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Wolf im Schnee

von

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I can´t stand the cold

Seit Stiles an einem regnerischen Novembermorgen in New York an Bord gegangen war, waren die Flugzeuge immer kleiner geworden, mit jedem weiteren Umsteigen und je weiter er sich in nördlicher Richtung von der Zivilisation entfernte und nun saß er in einer Art Keksdose mit Flügeln; gerade groß genug für ihn, sein Gepäck, seine Ausrüstung und den Piloten.
 

Und wie er so aus dem Fenster schaute und feststellte, dass die Spuren menschlicher Existenz unter ihnen immer seltener wurden, fragte Stiles sich zum ersten Mal, ob das Alles wirklich so eine gute Idee gewesen war?
 

Nach nur zwei Jahren war seine Ehe bereits am Ende gewesen und Lydia hatte nicht lange gefackelt und war zu Jackson gezogen, noch ehe die Tinte auf den Scheidungspapieren überhaupt trocken gewesen war. Stiles hatte zunächst keinen Schimmer gehabt, wie es danach mit seinem Leben weitergehen sollte? Immerhin hatte er mit ihr doch das volle Programm gewollt: Hochzeit, Babys, ein Eigenheim in einem Vorort, gemeinsam durch dick und dünn, in guten wie in schlechten Tagen, in Krankheit und Gesundheit, egal was da kommen sollte, bis sie schließlich irgendwann gemeinsam alt und grau geworden wären!
 

Lydia hingegen hatte offensichtlich etwas völlig anderes gewollt! Sie wollte Spaß, Partys mit ihren Hollywood-Freunden und ganz sicher wollte sie sich nicht ihre Figur mit irgendwelchen Schwangerschaften ruinieren, wo sie doch gerade erst am Anfang ihrer Filmkarriere stand!
 

Und als die Universität Stiles nun diesen Forschungsauftrag in Alaska angeboten hatte, hatte er ihn ganz einfach ohne großes Zögern angenommen, denn er wollte bloß noch weg von allem und zwar so weit wie irgend möglich!

Weg von allem, was ihm das Herz brach!

Weg von allem, was er nicht verstand!

Weg von allem, was ihn so wütend machte, wie er im ganzen Leben noch nicht gewesen war!
 

Es war ja auch nicht so, dass Stiles nicht bereits früher schon Feldforschung getrieben hätte. Er war nicht die Art Wissenschaftler, die bloß im Labor saß und Daten auswertete, welche andere gesammelt hatten; nein, er wollte da draußen sein und seine Forschungsobjekte mit eigenen Augen beobachten, doch diese neue Mission war zugegebenermaßen etwas anderes, als ein, oder zwei Wochen im Sommer in den Wälder des Staates New Yorks ein wenig zu campen, eine Stunde von der nächsten Kleinstadt entfernt, die über ein Krankenhaus, Supermärkte, Kneipen und so weiter verfügte, um dort das Verhalten der letzten Wölfe in freier Wildbahn zu studieren.
 

Seine Alaska-Mission hingegen würde vier Monate dauern; den ganzen frostigen Winter lang!

Sollte es einen Notfall geben, konnte es einen halben Tag dauern, ehe sie ihn hier mit dem Hubschrauber heraus hatten. Aber nur gesetzt den Fall, dass es ihm überhaupt gelänge, einen Notruf abzusetzen, denn ein verlässliches Mobilfunknetz gab es in der Region nicht, eine Internetverbindung war zwar theoretisch vorhanden, doch die war stark vom Wetter abhängig und ansonsten gab es noch Funk.

Also wenn es nicht gerade schneite zumindest, denn dann konnte es schwierig werden.
 

Stiles würde vier Monate lang ganz auf sich allein gestellt sein und keinen realen Menschen sehen, bis auf den Fahrer des Versorgungskonvois, der ihn je nach Wetterlage alle zwei bis drei Wochen mit dem Lebensnotwendigsten eindecken würde.
 

In New York hatte das alles noch absolut richtig geklungen; endlich weg aus dem Großstadt-Dickicht, das ihn zu ersticken drohte!

Ab in die Einsamkeit, wo er zu sich selbst finden und die Scherben seines Lebens wieder zusammensetzen konnte.

Er würde sich in die Arbeit stürzen und das würde ihn heilen, hatte er sich vorgestellt.

Wie unglaublich einsam es werden würde, hatte er dabei offenbar ausgeblendet, doch das verkarstete, verschneite Land, welches sich nun scheinbar endlos unter ihm erstreckte, heilte ihn von allen Illusionen und holte ihn schnell zurück in die Realität.
 

Er hatte sich allein gefühlt, nachdem Lydia weg war.
 

Nun, in den nächsten Monaten würde er herausfinden, was wahre Einsamkeit war, denn da unten war nichts, außer der weiß verschneiten Weite!
 

Nach einer Weile setzte das kleine Flugzeug zur Landung an.

Einen richtigen Flughafen gab es hier selbstverständlich nicht; nur eine winzige Landebahn nahe einer Ortschaft, welche aus zwei Dutzend Häuschen bestand, bewohnt in erster Linie von den Arbeitern einer nahegelegenen Bleimine.

Es gab so etwas wie einen kleinen Supermarkt, der gleichfalls Leihbücherei und Videothek war und betrieben wurde von einem bärigen, schlecht gelaunten Kerl, der sich als `Kannst-mich-Barney-nennen´-Barnes vorstellte und behauptete, der Bürgermeister dieses Örtchens zu sein. Hier würde Stiles die Nacht verbringen, denn es war kurz nach vier am Nachmittag und die Sonne begann bereits unterzugehen, so dass er es nicht mehr bei Tageslicht zu seiner Forschundsstation schaffen würde und dieser Barney Barnes vermietete zusätzlich zu all seinen anderen Obliegenheiten im Bedarfsfall auch noch Fremdenzimmer.
 

Stiles kam beinahe sein Flugzeugdinner wieder hoch, als er das Zimmer erblickte, welches ihm für die Nacht zugedacht war. Es stank, wie eine Bärenhöhle, wirklich alles in diesem Raum wirkte irgendwie schmuddelig und Stiles fragte sich flüchtig, wie lange eigentlich seine letzte Tetanusimpfung her war.
 

"Stilinski?" fragte Barney Barnes: "Polacke, oder was?"
 

Die Frage riss Stiles aus seinen Gedanken und er nickte:

"Meine Vorfahren kamen aus Polen. Ist aber schon mehrere Generationen her."
 

Barnes gab eine Art verächtliches Grunzen von sich und erklärte:

"Besser als so´n Russe!"
 

Barney Barnes war offensichtlich ein echtes Schätzchen!
 

"Und dein Job is also, Wölfe anzuglotzen, Stilinski?" erkundigte sich Barnes nun: "Könnt mir was Sinnvolleres vorstellen, um Zeit totzuschlagen. Am besten alle abschießen, die Biester! Heulen die ganze Nacht, fressen aus der Mülltonne... ! Hasse die Viecher!"
 

"Aha!" machte Stiles kurz angebunden.

Auf diese Diskussion hatte er wirklich keine Lust! Er selbst liebte Wölfe. Das hatte er schon als Kind getan, doch leider gab es in Kalifornien, wo er groß geworden war keine. Als kleiner Junge hatte er seinen Vater deshalb zu überreden versucht, einen Wolf als Haustier halten zu dürfen, doch dieser hatte ihm erklärt, dass das nicht erlaubt sei und sich auch von dem Argument: `Wir können doch so tun, als sei es ein Hund!´ nicht überzeugen lassen.
 

Doch in einem besonderen Sommer vor vielen Jahren waren sein Dad und er zum zelten in die Rocky Mountains gefahren. Dort hatte Stiles endlich Wölfe in freier Wildbahn beobachten dürfen und dieses Erlebnis hatte ihn für sein gesamtes späteres Leben beeinflusst. Er hatte Biologie studiert und den Canis Lupus von Tag eins zum Schwerpunkt seiner Studien gemacht. Für seine Kommilitonen lief er bloß unter dem Indianernamen: `Der-mit-dem-Wolf-tanzt´, denn sie hielten sich für besonders witzig und originell. Stiles Begeisterung tat dieser Spott keinen Abbruch. Seine Doktorarbeit mit dem Titel: `Mensch und Wolf – Gestern und Heute´, welche die Beziehung des Wolfes zum Menschen, von der Domestizierung durch den Frühzeitmenschen bis hin zur beinahe vollständigen Ausrottung des Wolfes in der Neuzeit ausführlich beleuchtete, war längst ein Standardwerk der Fachliteratur und Stiles Stilinski war heutzutage DER führende Wolfsexperte in den USA.
 

Um Barney Barnes vom Thema Wolfsgenozid abzulenken, aber auch weil seine letzte Mahlzeit schon viele Stunden zurücklag, erkundigte sich Stiles, ob er hier im Ort wohl irgendwo noch eine warme Mahlzeit bekäme:
 

„Musst zu Emma gehn´! Hat das Diner anner Hauptstraße! Is´ ne Deutsche, die Emma! Schlimmer als die Russen, diese Krauts.“ erklärte Barney und kratzte sich durch das schüttere, fettige Haupthaar. Dann fügte er nachdenklich hinzu: „Obwohl... dafür isse eigentlich ganz okay, die alte Emma. Und der Fraß taugt auch was! Geh zu Emma, Junge!“
 

Das war ein eindeutiger Befehl und aus Mangel an Alternativen, weil er wirklich Hunger hatte und auch, weil er auf die Gesellschaft von Barney Barnes keinen gesteigerten Wert legte, der offenbar hobbymäßig hasste, ganz gleich, ob Mensch oder Tier, zog Stiles sich seine Thermokleidung an, denn draußen herrschten Temperaturen unter minus fünfzehn Grad Celsius und er wäre in seiner Jeans und der Daunenjacke, mit denen er in New York losgeflogen war, schon beinahe auf der kurzen Strecke von der Landebahn zu seiner Unterkunft erfroren. Dann machte er sich dann auf den Weg zu Emmas Diner.
 

Der `Fraß´ war wirklich ziemlich gut und Emma in der Tat eine sehr nette Person.

Stiles hatte gegrillte Käsetoasts und Wursteintopf geordert, weil er bei der Eiseskälte einfach etwas Handfestes brauchte.

Er war der einzige Gast und so hatte Emma; eine große, weißhaarige, robuste Frau Mitte fünfzig Zeit dafür, Stiles während des Essens den gesamten Klatsch des kleinen Örtchens zu erzählen , welches den Namen Miners Creek trug. Sie berichtete also, wer-mit-wem, wer-mit-wem-auf-keinen-Fall, von DEM GROßEN SKANDAL beim Sommersonnenwend-Fest vor zwei Jahren, wobei sie den Prediger im letzten Winter erwischt hatten und so weiter.
 

Und obwohl Stiles natürlich keine der Personen kannte, über die gesprochen wurde, amüsierte er sich bestens, denn Emma hatte einen bissigen Humor und einen spannenden Erzählstil.

Und weil es hier so nett war, orderte Stiles noch eine Kanne Kaffee und einen Karamellpudding zum Nachtisch.
 

Als er schließlich wieder aufbrach, gab Emma ihm noch mit auf den Weg:

„Kann verdammt einsam da draußen werden, so ganz allein! Wenn du also anfängst weiße Mäuse zu sehen oder so, dann steig´ auf deinen Schlitten und komm´ für einen Tag vorbei, hörst du Junge?“
 

Stiles lächelte dankbar und versprach:

„Werd´s mir merken!“ ehe er zahlte, noch einmal das gute Essen lobte und verschwand.
 

Trotz der Affenkälte lüftete Stiles das ihm zugedachte Zimmer gründlich und stellte erleichtert fest, dass wenigstens die Bettwäsche einigermaßen sauber war.

Sein Zimmer verfügte über einen alten, kleinen Röhrenfernseher, vor den er sich hockte, bis er müde genug war, um sich schlafen zu legen.
 

Und mitten in Nacht wurde Stiles wach von einem Ruf aus der Ferne, der ihn bis ins Mark erschütterte und seinen gesamten Körper mit einer Gänsehaut überzog. Es war das Klagen eines einsamen Wolfes, so durchdringend und tragisch, dass es Stiles die Tränen in die Augen trieb!

Schwarz auf weiß

Als Stiles am nächsten Morgen erwachte und aus dem schmuddeligen Fenster seiner Pension schaute, war er hochzufrieden, denn es versprach ein schöner Tag zu werden. Heute musste er per Schlitten zu jener Forschungsstation weiterreisen, welcher er den Winter verbringen würde und das hätte er nur ungern bei wildem Schneetreiben getan, wenn es beinahe unmöglich wäre, sich zu orientieren. Er würde für die Strecke schon bei gutem Wetter dreieinhalb bis vier Stunden brauchen, wenn nicht gar länger, schwer beladen wie er sein würde mit seiner ganzen Ausrüstung, seinem Gepäck und dem Proviant.
 

Stiles stieg aus dem Bett und verschwand zuerst einmal im Bad. Er wollte heute unbedingt noch einmal ausgiebig und heiß duschen, denn er hatte bereits im Vorfeld das Manual zu der Trinkwasseraufbereitungsanlage in der Forschungsstation gelesen und da war ihm klar geworden, wie mühsam es werden würde, diese zu betreiben und dass er wohl zukünftig sparsam mit Wasser umgehen musste.

Als Stiles nun allerdings in die Badewanne der Luxusherberge von Barney Barnes steigen wollte, entdeckte er, dass dort in einer Ecke etwas wuchs, von dem selbst er als Biologe nicht genau sagen konnte, was es war; Pilz, Flechte, oder vielleicht doch eher eine außerirdische Lebensform?

Es half jedoch alles nichts! Wenn er halbwegs sauber werden wollte, dann musste Stiles wohl oder übel in die verdreckte, widerliche Wanne steigen. Er bot der Kreatur, die dort behaglich vor sich hin wucherte also friedliche Koexistenz an und stellte den quietschenden, rostigen Wasserhahn an.
 

Als Stiles lediglich in eine Handtuch gewickelt wieder aus dem Bad kam, stand Barnes plötzlich vor ihm. Er betrachtete seinen halbnackten Pensionsgast eine Spur zu lange und wollte dann wissen, was dieser zum Frühstück wollte.

Stiles besah sich das schmutzige Unterhemd, welches der Kerl trug, seine dreckigen, zu langen Fingernägel und er wollte lieber gar nicht wissen, was das für ein komischer, heller Fleck vorne an Barnes Hose war.

Er würde lieber barfuß über Glasscherben laufen, als irgendetwas zu essen, das dieser Mann zubereitet hatte und so erwiderte er schnell, dass er keine Umstände machen wolle und darum zum Frühstück ein weiteres Mal hinüber ins Diner gehen würde. Besten Dank!

Und ehe Barney Barnes noch etwas dagegen einwenden konnte, schloss Stiles rasch die Tür hinter sich, um sich etwas anzuziehen.
 

Das Frühstück von Emma enttäuschte ihn nicht. Er bekam einen Stapel kleiner, dicker Buchweizenpfannkuchen, getränkt in Ahornsirup, einen wunderbaren Milchkaffee, mit dem die Plörre, für die er in New York fünf Mäuse hinlegen musste keinesfalls nicht mithalten konnte und ein paar Würstchen. Das war sicher nicht das, was der Doktor empfehlen würde, aber es war verdammt lecker!

Und als Stiles zahlte, hatte Emma ihm ungefragt auch noch ein Lunchpaket zusammengepackt und erklärte:

„Es wird kalt da draußen und du hast einen weiten Weg vor dir, Junge. Das wirst du brauchen, dürr wie du bist!“
 

Stiles fragte sich zwar, wie Emma mit der ganzen Thermokleidung, die er trug beurteilen wollte, wie dünn er wirklich war, aber er war dennoch gerührt von der mütterlichen Geste und bedankte sich strahlend, ehe er verschwand.
 

Zurück in der Unterkunft wurde er von Barney Barnes bereits erwartet, welcher ihm zurief:

„Wird Zeit, dass de lerns´, wie so´n Schlitten funktioniert, Stilinski!“
 

Es stimmte; Stiles hatte so einen Motorschlitten noch niemals gefahren, also folgte er Barnes nach draußen, um sich einweisen zu lassen. Und dieser rückte ihm dann auch gleich ein wenig zu nah auf die Pelle, als er Stiles alles zu erklären versuchte.

Stiles konnte ja verstehen, dass die Winter hier draußen, lang, kalt und einsam werden konnten, doch das hieß noch lange nicht, dass er es zulassen würde, dass dieser rassistische, Wölfe hassende, schmuddelige Widerling sich deshalb an ihm reiben durfte und deshalb fuhr Stiles kurzerhand seinen Ellenbogen als Abstandshalter aus.
 

Barnes sagte nichts dazu. Dafür verlieh er seinem Ärger anders Ausdruck, indem er nämlich von diesem Zeitpunkt an mit Stiles sprach, als sei dieser hirntot!

Stiles biss die Zähne zusammen und versuchte, sich nicht provozieren zu lassen, denn immerhin würde Barnes in den nächsten Monaten seine Versorgungslieferung zusammenstellen und wenn Stiles nicht wollte, dass der Kerl ihm zukünftig in die Shampooflaschen pinkelte, sollte er sich wohl gut mit ihm stellen. Wen kümmerte es schon, ob Barnes ihn für einen studierten Idioten hielt, dessen Job es war, Wolfskacke einzusammeln und sich selbst für eine große Nummer, weil er schließlich der Bürgermeister von Tote-Hose-City war?

Immer nur lächeln und nicken, sagte sich Stiles! In wenigen Augenblicken wäre er das Ekelpaket los!
 

Als der arme, minderbemittelte Biologieprofessor dann endlich begriffen hatte, wie so ein Motorschlitten zu bedienen sei, half Barney Barnes ihm noch dabei, den Anhänger anzukoppeln, alles aufzuladen und dann war Stiles endlich startklar. Er winkte dem Bürgermeister noch einmal zum Abschied zu, welcher natürlich nicht sehen konnte, wie Stiles, versteckt in seinen Fäustlingen lediglich den Mittelfinger hochhielt und dann brauste er los.
 

Mit dem Schlitten durch die weiße, eisige Wildnis zu fahren, während über ihm die Sonne lachte, welche alles silbrig glitzern ließ, war einfach herrlich!

Kaum hatte Stiles die Ortschaft hinter sich gelassen, da erblickte er auch schon die ersten Wölfe. In diesem Fall waren es zwei Mütter mit jeweils zwei Welpen, welche im letzten Sommer geboren worden waren.

Die Mütter brachten den Kleinen gerade die Kaninchenjagd bei wie es aussah.

Als sie den knatternden Motor näher kommen hörten, blickten die beiden Alttiere misstrauisch auf, entschieden dann jedoch scheinbar, dass der einzelne Mensch keine Gefahr darstellte.
 

Stiles hielt den Schlitten in respektvollem Abstand an und beobachtete die Szene eine Weile und freute sich schließlich im Stillen mit den Raubtieren, als ihre Jagd am Ende erfolgreich war. Dann jedoch startete er lieber wieder den Motor und setzte seinen Weg fort, ehe er am Ende doch noch von einem Unwetter überrascht würde, bevor er sein Ziel erreichte.
 

Irgendwann sah er aus dem Augenwinkel in weiter Ferne etwas das scheinbar mit ihm Schritt hielt. Zunächst nahm Stiles an, es werde wohl ein anderer Schlitten sein, bei dem Tempo, doch so war es nicht und er traute seinen Augen kaum, als er erkannte, dass es ein schwarzer Wolf war, der da praktisch neben ihm her hechtete, wenn auch mit reichlich Abstand zu ihm.

Stiles warf einen prüfenden Blick auf den Tachometer und stellte fest, dass er mit sechzig Stundenkilometern unterwegs war.

Ein Wolf konnte auf längeren Strecken schon einmal fünfzig Stundenkilometern schnell sein, auf kurzen Distanzen, zum Beispiel auf der Jagd auch auf bis zu fünfundsechzig Stundenkilometer beschleunigen, doch dieser Wolf schien nicht auf der Jagd zu sein. Vielmehr hatte Stiles das Gefühl, er wurde hier gerade zu einem Wettrennen herausgefordert.
 

Doch das Tempo war nicht das einzig bemerkenswerte an diesem Tier. Und zwar war da zunächst einmal die Farbe: Stiles hätte in dieser Gegend nicht damit gerechnet, einem pechschwarzen Wolf zu begegnen, denn damit fiel er hier in der weiß verschneiten Landschaft doch sofort auf, wie ein bunter Hund!

Und dann war da auch noch die Größe dieses Tieres. Stiles konnte es auf die Distanz zwar nicht genau sagen, doch er hatte den Eindruck, dass es wahrlich gigantisch war!
 

Der Biologe beschleunigte seinen Schlitten Stück für Stück bis er schließlich bei fünfundsiebzig Stundenkilometer angelangt war und stellte verblüfft fest, dass der schwarze Riese zu seiner Rechten immer noch mühelos Schritt hielt. Das konnte doch kein gewöhnlicher Wolf sein. Vielleicht handelte es sich ja um einen Hybriden aus Wolf und Hund? In dieser Gegend hatte es schließlich Hunde gegeben, solange Menschen hier siedelten.

So musste es sein, beschloss Stiles!

Was sollte es sonst sein?
 

Gern hätte er sich das eigenartige Tier einmal aus der Nähe angeschaut, doch wann immer er versuchte, sich ihm zu nähern, wich es aus, bis sie wieder die ursprüngliche Distanz zu einander hatten:

„Schade, dass du so scheu bist, du Prachtstück!“ murmelte Stiles vor sich hin und registrierte amüsiert, dass er reichlich früh mit den Selbstgesprächen anfing. Damit hatte er eigentlich erst in ein paar Wochen gerechnet, wenn die Einsamkeit zu groß wurde.
 

Das Rennen zwischen dem Biologen und dem besonderen Wolf dauerte etwa eine weitere halbe Stunde und Stiles konnte nicht begreifen, wie das Tier bei dieser Geschwindigkeit überhaupt die ganze Zeit mithalten konnte.

Dann urplötzlich hielt der große, schwarze Wolf inne und starrte in eine bestimmte Richtung, an Stiles vorbei zu seiner Linken. Der Mensch wendete seinen Kopf in dieselbe Richtung und was er dort erblickte, ließ sein Herz vor Aufregung und Freude ein klein wenig höher schlagen, denn aus einem kleinen Koniferenwäldchen trat in diesem Augenblick ein riesiges Wolfsrudel, welches aus mindestens dreißig Tieren bestand.
 

Stiles hatte den Schlitten mittlerweile gestoppt und wollte sehen, wie sein neuer, schwarzer Freund darauf reagierte, doch der riesige Wolf war verschwunden, wie der Mensch mit Bedauern feststellte. Er fragte sich, ob er das Tier, über das er gern so viel mehr erfahren hätte, wohl noch einmal wiedersehen würde.
 

Eine Weile verweilte Stiles noch, um das große Rudel und seine sozialen Interaktionen zu beobachten, doch als dieses ihm nach einer Weile ungemütlich nahe kam, startete er den Schlitten ein weiteres Mal und fuhr ohne weitere Unterbrechung weiter, bis zu seinem Ziel.
 

Die Forschungsstation war viel komfortabler, als Stiles angenommen hatte. Besonders erleichtert war er, dass es hier recht viel Platz gab, da er bei diesen Temperaturen wohl viel Zeit drinnen verbringen würde.

Er machte sich sogleich daran, sein gesamtes Gepäck zu verstauen und die Anlagen hier in Betrieb zu nehmen, denn die Station hatte ihre eigene Windkraftanlage für die Stromversorgung, einen Benzintank draußen, um den Schlitten zu betanken, die Wasseraufbereitungsanlage, die den Niederschlag in Trinkwasser verwandelte und damit war das Gebäude autark und nicht auf die Versorgung von einem anderen Ort angewiesen.
 

Im Inneren gab es ein überraschend gut ausgestattetes Labor, welches für Stiles Zwecke mehr als ausreichend war, sowie mehrere Computer, an welchen er arbeiten konnte.
 

Und er fand einen kleinen Sportraum mit Hantelbank und Heimtrainer. Nicht das Stiles so eine Sportskanone gewesen wäre, doch sich ein bisschen fit zu halten, war sicherlich keine schlechte Idee.
 

Der Wohnbereich war richtig gemütlich und es fehlte wirklich an nichts. Es gab sogar eine Stereoanlage und einen Fernseher. Zwar würde es hier draußen sicherlich keinen Empfang geben, aber der DVD-Spieler mit einer großen Auswahl an Filmen würde sicher für Abwechslung in den langen kalten Nächten sorgen.
 

Die Küche war klein und zweckmäßig und würde Stiles genügen.
 

Richtig begeistert war er vom Schlafzimmer. Er hatte mit unbequemen Stockbetten gerechnet, doch er fand ein voll eingerichtetes Schlafzimmer mit zwei komfortablen Einzelbetten und eigenen Nachttischen vor.

Er ließ sich auf eines davon fallen und es war einfach himmlisch!
 

Draußen war es rasch dunkel geworden. Stiles heizte zunächst einmal im Haus tüchtig ein, bereitete sich dann ein einfaches Abendessen aus den mitgebrachten Lebensmitteln und hockte sich dann vor den Fernseher.

Wie erwartet gab es dort nichts weiter zu sehen, außer ein paar – wortwörtlich – verschneiten Sendern, also besah er sich die DVDs und entschied sich für eine Serienbox und das lediglich aufgrund des Titels. Die Serie hieß nämlich `Ausgerechnet Alaska´.

Na das Passte doch!

Stiles schaffte gerade mal drei Folgen, als er müde ins Schlafzimmer umzog. Es war zwar gerade erst halb zehn, doch die ungewohnte Kälte hatte ihn vollkommen geschafft. Es würde wohl eine Weile dauern, ehe er sich daran gewöhnt hätte.
 

Stiles schaltete sein Handy ein; eigentlich bloß, um zu sehen, ob er hier ein Netz hatte – hatte er natürlich nicht – doch auf dem Display begrüßte ihn immer noch Lydias süßes Gesicht.
 

Das musste er mal ändern, nahm er sich vor.
 

Irgendwann.
 

Er wischte sich mit dem Ärmel seines Flanellpyjamas über die feuchten Augen, stellte das Telefon wieder ab und kuschelte sich mit einem traurigen Seufzer ins Bett.
 

Sehr viel später in der Nacht erwachte Stiles ein weiteres Mal von dem langgezogenen, sehnsuchtsvollen Ruf eines einzelnen Wolfes.
 

Beinahe kam es Stiles so vor, als sei es derselbe, wie in der Nacht zuvor?

Und beinahe fühlte es sich so an, als rufe er nach ihm?
 

Doch das war natürlich vollkommener Blödsinn!

Companion

Zufrieden stellte Stiles an diesem Morgen fest, dass die Fertigpfannkuchenmischung, die er sich zum Frühstück zubereitet hatte, gar nicht so übel war. Vielleicht nicht so gut, wie die Pancakes in Emmas Diner, aber trotzdem durchaus essbar.

Er saß in Daunenjacke am Esstisch, denn das Haus war über Nacht erneut vollkommen ausgekühlt.
 

Beim Gedanken daran, dass heute endlich seine Mission startete, wurde er ein wenig kribbelig, legte sich innerlich einen Plan zurecht und stellte im Geiste seine Ausrüstung zusammen.
 

Nach dem Essen verschwand Stiles noch für eine kurze Katzenwäsche im Bad, schlüpfte in mehrere Lagen Kleidung, packte zusammen, was er brauchen würde und trat dann vor die Tür.

Auf das Bild, dass ihn dort erwartete, war er allerdings nicht gefasst, denn in etwa dreihundert Metern Entfernung saß der große, schwarze Wolf vom gestrigen Tag abwartend auf seinen Hinterläufen, als hätten sie beide eine Verabredung:

„Guten Morgen, mein schöner Freund!“ murmelte Stiles verblüfft vor sich hin, zog vorsichtshalber die Schreckschusspistole aus seinem Rucksack und steckte sie sich in die Jackentasche, nur für den Fall, dass das Tier ihn vielleicht für sein Frühstück hielt.
 

Stiles betankte und belud seinen Schlitten, ohne den Schwarzen aus den Augen zu lassen und als er startete, setzte auch der Wolf sich in Bewegung und folgte ihm mit demselben Sicherheitsabstand, wie bereits am Vortag. Während des gesamten Vormittags hatte der Mensch auf diese Weise einen Begleiter, doch wann immer er sich das Tier von Nahem anschauen wollte, wich es wieder einmal zurück und so ging Stiles einfach seinen Aufgaben nach, suchte Plätze auf wo Wölfe kürzlich Rast gemacht, sammelte Proben von Losung und Haaren ein, fotografierte Futterplätze und stellte Steady-Cams auf, welche ihm dann später Bilder in die Forschungsstation schicken würden.
 

Black Beauty wurde es scheinbar gar nicht müde, den Biologen bei seiner Arbeit zu beobachten und Stiles, dem dieses Verhalten ausgesprochen eigenartig vorkam überlegte, ob sein neuer Freund wohl domestiziert und an Menschen gewöhnt war?

War er vielleicht ein verlassenes Haustier, das auf der Suche nach einen neuen Herren war?

Aber warum ließ der Schwarze ihn dann nicht in seine Nähe kommen?

Vielleicht hatte er Schlimmes erlebt und war nun misstrauisch?
 

Der Wissenschaftler in Stiles hätte nur zu gern herausgefunden, was es mit diesem Tier auf sich hatte.

Und der kleine Junge in ihm begeisterte sich für den schönen, großen, stolzen Wolf und wünschte ihn sich als Spielgefährten.

Doch natürlich kam das gar nicht in Frage, denn dafür war er schließlich nicht auf dieser Mission und er durfte sich auch nicht ablenken lassen.
 

Ein weiteres Mal hatte Stiles Glück mit dem Wetter. Zwar war es lausig kalt, aber der Himmel war blau und die Sonne schien.

Natürlich waren Wölfe nicht die einzigen Tiere, welche hier draußen anzutreffen waren. Für einen Naturforscher wie Stiles war die Wildnis Alaskas ein Traum!

Auf den ersten Blick konnte man sich fast der Illusion hingeben, hier sei die Welt noch in Ordnung und Begriffe wie Umweltverschmutzung und Artensterben hätten keinerlei Bedeutung.
 

Stiles hatte bereits ein paar Karibus gesehen, einen großen, unbeholfenen Elch mit mächtigem Geweih, eine Schwarzbärin mit zwei Jungen, zu denen er einen großzügigen Abstand gewahrt hatte, um Mama Bär nicht auf den Gedanken zu bringen, er sei vielleicht eine Gefahr für ihre Familie.

Gerade in diesem Augenblick kam eine Bisonherde, bestehend aus etwa fünfundzwanzig Tieren auf ihn zu. Bevor die ersten europäischen Siedler auf diesen Kontinent gekommen waren, gab es hier Herden, welche aus hunderten von Tieren bestanden hatten, wusste Stiles, doch der Bison war bejagt worden, bis er beinahe vor seiner vollkommenen Ausrottung stand. Die hiesigen Bestände waren gerade erst wieder dabei, sich ein klein wenig zu erholen, dank der Bemühungen von Regierung, Wildhütern und Naturschützern.
 

Die Zweifel, welche Stiles an dieser Mission gestern noch überkommen hatten, schmolzen mit einem Mal dahin, wie Schokolade in der Sonne! Es war herrlich und er war genau da, wo er sein sollte. Es würde das größte Abenteuer seines Lebens werden; etwas von dem er noch seinen Enkeln berichten würde!
 

Zu seiner Freude traf Stiles ein weiteres Mal eine Gruppe von Wölfen. Ihre alte Alpha stellte sich schützend vor ihr Rudel und nahm den zweibeinigen Eindringling erst einmal streng ins Visier. Sie war nicht sehr groß, doch sie hatte in ihrem Leben wohl schon einige Kämpfe ausgefochten und war daraus als Siegerin hervorgegangen; das verrieten die Blessuren, die sie daraus davongetragen hatte. Eines ihrer Ohren, sah ein wenig angeknabbert aus, sie hatte eine Narbe quer über ihr Gesicht, welche wohl von einem Bären stammte und mit einem ihrer Vorderläufe humpelte sie ein wenig.

Stiles verhielt sich selbstverständlich ganz defensiv, um zu zeigen, dass er keine Bedrohung darstellte. Er machte lediglich ein paar Fotos und überlegte sich, dass er vielleicht einen Bildband herausbringen könnte, sobald er wieder zurück in der Zivilisation war, falls die Aufnahmen gut werden würden.
 

Sein großer schwarzer Schatten war wieder einmal verschwunden, sobald das Rudel Grauwölfe aufgetaucht war. Offenbar hielt sein Freund nicht viel von der Gesellschaft seiner Artgenossen.

Ein weiterer Punkt auf der Liste der Merkwürdigkeiten, die mit diesem Tier verbunden waren!
 

Irgendwann, nachdem sie sich gegenseitig ausgiebig beguckt hatten, setzte das Rudel seinen Weg fort und Stiles tat dasselbe. Und da traute sich auch sein schwarzer Wolf wieder aus seiner Deckung. Und offensichtlich hatte dieser irgendetwas entdeckt, das sein Interesse weckte, denn anstatt Stiles weiter zu folgen, blieb er auf einem Hügel stehen und kläffte etwas an.

Und als Stiles einfach weiterfuhr, wurde dieses Bellen , fordernder und ungehaltener und schließlich hechtete der schwarze Wolf hinter dem Schlitten her, holte ihn sogar ein und stellte sich ihm in den Weg:
 

„Also gut!“ murmelte Stiles schließlich in sich hinein: „Du willst mir also etwas zeigen, Blacky? Dann mach´ schon!“
 

Der schwarze Wolf raste also los, zurück zu jenem Hügel und fing dort wieder an, etwas anzubellen:
 

„Ist ja gut! Ich komme ja schon!“ sagte Stiles, als er den Schlitten angehalten hatte und sich nun zu Fuß den verschneiten Hügel hinauf begab.
 

Natürlich ließ der große Wolf Stiles auch dieses Mal wieder nicht nah an sich heran, sondern entfernte sich in großen Sprüngen, als der Mensch sich auf die Stelle zu bewegte, die er sehen sollte:
 

„Ich tue dir doch nichts, du Dummerchen!“ seufzte Stiles, doch dann hörte er im Näherkommen plötzlich ein klägliches und verzweifeltes Fiepen. Und so fand er an der Stelle, auf die der Wolf ihn hatte hinweisen einen kleinen Polarfuchs. Beinahe mit seinem gesamten Körper steckte dieser in einer Falle, die für ein sehr viel größeres Tier, wie einen Bären, oder wenigstens einen Wolf bestimmt war und der Schnee um ihn herum war rot vom Blut.

Sofort ging Stiles bei der kleinen Kreatur in die Knie, flüsterte sanft:

„Bitte nicht beißen, mein kleiner Freund! Ich will dir nur helfen, ja?“
 

Er machte sich daran, die Falle wieder aufzusperren, um den Fuchs zu befreien, was gar nicht so einfach war, da diese ausgesprochen schwergängig war. Er kämpfte mindestens zehn Minuten lang und war trotz der Eiseskälte schnell in Schweiß gebadet. Als er sie endlich so weit offen hatte, dass der Fuchs sich wieder heraus bewegen konnte, war der Biologe dankbar, als er sie wieder loslassen und zuschnappen lassen konnte.
 

Der Fuchs kam allerdings nicht weit. Sein verzweifelter Überlebenskampf und der Blutverlust hatten ihn derart geschwächt, dass er mit einem mitleiderregenden Seufzen im Schnee zusammenbrach.

Stiles kramte aus seinem Rucksack ein Handtuch hervor und wickelte den Fuchs darin ein. Dann griff er nach der Falle, denn diese würde mit Sicherheit kein Tier mehr verletzen, schwor er sich. Er trug beides hinüber zu seinem Schlitten und ehe er startete, blickte er sich noch einmal nach dem schwarzen Wolf um, welcher ihm huldvoll zuzunicken schien:
 

„Schön, dass du zufrieden mit mir und meiner Arbeit bist, Blacky!“ murmelte Stiles kopfschüttelnd und startete den Motor.
 

Zurück in der Station brachte der Biologe den kleinen Fuchs als Erstes ins Labor, denn hier hatte er eine recht umfangreiche Hausapotheke für Mensch und Tier. Das Tierchen erhielt per Spritze ein Kombi-Präparat gegen Schmerzen und zur Beruhigung und Stiles machte sich nun daran, die Wunden zu reinigen und zu desinfizieren, um sie dann zu verbinden.

Und während Stiles den Fuchs verarztete, wurde ihm eines klar: Der Wolf hatte ihn nicht nur auf eine Kreatur in Not hingewiesen, sondern unabsichtlich auch auf ein noch viel größeres Problem!

Ganz offensichtlich musste es in dieser Gegend Wilderer geben, denn die einzigen, die hier legal jagen durften, waren die Ureinwohner Alaskas. Die Inuit jagten jedoch traditionell. So etwas Mieses wie diese Tretfallen käme bei ihnen niemals zum Einsatz.

Und Wilderer bedeuteten auch eine Gefahr für Stiles selbst, denn diese Mistkerle taten etwas Strafbares und würden am Ende vielleicht auch nicht davor zurückschrecken, einen Menschen zu töten, um unerkannt zu bleiben. Er würde sich sehr vorsehen müssen.
 

Stiles nahm sich vor, eine E-Mail an die Wildhüter der Gegend zu schreiben und sie über seine Entdeckung zu informieren; zu seiner eigenen Sicherheit und damit diesen Unmenschen das Handwerk gelegt werden würde.
 

Doch jetzt setzte er erst einmal seinen seinen kleinen Patienten in einen großen Pappkarton und spendierte ihm eine Schüssel Wasser und eine Büchse Dosenfleisch.

Und als Stiles erkannte, dass der Fuchs sich sogleich an beidem bediente, war er zuversichtlich, dass das Tier durchkommen würde.

Jäger

Am Morgen erwachte Stiles von einem Schaben, Rascheln und hohem Bellen. Er brauchte einen Moment um sich zu orientieren, wo er war und was vor sich ging, doch dann fiel ihm sein kleiner Hausgast wieder ein. Er erhob sich aus dem Bett, um nachzusehen wie es dem Tierchen mittlerweile ging und schlüpfte sofort in warme Pantoffeln und eine Daunenjacke, denn es war einmal mehr lausig kalt. An diese Temperaturen würde Stiles sich mit Sicherheit nicht gewöhnen!
 

