Three Christmas Wishes von Linchen-86 ================================================================================ Kapitel 1: Der Klang von Weihnachten ------------------------------------ ~Es gibt Augenblicke im Leben, in denen du jemanden brauchst, der mehr an dich glaubt, als du selbst.~ Sora war 25 Jahre alt, lebte in Tokio und arbeitete seit einem halben Jahr als Jungdesignerin in einem großen Label. Sie hatte unendlich hart für diese Chance gearbeitet und war unsagbar glücklich gewesen, als sie die Zusage für diesen Job bekommen hatte. Sie zog nach Ginza in eine top eingerichtete Wohnung und wünschte sich, dass es ewig so weiter gehen und sie die Karriereleiter weiter hochklettern würde. Doch am 19.12.2014 sollte alles anders kommen. Sie verlor völlig unvorbereitet ihren Job. Eine neue Kollektion des Labels wurde von einigen Vertriebspartner nicht übernommen. Viel Geld stand auf dem Spiel und auch viele Arbeitsplätze und da die junge Frau eine der Letzten gewesen war, die neu in dem Label angefangen hatte, durfte sie auch als eine von den Ersten gehen. Sie hätte gerne ihren Job behalten, denn es war ihr Traumberuf. Egal wie stressig er auch sein konnte. Die rothaarige Frau nahm ihn gerne auf sich und jetzt stand sie völlig frustriert in ihrer viel zu großen und teuren Wohnung und hatte nicht die geringste Ahnung, wie es weiter gehen sollte. Ihre Eltern wusste noch nichts von der überstürzten Kündigung und in fünf Tagen stand Weihnachten vor der Tür. Sora war die Freude an dem Fest der Liebe aber vergangen. Dabei feierte sie dieses Fest immer sehr gerne, doch fünf Tage vor Heiligabend entlassen zu werden, war alles andere als weihnachtlich und ihre Stimmung war auf dem Nullpunkt. Ihr einziger Wunsch an Weihnachten für dieses Jahr - ihren alten Job zurück zu bekommen. Selbst ihre Lieblingsband, Knife of Day – die gerade im Radio lief, konnte ihre Stimmung nicht heben und das hatte wirklich etwas zu bedeuten, schaffte es die Stimme des Bandleaders sonst schon bei den ersten Tönen, sie in seinen Bann zu ziehen und sie zu beruhigen, aber heute wollte es einfach nicht gelingen. Der Song endete und der Radiomoderator war wieder zu hören. `Das war die brandneue Single der Erfolgsband Knife of Day, die morgen ihr Weihnachtskonzert im Vision spielen wird. Wir haben die letzten Tickets, also ruft an und versucht euer Glück.` Sora lachte ironisch auf, als würde sie heute noch einmal Glück haben. Da sie aber auch nichts zu verlieren hatte, wollte sie es tatsächlich versuchen. Ihr Plan für den Tag war eh gescheitert und noch schlimmer konnte er gar nicht mehr werden. Sie war mehr als überrascht, als sie eine Runde weiter kam und schließlich durchgestellt wurde. "Mit wem spreche ich denn da?" „Ähm… So-sora Takenouchi...“, stammelte die Rothaarige. Unfassbar. Sie war durchgekommen, das war sie doch noch nie. Nirgends. „Sehr schön, dann müssen sie nur noch die Frage richtig beantworten und die Karten gehören Ihnen." Frage? Welche Frage? „Okay...“, murmelte Sora nervös. "Wie hieß die Band, bevor sie mit dem Namen Knife of Day berühmt geworden sind?" Sora lächelte. Das war ja leicht. „Teenage Wolves.“ "Und das war richtig. Herzlichen Glückwunsch." Sora freute sich. Sie hatte nicht mehr erwartet, dass sich an diesem Tag noch etwas Gutes entwickeln könnte und jetzt hatte sie zwei Konzertkarten ihrer Liebslingsband gewonnen. -- Am nächsten Tag waren die zwei Eintrittskarten in ihrem Briefkasten. Ihre beste Freundin Mimi wollte sie eigentlich auf das Konzert begleiten, aber sie konnte wegen beruflicher Pflichten nicht frei machen. Berufliche Pflichten, Ja, so etwas hatte Sora jetzt nicht mehr. Sie würde sich aber davon nicht runterziehen lassen und trotzdem auf das Konzert gehen. Diese Woche brauchte sie zum Abschluss