Dann aber realisierte sie einen ganz anderen Teil seiner Geschichte und wurde neugierig.

»Kann es sein, dass dieser alte Mann eine Glatze und graue Augen hatte?«

»Ja. Sag bloß nicht, du hast schon wieder Freundschaften geschlossen?«, erwiderte Heiji kopfschüttelnd, aber mit einem Lachen.

»Ha, ha. Nein«, antwortete sie ernst, fügte jedoch nachdenklich hinzu, »aber ohne ihn wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen diesen Spaziergang zu machen. Wir haben uns ein bisschen unterhalten und am Ende, ehrlich gesagt weiß ich gar nicht mehr wirklich warum, hab ich mich dann dazu entschlossen rauszugehen.«

Heiji sagte daraufhin nichts mehr, worüber Kazuha nicht einmal böse sein konnte, weil sie ehrlich gesagt mit einer blöden Antwort wie 'Und du dachtest nicht daran, dass er dich austricksen könnte, um dich dann zu entführen und umzubringen?' gerechnet hatte.

Da war nichts sagen auf jeden Fall die bessere Alternative.
 

Es hatte noch eine ganze Weile gedauert, bis Kazuha und Heiji endlich wieder am Hotel angekommen waren (er hatte ihr unterwegs das Schild an der entsprechenden Abzweigung gezeigt und sie gefragt, wie blind man eigentlich durchs Leben laufen konnte, um das zu übersehen), aber als sie schließlich die warme und nach Zimt duftende Lobby betreten hatten, fühlte sich das kleine Abenteuer im Schnee tatsächlich wie ein angenehmer Spaziergang durch die Winterlandschaft an.

Im Moment saßen sie zu zweit im Speisesaal und warteten darauf, dass ihr bestellter Tee und die zwei Stück Kuchen – Kazuha ignorierte die Sorge um ihr Gewicht, weil sie sich diesen Traum von Zucker einfach verdient hatte – endlich kamen.

Es war noch recht leer hier und bis auf zwei Paare, eine Familie und die Kellner befand sich außer ihnen keiner im Raum.

»Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du ohne es zu merken, über eine Stunde durch die Pampa gelaufen bist«, sagte Heiji plötzlich und führte somit ihre Diskussion fort, die sie kurz vor dem Betreten des Hotels begonnen hatten.

»Und ich kann es nicht glauben, dass das so schlimm ist. Ich wusste schließlich wie ich zurück kommen kann.«

»Was glaubst du denn, wäre passiert, wenn deine Eltern an meiner Stelle gewesen wären?«

»Ach hör doch auf. Das hat damit nichts zu tun.« Aber Kazuha wusste selbst, dass es sehr wohl etwas miteinander zu tun hatte.

»Und ob ...« Zum Glück kam in diesem Moment ihre Bestellung und Heiji beschloss zu Kazuhas Freude das Thema endlich fallen zu lassen. Sie aßen in Ruhe ihren Käsekuchen und begannen sich über belanglose Dinge zu unterhalten.

Es war entspannend für Kazuha nicht mehr an diesen blöden Weihnachtsabend zu denken oder daran, wie ihre Freundinnen sie angeschaut hatten. Einfach hier zu sitzen und sich mit Heiji zu unterhalten war vollkommen ausreichend, auch wenn sie sich dennoch wünschte, dass er selbst in diesen freundschaftlichen Momenten mehr war als nur das.

Es würde sich ja nicht einmal sonderlich viel zwischen ihnen ändern, wenn sie genauer darüber nachdachte und in diesem Moment beschloss Kazuha, in deren Gedanken sich nun doch wieder der morgige Tag geschlichen hatte, einfach ihr Problem selbst zu lösen.

»Und schon Pläne für Morgenabend?«, fragte sie mit ihrem besten Smalltalk-Ton und überrumpelte Heiji dabei vollkommen.

»Wie? Was? Ja, natürlich. Du doch auch.«

Nun war es an Kazuha komplett aus dem Konzept geschmissen zu werden.

»Nein, eben nicht. Darum frage ich ja«, antwortete sie irritiert.

»Aber ...«, erwiderte Heiji, stoppte sich selbst und griff sich mit der Hand gegen die Stirn.