Dem Fuchs schien es offenbar gar nicht zu gefallen, dass er in einem Karton gefangen war, dann er bearbeitete diesen knurrend mit Zähnen und Krallen:
 

„Hey, du Racker! Dir scheint es ja wieder ziemlich gut zu gehen, wenn du hier so ein Theater verastalten kannst!“ begrüßte der Biologe seinen kleinen Gast: „Was hältst du von Frühstück? Dann kannst du aufhören, den Karton zu fressen.“
 

Das knuffige, weiße Fellknäuel blickte ihn aus glänzenden, schwarzen Knopfaugen aufmerksam an, beinahe als könne es den Menschen verstehen.

Stiles grinste, näherte sich dem Wildtier vorsichtig und hob es dann behutsam aus seinem papierenen Gefängnis:

„Na, komm!“ sagte er und lief voran in die Küche.

Der Fuchs ließ sich Zeit, doch dann witterte er scheinbar das ihm zugedachte Frühstück und kam angetrabt. Stiles hatte dem Tier eine Dose Thunfisch aufgemacht und ein rohes Ei darüber geschlagen, was ganz offensichtlich ganz nach dem Geschmack des kleinen Räubers war, denn er machte sich mit heller Begeisterung darüber her.
 

„Lass´ es dir schmecken, Scotty!“ sagte Stiles gutmütig, wobei ihm natürlich vollkommen bewusst war, dass es nicht besonders schlau war, einem wilden Tier, dass er bald wieder in die Freiheit entlassen musste einen Namen zu geben, aber der kleine Kerl mit seinem süßen Gesichtchen hatte nun einmal frappierende Ähnlichkeit mit seinem besten Freund seit Kindertagen und so fühlte es sich ganz organisch und natürlich an, dem Tier dessen Namen zu geben.
 

Das Wetter hatte über Nacht dramatisch umgeschlagen und nun heulte ein heftiger Schneesturm ums Haus. Da würde Stiles wohl heute einen Labortag einlegen. Er frühstückte zunächst und nahm dann bei seinem Patienten einen Verbandswechsel vor; eine Maßnahme, über die dieser wenig erfreut schien und immer wieder versuchte, nach den Händen seines Sanitäters zu schnappen, bis es Stiles, welcher wahrlich keine Lust darauf hatte, nähere Bekanntschaft mit den kleinen, messerscharfen Beißerchen zu machen, ihm kurzerhand die Schnauze mit einem Stück Verband verschloss.
 

Das kleine Tier wirkte über diese Behandlung absolut entrüstet und wenn es das gekonnt hätte, dann hätte es vermutlich zum Protest die Vorderpfoten vor der Brust verschränkt:

„Jetzt schau´ nicht so, Scotty! Das hast du dir selbst zuzuschreiben! Denkst du etwa, ich will hier mutterseelenallein am Arsch der Welt an einer Blutvergiftung verrecken, bloß weil dir meine Krankenschwesternqualitäten nicht passen? Vergiss´ es!“ erklärte Stiles dem Fuchs und kraulte ihm beruhigend und entschuldigend den Kopf, ehe er sehr behutsam den Verband abnahm.

Zufrieden stellte er fest, dass die Verletzungen bereits zu heilen begannen und längst nicht so tief waren, wie zunächst angenommen:
 

„Du hast Glück gehabt, Kleiner!“ erklärte Stiles munter, doch das sah das Tier scheinbar anders und beobachtete finster, was der Biologe mit ihm anstellte, wenn er schon nichts dagegen ausrichten konnte.
 

Stiles verteilte Wundsalbe auf Verletzungen und legte einen frischen Verband an. Dann bekam der Fuchs noch Halsband und Leine verpasst, damit er keinen Unsinn anstellen und Stiles später nicht bei der Arbeit stören konnte und zuletzt wurde dem Tier der Knebel wieder abgenommen. Dies nahm der Fuchs zum Anlass, denn Menschen für die erlittene Misshandlung erst einmal ausgiebig anzubellen:
 

„Du wirst es nicht glauben, aber ich verstehe dich Scotty!“ versicherte Stiles: „Aber jetzt sei lieb, und lass´ den Onkel arbeiten, ja?“

Er band den Fuchs in der Küche an, wo er am wenigsten anstellen konnte, stellte ihm Wasser und ein wenig Trockenfleisch hin und dann verschwand er im Labor.
 

Er untersuchte die Proben, welche er gestern gesammelt hatte, was mehrere Stunden in Anspruch nahm. Am Ende stellte er fest, dass die Wölfe, von denen die Proben stammten insgesamt gesund zu sein schienen, bis auf einen leichten Wurmbefall.
 

Nun hatte er Zeit, einige Aufzeichnungen zu machen und nebenher nachzusehen, ob die diversen Kameras welche er gestern aufgestellt hatte, etwas Interessantes eingefangen hatten. Er setzte sich also an den Computer und ließ die Aufnahmen im Schnelldurchlauf abspulen, während er gleichzeitig schrieb und immer wieder aufsah um zu sehen, was die Filme wohl preisgeben mochten.
 

Tatsächlich hatte eine der Kameras ein Wolfsrudel eingefangen und Stiles erkannte, dass es jenes der alten, humpelnden Alpha-Wölfin war, welchem er gestern bereits live gegenübergestanden hatte.

Eine der anderen Kameras zeigte eine riesige Wapiti-Herde, die in der Ferne vorüberzog, was bedeutete, dass Wölfe hier reichlich Nahrung vorfanden und außerdem einen gewaltigen, alten Grizzlybären, von dem Stiles wirklich darauf verzichten konnte, ihm einmal in freier Wildbahn zu begegnen.
 

Während die Nachtaufnahmen liefen, schaute Stiles kaum hin, denn darauf sollte ja ohnehin nichts zu sehen sein.
 

Dachte er zumindest!
 

Eher zufällig blickte Stiles kurz auf und da sah er es; etwas wie ein blaues Leuchten und es war so schnell verschwunden, wie es aufgetaucht war.

Zunächst nahm der Wissenschaftler an, sich getäuscht zu haben, spulte den Film lediglich zurück, um ganz sicher zu gehen und ließ ihn dann noch einmal in Normalgeschwindigkeit laufen. Dabei stellte er jedoch fest, dass er sich keinesfalls geirrt hatte. Etwas lief mitten in der finsteren Polarwinternacht durch das Bild und gab dabei zwei blaue Lichtpunkte ab!

Stiles hatte nicht die geringste Ahnung, was zur Hölle dieses Etwas sein mochte. Er schaute sich die Aufnahme noch mindestens ein paar Dutzend Mal an, aber konnte sich einfach keinen Reim darauf machen. Beinahe sah es aus wie ein Augenpaar, doch das war natürlich Unsinn, denn im gesamten Tierreich gab es keine einzige Kreatur, deren Augen im Dunkeln leuchteten, ohne dass dabei eine Lichtquelle, ganz gleich wie schwach, im Spiel gewesen wäre und da draußen war ja nichts. Also blieb Stiles nur eine einzige andere Erklärung nämlich die, dass da draußen Menschen unterwegs sein mussten!

Ein Tier, ganz gleich welches, wäre Stiles hier draußen lieber gewesen, denn da wusste er wenigstens, woran er war.
 

Doch die Lichter waren nicht das Eigenartigste, was diese spezielle Kamera festgehalten hatte. Kurz nach Sonnenaufgang gab es nämlich ein Wiedersehen mit dem großen schwarzen Wolf und was dieser tat, war so bemerkenswert, dass Stiles die Kinnlade herunterfiel. Das Tier hatte sich auf seine Hinterläufe gesetzt und minutenlang in die Kamera geblickt, ohne etwas zu tun und das, obwohl es da bereits zu schneien begonnen hatte.

Noch merkwürdiger war, WIE der Wolf sich vor der Kamera platziert hatte. Er saß genau im rechten Abstand, damit Stiles ihn gut sehen konnte und blickte dabei geradewegs in die Linse.
 

Warum tat er das bloß?
 

Wenn Stiles es nicht besser gewusst hätte, würde er fast behaupten, der Wolf hätte gewusst, dass er ins Fernsehen kommen würde.

Natürlich war das vollkommen unmöglich und die logischere Erklärung war, dass die Kamera wohl ein Geräusch erzeugen musste, welches den Wolf interessierte und da war der Biologe bloß froh, dass das Tier dennoch davon abgesehen hatte, sein Equipment auseinander zu nehmen vor lauter Neugier.
 

Gerade stellte Stiles schwärmerisch fest, dass dies wohl der allerschönste und mit Sicherheit auch der größte Wolf war, den er je gesehen hatte, als das Tier sich urplötzlich erhob und aus dem Staub machte, als sei der Teufel hinter ihm her.
 

Sehr merkwürdig! Etwas schien ihn erschreckt zu haben.
 

Ein paar Minuten lang geschah in dem Film rein gar nichts. Da waren nur der Schneeflocken und die weiße, weite Landschaft, doch dann liefen in der Ferne plötzlich zwei Gestalten vorüber und es waren Menschen, wie Stiles erkannt! Sie waren zu weit weg, um sie genau zu erkennen, zumal es immer noch schneite, doch Stiles hatte das Gefühl, eines von ihnen könnte eine Frau sein, denn er meinte, eine lange, blonde Haarsträhne gesehen zu haben.

Dies waren möglicherweise seine Fallensteller.
 

Stiles Herz pochte mit einem Mal heftig.

Hatten diese beiden etwa seinen schwarzen Freund entdeckt?

Für gewissenlose Wilderer musste ein Tier wie dieses doch so etwas wie der Hauptgewinn sein!

Der Biologe sprach ein rasches Gebet, dass seinem schönen, großen Freund nicht zugestoßen sein mochte, und seine Sorge verschwand erst vollständig, als er mitten in der Nacht in seinem Bett lag und ein vertrautes Heulen vernahm.

Die Logik sagte ihm, dass er nicht wirklich wissen konnte, dass dies `sein´ Wolf war, dennoch hatte er so ein Gefühl.
 

Beruhigt schlief er ein.

Trapped

In den folgenden Tagen ging es Stiles kleinem Patienten zunehmend besser; sogar so gut, dass der Fuchs nun damit anfing, dem Menschen gründlich die Hütte auseinanderzunehmen!

Jedes Mal, wenn Stiles von einem seiner Ausflüge ins Haus zurückkehrte, fragte er sich, was das kleine Ungeheuer wohl dieses Mal wieder angestellt, umgestoßen oder zerkaut haben mochte und so wurde es langsam Zeit, sich einzugestehen, dass es Zeit wurde, Scotty 2 wieder in die Wildnis zu entlassen, auch wenn es Stiles schwerfiel, denn um ehrlich zu sein, hatte er die Gesellschaft des Tieres genossen und ohne den kleinen Strolch würde es wohl ganz schön einsam werden.
 

Als der Biologe also an diesem Morgen nach dem Frühstück das Haus verließ, nahm er Scotty ganz einfach mit sich. Und während dem Menschen selbst ein wenig Wasser in den Augen stand, gingen dem Tier derartige Sentimentalitäten vollständig ab. Der Polarfuchs blickte sich noch einmal nach seinem Lebensretter um und dann entfernte er sich in übermütigen Sprüngen, wälzte sich fröhlich im Schnee und ward schon bald nicht mehr zu sehen:

„Gern geschehen, du undankbarer Schuft!“ rief Stiles ihm gutmütig lächelnd hinterher: „Lass´ dich nicht wieder fangen, in Ordnung, Scotty?“

Dann startete der Wissenschaftler seinen Schlitten und fuhr eine ganze Weile über Land.
 

Nachdem es in den vergangenen Tagen häufig geschneit hatte, war es heute zum ersten Mal wieder sonnig und freundlich, auch wenn das nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass es inzwischen noch kälter geworden war.
 

Den einsamen schwarzen Wolf hatte Stiles zuletzt einmal kurz an dem Tag gesehen, nachdem er ihn auf Film eingefangen hatte. Es war ihm fast so erschienen, als wollte das Tier dem Menschen noch einmal zeigen `Ich lebe! Die Jäger haben mich nicht gekriegt!´, aber seitdem war er weder in der Realität in Erscheinung getreten, noch war er vor einer von Stiles stationären Kameras aufgetaucht.

Wahrscheinlich war er längst weitergezogen.

Ein wenig vermisste der Mensch ihn bereits.
 

Auch die Jäger hatte Stiles nicht mehr gesehen, seit sie einmal ganz kurz vor seiner Linse erschienen waren und er war heilfroh darüber. Ihre Spuren hatte Stiles jedoch sehr wohl gefunden, nämlich sechs Tretfallen, die er an verschiedenen Orten in den letzten Tagen ausgemacht hatte. Selbstverständlich hatte er sie sogleich entschärft und konfisziert.
 

Stiles befand sich im Revier des Rudels der alten Alpha-Wölfin. Dieses hatte er in den letzten Tagen immer wieder beobachtet und gefilmt und die Tiere hatten scheinbar beschlossen, dass dieser einzelne, seltsame, aufdringliche Mensch mit seinem Schlitten keine Gefahr für sie darstellte, denn sie duldeten ihn in ihrer Nähe, ohne sich in ihren täglichen Verrichtungen stören zu lassen.
 

Auch heute hatte Stiles das Rudel wieder ausgemacht, spähte sie mit einem Fernglas aus und nun versprach es interessant zu werden, denn die Tiere befanden sich auf der Jagd. Sie hatten ein Karibu mit seinem etwa sechs Monate alten Jungen von der Herde getrennt und eingekreist. Das Muttertier und ihr Kind hatten keine wirkliche Chance und dennoch beschlossen sie scheinbar, nicht kampflos unterzugehen. Als Flucht nicht mehr möglich war, stellte sich die Kuh schützend vor ihr Kalb, präsentierte ihr Geweih und stellte sich der aussichtslosen Schlacht.
 

Solche Szenen hasste Stiles im Grunde, doch er versuchte, es mit der nötigen wissenschaftlichen Distanz zu sehen. Wölfe mussten nun einmal fressen!

Zum Glück ging es schnell und die Beutetiere mussten nicht lange leiden.
 

Und dann geschah etwas bemerkenswertes. Als es nämlich ans Fressen ging, versuchte ein junger, kräftiger, vorwitziger Rüde sich vorzudrängen und sich als Erster zu bedienen. Natürlich wurde er hierfür von seiner Alpha in seine Schranken verwiesen und wich schließlich auch zurück, doch Stiles ahnte, dass dieses Männchen sicherlich früher oder später versuchen würde, seine Anführerin zu beerben, um selbst der Alpha zu werden.

Der Biologe beobachtete die Szene genau und nahm sie mit seiner Kamera auf. Beim Fressen ließ sich genau ausmachen, welchen Rang die einzelnen Tiere im Rudel hatten und für Stiles, der schon lange mit Wölfen zu tun hatte, war es ein leichtes, die Tiere anhand ihrer Gesichter und anderer individueller Merkmale zu unterscheiden, womit andere Menschen mit Sicherheit ihre Schwierigkeiten gehabt hätten.
 

Als die erwachsenen Tiere gesättigt waren, legten sie sich faul in den Schnee, um zu verdauen und um soziale Beziehungen zu pflegen. Einige schmiegten sich eng aneinander und begannen mit gegenseitiger Fellpflege, während andere eher für sich blieben. Auch hier ließ sich wunderbar die soziale Struktur dieses Rudels beobachten.

Für den Biologen war es eine Freude!
 

Während die ausgewachsenen Tiere ein wenig ausruhten, waren die Welpen jedoch unermüdlich. Der ganze Kindergarten war in Bewegung. Sie kläfften, jagten sich gegenseitig und schnappten nacheinander und einzelne von ihnen hatten offenbar kleine Nagetiere gewittert, die unter dem Schnee ihre Tunnel gegraben hatten, denn sie begannen zu buddeln, oder zu hüpfen, um dann mit Vorderpfoten und Schnauzen voran zu den kleinen Beutetieren vorzustoßen. Sie blieben erfolglos, doch nicht mehr lange, dann wären auch sie geübte Jäger.
 

Es hatte ein klein wenig zu schneien begonnen und ein Blick auf die Uhr zeigte Stiles, dass es bereits drei Uhr war. In etwa zwei Stunden würde es dämmern und Stiles war ziemlich weit rausgefahren, so dass es langsam Zeit wurde heimzukehren. Er warf noch einen letzten Blick zurück auf das Rudel und startete dann seinen Schlitten.
 

Nach etwa einer halben Stunde erblickte der Biologe einen Farbtupfer in der ansonsten weiß verschneiten Landschaft und hielt an, um nachzusehen, was das wohl sein mochte. Er war von Natur aus neugierig, aber er erhoffte sich außerdem, etwas mehr über die Wilderer herauszufinden, die sich hier herumtrieben, denn was immer dort herumlag, es war ganz eindeutig menschlichen Ursprungs!
 

Stiles stieg von seinem Schlitten herunter und lief etwa dreihundert Meter in Richtung seiner Entdeckung. Im Näherkommen erkannte er, dass es ein T-Shirt war, ganz offensichtlich für ein Mädchen gedacht, mit seinem bunten, fröhlichen Aufdruck.

Und ebenso offensichtlich nicht im Geringsten dazu geeignet, im Winter Alaskas getragen zu werden.

Stiles wollte sich gerade danach bücken, um es näher zu betrachten, als er ein metallische Klicken hörte, doch da war es auch schon zu spät.

Und mit einem Mal bestand die ganze Welt bloß noch aus Schmerz und er sah Sterne!

Die Tretfalle war von Schnee bedeckt gewesen, weshalb Stiles sie nicht hatte sehen können und nun war er in ihr gefangen.
 

Es dauerte einige Minuten, bis sich die Panik des Biologen so weit gelegt hatte, dass er einen klaren Gedanken fassen konnte: Nachsehen, wie groß der Schaden war und dann versuchen, sich irgendwie zu befreien!

Durchatmen!

Und was immer auch geschah, Bloß nicht das Bewusstsein verlieren!
 

Unter großen Schmerzen ging Stiles zu Boden und untersuchte seinen rechten Fuß, der in der Falle steckte. Seine robusten Winterstiefel hatten scheinbar das Schlimmste verhindert, denn die Zähne der Falle konnten das Material nicht durchdringen. Trotzdem bestand immer noch eine gute Chance, dass etwas gebrochen war. Außerdem pochte der Fuß heftig, während er im Schuh immer weiter anschwoll. Dem Wissenschaftler war klar, dass er sich so schnell wie möglich aus seiner misslichen Lage befreien musste. Durch das gestaute Blut könnte er eine Thrombose bekommen.

Außerdem bestand eine gute Chance, dass er hier draußen erfror, denn es war wirklich lausig kalt geworden und wenn die Dunkelheit einsetzte würde das noch schlimmer werden. Selbst seine Thermokleidung konnte ihn davor nicht ewig bewahren.
 

Und so machte Stiles sich daran zu versuchen, die Falle wieder aufzusperren.

Den kleinen Fuchs zu befreien war bereits ein Kraftakt gewesen, doch den eigenen Fuß herauszuziehen schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, denn nun kamen die eigenen Schmerzen hinzu, die ihm alle Kraft zu rauben zu schienen, sowie der ungünstige Winkel, den er einnehmen musste und die klobige Kleidung, die es ihm erschwerten, gut an die Falle heranzukommen. Stiles kämpfte über eine Stunde. Ein paar Mal war ihm dabei sogar ein wenig schwarz vor Augen geworden und mittlerweile war er trotz der Eiseskälte total verschwitzt.

Die Dämmerung hatte schon eingesetzt und wenn er es nicht schaffte, vor der Dunkelheit heimzukommen, dann würde er seinen Weg nicht finden, weil er sich bei Nacht nicht ausreichend zu Orientieren vermochte.
 

Einen Augenblick lang gab Stiles auf!

Er würde hier draußen sterben; allein, ungeliebt und von niemandem vermisst. Und im Frühjahr, nach der Schneeschmelze würden sie seinen ledrigen, verfärbten Leichnam finden. Er würde seinen Dad, Scott oder Lydia nie wieder sehen!

Ihm liefen Tränen über die Wangen, die auf seinem Gesicht gefroren.
 

Doch da erblickte Stiles etwas, was ihm schnell wieder Beine machte. Der schwarze Wolf war urplötzlich aufgetaucht, saß nun in einiger Entfernung da und betrachtete sich die Situation aufmerksam.

Stiles würde wohl nicht die Chance erhalten, als ledrige Leiche zu enden.

Er würde als Abendessen dienen!
 

Erneut machte der Mensch sich daran, zu versuchen, die Falle wieder aufzusperren, doch diesmal gaben seine Angst und Verzweiflung ihm Kraft und schließlich gelang es ihm endlich.

Jedoch hatte er keine Zeit sich lange über seinen kleinen Triumph zu freuen, denn nun hatte der Wolf begonnen, sich in Bewegung zu setzen und kam auf ihn zu!
 

Stiles versuchte aufzustehen, doch er stellte schnell fest, dass an laufen mit seien Verletzungen überhaupt nicht zu denken war, also robbte er einfach am Boden.

Sein Schlitten war bloß dreihundert Meter weit weg, doch er hätte genau so gut auf dem Mond stehen können, so langsam, wie Stiles vom Fleck kam. Und nun beschleunigte das Raubtier auch noch sein Tempo.
 

Panisch ruderte Stiles im Schnee herum, ohne sich nennenswert vom Fleck zu bewegen. Jeden Augenblick würden mächtige Reißzähne ihn im Genick packen und das einzige, wofür der Mensch jetzt noch beten könnte, war ein rasches Ende!

Sleepover

Stiles blickte sich hektisch um.

Eigentlich müsste der Wolf doch längst bei ihm sein?
 

Verblüfft stellte der Biologe fest, dass offenbar etwas anderes gerade die Aufmerksamkeit des Tieres auf sich gezogen hatte und zwar jenes bunte Kleidungsstück, welches Stiles gefunden hatte. In der Dämmerung konnte er gerade eben noch erkennen, wie der Wolf interessiert daran schnupperte, es dann behutsam ins Maul nahm und davontrug. Er trabte aus irgendeinem Grund hinüber zu Stiles Schlitten und legte das T-Shirt dort ab, kehrte dann jedoch wieder um und kam diesmal geradewegs auf den Menschen zu:
 

„Bitte tu mir nicht weh!“ flehte Stiles mit weit aufgerissenen Augen und hielt schützend die Arme vor den eigenen Körper.

Der Wolf gab einen seufzenden Laut von sich. Dann entblößte er sein gewaltiges Gebiss und startete seinen Angriff.
 

Stiles weinte vor Angst, als das Tier ihn wie erwartet im Genick packte.

Und er brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass der erwartete Schmerz ausblieb?

Der Wolf hatte Stiles lediglich an seiner Kapuze gepackt und begann nun, den Menschen hinter sich her zu zerren:
 

„Was denn, Blacky? Bist du etwa wählerisch bezüglich deiner Futterplätze?“ fragte Stiles mit zitternder Stimme.
 

Doch scheinbar hatte das Raubtier überhaupt nicht vor, ihn zu fressen. Vielmehr schien dies hier eine Art Rettungseinsatz zu werden, denn Stiles wurde hinüber zu seinem Schlitten geschleift. Dort angekommen ließ der Wolf den Menschen dann ganz einfach wieder frei.
 

Stiles hievte sich unter Schmerzen auf das Fahrzeug hinauf und sagte unsicher:

„Ich weiß nicht, warum du das getan hast und ob du vielleicht ein heimlicher Bergwacht-Bernhardiner bist, aber Danke, Großer!“

Dann blickte er sich um und stellte angesichts der Dunkelheit und des Schneetreibens fest:

„Aber ich schätze, ich werde wohl trotzdem nicht nachhause finden!“
 

Stiles hatte wenig Hoffnung, dass er eine Nacht hier draußen überstehen konnte. Wenn er nun ein Zelt gehabt hätte vielleicht, aber einfach so? Wohl kaum!

Trotzdem begann er, in seinem Rucksack zu kramen, um sich für die Nacht einzurichten. Er zog eine Thermodecke hervor und ehe er sich darin einwickelte, lockerte er noch den rechten Schnürsenkel, um seinem verletzten, stark geschwollenen Fuß ein wenig mehr Raum zu verschaffen und die Durchblutung zu gewährleisten.
 

Dann fand Stiles ein halb erfrorenes Truthahnsandwich in seiner Tasche, doch kaum hatte er es ausgewickelt, kam auch schon der Wolf zu ihm auf den Schlitten gesprungen.

Der Biologe ärgerte sich über seine eigene Dummheit!

Wie konnte er vor der Nase eines Wildtieres mit etwas zu Essen herumwedeln? Was war er? Ein blutiger Anfänger etwa?

„Also gut! Kannst es haben!“ bot er dem Wolf friedfertig an und legte es ihm vor die Pfoten.

Nur dass das Tier gar nicht an seinem Essen interessiert zu sein schien. Vielmehr schien es sich auf einen Übernachtungsbesuch bei dem Menschen einzurichten.

Einmal mehr versetzte dieses einzigartige Tier den Wissenschaftler mit seinem Handeln in komplettes Erstaunen. Natürlich waren Wölfe sehr fürsorgliche Tiere, kümmerten sich um ihre Verletzten, brachten ihnen Futter, wärmten sie mit ihren Körpern und beschützten sie, doch das bezog sich für gewöhnlich nur auf Artgenossen, oder vielmehr Mitglieder ihres Rudels!
 

Menschen hingegen waren zwar nicht im eigentlichen Sinne Beute, doch wenn sie verletzt und wehrlos waren, konnte es schon einmal vorkommen, dass sie dennoch als Spezialität auf die Speisekarte gerieten.

Das Verhalten jedenfalls, welches dieser spezielle Wolf in diesem Augenblick an den Tag legte hatte mindestens Seltenheitswert und Stiles beschloss, wenn er diese Nacht überleben sollte, würde er wohl eine Abhandlung darüber schreiben.
 

Er riss sein Sandwich in zwei Hälften und bot dem Wolf wenigstens eine davon an, doch dieser schüttelte beinahe widerwillig den Kopf:

„Schon gut! Ich will dich ja nicht vergiften!“ erklärte der Biologe erstaunt und verzehrte sein eisiges Abendbrot ganz allein. Und zum hinunterspülen gab es etwas, das Stiles Tränen der Glückseligkeit in die Augen trieb: Gesüßter Tee, welchen die Thermoskanne tatsächlich hatte heiß bleiben lassen!

Die heiße Flüssigkeit schien seine Lebensgeister wieder zu wecken und er schöpfte neuen Mut.

Vielleicht starb er heute ja doch noch nicht?
 

Stiles machte es sich auf dem Motorschlitten so bequem wie irgend möglich, bemühte sich, den pochenden Schmerz in seinem Fuß zu ignorieren, nutzte seinen Rucksack als Kissen und versucht, mit der Decke sowohl sich selbst, als auch den Wolf an seiner Seite zu bedecken. Der rückte nun auch gleich noch ein wenig näher an den Menschen heran, so dass dieser die wunderbare Wärme spüren konnte, die trotz der mörderischen Außentemperatur von dem Tier ausging. Nach ein Weile traute Stiles sich schließlich, sich wirklich an den Wolf anzukuscheln und die Arme um den großen Körper zu schlingen:

„Weißt du was?“ murmelte er in den flauschigen Pelz: „Ich werde dich Miguel nennen, denn du erinnerst mich an einen früheren Austauschschüler von mir aus Mexiko. Der hatte auch so schöne schwarze Haare.“

Der Wolf gab einen irgendwie unzufrieden klingenden Laut von sich.
 

Stiles schlief nicht viel in dieser Nacht. Dafür war es zu kalt und zu unbequem, doch irgendwie sorgte die beruhigende Nähe des großen Wolfes dafür, dass er sich beschützt und zuversichtlich fühlte. Und eigenartigerweise spürte er den Schmerz in seinem Fuß gar nicht mehr? Hoffentlich war dies kein Hinweis darauf, dass das Gewebe abstarb? Doch selbst wenn, gab es momentan nicht viel, was er dagegen tun konnte.
 

Doch nicht nur Stiles lag wach. Auch sein Wolf ruhte lediglich und der Biologe betete, dass es dem Tier nicht irgendwann zu langweilig werden würde, hier draußen bei einem kleinen, verletzten Menschlein Wache zu halten.

Einmal hörten sie in der Ferne das Heulen anderer Wölfe und Stiles neuer Freund Miguel richtete sich ruckartig auf, um zu lauschen:

„Rufen sie nach dir? Musst du weg?“ fragte der Mensch und streichelte sacht und ein wenig unbeholfen mit seiner behandschuhten Hand den großen, pelzigen Kopf.
 

Doch anstatt ihn allein zu lassen, legte sich Miguel ganz einfach wieder hin und diesmal ein wenig mehr auf, anstatt neben den Menschen. Das Tier war zwar schwer, doch Stiles wäre es nicht eingefallen, sich zu beschweren, war er so doch sogar noch ein wenig besser gegen Wind und Wetter geschützt.
 

Irgendwann in der Nacht hörte es auf zu schneien und Stiles bot sich ein atemberaubender Anblick. Die Wolken verzogen sich nach und nach und gaben die Sicht frei auf einen absolut sternenklaren Himmel. Noch nie hatte Stiles diese Fülle an Himmelskörpern auf einmal gesehen, denn für gewöhnlich schluckte das Licht der Großstadt das Meiste, so dass man allenfalls die hellsten Sterne erkennen konnte.

In diesem Augenblick jedoch hatte Stiles sogar Schwierigkeiten, die bekannten Sternbilder aus dem Durcheinander herauszulesen und je länger er in den Himmel starrte, umso mehr überkam ihn das Gefühl zu einem Teil des Ganzen zu werden; ganz so als schwebe er schwerelos durch das Universum!
 

Verlor er jetzt etwa den Verstand?
 

Es waren seine Erschöpfung und sein Nachtbewusstsein, die ihm einen Streich spielten, schalt er sich streng, schmiegte seine Wange an die pelzige Brust des Wolfes, schlang die Arme noch ein wenig enger um das Tier und schloss die Augen, um sich wieder ein wenig zu erden.

Und nach einer Weile schlief er dann tatsächlich endlich ein.
 

Als er wieder erwachte, zog gerade die Morgendämmerung herauf.

Er hatte es geschafft!

Er hatte die Nacht überlebt, ohne zu erfrieren oder von wilden Tieren gefressen zu werden. Und er wusste genau, wem er das zu verdanken hatte:

„Danke, Miguel! Das werde ich dir nie vergessen!“ flüsterte er und küsste dem Tier die pelzige Stirn.
 

Der Wolf gab einen kleinen, knurrenden Laut von sich und mit einem Mal sah es aus, als würde er mit den Augen rollen, doch das musste selbstverständlich eine Täuschung sein, denn so etwas taten Wölfe nun einmal nicht.
 

Miguel harrte noch eine halbe Stunde bei Stiles aus und gerade, als es hell genug wurde, dass dieser seinen Heimweg antreten konnte erhob sich der Wolf, schnappte sich das T-Shirt, welches er gestern vor dem Schneetreiben in Sicherheit gebracht hatte und verschwand damit ganz einfach, ohne sich noch einmal umzuwenden.
 

Stiles starrte ihm kopfschüttelnd hinterher. Was war nur das Besondere an diesem Tier, dass es sich derart artuntypisch verhielt?

Vermutlich würde er es nie erfahren.
 

Der Wissenschaftler sprach ein kleines Gebet, dass sein Motor anspringen möge und es wirkte tatsächlich, denn das Fahrzeug startete mühelos gleich beim ersten Versuch und so machte Stiles sich so schnell er konnte auf den Weg zurück zu seiner Forschungsstation.
 

Die Schmerzen im Fuß kehrten irgendwann zurück und bei seiner Ankunft war Stiles sich nicht sicher, ob er wohl laufen können würde. Er parkte den Schlitten, atmete tief durch und stellte sich dann auf. Es tat verdammt weh, als er den verletzten Fuß belastete, aber es ging und so humpelte er wild fluchend hinüber zum Haus.
 

Als erstes heizte er hier gründlich ein und anschließend nahm er den Schaden, welchen sein Fuß genommen hatte in Augenschein. Erleichtert stellte er fest, dass dieser zwar grün, blau und heftig geschwollen war, doch immerhin schien nichts gebrochen oder gerissen zu sein, denn er ließ sich in alle Richtungen bewegen, auch wenn dies Schmerzen verursachte.

Stiles verarztete sich selbst mit Sportsalbe und einem stützenden Verband und fertigte sich dann eine improvisierte Krücke aus einem Besenstiel.
 

Sein nächster Weg führte ihn in die Küche, denn er war vollkommen ausgehungert. Er hatte nicht die Geduld, sich eine richtige Mahlzeit zu machen. Er verschlang Büchsenfleisch und Pfirsiche direkt aus der Dose, wie ein Tier und dazu gab es Knäckebrot und eine Tafel Bitterschokolade. Er hatte sich einen Kaffee bereitet und kippte die schwarze Brühe viel zu heiß hinunter, weil ihm die Wärme so guttat.
 

Seltsamerweise hatte er da draußen in der eisigen Polarnacht nicht gezittert, doch seit er wieder hier im Haus war, konnte er nicht aufhören mit den Zähnen zu klappern.

Er war ganz einfach bis ins Innerste durchgefroren!

Nach dem Essen wickelte sich Stiles also in eine warme Decke und setzte sich vor den Computer. Das Wetter war klar und so hatte er möglicherweise eine Chance auf eine Internetverbindung, denn es gab da jemanden, mit dem er unbedingt skypen wollte, zum einen weil er ihn wie wahnsinnig vermisste, aber auch, weil er seine Meinung hören wollte.
 

„Brooo....!“ rief Scott auf dieselbe warmherzige Art, wie er es immer tat und Stiles hätte beinahe zu heulen angefangen: „Wie geht es dir Mann? Was machst du? Kommst du gut voran? Ich bin so froh, dass dich bislang noch kein Eisbär gefressen hat!“
 

Stiles strahlte:

„Ich liebe dich, Mann. Weißt du das eigentlich?“
 

Scott sah mit einem Mal besorgt aus:

„Ja, weiß ich! Ich liebe dich auch und nun raus mit der Sprache! Was ist mit dir los? Irgendwas stimmt doch nicht! Erzähl mir alles!“
 

Und so begann Stiles zu erzählen und ließ nichts aus, obwohl er vollkommen erschöpft war. Am Ende fragte er:

„Und? Was denkst du?“
 

Scott raufte sich die Haare:

„Ich denke, du solltest dich unbedingt von diesen Wilderern fernhalten! Ich denke außerdem, du solltest zu einem richtigen Arzt gehen, der sich deinen Fuß anschaut. Außerdem mache ich mir ein bisschen Sorgen um deinen Geisteszustand! Was du da über diesen Wolf erzählst, klingt total verrückt! Allein schon, was du über seine Größe sagst. Es gibt keine riesigen Hundert-Kilo-Wölfe! Und dann die anderen Dinge! Er schaut in eine Kamera? Er rettet erst einem Fuchs und dann auch noch dir das Leben? Jedes Raubtier mit ein bisschen Selbstachtung hätte dich gefressen! Bist du sicher, dass du dir das alles nicht bloß einbildest, weil dich die Einsamkeit da draußen fertig macht, oder so?“
 

Natürlich musste Scott als Tierarzt das ganze eigenartig vorkommen, aber musste er deswegen gleich an seinem Verstand zweifeln?

„Hey! Ich bin doch kein sabbernder Spinner!“ beschwerte sich Stiles: „Alles, was ich sage, ist genau so passiert! Und wenn dieser Wolf nicht gewesen wäre, dann hätte ich die letzte Nacht auf keinen Fall überlebt! Ich schicke dir einfach die Filmaufnahme, die ich von dem Tier habe und dann kannst du mir sagen, was du davon hältst! Und ich übertreibe nicht, was es seine Größe betrifft! Ich denke, er ist möglicherweise eine Hund-Wolf-Kreuzung, oder so? Und außerdem schätze ich, dass er einmal jemandem gehört haben muss. Er scheint ja an Menschen gewöhnt zu sein und sie als seinesgleichen anzusehen, denn sonst hätte er mir doch nicht geholfen!“
 

„Das ist trotzdem eine ziemlich ungewöhnliche Geschichte, die du mir da erzählst!“ stellte Scott fest: „Du siehst müde aus, Kumpel! Vielleicht solltest du dich erst einmal schlafen legen.“
 

Stiles nickte:

„Das mache ich auch gleich, aber erzähl´ mir erst nach ein bisschen von zuhause! Wie geht es Allison und meinem Patenkind? Hast du kürzlich mit deiner Mum oder meinem Dad gesprochen. Was machen die beiden?“
 

Und so berichtete Scott ausgiebig von Zuhause: Der kleine Liam habe vor ein paar Tagen seine ersten Schritte gemacht, Melissa McCall hatte scheinbar beschlossen Sheriff Stilinski endlich zu erhören, denn sie seien vorgestern miteinander essen gewesen und Allison dachte darüber nach, Liam im Kindergarten anzumelden, um wieder arbeiten gehen zu können.
 

Stiles bekam Heimweh, als er den Geschichten von Zuhause lauschte und irgendwann traute er sich zu fragen:

„Und Lydia? Was macht sie?“
 

Scott zog die Stirn kraus:

„Alter! Wir hatten doch abgemacht, dass du Abstand gewinnst und wir nicht über sie sprechen!“
 

„Nun Spuck´s schon aus! Ich ertrage es schon!“ beharrte Stiles und schließlich gab Scott nach:
 

„Jackson und sie haben sich verlobt!“
 

Stiles traf es wie eine Faust im Magen:

„Schön!“ murmelte er: „Das ist doch schön! Ich freue mich für sie!“
 

„Tust du nicht!“ erkannte Scott: „Doch du solltest es nicht so schwer nehmen! Das mit euch beiden sollte einfach nicht sein. Du findest jemand anderen; einen Menschen, der besser zu dir passt! Sobald du wieder zuhause bist, gehen wir auf die Piste! Ich werde dein Wingman sein. Das wird toll!“
 

Stiles zuckte müde mit den Achseln:

„Wenn du meinst!“ erwiderte er unverbindlich: „Ich muss ins Bett!“
 

„Pass´ auf dich auf, Bro! Komm´ gesund und munter wieder nachhause! Du fehlst mir!“ sagte Scott und blinzelte ihn mit den süßen Knopfaugen an:
 

„Du fehlst mir auch, Scotty!“ versicherte Stiles: „Ich melde mich bald wieder, in Ordnung?“

Und damit beendete er das Gespräch.
 

Er humpelte hinüber in sein Bett, wo er beinahe im selben Moment einschlief, da sein Kopf das Kissen berührte.
 

Und er träumte von einem Mädchen mit langen, dunklen Haaren, in einem bunt bedruckten T-Shirt, welches an der Seite eines großen, schwarzen Wolfes durch verschneite Landschaften lief.

Delivery

Stiles wurde irgendwann mitten am Tag wieder wach, weil er vor dem Haus ein lautes Geräusch vernahm. Sofort saß er aufrecht im Bett, als ihm klar wurde, dass dies ein Motorschlitten war.