jedoch noch etwas schönes, um nicht komplett durchzudrehen und was könnte es besseres geben als ihre Lieblingsband? Das einzige was die junge Frau wirklich nervte, waren die anderen weiblichen Fans. Sie kreischten und heulten, schmissen Kuscheltiere und ihre Unterwäsche auf die Bühne. Warum kaufte man so schöne Unterwäsche, nur um sie dann auf die Bühne zu werfen? Als würden die Jungs die sammeln. Also wirklich. Das glaubte sie wirklich nicht. Dennoch konnte sie ihr Glück kaum fassen. Dadurch, dass sie die Karten gewonnen hatte, durfte sie in die erste Reihe und so nahe war sie noch nie dran gewesen. Kaum gingen die Scheinwerfer an, war das Geschrei um sie herum ohrenbetäubend laut. Aua. Die Band betrat reihenweise die Bühne – nur einer ließ auf sich warten. Klar, ein richtiger Rockstar durfte sicher kommen wann er wollte. Ohne ihn würde ja doch nichts anfangen. Und dann kam er … und wieder warf es die Rothaarige vollkommen um. Sie war doch kein Teenager mehr, sondern eine erwachsene Frau und doch … schaffte es dieser Sänger ihr Herz zum rasen zu bringen. Sie konnte doch unmöglich in einen Menschen, den sie nur aus dem Fernseher und dem Radio kannte, so etwas wie verliebt sein? Das war doch total absurd! Die Sticks schlugen dreimal zusammen, das Schlagzeug begann, die Gitarre, der Bass und dann … sang er. Was hatte dieser Mann nur an sich, dass er sie so umwarf? Sora klebte förmlich an Yamatos Lippen und sang jede Zeile mit. Sie kannte alle Songs, hatte das Gefühl, als würde er durch seine Songs zu ihr sprechen. Sie verstand ihn, das bildete sie sich zumindest ein. Alle anderen weiblichen Anhänger schienen das genauso zu sehen, falls sie überhaupt richtig zuhörten. Eine neue Nummer erklang im Hintergund und Yamato hielt das Mikrofon nah an seinem Mund. Er sah sich die Fans an, er hatte sie voll im Griff. Sie streckten ihren Arme aus und auch er tat es ihnen gleich, so berührten sie sich an den Fingerspitzen. Die Fans rasteten komplett aus und dann stand er vor ihr. Sora, die bis gerade noch ihre Hände nah an ihrem Körper gehalten hatte, streckte eine Hand aus und tatsächlich berührte er diese, während er weiter sang und sie dabei mit seinen blauen Augen genau fixierte. Der Blick war so durchdringend, dass die Rothaarige dachte, er würde nur für sie singen. -- Als das Konzert vorbei war, war die anfängliche Euphorie schnell verflogen. Alleine in dem überfüllten Club wollte Sora auch nicht bleiben und auf die männlichen Blicke, die ihr entgegen kamen, konnte sie auch getrost verzichten. Sie holte ihre Jacke bei der Garderobe ab und verschwand mit schnellen Schritten. Traurig seufzte die junge Frau aus, als sie vor der Türe angekommen war. Jetzt stand sie hier alleine vor einem Nachtclub. Keine ihre Freundinnen hatte Zeit. Weihnachten stand vor der Türe. Sie war immer noch Single und hatte das einzige verloren, was sie auszeichnete – ihren Job. Sie fühlte sich einsam und allein, dabei sehnte sie sich doch so sehr nach einer Schulter, an die sie sich anlehnen konnte. Schlechter konnte das Jahr wirklich nicht enden. Betrübt schlenderte sie die Straße entlang, als ihr Blick auf einen Pub fiel. Sie sollte nach Hause gehen, sich vor den Rechner setzen und neue Jobangebote heraussuchen, aber sie konnte nicht. Heute wollte sie nicht strebsam und ordentlich sein. Heute wollte sie mal nicht diesen pochenden Schmerz in ihrem Herzen spüren, der ihr deutlich machte, wie allein sie doch war und wie ihr Leben eine ganz falsche Richtung einschlug. Sie legte die Hände an die Tür und drückte sie auf. Es war stickig und laut. Rockige Musik lief im Hintergrund und es war gut besucht, aber nicht zu voll. Sora setzte sich auf einen Barhocker und sah sich das Treiben der Leute an. Ein Barkeeper kam auf sie zu und musterte sie kurz. „Bist du schon 21 Jahre alt?