My demons von Melora ================================================================================ Kapitel 2: Days like this… --------------------------     An Tagen, wie diesen, sagte sich der Braunhaarige immer, es wäre besser gewesen im Bett zu bleiben und gar nicht erst aufzustehen. Zusammen mit einem anderen Detektiv sah er sich das Desaster an. Drei Männer – knapp dreißig Jahre alt – lagen in ihrem eigenen Blut, unfern entfernt hatten sie bereits beim Vorbeigehen den schwarzen Porsche gesehen, ohne sich zu dem Zeitpunkt viel zu denken. Er stand einsam und allein an Ort und Stelle. Von ihrem Freund weit und breit keine Spur. Als sie nun die drei Leichen hatten, konnte man dem ruhigen Detektiv seine Sorge sofort ansehen. Auch der Dunkelbraunhaarige war über die Anwesenheit von Sêiichîs Auto aufgewühlt. Jedoch auf eine andere Art und Weise, als Ryochi. Der Sohn des Polizeipräsidenten von Tokyo verspürte Angst – nicht vor der gleichen Sache wie sein ehemaliger Schulkollege Kôji Miura. Er hatte sich zu einer der Leichen gebeugt und begann zu reden. „Brutal – war nicht gerade ein schneller Tod. Der Täter kannte keine Gnade.“ „Die hatten sie auch nicht verdient“, sagte Ryochi Akaja ruhig, viel zu ruhig für das Gesichtete. Er suchte die dunklen Ecken nach Schatten ab und konnte keine entdecken, da zückte er das Handy. „Holst du Verstärkung? Das schaffen wir doch allein, die Beweislage aufnehmen…“ „Nein, ich rufe Sêiichî an…“ Kôji stand auf und griff das Handy, inklusive Ryochis Hand. „Das wirst du nicht!“ „Ich mach mir Sorgen – sein Auto steht praktisch um die Ecke. Was, wenn er der Nächste ist, der so endet, mhm?“ Es war lächerlich, deswegen zog Kôji eine Augenbraue hoch. „So ein Unsinn. Hast du eine Ahnung, wie Sêiichî im Dienst handelt? Du solltest uns dringend in Osaka besuchen, um es dir anzusehen! Der wird doch nicht Opfer von so was… Eher werden die anderen Opfer.“ „Willst du mir einen Bären aufbinden, oder was? Sêiichî ist kein herzloser Mistkerl, der ohne zu Zögern alles erschießt, was vielleicht potenziell gefährlich werden könnte!“ ranzte der eher als besonnen bekannte Detektiv, den Anderen an. „Oh doch, der fackelt nicht lang, wenn ein Täter frech wird. Wie lange willst du denn noch die Augen davor verschließen, dass dein Freund fast so schlimm ist, wie unsere Täter?! Er zögert nicht mal Millisekunden, da schießt er ihnen in irgendwelche Gliedmaßen.“ „Manchmal muss man das, Kôji. Sei froh, dass du nicht bei der Polizei arbeitest, wo du von deiner Schusswaffe Gebrauch machen musst.“ Ryochi zeigte auf einen der Typen. „Das ist Takahiro Matsushima, der hat mich und Sêiichî schon in Kyoto im Auftrag von Takeshi Iwamoto terrorisiert. Den bedauere ich sicherlich nicht. Bestimmt gehörte er auch zu den Leuten von Chardonnay, die bedaure ich grundsätzlich nie, wenn es sie erwischt. Manche Leute werden zu Opfern, weil sie es regelrecht herausfordern.“ „Es ist mir egal, was für eine Art Mensch das war – das rechtfertigt nicht so etwas“, dabei zeigte er auf die Toten. Einer von den Ermordeten hatte sich an die Brust gegriffen, wo ihn zwei Kugeln getroffen hatten, offensichtlich, weil der Schmerz ihn dazu gezwungen hatte, dabei war sein Mund vor Schockierung noch immer weit aufgerissen, ebenso wie die Augen. Es handelte sich um einen eiskalten Mord. Die anderen Beiden hatte es besser getroffen, perfekte Schüsse direkt zwischen die Augen. „Tazuya Ishida, 34 Jahre alt, gebürtig in Kyoto“, spie Ryochi regelrecht zornig aus, damit Kôji es ja nicht überhörte, „noch so einer! Hat schon damals diebische Freude daran verspürt, sich mit zwielichtigen Gestalten einzulassen, die dann des Nachts auf arme, schwache Leute losgegangen sind. Der hat im Eifer des Gefechts seine Freundin beinahe vergewaltigt. Sêiichî ist deswegen mit ihm böse aneinander geraten… Damals hätte er ihn fast ins Koma geprügelt.