Sein erster Gedanke war, dass die Wilder ihn gefunden haben mussten und ihn nun als Zeugen aus dem Weg räumen wollten!

Er sprang aus dem Bett, vergaß dabei natürlich seinen verletzten Fuß und schlug als erstes Mal der Länge nach hin! Fluchend rappelte er sich wieder auf und vernahm ein Klopfen an der Tür.

Das waren aber höfliche Halsabschneider, die sich sogar die Mühe machten, zuvor anzuklopfen?

Stiles angelte nach seiner behelfsmäßigen Krücke, nahm seine Schreckschusspistole in die andere Hand und humpelte zum Eingang.
 

Es waren keine Wilderer an seiner Tür. Stattdessen stand da ein gutaussehender, hochgewachsener Mann in Stiles Alter und lächelte schüchtern in den Lauf der Waffe:

„Sie haben eine Pizza bestellt, Sir?“ fragte er zwinkernd.
 

„Huh?“ machte Stiles dümmlich und wurde sich mit einem Mal bewusst, wie er wohl aussehen musste; verschlafen, ungewaschen, einbeinig, zottelhaarig und bewaffnet wie er war:

„Bist du vielleicht der Typ, der meine Lieferung bringt?“ fragte er ein wenig griesgrämiger, als beabsichtigt und legte die Pistole beiseite.
 

Der Fremde lachte und bestätigte:

„Ja, der bin ich, aber wenn dir das zu umständlich ist, kannst du mich auch Danny nennen! Du bist Stiles, oder? Ich soll dich von Barney und seinen tausend Händen grüßen!“
 

Stiles schüttelte sich unwillkürlich und Danny lachte erneut:

„Also hast du bereits mit seinen flinken, ungewaschenen Fingerchen Bekanntschaft gemacht, richtig? Hätte ich mir denken können. Willkommen im Club!“
 

Der Biologe konnte irgendwie gar nicht anders, als den Fremden mit dem attraktiven, gutmütigen Gesicht zu mögen.

Dann fiel ihm auf, dass er den armen Kerl ja immer noch auf der Türschwelle warten ließ:

„Sorry!“ murmelte er ein wenig verlegen: „Ich ziehe mir nur schnell etwas über und dann helfe ich dir beim hineintragen.“
 

Der Lieferant warf einen Blick auf das Hinkebein und erwiderte dann kopfschüttelnd:

„Ich denke, das lassen wir wohl besser sein. Ich schaffe das auch allein. Aber ich hätte anschließend nichts gegen einen Kaffee als Dankeschön einzuwenden!“
 

„Wie...? Uhm... Kaffee?“ stammelte Stiles.

Verdammt, was war denn los mit ihm? Er benahm sich ja wie der letzte Mensch! Er musste jetzt endlich mal richtig wach werden:

„Sicher bekommst du einen Kaffee!“ versprach er und zeigte Danny, wo er alles hinstellen konnte, schaltete dann die Kaffeemaschine an und verschwand kurz im Badezimmer.
 

Als er wieder einigermaßen manierlich aussehend das Bad wieder verließ, war auch Danny gerade damit fertig, die Sachen ins Haus zu tragen und erklärte:

„Hast du eigentlich schon eine Liste für´s nächste Mal gemacht?“
 

Stiles schenkte für sie beide einen Kaffee ein und erwiderte dann bedauernd:

„Ich habe ehrlich gesagt erst in ein paar Tagen mit dir gerechnet. Hast du noch ein bisschen Zeit?“
 

„Hier draußen ist alles vom Wetter abhängig, deswegen bin ich ein paar Tage zu früh dran. Aber ich habe tatsächlich jede Menge Zeit, denn du bist der letzte auf meiner Liefertour. Niemand anders ist sonst noch so weit draußen stationiert.“
 

Stiles machte sich eine geistige Notiz, dass dies wohl bedeuten musste, dass seine Wilderer vermutlich Selbstversorger waren, die entweder von der Jagd lebten, oder selbst in die Stadt fuhren, um sich mit allem einzudecken, was sie brauchten:
 

„Soll ich mir vielleicht mal deinen Fuß anschauen?“ fragte Danny in Stiles Gedanken hinein, welcher ihn daraufhin, irritiert anschaute.

Danny lachte, denn das war etwas, dass er offensichtlich viel und gern tat und er versicherte:

„Nein, keine Angst; ich bin kein Fetischist, bloß ein Rettungssanitäter.“
 

„Ehrlich?“ fragte Stiles verblüfft:
 

„So weit ab der Zivilisation muss eben jeder von uns mehrere Talente haben.“ gab Danny achselzuckend zurück: „Das ist nicht wie in der Großstadt, wo die ganzen Spezialisten dicht auf dicht sitzen. Ich kann dir auch einen Motor reparieren, ein Dach decken und einer Maus auf halbe Meile Entfernung ins Auge schießen. Allerdings verwende ich dazu nicht so ein Spielzeug, wie das, mit dem du mich vorhin an der Tür begrüßt hast. Und außerdem bin ich noch ein höllisch guter Lacrosse-Spieler!“
 

Stiles grinste und nahm seinen Verband ab:

„Ich habe in der Highschool auch Lacrosse gespielt. Ich war allerdings lausig und habe mit meinem Hintern meistens die Bank gewärmt.“
 

„Zu schade!“ erwiderte Danny mit einem kleinen Grinsen und Stiles hatte keine Ahnung, wie er das wohl meinen mochte, doch ehe er fragen konnte, hatte der Sanitäter sich auch schon vor ihn hingekniet, hatte seinen Fuß in die Hände genommen und bewegte ihn in verschiedene Richtungen was den Biologen laut aufjaulen ließ:
 

„Sieht böse aus!“ kommentierte Danny ungerührt: „Wie hast du das denn hingekriegt?“
 

Stiles deutete auf die Tierfallen, die in einer Ecke des Raumes auf einem Haufen lagen:

„Ich bin in so ein Ding hineingetreten. Hast du vielleicht eine Ahnung, wer diesen Mist hier in der Gegend auslegt?“
 

Danny schüttelte den Kopf:

„Hier hat es immer schon Jäger gegeben. Die Jagdbeschränkungen und Verbote haben daran leider nicht viel ändern können. Und die Wildhüter sind meiner Meinung nach nicht konsequent genug, um dem Einhalt zu gebieten. Du hast verdammtes Glück gehabt, Stiles! Dein Fuß scheint nicht ernsthaft etwas abbekommen zu haben. Aber wie hast du es bloß geschafft, dich allein wieder zu befreien und da draußen anschließend nicht zu erfrieren und zu verrecken?“
 

„Diese Geschichte würdest du mir ohnehin nicht glauben!“ erwiderte Stiles.
 

Danny blickte ihn erwartungsvoll an, doch der Wissenschaftler hatte nicht die Absicht, darauf näher einzugehen, denn wenn sein bester Freund ihm schon nicht hatte glauben wollen, dann würde dieser Naturbursche ihn doch erst recht auslachen! Riesenwölfe die Menschen retteten? Stiles würde es ja auch nicht glauben, wenn es ihm nicht selbst passiert wäre!

Stattdessen fragte er:

„Wie wär´s, wenn du zum Essen bleibst, Danny? Ich habe seit einer Ewigkeit keinen realen Menschen mehr gesehen und hätte nichts gegen ein bisschen nette Gesellschaft.“
 

Ehe der Angesprochene antwortete, warf er einen Blick auf die Uhr und aus dem Fenster:

„Da draußen braut sich was zusammen!“ stellte er fest: „Wenn ich jetzt sofort aufbreche, habe ich vielleicht noch die Chance, einigermaßen unbeschadet und im Hellen heimzukommen. Oder ich gerate mitten hinein und das hasse ich.“ Danny machte eine nachdenkliche Pause: „Also wenn du auch nichts dagegen hast, dass ich auch über Nacht bleibe...?“
 

Stiles blickte ebenfalls aus dem Fenster, doch er sah dort lediglich Sonnenschein.

Er hatte zwar nicht den Eindruck, dass das Wetter umschlagen könnte, aber er hatte auch absolut nichts gegen einen Übernachtungsgast. Dieser Danny war eine angenehme Gesellschaft und wenn Stiles ehrlich war, dann fing die Einsamkeit hier draußen langsam an, ihm an die Substanz zu gehen, also antwortete er:

„Nein, kein Problem; sei mein Gast! Aber wirst du denn nicht erwartet? Von einer Frau, oder Freundin, oder so?“
 

Danny grinste:

„Also erstens bin ich Single. Und zweitens bin ich schwul. Steht deine Einladung trotzdem weiterhin?“
 

„Sicher!“ erwiderte Stiles schnell und kniff die Augen zusammen.

Wofür hielt dieser Danny ihn denn? Für irgend so einen homophoben Bauern etwa? Immerhin war sein bester Freund nach Scott ebenfalls schwul! Mason und er hatten sich im Studium kennengelernt und waren sofort ein Herz und eine Seele gewesen. Und als Mason und Corey im letzten Jahr geheiratet hatten, war Stiles sogar sein Trauzeuge gewesen.

Er widerstand jedoch der Versuchung, diesem Danny das alles zu erzählen, weil er nicht klingen wollte, als rechtfertige er sich. Stattdessen fragte er:

„Ist das hier draußen denn gar nicht schwierig? Akzeptieren die Leute dich? Und was ist mit der Partnerwahl? Die Auswahl ist hier doch sicherlich ziemlich eingeschränkt, oder nicht?“
 

Danny zuckte mit den Schultern:

„In so einer kleinen Gemeinschaft müssen die Leute einfach zusammenhalten. Jeder ist auf den anderen angewiesen und man kann es sich nicht erlauben, jemanden aus kleinlichen Gründen auszuschließen. Die meisten scheren sich nicht drum, was ich im Schlafzimmer treibe. Ich schätze, sie vermeiden es einfach, darüber nachzudenken und dann geht’s. Der einzige, der hin und wieder stänkert, ist unser lieber Bürgermeister, der fabelhafte „Barney“ Barnes, aber auch nur, weil ich sein Geheimnis kenne, denn immerhin ist er mir schon ein paar Dutzend Mal auf die Pelle gerückt, wenn er nicht mehr ganz nüchtern war. Ich sage dir, die Schrankschwestern sind die schlimmsten! Aber ich habe eine wirklich gute Freundin, die immer auf mich aufpasst und mir den Rücken stärkt. Ihr gehört das Diner bei uns im Ort!“
 

„Emma ist Klasse!“ unterbrach Stiles seinen Gast grinsend:
 

„Ihr habt euch also kennengelernt?“ fragte Danny überrascht und stimmte dann zu: „Ja, Emma ist die Beste. Ein Fels in der Brandung! Auf sie kann man sich immer verlassen. Und was die Frage der Partnerwahl angeht... ich fühle mich noch gar nicht im heiratsfähigen Alter. Ich will mich noch ein bisschen amüsieren. Und ob du es glaubst oder nicht, ich komme hier draußen voll und ganz auf meine Kosten! Da sind die Jungs von der Bleimine, ein paar Durchreisende... es findet sich eigentlich immer jemand für die langen kalten Winterabende. Und die Kerle hier draußen sind auch eher mein Fall, als die ganzen verweichlichten Großstadt-Prinzessinnen.“ Dann schob er rasch hinterher: „Nimm´s nicht persönlich, Stiles!“
 

Stiles hatte damit begonnen in verschiedenen Schränken zu kramen und Zutaten zusammen zu suchen. Nun hob er ruckartig den Kopf:

„Wie? Was? Uhm...schon okay!“ erwiderte er und schwankte dabei hin und her zwischen Amüsiertheit und den sich Unterschätztfühlen. Immerhin war er doch jetzt ganz allein hier draußen und er kam klar, oder etwa nicht?

Der Biologe beschloss dann jedoch, großzügig darüber hinweg zu gehen und das Thema zu wechseln, indem er fragte:

„Was hältst du von Pasta Tonnato, Danny?“

Dabei hoffte er inständig, dass der Menüvorschlag männlich genug für den harten Kerl sein mochte:
 

„Ich liebe Thunfisch!“ erwiderte Danny entzückt: „Klingt toll! Kann ich dir helfen?“
 

Stiles schüttelte den Kopf:

„Nicht nötig.“ versicherte er: „Ich kann ja ohnehin nicht viel mehr tun, als ein paar Konserven aufmachen, weil´s hier draußen kaum etwas Frisches gibt. Keine große Kunst also!“

Der Biologe stellte das Nudelwasser auf, schälte und würfelte eine große Zwiebel, hackte grob ein paar Sardellen und Kapern und schmorte das Ganze kurz, ehe er Dosenthunfisch, passierte Tomaten, haltbare Sahne und einige Gewürze hinzugab.

Es mochte zwar bloß ein einfaches Gericht aus Fertigzutaten sein, aber es war dennoch köstlich und Danny witzelte nach dem Essen:

„Perfekt! Nun kannst du heiraten!“
 

„Ich lebe in Scheidung!“ erwiderte Stiles shlagartig niedergeschlagen.
 

Danny tätschelte ihm mitfühlend den Arm und versicherte:

„Tut mir echt leid! Ich wollte keine Wunden aufreißen. Willst du vielleicht darüber reden?“
 

Stiles schüttelte den Kopf und stellte die leeren Teller zusammen:

„Nein, ich möchte an diese Sache am liebsten gar nicht mehr denken! Wie wär´s, wenn wir einen Film anschauen, oder so? Magst du Monty Python?“
 

Danny grinste breit:

„Darauf kannst du wetten!“
 

Stiles servierte also eine Dose Erdnüsse und dazu Wodka, den ein früheres Forschungsteam hier vergessen hatte und den er neulich zufällig beim herumstöbern gefunden hatte.

Und während die beiden Männer sich ein Doublefeature bestehend aus `Der Sinn des Lebens´ und `Das Leben des Brian´ anschauten, zog tatsächlich ein heftiger Sturm, begleitet von wildem Schneetreiben auf, wie Danny es prophezeit hatte. Seit seiner Ankunft hatte Stiles noch keine Sturmböen wie heute erlebt. Es war bloß gut, dass Danny bei ihm geblieben war.
 

Nachdem die kleine Heimkinovorstellung beendet und die beiden Zuschauer schon ziemlich betrunken waren, war Stiles aus irgendeinem Grund in redseliger und schwermütiger Stimmung und wollte nun doch noch über das grandiose Scheitern seiner Ehe sprechen:
 

„Lydia war meine erste große Liebe, weissu?“ lallte er: „Sie war so ssüß! Wir warn damals im selbn Kindergarten!“

Und nun berichtete Stiles in epischer Breite, wie er nach einer Ewigkeit des Werbens doch noch das Herz der großartigen Lydia Martin hatte gewinnen können und wie sie am Ende sogar seinen Heiratsantrag angenommen hatte.

„Und nu is sie mit dieser hässlichen Echse Jackson zusammen!“ murrte Stiles und verschränkte unzufrieden die Arme vor der Brust: „Sie war die Einzige für mich! Ich hab´ nie ´ne Andere geküsst. Erbärmlich was? Abba es hatte ja auch nie eine Andere Interesse!“ erklärte Stiles selbstmitleidig. Dann rappelte er sich mühsam auf, setzte sich aufrichtig hin, blickte Danny geradewegs in die Augen und wollte von ihm wissen:

„Du als Schwuler kannstes doch beurteilen? Bin ich irgendwie widerlich, oder so? Stimmt irgendwas nicht mit mir?“
 

Der Angesprochene rollte mit den Augen:

„Ehrlich, Stiles?“ fragte er: „Soll ich dir auf diese Frage wirklich antworten? Hast du es echt so nötig?“
 

„Ja, hab ich! Und nun sag´ schon!“ beharrte Stiles und stierte sein Gegenüber mit vom Suff glasigen Augen an: „Bin ich attraktiv? So aus der schwulen Perspektive?“
 

Danny holte tief Luft und erklärte dann:

„Wenn du wirklich seit dem Kindergarten immer nur Augen für dasselbe Mädchen gehabt hast, dann ist es doch kein Wunder, dass keine Andere jemals etwas bei dir versucht hat, habe ich recht? Und nun zu deiner Frage: So weit ich sehen kann, ist doch wirklich alles mit dir in bester Ordnung, also mach´ dir keine Gedanken! Du bist süß, lustig, nett, kannst gut kochen... ! Du könntest vielleicht ein bisschen mehr auf den Rippen vertragen, aber sonst...?“
 

„Danke!“ seufzte Stiles, schüttete ein weiteres Glas Wodka in einem Zug herunter und lehnte sich dümmlich grinsend an Dannys Schulter.

Das hatte er wirklich dringend hören müssen, denn diese Trennung von Lydia hatte ihm nicht bloß das Herz gebrochen, es hatte auch seinem ohnehin nicht allzu gefestigten Selbstvertrauen schweren Schaden zugefügt.
 

Und Stiles hatte eigentlich keine richtige Erklärung für das, was als nächstes geschah.

Er war sich ja nicht einmal sicher, wer eigentlich damit angefangen hatte, doch nun lagen Danny und er einander in den Armen und küssten sich wild und leidenschaftlich.
 

Und das Eigenartige war, dass Stiles es großartig fand!

Noch besser wäre es gewesen, wenn Lydia ihn so sehen könnte!

Hangover

`Fuuuck!´ schoss es Stiles am nächsten Morgen als erstes und ungefiltert durch den Kopf, als er im Erwachen realisierte, in welcher Lage er sich gerade befand.
 

Sein Kopf lag auf der Brust von Danny.

Auf der NACKTEN Brust von Danny!

Und auch Stiles selbst hatte sein T-Shirt nicht mehr an!

Anstatt dessen waren er und der andere Mann bis oben hin in Wolldecken eingewickelt.
 

Was zur Hölle war denn hier passiert?
 

Stiles langte vorsichtig nach unten, um Danny nicht zu wecken und stellte dann erleichtert fest, dass sie wenigstens beide noch Hosen trugen.

Gott sei Dank!
 

Als der Biologe nun versuchte, vorsichtig aufzustehen, geschahen zeitgleich zwei Dinge; erstens wachte nun auch Danny auf und zweitens brach sowohl in Stiles Kopf als auch in seinem Magen ein unglaubliches Inferno los. Er humpelte los und schaffte es gerade noch rechtzeitig zur Toilette.
 

Danny war ihm gefolgt und erkundigte sich:

„Und? Geht´s wieder, Kumpel?“
 

Der Naturbursche mit Modelqualitäten sah dabei natürlich aus, wie aus dem Ei gepellt, während Stiles selbst sich fühlte, wie von einem großen Tier erst tüchtig durchgekaut und am Ende dann doch wieder im hohen Bogen ausgespuckt:

„Mir geht’s spitze!“ behauptete der Biologe und umarmte die Kloschüssel wie einen guten Freund.
 

Danny lachte:

„Ich werde dir einen starken Kaffee machen. Hast du irgendwo Aspirin?“
 

Stiles nickte und beschrieb seinem Gast, wo er alles fand, bevor er seinen Mageninhalt ein weiteres Mal im Strahl in die Keramik kübelte.
 

„Ich hoffe, dass hier ist kein Kommentar zu dem, was gestern zwischen uns vorgefallen ist!“ erkundigte sich Danny und hielt Stiles zwei Schmerztabletten und ein Glas Wasser entgegen.
 

Stiles nahm die Tabletten, betätigte die Klospülung und rappelte sich mühsam hoch:

„Eigentlich ist es meine Antwort auf viel zu viel Wodka.“ erwiderte er Stiles, wusch sich das Gesicht und spülte seinen Mund gründlich aus:

„Aber wo du es schon ansprichst... was ist denn eigentlich ganz genau passiert?“
 

„Du erinnerst dich nicht mehr?“ wollte Danny wissen.
 

Stiles dachte eine Weile nach und erwiderte dann errötend:

„Also, ich erinnere mich noch daran, dass ich dir etwas von meiner Ehe vorgeheult habe, die ich vor die Wand gefahren habe und auch daran, dass wir uns dann irgendwie geküsst haben.“
 

„Na siehst du! Dann weißt du doch noch alles!“ erwiderte Danny schulterzuckend.
 

Stiles versuchte mithilfe eines Kamms und ein wenig Wasser seine wirren Haare zu so etwas Ähnlichem wie einer Frisur zu formen und fragte schüchtern:

„Das heißt, wir haben nicht... du weißt schon?“
 

Danny kicherte vergnügt:

„Fragst du mich gerade, ob wir gevögelt haben? Nein, Stiles! Haben wir nicht! Du kannst ganz entspannt sein. Wir haben bloß ein bisschen geknutscht, das war alles. Du kannst also immer noch behaupten, dass du ein aufrechter Hetero bist, dessen Lippen sich im Suff ein klein wenig verirrt haben.“
 

Stiles blinzelte seinen Gast skeptisch an und wollte dann wissen:

„Aber warum sind wir obenrum nackt?“
 

Dannys Grinsen wurde breiter:

„Du wolltest Bauchmuskeln vergleichen. Hast behauptet, deine wären besser als meine.“
 

Unwillkürlich schlang Stiles seine Arme um seinen mageren Oberkörper:

„Das habe ich behauptet?“ fragte er verlegen: „Dann war ich wohl wirklich ziemlich betrunken.“
 

„Warst du!“ bestätigte der Angesprochene gutmütig:
 

„Mir tut das alles wahnsinnig leid! Was musst du von mir denken?“ fragte Stiles unglücklich und zog sich obenherum rasch wieder etwas über.
 

Danny klopfte ihm auf die Schulter und versicherte:

„Zwischen uns beiden ist alles in bester Ordnung! Ich finde, du bist echt ein netter Kerl und die Liebe kann einen nun einmal beuteln. Und manchmal hilft da eben bloß noch Wodka! Das mit deiner Ehe scheint wirklich übel gewesen zu sein. Genau das ist auch der Grund, warum ich Single bleiben will. Eigentlich ist es sogar die Ursache dafür, dass es mich hierher nach Alaska verschlagen hat, aber das ist eine Geschichte, die ich dir heute nicht erzählen werde, sondern höchstens dann, wenn wir Zwei mal wieder viel zu betrunken sind. Ich will damit bloß sagen, ich verstehe dich, Stiles! Und übrigens: Für jemanden, der in seinem bisherigen Leben erst eine einzige Person geküsst hat, bist du eigentlich ganz gut!“

Stiles brach stöhnend in einem Stuhl zusammen und verbarg sein Gesicht hinter seinen Händen und so fügte Danny hinzu:

„Ich kann auf der Stelle hier verschwinden, wenn du dich damit besser fühlst? Ich würde mich nur gern rasch noch ein bisschen frisch machen, wenn das in Ordnung ist?“
 

„Ach Quatsch! Bitte bleib, solange du willst!“ erwiderte Stiles schnell: „Es gibt keinen Grund zur Eile! Ich schäme mich doch bloß. Aber du bekommst erst einmal ein vernünftiges Frühstück von mir.“
 

„Du hast wirklich keinen Grund, dich zu schämen!“ bekräftigte Danny noch einmal: „Lass´ uns diese ganze Sache einfach vergessen. Es spielt doch überhaupt keine Rolle, ehrlich“
 

Stiles nickte unsicher:

„Einverstanden! Und was willst du zum Frühstück, Danny. Ich hätte Lust auf Eier, Speck, Bohnen und Toast, auch wenn ich nicht sicher bin, was mein Magen dazu sagt.“
 

„Klingt großartig! Und ich wette, dass es dir guttun wird!“ erwiderte sein Gast und verschwand dann im Bad, während Stiles in der Küche werkelte.
 

Es funktionierte tatsächlich; die beiden Männer saßen eine Weile später am Esstisch, lachten und redeten, wie alte Freunde, ihre betrunkene Knutscherei der vergangenen Nacht spielte keine Rolle mehr und Stiles war überrascht, wie gut sein Magen das schwere, fettige Frühstück vertrug. Die Mahlzeit wirkte beinahe wie ein Lebenselixier für Körper und Seele.

Und überdies schmeckte es in netter Gesellschaft einfach auch viel besser.
 

Stiles wurde klar, dass er ein wenig einsam war.
 

Das Wetter hatte sich beruhigt und so machte Danny sich nach der Mahlzeit zum Aufbruch bereit. Er ließ Stiles seine Telefonnummer da, falls dieser einfach mal quatschen wollte, nahm die Einkaufsliste für das nächste Mal an sich, versprach in etwa zwei Wochen wieder da zu sein und nahm Stiles das Versprechen ab, gut auf sich aufzupassen. Dann fegte er den Neuschnee von seinem Schlitten und brauste los.
 

Stiles winkte und blickte Danny hinterher, bis dieser am Horizont verschwunden war und hatte dabei ein eigenartiges Gefühl im Bauch.
 

Wieder allein!
 

Gerade, als er ins Haus zurückkehren wollte, vernahm er von dessen Rückseite ein eigenartiges, schabendes, kratzendes Geräusch. Vorsichtig schlich der Biologe um das Gebäude herum, um nachzusehen. Wie viele Häuser in Alaska war auch die Forschungsstation auf Pfählen einige Zentimeter über dem Boden errichtet, als Schutz gegen die Kälte und das Schmelzwasser im Frühjahr. Und Stiles kam gerade rechtzeitig dazu, um zu erkennen, wie sein großer, schwarzer Lebensretter mit dem Hintern voran und wenig elegant unter dem Gebäude hervorgekrochen kam, unter welches er sich ganz offensichtlich von Stiles unbemerkt eine Schlafhöhle gegraben hatte:
 

„Hey, Miguel! Da bist du ja!“ begrüßte der Mensch ihn freudig.
 

Daraufhin drehte der Wolf sich nach ihm um und nahm ihn mit seinen grünen Augen genauestens ins Visiser, gab bloß ein verächtlich klingendes Schnauben von sich, wandte sich um und schritt dann mit würdevollen Schritten davon.
 

„Was ist denn mit dir los?“ fragte Stiles hinter ihm her: „Magst du mich nicht mehr? Ich dachte, wir wären Freunde? Jetzt warte doch mal!“

Er stolperte durch den hohen Schnee hinter dem Tier her, welches daraufhin sein Tempo beschleunigte und schon bald mit eleganten Sprüngen in einem nahegelegenen Wäldchen verschwunden war:
 

„Dann eben nicht, du blöder Köter!“ rief der Biologe ihm ein wenig gekränkt hinterher und kehrte ins warme, gemütliche Haus zurück, um seinen Fuß hochzulegen, welchem die kleine, morgendliche Wolfsjagd nicht allzu gut getan hatte.
 

Angesichts seines schmerzenden Fußes und seines immer noch spürbaren Katers beschloss Stiles, sich selbst heute einmal komplett freizugeben. Und so brachte er den halben Tag vor dem Fernseher zu, verleibte sich die Schokolade ein, welche Danny gestern geliefert hatte und fühlte sich wie damals als Teenager, an einem faulen, gemütlichen Sonntag.

Zwischendurch bereitete Stiles sich ein schnelles Mittagessen, sang dazu in bester Katy-Perry-Marnier `I kissed a boy and I liked it...´ und hörte in seinem Geiste die Stimme von Scott, die ihm mitteilte: „Bro, du bist SOO PEINLICH!“

Am Nachmittag betrat Stiles den Kraftraum, um zum ersten Mal seit seiner Ankunft ernsthaft darin zu trainieren. Der Anblick von Dannys Waschbrettbauch hatte ihn irgendwie angespornt, auch mal ein bisschen mehr für sich zu tun.

Abends ging Stiles dann früh zu Bett, mit dem festen Vorsatz, dass ab morgen Schluss wäre mit dem Lotterleben!

Dann würde hier endlich mal wieder richtig gearbeitet werden!
 

Und so geschah es dann auch. Der Bluterguss am Fuß des Wissenschaftlers hatte die Farbe gewechselt von einem beinahe schwarzen violett als die Verletzung noch ganz frisch war, über ein schimmeliges grün, bis hin zu einem vielversprechend-blassen, fleckigen gelb-braun am heutigen Morgen. Stiles stand aus dem Bett auf und stellte erfreut fest, dass er beim Laufen kaum noch Ähnlichkeit hatte mit dem Glöckner von Notre Dame, welcher Esmeralda den Glockenturm hinauf zu jagen versuchte. Das Wetter war ebenfalls gut und so gab es wirklich keine Ausrede für ihn, nicht hinauszufahren und da draußen seine Arbeit zu verrichten, für die er die weite Reise auf sich genommen hatte.
 

Die nächsten Tage verliefen relativ ereignislos. Der Biologe startete morgens zu seinen Expeditionen und hatte mittlerweile eine recht genaue Vorstellung von den Reviergrenzen der verschiedenen Rudel in der Gegend; kannte ihre Jagdgebiete und ihre Rastplätze und wie es schien, hatten sich die Tiere mittlerweile an den neugierigen menschlichen Spion in ihrer Nähe gewöhnt, denn sie beachteten in überhaupt nicht mehr.

Stiles hatte inzwischen noch ein paar weitere Kameras aufgestellt und wertete in den Abendstunden das Bildmaterial aus, oder schrieb seine Berichte, um diese dann an seine Kollegen in der Universität zu verschicken.
 

Den schwarzen Wolf hatte Stiles allerdings überhaupt nicht mehr gesehen. Der Wissenschaftler checkte sogar mehrmals täglich die Schlafhöhle unter seinem Haus, doch Miguel blieb bedauerlicherweise verschwunden.
 

Und Stiles vermisste ihn.

Er vermisste ihn sogar mehr, als er selbst für gesund und angemessen hielt.
 

Des nachts vernahm er zwar immer wieder Wolfsrufe, doch irgendwie wusste er genau, dass `sein´ Wolf nicht unter ihnen war und so nahm er an, dass dieser sich wohl irgendwo ein neues Revier anderswo gesucht haben musste. Vielleicht hatte er ja sogar eine Gefährtin gefunden, mit der er im Frühjahr eine Familie gründen würde?

Stiles wünschte es ihm!
 

Die Wirklichkeit sah jedoch leider völlig anders aus, wie der Biologe an diesem Vormittag feststellen musste. Er war einmal mehr draußen in der Wildnis unterwegs und hatte grrade den Schlitten angehalten, um ein paar Proben einzusammeln, als er plötzlich ein leises Seufzen und Jaulen vernahm.

Er griff also nach seinem Betäubungsgewehr und machte sich auf die Suche nach der Ursache. In einer verschneiten Senke wurde er schließlich fündig, denn dort lag Miguel und versuchte verzweifelt und kraftlos, sich zu erheben.
 

Stiles dachte natürlich sofort an einer der Tierfallen, doch da war nichts.
 

Dann erst erblickte er das viele Blut, welches den Schnee um das Tier herum rot färbte.

Auf Leben und Tod

„Neinneinneinnein...!“ rief Stiles entsetzt aus, ging an der Seite seines vierbeinigen Freundes in die Knie und krallte hilflos die behandschuhten Finger in dessen Fell.

Es war einer dieser Momente, die sich unendlich auszudehnen schienen, während man selbst sich vorkam, als sei man gelähmt und handlungsunfähig. Stiles wusste, dass er etwas unternehmen musste; irgendetwas, doch sein Verstand verweigerte ihm ganz einfach seinen Dienst.
 

Er war hier draußen vollkommen allein.

Da war niemand, der ihm helfen konnte.

Er würde es sicher nicht schaffen!
 

Für einen Moment erschien Stiles die Weite weiter, die Kälte kälter und der Wind noch viel schneidender als für gewöhnlich.
 

Aber da hob der Wolf schwerfällig seinen Kopf und blickte dem Menschen geradewegs in die Augen.

Da war Schmerz.

Da war auch Angst.

Doch es lag noch etwas anderes im Blick des Tieres und es war genau das, was Stiles schließlich aus seiner Erstarrung riss. Es war Hoffnungslosigkeit! Dieser Ausdruck besagte `Mein Kampf ist vorüber und meine Reise endet hier´, aber das würde Stiles nicht zulassen, oh nein!
 

„Bleib bei mir!“ forderte er: „Wir schaffen das! Ich habe dich hier gegen jede Wahrscheinlichkeit gefunden und nun rette ich dich auch! Bleib einfach bei mir, ja mein Freund?“
 

Der Wolf gab ein müdes Seufzen von sich und ließ den Kopf auf die Vorderpfoten sinken. Der Mensch streichelte ihm sanft den Nacken, küsste die pelzige Stirn und flüsterte:

„Warte hier, mein Großer! Ich bin gleich wieder da! Ich habe eine Idee und ich rette dich, hörst du? Ich kann das!“
 

Der Biologe sprang auf und rannte hinüber zu seinem Schlitten, um diesen so nah wie möglich an das verletzte Tier heran zu steuern. Jetzt jedoch kam der eigentlich schwere Teil. Wie sollte er denn bloß dieses hundert Kilo schwere Geschöpf auf sein Fahrzeug wuchten?
 

Er schnappte sich eine Wolldecke vom Schlitten, breitete diese neben Miguel aus und wälzte den Wolf darauf. Dann griff der Wissenschaftler nach zwei Enden dieser Decke und zerrte seinen pelzigen Freund auf diese Weise mühsam durch den Schnee aus der Senke hinaus bis direkt vor das Gefährt. Dort hob er den Wolf an, indem er unter die Achseln der Vorderläufe griff und zerrte ihn nun hinten auf das Schneefahrzeug hinauf. Es ging quälend langsam und er kam lediglich zentimeterweise voran, doch aufgeben war eben einfach keine Option.

Der Wolf hatte ihm das Leben gerettet und Stiles würde sich nun revanchieren!
 

Als es endlich geschafft war, war Stiles vollkommen verschwitzt und atemlos, doch seine Arbeit war noch lange nicht vollbracht. Der Wolf blutete noch immer schwer und der Biologe musste herausfinden, wo die Verletzung genau lag um, weiteren Blutverlust zu verhindern.

Schließlich entdeckte Stiles eine Wunde unterhalb der Schulterblätter, welche sowohl von einer Stichwaffe, aber ebenso gut auch von einer Kugel stammen konnte. Er improvisierte mithilfe der Wolldecke zunächst einmal einen Druckverband und würde die Sache später genauer in Augenschein nehmen.
 

Der tapfere Wolf war noch immer bei Bewusstsein. Stiles legte ihm beruhigend die Hand auf den Kopf und flüsterte in sein Ohr:

„Jetzt bringe ich dich nachhause, Miguel! Ich werde dich schon in Ordnung bringen, abgemacht?“

Er startete den Schlitten und holte aus dem Motor heraus, was er konnte.
 

In der Forschungsstation angekommen holte Stiles als Erstes eine große Schubkarre, auf welche er den Wolf lud, um ihn damit ins Innere zu befördern. Dies war einmal mehr ein gewaltiger Kraftakt. Als es gelungen war, zitterten die Muskeln des Wissenschaftler, sein Atem ging keuchend und er wünschte von Herzen, er wäre besser in Form.
 

Er hatte das Tier in sein Labor geschoben, doch ihn auf einen der Untersuchungstische zu heben war ein aussichtsloses Unterfangen und so bereite er für Miguel ein Lager am Boden aus Kissen und Decken, auf welches er ihn dann vorsichtig gleiten ließ.
 

Nun endlich durfte Stiles seine warme und völlig blutverschmierte Thermokleidung ausziehen, unter welcher er bereits klatschnass geschwitzt war. Er trocknete sich selbst halbherzig mit einem Handtuch ab, schlüpfte in trockene Kleider und kehrte dann rasch zu seinem Wolf zurück. Er zog ein kombiniertes Schmerz- und Beruhigungsmittel auf eine Spritze, um den Stress des Tieres zu reduzieren, damit er es anschließend in aller Ruhe würde untersuchen und verarzten können, doch irgendwie musste der Wissenschaftler feststellen, dass beides leider nicht im Geringsten anzuschlagen schien; nicht einmal, als er die Dosis erhöhte.
 

Er musste dennoch etwas unternehmen, also versuchte Stiles dem Wolf durch Worte und Berührungen die Angst zu nehmen, ehe er den provisorischen Druckverband vorsichtige löste. Die Blutung war glücklicherweise mittlerweile beinahe zum Stillstand gekommen. Der Biologe hatte sich Untersuchungshandschuhe übergezogen, entfernte nun mittels Schere und Rasierer das Fell rund um die Wunde und erkannte jetzt, da er bessere Sicht hatte, dass nicht bloß Blut aus der Verletzung hervorgequollen war, sondern mit ihm auch eine unbekannte grün-bläuliche Substanz, welche aussah, als sei sie pflanzlichen Ursprungs- zweifelsohne ein Gift!

Als ob diese ganze Angelegenheit nicht ohnehin schon schlimm genug war, dachte er verzweifelt.
 

Nachdem Stiles die Wunde genauer untersucht hatte war ihm klar, dass sie von einer Kugel stammen musste.

Und diese Kugel steckte noch immer im Fleisch des Tieres!

Doch das war noch nicht alles, denn ganz offensichtlich war das Rückenmark des Wolfes verletzt. Der Biologe hatte beobachtet, dass Miguel zwar Kopf und Vorderläufe bewegen konnte, die Hinterpfoten jedoch ganz still dalagen.

Sein vierbeiniger Freund würde vermutlich nie wieder richtig laufen können!
 

Doch darüber durfte Stiles jetzt einfach nicht nachdenken! Jetzt ging es erst einmal darum, die Kugel zu entfernen, dafür zu sorgen, dass das Gift sich nicht weiter im Körper ausbreiten konnte und letztlich darum, Miguels Leben zu retten.
 

Der Wissenschaftler sorgte darum als Erstes für bestmögliche Beleuchtung indem er einige Lampen entsprechend arrangierte. Dann verabreichte er dem Wolf ein Narkosemittel, welches natürlich ebenso wenig anschlug, wie die Spritze zuvor. Warum sollte es auch EINMAL einfach sein?

Es war einfach wie verhext, dachte Stiles zornig!
 

Um die Kugel herauszubekommen, war es natürlich notwendig, dass der Wolf stillhielt, doch das würde er mit Sicherheit nicht tun, wenn die Prozedur Schmerzen bereite.

Weil Stiles nicht wusste, was er sonst tun sollte, flüsterte er dem Tier ins Ohr:

„Ich bin dein Freund, verstehst du? Was ich nun tun muss, wird dir wehtun, aber es geht leider nicht anders, sonst stirbst du. Bitte, bitte, bitte vertrau´ mir!“

Der Mensch war sich trotz seines aufgewühlten Gemütszustandes halbwegs bewusst, dass es völlig gleichgültig war, was er zu dem Wolf sagte und wie sehr er ihn anflehte, denn dieser würde ihn nicht verstehen und letztlich würde er seinen Instinkten folgen und nach Stiles schnappen oder ganz einfach versuchen, von ihm wegzukommen, sobald er anfing, ihn zu operieren.
 

Da hob der Wolf unvermittelt den Kopf, blickte den Menschen gequält an und dann folgte so etwas wie ein Nicken.