“ Sora nickte. „Sogar schon 25 Jahre, aber danke für das Kompliment.“ Sie zeigte ihren Ausweis und der Barkeeper lächelte charmant. „Was darf es denn sein?“ „Ach ich…“ Sie überlegte kurz ein Wasser? In einem Pub, nein das ging nicht. Bier wäre gut, aber welches? „Ein Guinness.“ „Sehr gute Wahl.“ Sora bekam ihr Guinness. Es schmeckte ihr überraschend gut, so bestellte sie nach kurzer Zeit ein zweites und dann ein drittes, an welchem sie aber bisher nur nippte. Sie bemerkte, dass es ihr langsam zunehmend wärmer und auch schwummriger wurde. Ein viertes würde sie definitiv nicht bestellen. „Hey, machst du mir bitte ein Guinness?“, bestellte ein junger Mann mit einer rauen, aber angenehmen Stimmfarbe, der neben ihr auftauchte und beim Barkeeper bestellte. „Na klar, hätte gar nicht mehr gedacht, dich hier heute anzutreffen. Wie war das Konzert?“ Konzert??? Sora drehte ihren Kopf und konnte es nicht glauben, dass Yamato Ishida höchstpersönlich neben ihr stand und mal eben so ein Guinness bestellte. „War ganz gut, aber jetzt haben wir zum Glück eine Woche Urlaub. Der erste in diesem Jahr.“ Der erste Urlaub in diesem Jahr? Der Arme. Der Barkeeper stellte dem Sänger das Bier vor die Nase und der Musiker setzte sich auf den Barhocker neben der Rothaarigen. Sie. Saß. Neben. Yamato. Ishida! Konnte sie mal einer kneifen? Wie viel hatte sie nochmal getrunken? Auch wenn Sora es nicht wollte, aber sie konnte einfach nicht aufhören, ihn anzustarren. Yamato drehte seinen Kopf und erwiderte den Blick der Rothaarigen. Jetzt sollte sie wirklich ihren Kopf weg drehen. Das war so unhöflich, aber sie konnte nicht. Er war groß. Genauso groß wie sie ihn sich ihn immer vorgestellt hatte und er roch gut. Sogar nach einem Konzert oder war er schon duschen gewesen? Gleich lief ihr Kopf knallrot an. Solche Gedanken waren geraden vollkommen unangebracht. Noch immer starrte sie ihn an. Sie verhielt sich doch sonst nicht so peinlich. Warum jetzt? Sicher kannte er das nur zu genüge. Jedoch sah auch der Sänger die rothaarige Frau unaufhörlich an. „Warst du nicht eben noch auf dem Konzert?“, fragte er sie plötzlich. Moment woher wusste er das denn? „Ja, war ich.“ Ein Satz ohne zu stammeln oder zu erröten. Sehr gut. „Wusste ich es doch.“ „D-du kannst dich an mich erinnern? Hicks.“ Peinlich. Sie stotterte und musste aufstoßen. Was tat sie hier eigentlich? Oh nein, dachte er sie sei ein Groupie? Nein, das würde sie niemals tun. Das konnte er vergessen. „Ich gehe nicht mit dir ins Bett!“ „Ähm… wie bitte?“, fragte Yamato verwirrt bei seiner Stuhlnachberin nach. „Du hast mich schon richtig verstanden. Nur weil ich ein Fan von dir bin und ein Konzert von dir besucht habe und ich dich wirklich heiß finde, heißt das noch lange nicht, dass ich mit dir ins Bett steige.“ „Du findest mich heiß?“, fragte er schelmisch grinsend nach. „Ach bitte.“ Sora rollte mit ihren Augen. „Du wurdest ja auch nur zum Sexiest Men Alive gewählt.“ „Stimmt, aber das heißt ja nicht zwangsläufig, dass jede Frau auf mich stehen muss und auch nicht, dass ich jede Frau die ich anspreche ins Bett kriegen will.“ Autsch, das tat jetzt weh. Eine Abfuhr von ihrem Traummann. Diese Woche war ja so schrecklich. Wieso dachte sie auch nur, dass er mit ihr schlafen würde? Er hatte sicher jeden Tag die Möglichkeit, wahre Models zu vernaschen. Und solche Frauen sah Sora täglich. Hatte, bevor sie ihren Job verlor und sie war weit davon entfernt, so perfekt und wunderschön auszusehen, wie diese Models. „Schon klar“, murmelte sie betrübt und exte den Rest ihres Bieres runter. „Wow… Das reicht aber jetzt“, stammelte sie und wollte aufstehen. Zu schnell. Sie verlor prompt ihr Gleichgewicht und ruderte hilflos mit ihren Händen. Yamato hielt sie gerade noch auf, bevor sie mit dem Boden Bekanntschaft gemacht hätte. „D-Danke.