“ Die Person lag seitlich, es wirkte als hätte jemand ihn zur Seite gerollt, die Spuren im Boden ließen darauf schießen, denn seine eigenen Abdrücke waren es nicht. Dritter war nach hinten umgefallen, dabei hatte er sich das Genick gebrochen, obwohl er den Schuss in den Kopf wohl kaum überlebt hätte. Noch so ein gezielter Schuss. Lediglich die eine Person wirkte, als hätte man in Hektik auf sie geschossen. Noch nicht einmal direkt ins Herz, dennoch schwerwiegend genug, dass er den Weg ins Krankenhaus nicht überlebt hätte. „Diese Menschen würden alles tun, um Sêiichî zu quälen, also erzähl mir nichts von Mitleid!“ Ryochi verschränkte die Arme vor der Brust, als wenn er ablehnte, weiterhin mit dem anderen Detektiv zusammen zu arbeiten. „Ich mach mir zurecht Sorgen, du hältst mich nicht davon ab, mich zu erkundigen, ob es Sêiichî gut geht!“ „Wenn du ihn dran hast, dann sag ihm gleich, er soll herkommen, dann können wir ihn sofort verhören…“ Kôji bewies, dass er gefährlich war – gefährlich für Sêiichî, weil er in Osaka mit ihm direkt zusammen gearbeitet hatte, deswegen sah er die Kugeln von solch einer Waffe nicht zum ersten Mal. „Schon verdächtig, Sêiichîs Auto steht hier, drei Menschen sterben auf brutale Art. Und dann noch das hier…“ Mit einem Taschentuch hob er eine der Kugeln auf, die wohl in den Boden geschossen worden waren, nicht in die Opfer. „Das ist die Patrone einer Sig Sauer, genau so eine hat Sêiichî. Willst du das leugnen? Du nennst dich ja sein bester Freund, da musst du doch wissen, dass er so eine benutzt! Ich werde das auf jeden Fall melden – ich lasse ihn ganz bestimmt nicht davonkommen, nur weil wir mit ihm zur Schule gegangen sind. Das kannst du knicken. Verbrecher gehören ins Gefängnis, auch Polizisten, die Selbstjustiz verüben, gehören dahin.“ „Selbstjustiz nennst du das? Hast du einen Knall? Diese Menschen würden Sêiichî eiskalt ermorden!“ fuhr Ryochi Kôji an, der seinen Freund indirekt bedrohte. Den er aber in Schutz nehmen musste. Sêiichî würde nie aus Egoismus jemanden erschießen, sondern immer nur um sich und andere zu beschützen. „Das nennt man Notwehr oder Nothilfe – Selbstjustiz ist, wenn man denkt, der andere hat es verdient und ihn nur aus diesem Grund erschießt. Wenn man also Richter spielt über Leben und Tod. Das tut Sêiichî wohl kaum!“ „Ach – er schläft auch nicht mit einer gewissen Verbrecherin, die er besser in den Knast bringen sollte, weil die nämlich nichts anderes tut, als Selbstjustiz verüben, damit sie mit ihren Taten davon kommt. Zeugenbeseitigung nennen sie das.“ Nun zierte Schockierung Ryochis Gesichtszüge. „Und nun erzähl mir ja nicht, dass du das nicht weißt. Genauso wenig, wie, dass dein sauberer Freund Leute in ihrem Auftrag abknallt! Ich weiß, dass er das tut, also leugne es nicht! Auftragsmord ist ein Kapitalverbrechen in Japan!“ „Du hast keine Ahnung, wie der Hase in dieser Organisation läuft. Sie kann sich Zeugen nicht leisten – sie ist eine Frau, die Sêiichî versucht aus Liebe zu beschützen. Würdest du zugucken, wie man deiner Freundin schadet? Für ihn ist es dasselbe, wenn sie sich verteidigt, sie schadet sich selber, mit all den Morden. Meinst du, dass diese Frau so eiskalt ist, dass sie das alles nicht kümmert? Hat dir Shuichi Akai das erzählt? Stell Sêiichî nicht als schwanzgesteuerten Idioten hin, das verbiete ich dir!