Das musste ein seltsamer Zufall sein, sagte sich Stiles und er murmelte:

„Alles wäre so viel leichter, wenn du meine Worte wirklich begreifen könntest, mein Großer!“

Dann nahm er all´ seinen Mut zusammen und machte sich ans Werk, denn er hatte nun einmal keine anderen Optionen.
 

Und Miguel ließ ihn unfassbarerweise gewähren. Er hielt ganz still und fiepte und winselte lediglich gelegentlich leise.

Es musste sein Tonfall gewesen sein, sagte sich der Wissenschaftler verblüfft. Er musste dem Tier vermittelt haben, dass er es gut mit ihm meinte und so flüsterte er ihm weiterhin beruhigende, liebevolle Worte zu, sagte ihm, wie großartig und tapfer er war, wie wunderschön und besonders und wie lieb er ihn hätte.

Zum Glück beobachtete ihn niemand dabei, denn egal wer, JEDER würde ihn mit Sicherheit für verrückt erklären.
 

Andererseits wäre es fantastisch, wenn jetzt jemand hier wäre, der ihm assistieren könnte, denn zwei Hände waren einfach nicht genug, um die Wunde mittels eines Spreizers offen zu halten, während er, durch ein an der Stirn befestigtes Vergrößerungsglas schauend mit einer langen, sterilen Pinzette versuchte, ein Projektil aus dem Fleisch zu ziehen, welches er kaum erkennen konnte. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit hatte er die Kugel so gut im Griff, dass er vorsichtig damit beginnen konnte, sie hinauszuziehen.
 

Der Wolf knurrte leise und sein Körper war gespannt vor Schmerz, doch unfassbarer Weise hielt er beinahe vollkommen still und ließ den Menschen sein Werk vollenden.

Zweimal verlor Stiles die Kugel aus dem Griff seiner Pinzette und musste von Neuem ansetzen, doch dann hatte er es endlich geschafft und das Geschoss war draußen. Als er es sich näher betrachtete, stellte er fest, dass darauf irgendein Symbol eingraviert war. Beinahe so, als würden diese Mörder ihr unmenschliches Werk signieren.

Stiles schüttelte sich angewidert.
 

Dem Biologen fiel auf, dass sein Wolf schwächer zu werden schien. Es musste dieses Gift sein!

Stiles versuchte sein Bestes, die Wunde davon zu reinigen doch letztlich war ihm klar, dass er die Verletzung verschließen musste, damit kein weiteres Gift in den Organismus des Tieres eindringen konnte.

Und um dies zu erreichen, kam ihm nur eine furchtbare Möglichkeit in den Sinn.
 

Wenn Scott jetzt hier wäre, würde er ihm vermutlich allein dafür einen Schlag ins Genick verpassen, dass ihm überhaupt der Gedanke an diese barbarische Wildwestmethode kam, doch Scott WAR nicht hier! Niemand war hier und Stiles war vollkommen auf sich allein gestellt:

„Ich bin leider noch nicht ganz fertig und ich muss dir noch einmal sehr, sehr wehtun, Miguel! Es tut mir unglaublich leid!“ flüstere der Biologe, küsste dem tapferen Wolf mehrfach die Stirn und erhob sich dann, um den Bunsenbrenner an seinem Arbeitsplatz anzustellen. Er suchte und fand ein passendes Arbeitsinstrument; einen dünnen Stab aus Stahl und begann dann damit ihn zu erhitzen, bis dieser rot glühte.
 

Der Wolf beobachtete Stiles ängstlich, beinahe als wisse er bereits, was ihm nun bevorstand.
 

Auf Stiles Gesicht mischten sich Tränen und Angstschweiß, als er mit zitternden Fingern den Stab ansetzte:

„Bitte verzeih´ mir Miguel!“ flüsterte er, fasste Mut und dann brannte er die Wunde aus.
 

Der Wolf heulte einmal laut auf, ehe er leblos in sich zusammensackte.
 

Stiles starrte auf das Tier hinab. Hatte er ihn etwa am Ende nun doch noch umgebracht?

Das durfte einfach nicht wahr sein!

Panisch suchte er am Hals des Wolfes nach einem Puls und fand ihn nicht. Er zitterte am ganzen Körper und starrte auf den großen, regungslosen, pelzigen Leib hinab.
 

Dann zwang der Wissenschaftler sich selbst zur Ordnung.

Durchatmen!

Ruhig werden!

Neuer Versuch!
 

Seine Finger suchten sich einen Weg durch das dichte Fell bis hin zur Halsschlagader des Tieres und da war ein Puls!

Er ging schwach, doch der Wolf lebte!

Der Scherz hatte ihn lediglich das Bewusstsein verlieren lassen.
 

Schluchzend schlang der Mensch die Arme um den Hals des Tieres und murmelte immer wieder:

„Danke, danke, danke...“
 

Stiles schaffte es nun gerade noch, dem Wolf einen frischen Verband anzulegen und wollte dann einfach nur noch schlafen, denn er war unglaublich erschöpft.

Er begab sich auf den Weg zu seinem Bett, als ihm klar wurde, dass er kein Auge würde zumachen würde, wenn er nicht genau wüsste, dass es Miguel gut ginge. Und so holte er lediglich seine Decke und sein Kissen und kehrte ins Labor zurück, wo er behutsam an den Körper des verwundeten Wolfes heran robbte, ihm einen Arm um den Hals legte, sein Gesicht in das dichte schwarze Fell vergrub und endlich einschlief.

Pet

Als Stiles am Morgen erwachte, stellte er mit Erleichterung fest, dass aus der Bewusstlosigkeit des Wolfes mittlerweile ein tiefer, seliger Schlaf geworden war.

Woher er das wusste?

Miguel schnarchte, als wolle er sämtliche Wälder Alaskas umsägen und schmatzte dabei gelegentlich.

Und offenbar träumte er auch, denn er wedelte hin und wieder ein wenig mit seinem Schwanz.

Stiles lächelte.
 

Dann erst fiel bei ihm der Groschen: Wedelte mit dem Schwanz?

Das konnte nur eines bedeuten; nämlich dass der Wolf doch keine Querschnittslähmung davongetragen hatte.

Stiles fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen!
 

Vorsichtig, ohne das Tier aufzuwecken, rückte er von ihm ab, erhob sich und begann erst einmal damit, dass Chaos aufzuräumen, welches bei der gestrigen Lebensrettungsaktion entstanden war; medizinisches Equipment, blutige Tupfer und Tücher und so weiter.
 

Als das getan war, sah der Wissenschaftler noch einmal nach seinem Patienten. Weil er feststellte, dass dieser immer noch tief und fest schlief, wagte er es, sich schnell unter die Dusche zu stellen.

Bei seiner Rückkehr begann Miguel gerade aufzuwachen. Das Tier hob müde den Kopf und blickte ihn erwartungsvoll an:

„Hey, Großer!“ begrüßte Stiles ihn zärtlich, setzte sich zu ihm, um ihm ausgiebig den Kopf zu kraulen und wollte wissen: „Wie sehr hasst du mich jetzt, dafür dass ich dir gestern so weh getan habe, hm?“
 

Anscheinend hasste Miguel ihn überhaupt nicht. Im Gegenteil! Der Wolf legte den Kopf auf das Knie des Menschen, gab unter den Zärtlichkeiten, die ihm gerade zuteil wurden, eine Art zufriedenes Schnurren von sich und sabberte sogar ein klein wenig, als sei er das größte Schmusekätzchen, das die Welt je gesehen hatte.
 

Stiles lachte zufrieden, erhob sich wieder und wollte dann wissen:

„Denkst du, du kannst aufstehen, Miguel? Dann gehen wir kurz vor die Tür und du kannst dein Geschäft verrichten, ein bisschen frische Luft schnappen, oder was auch immer. Na, komm! Los geht´s!“
 

Der Wolf sah überhaupt nicht glücklich darüber aus, dass seine Streicheleinheiten einfach so jäh beendet worden waren. Noch weniger entzückte ihn scheinbar die Aussicht, dass er sich nun auch noch bewegen sollte, doch Stiles bestand darauf, weil er wollte, dass der Kreislauf des Tieres wieder in Gang kam. Er klatschte aufmunternd in Hände und feuerte Miguel mit Worte an, bis das Tier sich schließlich tatsächlich doch noch großzügig dazu herabließ, sich schwerfällig zu erheben.
 

Stiles beobachtete seinen Patienten genau und stellte fest, dass dieser ein wenig torkelte, als sei er betrunken und dass er überdies die Hinterpfoten eher hinter sich her schleifte, als dass er wirkliche Schritte mit ihnen tun konnte. Dies war sicherlich gleichermaßen auf die Vergiftung, wie auch auf die Verletzung zurückzuführen und Stiles hoffte ganz einfach, dass beides im Laufe der Zeit von allein vergehen würde, denn es gab leider nicht viel, was er dagegen unternehmen konnte.
 

Dem Wolf behagte seine verletzliche Situation ganz offensichtlich überhaupt nicht, doch Stiles versprach:

„Komm´ schon, mein Großer! Bei mir bist du ganz sicher! Ich passe auf dich auf!“

Und sogleich ließ er seinen Worten Taten folgen, öffnete die Tür und blickte sich mithilfe eines Fernglases nach allen Seiten um und erst als er sicher war, dass weder Jäger, noch wilde Tiere in der Nähe waren, ließ Stiles den Wolf nach draußen.
 

Dieser humpelte unsicher los, blickte sich misstrauisch um und hielt sich zunächst ausschließlich in der Nähe des Menschen auf, bis er schließlich ein wenig mutiger wurde und loslief, hier und da ein wenig schnupperte, sich versuchsweise etwas im Schnee wälzte, sein Bein an einem Busch hob und sich dann schließlich immer weiter entfernte.
 

Doch urplötzlich überkam Stiles ein seltsames Gefühl. Was, wenn der Wolf nun einfach verschwinden würde?

Die schwarze Gestalt wurde jedenfalls immer kleiner und aus irgendeinem Grund wurde dem Menschen nun ganz schlecht und sein Herzschlag ging rasend schnell. Es war beinahe wie eine dieser Panikattacken, die er in seiner Jugend häufiger gehabt hatte.
 

Als hätte es der Wolf gespürt, hielt er abrupt inne, blickte sich um und machte sich schließlich wieder auf den Rückweg. Bei Stiles angekommen schleckte er ihm die Finger ab, beinahe als wolle er sich entschuldigen und stupste den Menschen an, um ihm zu bedeuten wieder hinein zu gehen.
 

„Ich weiß, für dich beginnt bald die Paarungszeit, aber du bleibst doch noch ein bisschen bei mir, oder?“ fragte Stiles das Tier mit einem unsicheren Lachen und kam sich dabei vollkommen lächerlich vor.

Anstatt einer Antwort humpelte der Wolf einfach auf die Eingangstür zu, was sich wohl als ein `Ja´ interpretieren ließ.
 

Wieder im Haus überlegte der Biologe, was seinem tierischen Patienten wohl zum Frühstück schmecken mochten und servierte ihm schließlich gekochten Reis, den er noch vom Vortag übrig hatte, welchen er mit drei Dosen Thunfisch verrührte.

Nun würde sich zeigen, ob sein Gast trotz seiner enormen Größe ein reiner Wolf, oder vielleicht doch eher ein Hund-Wolf-Hybride war, wie Stiles vermutete, denn Wölfe waren reine Karnivoren, wohingegen der Verdauungstrakt von Hunden auch Mischkost vertrug.

So oder so würde es gar nicht so leicht werden, ein hundert Kilo schweres Tier aus seinen begrenzten Vorräten zu verköstigen. Das war nicht dasselbe, wie einen kleinen Polarfuchs mit durchzufüttern. Stiles stellte sich schon mal darauf ein, selbst ein wenig kürzer zu treten und sich überdies auf vegetarische Kost zu beschränken. Er rührte Milchpulver in die entsprechende Menge Wasser und goss sich das Ganze über seine Cornflakes.

Der Wolf vertilgte sein Frühstück in Windeseile und blickte den Menschen danach erwartungsvoll an, so dass dieser sich seufzend erhob und dem Wolf zum Nachtisch auch noch ein Drittel seines Vorrats an Trockenfleisch kredenzte.

Zum Glück käme Danny ja in einer Woche wieder. Stiles musste ihm unbedingt vorher eine Nachricht schicken, dass seine kommende Bestellung gehörig aufgestockt werden musste.
 

Als sie beide satt waren, erklärte Stiles:

„Und weißt du, was wir jetzt tun, mein Freund? Jetzt werde ich dich unter die Dusche stellen! Dein ganzes Fell ist schließlich verklebt von Blut und du fängst langsam an zu riechen. Außerdem müssen Indoor-Wölfe sauber sein!“
 

Der Wolf schien zu ahnen, was ihm bevorstand, denn er hatte keineswegs die Absicht, dem Menschen in die Nasszelle zu folgen. Stiles musste ihn erst wie einen ungezogenen Welpen am Nackenfell schnappen und mit sanfter Gewalt hinter sich her schleifen.
 

Als nun das lauwarme Wasser angestellt wurde, gab Miguel ein entrüstetes Schnauben von sich und versuchte sogleich, wieder aus der Wanne hinauszuspringen, doch da war Stiles unerbittlich und verstellte ihm den Weg:

„Tut mir leid, Kumpel! Wenn du und ich nun zusammen wohnen wollen, dann ist ein Minimum an Hygiene eben nötig. Da draußen in der Wildnis kannst du dich in Aas und Exkrementen wälzen, soviel du willst, aber ich bin ein Mensch und werde von so etwas krank!“ erklärte er ihm geduldig, als er das Tier liebevoll einschäumte.

Schließlich spülte Stiles das Shampoo gründlich wieder aus und vor ihm stand nun ein großer Wolf mit gesenktem Kopf und leidender Miene, der mit seinem tropfnassen, herabhängenden, schwarzen Pelz plötzlich nur noch halb so imposant wirkte.

Doch Miguel wusste sich durchaus für die erlittene Misshandlung zu rächen, denn gerade als Stiles sich nach einem Handtuch für ihn umdrehen wollte, begann das Tier ausgiebig damit, sich zu schütteln und verwandelte damit das Badezimmer in wüste Wasserspiele:
 

Stiles, der nun von Kopf bis Fuß tropfnass war, schimpfte erbost:

„Ganz toll, du kleines Monster. Bist du jetzt stolz auf dich? Das war sehr, sehr böse!“
 

Der Wolf wirkte davon wenig beeindruckt. Er wedelte fröhlich mit dem Schwanz und wenn Stiles nicht genau gewusst hätte, dass das unmöglich war, dann hätte er sogar behauptet, dass Tier würde ihn auslachen:

„Ja, du mich auch!“ fluchte Stiles, wischte die Sauerei weg und schälte sich dann aus den nassen Klamotten, um sich etwas Frisches herauszusuchen.
 

„Und nun komm´ du Verbrecher! Wir müssen noch deinen Verband wechseln!“ knurrte Stiles immer noch ein wenig verstimmt und dirigierte das Tier ins Labor.

Verblüfft stellte der Biologe fest, dass die Verletzung bereits verschorft war.

Außerdem war dies doch gestern Abend noch ein tiefes Loch im Fleisch gewesen, oder nicht? Doch davon war heute nichts mehr zu sehen.

Eigenartig!

Eigentlich hatte Stiles sogar eine Entzündung befürchtet und einen sehr langwierigen Heilungsprozess, doch dies hier glich einem echten Wunder.

Der Mensch schüttelte ratlos den Kopf und fragte das Tier:

„Was meinst du Miguel, wirst du mir wohl eines Tages verraten, was das Besondere an dir ist?“
 

Natürlich antwortete der Wolf darauf nicht, doch es hätte Stiles wohl auch nicht mehr erstaunen können, wenn er es tatsächlich getan hätte.
 

Bis zum Mittagessen verzog sich Stiles in sein Labor, um noch ein bisschen zu arbeiten. Dem Wolf hatte er zuvor ein bequemes Lager im Flur bereitet, damit dieser sich noch ein wenig gesund schlafen konnte.
 

Als es Zeit wurde, einen Pause einzulegen, gab es für Stiles Nudeln mit Tomatensauce und für den Wolf das dafür vorgesehene Hackfleisch, verlängert mit ein paar leckeren rohen Eiern für ein glänzende Fell:

„Lass´ es dir schmecken, Kumpel!“ sagte der Mensch gutmütig und wandte sich seiner eigenen schlichten Mahlzeit zu.
 

Danach stürzte er sich ein weiteres Mal für viele Stunden in seine Arbeit und war darin sogar so vertieft, dass er sich nicht einmal vom Knurren seines eigenen Magens stören ließ. Erst als Miguel irgendwann damit anfing, an seinem Hosenbein zu zupfen, wurde dem Wissenschaftler bewusst, dass es wohl langsam Zeit wurde, den Feierabend einzuläuten.
 

Nach dem Abendessen fand Stiles dann, er hätte sich einen DVD-Abend und eine große Schale gesalzenes Mikrowellen-Popcorn verdient. Er legte den Film `Wolfsblut´ nach einer Erzählung von Jack London ein.
 

Miguel fand indes, er habe sich Streicheleinheiten und seinen Anteil am Popcorn verdient. Er kletterte mühsam neben den Menschen auf das Sofa und platzierte dann seinen großen Kopf auf dessen Schoß. Der Aufforderungscharakter dieser Handlung ließ sich beim besten Willen nicht ignorieren:
 

„Also gut, du Räuber! Du hast gewonnen“ erklärte Stiles mit einem gutmütigen Grinsen, kraulte dem Wolf ausgiebig die Brust, welcher sich daraufhin lustvoll knurrend auf den Rücken wälzte, um dezent darauf hinzuweisen, dass er auch einen äußerst flauschigen und liebesbedürftigen Bauch hatte.

Stiles musste lachen:

„Du bekommst wohl gar nicht genug, was?“

Wahrere Worte waren nie gesprochen worden, denn während des ganzen Filmabends ließ Miguel sich streicheln und wann immer Stiles darin auch nur für einen Moment innehielt, wurde er dafür mit der Schnauze angestupst.
 

Als ihnen beiden schon fast die Augen zufielen, erhob Stiles sich schließlich schwerfällig, verschwand kurz im Bad, ließ den Wolf noch einmal kurz vor die Tür, wies ihm dann sein Nachtlager im Flur und verschwand selbst in seinem eigenen Schlafzimmer.
 

Er hatte die Tür offen gelassen und es dauerte keine fünf Minuten, ehe das Tier dem Menschen dorthin folgte:

„Na, Miguel? Bist du einsam?“ fragte Stiles schläfrig.
 

Die Antwort lautete offenbar Ja, denn nun erklomm der Wolf nämlich die Schlafstätte des Menschen.
 

„Nein, das geht nicht! Hier ist es zu eng für uns beide.“ klagte Stiles, doch das sah Miguel vollkommen anders und hatte auch schon eine Idee, die offensichtlich inspiriert war von Spielen wie `Jenga´ oder `Tetris´, wie sich das Platzproblem lösen ließ. Die Antwort lautete STAPELN und der Wolf ließ sich kurzerhand halb auf, halb neben dem Menschen nieder:
 

„Du bist SCHWER!“ beschwerte sich Stiles, doch das interessierte Miguel nicht im Geringsten. Er parkte einfach bloß seine Schnauze in der Halsbeuge seines Menschen und war kurz darauf zufrieden schnarchend eingeschlafen.
 

Und Stiles selbst musste zugeben, dass er sich ausgesprochen warm und sicher unter dem schweren pelzigen Leib fühlte.
 

Viel zu früh am kommenden Morgen war der Wolf bereits wieder wach und `ready for action´, wie Stiles an den großen Pfoten merkte, die auf seinem Bett umherliefen und damit schweren Seegang simulierten.

Der Biologe rollte sich murrend auf den Bauch, vergrub sein Gesicht in seinem Kissen und das nächste, was er spürte, war eine lange, raue Zunge, die über seinen Nacken fuhr. Stiles beschloss, dies zu ignorieren, so dass der Wolf nun dazu überging, spielerisch nach seinem Nacken zu schnappen.

Stiles kicherte:

„Also gut, du hast gewonnen! Ich stehe gleich auf!“ versprach er.

Und er verschwendete dabei keinen einzigen Gedanken daran, dass da ein wildes Tier mit Reißzähnen, lang und scharf wie Dolche an seinem Genick knabberte und dass dies möglicherweise eine potenziell gefährliche Situation war.

Stattdessen drehte er sich wieder herum, schlang kurz die Arme um seinen Wolf und rieb sein Gesicht an dessen Pelz und erhob sich dann, um ins Bad zu gehen.
 

Als er nach einer Weile Miguel zum Frühstück holen wollte, saß dieser immer noch im Bett und kaute, zufrieden mit sich und der Welt auf dem T-Shirt herum, in welchem Stiles geschlafen hatte:
 

„Im Ernst? Was soll denn das werden, du Racker? Nun ist es kaputt!“ schimpfte der Mensch Augen rollend.

Der Wolf beantwortete dies mit einem fröhlichen, lebhaften Bellen und Schwanzwedeln.
 

Dieses T-Shirt war einmal verdammt teuer gewesen. Das wusste Stiles, weil Lydia es ihm gekauft hatte. Alles, was Lydia je für ihn gekauft hatte, war teuer gewesen.

Es waren auch immer genau die Kleidungsstücke, für die er von seiner Umwelt die Komplimente bekam.

Genauso waren es immer genau die Kleider die kratzten, ihn am Kragen würgten, oder an denen man den ganzen Tag herumzupfte, damit sie so saßen, wie es vorgesehen war.

Kurz gesagt, er hatte sich in diesen Sachen nie wohl, oder wie er selbst gefühlt und das war auch kein Wunder, denn im Grunde hatte seine Ex-Frau mit diesen Kleidungsstücken immer bloß versucht, aus ihm den Mann zu machen, den sie gern gehabt hätte.
 

Und mit einem Mal fühlte Stiles Genugtuung, als er dabei zuschaute, wie Miguel mit seinen scharfen Zähnen das blöde T-Shirt in Streifen riss!
 

Der Wolf schenkte ihm sein strahlendstes Raubtier-Lächeln und Stiles wurde mit einem Mal etwas klar:

Wenn Miguel ihm signalisieren sollte, dass er nicht in die Wildnis zurückkehren, sondern lieber bei ihm bleiben wollte, dann würde er ihn mit nachhause nehmen!

Er hörte bereits Freunde und Familienmitglieder, die ihn fragten, ob er wohl den Verstand verloren hätte, sowie die Kollegen im Institut, die ihm vorwerfen würden, dass er die professionelle Distanz verloren hätte, doch das war ihm egal!
 

Das was er jetzt hatte, war genau das, wovon der fünfjährige Mieczyslaw Stilinski geträumt hatte, als er seinem Dad erklärt hatte, dass er zum Geburtstag gern einen Wolf hätte.

Bekommen hatte er bloß ein langweiliges Meerschweinchen!
 

Vielleicht drehte er ja gerade durch vor Einsamkeit, aber das hier fühlte sich an, wie...

...Schicksal?

Kampf oder Flucht?

Stiles und sein tierischer Hausgast begannen immer besser, sich aufeinander einzuspielen. Sie verstanden sich großartig; der Wolf war brav, ließ Stiles in Ruhe seine Arbeit erledigen und fing erst dann damit an, das Mobiliar des Hauses auseinanderzunehmen,wenn seine Langeweile gar zu groß wurde. Jedoch geschah dies meistens genau in jenen Augenblicken, wo ohnehin eine Pause oder der Feierabend angezeigt war, insofern sorgte das Tier im Grunde genommen bloß für Ausgeglichenheit und Wohlbefinden bei seinem Menschen, richtig?

Und wenn Stiles dann ansonsten nichts Sinnvolles mehr zu tun hatte, schlug endlich Miguels große Stunde: Er forderte liebevolle und ausdauernde Fellpflege für sich ein und ließ sich kraulen und schmusen, bis Stiles die Hände müde wurden.

Kurz gesagt, zwischen diesen beiden herrschte Harmonie!

Der Mensch hatte sich sogar damit abgefunden, dass es des nachts eben eng in seinem Bett wurde, denn der Wolf akzeptierte einfach keinen anderen Schlafplatz, als ganz dicht an seiner Seite. Dafür fror Stiles nun aber auch nie mehr, denn wenn Miguel etwas konnte, dann war es einen so richtig schön warm zu halten!
 

Ein Problem gab es jedoch. Stiles hatte bereits seit gestern nichts mehr gegessen und seinem Wolf zum Frühstück die allerletzten Cornflakes, mit der verbliebenen Pulvermilch dazu offeriert. Das Tier hatte diese große Geste allerdings nicht im Geringsten zu würdigen gewusst und den Menschen angeschaut, als ob dieser ihn vergiften wollte. Schließlich hatte Miguel sich dann aber doch noch über diese Mahlzeit hergemacht, jedoch nicht, ohne deutlich zu signalisieren, dass es eine Zumutung war, einen stolzen Wolf mit Futter für zahnlose, erbärmliche Menschenkinder abspeisen zu wollen!

Nun waren die Vorräte endgültig aufgebraucht und Danny würde frühestens morgen mit der neuen Lieferung kommen; zumindest sofern das Wetter mitspielte.

Stiles hatte keine Ahnung, was er und Miguel bis dahin tun sollten?
 

Ein Lichtblick war jedoch, dass Miguels Ringen mit dem Tod vor wenigen Tagen mittlerweile nur noch eine schaurige Erinnerung war. Das Tier humpelte nicht einmal mehr, als habe es die Schussverletzung niemals gegeben. Stiles fragte sich schon heimlich, ob sein verfressener Hausgast vielleicht so eine Art genetisches Experiment sein mochte, denn er kannte kein Säugetier, dass so schnell heilte, wie er es tat.

Und dies war ja nur ein Punkt in der langen Liste der Merkwürdigkeiten in Bezug auf diesen Wolf!
 

Seit gestern hatte Stiles damit begonnen, Miguel auf seine Exkursionen mitzunehmen.

Es war ein Test. Der Mensch wollte sehen, ob es den Wolf zurück in die Wildnis zog, oder ob er wirklich gern und freiwillig bei ihm blieb. Stiles jedenfalls würde auf keinen Fall versuchen, seinen vierbeinigen Freund mit Gewalt an sich zu binden.
 

Es war Mitte Dezember und die Tage in dieser Region Alaskas waren kurz. Nicht einmal drei Stunden Tageslicht waren ihnen vergönnt, doch die wollte der Wissenschaftler nutzen, so gut er konnte, weshalb er nun stets im Dunkeln aufbrach und auch wieder heimkehrte. Mittlerweile konnte er sich in der Gegend gut genug orientieren, um seinen Weg auch so zu finden.
 

Die Sonne ging gerade auf. Stiles hatte seinem Wolf einen Platz auf dem Schlitten angeboten, doch der brauchte offensichtlich Bewegung, denn er rannte lieber nebenher. Und als der Biologe kurz anhielt, um ein paar Proben einzusammeln, lief Miguel einfach weiter und war mit einem Mal verschwunden.
 

Das war´s dann wohl, wie?
 

Irgendwie hatte Stiles die Hoffnung gehabt, wenn es schon einen Abschied geben musste, dass dieser wenigstens etwas romantischer zelebriert werden würde, doch Sentimentalität war nun einmal Menschensache.

Er wartete dennoch eine halbe Stunde, ob Miguel vielleicht doch noch zu ihm zu ihm zurückkehren würde, doch als das nicht geschah, fuhr Stiles schließlich schweren Herzens weiter und ging seiner Arbeit nach.

Er traf auf eines der Wolfsrudel aus dieser Gegend,
 

Stiles genoss den kurzen Moment Tageslicht und spürte beinahe so etwas wie Furcht vor dem Sonnenuntergang in zwei Stunden. Als jemand, der unter der kalifornischen Sonne groß geworden war, war es ihm nie bewusst gewesen, welche Bedeutung eine einfache Sache wie Licht für das Lebensgefühl haben konnte.

Natürlich kannte der Wissenschaftler in ihm die biologische Seite des Problems, wusste, wie Sonnenlicht, oder die Abwesenheit desselben die Körperchemie beeinflusste, doch wie es sich anfühlte, das erfuhr er erst jetzt.

Er fühlte sich furchtsamer und schwermütiger als sonst und selbstverständlich trugen die weite, karge, verschneite Landschaft und das Isolation ihren Teil dazu bei. Sicherlich war es schön hier draußen in der Wildnis, doch es war eine unerbittliche, spröde und manchmal auch grausame Schönheit. Sie glich einer fernen Gottheit, welche die Sterblichen von ihrem himmlischen Thron aus zwar sehen mochte, ihre Gebete jedoch unerhört ließ.

Und nun hatte Stiles auch noch sein einziger Freund hier draußen im Stich gelassen!
 

Fröstelnd schlang er die Arme um den eigenen Körper, beobachtete das Wolfsrudel aus sicherem Abstand, in dessen sozialen Miteinander sich angesichts der bevorstehenden Ranzzeit bereits jetzt einiges verändert hatte und er wusste nicht, ob an den Tränen, die ihm gerade über das Gesicht liefen der eiskalte Westwind oder seine düstere Stimmung Schuld war.
 

Da tauchte wie aus dem Nichts doch Miguel wieder auf. Er scheute ein wenig, als er der fremden Wölfe gewahr wurde, machte einen großen Bogen um sie, doch er näherte sich dennoch mutig Stiles Standort.

Und er hatte etwas im Maul:

„Hey, mein Großer! Ich dachte schon, du hättest mich verlassen. Was bringst du denn da mit?“
 

Miguel legte dem Menschen ein totes, schneeweißes Kaninchen vor die Füße und blickte ihn erwartungsvoll an.

Stiles Augen wurden kugelrund:

„Soll… soll das etwa für mich sein? Uhm…danke?“ stotterte er, doch da war der Wolf schon wieder verschwunden.
 

Mit spitzen Fingern legte der Mensch das gruselige Geschenk auf seinen Schlitten und wartete ab. Eine Dreiviertelstunde später hatte Miguel ihm dann ein weiteres Kaninchen und überdies noch drei Lemminge besorgt, weil er offensichtlich fand, dass er jetzt mal dran sei, für das Abendbrot zu sorgen.

Stiles kniete sich vor seinen Vierbeiner hin, kraulte ihm die Ohren und flüsterte:

"Das hast du ganz toll gemacht, Großer! Du bist ein guter Versorger! Aber jetzt fahre ich heim, bevor es dunkel wird. Kommst du mit mir?"
 

Und tatsächlich trottete der Wolf nun auf den Schlitten zu. Dann jedoch hielt er schlagartig inne, starrte in eine bestimmte Richtung, legte die Ohren an, stellte sein Fell auf und begann leise zu knurren.
 

Stiles versuchte auszumachen, was sein Freund entdeckt hatte, doch seine menschlichen Sinne waren dafür nicht scharf genug, weshalb er ein Fernglas zu Hilfe nahm und da sah er sie! Es waren dieselben zwei Menschen, die bereits einmal vor seiner Kamera aufgetaucht waren und Stiles war sicher, dass dies die Jäger waren, die für die Verletzungen von Scott, dem Polarfuchs, Miguel, ihm selbst und höchstwahrscheinlich noch einem Dutzend anderer Kreaturen verantwortlich waren.

Wie der Biologe bereits zuvor angenommen hatte, handelte es sich um eine Frau und einen Mann. Ein paar blonde Strähnen schauten aus ihrer Kapuze heraus und sie war recht groß. Ihr Begleiter war nicht mehr ganz jung, wie Stiles an seinem Gesicht erkennen konnte und dennoch bewegte er sich geschickt und entschlossen durch den Schnee.

Die beiden hatten Stiles und Miguel noch nicht entdeckt.
 

Stiles war klar, dass er sich schnell etwas einfallen lassen musste, damit dies auch so blieb. Er blickte sich hektisch in seiner Umgebung um und entschied dann, den Schlitten hinter einer Schneeverwehung in einer Senke zu verstecken, nur konnte er es nicht wagen, den Motor zu starten, um nicht gehört zu werden, was bedeutete, dass er ihn dort hin schieben musste.

Dies war nur leichter gesagt als getan, denn das Ding war schwer!
 

Er schaffte es mit Ach und Krach und nun versuchte er, den Wolf davon zu überzeugen ihm in ein kleines Koniferenwäldchen in der Nähe zu folgen, um sich dort im Unterholz zu verstecken.

Bedauerlicherweise schien Miguel hingegen erpicht darauf, gegen ihre Widersacher zu kämpfen, wie seine Körperhaltung und seine Weigerung, sich vom Fleck zu bewegen eindrücklich bewiesen. Stiles zerrte an dem Tier, doch nichts tat sich!
 

Erst als der Mensch verzweifelt flehte:

„Bitte Süßer! Wir müssen uns verstecken, sonst tun sie dir wieder weh und mir ebenso! Komm´ doch bitte mit mir, sonst verliere ich dich!“ setzte Miguel sich in Bewegung und sie verbargen sich hinter dem Wurzelwerk eines umgestürzten Baumes.
 

Keine Sekunde zu früh, wie Stiles erkannte, denn als er einmal kurz über den Rand seines Verstecks lugte, konnte er die Wilderer bereits mit bloßen Augen erkennen.

Wenigstens hatte der scharfe Wind inzwischen sämtliche ihrer Spuren verweht, welche Kufen, Schuhe und Pfoten hinterlassen hatten, so dass nichts darauf hindeutete, dass sie hier waren oder wo sie sich versteckt hielten, jedoch kamen die Fremden immer noch direkt auf sie zu.

Ängstlich hielt Stiles dem Wolf mit einer Hand die Schnauze zu, während er ihm mit der anderen beruhigend den Nacken kraulte.
 

Mittlerweile waren die beiden Jäger so nah, dass der Wind sogar ihre Stimmen zu ihnen herübertrug.

Stiles konnte jedoch nichts davon verstehen außer dem Fragment eines einzigen Satzes, welches da lautete:

„... Hales Kopf endlich als Trophäe an meiner Wand!“

Es war die Stimme der Frau.
 

Jeden Augenblick würden die beiden Personen unweigerlich den Schlitten sehen, wenn sie weiterliefen, doch es geschah tatsächlich ein Wunder. Die Dämmerung setzte langsam ein und so entschieden die Wilderer offensichtlich, dass es Zeit wurde umzukehren.
 

Als er es endlich wieder wagte zu atmen, gab Stiles ein erleichtertes Seufzen von sich. Sie harrten noch beinahe eine halbe Stunde in ihrem Versteck aus, ehe Stiles sich endlich sicher genug fühlte, zum Schlitten zurück zu laufen und heimzufahren. Inzwischen war es bereits finstere Nacht. Zum Glück war in ein paar Tagen Vollmond und es war sternenklar, so dass er seinen Weg fand.
 

Wieder an der Forschungsstation angekommen folgte Miguel Stiles nicht sofort ins Haus, sondern verschwand als erstes in der Schlafhöhle, die er sich gegraben hatte. Verdutzt wartete der Mensch ab, was dies nun wieder werden sollte und ob es dem Tier wohl nicht mehr gefiel, ein Haus-Wolf zu sein, jedoch tauchte Miguel kurze Zeit später wieder auf und in seinem Maul trug er das Mädchen-T-Shirt, welches den Biologen vor einer Weile in sein Beinahe-Verderben gelockt hatte.

Der Wolf nahm das steifgefrorene Kleidungsstück mit ins Haus und verkroch sich damit in eine Ecke, wo er damit begann, es liebevoll und ausgiebig abzuschlecken, als sei es ein Welpe, oder so. Für dieses merkwürdige Verhalten fand Stiles nur eine einzige Erklärung: Das T-Shirt musste Miguels früheren Besitzern gehört haben!

Und die Jäger hatten es benutzt, weil sie den Wolf auf diese Weise in die Falle locken wollten!

Perfide!
 

„Ist dein wirklicher Name vielleicht `Hale´, mein Großer?“ fragte der Mensch nachdenklich: „Bist du derjenige, dessen Kopf diese Bitch als Trophäe will?“
 

Der Wolf horchte auf und legte den Kopf schief, als würde er angestrengt über diese Frage nachdenken.
 

Stiles schüttelte den Kopf:

„Das ist ein blöder Name für einen Wolf. Ich bleibe bei Miguel, in Ordnung?“
 

Das Tier schnaubte lediglich und wandte sich wieder dem T-Shirt zu.
 

Stiles zog sich kuschelige Stubenkleidung an und benötigte trotzdem ewig, um wieder warm zu werden, zumal er ja bereits seit einer kleinen Ewigkeit nichts mehr gegessen hatte. Darum machte er sich nun auch widerwillig daran, die Nagetiere, welche Miguel für sie beide erlegt hatte zu häuten und auszunehmen, um sie zum Abendessen zu kochen.

Schon im Studium hatte Stiles es gehasst, wenn er einmal ein Tier sezieren musste und daran hatte sich bis heute nichts geändert, aber was sollte er machen? Er musste nun einmal essen.
 

Er wollte gerade die Reste wegwerfen, als Miguel in die Küche kam, und ihn dafür anbellte, denn wie es schien, waren Köpfe, Füße und Innereien das Beste von allem:

„Wie du meinst, Kumpel!“ sagte Stiles und verzog das Gesicht, als er dem Wolf das blutige Zeug in eine Schüssel füllte und an den Boden stellte, welcher sich sogleich darüber hermachte.
 

Stiles würzte und kochte derweil die ausgenommenen Tiere und als sie gar waren, teilten Mensch und Wolf dann geschwisterlich. Es war nicht unbedingt schmackhaft, doch immerhin bekam Stiles nun endlich wieder etwas in den Bauch.
 

Später am Abend fiel dem Wissenschaftler etwas ein. Auf der Patrone, die er aus Miguels Rücken herausoperiert hatte, war doch eine Gravur gewesen und die wollte er sich nun noch einmal genau anschauen. Vielleicht gab das Motiv ja Aufschluss über die Identität der Jäger?
 

Wie der Stiles erkannte, handelte es sich um eine stilisierte Blüte und er verbrachte anschließend den gesamten Abend mit seinen Laptop auf dem Schoß und Miguel kuschlig-warm und schnarchend an seiner Seite, mit dem Studium biologischer Datenbanken, um zu ermitteln, um welche Pflanze es sich handeln mochte. Am Ende war er sich sicher, dass es wohl Wolfswurz sein musste.

Ein seltsamer Zufall, nicht wahr?

Schweigen ist... Silber

Am folgenden Morgen verspürte Stiles keine gesteigerte Lust, aus dem Bett aufzustehen. Gestern war es durch seine Recherchen spät geworden und zum Frühstück gab es auch nichts. Warum also nicht einfach liegen bleiben, wenn das Pelztier an seiner Seite so wunderbar warm war?
 