“ „Alles okay?“, fragte er besorgt nach. „Ja.“ Sie hob ihren Kopf und sah in zwei ozeanblauen Augen, die zu ihrem Traummann gehörten. „So blau ...“ „Blau?“ „Deine Augen. Ich dachte, es wäre Photoshop, aber nein, sie sind wirklich so blau ...“ Der Sänger grinste wieder schief und zog die Rothaarige hoch. „Ein Wasser, bitte.“ „Du machst aber früh schlapp. Ich dachte ihr Rockstars ...“ „Hier trink!“ Schon stand das Glas Wasser vor ihr. Wann hatte der Barkeeper das denn gebracht? „Jetzt trink schon und keine Sorge, da sind auch keine Tropfen drin, die dich schläfrig machen, damit ich dich mitnehmen kann!“ „Was?“, fragte Sora verwirrt nach, als sie das Glas an ihren Lippen angesetzt hatte. Yamato schüttelte lachend seinen Kopf. „Oh man, was denkst du bitte von mir?“ „Dass du perfekt bist?!“ Oh Gott, hatte sie das gerade laut gesagt? Blöder Alkohol. Wieder hatte der Musiker nur ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen. „Da du ja scheinbar bestens über mich informiert bist, finde ich sollte ich auch etwas über dich erfahren. Was machst du so beruflich?“ Schon wieder Autsch. „Gar nichts ...“, murmelte sie traurig. „Ich meine, ich bin Designerin, aber ich habe gestern meinen Job verloren …“ Sie seufzte wieder aus und fuhr mit ihren Fingern um das Glas herum. „Das tut mir wirklich leid. Die müssen blöd sein, wenn sie so eine talentierte junge Frau wie dich gehen lassen.“ „Woher willst du wissen, dass ich talentiert bin?“, fragte Sora gleich nach. „Du bist bestimmt nicht älter als 23 Jahre und schon Designerin. Du musst gut sein.“ „Ich bin 25 Jahre alt“, sagte Sora bestimmend. „Ist sie. Ich habe ihren Ausweis gesehen“, mischte sich der Barkeeper kurz ein und stellte dem Musiker noch ein Bier hin. „Ich bin auch 25 Jahre alt.“ Sora nickte mit dem Kopf. „Ja, ich weiß.“ „Darf ich fragen, warum du deinen Job verloren hast?“, hakte der Musiker vorsichtig nach. „Von unseren Betriebspartner wurden zu wenig Aufträge übernommen. Damit war unser Budget erschöpft und Arbeitsplätze wurden gestrichen“, erklärte Sora und seufzte wieder traurig auf. Sie wollte ihren Job wieder haben. „Also ist es nicht deine Schuld, sondern die der Leute die scheinbar nicht wirtschaften können.“ Überrascht sah Sora zu dem Sänger. So hatte sie das noch gar nicht gesehen. "Möglich.“ „Ist doch so. Ich kenne mich jetzt nicht so aus, aber geht man nicht erst in die Produktion, wenn man eine Stückzahl hat?“ Sora konnte nicht anders, als ihn anzulächeln. Recht hatte er. „Doch, aber das sind schon seit vielen Jahren unsere Partner und sie hatten immer eine große Zahl in Auftrag gegeben, nur dieses Mal leider nicht. Ich weiß nicht einmal warum.“ „Lass den Kopf nicht hängen. Du bist doch noch so jung und wirst sicher in einem anderen Label unterkommen oder du machst dich gleich selbstständig.“ „Ja klar, als wäre das so einfach.“ „Ist das nicht dein Traum?“ „Ähm … doch schon, aber ...“ Sora biss sich auf die Unterlippe. Soweit war sie noch nicht. Es fehlte ihr an Erfahrung und wenn sie ehrlich war auch an Mut. „Das muss auch alles finanziert werden und soviel Kapital habe ich nicht.“ „Dafür gibt es doch Kredite“, entgegnete Yamato und ließ seinen Blick nicht einmal von der Rothaarigen weichen. „Zu viel Risiko“, murmelte Sora betrübt. „Ach Unsinn. Man muss nur an seine Träume glauben und eben etwas riskieren. Bist du von deinen eigenen Entwürfen überzeugt?“ Sora sah mit großen Augen zu dem Musiker. Ihre privat gezeichneten Entwürfe hatte sie noch nie jemanden gezeigt. Die, die sie für das Label entwickelt hatte, waren Kundenwünsche. „Denke. Ich weiß nicht, ob sie Potenzial haben.