»Oh man. Ich dachte es sei klar, dass wir uns morgen einen gemütlichen Abend hier machen.«

Ach war es das?

»Also ehrlich gesagt, nein. Mir nicht«, fauchte Kazuha ihn an, weil er ihr im Moment als der größte Vollidiot vorkam, der auf dieser Erde wanderte.

»Vielleicht sagst du mir das das nächste Mal früher, bevor ich mir Gedanken darüber mache, was ich an Weihnachten allein so anstellen könnte.«

Sie war kurz davor einfach aufzuspringen und aus dem Raum zu rennen, so wütend wurde sie auf ihn, konnte sich aber gerade noch zurückhalten und versuchte sich innerlich gut zuzusprechen, um wieder ruhiger zu werden.

»Deshalb brauchst du mich nicht gleich so anzufahren. Schließlich bin ich davon ausgegangen, dass es logisch sei. Mit wem willst du hier denn sonst was machen? Ich glaube kaum, dass du deine Eltern auf ihr Date begleiten möchtest und so viel andere Möglichkeiten gibt’s nicht.«

»Du … du Vollpfosten!«, rief sie, sprang nun doch auf und schlug mit den Händen auf die Tischplatte, sodass auch wirklich jeder im Saal – der sich mittlerweile weiter gefüllt hatte, da bald das Abendessen serviert werden würde – ihre Auseinandersetzung verfolgen konnte.

»Jetzt beruhig dich mal wieder.«

»Du kannst mich mal.« Und damit folgte auch der nicht gewollte, dramatische Abgang aus dem Raum. Mit großen Schritten durchquerte Kazuha die Lobby und rannte die Treppenstufen regelrecht nach oben ins zweite Stockwerk.

Als sie vor ihrer Zimmertür ankam, suchte sie laut fluchend ihren Schlüssel, den sie einfach in keiner ihrer Taschen finden konnte und hörte schließlich wie jemand schnell näher kam.

Bitte lass es nicht Heiji sein, bitte lass es nicht Heiji sein, betete sie innerlich, doch ganz offensichtlich waren die spirituellen Kräfte heute nicht auf ihrer Seite.

»Hier«, sagte Heiji, als er bei ihr angekommen war und reichte ihr den Zimmerschlüssel, den sie so vergebens gesucht hatte.

»Den hast du auf dem Tisch liegen lassen.« Sie wusste nicht einmal mehr, dass sie ihn dahin gelegt hatte.

»Danke«, antwortete sie trocken und beeilte sich die Tür aufzuschließen.

»Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest.« Kazuha trat ins Innere des kleinen Zimmers und wollte die Tür hinter sich zuschlagen, doch Heiji stand bereits im Rahmen und hielt diese offen.

Mit einem wütenden Aufschrei drehte sie sich zu ihm, um ihm zu erklären, dass er sie gefälligst in Ruhe lassen solle, als sie seinen beschämten Blick sah.

»Ich habs ganz schön verbockt, richtig?«, fragte er, ließ Kazuha aber überhaupt keine Zeit um ihm zu antworten. »Ich wusste nur einfach nicht, wie ich dich fragen sollte. Na ja, Weihnachten verbringt man ja schließlich eher … du weißt schon … also mit seinem Partner und nicht nur mit dem Kindheitsfreund, an den man sich damals mit Handschellen gekettet hat. Und dann dachte ich einfach, es sei leichter … also gar nichts zu sagen und es einfach als Tag wie jeden anderen zu betrachten. In den letzten Jahren war es schließlich auch kein so großes Thema und ja«, schloss er etwas unkreativ.

Er wirkte wirklich zerknirscht und Kazuha suchte nach den richtigen Worten, um ihn aufzumuntern, doch alles was sie fand war die Wahrheit und ob diese zu dem gleichen Ergebnis führen würde, wusste sie nicht.

»Um ehrlich zu sein, hab ich mir einfach bisher nicht so viele Gedanken darum gemacht. Also, nein, ich hätte mich schon seit einigen Jahren über eine Einladung gefreut, aber so richtig bewusst ist es mir wohl erst geworden, als dieses Jahr plötzlich alle um mich herum von ihren ach so tollen Plänen berichtet haben.«

Nach diesem Geständnis wurde es leise und nur das regelmäßige Ticken der Uhr an der Wand und die entfernten Schritte im Gang, welche durch die halbgeöffnete Tür ins Innere es Zimmers drangen, unterbrachen die Stille.