“ Ryochi war mehr als ärgerlich, da war es sehr ungesund, auch noch Öl ins Feuer zu gießen – allein das spöttische Grinsen des Jurastudenten reichte, seine Worte brachten das Fass dann zum Überlaufen. „Aber Sêiichî ist doch ein schwanzgesteuerter Idiot, der auf die Schönheit einer eiskalten Killerin hereinfällt!“ Der 20-jährige überspannte den Bogen so sehr, dass ein ruhiger Typ wie Ryochi zu Gewalt griff, um ihm Manieren beizubringen. Dabei flog Kôji die Faust des Anderen entgegen, mit einem solchen Karacho, dass er ihn dabei fast zu Boden streckte. Ihn so wütend zu bekommen, schafften nur wenige, aber Kôji dafür umso öfter. „Wer hat dir erlaubt, so von ihm zu reden, du Mistkerl?! So etwas, wie du, nennt sich Freund? Merk’s dir, du Wichtigtuer! Ich werde Sêiichî vor dir beschützen, also gib Acht, was du da tust, es könnte dir unter Umständen nicht bekommen!“ Die Drohung war ernstzunehmen, das hörte man an der vor Wut und Entschlossenheit strotzenden Stimme des Detektivs. Er zählte Sêiichî zur Familie und keiner, absolut keiner, machte sich an denjenigen zu schaffen, die er liebte, da konnte er zum wilden Tier werden, wie er gerade bewies. Kôji war so unglücklich von der Faust getroffen worden, dass er Blut schmeckte, aber trotz dieses Umstandes kühl lächelte. „Inwiefern? Rennst du zu deinem Vater, damit er das übernimmt? So frei nach dem Motto: Mein Vater hat Macht, also greif ich auf ihn zurück? Du warst schon damals eingebildet, weil dein Vater so einen hohen Posten hatte. Ich wusste, dass du dich keinen Deut gebessert hast.“ „Wenn du dich lächerlich machen willst, kannst du dich ja mit uns anlegen. Glaub mir, das bereust du schneller, als du schauen kannst! Sêiichî gehört zur Familie, egal welchen Mist er gerade macht. Für dich ist das vielleicht nicht zu verstehen, weil du noch nie gut darin warst, hinter die Masken von Menschen zu schauen, aber nur, weil du keine Ahnung hast, warum Sêiichî sich wehren muss, hast du noch lang nicht Recht.“ „Wenn dein verdammter Freund auch nur einen Funken Charakter besitzt, wird er sich stellen. Ein Mörder, der bereut, würde das tun. Aber belüg dich nur weiter selbst. Ich weiß, dass er nicht mehr alle Tassen beisammen hat.“ „Anscheinend willst du noch einmal eins aufs Maul, Miura!“ Der Detektiv hatte den Kragen des Dunkelbraunhaarigen gegriffen und schüttelte ihn wütend. „Kannst du die Wahrheit nicht verkraften? Wie könnte ein Polizist denn noch ganz sauber sein, wenn er sich in eine Killerin verliebt? Die soll er gefälligst einsperren lassen, damit keiner mehr in Angst und Schrecken leben muss. Findest du das etwa gut? Dann bist du nicht besser, da bist du ja selbst nicht ganz dicht. Gott, ich kann nicht verstehen, warum Shina ausgerechnet dich zum Freund genommen hat.“ Damit traf er bei Ryochi den nächsten wunden Punkt, aber in solchen Situationen konnte Kôji nicht einschätzen, wie viel Gewicht seine Worte tatsächlich haben konnten. Er konnte Ryochi aus mehreren Gründen nicht ausstehen – da war das hier wie gefundenes Fressen. Mit einem Ruck ließ Ryochi ihn los – er wollte sich nicht weiter provozieren lassen – am Ende verklagte der Typ ihn noch, außerdem wollte er sich jetzt wichtigerem zuwenden. „Du solltest dir angewöhnen, Berufliches und Privates zu trennen. Shina fand mich eben besser – gewöhn dich endlich daran, nicht, dass du noch so ein elender Mistkerl wirst, wie Takahashi.“ „Mit wem vergleichst du mich? Ich wusste schon immer, dass du was gegen mich hast. Mich mit diesem Kerl zu vergleichen… der würde Shina verge-“ Kôji konnte das Wort kaum aussprechen… „Dann siehst du ja, in welche Richtung du dich bewegst…“, war das Letzte, was Ryochi ihm noch gönnte, ehe er ihn ignorierte und, wie vorgehabt, Sêiichîs Nummer wählte.   