“ „Na hör mal, verkauf dich nicht so unter Wert. Weißt du, wie viele Konzerte wir spielen mussten, bis wir unseren Durchbruch hatten? Der Erfolg kam nicht über Nacht, sondern war ein Prozess, der sich über Jahre entwickelt hat. Wie viele Jahre meines Lebens ich schon in stickigen Proberäumen verbracht habe. Aber es hat sich ausgezahlt. Und warum? Weil ich nie aufgehört habe, an uns und an meinen Traum zu glauben.“ Sora war sprachlos. Niemals hätte sie geglaubt, dass sie so eine Unterhaltung mit dem Sänger führen würde. Er wirkte so vollkommen normal und gar nicht abgehoben oder unnahbar, wie die Medien ihn gerne hinstellten. „Danke“, lächelte sie sanft. „Wofür?“, fragte der Musiker nach. Sora zuckte mit ihren Schultern und strich sich eine Haarsträhne zurück. „Für deinen Versuch, mich aufzubauen, obwohl ich dir total egal bin.“ „Wer sagt denn, dass du mir egal bist?“ „Ähm … Ich bin doch nur ein Fan und du kennst mich doch gar nicht.“ „Hmm … ich kenne dich schon ein kleines bisschen. Du bist 25 Jahre alt, Designerin, die Träume hat, aber nicht so sehr an sich glaubt. Du hast einen außerordentlich guten Musikgeschmack und deine Haut fühlt sich sehr weich an.“ „Me-meine Haut?“, stammelte die Rothaarige nervös und verschluckte sich fast an ihrem Wasser. „Ja, ich habe doch auf dem Konzert deine Hand gehalten. Sehr schöne und weiche Hände und sehr schöne und stechende rotbraune Augen. Sowie ein Rubin.“ Augenblicklich lief die junge Frau Knallrot an. Yamato machte ihr ein Kompliment. Ihr. Wegen ihrer Augen und ihrer Haut? Das war der beste Tag seit langem. „D-danke.“ „Wofür? Ist nur die Wahrheit.“ – Mittlerweile war im Pub kaum mehr was los. Doch die beiden saßen immer noch an der Bar auf ihren Barhockern. Aneinander zugewandt und flirtend. Ja, Yamato Ishida flirtete mit ihr. Warum auch immer. Wahrscheinlich weil einfach keine andere Frau mehr im Pub war. Nur noch ein paar Männer, die sich ein Duell am Kickertisch lieferten. Beide hatten schon viel getrunken. Die Stimmung war gut und ausgelassen. Sora fühlte sich in der Gegenwart dieses charismatischen Sängers unglaublich wohl und wollte, dass der Abend niemals endete. „Und wie planst du deinen Urlaub?“, fragte Sora kichernd nach. „Hmm … Morgen fahre ich zu meinem jüngeren Bruder, dem geht es gerade nicht so gut. Ich werde einen Tag bei meiner Mutter mit meinem Bruder feiern und einen Tag bei meinem Vater.“ „Oh, deine Eltern sind geschieden?“, fragte sie jetzt wieder ernster nach. „Ja, schon lange. Ich kenne sie gar nicht zusammen. Na ja, was solls. Bevor sie sich unglücklich machen, ist es manchmal besser sich zu trennen. Es war nur schlimm für mich, ohne meinen Bruder aufzuwachsen.“ „Ihr seid nicht zusammen aufgewachsen. Warum?“ Yamato verzog sein Gesicht. Er kniff die Augen zusammen und biss sich auf die Unterlippe. Es schmerzte ihm, das sah sie und es tat der Rothaarigen sehr leid. Warum fragte sie auch nach! „Es gab einen hässlichen Streit um das Sorgerecht und letzendlich hatten sie entschieden, dass ich zu meinem Vater gehe und mein Bruder bei unserer Mutter aufwächst.“ „Also bist du auch ohne Mutter aufgewachsen?“ „Ja.“ „Puh.“ Sora fand es nicht schön, dass seine Eltern damals so entschieden hatten, aber ändern konnte man daran heute sowieso nichts mehr. „Aber schön, dass du deiner Mutter nicht böse bist.“ „Unser Verhältnis war viele Jahre sehr schwer. Ich hatte immer das Gefühl, als hätte sie sich gegen mich entschieden und dass sie Takeru mehr lieben würde als mich. Meine Berufswahl fand sie dann auch nicht so toll, aber eines Tages war sie gesundheitlich sehr krank. Sie bekam Krebs.“ „Oh mein Gott“, hauchte Sora und legte eine Hand auf ihrer Brust ab. „Es geht ihr heute gut. Sie hat gekämpft und den Kampf besiegt, aber es hätte auch anders enden können und damals zu dieser schweren Zeit hatten wir viele Gespräche und ich konnte sie auf einmal verstehen.