»Du bist ein genauso großer Vollpfosten wie ich«, sagte Heiji schließlich mit einem Grinsen.

Kazuha brauchte einen Moment um zu verstehen, auf was er sich bezog, bevor sie ihm ein breites Lächeln schenkte.

»Aber um ehrlich zu sein, hättest du mich ruhig früher fragen können, wenn es dir so wichtig war.« Und damit hatte Heiji innerhalb von zwei Atemzügen wieder die komplette Stimmung ruiniert.

»Halt die Klappe«, erwiderte Kazuha halb ernst. Nun, da sie die genaueren Hintergründe kannte, kam sie aber zu dem selben Schluss. Es gab einfach Dinge, die man ihm nicht überlassen konnte und Sachen, in denen seine Gefühle mit drinnen hingen, gehörten wohl eindeutig dazu.

»Also haben wir morgen ein … ein Date?«, fragte er vorsichtig nach.

»Ja«, bestätigte Kazuha glücklich.
 

Als am nächsten Tag der Wecker klingelte, war Kazuha bereits seit einer Stunde wach, weil sie es gar nicht erwarten konnte, dass der Tag endlich begann, um sobald wie möglich zum Abend überzugehen. Zudem war sie auch die halbe Nacht wach gelegen und hatte jedes noch so kleine Detail des vorangegangenen Tages vor ihrem inneren Auge analysiert, um sich später auch wirklich an alles, was dieser Aussprache voraus gegangen war, im Gedächtnis zu behalten.

Und irgendwann im Halbschlaf war sie zu der Erkenntnis gekommen, dass sie diesem alten Mann unbedingt noch danken musste.

So im Nachhinein betrachtet war Kazuha seine Rolle sehr suspekt, aber vielleicht interpretierte sie auch einfach zu viel in seine Worte. Eventuell hatte er ja von einem Fenster aus gesehen, in welche Richtung sie gegangen war und dass sie gemeinsam mit Heiji hier war, hatte er ja schon vorher gewusst.

Das einzig blöde war nur, dass sie nicht nach seinem Namen gefragt hatte und so konnte sie nur hoffen, dass er ihr beim Frühstück über den Weg laufen würde.

Doch diesen Gefallen tat er ihr nicht, also versuchte sie in bester Detektivmanier durch die Angestellten und anderen Gäste seine Zimmernummer herauszubekommen. Ebenfalls ohne Erfolg.

Niemand konnte sich an einen älteren Herren mit Glatze erinnern und auch wenn Heiji dies nur mit einem Schulterzucken ab tat, als sie es ihm erzählte, wusste sie genau, dass es ihn selbst ebenfalls so sehr irritierte wie sie.

Es konnte schließlich nicht sein, dass ein Mensch sich einfach so in Luft auflöste. Irgendjemand musste doch etwas über ihn wissen. Oder nicht?



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  ElfSedan
2017-12-06T19:53:40+00:00 06.12.2017 20:53
OMG, als ich durch Animexx auf die Erwähnung aufmerksam gemacht wurde, war ich total verwirrt :D Aber vielen vielen Dank für die Widmung <3! Und es ist doch nicht schlimm, ich hab ja auch so meine Probleme derzeit, worüber wir dann aber eher wohl privat plaudern werden ;)

So nun aber will ich auch noch etwas sinnvolles zur Story abliefern. *etwas eingerostet ist, weil lange keine Kommis zu Fanfics geschrieben hat* *räusper*

Story:
Ich mag die Story, man hat einen schönen Faden, der sich durchzieht und immer wieder aufgegriffen wird (der innere Ärger von Kazuha über den vermeindlichen Weihnachtsabend allein). Natürlich sprintet die Story hier und da ein wenig schnell voran, doch es ist eine Kurzgeschichte bzw. ein Oneshot und ehrlich gesagt bleibt das dabei nie aus. Auch wäre es viel zu lang gezogen, wenn man nicht an den entsprechenden Stellen etwas kürzt. Ehrlich gesagt habe ich es ab dem Zeitpunkt, da Kazuha das Hotel verließ ein wenig vorhergesehen, wohin das ganze verläuft, doch ich glaub das bleibt bei einem Dramafan nicht aus xD Doch ist es milder verlaufen, als ich es gedacht hatte (sie hätte den Weg wirklich allein gefunden und sich nicht hoffnungslos verirrt xD)