Mitten in ihrem wichtigen Gespräch klingelte das Handy des Schwarzhaarigen, so dass er wenigstens für einige Sekunden der Situation entfliehen konnte. Er nahm das Handy zur Hand und blickte aufs Display, dabei sah er aber auf, zu der ungeduldigen, jungen Frau, die ihn mit ihrem Blick durchbohrte. Es war ungezogen, was er machte, aber viele würden behaupten, es sei absolut typisch. Auch sie kannte diese Macken und war auch sehr ungnädig wegen dieses Verhaltens, das merkte Sêiichî schon, ignorierte das aber gekonnt für einen kleinen Moment. Gerade jetzt rief Ryochi ihn an und wollte etwas von ihm. Irgendwie spürte er, dass dieses Gespräch nur bedingt besser werden würde und steckte das Handy dann doch weg, um sich wieder der Blondine zuzuwenden, die man auch nicht zu sehr ärgern sollte. Man hörte den 21-jährigen seufzen. „Warum musst du mich so etwas fragen? Willst du mich damit foltern? Hast du wirklich so wenig Vertrauen in mich, dass du mich so etwas fragen musst?“ Man konnte in den Augen des jungen Mannes ablesen, wie er sich fühlte. Sie war noch nie so sehr auf der Hut gewesen, was sie zu ihm sagte. Obwohl sie manchmal gemein, skrupellos und auch hinterhältig agierte, ihn stichelte, wenn es ihr in den Kram passte und dabei schon in Kauf nahm, ihn zu verletzen – weil Sêiichî selbst einmal gesagt hatte, er müsste Schmerz spüren, um sich lebendig zu fühlen. Das zahlte sie ihm ab und zu heim, weil es ein ganz dummer Spruch war, den man wählte, um fatale Taten zu rechtfertigen, für die man sonst keine Entschuldigung fand. Gerade wollte sie ihn nicht absichtlich ärgern, sondern ein ernstes Gespräch mit ihm führte, gerade weil sie nicht wollte, dass er bei dieser Sache zu Schaden kam. Chris schwieg ziemlich lange auf die Frage hin, das war Sêiichî nicht an ihr gewohnt, es verunsicherte ihn ungemein. Es kam ihm vor, als hätte sie keine Antwort auf die Frage, deswegen funkelten seine traurigen Augen sie nun auch so verzweifelt an, dass die Ihren ganz weich wurden. Sie legte die Arme um seinen Hals und lehnte sich an ihn. „So eine Frage kannst nur du stellen. Irgendwann unterstellst du mir noch allen Ernstes, unsere Beziehung ist Mittel zum Zweck. Warum machst du dich selbst so runter? Doch wohl nur, weil du Reue verspürst. Reue für deine Taten. Kein vernünftiger Mensch würde seine Freundin so etwas fragen. Du versuchst immer alles zu beschwichtigen. Warum kannst du dir deine eigenen Schwächen nicht eingestehen? Du bist ein Mensch, so wie ich auch. Meinst du, ich bin immer nur stark? Wenn du das denkst, hast du nicht genau hingeschaut.“ Sie war nun nicht gekränkt, über diesen Phase war sie schon lange hinaus, weil sie diesen Trottel kannte – er konnte sich eben einfach nicht vorstellen, dass er verdient hatte, dass man sich um ihn sorgte. Es war nicht seine Schuld, dass er so war, nicht allein. Seine Mutter hatte ihr Kind ja auch nie spüren lassen, dass es ihr wichtig war; dass er es wert war, wenn man sich um ihn kümmerte. Sie hatte ihren Sohn im Stich gelassen, nachdem sie einsehen musste, dass ihre Liebe nicht die einer Mutter war, sondern etwas Anderes, Krankhaftes. „Da irrst du dich – ich weiß, dass du nicht immer nur stark bist – aber zumindest meistens. Gerade, wenn du es mal nicht bist, dann will ich für dich da sein. Ich kann nicht einfach davonlaufen und dich so im Regen stehen lassen. Darüber wärst du doch auch sehr traurig, oder etwa nicht?