Leider sah Miguel das vollkommen anders und ließ ihn nach einer Weile ganz einfach schmählich im Stich. Doch nicht nur dass er nicht bei ihm bleiben wollte, nein, sein Wolf fand überdies, dass nun auch für ihn die Zeit zum Aufstehen gekommen sei, er zog dem Menschen nämlich seine Bettdecke weg. Stiles knurrte unzufrieden, doch es half ihm alles nichts:

„Böse Katze!“ schimpfte er.

Das konnte Miguel natürlich nicht auf sich sitzen lassen und schnappte zu Strafe nach seinem Fuß.
 

Es half wohl alles nichts und Stiles erhob sich schließlich. Ein Blick auf sein Handy offenbarte jedoch Erfreuliches. Er hatte eine Nachricht von Danny die da lautete:

„Rettung naht! Bin auf dem Weg!“
 

Gott sei Dank!
 

„Nachher bekommen wir etwas zu essen, mein Großer!“ versprach er Miguel munter, wobei einem Wolf ein leerer Magen höchstwahrscheinlich weniger ausmachte, als einem neuzeitlichen Menschen, der an drei Mahlzeiten am Tag gewöhnt war. Wölfe fraßen, wenn es bei der Jagd schlecht lief immerhin manchmal tage-, oder gar wochenlang nichts.
 

Stiles machte sich an diesem Morgen einmal keinen Kaffee, sondern eine Kanne Tee, weil er irgendwie die Hoffnung hatte, dass das milde Heißgetränk seinem Magen für eine Weile vorgaukeln könnte, dass er gut gefüllt sei.

Es klappte so leidlich.
 

Der Biologe zog sich warm an und nachdem er sich nach allen Seiten vergewissert hatte, dass die Jäger nicht in der Nähe waren, unternahmen er und Miguel einen kleinen Spaziergang. Es schneite in dicken Flocken, doch es waren lediglich `milde´ einundzwanzig Grad minus und es war zum ersten Mal seit Stiles Ankunft beinahe windstill.

Es war zehn Uhr am Morgen und die Sonne würde erst in etwa zweieinhalb Stunden aufgehen. Ein paar Mal sprintete Miguel los wie der Teufel und Stiles wusste, dass er wohl versuchte, etwas zum Frühstück heranzuschaffen, jedoch war Diana, die Göttin der Jagd an diesem Morgen nicht auf der Seite des Wolfes und schließlich kehrten die beiden einfach wieder ins Haus zurück, wo Stiles sich leicht schwindelig und mit knurrendem Magen, den er weiterhin mit Tee zu besänftigen versuchte, wieder an die Arbeit machte.
 

Es war kurz nach zwölf Uhr, als Stiles Dannys Schlitten herannahen hörte. Zu Miguel sagte er:

„Bitte sei lieb und warte hier, ja?“

Dann eilte der Biologe an die Tür, um den Lieferanten vorzuwarnen, dass er zur Zeit einen Hausgast hatte:

„Hey, du! Ich habe mich selten so gefreut, jemanden zu sehen, wie dich gerade.“ begrüßte er Danny mit einer Umarmung:
 

„Ich nehme an, weil ich so eine angenehme Gesellschaft bin?“ fragte Danny mit einem munteren Lachen:
 

„Das auch!“ versicherte Stiles grinsend: „Aber in erster Linie weil ich sonst gleich verhungere! Mir ist bereits gestern das Essen ausgegangen.“
 

Danny runzelte die Stirn:

„Hast du vielleicht einen Bandwurm, oder so? Meine letzte Lieferung hätte doch eigentlich dicke reichen sollen. Ich habe mich sowieso total gewundert, als ich deinen erweiterten Einkaufszettel bekommen habe, aber ich habe getan was ich konnte. Du warst natürlich ein bisschen spät dran, denn der Versorgungsflieger war da schon auf dem Weg und Barney hat nicht eingesehen, dass er etwas aus seinem eigenen Beständen herausrücken soll. Emma war dann schließlich so nett. Ich soll dich übrigens lieb von ihr grüßen!“
 

„Sie ist ein Schatz! Bitte grüße sie zurück.“ erwiderte Stiles erleichtert: „Und Nein, ich habe keinen Bandwurm. Ich habe auch keine komische Essstörung entwickelt. Ich habe bloß neuerdings einen ausgesprochen hungrigen Besucher.“
 

„Aha?“ machte Danny ratlos und folgte ihm ins Innere das Hauses.

Als er den überdimensionalen, schwarzen Wolf erblickte rief er aus: „Verdammt! Was ist das denn?“
 

„Danny, das ist Miguel. Miguel, Danny.“ machte der Biologe Mensch und Tier miteinander bekannt.
 

Der Wolf stellte zur Begrüßung erst einmal sein Nackenfell auf und bleckte die Zähne und als Danny dann auch noch behauptete:

„Das ist ja ein dicker Brummer!“ wurde er für diese ausgemachte Frechheit ausgiebig angebellt.
 

„Huh! Da ist aber jemand empfindlich in Bezug auf seine Figur, was? Und überhaupt... spricht das Kerlchen etwa unsere Sprache, oder wie?“
 

„Manchmal habe ich wirklich diesen Eindruck!“ erwiderte Stiles lächelnd, kniete sich an Miguels Seite, kraulte ihm beruhigend die Ohren und versicherte ihm, dass Danny ein Freund sei, der noch dazu Mittagessen im Gepäck hätte.

Der Wolf nahm tatsächlich eine weniger angriffslustige Haltung ein, musterte den Eindringling jedoch weiterhin skeptisch und trabte schließlich würdevoll davon, um sich in Stiles Bett breit zu machen – ein eindeutiges Zeichen für jeden Störenfried, dass dies hier SEIN Revier war.
 

Als der Lieferant und der Biologe sich nun daran machten, die Waren ins Haus zu bringen, begann Danny Stiles über das Tier auszufragen:
 

„Das ist doch kein, gewöhnlicher Wolf, oder? So ein Monster habe ich nämlich noch nie gesehen.“
 

„Er ist kein Monster!“ entgegnete der Wissenschaftler; aus irgendeinem Grund beinahe persönlich getroffen: „Er ist wirklich lieb und ich verdanke ihm mein Leben! Aber wenn du mich als Biologen fragst, warum er so groß ist, muss ich zugeben, ich habe keine Ahnung. Eine spontane Mutation vielleicht, oder er ist eine Kreuzung?“
 

Danny stutzte:

„Und was meinst du damit, dass du ihm dein Leben verdankst?“
 

Stiles hatte keineswegs die Absicht, Danny von all den verrückten und außergewöhnlichen Dingen zu berichten, welche er mit Miguel erlebt hatte, weil er dann fürchten musst, für verrückt gehalten zu werden, doch er erzählte ihm davon, wie der Wolf zur Stelle gewesen war, als er selbst in der Falle der Jäger gesteckt hatte; wie er von ihm zu seinem Schlitten geschleift und dann eine Polarnacht lang warm gehalten worden war, damit er nicht starb.
 

Danny schenkte ihm einen skeptischen Blick:

„Sicher, dass er dich nicht bloß am Leben halten wollte, weil er seine Frühstück am Liebsten ganz frisch mag? Das Vieh sieht nämlich aus, als könne es dich in wenigen Bissen verspeisen.“
 

Stiles schüttelte heftig den Kopf:

„Wenn Miguel mich hätte fressen wollen, dann hätte er dazu schon reichlich Gelegenheit gehabt, aber er ist einfach nur ein einsamer Wolf, der ich für sein Rudel hält, schätze ich.“
 

„Und wie kommt es, dass er nun bei dir im Haus lebt? Er ist doch ein Wildtier und gehört eigentlich nach draußen!“ erwiderte Danny:
 

„Denk´ nicht, dass ich ihn hier gefangen halte!“ rechtfertigte sich der Biologe rasch: „Die Jäger hatten den Wolf vor einer Weile beinahe erledigt. Ich habe ihn gerade noch rechtzeitig gefunden, um sein Leben zu retten und seither bleibt er freiwillig bei mir. Es steht ihm frei zu gehen, wenn er das möchte, doch das scheint er gar nicht zu wollen. Und übrigens denke ich nicht, dass Miguel wirklich ein Wildtier ist, denn er verhält sich, als sei er domestiziert. Außerdem...“ fügte Stiles verlegen hinzu: „...ich genieße seine Gesellschaft.“
 

Der Biologe blieb mit Absicht vage, was es die genauen Umstände der Rettung Miguels anging, denn die schwere der Verletzung, die Operation bei vollem Bewusstsein und dann die eigentlich viel zu rasche Heilung, dass war einfach mehr, als irgendwer ihm je glauben würde. Stattdessen sagte er noch:

„Ich glaube übrigens mittlerweile, dass diese Fallensteller nicht einfach bloß irgendwelche Wilderer sind, sondern dass sie es speziell auf Miguel abgesehen haben, weil er so besonders ist. Mein Wolf und ich, wir sind den beiden da draußen nämlich neulich nur mit knapper Not entkommen. Miguel hatte wahnsinnige Angst vor ihnen.“
 

„Warum sollte sich jemand die Mühe machen wegen einem einzigen Tier?“ fragte Danny zweifelnd.
 

Stiles zuckte mit den Schultern:

„Warum sollte sich überhaupt jemand einen Sport daraus machen, Tiere ohne guten Grund zu jagen und zu töten? Was weiß ich! Trotzdem glaube ich, die Jäger wollen Miguel. Vielleicht ist es so eine `Kapitän-Ahab-und-der-weiße-Wal´-Geschichte? Menschen können von den dämlichsten Dingen besessen sein!“
 

„Möglich!“ erwiderte Danny und stellte die letzte Kiste in der Küche ab.
 

Als Stiles die Waren nun in die Schränke räumte, erkundigte er sich:

„Hast du es eigentlich eilig, Danny, oder willst du vielleicht zum Mittagessen bleiben? Ich jedenfalls habe einen Bärenhunger! Und ich hätte auch nichts gegen ein wenig menschliche Gesellschaft.“
 

„Essen klingt gut.“ erwiderte Danny erfreut: „Ich hatte seit den Pfannkuchen von Emma heute Morgen um sieben nichts mehr!“
 

Bei dem Gedanken an die köstlichen Buchweizenpfannkuchen mit Ahornsirup lief Stiles das Wasser im Munde zusammen und er begann umgehend damit, ein deftiges Chili und Mandelpudding zum Nachtisch zuzubereiten.
 

Als es begann nach Essen zu riechen, beschloss scheinbar auch Miguel seine Festung zu verlassen und nachzuschauen, was es Gutes gab:
 

„Ich denke, du bekommst lieber keine Bohnen, Süßer!“ bestimmte Stiles und beugte sich zu dem Wolf herunter, um die flauschige Stirn zu küssen: „Aber keine Angst, ich habe dich nicht vergessen!“

Der Biologe gab für ihn gekochtes Rindfleisch, Karotten und Kartoffeln zum abkühlen in eine Schale und wenig später konnten sie alle drei Essen.
 

Nach der Mahlzeit setzten sich Stiles und Danny mit einem Kaffee hinüber in den Wohnbereich auf das Sofa und Miguel platzierte sich besitzergreifend einmal quer über dem Schoß seines Menschen aus, um sich ausgiebig streicheln zu lassen.
 

„Weißt du, woran mich dein Wolf erinnert?“ fragte Danny, der die Szene skeptisch beäugte: „An die Geschichten des alten Bixby bei uns im Ort! Er hängt den ganzen Tag bei Emma im Diner herum, als würde er dort wohnen und wenn er erst einmal tüchtig getankt hat, dann erzählt er die Geschichte, wie er einmal vor ein paar Jahren draußen in der Wildnis herumgeirrt sein will und einem riesigen schwarzen Wolf begegnet sei. Es sei ein echtes Monster gewesen, mit blau funkelnden Augen, gewaltigen Fängen, von denen der Geifer tropfte. Bixbysagt, er sei um sein Leben gerannt und als er sich umgewandt habe, hätte sich das Tier erhoben und sei auf seinen Hinterbeinen weitergelaufen, wie ein Mensch. Er wisse selbst nicht, wie er das überlebt habe, aber seit diesem Tag sei er ein Trinker!“
 

„Klingt, als habe jemand eine billige Entschuldigung gesucht, um sich gehen zu lassen!“ erwiderte Stiles verächtlich: „Ich habe Miguel jedenfalls noch nicht auf seinen Hinterbeinen laufen sehen. Und er jagt auch keine Menschen stimmt´s nicht, mein Hübscher?“
 

Wie zur Bestätigung begann der Wolf, der immer noch seine Streicheleinheiten genoss nun damit, den Hals des Menschen abzuschlecken, wie ein braves Schoßhündchen.
 

Dann jedoch versteifte er sich, spitzte die Ohren und sprang vom Sofa hinunter. Er sträubte das Fell, starrte in eine bestimmte Richtung und knurrte leise:
 

„Was hat er denn?“ fragte Danny misstrauisch: „Hat er es sich anders überlegt und hat nun doch Lust auf einen saftigen Happen Menschenfleisch?“
 

„Ach Blödsinn!“ schnappte Stiles: „Ich denke, er hört etwas. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann müssen das diese Jäger sein. Sie kommen!“ Miguel verschwand im Schlafzimmer und versuchte ungeschickt unter dem Bett zu verschwinden, doch dazu war er einfach zu groß.
 

„Verdammt! Ich muss ihn verstecken!“ rief Stiles ängstlich aus und begann, sich hektisch umzuschauen:
 

„Der Sturmkeller!“ schlug Danny vor.
 

Stiles schaute ihn ratlos an und Danny führte ihn in die Speisekammer hinter der Küche. Dort rollte er einen Läufer auf und darunter befand sich eine Klappe. Danny öffnete diese und dort führte eine steile Treppe in eine kleinen, kargen, finsteren Raum.

Stiles hätte wohl den Grundriss des Hauses eingehender studieren sollen, denn von diesem Schutzraum hatte er vorher keine Ahnung gehabt.

Er holte Miguel, umarmte ihn noch einmal und versprach ihm, dass er nicht zulassen würde, dass ihm irgendetwas Schlimmes geschah, ehe er ihn hinab in das Versteck schickte und dann wieder den Läufer darüber legte.
 

Mittlerweile konnten auch die Menschen den herannahenden Schlitten hören. Danny kramte in einer Tasche, die er dabei gehabt hatte an und zog schließlich eine Pistole daraus hervor.

Stiles schaute ihn mit großen Augen an.

Der Lieferant ignorierte das, schnappte sich Stiles Fernglas, postierte sich unauffällig an einem der Fenster und spähte hinaus.
 

Der Motor wurde abgestellt und wenig später klopfte es an der Tür:
 

„Und was jetzt?“ flüsterte Stiles nervös:
 

„Jetzt gehst du zur Tür und wirst die beiden los!“ erwiderte Danny gelassen, als sei das so leicht.

So eine Wumme in der Hand zu halten wirkte ganz offensichtlich Wunder für das Selbstvertrauen, dachte Stiles grimmig bei sich.
 

Er nickte zaghaft und lief mit schlotternden Knien zur Tür.

Davor standen die junge Frau und der ältere Mann, welche Stiles und Miguel bereits vor kurzem beinahe erwischt hätten.
 

„Hallo!“ sagte die Blondine freundlich, zog ihren Fäustling aus und streckte Stiles ihre Hand zum Gruß hin: „Ich bin Kate Milford und das ist mein Partner Gerard Kramer. Wir sind Wildhüter hier in diesem Distrikt. Bitte entschuldigen sie die Störung.“

Sie deutete auf ihren Begleiter und beide zückten sofort authentisch wirkende, folienverschweisste Karten, welche sie in der Tat als Wildhüter auswiesen:
 

„Hallo!“ erwiderte Stiles stirnrunzelnd und ergriff die angebotene Hand: „Kann ich irgendetwas für sie tun?“

Die Blonde war wirklich hübsch anzusehen und sie hatte ihr charmantestes Lächeln aufgesetzt. Sie setzte ganz offensichtlich auf ihr Aussehen, um ans Ziel zu gelangen. Vermutlich hatte sie aus diesem Grund auch die Gesprächsführung übernommen.

Ihr Begleiter dagegen war bereits auf den ersten Blick zum Fürchten. Er hatte ein winziges Schmunzeln auf den Lippen, welches man eigentlich nur als hinterlistig bezeichnen konnte und welches die Umgebungstemperatur gefühlt noch um weitere zehn Grad fallen zu lassen schien. Ein klassischer Bösewicht, der jedem Bond-Film alle Ehre gemacht hätte!
 

„Wir sind auf der Suche nach einem sehr gefährlichen Wolf, der sich hier in der Gegend herumtreibt und würden gern wissen, ob sie ihn vielleicht gesehen haben, Sir. Es handelt sich um ein sehr auffälliges Tier und sie würden sich bestimmt an ihn erinnern, wenn er ihnen begegnet wäre. Er ist schwarz und anormal groß! Haben sie ihn vielleicht gesehen?“ wollte die angebliche Wildhüterin wissen.
 

„Ja, das habe ich, doch mir erschien er gar nicht gefährlich.“ erwiderte Stiles, um Gelassenheit bemüht: „Was hat das Tier denn angestellt, dass sie ihn für so gefährlich halten?“
 

Die Frau, die sich Kate Milford nannte und ihr Begleiter horchten auf, als Stiles zugab, den Wolf gesehen zu haben und sie antwortete:

„Er hat bereits mehrere Menschen auf bestialische Weise getötet und hat höchstwahrscheinlich die Tollwut. Sie sollten sich in Acht nehmen!“ warnte die Blondine: „Wann und wo haben sie den Wolf zuletzt gesehen. Bitte Sir, das ist sehr wichtig!“
 

„Oh, das ist bereits über einen Monat her. Es war, als ich von Miners Creek, dem kleinen Minenarbeiterörtchen südlich von hier aufgebrochen bin. Ich habe mich noch über die Farbe und Größe des Tieres gewundert, wissen sie. Ich bin nämlich Biologe und auf Wölfe spezialisiert.“ plauderte Stiles und freute sich nach innen hin über die Enttäuschung der beiden Fremden, als sie hörten wie veraltet die Informationen waren, die Stiles für sie hatte. Dann schob er noch scheinheilig hinterher: „Aber ich bin ja oft da draußen in der Wildnis unterwegs. Wenn sie mir sagen, wo ich sie finde, dann werde ich ihnen gern mitteilen, falls ich das Tier wiedersehen sollte. Wo sind sie denn stationiert, wenn ich fragen darf?“
 

Die junge Frau reagierte ausweichend und behauptete:

„Wir sind mal hier mal dort, wissen sie?“ Dann fügte sie mit einem verführerischen Augenaufschlag hinzu: „Übrigens sind wir schon eine ganze Weile unterwegs. Macht es ihnen etwas aus, wenn wir einen Augenblick reinkommen, um uns ein wenig aufzuwärmen?“
 

„Uhm...!“ machte Stiles nicht allzu schlagfertig.

Das Letzte, was er wollte war, dass diese beiden Mörder seine Behausung betraten, und nicht nur, weil sie dann vielleicht Hinweise auf die Anwesenheit Miguels entdecken könnten, sondern auch, weil er sie so schnell wie möglich wieder loswerden wollte, doch ihm fiel kein höflicher Weg ein, sie abzuwimmeln.
 

Zum Glück kam ihm da Danny als rettender Engel zu Hilfe. Er war zunächst für die beiden Fremden unsichtbar gewesen, doch nun trat er von hinten an Stiles heran , legte einen Arm um dessen Taille, zog ihn an sich heran und erst da realisierte der Biologe, dass sein Gast sich oben herum ausgezogen hatte.

Danny begrüßte die Fremden mit einem gelangweilten: „Hi!“ schob dann seine Hand vorne in den Hosenbund eines ziemlich überrumpelten Stiles, leckte über dessen Nacken und schnurrte in sein Ohr:

„Was ist denn nun, Baby? Kommst du wieder ins Bett, oder was? Ich bin geil!“
 

Das Lächeln auf dem Gesicht der angeblichen Kate Milford gefror, als ihr klar wurde, dass ihre Charmeoffensive hier offensichtlich vergeblich gewesen war und nun meldete sich erstmals auch der gruselige, alte Kerl zu Worte:

„Wir kommen wohl gerade ungelegen, wie es aussieht. Komm´ Kate! Lass´ uns gehen. Es wird bald dunkel!“ erklärte er mit einem verächtlichen Blick auf die beiden Männer.
 

Stiles atmete erleichtert auf, als die beiden Fremden sich nun tatsächlich auf den Weg machten. Er sah ihren Schlitten noch so lange nach, bis er absolut sicher war dass sie auch wirklich fort wären und schloss erst dann wieder die Tür.

Dann drehte er sich nach Danny um, der immer noch oben ohne dastand und wollte wissen:

„War das gerade wirklich nötig?“
 

Danny grinste schief und bestätigte:

„Oh ja, das war es. Du hättest dich doch sonst noch ewig mit den beiden abgequatscht und sie am Ende vielleicht sogar noch ins Haus gelassen.“
 

„Gar nicht!“ murmelte Stiles ertappt.
 

„Du wolltest nur nicht unhöflich sein, richtig Stiles? Aber manchmal muss man das nun mal!“ erwiderte Danny: „Übrigens haben die Zwei gelogen!“
 

„Du meinst mit der Tollwut-und-Menschenfresser-Geschichte? Natürlich war die gelogen!“ knurrte Stiles ärgerlich.
 

Danny schüttelte den Kopf:

„Nein, ich meine das andere. Ich kenne jeden Wildhüter in dieser Gegend, aber diese beiden Gestalten gehören nicht dazu! Und mit dem Fernglas konnte ich sehen, dass die Zwei bis an die Zähne bewaffnet sind. Die haben ein ganzes Arsenal auf ihrem Schlitten, als ob sie in den Krieg ziehen wollten. Mit diesen Typen ist echt nicht zu spaßen, Stiles!“
 

Mit Danny war allerdings offensichtlich auch nicht zu spaßen, denn als er sich nun nach seinem Pullover umwandte, konnte Stiles sehen, dass dieser seine Pistole hinten im Hosenbund trug; ganz offensichtlich sein Plan B, falls die zur Schau gestellte Geilheit nicht funktioniert hätte.
 

„Und was soll ich nun tun?“ fragte der Biologe ratlos:
 

„Eins ist klar: So lange der Wolf bei dir ist, bist du in Gefahr!“ stellte Danny schulterzuckend fest:
 

„Ich lasse ihn aber nicht im Stich, damit diese Schweine ihn einfach abschlachten können, um einen Bettvorleger aus ihm zu machen! Er ist mein Freund und ich werde ihn beschützen!“ erklärte Stiles trotzig.
 

Danny blickte ihn nachdenklich an und schlug dann vor:

„Ich werde erst in drei Tagen wieder irgendwo erwartet. Wenn du willst, bleibe ich so lange hier, falls diese Wilderer wiederkommen.“
 

Stiles blickte ihn dankbar an:

„Das würdest du tun?“
 

„Wenn du wieder so lecker für mich kochst, wie heute und beim letzten Mal...?“ antwortete Danny mit einem schelmischen Grinsen: „Und jetzt lass´ uns das Haus so präparieren, dass niemand hereinschauen kann, denn ich wette, dein Haustierchen liebt es gar nicht, da unten im Keller eingesperrt zu sein.“
 

Sie machten sich also daran, die Sturmfensterläden und Vorhänge zuzuziehen und öffneten dann wieder die Kellerluke. Nur zögerlich trat der Wolf ins Licht und es brauchte ein paar aufmunternde Worte von Stiles, ehe er schließlich die steilen Stufen erklomm.
 

Stiles war zu aufgeregt, um heute noch sinnvoll zu arbeiten und so lenkte Danny ihn ab, indem er ein Gespräch anfing. Sie erzählten sich stundenlang gegenseitig irgendwelche Anekdoten aus ihrem Leben; nichts allzu Tiefschürfendes, bloß lustige Begebenheiten, um den anderen zum Lachen zu bringen und irgendwie gingen ihnen dabei nie die Gesprächsthemen aus.

Miguel hatte ein weiteres Mal seinen Stammplatz auf Stiles Schoß eingenommen und unter den streichelnden Händen des Biologen ließ die Anspannung des Tieres ein wenig nach.
 

Das Abendessen servierte Stiles vor dem Fernseher; überbackene Sandwiches für die Menschen und Dosenthunfisch mit Gemüse und Reis für das Raubtier. Dann legte der Hausherr noch eine DVD der Serie `Baywatch´ ein. Die Handlung war zwar zum Verzweifeln dämlich, aber dafür schien in jeder Episode die Sonne und dieser Anblick mitten im ewigen Winter tat der Seele wohl!
 

In der Nacht bekam Danny das Einzelbett neben dem von Stiles und Miguel machte sich wie immer bei seinem Herrchen unverschämt breit:
 

„Er schläft bei dir im Bett?“ fragte der Danny überrascht: „Wieso? Hier ist doch überall genügend Platz und mit dem Pummelchen an deiner Seite kannst du dich doch gar nicht mehr bewegen!“
 

Miguel hob den Kopf und kläffte ärgerlich, als hätte er diese Unverschämtheit verstanden und Stiles fügte hinzu:

„Siehst du! Miguel kann es nicht leiden, wenn du ihn dick nennst! Du hast bloß schwere Knochen, richtig, mein Großer? Außerdem hältst du mich so schön warm. Hör gar nicht hin! Daddy hat dich nämlich lieb, genau so wie du bist!“

Das besänftigte den Wolf scheinbar und er schob seine Schnauze unter das Kinn seines Menschen.
 

Danny kicherte in seinem Bett liegend und kommentierte:

„Ihr zwei seid ganz schön eigenartig, wisst ihr das eigentlich?“

Blue Christmas

Beim Frühstück wollte Danny von Stiles wissen:

„Was hast du eigentlich an Weihnachten vor?“
 

Der Biologe blickte überrascht auf:

„Was sollte ich da schon vorhaben? Vermutlich werde ich arbeiten. Und was machst du?“
 

„Ich werde mit Emma und ein paar anderen Freunden im Diner feiern. Willst du an diesem einen Tag nicht lieber auch zu uns herunter fahren und ihn mit uns verbringen? Das wird hier doch sonst wahnsinnig einsam für dich!“
 

Stiles Blick fiel auf Miguel, der am Boden lag und selig an einem großen Schinkenknochen herumnagte:

„Das ist ein nettes und auch verlockendes Angebot, aber ich denke, ich passe. Ich kann meinen Wolf doch nicht allein lassen. Und wenn er bei mir ist, dann bin ich ja auch nicht allein, richtig?“
 

„Na ja, aber das ist doch nicht das Gleiche. Warum bringst du den Großen nicht einfach mit!“ schlug Danny vor.
 

Dieser Gedanke hatte wirklich seinen Reiz, denn Stiles befürchtete irgendwie, dass er an diesem Tag in ein Loch aus Depression und Einsamkeit fallen könnte: Keine Lydia, kein Scott und kein Dad!

Dennoch entgegnete er:

„Ich kann nicht! Es ist zu gefährlich. Je mehr Leute von Miguel wissen, umso größer ist die Gefahr, dass sich jemand verquatscht. Und nun haben die Wilderer auch noch angefangen, an Türen zu klopfen, um ihn zu finden.“ Stiles schüttelte entschlossen den Kopf: „Nein es geht wirklich nicht!“
 

„Aber... Weihnachten?“ machte Danny einen letzten Versuch: „Da will doch keiner allein bleiben!“
 

„Ich schaffe das schon!“ behauptete Stiles tapfer und da entschied Danny scheinbar, das Thema fallen zu lassen.
 

In den folgenden drei Tagen blieb es ruhig rund um die Forschungsstation. Die Wilderer ließen sich nicht blicken, aber dennoch blieb Stiles sehr vorsichtig. Die Fenster hielt er alle Zeit blickdicht verschlossen und Miguel durfte nur bei Dunkelheit aus dem Haus und auch dann immer nur für einen kurzen Augenblick. Halb fürchtete er dabei, der Wolf könnte ihm bei einer dieser `Gassi-Runden´ einfach abhauen, weil er doch mittlerweile längst einen Stubenkoller haben musste, doch Miguel hielt ihm weiter die Treue und kehrte jedes Mal wieder mit ihm zurück ins Haus.
 

Stiles wagte es natürlich auch nicht mehr, den Wolf mit auf seine täglichen Forschungsausflüge in die Wildnis zu nehmen, doch Danny blieb mit ihm zurück und gab acht, auch wenn Miguel wirklich keinen Hehl daraus machte, dass er auf seinen Babysitter keinen gesteigerten Wert legte. Er ließ sich zum Beispiel niemals von ihm streicheln, bellte ihn an, wenn er fand, dass der Zweibeiner ihm im Wege stand und wich Stiles keine Sekunde von der Seite, wenn sie zu dritt im Haus waren.
 

Danny bemerkte daraufhin irgendwann:

„Dir ist hoffentlich klar, dass Blacky dich für sein persönliches Eigentum hält, oder? Er hat eine wirklich ungesunde Fixierung auf dich, die du ihm besser beizeiten abtrainieren solltest, falls du planst, ihn bei deiner Heimkehr mit in die Zivilisation zu nehmen, denn sonst kannst du dich von Sozialkontakten jeglicher Art, inklusive deinem Liebesleben ein für alle Mal verabschieden.“
 

„Ach Unsinn!“ hatte Stiles da das Tier in Schutz genommen und ausgiebig den pelzigen Kopf gekrault: „Miguel war einfach nur zu lange allein und nun bin ich sein neues Rudel. Außerdem haben er und ich ja auch einiges gemeinsam durchgemacht. Du vertraust mir bloß; das ist alles, richtig Süßer?“
 

„Wenn du meinst?“ hatte Danny geantwortet, doch sein Gesichtsausdruck verriet genau, was er in Wirklichkeit von dieser Angelegenheit hielt.
 

Am Morgen seiner Abreise erklärte Danny sorgenvoll:

„Ich lasse dich ungern hier allein! Am Liebsten würde ich bleiben, aber leider habe ich in den nächsten Tagen viel um die Ohren. Versprich´ mir, dass du gut auf dich und den Schwarzen aufpasst!“
 

Stiles nickte und versicherte, er werde das schon hinbekommen. Dann umarmte er Danny fest und lange, bis Miguel irgendwann zum Protest in lautstarkes Gebell ausbrach:
 

„Ja, ja, Grummelwolf! Ist ja gut, ich hab´s begriffen! Ich weiß ja, dass er allein Dein ist!“ versuchte Danny ihn zu besänftigen.
 

Dann legte er Stiles seine Pistole und ein Ersatzmagazin in die Hand, erklärte ihm kurz die Handhabung und sagte unbehaglich:

„Für den Notfall!“
 

Stiles wog die schwere Waffe in seinen Händen und wollte wissen:

„Aber wird sie dir denn nicht fehlen?“
 

Danny lachte auf und erwiderte:

„Das hier ist Alaska! Hier hat jeder mehr als eine Waffe. Zuhause habe ich noch drei Stück, also keine Sorge Mach´s gut, Kumpel!“

Daraufhin machte der Lieferant sich auf seinen Weg.
 

Stiles wandte sich dem Wolf zu und stellte unglücklich fest:

„Nun ist unser Bodyguard weg! Und wer passt jetzt auf uns beide auf?“
 

Miguel schnaubte unzufrieden, als wolle er sagen: `Und was ist mit mir? Bin ich etwa nicht der beste Wachhund der Welt?´
 

Stiles grinste und schlang die Arme um das Tier mit dem fragilen Selbstbewusstsein.
 

In den kommenden Tagen verließ der Biologe das Haus nur mit dem allergrößten Unbehagen, doch es blieb ihm ja leider nichts anderes übrig. Er war nun einmal hier, um einen Job zu erledigen. Stiles nutzte das spärliche Tageslicht, blieb nie länger als maximal zwei Stunden fort und erklärte dem Wolf jedes Mal, dass er sich ganz still verhalten und verstecken musste, falls jemand käme.

Wenn Miguel wirklich so schlau war, wie es den Anschein hatte, dann würde er ihn vielleicht sogar verstehen, oder nicht?
 

Bei seiner Rückkehr wurde Stiles dann stets mit Gebell und Schwanzwedeln begrüßt, so als sei er Monate lang weg gewesen, wurde angesprungen und ausgiebig abgeleckt und hätte sich dabei sogar ein paar Mal beinahe der Länge nach hingelegt.

Und Stiles gewöhnte es sich schnell ab, wenn er ging schmutzige Wäsche herumliegen zu lassen, weil die regelmäßig von Miguel zerkaut, zerfetzt und dann zum Bau eines Nestes im Wohnzimmer verwendet wurde. Stiles hatte auf diese Weise bereits zwei T-Shirts, eine Boxershorts, eine Trainingshose und drei einzelne Socken verloren.

Hätte er diesen Wolf bereits als Teenager gehabt, dann hätte er das Ordnung halten mit Sicherheit gelernt und sein Dad und er hätten eine Sache weniger gehabt, über die sie sich hätten streiten müssen!
 

Doch im Grunde vertrugen Mensch und Tier sich wirklich gut. Wenn Stiles arbeiteten musste, ließ der Wolf ihn nämlich in Ruhe und legte sich zum Schlafen in sein Lumpennest aus Dreckswäsche. Wenn der Mensch dann wieder Zeit für ihn hatte, wich Miguel ihm nicht von der Seite und am liebsten hatte er es dann selbstverständlich, wenn er ausgiebig gestreichelt wurde.

Und Stiles war im Grunde selig, denn dieser Wolf war mehr, was sein kindliches Ich sich je zu wünschen gewagt hatte: Ein schöner, starker, verschmuster und lieber Beschützer, der einen in einem langen Winter warm hielt!
 

Dann kam der fünfundzwanzigste Dezember und anders, als er es Danny prophezeit hatte, arbeitete Stiles an diesem Tag nicht, sondern gab sich ausnahmsweise einmal frei. Er hatte draußen ein kleines Tannenbäumchen geschlagen, ihn im Wohnzimmer aufgestellt und improvisierten Schmuck aus hübschen roten Äpfeln und kleinen Kerzen daran gehängt. Das Problem war bloß, Miguel beizubringen, was der ganze Blödsinn sollte, denn kaum hatte er sich auch nur einmal umgedreht, hatte das Tier auch schon den ersten Apfel abgerissen und zog sich damit in seine Nest zurück, um ihn zu verspeisen:
 

„Also wirklich!“ schimpfte der Mensch: „Ich will doch bloß, dass wir es hier ein bisschen schön haben! Und außerdem... OBST? Welches normale Raubtier isst denn Obst? Du bist wirklich ein kleiner Verrückter, weißt du das? Du lässt gefälligst meinen Christbaum in Ruhe, sonst musst du Weihnachten draußen vor der Tür verbringen, kapiert?“
 

Der Wolf legte den Kopf schief und wenn Stiles es nicht besser wüsste, würde er sagen, dass er grinste. Apfelsaft tropfte dabei aus einem Winkel seines Mauls.

Heimlich liebt Stiles ihn dafür, dass er so süß war.

Streng zu bleiben war da eine echte Aufgabe.
 

In Ermangelung eines richtigen Weihnachtsbratens versuchte der Biologe etwas Besonderes aus drei Dosen Truthhahnfleisch und Cranberries aus dem Glas für sich und Miguel zu zaubern, doch am Ende wurde es doch eher enttäuschend und erbärmlich, weil die Zutaten nun einmal nicht mehr hergaben. Doch Miguel aß dennoch ohne Protest, was ihm vorgesetzt wurde und immerhin sah der improvisierte Weihnachtsbaum stimmungsvoll aus, nachdem die Kerzen brannten, so das wenigstens ein klein wenig Festtagsstimmung aufkam.

Stiles legte `Ist das Leben nicht schön?´ in den DVD-Spieler. Es war immer noch einer seiner Lieblings-Weihnachtsfilme, auch wenn er bereits im Jahr 1946 gedreht worden war. Er handelte von einem Mann, der ausgerechnet am Weihnachtsabend seinem Leben sein Ende setzen will, weil er sich für einen nutzlosen Versager hält. Jedoch wird ihm dann von einem Engel gezeigt, wie wichtig er für die Menschen in seinem Umfeld ist und wie er allen fehlen würde, wenn er nie geboren worden wäre.

Am Ende fragte Stiles sich, ob ER zuhause wohl gerade irgendwem fehlte, oder ob das Leben auch ohne ihn weiterging, ohne dass es irgendwem überhaupt großartig auffiel?

Also Lydia verschwendete mit Sicherheit keinen Gedanken an ihn. Sie tobte höchstwahrscheinlich dieser Tage von einer schicken Hollywood-Party zur nächsten, ihr neues `Man-Candy´ an ihrem Arm, welches so viel besser an ihre Seite passte, als ein bebrillter, zerstreuter Professor, der nie gelernt hatte, sich auf diesen Feiern nicht wie ein Idiot aufzuführen und die Gesprächspartner zu Tode zu langweilen, mit Konversationsthemen, welche diese einen Scheiß interessierten.
 

Aber die Anderen würden heute doch sicherlich an ihn denken und ihn vielleicht sogar ein bisschen vermissen, oder nicht? Dad und Melissa? Und auch Scott, Allison und vielleicht sogar der kleine Liam. Seine Familie eben!
 

Die Einsamkeit kam aus dem Hinterhalt und überrollte Stiles wie eine mächtige, dunkle, bedrohliche Welle. Er hatte sich gerade eine Orange geschält, doch diese wurde mit einem Mal zu einem Symbol für seine sonnige Heimat Kalifornien und da stiegen auch schon die Erinnerungen in ihm hoch.

Es war nachts in einem Orangenhain im Frühling ihres Abschlussjahres gewesen, als Lydia ihn zum ersten Mal geküsst hatte. Stiles erinnerte sich noch deutlich an den unglaublichen, wunderbaren Duft überall und die weichen Lippen, welche die seinen trafen.

Und da konnte er die Tränen einfach nicht mehr zurückhalten!
 

Aber zum Glück war Miguel gleich zur Stelle, um unerwartet sanft und behutsam mit seiner Zunge die salzige Flüssigkeit von seinen Wangen aufzunehmen.

Und dann schnappte er sich frech den Anteil der Orange aus Stiles Hand, von dem er scheinbar fand, dass er IHM zustand.
 

„Ich hab´ dich wirklich lieb!“ versicherte Stiles schniefend, musste sogar ein klein wenig durch den Tränenschleier hindurch grinsen und kuschelte sich dann in das dichte, weiche Fell seines tierischen Gefährten.
 

Als er sich irgendwann endlich wieder vollständig gefangen hatte, versuchte Stiles eine Skype-Verbindung zu seinem Vater herzustellen und es glich beinahe einem Weihnachtswunder, denn es gelang ihm auch tatsächlich auf Anhieb!
 

Sein Dad und Melissa hatten das Haus voll von Gästen, denn Scott, Allison und Liam waren zum Essen da und die hatten auch noch Allisons Vater Chris dabei, für den Weihnachten immer noch schwer war, auch wenn seine Frau Victoria nun bereits seit einigen Jahren tot war.
 