“ Sora war tief beeindruckt von diesem Mann. Er war nicht nur ein toller Musiker, sondern auch ein toller Mensch. „War das zu der Zeit, wo du das Album Scream geschrieben hast?“ Überrascht sah der Sänger zu der Rothaarigen und nickte schließlich mit seinem Kopf. „Das Album war irgendwie anders, als die Anderen. Es war viel reifer. Man hatte auf einmal das Gefühl, dass du erwachsen geworden bist.“ Kurz nachdem sie diesen Satz ausgesprochen hatte, lief sie wieder rot an. Yamato hingegen lächelte überrascht. „Irgendwann muss das doch jeder mal, oder?“ Sora nickte. „Ja, das stimmt.“ „So, letzte Runde“, sagte der Barkeeper. „Oh, schon?“, sagte der Sänger und bestellte nochmal zwei kurze Absacker. „Wie schnell die Zeit vergeht, wenn man den Abend mit einer hübschen jungen Frau verbringt und sich dabei so gut unterhalten kann.“ Sora lächelte. Sie war also eine Person, mit der er gerne seinen Abend verbracht hatte. „Ja, die Zeit ging wirklich schnell herum. Ich muss gestehen, es war sehr schön, dich in echt kennenzulernen.“ „Es war auch sehr schön, dich kennenzulernen. Du schienst dich wirklich für mich zu interessieren und nicht nur für den Mann, der auf der Bühne steht und Musik macht, das war sehr erfrischend.“ Sora verstand zunächst überhaupt nicht, was er ihr damit sagen wollte, wie konnte man sich nicht für diesen Mann interessieren. Sie wäre gerne mit ihm befreundet. „Freunde?“, bot sie ihm einfach mal so an. Yamato schmunzelte. Der Barkeeper brachte ihnen die zwei Tequilas, samt Zitrone und Salzstreuer. „Okay, trinken wir drauf.“ Sie leckten ihre Hände ab, streuten das Salz darauf und bereiteten die Zitronenscheibe vor. „Dann sollten wir aber auch auf Brüderschaft trinken!“, erwiderte Yamato bestimmend und hakte sich bei Sora unter. Sie sahen sich tief in die Augen, als sie ihr Hände ableckten, den Tequila herunterspülten und in die Zitronenscheiben bissen. Kurz schüttelte Sora ihren Kopf, während Yamato über ihr saures Gesicht nur lachen konnte. „Dann fehlt ja nur noch der Kuss“, sagte der Sänger und beugte sich zur Rothaarigen runter. Ihr ganzer Körper spannte sich an, als Yamato erst ihre rechte und dann ihre linke Wange küsste. Ihr war nicht mal bewusst gewesen, dass sie ihre Luft angehalten hatte. „Zum ersten Mal küsst du mich zurück“, lächelte Sora. „Wie meinst du das?“, wollte der Sänger genau wissen. Oh Gott, wie sollte Sora das nur erklären. „Das wird das peinlichste Geständnis meines Lebens“, murmelte die Rothaarige und wünschte sich, ihr Glas wäre wieder voll. „Damit kann ich leben“, scherzte der Musiker. „Ich habe ein Poster von dir neben meinem Bett hängen und jeden Abend, bevor ich ins Bett gehe, küsse ich dich.“ Die Rothaarige lief zum gefühlt hundertsten Mal rot an. Yamato unterdessen bekam sich vor lachen gar nicht mehr ein. „Ist nicht dein Ernst?! Du bist ja drauf.“ „Wir müssen euch jetzt wirklich rausschmeißen“, entschuldige sich der Barkeeper bei dem Musiker. Yamato winkte ab. „Kein Problem. Ich übernehme ihre Rechnung.“ „A-Aber das musst du doch nicht“, wehrte sich Sora gleich. Doch der Musiker ließ nicht mit sich verhandeln. „Vergiss es. Sieh es als Dankeschön, weil es der schönste Abend seit langem für mich war.“ Sora wurde verlegen. Er war wirklich toll und es tat ihr im Herzen weh, sich jetzt von dem Musiker verabschieden zu müssen. „Vielen Dank. Und ich fand den Abend auch sehr schön.“ „Und wie kommst du jetzt nach Hause?“, fragte Yamato nach, als beide vor dem Pub standen. „Mit der U-Bahn“, antwortete Sora und rieb sich vor Kälte die Hände. Nachts spürte man den beißenden Kälteschmerz zu gut. „Oh nein, so eine hübsche Frau sollte man nachts nichts mehr alleine nach Hause fahren lassen. Meine Limousine steht da vorne. Ich fahre dich nach Hause oder viel mehr, mein Fahrer fährt dich nach Hause. Komm.