“ Er wollte hier nicht Zeuge ihrer Schauspielkünste werden, dazu war die Sache zu ernst, das merkte man ihm auch an – sie konnte wirklich mit den Menschen spielen, das passte jedoch gerade nicht. „Man lernt zu verzichten, wenn jemand wichtig für einen ist. Wenn du es an diesem Ort nicht mehr aushältst, muss ich dich loslassen. Alles andere wäre purer Egoismus.“ Gerade diesen unterstellte man ihr ziemlich oft – sie fand sich selbst überhaupt nicht so egoistisch, nur weil sie ein bisschen ums Überleben kämpfte… Chris klang viel einfühlsamer und sensibler, als sie je zugelassen hatte, in seiner Gegenwart zu sein – aber gerade berührte sein Herz dies ungemein. Es war nie so gewesen, dass er sich an ihrer Seite wirklich schlecht gefühlt hatte – mochte ja sein, dass sie ihn ab und zu quälte, aber er brauchte es wirklich sehr, er musste spüren, wie es schmerzte, um die Ernsthaftigkeit dieser Liebe wahrlich zu erfassen. Das pure Glück fühlte sich nicht an wie welches, wenn man immer nur Rücksicht aufeinander nahm und nie ein Risiko wagte. Gerade in solchen Momenten, wie diesen, bereute er rein gar nichts. Er wusste, sie war für ihn da, so wie er für sie – ein Geben und Nehmen. Das machte ihn wirklich glücklich – gerade dann, wenn sie inmitten des Stänkerns war – musste nur etwas Schlimmes passieren, was auch leider selten auf sich warten ließ. Da vergaß sie auch ein bisschen ihren Stolz, an dem so viele Menschen schon zerbrochen waren. Es war ein Widerspruch in sich, schließlich fühlte er sich in solchen Augenblicken von ihr geliebt, aber er hatte Angst. Zu große Angst, sie zu sehr zu lieben, dass er ihren Verlust nicht mehr überwinden konnte. Da redete er sich ein, dass sie ihn doch gar nicht lieben konnte – weil er war ja kein guter Kerl. Darin war er ziemlich fleißig, sich diese Schwachheiten einzureden. Trotzdem kehrten sie beide immer wieder zueinander zurück, egal was vorgefallen war. Solche Situationen machten ihm das Leben ziemlich schwer, weil er dann am liebsten sein Herz vor ihre Füße geworfen hätte, was aber fatal wäre. Würde sie seine wahren Gefühle kennen, dann kam sie noch auf dumme Ideen. Es war schon gut so, wie es war – sie beide beschwichtigten lieber, als ihre Liebe in allen Zügen ausleben zu können. Jeder von ihnen hatte Träume und Wünsche – einige dem anderen bekannt, andere wiederum nicht. Im Umgang mit Frauen war der junge Mann alles andere als schüchtern, dafür aber hielt er vieles hinter dem Berg, um es für sie beide nicht noch schrecklicher zu machen. Dennoch fand er ihr Zusammensein wichtig, das gegenseitige füreinander Dasein hatte noch den schwärzesten Tag erträglich gemacht. Gerade wüsste er nicht, wie es gewesen wäre, allein dazustehen und alles ohne jemanden zu ertragen. Chris hatte Sêiichî schon so viele Male vor dem Untergang bewahrt – auch wenn es Menschen gab, die sagten, dass sie eher noch seinen Untergang herbei führen würde – wenn nicht sofort, dann schleichend. Nur ab und zu an den Ort zurückkehren, an den man gehörte, hatte auch seine Vorteile – man ging sich nicht bald auf die Nerven.   Es hämmerte gegen die Tür, was Chris gerade mehr als störend fand, aber sie blockierten hier schließlich das Badezimmer. „Zieh dich an…“ Sie drückte ihm die Klamotten gegen die Brust, obwohl sie gerade doch ganz gern noch den Moment eine Weile länger genossen hätte. „Ja, gleich!“ rief sie genervt nach draußen, so dass Sêiichî es noch schaffte, sich anzuziehen, ehe sie öffnete, wo dann nicht Syrah stand, sondern er. Chris beobachtete ihn, wie er mit Schock in seinen Augen Sêiichî mit seinem Blick bedachte. Irgendetwas sagen wollte Teran, doch er schluckte es runter, das sah man sofort. „Na – schlechten Tag gehabt, Teran?