Der kleine Liam hatte wenig von der Seelenruhe seines Vaters, oder der Selbstdisziplin und Kontrolliertheit seiner Mutter. Er tobte wie ein Irrer durch das Haus, kreischte wie ein Verrückter und machte teilweise sogar jede Unterhaltung zwischen Stiles und den anderen Erwachsenen unmöglich, aber irgendwie tat dem Einsamen genau dieses Wilde, Fröhliche und Übermütige gut. Beinahe war es dadurch so, als sei Stiles mitten im Geschehen.

Nach einer Weile jedoch wurde es Scott zu bunt und er nahm den den Laptop mit ins Elternschlafzimmer, damit er wenigstens noch ein paar ruhige Worte mit seinem besten Freund wechseln konnten.
 

In diesem Moment kam Miguel hinzu und stupste den Biologen unter dem Tisch an, weil er sich langweilte. Auf Stiles Gesicht schlich sich dann plötzlich ein triumphierendes Grinsen:

„Erinnerst du dich noch daran, wie du an meinem Verstand gezweifelt und zu mir gesagt hast, es gäbe keine Hundert-Kilo-Wölfe, Bro? Dann mach dich jetzt mal auf etwas gefasst!“
 

Stiles drehte den Laptop so, dass sein Freund einen guten Blick auf Miguel erhaschen konnte:
 

„Himmel!“ rief Scott aus: „Was ist das denn? Der ist ja gigantisch! Wohnt er jetzt etwa bei dir?“
 

Stiles strahlte über das ganze Gesicht:

„Keine Sorge! Du musst wegen mir jetzt nicht den Tierschutzverband anrufen! Ich lege ihn nicht an die Leine, oder halte ihn gegen seinen Willen hier fest! Er ist auch nicht wirklich mein Haustier, denn dafür hat er einen viel zu starken Willen. Manchmal habe ich eher das Gefühl, es ist anders herum und ich bin seines!“

Stiles lachte und dann erzählte er seinem Freund beinahe die ganze gemeinsame Geschichte, die ihn und Miguel seit seiner Ankunft hier in Alaska verband. Lediglich die größten Merkwürdigkeiten, wie Wunderheilungen und Geschwindigkeitsrekorde ließ er dabei aus, denn er wollte ja nicht für verrückt gehalten werden.
 

„Aber ist es nicht gefährlich? Was, wenn der Wolf sich spontan entscheidet, dass ihr doch keine Freunde seid, sondern vielmehr du sein Lunch?“ fragte der Tierarzt sorgenvoll.
 

Stiles schüttelte heftig den Kopf:

„Das wird niemals passieren! Ich vertraue Miguel absolut! Er würde mir niemals etwas tun!“
 

Scott runzelte die Stirn:

„Du VERTRAUST ihm? Bei dir klingt es ja beinahe, als sei er ein Mensch! Was ist denn bloß mit deiner professionellen Distanz passiert?“ fragte er verwundert.
 

Stiles zuckte ratlos mit den Schultern:

„Ach, ich weiß es doch auch nicht, Scotty! Ich weiß, wie seltsam dir das vorkommen muss, aber dieser Wolf ist irgendwie anders, als jedes Tier, das ich je getroffen habe. Er ist wirklich etwas Besonderes. Und vielleicht, falls er sich entscheidet, mit mir zu kommen wenn ich heimkehre, dann wirst du ihn kennenlernen und es selbst erleben!“
 

„Also ich weiß nicht?“ erwiderte Scott, keineswegs überzeugt: „Das klingt wirklich alles sehr eigenartig. Auch das du denkst, der Wolf könnte bewusst entscheiden, ob er mit dir heimkehren möchte oder nicht? Er ist immer noch bloß ein Tier!“
 

Stiles seufzte unzufrieden:

„Ich bin nicht irgendein Spinner, Scott! Wir sind immerhin Freunde, seit dem Sandkasten. Ich finde, dass da ein bisschen mehr Vertrauen in mein Urteilsvermögen angesagt wäre! Vielleicht sollten wir das Gespräch an dieser Stelle einfach beenden?“
 

„Nein, warte!“ rief Scott reumütig: „Du hast Recht! Du wirst mir deinen Wolf vorstellen und ich werde mir selbst ein Bild von ihm machen. Und ich verspreche, ich werde unvoreingenommen sein. Ich hab´ dich lieb, Bro! Sei nicht böse auf mich! Ich mache mir doch bloß Sorgen, weil du so weit weg und mutterseelenallein bist!“
 

Scott hatte wieder einmal diesen Hundeblick aufgesetzt und dagegen hatte Stiles in all´ den Jahren ihrer Freundschaft einfach nie einen wirksamen Gegenzauber entwickeln können, sondern würde ihm aus diesem Grund wohl beinahe alles verzeihen.

„Also gut, ich vergebe dir, weil ich so ein großzügiges Wesen habe!“ versprach er immer noch ein wenig säuerlich, doch dann wechselten die Freunde einfach das Thema, denn Scott hatte große Neuigkeiten. Allison und er hatten über ein weiteres Baby gesprochen und sie waren sich beide einig, dass sie nun aufhören würden, zu verhüten.

Stiles quietschte vor Freude und meldete an, dass er als nächstes gern eine Nichte hätte und das Scott und Allison bitteschön daran arbeiten sollten!
 

„Du weißt, dass das so nicht funktioniert, oder Bro?“ lachte Scott: „Oder hast du an der Stelle in deinem Studium etwa geschlafen?“
 

„Bemüht euch halt!“ gab Stiles schulterzuckend zurück: „Ich will nämlich eine kleine Prinzessin, die ich verwöhnen kann!“

Und dann referierte der Biologe über die zahlreichen Methoden zur Beeinflussung des Geschlechts, wobei die Spanne dabei von `wissenschaftlich einigermaßen fundiert´ bis hin zu `hanebüchener, abergläubischer Blödsinn´ reichte.

Doch als Stiles dann noch von begünstigenden Stellungen beim Geschlechtsverkehr sprach, steckte Scott sich die Finger in die Ohren, begann zu singen und fand schließlich, dass es nun aber wirklich ein guter Zeitpunkt erreicht sei, um dieses Gespräch zu beenden.
 

„Schon gut Kumpel!“ lachte Stiles, überaus zufrieden darüber, dass er seinem Freund so effektiv auf die Nerven gegangen war:
 

„Du fehlst mir, Bro! Pass´ gut auf dich auf!“ forderte Scott noch zum Abschied.
 

Stiles nickte:

„Du fehlst mir auch! Und ja, das werde ich! Ich habe ja immerhin jemanden bei mir, der gut auf mich Acht gibt!“ Er kraulte Miguel den Kopf: „Frohe Weihnachten, Scott!“ fügte er noch hinzu und dann beendete sie das Gespräch.
 

Seinem Wolf berichtete Stiles nun aufgeregt:

„Hast du das gehört, Miguel? Ich werde ein zweites Mal Patenonkel! Weißt du, was das für dich bedeutet? Du wirst dann ein Paten-Wolf! Ist das nicht toll? Ein Baby!“
 

Das Tier zeigte sich davon leider nur wenig begeistert und legte lediglich seinen Kopf Schoß auf den Menschen, in dem Ansinnen, gestreichelt zu werden.
 

Stiles lächelte gutmütig auf ihn hinab und schlug vor:

„Also gut, mein Großer! Aber wehen gehen zum Schmusen auf die Couch, in Ordnung? Da haben wir es bequemer!“
 

Daheim in Beacon Hills setzte Scott sich wieder zu seiner Frau und seinen Gästen an den Tisch. Das Essen war mittlerweile fertig und der Tierarzt berichtete von dem Gespräch, welches er soeben mit Stiles geführt hatte.

Den seltsamen Blick zwischen Chris und Allison, als er den Riesenwolf erwähnte, welcher neuerdings bei Stiles lebte, bekam Scott nicht mit.

Damals in Woodstock...

Stiles und Miguel waren gemeinsam auf der Couch eingeschlafen; der Mensch beim DVD-schauen und der Wolf beim Genuss einer Rundum-Wohlfühl-Fellpflege-und-Massage-Kombination, mit welcher er gestern anlässlich des hohen Feiertages von seinem Herrchen verwöhnt worden war.
 

Jedoch wurde das Tier am folgenden Morgen von einem Geräusch wach und stupste seinen Menschen daraufhin alarmiert mit der Schnauze an, um ihn zu wecken:
 

„Hmm... Waaa...?“ beschwerte Stiles sich schmatzend, wischte sich ein wenig Speichel aus dem Mundwinkel und blickte sich mit zusammengekniffenen Augen mürrisch um: „Wieso lässt du mich denn nicht weiterschlafen?“
 

Der Wolf sprang vom Sofa auf, starrte in Richtung der Tür und stand dann ganz still und starr da, wie ein Jagdhund, wenn er Beute ausgemacht hatte.
 

„Ist da draußen jemand?“ fragte Stiles, plötzlich beunruhigt und rappelte sich mühsam und unter Stöhnen vom Sofa auf. Er wurde wohl langsam alt, denn früher war er nach einer Nacht in unbequemer Position sofort herum gesprungen, wie eine neugeborene Gazelle. Gerade fühlte er sich hingegen eher wie ein altersschwaches, rheumakrankes Walross.

Stiles blickte sich hektisch nach der Waffe um, welche Danny ihm dagelassen hatte und als er sie dann endlich in Händen hielt, fühlte er sich wenigstens ein kleines bisschen sicherer.
 

Es dauerte eine Weile, bis der Mensch endlich das vernahm, was der Wolf wohl schon seit einer Ewigkeit hören konnte: Ein Motorschlitten näherte sich wieder einmal der Forschungsstation!
 

„Geh´ ins Schlafzimmer und versteck´ dich!“ forderte Stiles und deutete in die entsprechende Richtung, doch Miguel rührte sich nicht vom Fleck. Stiles musste ihn schließlich dorthin schieben und die Tür hinter ihm verschließen:

„Sei lieb und bleib hier!“ flüsterte er seinem tierischen Freund durch das Schlüsselloch hindurch zu: „Keinen Ton von dir, okay? Ich mache das schon!“
 

Mittlerweile war der Schlitten ganz nah und Stiles Herz raste vor Angst. Er schaltete jede Lichtquelle im Haus ab und verschanzte sich hinter der Tür.
 

Der Schlitten wurde gestoppt und wenig später klopfte es. Stiles erwartete niemanden, also konnten es ja wohl nur wieder einmal die Jäger sein, richtig?

Er verhielt sich ganz still und betete, dass sie einfach wieder gehen würden, wenn er sich nicht rührte, doch so war es leider nicht, denn nun vernahm er das Gemurmel eines Mannes und einer Frau und bald darauf, wie jemand sich am Türschloss zu schaffen machte.

Stiles stand der kalte Schweiß auf der Stirn und die Hand, welche die Waffe hielt zitterte leicht.
 

Schließlich konnte der Biologe hören, wie die Tür aufschwang, doch sehen konnte er absolut nichts, weil es draußen immer noch genau so finster war, wie bei ihm im Haus:

„Kommen sie keinen Schritt näher! Ich bin bewaffnet!“ rief er also drohend und seine Stimme kippte dabei ein kleines bisschen vor Angst, so dass er beinahe wieder klang, wie damals im Stimmbruch.

Nicht besonders einschüchternd!
 

„Hey, Stiles! Beruhige dich! Ich bin es bloß! Und ich habe netten Besuch mitgebracht!“ erwiderte eine vertraute Stimme.

Und da hatte Danny zum Glück auch schon den Lichtschalter gefunden.
 

Erleichtert ließ Stiles die Pistole sinken und Danny kommentierte lachend:

„Was stimmt eigentlich nicht mit dir, Kumpel? Jedes mal wenn wir uns sehen, richtest du eine Waffe auf mich! Ist das eine Penis-Analogie, oder kannst du mich einfach nur nicht leiden? Denn langsam frage ich mich, ob ich das persönlich nehmen sollte?“
 

Hinter Danny schlängelte sich Emma durch die Tür und versicherte:

„Wir kommen in Frieden, Cowboy! Und wir haben Weihnachtsstimmung im Gepäck!“
 

„Tut mir leid, dass ich euch erschreckt habe, aber warum brecht ihr denn auch in mein Haus ein? Ich hätte euch erschießen können!“ erwiderte Stiles mit zitternder Stimme und immer noch kreideweiß vor Schreck:
 

„Entschuldige Kumpel!“ antwortete Danny reumütig: „Wir haben gedacht, du wärst vielleicht gerade unterwegs. Ich hätte ja hier auf dich gewartet, aber Emma mit ihrer kriminellen Energie und ihren chronisch kalten Händen und Füßen hat beschlossen, dein Schloss zu knacken, um ins Warme zu gelangen. Ich möchte gar nicht wissen, wo sie diese Dinge überhaupt gelernt hat?“
 

Die Frau lachte ein tiefes, melodisches, lautes, großartiges Lachen, welches Stiles auf der Stelle beruhigte und ließ Danny wissen:

„Ich bin eine vielseitig begabte und lebenserfahrene Person. Mehr musst du nicht wissen, mein junger Freund!“
 

„Kommt rein!“ forderte der Biologe: „Ihr habt mich zwar zu Tode erschreckt, aber es ist trotzdem schön, dass ihr da seid! Miguel und ich sind gerade erst aufgewacht, weil er euch hat kommen hören. Wenn ihr wollt, dann können wir zusammen frühstücken. Ich hole den Schwarzen besser jetzt zu uns, denn der nimmt vor lauter Stress wahrscheinlich gerade mein Schlafzimmer auseinander. Ich will mal sehen, ob ich ihn beruhigen kann!“
 

So wahnsinnig gestresst wirkte der Wolf dann aber gar nicht, als Stiles das Schlafzimmer betrat. Scheinbar hatte er schon mitbekommen, dass die Neuankömmlinge keine Feinde waren. Er folgte Stiles hinüber ins Wohnzimmer, wo die beiden Gäste gerade ihre dicken Winterjacken loswurden:
 

„Hey, Miguel!“ begrüßte Danny das Tier freundlich und erntete dafür lediglich ein desinteressiertes Schnauben.

Der Wolf ließ den Lieferanten links liegen und marschierte sofort auf Emma zu. Diese musterte Miguel zunächst mit einem erstaunten Blick, ehe sie schließlich sagte:

„Na, so was! Du bist ja wirklich ein Prachtstück!“

Sie beugte sich ein wenig vor und begann, den Kopf des Wolfes zu streicheln, was dieser nicht nur ohne Protest duldete, nein, er rieb sogar seine Stirn an ihrem Oberschenkel.
 

Stiles und Danny staunten Bauklötze über dieses unvermutet schmusekatzenhafte Verhalten des Raubtiers und der Lieferant kommentierte säuerlich:

„Ich dachte bisher, dein Untermieter sei einfach bloß eine Menschen hassende Pest, Stiles. Jetzt denke ich, er mag ganz einfach jeden, außer mir!“
 

„Nimm´s nicht so schwer, Danny-Boy! Mit Wölfen habe ich mich schon immer gut verstanden.“ erwiderte Emma lachend und kniete nun neben Miguel, der sich mittlerweile wie ein übermütiger Welpe auf dem Rücken wälzte, gurrende, zufriedene Laute von sich gab und sich den Bauch streicheln ließ.
 

Stiles beobachtete das Schauspiel finster und spürte einen kleinen Stich der Eifersucht in seinem Inneren. Irgendwie hatte es ihm gefallen, dass Miguel bislang nur IHN an sich herangelassen hatte:

„Ich gehe mich umziehen!“ verkündete er brummend und stapfte davon.
 

Als er die zerknitterten Kleider, in denen er geschlafen hatte gegen saubere getauscht hatte, begab er sich in die Küche, um etwas zu Essen auf den Tisch zu bringen. Als es dort dann begann, nach Speck, Eiern und Zwiebeln zu riechen, folgten ihm die Anderen dort hin und Miguel gesellte sich neben Stiles an den Herd und stupste ihn an:
 

„Ach sag´ bloß!“ schnappte der Mensch giftig: „Weil es Essen gibt, hast du mich nun also wieder lieb, ja?“
 

Der Wolf setzte sich auf seine Hinterläufe und schaute den Menschen unschuldig aus seinen schönen, klaren, grünen Augen an:
 

„Du weißt, dass das unfair ist, oder? Wie soll ich dir denn da böse sein, wenn du so guckst, hm?“
 

Miguel hechelte freudig und schlug mit seiner Rute immer wieder auf den Fußboden und da konnte Stiles einfach nicht mehr anders: Er kniete sich vor den Wolf hin, schlang ihm fest die Arme um den Hals, gab ihm einen Kuss auf eines seiner Ohren und nannte ihn `kleiner Racker´.
 

„Ich hab´s dir ja gesagt, Emma!“ rief Danny aus dem Hintergrund: „Stiles und dieses Viech sind wie ein altes Ehepaar, oder so!“
 

Emma lachte amüsiert und fand:

„Das ist doch total süß!“
 

Eine Weile später beim Frühstück bekam jeder etwas von dem Omelett, sogar der Wolf und dazu gab es Toast und Emma fragte erstaunt:
 

„Willst du dem Tier vielleicht auch noch ein Schälchen Milchkaffee dazustellen?“
 

Stiles lachte und versicherte:

„Miguel liebt Menschenessen und er verträgt es auch gut. Also warum sollte ich ihm etwas Anderes geben, wenn er sonst bloß versuchen würde, sich etwas von meinem Teller zu klauen?“
 

„So kann man das natürlich auch sehen!“ stimmte Emma kichernd zu.
 

Nach dem Frühstück schleppten Danny und Emma mehrere schwere Taschen von draußen herein und Stiles fragte sich, was da wohl drinnen sein mochte. Er sollte es bald erfahren!

Seine neuen Freunde hatten nämlich nicht gelogen, als sie bei ihrer Ankunft behauptet hatten, sie hätten Weihnachtsstimmung im Gepäck. Zum einen packte Emma grob geschätzt zwei Dutzend Tupperdosen aus, welche die Reste des gestrigen Weihnachtsfestmahls enthielten. Da waren köstlich aussehende Pastetchen, Brotaufstriche, Baguette, etwas, dass wie Kastanienauflauf aussah, fast ein ganzer Gänsebraten, Apfelmus mit Rosinen, Rotkohl und Klöße:
 

„Deutsche Weihnachten! Emma ist eine grandiose Köchin!“ kommentierte Danny grinsend.
 

Doch die Taschen enthielten noch mehr, nämlich eine Tannengirlande, geschmückt mit roten Bändern, mit welcher die Gäste Stiles Wohnzimmer dekorierten, dicke, rote Kerzen, die auf dem Tisch arrangiert wurden und rot-weiß-gestreifte Zuckerstangen, welche Stiles an seinen Weihnachtsbaum hängte:

„Nein! Die werden nicht gefressen!“ erklärte Stiles streng, als er den gierigen Blick des Wolfes sah: „Zucker ist nicht gut für dich! Davon faulen dir die Reißzähne weg!“
 

Doch Miguel war nun einmal ein Rebell und kaum schaute Stiles auch nur für einen Augenblick in eine andere Richtung, da hatte der Wolf sich auch schon eine der Süßigkeiten geschnappt und trug sie hinüber in sein Nest, um sie zu verspeisen:
 

„Was habe ich denn gerade gesagt?“ schimpfte der Biologe: „Dafür hast du dir für heute Abend Zähne putzen eingehandelt, junger Freund, ist das klar? Und wehe, du wehrst dich dagegen!“
 

Der Wolf zeigte sein bezauberndstes Lächeln und Emma und Danny lachten.
 

„Nun ermutigt ihn doch nicht noch!“ murrte Stiles geschlagen: „Er macht nichts als Unsinn! Manchmal denke ich, er tut das wirklich absichtlich, um mich zu ärgern!“
 

„Er ist doch bloß ein Tier!“ erwiderte Danny lachend: „Und vielleicht gefällt es ihm einfach nur, wenn er auf diese Weise deine Aufmerksamkeit erlangen kann?“
 

Stiles schnaubte ärgerlich.
 

Nachdem das Haus festlich geschmückt war, ließen sich die Menschen auf dem Sofa nieder, um Karten zu spielen. Emma hatte in den CD-Spieler eine Scheibe mit Weihnachtsliedern eingelegt und sie pokerten nun um einen kostbaren Einsatz, nämlich die köstlichen hausgemachte Vanillekipferl, die Emma am Vortag gebacken hatte.
 

Miguel hatte zunächst am Boden gelegen und sich das Ganze von Ferne angeschaut. Irgendwann hatte er wohl begonnen, sich einsam zu fühlen, denn er sprang mit einem Satz zwischen Stiles und Emma, drehte sich dann ein paar Mal um sich selbst, ehe er sich schließlich mit einem seufzenden Laut niederließ; den Kopf auf Stiles Schoß geparkt und Emma sein Hinterteil entgegenstreckend.
 

Am späten Nachmittag bekamen Mensch und Tier wieder Hunger und darum wurden die Leckereien, die die Gäste mitgebracht hatten aufgewärmt und angerichtet.

Und was dann geschah, war ein echter Weihnachtsklassiker: Sie aßen allesamt viel zu viel, rieben sich hinterher die prallen Bäuche und es war ganz einfach herrlich!
 

Die Mahlzeit war gerade beendet, als Miguel sich plötzlich erhob, sein Fell aufplusterte und leise knurrend die Eingangstür mit dem Blick fixierte.

Stiles war sofort klar, dass das nur eines bedeuten konnte:

„Verdammt! Das sind diese Jäger!“ rief er aus und sprang vom Tisch auf.
 

„Wir werden sie wieder los! So wie beim letzten Mal! Keine Sorge, Stiles!“ erwiderte Danny beruhigend, als er sah, wie aufgebracht der Biologe war: „Wir verstecken Miguel wieder im Sturmkeller in Ordnung! Ihm geschieht nichts und dir auch nicht!“
 

„Nein, nicht in Ordnung! Ich mache jetzt ein für alle Mal Schluss mit dem Blödsinn!“ rief Stiles zornig aus: „Ich hasse diese Typen! Sie machen Jagd auf Tiere! UND sie wollen meinen Freund töten! Ich gehe jetzt da hinaus und beende das!“

Er hatte sich in Windeseile seine Jacke übergezogen, sich Dannys Waffe geschnappt und stapfte auf die Tür zu.
 

Noch bevor er sie allerdings erreicht hatte, hatte der Lieferant ihn bereits eingeholt und hielt ihn an den Schultern zurück:

„Sei kein Idiot, Stiles! Diese beiden da draußen sind Profis! Ich habe ihre Waffen gesehen. Die besitzen genug, um einen Krieg anzuzetteln! Und kannst ja noch nicht einmal schießen. Denkst du, die hätten auch nur den geringsten Skrupel, dich einfach so über den Haufen zu schießen und es später als tragischen Jagdunfall auszugeben?“
 

„Ich werde meinen Freund verteidigen, koste es was es wolle!“ beharrte Stiles stur und versuchte sich loszureißen: „Ich werde diese Arschlöcher jetzt von hier vertreiben!“
 

„Nun sei doch nicht so unvernünftig!“ mischte sich nun auch Emma ein: „Mit Wilderern ist wirklich nicht zu spaßen! Das ist ein richtig skrupelloses Pack!“
 

Doch für rationale Argumente war Stiles momentan ganz und gar nicht offen. Er war wütend und hatte es satt in Angst zu leben! Und schließlich gelang es ihm auch, sich aus Dannys Griff zu befreien. Er erreichte die Tür und wollte gerade aufschließen, als eine unbekannte männliche Stimme hinter ihnen rief:

„Nein, Stiles! Nicht!“
 

Stiles, Danny und Emma drehten sich um, wie eine Person und an der Stelle, wo sich zuvor der große, schwarze Wolf befunden hatte stand nun ein nackter Mann; groß, muskulös, mit einem Vollbart, langen, verfilzten, schwarzen Haaren und wildem, gehetztem Blick.
 

Stiles Kehle entkam ein kleiner, erstickter Schrei.

Danny stieß einen verblüfften Pfiff aus.

Emma sagte kopfschüttelnd, mit einem kleinen Lachen:

„Ich hab´s doch gewusst!“
 

Der nackte Fremde blickte nervös in die Gesichter der Anwesenden.
 

Stiles wollte fragen, was zum Teufel hier los sei und wer der Mann war, doch im Grunde genommen wusste er es selbst. Es war zwar unmöglich und er hatte das Gefühl, ihm würde gleich der Kopf platzen, aber ein Blick in diese grünen Augen ließ keinen Zweifel zu: Vor ihm stand Miguel!
 

„Ich habe seit den siebziger Jahren keinen Werwolf mehr gesehen. Ich habe wirklich gedacht, die hätten euch mittlerweile alle ausgerottet!“ erklärte Emma. Sie hatte inzwischen eine Wolldecke zur Hand, legte sie behutsam um die Schultern des Nackten und versicherte:

„Hab´ keine Angst mein Freund! Wir beschützen dich, in Ordnung?“
 

„WERWÖLFE?“ rief Stiles aufgebracht: „Was ist denn das für ein Wahnsinn?“
 

Der Nackte senkte den Kopf, als habe man ihn geschlagen, doch Emma legte ihm mütterlich und tröstend eine Hand an die Wange:

„Nun bleib doch mal ein bisschen aufgeschlossen, Stiles! Ja, Werwölfe gibt es wirklich. Das ist echt keine so große Sache! Und es gibt nicht nur die, sondern noch allerhand andere Kreaturen. Herausgefunden habe ich das damals in Woodstock. Denn dort habe ich einen von ihnen getroffen! Einen jungen, wunderschönen Werwolf mit Namen Jesse!“

Emma lächelte versonnen bei der Erinnerung.
 

Und anstatt etwas Sinnvolles zu sagen wie: `Bist du irre? Werwölfe gibt es doch gar nicht!´ oder vielleicht auch: `Hast du etwa Fieber, Emma?´ sagte Danny bloß:

„Echt? DU warst damals in Woodstock dabei?“
 

Und da wurde es Stiles einfach zu viel. Das war mehr, als sein armes Nervenkostüm vertrug.

Irgendwie geriet der Raum um ihn herum ins Wanken und dann ging ganz einfach das Licht aus!
 

Wie sich in dieser Minute zeigen sollte, hatten Werwölfe wahnsinnig gute Reflexe, denn ehe Stiles bewusstlos auf dem Boden aufschlagen konnte, war Miguel zur Stelle, um ihn aufzufangen.
 

Der Biologe wurde gerade rechtzeitig wieder wach, um zu hören, wie sich zum zweiten Mal an diesem Tag jemand an seinem Türschloss zu schaffen machte.

Das kleine Werwolf-Ein-Mal-Eins

„Schnell! Ab in den Keller mit dir!“ flüsterte Emma und versuchte den Werwolf in die entsprechende Richtung zu schieben. Dieser weigerte sich jedoch und als die Frau erkannte, in wessen Richtung sein Blick deutete, befahl sie: „Du begleitest ihn, Stiles! Er braucht dich jetzt. Danny und ich werden unterdessen eure `Besucher´ los!“
 

Stiles spürte nicht die geringste Lust mit einem nackten WERWOLF in einem dunklen, engen, kalten Kellerraum eingesperrt zu sein, doch das schien in diesem Moment keinen zu interessieren. Danny beförderte ihn nicht eben sanft zur Kellerluke und dort angekommen zog Miguel ihn hinter sich her, die steilen Stufen hinab. Die Klappe fiel zu und dann herrschte um sie herum nichts als Finsternis.
 

Stiles versuchte immer noch, gedanklich hinterher zu kommen.

Werwölfe gab es wirklich.
 

WERWÖLFE GAB ES WIRKLICH?
 

Was war das denn bloß für ein Wahnsinn?
 

Und der noch größere Wahnsinn: Er selbst war in diesem Moment auf engstem Raum mit einem von ihnen eingesperrt!

Stiles drängte sich an die eisige Wand in seinem Rücken, um wenigstens noch ein paar Zentimeter zwischen sich und dieses formwandelnde... Ding zu bringen.
 

„Ich tue dir nicht weh, Stiles!“ flüsterte der Werwolf in diesem Moment, als hätte er Stiles Gedanken gelesen. Es klag ein wenig verletzt und der Mensch schämte sich ein klein wenig. Er rief sich die vergangenen Wochen mit dem Wolf in Erinnerung: Miguel hatte sein Leben gerettet und Stiles hatte die Chance bekommen, sich zu revanchieren. Sie waren Freunde geworden, hatten alles geteilt und für Stiles war durch die Freundschaft zu dem Tier ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen.
 

Aber das war ja alles lediglich eine Lüge gewesen, nicht wahr?

Gab es das Wesen, für welches er so liebevolle Gefühle entwickelt hatte überhaupt wirklich? Oder war das alles nichts als eine listige Täuschung gewesen?

Und wenn ja, welchem Zweck diente das ganze Theater? All das bloß, um sein Vertrauen zu gewinnen? Wieso?
 

Und nun tobte da oben in Stiles Haus ein Kampf, welcher mit Waffen ausgetragen wurde und wenn es richtig schlecht lief, dann würde Stiles zunächst seine zwei neuen Freunde verlieren und dann würden die Jäger Miguel und ihn irgendwann finden und sie ebenfalls abknallen, richtig?

Dann wäre es vorbei und die vielen Fragen, die er hatte würden auf ewig unbeantwortet bleiben.
 

Stiles versuchte herauszubekommen, was da oben gerade vor sich ging. Zuerst hörte er rein gar nichts. Dann klang es, als würde krachend die Tür aufgestoßen. Es fielen die ersten Schüsse und Stimmen waren zu hören. Dann gab es Kampfgeräusche, welche sich nach einer Weile seltsamerweise entfernten und irgendwann war es schließlich wieder vollkommen still.

Stiles hatte Angst, seinen Freunden könnte etwas zugestoßen sein, doch er wusste nicht, wie er ihnen zu Hilfe kommen sollte, ohne auch noch Miguel und sich selbst in Gefahr zu bringen.
 

Der Werwolf schien es jedoch zu wissen, denn er setzte sich nach einer Weile einfach in Richtung Treppe in Bewegung:

„Hey! Was tust du denn?“ zischte Stiles und hielt ihn an der Schulter fest, doch Miguel behauptete:
 

„Es ist sicher!“ stieg die Stufen hinauf und öffnete die Falltür.
 

Stiles folgte ihm vorsichtig, tastete nach einem Lichtschalter und machte sich erst einmal ein Bild von der Verwüstung. Wie durch ein Wunder war nichts Wertvolles zu Bruch gegangen. Seine Ausrüstung war intakt, denn bis ins Labor hatte der Kampf sich nicht ausgedehnt. Die Wand im Flur wies einige Einschusslöcher auf, etliche Möbel waren umgekippt und am Boden verstreut lagen unterschiedliche Gegenstände. Es war eiskalt im Haus, denn die Eingangstür stand sperrangelweit offen.

Von Danny und Emma, oder aber auch von den Angreifern war weit und breit nichts zu sehen.
 

Stiles zog sich eine Jacke an, schnappte sich eine Taschenlampe und schaute sich rings um das Haus herum um. Da waren die Fußspuren von mehreren Personen im Schnee und auch ein wenig Blut, doch nicht genug, als dass man annehmen musste, jemand sei tödlich verletzt worden.

Der Biologe folgte den Abdrücken ein ganzes Stück bis in den Wald hinein, doch dann hatte er plötzlich das starke Gefühl, er dürfe Miguel nicht so lange allein lassen, also kehrte er wieder um.
 

Der Werwolf hatte sich in seine Decke eingewickelt, wie in einen Kokon. Er zitterte ein wenig und seine Miene war elend:

„Ist kalt ohne das ganze Fell was?“ stellte Stiles überflüssigerweise fest, doch Miguel würdigte ihn keiner Antwort, sondern schenkte dem Menschen bloß einen finsteren Blick.
 

Stiles legte dem Werwolf einen Pullover und Socken, eine Boxershorts und eine Trainingshose hin, doch er erntete lediglich ein unzufriedenes Schnauben.
 

„Als Wolf hattest du irgendwie bessere Laune!“ stellte der Mensch fest.
 

Es folgte ein weiteres Schnauben, also fügte Stiles hinzu:

„Und gesprächiger warst du da irgendwie auch!“
 

Daraufhin zog Miguel sich die Decke über den Kopf und es war an Stiles, genervt zu schnauben.
 

Dem Menschen war klar, dass er dringend wieder für Wärme im Haus sorgen musste, wenn er nicht wollte, dass sein Gast mit der eigenartigen Allergie gegen Textilien erfror. Er machte sich also zunächst einmal mit klammen Fingern daran, dass Türschloss wieder festzuschrauben. Dann drehte er die Heizanlage hoch, begann, die umgestürzten Möbel wieder aufzurichten und aufzuräumen. Miguel rührte sich währenddessen keinen Millimeter und blieb unter seiner Wolldecke versteckt, wie ein schmollendes Kind.
 

Als das Haus wieder einigermaßen in seinen Urzustand versetzt worden war, setzte Stiles einen Kräutertee auf, brachte dem Werwolf eine Tasse davon und erklärte:

„Ich hab´ hier was für dich, damit dir wieder warm wird!“
 

Miguel unter seiner Decke rührte sich immer noch nicht und so begann Stiles vorsichtig daran zu zupfen, bis wenigstens der Kopf des Werwolfs wieder zum Vorschein kam. Der Mensch reichte ihm das dampfende Trinkgefäß und Miguel griff schnell danach und umschloss es mit seinen großen, kraftvollen Händen.

Diese erinnerten Stiles frappierend an die riesigen Tatzen des Wolfes, welche er so sehr geliebt hatte.
 

Es war wahrscheinlich lächerlich, dass der Wolf ihm fehlte, oder nicht? Immerhin hatte es ihn niemals wirklich gegeben. Es war ja bloß eine Täuschung gewesen.

Eine Lüge!
 

Miguel trank die heiße Flüssigkeit schluckweise und als der Becher geleert war, reichte er ihn mit großen, fragenden Kinderaugen an den Menschen zurück, welche so gar nicht zu einem Kerl passen wollten, der gebaut war wie ein Preisboxer.
 

„Du kannst doch jetzt sprechen! Warum sagst du denn nicht, wenn du noch mehr willst?“ brummte Stiles übellaunig.
 

Und tatsächlich kam eine Erwiderung, bestehend aus einem einzelnen Wort:

„Bitte?“
 

Der Mensch rollte mit den Augen, nahm das Gefäß, füllte es ein weiteres Mal und reichte es dem Werwolf.
 

Da begann es unvermittelt an der Tür zu pochen. Stiles zuckte heftig zusammen, doch ein Blick in Miguels Gesicht verriet ihm, dass keine Gefahr drohte. Es mussten demnach wohl seine Freunde sein, die zu ihnen zurückgekehrt waren.

Gott sei dank!
 

Der Biologe hastete zur Tür, um zu öffnen und erkannte sofort, dass etwas nicht stimmen konnte, da Emma von Danny gestützt werden musste :

„Verdammt! Was ist denn passiert?“ fragte der Biologe alarmiert und half dabei, die Frau hinüber zum Sofa zu schaffen, wo sie neben den Werwolf platziert wurde:
 

„Die Schweinehunde haben Emma erwischt, kurz bevor ihnen die Flucht gelungen ist!“ knurrte Danny gleichermaßen erbost wie besorgt, doch seine Freundin behauptete:
 

„Süßer, ich sage dir doch, dass es nur halb so schlimm ist. Ich werde schon wieder!“
 

Da erst bemerkte Stiles das Blut, welches aus ihrem rechten Hosenbein quoll:

„Scheiße! Sie haben dich angeschossen?“ rief er entsetzt aus.
 

„Streifschuss!“ erwiderte Emma tapfer, doch Danny beharrte:
 

„Das müssen wir dringend behandeln!“ und machte sich an ihrer Hose zu schaffen:
 

„Verdammt! Da warte ich so viele Jahre darauf, dass mir endlich mal wieder ein Kerl die Klamotten vom Leib reißen will und dann ist es bloß eine eine übereifrige, schwule Krankenschwester!“ seufzte Emma selbstmitleidig:
 

„Klappe!“ forderte die übereifrige, schwule Krankenschwester und zog der Freundin mit einem Ruck die Thermohose und auch gleich noch die darunter getragene Jeans von der Hüfte.
 

Emma fluchte leise vor Schmerz.
 

Stiles hatte unterdessen Verbandszeug geholt und Miguel, der sich das Ganze bislang nur von der Seitenlinie angeschaut hatte, griff nun unvermittelt nach Emmas Hand.
 

Auf das, was dann geschah, konnten sich die beiden anderen Männer zunächst keinen Reim machen, denn über den Arm des Werwolfs zogen sich mit einem Mal seltsame schwarze Linien.
 

Danny, der gerade die Wunde inspizierte, begann schon ein wenig besorgt auszusehen, doch Emma versicherte:

„Keine Sorge! Er nimmt mir lediglich die Schmerzen. Das kann seine Art nämlich! Es sind sehr soziale und fürsorgliche Wesen!“ An den Werwolf gewandt sage sie: „Danke, Miguel! Das ist lieb von dir!“
 

„Derek!“ sagte der Angesprochene beinahe zu leise, als das man ihn verstehen konnte:
 

„Derek?“ wiederholte Emma: „Ist das dein richtiger Name, Süßer?“
 

Der Werwolf nickte und die ältere Frau erklärte lächelnd: „Es freut mich, dich kennenzulernen, Derek! Ich bin Emma!“ Sie drückte die große Hand, welche die ihrige hielt herzlich.
 