“ „Ähm. Hat der hat die ganze Zeit auf dich gewartet?“ Sora war noch nie in ihrem Leben mit einer Limousine gefahren. Konnte sie das überhaupt annehmen? „Nein, ich habe ihm eben geschrieben. Also kommst du?“ Yamato hielt der Rothaarigen die Türe auf und Sora hatte scheinbar gar keine andere Wahl und stieg ein. Ungläubig sah sich um. „Wow, echt cool.“ „Deine erste Fahrt in einer Limousine?“, riet der Musiker und grinste, während er Sora beobachtete, wie sie fasziniert die Limousine betrachtete. „Ja, ziemlich offensichtlich, oder?“ „Jap, ist es.“ „Wo geht die Fahrt hin?“ Sora sah sich um. Wo kam die Stimme her? „Das ist Tashi, mein Fahrer. Gibst du ihm bitte deine Adresse?“, erklärte Yamato und deute auf die dunkle Trennscheibe. Die Trennscheibe ging nach unten und Sora gab dem Fahrer ihre Adresse. Die schöne Fahrt in der Limousine war viel zu schnell vorbei. Nach einer halben Stunde kamen sie bei ihrer Anschrift an, obwohl die Rothaarige noch viel länger bei Yamato geblieben wäre, wusste sie, dass der schöne Abend nun zuende war. „Danke, dass du mich mitgenommen hast. Ich wünsche dir und deiner Familie ein frohes Weihnachtsfest“, flüsterte Sora. Ein dicker Kloß hatte sich in ihrem Hals gebildet, weil sie am liebsten gar nicht ausgestiegen wäre. Yamato rutschte nah zu ihr herüber und sah ihr tief in die Augen. Sora musste schlucken. Der Sänger schloss seine Augenlider, kam der Designerin näher und berührte mit seinem Mund ihren. Ein sanfter Kuss. 1000 Gefühle umfasste die Rothaarige, als ihr klar wurde, dass Yamato sie gerade küsste. Niemals hätte sie geglaubt, dass es sich so gut anfühlen würde. Yamato wurde etwas forscher und öffnete seine Lippen, als würde er um Einlass bitten wollen. Natürlich gab Sora ihm diesen gerne und ihre Zungen tanzten in perfekter Harmonie miteinander. Langsam löste der Musiker den Kuss und wisch zurück. „Ich wünsche dir auch frohe Weihnachten, Sora. Ich dachte nach all den unerwiderten Küssen, hättest du es verdient, einen echten zu bekommen.“ Die junge Frau lächelte glücklich. „Viel besser, als das Poster zu küssen.“ „Dabei bin ich ein bisschen neidisch auf das Poster. Immerhin küsst du mich dort jeden Abend, aber schön, dich jetzt als Freund in meinem Leben zu haben.“ Sora war immer noch total perplex wegen des Kusses, nickte aber, ehe der Chauffeur die Türe öffnete und Sora schweren Herzens ausstieg. – Es war der 24.12.2014. Heiligabend. Sora stand in ihrem Badezimmer und machte sich für das heilige Fest zurecht. Sie würde gleich zu ihren Eltern fahren. Auch ihre Großeltern würden da sein. Gemeinsam würden sie zu Abend essen und sich gegenseitig bescheren. Ihre letzte Woche war das reinste Gefühlschaos gewesen. Erst verlor sie ihre Arbeit und dann lernte sie ihren Traummann kennen. Yamato und sie hatten einen schönen Abend zusammen verbracht. Er hatte sie nach Hause gefahren und sie zum Abschied geküsst. Immer wieder, wenn sie an den Kuss dachte, kribbelten ihre Lippen. Sie legte ihre Finger auf ihren Mund und wünschte sich noch einmal so einen Kuss zurück. Ob er auch an sie dachte oder an den Kuss? Obwohl sie Nummern ausgetauscht hatten, hatte er sich bisher nicht gemeldet. Sora traute sich einfach nicht, ihn in nüchternem Zustand, anzurufen. Wahrscheinlich war er doch genervt von ihr und wollte an dem Abend einfach nur nett sein, weil sie ihre Arbeit verloren hatte. Gerade sprühte sie noch etwas Parfüm auf, als es an der Tür schellte. Irritiert verließ sie das Badezimmer und öffnete die Türe. Ein Bote stand vor ihr. „Sind Sie Ms. Takenouchi?