Charaktertreue & Perspektive:
Ich finde es immer eine besondere Herausforderung, Geschichten nur aus einer Sicht zu schreiben, ohne dass der Charakter und der Leser die Gegenseite der Charaktere kennt. Bei dieser Story hat es ideal gepasst, nur eine Seite der Geschichte zu haben und du hast das auch sehr gut umgesetzt.
Die Chraktere wirken auch authentisch und wie im Original (bis auf den fehlenden Akzent ;) ). Ich find sehr gut, dass du ihre streitsüchtige Art auch ziemlich bis zum Ende beibehältst und das Ende doppelt offen lässt (zum Einen wegen dem älteren Herrn und zum Anderen wie die Geschichte zwischen den beiden nun am Weihnachtsabend ausgeht).

Schreibtstil (sofern nicht schon erwähnt):
Ich konnte die Story schön flüssig lesen und hatte in den richtigen Momenten Pausen. Auch die Umgebungsbeschreibungen fand ich ansprechend und sie kamen immer im richtigen Moment, sodass man sich in die Szene hinein versetzen konnte. Hier und da sind mir ein paar wenige (!) Rechtschreib-/Tippfehler aufgefallen, aber sie haben jetzt nicht besonders gestört und ich könnte jetzt auch keine genauen wiederkehrenden Fehler nennen.

So bleibt nun nur noch die Frage nach der Fortsetzung, haha :D Oder mal die ganze Story aus der anderen Perspektive? *scherz off*

Eine gelungene Story, die mir den Abend versüßt hat <3 Danke dafür.
LG
Elfe
Antwort von:  Goetterspeise
07.12.2017 08:14
Guten Morgen :)
du darfst mir gerne jederzeit eine Whats App Nachricht schicken <3

Zum Kommentar: vielen Dank für deine lieben und ehrlichen Worte :D Ich freue mich total, dass dir die Geschichte (trotz der Vorhersehbarkeit, die ich mir schon gedacht hatte XD), im gesamten Paket gefallen hat und die paar Fehler muss ich unbedingt noch mal suchen und ausbessern >D Aber ich bin ja schon froh, dass mir nicht zu viele durch die Lappen gegangen sind :D
Ja, das mit dem Dialekt war einfach so ne Sache, bei der ich mich so extrem seltsam gefühlt habe, dass ich mir dachte, ich lasse es lieber weg, bevors total künstlich erzwungen wirkt XD

Liebe Grüße und so <3
Von:  Blue_StormShad0w
2017-12-06T19:27:49+00:00 06.12.2017 20:27
Guten Abend.
Eine schöne One-Shot! (^-^)
Oje, oje, da hatte Kazuha die ganze Zeit, schlechte Laune, wegen diesen kleinen Missverständnis und dann stellt sich heraus, dass dieser nicht so richtig wusste, wie er sie fragen sollte. Na ja, bei den Beiden ist das ja immer so kompliziert. (^~^)
Hm, aber ja, wer war der ältere Herr, mit den Kazuha sich kurz unterhalten hatte? Den Weihnachtsmann schließ' ich mal jetzt aus. Hm? Vielleicht aber ein Geist oder Engel, der zur Weihnachtszeit ihr helfen wollte? Tja, das wird wohl ein Geheimnis bleiben. (^-^)
Dein Schreibstil war echt klasse und flüssig zu lesen. Auch konnte man's sich gut vorstellen. Auch hast du die Gefühlslage der Charaktere gut rübergebracht.
So, dann noch einen angenehmen Abend dir noch.
Ciao! (^o^)/
Antwort von:  Goetterspeise
07.12.2017 07:57
Guten Morgen :)
und vielen, lieben Dank für deinen netten Kommentar. Freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat und ja, die zwei sind wirklich hoffnungslose Fälle :D Wer dieser ominöse Fremde war, bleibt tatsächlich ein Geheimnis, zu dem sich jeder selbst was überlegen darf :3

Liebe Grüße!


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