“ stichelte Chris ihn gekonnt – sie hatte das Gefühl, Teran wäre überrascht, Sêiichî hier zu sehen, geradezu, als wenn er gewusst hätte, dass er genau das nicht sein sollte. „Bisher noch nicht – aber das kann sich ja noch ändern“, deutete er Sêiichîs Anwesenheit an. „Ich würde gern ins Bad, also lässt du mich durch, oder braucht ihr noch lange?“ Ein zwielichtiges Grinsen lag nun auf dem Gesicht von Syrahs Freund. „Gott bewahre – was fällt dir ein, so mit mir zu reden? Du bist in meinem Apartment und ich kann von dem Recht Gebrauch machen, dich aus diesem zu werfen, wenn du mir stinkst.“ „Dagegen hätte Syrah etwas.“ „Was glaubst du, wie egal mir das ist? Dir sind ja auch ein paar Dinge egal, die Syrah stören, nicht wahr?“ flüsterte sie verheißungsvoll in Terans Ohr, während sie ihm ein überlegenes, aber auch heimtückisches Lächeln schenkte, vor dem er sich in Acht nehmen musste, immerhin kannte er Vermouth nicht erst seit gestern. Sie hatte Dinge gegen ihn in der Hand, das wusste er sehr wohl. „Was würde Syrah wohl dazu sagen, wenn sie erfährt, dass du oft an diese eine Person denkst, mhm? Du willst doch nicht, dass sie davon erfährt, nicht?“ Chris lachte, fuhr sich arrogant durch die Haare, weil sie sich wichtig machen wollte, dann nahm sie Sêiichîs Arm und zog ihn mit sich. „Komm, hier ist die Luft schlecht. Wir gehen dahin, wo wir ungestört sind.“ Die Frau machte das sowieso absichtlich, nur um Teran zu ärgern. Es fuchste den Kerl, dass ausgerechnet auf Sêiichî so gut aufgepasst wurde – er scheiterte nicht selten an den Leuten, die ihn mochten. Außerdem provozierte Vermouth Leute gern, auch Teran. Sêiichî warf Teran einen kurzen, aber verachtenden Blick zu, der auch wissend wirkte. Als ob er nicht wüsste, dass der damit zu tun hatte, wenn er solchen Ärger hatte, wie heute… Aber Cognac missfiel auch, wenn Vermouth sich so weit aus dem Fenster lehnte – Teran war für jede Frau gefährlich, also auch für sie. Er gab nichts darauf, dass sie Syrah Tochter nannte. Das hielt diesen Typen doch keineswegs von Intrigen ab. „Du solltest das lassen“, flüsterte er ihr ins Ohr.  „Du weißt doch, dass mit Teran nicht zu spaßen ist. Erliege nicht dem Trugschluss, dass er dich verschont, nur weil du Syrah was bedeutest. Das juckt ihn nicht.“ Chris drückte ihm einen Kuss auf die Wange, weil er sich um sie sorgte, aber in erster Linie sollte ihn das beruhigen. „Keine Sorge, ich bin auf der Hut.“ Mit den Worten verschwand sie mit ihm in ihr Zimmer und schloss mehrfach ab, um ja sicher zu stellen, dass keiner der beiden sie stören konnte. „Wer hat dich eigentlich angerufen?“ fragte sie jetzt, neugierig wie immer. Sêiichî gab ein Seufzen von sich, was klang, als wären sie mitten beim Liebespiel gewesen und er würde sich genervt davon fühlen. „Ryo… Ich werde ihm wohl schreiben, dann macht er sich zumindest keine Sorgen.“ Es war sehr traurig – auch für sie, dass er so wenig Lust verspürte, mit seinem besten Freund zu reden – sie glaubte nicht mal, dass es wegen ihr war, da war etwas anderes im Argen. Leider glaubte sie auch zu wissen, was genau. Dieser Umstand stimmte sie doch ein wenig traurig. Dennoch war es seine Entscheidung. „Du solltest ihn nicht so behandeln, Sêiichî. Ich weiß, dass er, egal, was auch geschieht, auf deiner Seite ist. Auch du solltest das wissen.“ Sêiichî lächelte traurig. „So einfach ist das nicht, meine Liebe. Ich werde mich diesem Fall stellen – aber vorher brauch ich ein bisschen was von deiner Nähe… Stärke tanken, weißt du…“ „Dass du immer zu solchen Mitteln greifen musst, um zu bekommen, was du willst.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)