“ „Ja“, murmelte Sora. Der Bote überreichte ihr einen Blumenstrauß, eine große Karte war dort angebunden. Sie holte vorsichtig die Karte aus dem größten Blumenstrauß den sie je bekommen hatte und konnte es vor Aufregung kaum noch aushalten. Wer machte ihr so ein Geschenk? Hallo Sora, immer wieder muss ich an unseren schönen Abend zurück denken. So etwas wie mit dir, habe ich noch nie erlebt. Ich musste ständig über deine Situation nachdenken und über deinen Traum. Ich finde du solltest dich nicht länger verstecken, sondern anfangen deinen Traum zu leben. Ich habe mich dazu entschlossen, dir dabei zu helfen. Neben dieser Karte liegt ein Scheck über 500.000 Dollar bei. Ich hoffe, dieses Kapital reicht für den Anfang aus. Manchmal braucht man jemanden, der an einen glaubt, damit man anfängt, an sich selbst zu glauben. Frohe Weihnachten. In Liebe, Matt. Tränen der Rührung traten ihr in die Augen, als sie neben der Karte wirklich einen Scheck mit dieser Summe fand. Nein, das konnte sie nicht annehmen. Sie schüttelte ihren Kopf und wollte dem Boten die Karte zurückbringen, doch dieser war bereits weg. „Aber wo?“ Was sollte sie nur machen? Sie konnte doch nicht wirklich sein Geld annehmen. Das war zuviel. Viel zu viel. Plötzlich klingelte ihr Handy. Yamato. „Hey, das kann nicht dein Ernst sein!“, sprach sie gleich ins Telefon. Yamato lächelte und atmete ruhig weiter. „Was ich mit meinem Geld mache, ist meine Sache. Nimm es. Für mich sind es eh nur Peanuts.“ „A-aber...“ „Kein aber. Ich glaube wirklich an dich und wir sind doch Freunde, richtig? Und Freunde unterstützen die Träume des Anderen.“ „Matt ...“, hauchte sie in die Leitung. „Das kann ich aber doch nicht annehmen.“ Mit einem Mal war die Verbindung unterbrochen und nichts als ein Tuten war zu hören. Traurig ließ sie ihren Kopf hängen und nahm das Telefon von ihrem Ohr. Nicht mal frohe Weihnachten konnte sie ihm ausrichten. „Warum so traurig?“ „Was?“ Vollkommen fassungslos hob Sora ihren Kopf und niemand anderes als Yamato Ishida stand in der noch immer offenen Türe, vor ihr. „Was machst du denn hier?“, fragte sie irritiert nach. „Ich habe über diese ganze Freundschaftsnummer noch einmal nachgedacht. Ich glaube, das wäre keine so gute Idee“, sagte der Musiker mit fester Stimme. Sora nickte betrübt mit ihrem Kopf. „Ja, wahrscheinlich hast du recht...“, nuschelte sie und kämpfte dagegen an, dass Tränen in ihre Augen traten. „Ja, weil ich erkannt habe, dass ich Gefühle für dich habe und deshalb reicht mir Freundschaft einfach nicht aus.“ „Was?“ Sora konnte es nicht glauben, konnte es etwa sein, dass...? „Ist das heute alles was du sagen kannst?“, fragte Yamato grinsend nach. „Ja, ähm nein. Ich … also ich mag dich doch auch.“ „Oh, du magst mich nur?“, fragte Yamato fast schon etwas enttäuscht nach. „Nein, ich … also ich … habe schon Gefühle für dich, seit ich das erste Mal deine Stimme gehört habe.“ Klang das nicht total bescheuert? Yamato lächelte verschmilzt, betrat die Wohnung der Rothaarigen ganz und nahm sie in seine Arme. „Dann versuchen wir es richtig?“ Yamato hielt sie weiter fest in seinen Armen und dachte auch gar nicht daran, die Jüngere noch einmal loszulassen. Sora nickte, während sie nun die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. „Frohe Weihnachten, Matt.“ „Frohe Weihnachten, Sora.“ Yamato beugte sich zu der Rothaarigen runter, umfasste ihr Gesicht und legte seine Lippen auf ihre, um sie hingebungsvoll zu küssen. Sora konnte sich gar nicht glücklicher fühlen und obwohl die letzten Tage Turbulenter nicht sein konnten, konnte sie sich nichts schöneres vorstellen, als jetzt hier mit Yamato zu stehen. Einem Mann, den sie still und heimlich schon ewig liebte und an sie und ihre Träume glaubte. Es stimmte was man sagte; Manchmal wird einem zwar die Türe vor der Nase zugeschlagen, aber dann öffnet sich ein Fenster und hin und wieder kam auch jemand mit einer Abrissbirne vorbei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)