„Du hast Glück gehabt!“ erklärte Danny und begann seiner besten Freundin einen Verband anzulegen: „Es ist tatsächlich bloß ein Streifschuss! Doch eigentlich sollte es trotzdem genäht werden! Nun wirst du bestimmt eine hässliche Narbe zurückbehalten!“
 

Emma zuckte mit den Achseln und entgegnete:

„Na und? Es ist mit Sicherheit nicht meine Erste. Das Leben hinterlässt nun einmal seine Spuren!“
 

„Nun erzählt doch endlich mal, was nun eigentlich passiert ist!“ forderte Stiles ungeduldig aus dem Hintergrund: „Müssen wir damit rechnen, dass diese Jäger gleich wieder hier vor der Tür stehen, oder wie?“
 

„Also das bezweifle ich! Meine liebe Freundin hat den alten Mann zweimal mit `L´il Emma´ erwischt!“ erwiderte Danny und deutete auf eine Schrotflinte, welche in einer Zimmerecke stand und offensichtlich auf diesen putzigen Spitznamen hörte: „Als die Zwei hier ins Haus gekommen sind, haben wir zunächst mit ihnen gekämpft. Damit haben diese beiden Figuren scheinbar gar nicht gerechnet. Dachten wohl, das Haus stünde leer. Seit heute weiß ich übrigens, dass unsere Emma hier einen wirklich tödlichen rechten Haken hat und in Zukunft werde ich darum noch sehr viel lieber zu ihr sein als früher, um niemals ihren Zorn auf mich zu ziehen! Emma hat dieser Jägerin mit ziemlicher Sicherheit Nase und Jochbein gebrochen, so wie es gekracht hat, als sie ihren Treffer gelandet hat. Ich habe mich währenddessen um den Kerl gekümmert und ich muss sagen, dass ist wirklich ein zäher alter Sack! Trotzdem ist es uns irgendwann gelungen, die beiden aus dem Haus zu treiben und wir haben uns im Wald eine kleine Verfolgungsjagd inklusive Schusswechsel geliefert. Der Opa wird an seinen Schussverletzungen zwar sicherlich nicht gleich sterben, aber die Zwei werden Zeit und medizinische Versorgung brauchen, ehe sie überhaupt wieder darüber nachdenken können, euch anzugreifen. Sie haben dann irgendwann ihren Schlitten erreicht und sind davon gebraust, als sei der Teufel hinter ihnen her, so dass wir sie zu Fuß nicht mehr erwischen konnten!“
 

„Danke, euch! Das habt ihr gut hinbekommen und ich bin bloß froh, dass euch nichts Schlimmeres zugestoßen ist.“ erklärte Stiles erleichtert, als Danny geschlossen hatte.

Er warf einen auffordernden Blick auf Miguel slash Derek, doch der hatte während seiner Zeit als Wolf offensichtlich seine gute Kinderstube vergessen! Obwohl das ganze doch schließlich bloß seinetwegen passierte, hatte der Werwolf offensichtlich nicht weiter zu sagen; nicht einmal ein Dankeschön!

Und so fragte Stiles schließlich; nicht eben feinfühlig:

„Sag´ mal, was hast du eigentlich angestellt, dass diese Typen so sauer auf dich sind und dich unbedingt kriegen wollen, Mig... uhm, ich meine Derek? Irgendwas musst du doch getan haben? Raus mit der Sprache!“
 

Der Werwolf zuckte bei der scharfen Ansprache ein klein wenig zusammen und ließ dann niedergeschlagen den Kopf hängen.
 

Es war Emma, die ihm nun zu Hilfe kam. Sie legte einen Arm um Derek und antwortete:

„Diese beiden sind Werwolfjäger! Die brauchen keinen Grund, um Jagd auf ihn zu machen. Für die ist es bereits ausreichend, dass er ist, was er ist. Willst du wissen, woher ich das weiß, Stiles? Dieser alte Mann und ich, wir sind uns nicht zum ersten Mal begegnet! Ich denke nicht, dass er mich wiedererkannt hat, aber ich werde dieses Gesicht mit Sicherheit nie vergessen. Immerhin hat er die große Liebe meines Lebens auf dem Gewissen!“
 

Stiles und Danny blickten Emma verblüfft an und selbst Derek hatte nun den Kopf wieder erhoben.
 

„Ich habe euch habe ja bereits von Jessie erzählt, nicht wahr? Ich bin damals fünfzehn Jahre alt gewesen und bin von zuhause ausgerissen, um in Woodstock dabei zu sein. Ich hatte mein gesamtes Erspartes bereits für den `Greyhound´ und die Eintrittskarte ausgegeben. Nun hatte ich nichts zu essen, keinen Platz zum schlafen und ich war mutterseelenallein in der Fremde, denn ich hatte die ganze Sache nicht sehr gut durchdacht. Aber genau in diesem Augenblick traf ich IHN. Er war wunderschön und sah aus, wie ein Engel: Lange, blonde Haare, strahlende, türkisfarbene Augen, groß, athletisch... ich war auf der Stelle total verknallt! Und Jessie hat mein Dilemma erkannt und hat mich gerettet! Er hat mich durchgefüttert, mich bei sich in seinem VW-Bus schlafen lassen und er hat sogar sein Gras mit mir geteilt! Wobei seine Thai-Sticks zusätzlich immer noch mit einem besonderen Kraut gewürzt waren und bei ihm ziehen durfte ich nie.“ Emma lächelte versonnen: „Ich habe zunächst nicht gewusst, wieso, denn ich hatte ja keine Ahnung, dass er ein Werwolf war, doch bei seinesgleichen wirkte all´ das, was uns Menschen Spaß macht nicht, wie etwa Drogen, oder Alkohol, wenn nicht eine Prise Wolfswurz dabei ist. Werwölfe haben nämlich eine unglaubliche Konstitution, müsst ihr wissen! Sie sind beinahe unverwüstlich; wahnsinnig stark, wenn sie sich verletzen heilen sie um Nu wieder und sie können außerdem sehr alt werden, stimmt´s nicht Süßer?“

Emma kraulte Derek durch das verfilzte Haar und der große, muskulöse Werwolf ließ sich das überraschenderweise klaglos gefallen.
 

Stiles musste daran denken wie rasch der Wolf nach seiner Schussverletzung wieder auf den Beinen war. Er berichtete den Anderen davon und wollte wissen:

„Gibt es ein Gift, das Werwölfe töten kann? Oder war es einfach bloß das Silber, das Derek so zugesetzt hat?“
 

Emma schüttelte den Kopf und erwiderte grimmig:

„Das einzige Silber, welches Werwölfen schaden zufügt, sind diese Jäger!“

Als sie die irritierten Blicke ihrer Zuhörer sah, erläuterte die Frau:

„Es ist ihr Name! Dieser alte Mann heißt Gerard ARGENT; das ist französisch und bedeutet ganz schlicht Silber! Aber das Gift an der Kugel, welche Derek getroffen hat, wird mit Sicherheit ebenfalls Wolfswurz gewesen sein. Es ist nämlich die einzige Substanz, die einem Werwolf wirklich schaden kann, doch während es für Menschen bereits in kleinsten Mengen tödlich ist, macht bei einem Wolf die Dosis das Gift! Eine Spur davon in einem Glas Alkohol beispielsweise schwächt das Abwehrsystem des Werwolfes so weit, dass er betrunken werden kann. Ansonsten würde sein Körper die Wirkung des Gesöffs sofort neutralisieren. Wenn du aber beispielsweise eine Gewehrkugel damit präparierst und auf einen Werwolf schießt, wird es ihn langsam und qualvoll in spätestens achtundvierzig Stunden töten. Insofern hat Derek großes Glück gehabt und du hast alles richtig gemacht Stiles, als du die Wunde ausgebrannt hast, so dass das Gift sich nicht weiter ausbreiten konnte.“
 

Derek zuckte bei der Erinnerung an den Schmerz, den er bei dieser Prozedur empfunden haben musste noch einmal zusammen und Emma streichelte ihm beruhigend Wange.
 

Danny forderte von seiner besten Freundin:

„Erzähl weiter! Was ist damals mit deinem Freund Jessie passiert, Emma? Was haben die Jäger mit ihm gemacht?“
 

Emma seufzte schwer und es wirkte, als müsse sie sich zunächst einmal ein wenig sammeln, ehe sie in ihrer Erzählung fortfahren konnte:

„Nach dem Festival hat Jessie mich wieder nachhause gefahren. Natürlich waren meine Eltern stinksauer auf mich. Und obwohl er mir geholfen und mich heimgebracht hat, waren sie alles andere als einverstanden mit meinem neuen Freund. Er war damals immerhin schon einundzwanzig Jahre alt und ich war vor dem Gesetz noch ein Kind. Mein Vater hat sogar eine Anzeige wegen Kindesmissbrauch gegen Jessie erstattet, doch damit ist er zum Glück nicht durchgekommen, weil ich den Beamten versichert habe, dass alles, was zwischen uns beiden geschehen war einvernehmlich passierte und weil ich, wie eine ärztliche Untersuchung gezeigt hat, auch noch Jungfrau gewesen bin. Mein Jessie war nämlich ein perfekter Gentleman, der mich niemals zu etwas gedrängt hätte; eher im Gegenteil: Er war dieser altmodische, ritterliche Typ, was eigentlich so gar nicht in die wilden siebziger Jahre zu passen schien. Er war ein echter Anachronismus! Ich habe ihn dafür geliebt. Und manchmal habe ich ihn auch genau dafür gehasst!“ Emmas Miene war tief bewegt und sie blinzelte ein paar Tränen fort, atmete tief durch und fuhr fort: „An meinem sechzehnten Geburtstag musste ich schließlich alle Register ziehen, damit er dann endlich mit mir schläft, denn ich wollte einfach nicht mehr die einzige Jungfrau in meiner Klasse sein! Er war so wahnsinnig sexy und ich war verrückt nach ihm! Jessie hatte allerdings wahnsinnig große Angst, es könne zu früh für mich sein, oder dass er mir irgendwie weh tun könnte, dabei wollte ich ihn von der ersten Sekunde an. Und soll euch etwas verraten Jungs: Unser erstes Mal war wie aus dem Märchenbuch! Wir haben es auf einer Waldlichtung unter den Sternen getan, haben uns viel Zeit gelassen, es war eine von diesen lauen Sommernächten....“ Emma seufzte tief: „Ich habe nie wieder einen Liebhaber wie Jessie gehabt. Er war unglaublich aufmerksam, vermutlich auch aufgrund seiner überlegenen Sinne, aber auch deswegen, weil er mich wirklich geliebt hat! In einer Zeit in der es hieß: `Wer zweimal mit demselben pennt, gehört schon zum Establishment!´ haben Jessie und ich unsere wunderbare, innige, romantische und mongame Liebesgeschichte gehabt. Wir waren sieben unglaublich schöne Jahre zusammen, hatten gerade ein Haus gekauft und wollten heiraten, als Gerard Argent kam und... und die große Liebe meines Lebens...“

Emmas Stimme brach und sie verbarg ihr Gesicht hinter ihren Händen, damit niemand sah, dass sie weinte.
 

Danny hockte sich an die Seite seiner Freundin und nahm sie in die Arme.
 

Etwa eine Minute lang konnte Emma es ertragen, sich trösten zu lassen, ehe sie ihre Fassung wiedererlangte, Danny abschüttelte und ihre Erzählung beendete:
 

„Nach Jessies Tod wollte ich einfach nur noch so weit weg, wie nur irgend möglich und gelandet bin ich schließlich hier in Alaska. Ich habe nie wieder zurückgeblickt!“

Sie straffte sich, ergriff Dereks Hand und erklärte fest:

„Aber diesen Werwolf bekommt Gerard Argent nicht; das schwöre ich dir, Süßer! L´il Emma und ich werden dich beschützen, hörst du?“
 

Derek blickte sie an, wie ein zerzaustes, kleines Lämmchen und da stieß Emma ein kleines, gutmütiges Lachen aus und drückte dem Werwolf ein Küsschen auf die Wange.
 

Stiles beobachtete das Ganze skeptisch und brummte dann:

„Du magst ja gute Erfahrungen mit Werwölfen gemacht haben, Emma, aber ich weiß immer noch nicht genau, was ich von dieser ganzen Sache halten soll. Miguel... uhm... ich meine Derek hat mir über Wochen vorgemacht, dass er ein Tier sei! Er hat sich mein Vertrauen erschlichen und ich will wissen WIESO! Warum hast du das gemacht, Derek! Warum hast du mich derart angelogen?“
 

Die Verletzung in Stiles Stimme war nicht zu überhören, doch seine einzige Antwort war der gleiche scheue Lämmerblick, den zuvor bereits Emma erhalten hatte, nur dass der Biologe sich davon nicht einfach so einwickeln lassen würde. No Sir!

„Nun schau nicht so, sondern antworte mir lieber? Was willst du von mir? Ist das irgendein Trick? Willst du mir vielleicht etwas antun?“ bellte er.
 

Noch mehr vom `Schweigen der Lämmer´, doch nun mischte Danny sich ein:
 

„Jetzt sei doch nicht so hart zu ihm, Stiles! Du siehst doch, dass Derek das Sprechen nicht so leicht fällt und er sich erst wieder an das Menschsein gewöhnen muss!“
 

„Ich muss aber wissen, was hier gespielt wird!“ beharrte Stiles: „Ich habe ihm vertraut! Ich dachte, er wäre mein Freund und nun weiß ich gar nichts mehr!“
 

„Ich BIN dein Freund!“ flüsterte Derek und sah dabei aus, wie ein geprügelter Hund.
 

„Dann beweis´ es! Erzähl´ mir etwas von dir! Und ich rate dir, sag´ lieber die Wahrheit!“ bellte Stiles erbost.
 

Nun schaltete Emma sich ein:

„Halt die Klappe, Stiles! Brüll´ ihn nicht so an! Spürst du denn nicht, dass der arme Kerl total traumatisiert und verwirrt ist? Aber ich denke, ich weiß vielleicht, was mit ihm los ist.“ schalt sie den Biologen, wandte dann ihre gesamte Aufmerksamkeit dem Werwolf zu und fragte sanft:

„Wie alt bist du, Süßer?“
 

„Ich bin sechzehn, Ma´am!“ behauptete Derek, obwohl jeder, der Augen im Kopf hatte sehen konnte, dass dies nicht stimmen konnte.
 

Stiles wollte gerade Protest einlegen, doch Emma brachte ihn mit einer gebieterischen Geste zum Schweigen und fragte stattdessen weiter:

„Und weißt du auch, welches Jahr wir haben, Derek?“
 

Der Werwolf schaute sie verdutzt an und antwortetet dann wie selbstverständlich:

„Zweitausendsieben, Ma´am!“
 

Emma seufzte traurig, nahm liebevoll das vollbärtige Gesicht des Werwolfs in ihre Hände und erklärte so sanft, wie möglich:

„Du bist sehr, seeehhr lange ein Wolf gewesen, mein Kleiner! Du bist nicht sechzehn, sondern sechsundzwanzig! Wir schreiben das Jahr Zweitausendsiebzehn!“
 

Dereks Augen weiteten sich vor Schreck und dann behauptete er:

„Das ist nicht wahr! Das ist eine Lüge! Das ist einfach nicht wahr!“
 

Emma schickte Danny los, einen Spiegel zu besorgen und als Derek sich darin betrachtete, schien er sich selbst nicht zu erkennen. Er berührte seinen Bart, fuhr die eigenen, unbekannten Gesichtszüge nach und blickte dann fassungslos zu Emma hinüber.
 

„Das muss sehr verwirrend für dich sein, richtig?“ stellte die Frau mitfühlend fest: „Wo ist denn dein Rudel? Wo bist du zuhause, Derek?“
 

Es war nicht zu übersehen, dass diese Frage ein Wespennest war und um den Werwolf abzulenken, schlug Emma vor:

„Was hältst du denn davon, wenn ich mich erst einmal um das Chaos auf deinem Kopf kümmere? Stiles hat bestimmt irgendwo Kamm, Bürste und Schere für uns, nicht wahr?“
 

Der Biologe nickte und lief los, um die geforderten Gegenstände zu besorgen.
 

Emma machte es sehr gut mit Derek. Sie entwirrte das Haar mit sanfter Hand, streichelte den Werwolf zwischendurch gelegentlich, schenkte ihm ein mütterliches Lächeln ab und an und in der Summe bewirkte dies, dass Derek wieder ganz ruhig wurde.
 

Das Haar war letztlich zu verfilzt, als dass Emma viel davon retten konnte, doch sie verpasste dem Werwolf letztlich einen sehr annehmbaren Kurzhaarschnitt und hielt ihm anschließend den Spiegel vor, damit er sich darin bewundern konnte:

„Und was ist mit dem Bart, mein Hübscher? Soll er so lang bleiben, willst du ihn kürzen, oder ganz und gar abrasieren?“ wollte die Frau wissen.
 

Derek zuckte ratlos mit Schulter, also mischte Danny sich ein:

„Ich wette, mit einem gepflegten Drei-Tage-Bart würdest du richtig heiß aussehen!“

Er holte sich Stiles Rasierer aus dem Bad, nahm Emma Schere und Kamm ab, hockte sich vor Derek und fragte:

„Darf ich?“
 

Der Werwolf schenkte dem Lieferanten einen finsteren Blick und gab ein leises Knurren von sich, doch davon ließ Danny sich nicht beirren:

„Stell´ dich nicht so an, Grummelwolf! Ich weiß was ich tue! Und wehe, du beißt mich! Da kann ich sehr ungemütlich werden!“

Nachdem das gesagt war, machte Danny sich ans Werk.
 

Stiles musste zustimmen, dass Haarschnitt und Bartfrisur Derek wirklich ausgezeichnet standen. Ja, er würde sogar so weit gehen zu sagen, dass er ein ziemlich attraktiver Mann war!

Und der Biologe wusste selbst nicht genau, warum ihn das auf einmal so nervös machte.

Er bestimmte:

„Jetzt wird es aber auch Zeit, dass du dir endlich etwas anziehst. Du hast schließlich kein Fell mehr, also los! Mach schon!“
 

Emma und Danny lachten und der Lieferant kommentierte:

„Also, ich habe gegen diesen Anblick wirklich absolut nichts einzuwenden! Bleib ruhig so, Derek!“
 

Stiles stellte fest, dass er ärgerlicherweise knallrot wurde, als er hilflos erwiderte:

„Aber es gehört sich nicht, nackt herumzulaufen! Außerdem ist immer noch Winter und es gibt an den Sachen, die ich ihm hingelegt habe doch überhaupt nichts auszusetzen!“
 

Danny warf einen Blick auf den Kleiderstapel und urteilte:

„Na ja, es ist nicht wirklich seine Farbe!“

Die verschlungenen Wege des Schicksals

Vorwort:
 

Ihr Lieben,

mit diesem Kapitel habe ich mich wahnsinnig schwer getan und leider finde ich es nicht sehr gelungen. Ich hoffe, es gefällt Euch trotzdem ein bisschen. Irgendwie ist mir die Muse gerade nicht gewogen. :-(
 


 


 

Es war mittlerweile längst Schlafenszeit, doch auch wenn Emma davon ausging, dass die Werwolf-Jäger heute sicher nicht mehr wiederkommen würden, hatte sie Stiles und Danny dennoch gründlich im Haus alle Zugänge kontrollieren lassen; bloß zur Sicherheit!
 

Als nächstes ging es dann an die Bettenvergabe. Schnell war klar, dass Emma und Danny sich das zweite Bett in Stiles Schlafzimmer teilen würden und somit fiel Derek das Sofa im Wohnzimmer zu. Er machte zwar ein langes Gesicht, doch zunächst schien es tatsächlich, als würde sich der Werwolf tatsächlich mit seiner Verbannung abfinden.
 

Doch Derek war einsam und er wollte dort schlafen, wo er es bereits die ganze letzte Zeit getan hatte; dort, wo er sich wohl und sicher fühlte!

Und so kam es, dass Stiles gerade dabei war wegzudämmern, als ihm klar wurde, dass er nicht mehr allein in seinem Bett lag:

„Verschwinde, Derek!“ rief er erschrocken aus: „Du kannst nicht bei mir schlafen! Nicht, wenn du keine Hosen anhast! Tut mir leid!“
 

Aus dem Nachbarbett war Gekicher zu hören und Derek verschwand tatsächlich.

Nur um wenig später in Hosen wieder bei Stiles aufzutauchen und ihn lieb anzuschauen.
 

Der Biologe seufzte und dieser Blick erinnerte ihn an all´ die schönen und lustigen Dinge, die er mit Miguel seit seiner Ankunft in Alaska erlebt hatte und so hob er schließlich seine Bettdecke als Einladung ein wenig an.

Sogleich kuschelte sich der Werwolf an seine Seite. Er war warm und roch irgendwie vertraut und angenehm, so dass Stiles beinahe vergaß, dass sich ja inzwischen eine Winzigkeit verändert hatte. Ohne groß darüber nachzudenken, begann er nach einer Weile sogar damit, Dereks Haar zu streicheln und dieser schlief zufrieden ein.
 

Bis Stiles selbst ebenfalls Ruhe fand, dauerte es allerdings eine ganze Weile, denn da war etwas, das an ihm nagte. Etwas übersah er hier und zwar etwas Wichtiges, doch in dem ganzen Durcheinander kam er einfach nicht darauf, was dies sein mochte?

Erst seine Träume halfen Stiles schließlich dabei, ein wenig klarer zu sehen. Zwar konnte er sich beim Aufwachen am nächsten Morgen nicht mehr an vieles erinnern, aber immerhin noch an diese eine Sache. Er hörte die Jägerin laut und deutlich sagen: „... Hales Kopf als Trophäe an meiner Wand...“

„Hale!“

Stiles war mit einem Mal hellwach, saß aufrecht im Bett und der Name hallte in seinem Kopf wieder.
 

Der Werwolf erwachte ebenfalls und schaute ihn verstört an, doch Stiles hatte keinen Blick für ihn. Er sprang aus dem Bett und begann beunruhigt im Raum auf und ab zu laufen.
 

Nun war es ihm klar.

Er KANNTE Derek!

Er wusste bereits, was ihm zugestoßen war!
 

Und so konnte alles Andere doch sicher auch kein Zufall sein, oder?

Hatte er Derek etwa, ohne es zu wollen verraten?

Verdammt!
 

Stiles deckte den Frühstückstisch für alle, weil er sich unbedingt irgendwie beschäftigen musste und nachdem die Anderen sich zu ihm gesetzt hatten, blickte er angespannt in die Runde:

„Mir sind heute Nacht einige Dinge klar geworden! Ich weiß bloß noch nicht, was das alles bedeutet! Ich muss unbedingt mit euch darüber sprechen!“ platzte er heraus.
 

Seine Tischnachbarn blickten ihn überrascht und erwartungsvoll an:

„Wovon redest du?“ wollte Danny wissen.
 

Stiles wandte sich Derek zu und erläuterte:

„Mir ist klar geworden, dass ich dich bereits von früher kenne, Großer. Dein voller Name ist Derek Hale, richtig? Und du stammst aus Beacon Hills in Kalifornien?“
 

Derek schaute mit großen Augen an und nickte dann leise.
 

„Und du hast dich mir deswegen angeschlossen, weil wir uns von damals kennen, richtig? Erinnerst du dich an mich von früher? Hast du deswegen gedacht, du könntest mir vertrauen? Hat der Wolf darum meine Nähe gesucht?“ forschte der Biologe weiter.
 

Der Werwolf stutzte und schüttelte dann den Kopf:

„Nein, darum nicht. Ich kannte dich nicht.“
 

„Und warum sonst?“ fragte Stiles überrascht, denn er war sich seiner Sache hierbei so sicher gewesen.
 

Derek zuckte mit den Achseln:

„Ich war allein. Ich wollte bei dir sein.“ erwiderte er schüchtern und gerade aufgrund ihrer Schlichtheit ging dem Biologen diese Äußerung ans Herz.
 

Es mochte ein wahnsinniger Zufall sein, dass sie beide in derselben Kleinstadt aufgewachsen waren, doch war es dennoch durchaus möglich, dass der Werwolf die Wahrheit sagte und er Stiles noch nie zuvor bewusst wahrgenommen hatte, denn tatsächlich hatten Derek und Stiles in der Vergangenheit niemals auch nur ein einziges Wort miteinander gewechselt. Zwar waren sie auf dieselbe Junior-Highschool gegangen, doch Derek war zwei Jahrgänge über Stiles gewesen und sie beide hatten keinerlei Berührungspunkte miteinander gehabt. Auch Stiles selbst würde sich vermutlich nicht mehr an Derek erinnern, wenn er nicht gewusst hätte, was der Hale-Familie seinerzeit zugestoßen war, denn es gab wohl niemanden in Beacon Hills, der es damals nicht nicht mitbekommen hätte.
 

„Kannst du dich an das Feuer erinnern, Derek?“ fragte Stiles nun also so behutsam wie irgend möglich.
 

Die Miene des Werwolfs verschloss sich schlagartig und seine Hände ballten sich zu Fäusten, so dass die Knöchel weiß hervortraten:
 

„Wovon sprichst du, Stiles?“ mischte sich jetzt Emma ein: „Was für ein Feuer?“
 

Und so begann der Biologe zu berichten:

„Es geschah vor zehn Jahren. Ich selbst war damals vierzehn Jahre alt und mein Vater war der Sheriff in meinem Heimatort Beacon Hills. Eines Tages verübten Unbekannte ein furchtbares Massaker, welches die gesamte Stadt erschütterte. Etwas außerhalb der Ortschaft im Naturschutzgebiet hatte die Familie Hale ihr Anwesen. Die Täter haben dort ein Feuer gelegt und dafür gesorgt, dass niemand die Chance hatte, aus dem Haus zu entkommen, indem sie sämtliche Ausgänge versperrt haben. Als die Polizei und die Feuerwehr eintrafen, war es bereits zu spät. Sie waren beinahe alle tot! Es war eine furchtbare Tragödie und der einzige Überlebende des Dramas war der älteste Sohn der Familie, doch auch dieser hatte bei dem Feuer schwerste Verbrennungen erlitten. Mein Dad wollte gerade dafür sorgen, dass der Junge in ein Krankenhaus kommt, doch dann war er urplötzlich verschwunden. Mein Vater hat nie verstanden, was ihm zugestoßen sein mochte, denn er war schließlich viel zu schwer verletzt gewesen, um sich einfach aus dem Staub zu machen. Dennoch blieb von ihm lediglich ein Stapel versengter Kleidung zurück und so hat die Polizei diesen Fall als Entführung behandelt. Das Verschwinden des Jungen hat meinen Vater damals beinahe um den Verstand gebracht und ich weiß, dass er die Akte bis heute nicht geschlossen hat!“
 

Derek hatte bei den Schilderungen ein wenig zu zittern begonnen. Stiles nahm vorsichtig seine Hände in die eigenen und stellte fest:

„Du warst dieser Junge, richtig? Du warst der einzige Überlebende dieses Massakers? Was ist damals mit dir passiert? War es der Schock? Hast du dich verwandelt und bist einfach davongelaufen?“
 

Derek war nicht fähig zu antworten, sondern starrte lediglich mit abwesendem Blick ins Leere, doch Stiles wusste, dass es so war. Er sah es beinahe vor sich, wie Derek, traumatisiert, mutterseelenallein und verzweifelt sein altes Leben und in gewisser Weise ja sogar sich selbst hinter sich ließ und ganz einfach losrannte.

Und darauf waren dann ganze ZEHN JAHRE gefolgt, welche er in vollständiger Einsamkeit und in Gestalt eines Tieres zugebracht hatte.

Das war unvorstellbar und so wahnsinnig traurig!
 

Aber dann war Derek plötzlich wieder bereit gewesen, sich einem anderen Lebewesen zuzuwenden. Stiles hatte keine Ahnung, ob es nicht vielleicht doch daran lag, dass Derek und er sich bereits früher einmal begegnet waren und er sich einfach nur nicht daran erinnern konnte, oder ob der Werwolf einfach gespürt hatte, dass er bei ihm in Sicherheit sein würde, doch Derek hatte IHN ausgewählt, um schließlich wieder ins Leben zurückzukehren.
 

Der Biologe bereute, wie ekelhaft er sich gestern Derek gegenüber verhalten hatte. Er öffnete die Arme und zog den Kopf des Werwolfs an seine Brust. Anfänglich versteifte dieser sich ein wenig, doch schließlich ließ er los und am leichten Beben seines Körpers konnte Stiles erkennen, dass er weinte:

„Es tut mir so leid, Großer! Es tut mir wirklich wahnsinnig leid, was dir zugestoßen ist!“ flüsterte er ihm ins Ohr und wiegte den großen, kraftvollen Körper sanft und beruhigend vor und zurück.
 

Als Derek sich wieder ein wenig gefasst hatte, erklärte Stiles schuldbewusst:

„Da ist aber noch mehr, das ich euch erzählen muss! Ich habe nämlich möglicherweise etwas sehr Dummes getan. Vielleicht bin ich sogar Schuld daran, dass die Jäger gestern hier aufgetaucht sind? Ich weiß es nicht! Vor zwei Tagen habe ich meinem besten Freund Scott von dem großen Wolf erzählt, der neuerdings bei mir wohnt und seine Frau und sein Schwiegervater waren auch dabei und haben es mitgehört.“ Stiles holte tief Luft: „Der Nachname der beiden ist ARGENT! Zunächst habe ich mir nichts dabei gedacht und an eine zufällige Namensgleichheit gedacht, doch jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, denn immerhin leben die beiden bereits seit einer Ewigkeit in Beacon Hills. Und dann ist da ja noch der Beruf von Christopher Argent! Er ist nämlich ein Waffenhändler und diese Jäger waren doch so schwer bewaffnet. Vielleicht sind er und dieser Gerard ja miteinander verwandt? Denkt ihr, das wäre möglich? Ich meine, wie häufig kommt dieser Nachname wohl vor? Sind Chris und Allison möglicherweise bereits auf dem Weg hierher, um den Jägern zu helfen, Derek zur Strecke zu bringen? Haben sie mit den beiden Kontakt aufgenommen, um ihnen zu verraten, dass Derek hier bei mir ist? Ich weiß überhaupt nichts mehr! Sie sind doch meine Freunde! So etwas würden sie doch nicht tun, oder?“

Stiles blickte ratlos in die Runde.
 

Emma runzelte die Stirn:

„Wir wissen es nicht, was geschehen wird!“ gab sie ernst zurück: „Wir wissen nicht, ob deine Freunde zu den Jägern gehören und ob sie sich gegen Derek richten würden. Aus Erfahrung kann ich dir lediglich sagen, dass Jäger für gewöhnlich nicht allein aktiv werden. Schon früh bringen sie ihren Kindern alles über die Jagd bei und der gesamte Clan arbeitet hierbei zusammen. Was du nun tun solltest ist deinen Freund kontaktieren und herausfinden, wo dieser Chris und seine Tochter sich gerade aufhalten, Stiles und dann entscheiden wir, was zu tun ist.“
 

Stiles nickte und warf einen Blick auf die Uhr. In Kalifornien wäre es nun eine Stunde später als hier, also wäre Scott auf alle Fälle bereits wach und so versuchte er ihn über Skype zu erreichen und hatte Glück:

„Hey Bro!“ begrüßte sein Freund ihn freudig: „Ich hätte nicht gedacht, schon so bald wieder von dir zu hören. Ist dein neues Haustier etwa krank, oder was kann ich für dich tun?“
 

Stiles schüttelte den Kopf und erwiderte:

„Nein, eigentlich müsste ich mit deiner Frau sprechen. Ist Allison da?“
 

„Tut mir leid, Kumpel. Sie ist nicht hier.“ erklärte Scott bedauernd: „Das war ganz eigenartig, denn sie musste vor zwei Tagen urplötzlich mit ihrem Vater weg. Es ginge um irgendeinen familiären Notfall haben sie zu mir gesagt. Sie haben ein großes Geheimnis darum gemacht, was genau passiert ist. Klein-Liam und ich sind zurzeit allein. Kann ICH dir denn irgendwie helfen?“
 

Stiles seufzte schwer:

„Ich fürchte, das hast du schon.“ gab er geheimnisvoll zurück: „Ich melde mich bald wieder bei dir. Mach´s gut, Kumpel!“

Der Biologe beendete das Gespräch, ehe sein verdutzter Freund noch etwas entgegnen konnte.
 

Die Anderen hatten das Gespräch aus dem Hintergrund verfolgt:

„Das war jawohl eindeutig, Stiles!“ kommentierte Danny: „Kaum haben diese Allison und ihr Vater Wind von dem Werwolf bekommen den du beherbergst, haben sie sich auch schon auf den Weg gemacht, um dem gruseligen Opa und dieser Bitch, die er bei sich hat dabei zu helfen, Derek das Lebenslicht auszublasen! Wir sollten jetzt unbedingt etwas unternehmen, um ihn in Sicherheit zu bringen. Sie hatten bereits zwei Tage Zeit. Egal, ob sie das Auto oder den Flieger genommen haben, sie könnten bereits in Alaska sein!“
 

Emma nickte:

„Wir werden folgendes machen: Danny und ich werden Derek jetzt gleich mit nach Miners Creek nehmen und ihn dort verstecken. Und wenn du hier Besuch von den Jägern bekommst Stiles, dann wirst du ganz ahnungslos tun und sagen, du hättest zwar ein paar Tage lang einen verletzten Wolf bei dir gehabt, aber dann sei er dir weggelaufen. Lade sie ruhig in dein Haus ein, biete ihnen einen Kaffee an, lass´ sie sich umschauen. Sie werden sehen, dass Derek nicht mehr hier ist und dann werden sie an dir das Interesse verlieren und dir geschieht nichts.“
 

„Ich bleibe bei Stiles!“ meldete sich nun Derek zu Wort und verschränkte dabei trotzig die Arme vor der Brust.
 

„Das geht nicht, mein Großer!“ entgegnete Stiles sanft: „Ich will doch, dass du in Sicherheit bist! Ich werde nicht zulassen, dass diese Jäger dich am Ende doch noch in die Finger bekommen! Du bist doch mein Freund, oder nicht? Vertraust du mir?“
 

„Aber ich will bei DIR sein!“ wiederholte Derek kindlich und blickte Stiles eindringlich an: „Ich gehe nicht weg!“
 

„Ich weiß, dass du hierbleiben willst. Und ich will auch lieber, dass du bleibst, aber es ist zu gefährlich! Ich verspreche dir, dass wir uns wiedersehen. Und wenn du das auch willst, dann werde ich dich bei meiner Abreise mit mir nachhause nehmen. Du musst nie wieder allein sein, wenn du es nicht willst, Derek!“ Stiles verschränkte seine Finger mit denen des Werwolfs: „Bitte sei vernünftig, ja? Tust du das für mich? Gehst du mit Danny und Emma?“
 

Derek gab ein unzufriedenes Knurren von sich, doch dann nickte er.
 

„Danke!“ sagte Stiles erleichtert und umarmte den Werwolf.
 

Dann machte er sich daran, warme Kleidung für Derek herauszusuchen, damit er auf der langen Schlittenfahrt nicht fror und wenig später waren er, Danny und Emma auch schon startklar.
 

Stiles trat vor das Haus und blickte sich mit seinem Fernglas nach allen Seiten um, um sicherzugehen, ob die Luft rein war. Als er das Okay gab, folgten ihm die Anderen:
 

„Das Wetter gefällt mir gar nicht!“ kommentierte Emma, obwohl der Himmel klar und die Luft vergleichsweise mild war. Sie umarmte Stiles zum Abschied und humpelte dann hinüber zum Schlitten, um diesen startklar zu machen.
 

Auch Danny wurde mit einer Umarmung verabschiedet und zuletzt folgte Derek, welcher aber scheinbar nicht vorhatte, Stiles allzu bald wieder loszulassen:
 

„Nun geh´ schon, bevor dich noch jemand sieht!“ forderte der Biologe und schob den großen, kräftigen Kerl nach einer Weile energisch von sich: „Emma und Danny werden ganz bestimmt gut auf dich aufpassen!“

Dann drehte Stiles sich einfach auf dem Absatz um und kehrte ins Haus zurück, ohne sich noch einmal umzudrehen.
 

Als Stiles draußen das Starten des Motorschlittens hörte, fühlte er plötzlich ein verdächtiges Brennen hinter seinen Augen.
 

Das Haus würde ihm nun verdammt leer vorkommen!

Feuer und Eis

Sie waren etwa eine Stunde mit dem Schlitten unterwegs gewesen und hatte damit die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, als es zu Schneien begann. Anfänglich waren es lediglich einzelne Schneeflocken, doch es wurde von Minute zu Minute mehr und in kürzester Zeit sahen sich die drei Reisenden einem ausgewachsenen Blizzard gegenüber:

„Es hat keinen Zweck!“ brüllte Emma gegen das Heulen des Sturmes an und wischte über ihre Skibrille: „Ich kann überhaupt nichts mehr sehen! Wir müssen dieses Unwetter erst einmal aussitzen, ehe wir weiterfahren können. Es tut mir leid.“
 

Derek knurrte unzufrieden, als Emma den Schlitten in ein kleines Wäldchen steuerte:

„Alles in Ordnung, Süßer! Wir machen es uns einfach ein bisschen gemütlich, bis es vorbei ist!“ versicherte die Frau besänftigend und breitete dann mit Dannys Hilfe eine Plane über den gesamten Schlitten, unter welcher es, dank der Körperwärme der drei Reisenden, welche nun nicht mehr entweichen konnte schnell vergleichsweise warm wurde und unter welcher sie es trocken hatten.
 

Nachdem die Anderen abgefahren waren, war Stiles unzufrieden und ziellos im Haus auf und ab gelaufen. Er hatte keine Angst um sich selbst. Ihm würde schon nichts passieren, aber was, wenn die Jäger Derek und seine Freunde nun zufällig da draußen erwischen würden? Zumal sie ja jetzt möglicherweise auch noch Verstärkung bekommen hatten?

Stiles begann, ein wenig aufzuräumen, um sich abzulenken, doch als er an das `Nest´ kam, welches Derek sich aus seinen zerkauten Kleidern gebaut hatte, als er noch Miguel gewesen war, hielt er inne und lächelte in sich hinein.

Das große, schwarze Schmusemonster fehlte ihm!

Er ließ den Kleiderhaufen also wie er war und begab sich ins Labor, um dort ein wenig zu arbeiten.
 

Nach einer Weile nahm er den Wetterwechsel wahr und stellte sich ans Fenster, um sich das Treiben draußen anzuschauen. Dann blickte er auf die Uhr, nur um festzustellen, dass seine Freunde es noch längst nicht nach Miners Creek geschafft haben konnten, selbst wenn sie sehr schnell gewesen wären und nun machte er sich ganz offiziell Sorgen! Das da draußen war wohl der heftigste Schneesturm, den Stiles erlebt hatte, seit er in Alaska angekommen war. Er versuchte sich damit zu beruhigen, dass Danny und Emma beide viel Erfahrung mit dem Wetter hier draußen hatten und sicher wissen würden, was in diesem Fall zu tun wäre, doch es gelang ihm nicht wirklich.
 

Am Abend aß er ohne großen Appetit eine Tomatensuppe und eine Weile später legte er sich ins Bett, welches ihm riesig und auch kalt vorkam, ohne dass sich ein Derek, in welcher Gestalt auch immer darin unverschämt breit machte. Das Wetter hatte sich zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht wesentlich beruhigt und der sorgenvolle Stiles brauchte daher auch eine Weile, bis er Schlaf endlich fand.
 

Derek wurde unruhiger, je länger das Unwetter anhielt und er mit den beiden Menschen festsaß. Emma tat ihr Möglichstes, um ihn zu beruhigen, hatte damit jedoch lediglich mäßigem Erfolg. Irgendwann verwandelte sich der Werwolf in seine Betaform. Seine Augen glühten blau und er knurrte:

„Stiles! Ich will zu Stiles!“
 

„Der hat es jetzt besser, als wir! Er sitzt im Warmen, hat etwas zu essen... du musst dir keine Sorgen um ihn machen, Süßer!“ versicherte Emma sanft, doch Derek blieb beunruhigt.
 

Es war bereits spät in der Nacht, als sich das Wetter endlich beruhigt. Es war beinahe ein wenig unheimlich, wie still es urplötzlich war, nachdem der Sturm nachgelassen hatte. Es war zwar eiskalt, aber bis auf ein paar vereinzelte Wolkenfetzen war es nun sternenklar, was das navigieren erleichtern würde:

„Und jetzt bringen wir dich nach Miners Creek in Sicherheit, richtig Derek! So, wie wir es Stiles versprochen haben!“ erklärte Emma.
 

Der Werwolf knurrte leise:

„Ich will zu Stiles!“ wiederholte er noch einmal trotzig.
 

Stiles hatte einen Traum. Er lag an einem Strand und die Sonne brannte ihm heiß auf den Pelz. Neben ihm lag Lydia, herrlich im Schatten, unter einem Sonnenschirm, doch wann immer er ihr ins Kühle folgen wollte, trat die Erdbeerblondine mit den nackten Füßen heftig nach ihm, bis er sich irgendwann wütend erhob und zum Wasser hinüberging, um sich dort ein wenig abzukühlen. Zu spät bemerkte er, dass auch der Ozean ebenfalls kochend heiß war!

In diesem Moment wachte er auf.
 

Der Biologe brauchte ein wenig, um zu begreifen was um ihn herum vorging. Ihm war immer noch heiß und das Atmen viel ihm schwer. Er tastete nach der Nachttischlampe und machte Licht, doch die Sicht wurde dadurch auch nicht viel besser.

War das Rauch?

Verdammt! Irgendwo im Haus brannte es!
 

Stiles begann zu husten und versuchte, nicht vollkommen in Panik zu geraten. Er musste hier raus, aber er hatte wohl noch etwas Zeit, denn er sah keine Flammen. Draußen waren Minusgrade, also musste er sich etwas überziehen, auch wenn hier im Haus gerade einen Affenhitze herrschte. Er zog sich also in Windeseile seine Thermohose über seinen Pyjama, schlüpfte in seine Stiefel, ohne sich die Zeit zu nehmen, sie zuzubinden und dann nahm er sich die Flasche Wasser, die glücklicherweise auf seinem Nachttisch stand und tränkte ein herumliegendes T-Shirt mit der Flüssigkeit, welches er sich dann als Schutz vor dem Rauch vor Mund und Nase band. Nun musste er nur noch seine Jacke finden, doch leider konnte er kaum etwas sehen und Hitze und Rauch brannten ihm böse in den Augen.

Fieberhaft versuchte er sich zu erinnern, wo er sie gelassen hatte. Dann fiel es ihm wieder ein. Er hatte sie an den Kleiderschrank auf einen Bügel gehängt, also begann er sich nun dorthin vorzutasten. Als er sie endlich hatte, klemmte er sie sich unter den Arm und versuchte, sich zur Haustür vorzuarbeiten.
 

Er war diesen Weg hunderte Male gegangen, doch durch den Qualm war alles anders. Die Hitze und die giftigen Dämpfe verwirrten Stiles den Kopf. Er fühlte sich atemlos und schwindelig.

Zu allem Überfluss hatte sich das Feuer im Wohnbereich bereits viel weiter ausgebreitet, als Stiles zunächst angenommen hatte und wilde Flammen schlugen ihm entgegen.
 

Stiles konnte sich zunächst nicht erklären, wie das Feuer entstanden sein konnte. Hatte er etwa in der Küche den Herd angelassen? Dann nahm er trotz des Brandgeruches noch etwas anderes wahr.

Das war irgendein Brandbeschleuniger! Benzin vielleicht?
 

Dieses Feuer hatte jemand gelegt!
 

Und es war nicht schwer zu erraten, wer das gewesen sein konnte. Es mussten dieselben Leute gewesen sein, die auch keine Skrupel gehabt hatten, Dereks gesamte Familie zu verbrennen.
 

Endlich hatte Stiles die Haustür erreicht. Gleich wäre er frei und konnte wieder durchatmen, sagte er sich selbst zur Beruhigung.

Er fragte sich lieber nicht, was ihn draußen erwartete, aber immerhin würde er nicht in den Flammen sterben.

Stiles drückte also den Türgriff herunter, nur um festzustellen, dass sich gar nichts tat. Die Tür war ganz offensichtlich manipuliert worden und ließ sich nicht öffnen.
 

Nun geriet Stiles wirklich in Panik!
 

Er begann wie wild an der Tür zu rütteln und sich schließlich mit seinem gesamten Gewicht hineinzuhängen, mit dem einzigen Ergebnis, dass irgendwann der Türgriff abbrach. In seiner Aufregung blickte Stiles sich hektisch nach etwas um, womit es ihm gelingen könnte, die Tür aufzubrechen und schließlich fand er einen großen Schraubenzieher, den er wie einen Hebel ansetzte, doch leider ohne den gewünschten Erfolg. Stiles musst einsehen, dass dies hier nicht sein Weg in die Freiheit war.

Er wusste auch, dass seine Zeit knapp wurde, denn mit einer Rauchvergiftung dauerte es unter Umständen nur Minuten, ehe man das Bewusstsein verlor.
 

`Das Fenster!´ sagte er sich also, doch das einzige Fenster, welches er noch erreichen konnte, ohne zu verbrennen war jenes in der Küche, also schleppte der Biologe sich dorthin. Zweimal knickten auf dem Weg seine Beine unter ihm weg, denn er drohte bereits jetzt, ohnmächtig zu werden, doch er war noch nicht bereit aufzugeben. Er erreichte den Fenstergriff, doch natürlich ließ auch dieses sich nicht öffnen, entweder, weil es paradoxer Weise zugefroren war, oder weil auch hier, ebenso wie an der Eingangstür eine Manipulation vorgenommen worden war.

Aber es war bloß ein Fenster und das würde sich doch einschlagen lassen, richtig?

Stiles nahm also einen der Küchenstühlen hoch und schlug ihn mit voller Wucht gegen die Scheibe, mit dem Ergebnis, dass der Stuhl zu Bruch ging, wohingegen die Scheibe nicht den kleinsten Riss aufwies. Die Thermofenster waren aus Kunststoff und höchstwahrscheinlich mit bruchsicherer Folie überzogen, denn immerhin war dies hier eine Forschungsstation und hier wurden hochwertige Ausrüstunggüter gelagert.

`Hättet ihr Idioten dann nicht auch eine bessere Tür einbauen sollen? Immerhin ist hier bereits eingebrochen worden!´ dachte Stiles finster und begann damit, mit allem, was er finden konnte und was schwer genug war, um Schaden anzurichten, auf das verdammte Fenster einzuprügeln.
 

Unterdessen wurde der Schwindel schlimmer, die Hitze war kaum noch zu ertragen und Stiles hustete und würgte.

Nach einer Weile wurde ihm klar, dass es nun wirklich vorbei war. Er war in der Falle und es gab einfach keinen Weg hinaus!

Ihm wurde schummrig und er fiel um, wie ein gefällter Baum. Im Sturz dachte er an Dereks Familie, der ihr Haus ebenfalls zu einem brennenden Gefängnis geworden war.

Das Letzte, was Stiles hörte, war ein lautes Krachen und er dachte noch `Nun stürzt auch noch das Haus über mir ein.´

Dann schlug er mit dem Kopf irgendwo auf und die Welt versank in Schwärze.
 

Zunächst war Derek einfach bloß umgekehrt, weil er ein ungutes Gefühl hatte, doch nun konnte er das Feuer bereits aus mehreren Meilen Entfernung riechen.

Er hatte sich verwandeln wollen; wollte wieder ein Wolf sein, in der Hoffnung, dass ihn das schneller machen würde, doch es wollte ihm einfach nicht mehr gelingen, wie er verzweifelt feststellte. Dennoch hatte er sich auf alle Viere begeben und rannte in großen Sprüngen durch die verschneite, nächtliche Landschaft auf die Forschungsstation zu. Nach einer Weile konnte er sogar schon den orangefarbenen Schimmer am Horizont sehen, welcher die Nacht erhellte.
 

Der Werwolf hatte keine Ahnung, ob die beiden Menschen mit ihrem Schlitten ihm immer noch folgten, denn das einzige, was er hörte, war das rasende Hämmern seines bangen Herzens und sein eigener, keuchender Atem, doch es war ihm auch egal.

Der Gedanke, dass er zu spät kommen könnte war das Einzige, was zählte und er trieb ihn zu Höchstleistungen an.
 

Es durfte einfach nicht sein!

Der Mensch in Derek begriff nun, was der Wolf von der ersten Minute an gewusst hatte: Stiles war sein Gefährte! Er war der Eine, zu dem er gehörte!
 

Und wieder war es das Feuer, welches ihm alles nahm, was zählte.
 

Endlich konnte er die Forschungsstation sehen.

Und sie brannte bereits lichterloh.
 

Kate lächelte in sich hinein. Das war einfach nur perfekt! Hätte sie ein Drehbuch für diese Situation geschrieben, dann würde es genau so ablaufen, wie in dieser Minute.

Eigentlich hatte sie geglaubt, dass Derek sich ebenfalls im Haus befände und jeden Augenblick aus dem flammenden Inferno hervorbrechen würde, weshalb sie hier mit ihrem Gewehr und ihrem Nachtsichtgerät saß und wartete, aber das, was gerade geschah, war ja so viel besser!

Derek war aus der Dunkelheit herbeigerannt gekommen, um seinen kleinen Freund zu retten und nun begann er mit lautem Gebrüll die Tür einzureißen, wie die wilde Bestie, die er nun einmal war.
 

Kate hatte freies Schussfeld und hätte nun einfach abdrücken können, doch es war viel spaßiger, ihn noch einen kleinen Moment in der Hoffnung weiterleben zu lassen, dass am Ende doch noch alles gut werden könnte.

Ein erregter Schauer lief der Jägerin über den Rücken.

Dies hier war ihre Show!

Sie zog die Strippen!

Leben und Tod; es lag allein in ihrer Hand!
 

Die Tür der Forschungsstation ging krachend zu Bruch. Ehe Derek sich in die Flammen stürzte, rieb er seinen Schal mit reichlich Schnee ein und band ihn sich vor das Gesicht, um sich vor dem Rauch zu schützen.

Die Flammen brüllten und griffen mit gierigen Fingern nach allem, dessen sie habhaft werden konnten:
 

„Stiles! Stiles, wo bist du?“ rief der Werwolf gegen das Feuer an und bezahlte dies mit einem heftigen Hustenanfall. Er lauschte, doch er erhielt keine Antwort; nicht einmal ein leises Wispern!
 

Seine menschlichen Augen konnten in diesem Qualm überhaupt nichts erkennen, doch mit seinem Wolfsblick entdeckte er es schließlich: Stiles lag reglos auf dem Küchenfußboden und um seinen Kopf herum hatte sich eine kleine Blutlache gebildet. Dereks Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen, denn er konnte nicht erkennen, ob der Mensch noch lebte, oder nicht.
 

Der Werwolf ging auf alle Viere hinunter, um der Hitze und dem Rauch ein wenig zu entkommen und kroch dann auf Stiles zu, griff unter seine Achseln und zerrte ihn, gemeinsam mit seiner Jacke, welche neben ihm am Boden lag in Richtung Tür. Der Qualm machte, dass ihm übel und schwindelig wurde, doch da erreichte er glücklicherweise auch schon den rettenden Ausgang. Er entfernte sich mit Stiles ein paar Meter von dem brennenden Gebäude, ehe er den leblosen Menschen in seine Jacke einwickelte und sanft hochnahm.
 

Er trug ihn ein paar Schritte und in diesem Moment zerriss ein Schuss jäh die Stille der Nacht.

Showdown

Vorwort:
 

Auf dieses Kapitel bin ich besonders stolz! :-)

Ich hoffe, Ihr habt Spaß!
 

Liebe Grüße,

Eure Ginger
 

_____________________
 

Kate war eine hervorragende Schützin.

Sie hatte freies Schussfeld.

Eine gezielte Kugel in den Kopf, mehr bräuchte es in diesem Moment nicht und alles wäre vorbei.

Aber Nein! Nicht nach all diesen Jahren!

Vielleicht war sie ja eine Romantikerin, aber Derek war stets eine würdige Beute gewesen und er hatte daher auch ein episches Ende verdient.

Und Kate selbst wollte noch einmal diesen Kitzel spüren.
 

Derek war schwindelig und seine Sinneswahrnehmungen waren durch den Qualm praktisch ausgeschaltet. Ob Stiles in seinem Arm überhaupt noch am Leben war, konnte er nicht mit Sicherheit sagen, doch nun musste er ihn erst einmal vom Feuer wegbringen, denn Feuer war böse!

Sein angsterfülltes Herz pochte heftig gegen seine Rippen, als er durch den Schnee stolperte und dabei auf Stiles schlaffen, leblosen Leib hinabblickte.

Er war Sein und er hatte ihn doch gerade erst gefunden!

Es durfte doch jetzt einfach noch nicht sein! Es durfte doch nicht einfach so zu Ende gehen, bevor es überhaupt begonnen hatte!

Da fiel plötzlich ein Schuss.
 

Ein Streifschuss an der Schulter. Nein, Kate hatte natürlich nicht ihr Ziel verfehlt, sondern genau das hatte sie gewollt!

Die Bestie jaulte kurz auf, doch sie ließ ihren Menschen nicht los. Alle Achtung! So etwas nannte man wohl Ergebenheit?

Kate legte erneut an. Ihr nächstes Ziel war der Oberarm.
 

Derek fand eine kleine Senke, ging dort in die Knie und legte den eigenen Körper schützend über den von Stiles. Dann würden sie eben gemeinsam hier sterben. Was scherte es ihn? Er war schon zu lange allein gewesen. Nein, er würde seinen Freund nicht verlassen!

Doch plötzlich vernahm der Werwolf ein Geräusch, welches ihn ein klein wenig Hoffnung schöpfen ließ.
 

`Verdammt!´ dachte Kate. `Waren das etwa Motoren?´

Irgendjemand kam und sie ahnte, dass es wohl irgendwelche Spielverderber sein mussten, die ihr dazwischenfunken wollten. Dabei war sie hier doch noch gar nicht fertig. Sie war eine Künstlerin und hatte ein Werk zu vollenden.

Nun hieß es, die Nerven behalten!
 

Derek ignorierte den eigenen Schmerz für einen Moment. Sein Gesicht war unmittelbar vor dem des leblosen Stiles. Mit einem Finger fuhr er zärtlich die Form der schönen Lippen nach.

Kugeln flogen Derek um die Ohren, doch sie trafen sie beide in ihrem provisorischen Versteck nicht. Der Werwolf wusste, dass die Schüsse lediglich dazu gedacht waren, ihn aufzuscheuchen.

Ihm war auch klar, dass Kate jeden Augenblick ihren Standort wechseln würde, um wieder freies Schussfeld zu haben, wenn diese Strategie nicht aufgehen sollte.

Die Motorengeräusche kamen immer näher und Derek überlegte, ob er für Stiles wohl genug Zeit gewinnen könnte, damit seine Freunde ihn finden und retten könnten, wenn er jetzt Kate gab, was sie wollte und zum Angriff überginge?

Er blickte noch einmal auf seinen Gefährten hinab, zögerte kurz, ehe er sich einen Ruck gab und den Bewusstlosen sacht küsste, auch wenn er ihn in diesem Moment nicht um Erlaubnis fragen konnte. Er sagte sich, dass es dennoch in Ordnung sei, denn dazu würde er schließlich nie wieder die Chance erhalten und es war ja auch bloß ein Lebewohl.

Dann erhob er sich, sprintete los und sofort brach das erwartete Inferno los. Die Schüsse trafen ihn überall, nur nicht in Herz oder Hirn. Das war typisch Kate! Bevor er starb, sollte er noch einmal maximales Leid erfahren. Als eine Kugel sein Kniegelenk zertrümmerte, ging er stöhnend zu Boden. Doch er bewegte sich dennoch weiterhin kriechend auf die Schützin zu.

Dies hier war für Stiles!

Das war sein Antrieb!
 

Emma und Danny kamen gerade rechtzeitig an dem brennenden Gebäude an, um zu sehen, wie Derek das gesamte Feuer auf sich selbst zog und dadurch den reglos im Schnee liegenden Stiles beschützte:

„Dieser dumme Junge!“ schimpfte Emma und schnappte sich ihr Gewehr. „Sieh´ nach, was mit Stiles ist, Danny! Ich will versuchen, mich ungesehen zu nähern, um den Schützen auszuschalten.“
 

In ihrem Eifer und durch den Lärm der Schüsse hatte Kate die Person nicht kommen hören, die sich ihr von hinten genähert hatten. Sie wurde es erst gewahr, als sie den eiskalten Lauf einer Pistole in ihrem Nacken spürte:
 

„Nun ist Schluss! Leg´ das Gewehr hin!“ befahl ihr eine vertraute Stimme.
 

Kate lachte:

„Du wirst nicht auf mich schießen, Bruderherz! Ich kenne dich und ich bin hier nicht der Feind! Sie sind es; Monster, wie der da drüben! Und nun verschwinde! Ich habe zu tun!“
 

„Du bist das einzige Monster hier, Kate! Was unser Vater und du seiner Familie angetan habt, ist unaussprechlich! Wir haben einen Kodex! Die Hale-Familie hat niemandem ein Leid zugefügt und ihr hattet kein Recht!“

In dem brummenden Bass von Chris Argent lagen Verachtung und Zorn.
 

Derek lag am Boden und spürte, wie sein Lebenssaft aus den zahlreichen Lecks sickerte, welche in seinen Körper geschlagen worden waren. Der Schnee unter ihm färbte sich rot. Jedoch hatten die Schüsse aus irgendeinem Grund aufgehört und er hörte Stimmen. Wenn er nicht bereits zu geschwächt gewesen wäre, hätte er sich vielleicht genug konzentrieren können, um zu verstehen, was gesagt wurde.
 

Emma war überrascht zu sehen, dass der Jäger sich tatsächlich gegen seine Schwester zu stellen schien, bloß um einen Werwolf zu retten? Damit hatte sie angesichts ihrer Erfahrungen mit diesem Pack mit Sicherheit nicht gerechnet.

Sie dachte kurz darüber nach, zu Derek hinüber zu huschen, um ihn zu versorgen, doch es erschien ihr im Moment leider noch nicht sicher genug und so hoffte sie einfach, dass der zähe Bursche noch einen Augenblick länger durchhalten möge. Anstatt dessen rannte sie zunächst hinüber zu ihrem anderen Patienten und fragte Danny flüsternd:

„Wie sieht´s aus?“
 

Ihr junger Freund schüttelte bedauernd den Kopf:

„Ich fürchte, er atmet nicht! Rauchvergiftung! Hilf´ mir dabei, ihn wiederzubeleben, ja?“
 

Gemeinsam schleppten sie Stiles hinüber zu dem Schlitten, auf welchem sie gekommen waren,y weil sie einen harten Untergrund brauchen würden und der Schnee dafür ungeeignet war:

„Du machst die Herzdruckmassage! Du hast mehr Kraft und Ausdauer, Danny!“ forderte Emma und kniete sich selbst an Stiles Kopfende, um ihn zu beatmen.
 

Derek hatte den Geruch von Emma bemerkt und war aufmerksam geworden. Er hatte die Ohren gespitzt und mitbekommen, dass sie nun Stiles versorgten. Der Werwolf spürte, dass er selbst schwächer wurde. Er hatte keine Ahnung, ob dies nun tatsächlich das Ende für ihn wäre, doch so oder so, gab es nur Einen, bei dem er in seinen letzten Augenblicken sein wollte. Zentimeter für Zentimeter schleppte er sich nun also ganz langsam mit seinen verbliebenen Kräften hinüber zu seinem Gefährten.
 

„Siehst du das, verdammt? Er versucht abzuhauen!“ fluchte Kate und legte erneut das Gewehr an.
 

Chris Argent entsicherte seine Zweiundzwanziger und sagte schneidend:

„Das ist meine letzte Warnung, Kate. Tu.Es.Nicht!“
 

Seine Schwester lachte lediglich und und nahm den davonkriechenden Werwolf ins Visier.

Sie wollte abdrücken, doch dazu kam sie nicht. Da war ein zischendes Geräusch gewesen und etwas traf sie am Handgelenk. Der Schmerz kam zeitverzögert, aber dafür mit gewaltiger Wucht.

Ein Pfeil hatte ihr Handgelenk durchbohrt und dort steckte er nun:
 

„Du hast zum letzten Mal aus reiner Lust getötet, Kate!“

Allison Argent, gehüllt in ein bodenlanges schwarzes Cape, trat mit ruhigen Schritten und gespanntem Bogen aus der Dunkelheit auf ihre Tante zu. Ihre Miene war von Hass und Ekel wie versteinert:

„Nie wieder, hörst du? Eher töte ich DICH.“
 

„Ich habe dir lediglich einen Gefallen getan, als ich Aiden damals erledigt habe, Süße! Er war doch auch bloß so ein Tier, wie all´ die anderen. Du hast das nur nicht sehen können, weil du gedacht hast, du würdest ihn lieben. Du warst vollkommen verblendet!“ antwortete Kate mit zusammengebissenen Zähnen, brach fluchend die Pfeilspitze ab und zog ihn dann mit ihrer unverletzten Hand mit einem Ruck aus ihrem Fleisch:

„Und nun lasst ihr Zwei Dad und mich die ganze Arbeit allein machen! Wir sind Jäger, verdammt! Das ist unser geheiligtes Erbe! Wir beschützen die Menschheit, indem wir die jagen, die Jagd auf uns machen!“

Kate redete einfach immer weiter, um die beiden abzulenken, während sie mit ihrer Linken heimlich nach ihrem kleinen Colt in der Manteltasche fischte.

Es schien zu klappen, denn ihr Bruder begann nun einen dieser endlosen Monologe, die er so sehr liebte, über das Gute in der Welt, die gerechte Sache, darüber, das Richtige zu tun, seinem Gewissen zu folgen und dieses ganze einschläfernde Bla-bla.

Kate gab vor, ihm aufmerksam zuzuhören, während sie darüber nachdachte, ob sie wohl noch die Zeit haben würde, diesem selbstgerechten Langweiler ebenfalls eine Kugel zwischen die Augen zu verpassen, nachdem sie den Werwolf erledigt hätte?

Sie hatte die Waffe gefunden. Jetzt musste alles ganz schnell gehen. Kate richtete sich abrupt auf und zielte auf den verblutenden Werwolf.
 

Der Tod kam unerwartet.

Aus irgendeinem Grund hatte Kate angenommen, sie würde dies hier überleben, so wie sonst auch immer. Immerhin war sie die Einzige hier, die die Dinge klar sah! Eine der letzten Kriegerinnen der Menschheit! Sie hatte sich wohl stets eingebildet, eine höhere Macht würde sie beschützen.

Sie wollte noch etwas sagen; etwas sehr Wichtiges, doch als sie den Mund öffnete, kam da nur ein Gurgeln, begleitet von einem Schwall Blut, ehe sie mit dem Gesicht voran im Schnee landete.

Der Pfeil hatte sie im Genick, direkt unter dem Schädel getroffen, ihr Rückenmark durchtrennt, war an ihrer Kehle teilweise wieder ausgetreten und hatte die Existenz von Kate Argent ein für alle Mal beendet!
 

Chris nahm seiner bleichen, zitternden Tochter ihren Bogen ab, welchen sie immer noch in versteinerten Fingern hielt und zog sie in seine Arme:

„Sie hat dir keine Wahl gelassen, Liebling!“ versicherte er sanft.
 

„Es tut mir nicht leid, Dad!“ behauptete Allison trotzig, während Tränen auf ihren Wangen gefroren: „Nein, es tut mir nicht leid!“
 

„Doch es bringt dir Aiden nicht zurück!“ stellte Chris traurig fest.
 

„Nein, nichts könnte das, Dad!“ erwiderte sie: „Ich habe ihn begraben und betrauert und nun habe ich mein neues Leben mit Scott und unserem Kleinen! Es ist in Ordnung! Aber ich konnte nicht zulassen, dass Kate noch mehr Unheil anrichtet. Das verstehst du doch, oder Daddy?“
 

„Ja, Allison! Das verstehe ich!“ versicherte Chris: „Aber du weißt, dass wir hier noch nicht fertig sind, oder? Bist du bereit dafür, Kleines?“
 

Allison nickte.
 

Chris hob den Leichnam seiner Schwester auf, trug ihn hinüber zu dem brennenden Gebäude und warf ihn in die Flammen. Er musste Spuren verwischen und es erschien ihm beinahe wie eine höhere Form der Gerechtigkeit, dass ihr Körper von demselben Feuer verschlugen werden würde, welches sie selbst gelegt hatte.

Als nächstes rettete er den Schlitten des Wissenschaftlers in der nähe des Hauses, bevor die Flammen auch noch diesen erfassen konnten, was den Tank zum explodieren bringen würde. Man würde ihn sicher brauchen, um die Verletzten von hier fortzubringen. Das Metall war bereits glühend heiß, doch Chris Fäustlinge verhinderten schwerere Verbrennungen und in der kalten Winterluft würde das Fahrzeug im Nu wieder abkühlen.
 

Derek schlug mit seiner Klaue schwach und vage in Richtung des düsteren Engels in dem schwarzen, bodenlangen Gewand. Er konnte ihn nicht richtig erkennen, denn durch den Blutverlust war seine Sicht getrübt, doch er vermutete, dass dies wohl der Tod sein musste:

„Noch nicht!“ flehte er krächzend: „Nimm´ mich noch nicht mit auf die andere Seite. Ich muss erst sehen, ob es ihm gut geht! Stiles! Bitte lass ihn mich noch einmal sehen!“
 

„Ich werde dich zu ihm bringen, Derek! Sei ganz ruhig!“ versicherte der Todesengel mit sanfter Stimme, griff unter seine Achseln und schleifte ihn mühsam fort.
 

„Schnell! Ich brauche hier Hilfe!“ rief Allison den beiden Fremden zu, die soeben Stiles verarzteten, während sie selbst den schweren Körper des Werwolfs weiter in ihre Richtung schleifte: „Wir müssen die Kugeln entfernen und seine Wunden verbinden, bevor er verblutet!“
 

Die Wiederbelebung war geglückt. Stiles Atem ging zwar rasselnd und er war ohne Bewusstsein, doch er lebte:

„Ich werde ihr helfen. Kommst du klar, Emma?“ wollte Danny wissen.

Seine Freundin nickte: „Wir schaffen das! Lauf!“
 

Emma richtete Stiles Oberkörper auf und lehnte ihn gegen ihren eigenen, um dem jungen Mann das Atmen zu erleichtern.
 

Derek vernahm einen unverwechselbaren, unregelmäßigen Herzschlag und da wusste er, dass sein Gefährte durchkommen würde. Nun endlich konnte er loslassen und sank in barmherzige Schwärze, wo es keine Schmerzen gab.
 

Mit einer großen Pinzette aus dem Verbandskasten von Emmas Schlitten und im Schein einer Taschenlampe entfernte Allison mühsam sechundzwanzig Patronen aus dem Körper des bewusstlosen Werwolfs, ehe sie ihm Verbände anlegte.
 

Chris Argent hatte dem Leib seiner Schwester dabei zugesehen, wie er verbrannte. Es war fast, als müsse er ganz sicher sein, dass es wirklich vorbei war.

Nun schaffte er den Schlitten hinüber zu der Gruppe, die sich um die beiden Verletzten kümmerte.

Er half seiner Tochter dabei, den Werwolf zu verbinden, gab Stiles Freunden noch eine Decke von seinem eigenen Schlitten, die sie für den Krankentransport sicherlich gut gebrauchen konnten und erklärte dann:

„Meine Tochter Allison und ich lassen euch nun allein! Wir müssen meinen Vater finden, bevor er noch weiteren Schaden anrichten kann. Ich will mich nicht darauf verlassen, dass der Krebs ihn vorher zur Strecke bringt!“
 

Emma erhob sich und blickte dem Fremden in die bemerkenswert hellen Augen:

„Gerard Argent ist ihr Vater?“ fragte sie erstaunlich gefasst.
 

„Sie kennen ihn?“ erkundigte Chris sich verblüfft.
 

Emma nickte lediglich, denn zu einer Erklärung darüber, wie dieser Mann ihr Leben zerstört hatte, war sie gegenwärtig nicht in der Lage.

Einem Impuls folgend streckte sie dem Fremden die Hand hin und dieser schlug ein:

„Ich habe Gerard angeschossen.“ informierte sie ihn: „Er wird sich sicherlich irgendwo verbergen, bis er wieder genesen ist. Finden sie ihn! Halten sie ihn auf!“
 

Chris Argent nickte und aus irgendeinem Grund stellte sich in diesem Moment ein großer Frieden in Emmas Inneren ein.

Es war wie ein dickes Buch, das man zuschlug. Eine traurige Geschichte war endlich beendet.

Zeit eine neue zu beginnen!
 

Einen Augenblick später brachen Emma und Danny mit zwei Schlitten, mit jeweils einem Patienten hinten drauf auf in Richtung `Miners Creek´ auf, während Chris und Allison Argent in die entgegengesetzte Richtung starteten, um Gerard zu finden.
 

Ein neuer Tag dämmerte soeben herauf.

Ein neuer Tag

Emma, Danny und ihre beiden Patienten erreichten `Miners Creek´ bei Tageslicht. Sie hatten alles aus ihren Schlitten herausgeholt, denn sowohl um Stiles, als auch um Derek schien es nicht gut zu stehen.

Sie hielten die Fahrzeuge an der Ortsgrenze, um das weitere Vorgehen zu besprechen:
 

„Wohin bringen wir die Beiden nun? Zum Krankenhaus?“ wollte Danny wissen:
 

„Ja, schaff´ Stiles dort hin!“ bestätigte Emma: „Aber Derek werde ich mit zu mir nachhause nehmen. Seine schnelle Wundheilung werden wir Doc Pritchett und seinem Personal ansonsten niemals erklären können. Zum Glück habe ich ein bisschen Erfahrung in der Behandlung von Werwölfen! Wenn du Stiles abgeliefert hast, dann bring` mir von dort Ringerlaktat-Lösung mit; mindestens drei Infusionsbeutel! Wir müssen Dereks Blutverlust ausgleichen, denn der war selbst für einen Werwolf heftig.“
 

Danny blickte sie verständnislos an:

„Was soll ich? Ich kenne das Zeug ja nicht einmal! Wie soll ich denn da drankommen?“
 

Emma zuckte mit den Achseln:

„Keine Ahnung! Bitte darum? Klaue es? Leg´ einen der Krankenpfleger flach, um es zu bekommen? Mir egal, ich brauche es jedenfalls!“
 

„Du machst mir echt Spaß, Schwester!“ murrte Danny: „Ich werde schauen, was ich tun kann. Wir sehen uns später!“

Dann warf er sein Gefährt wieder an und brauste los in Richtung des kleinen Hospitals der Ortschaft, welches aufgrund seiner Größe und Ausstattung eher einer größeren Arztpraxis, als einem wirklichen Krankenhaus glich, doch immerhin war das Personal dort professionell und erfahren.
 

Stiles bewusstloser Körper wog mehr, als Danny angenommen hatte und er fragte sich ernsthaft wie es da erst seine Freundin Emma schaffen wollte, den noch schwereren Derek ohne Hilfe in ihr Haus zu schaffen; zumal mit ihrem verletzten Bein.

Danny schleppte Stiles schlaffen Leib mühsam bis hin zur Anmeldung, wo zum Glück Pflegepersonal mit einer fahrbaren Liege zur Stelle war und ihm den Verletzten abnehmen konnte:
 

„Was haben wir hier?“ erkundigte sie der diensthabende Arzt auf dem Weg zum Behandlungsraum; ein junger Mann mit hellblondem Haar, welches bereits begann, ein wenig schütter zu werden und mit einem rosigem, jungenhaftem Gesicht. Er erinnerte Dammy ein wenig an eine dieser sauteuren, kitschigen, deutschen Hummelfiguren, die seine Mutter sammelte und welche von ihrem Kaminsims aus stets zu einem herüber grinsten.
 

Danny hatte sich auf dem Weg hierher bereits genau überlegt, was er sagen würde:

„Sein Name ist Stiles Stilinski. Er ist Wissenschaftler und war draußen in der Forschungsstation stationiert. Ich kenne ihn, weil ich ihm immer seine Lebensmittellieferung gebracht habe und wir haben Freundschaft geschlossen. Als ich ihn heute besuchen wollte, hatte jemand ein Feuer gelegt. Es war eine Frau und sie ist schließlich selbst in den Flammen umgekommen. Um ihr zu helfen, kam ich leider zu spät, aber Mr. Stilinski konnte ich retten. Er war bereits bewusstlos, als ich eintraf und ist seither noch nicht wieder aufgewacht. Er hat wohl eine schwere Rauchvergiftung und hat sich außerdem mit Sicherheit bei seinem Sturz auch am Kopf verletzt. Da ist eine dicke Beule an seinem Hinterkopf.“
 

Danny hatte nur deshalb beiläufig Kates Tod erwähnt, weil ihm klar war, dass irgendwer, und zwar höchstwahrscheinlich der Sheriff, die verbrannte Ruine untersuchen und dort dann bestimmt auch irgendwelche Überreste ihrer Leiche finden würde, auch wenn es am Ende vielleicht nur noch die Zähne waren. Wenn es soweit war, wollte er nicht dastehen, als habe er versucht, etwas zu vertuschen. Es würde so hoffentlich als Tod durch Unfall eingestuft werden und keiner würde weiter ermitteln.

Anders sähe es aus, wenn man es für Mord hielte. Dann würde doch sofort das FBI hier einreiten und die würden merken, dass an der ganzen Sache etwas faul war, weil Kate bereits vor dem Verbrennen verstorben war.

Nein, eine Halbwahrheit erschien ihm in diesem Fall als das Beste!
 

Der junge Mediziner nickte zu Dannys Ausführungen und gab dann einer Schwester und einem Pfleger die Anweisung das Röntgengerät bereit zu machen, während er sich selbst darum kümmerte, dass Stiles an ein Sauerstoffgerät angeschlossen wurde.
 

Danny verabschiedete sich unterdes mit dem Versprechen, dass er später noch einmal wiederkehren werde, um ein paar Papiere auszufüllen.

Und weil scheinbar kein anderes Personal anwesend zu sein schien und die drei Anwesenden mit der Versorgung von Stiles beschäftigt waren beschloss er, sich ein wenig nach Emmas Bestellung umzusehen. Er durchstöberte erfolglos mehrere Behandlungs- und Lagerräume, doch schließlich erblickte er die gesuchten Infusionsbeutel durch die Glastür des Aufenthaltsraumes für das Personal. Ein großer Pappkarton mit der entsprechenden Aufschrift stand dort einfach so offen auf einem Tisch herum.

„Jackpot!“ flüsterte er erfreut zu sich selbst, lauschte, blickte sich nach links und rechts um, ob jemand gerade im Begriff war, ihm auf dem Krankenhausflur entgegen zu kommen und als er sicher war, dass die Luft rein wäre, öffnete er geschwind die Tür des Aufenthaltsraumes und schlüpfte hinein.

Er eilte auf den Tisch zu und wollte sich bereits bedienen, als ein unerwartetes Geräusch von rechts beinahe sein Herz zum Stillstand brachte.

Danny hielt in der Bewegung inne und drehte vorsichtig den Kopf.
 

Auf einer Pritsche, halb verborgen hinter einem Paravent lag Doc Pritchett und ruhte sich scheinbar von seiner Nachtschicht aus. Das Geräusch war ein Schnarchlaut gewesen, doch nun war es plötzlich ganz still.

Danny stockte der Atem. Hatte er den Mediziner etwa geweckt?

Er wartete regungslos ein paar Sekunden, bis wieder ein regelmäßiges, leises Schnörcheln einsetzte. Da erst traute er sich, in den Pappkarton zu greifen. Er schnappte sich vier der Beutel, stopfte sie sich in die großen Jackentaschen und hoffte, dass ihr Fehlen niemandem auffallen, oder zumindest nicht auf ihn zurückfallen würde.

Mit seiner Beute bewegte er sich nun rückwärts auf die Tür zu, ohne den Blick von dem schlafenden Arzt zu nehmen. Dann schaute er zunächst durch die Scheibe auf den Flur, öffnete dann die Tür einen Spalt, um hinauszuschauen und weil niemand zu sehen war sah er zu, dass er wegkam.
 

In Windeseile verließ Danny die Klinik, sprang auf seinen Schlitten und startete den Motor, heilfroh, dass niemand ihn erwischt hatte. Das war einfach nichts für seine Nerven. Den nächsten Raubzug konnte Emma gern ganz allein durchziehen! Ihm reichte es für´s Erste!
 

Derek befand sich in einem Zustand der Halbbewusstlosigkeit. Unmöglich, dass er einfach aufstehen würde, um allein ins Haus und in das für ihn vorgesehene Krankenbett zu spazieren, also hatte sich Emma einen Plan zurechtgelegt, wie sie ihn nach drinnen schaffen konnte.

Sie parkte ihren Schlitten so nah wie möglich vor ihrem Haus und koppelte dann den Anhänger ab, auf welchem ihr Patient vor sich hindämmerte. Humpelnd zog sie den Anhänger hinter sich her, was ihr im Schnee auch noch einigermaßen leicht fiel, doch kaum war sie durch die Tür, wollte das blöde Ding sich scheinbar gar nicht mehr bewegen! Weil Ziehen nicht zum Ziel führte, begann sie zu schieben, doch auch das war ein Kraftakt und es lediglich nur zentimeterweise voran. Obwohl Emma ihre Jacke inzwischen losgeworden war, war sie trotzdem in kürzester Zeit vollkommen durchgeschwitzt und gerade spürte sie, wie sich Wärme an ihrem Oberschenkel ausbreitete. Offenbar hatte sich ihre dumme Schussverletzung gerade wieder geöffnet.

`Was soll´s!´, dachte sie grimmig. Dann konnte Danny nachher eben ein weiteres Mal seine Krankenschwesternqualitäten unter Beweis stellen. Für den Moment ignorierte sie es ganz einfach.
 

Endlich im Gästezimmer angekommen platzierte sie den Anhänger direkt vor dem Bett, welches glücklicherweise beinahe dieselbe Höhe hatte. Emma warf die Decken beiseite, kniete sich unter Schmerzen auf die Matratze und mobilisierte ihre letzten Reserven, um Derek zu sich herüberzuziehen, indem sie an der Decke zerrte, in welche dieser eingewickelt war. Als sie es endlich geschafft hatte, den großen, schweren Kerl ins Bett zu hieven, legte sich sich erschöpft erst einmal einen Moment neben den Wolf, bis sie wieder Luft zum Atmen hatte.

Dereks Gesicht war bleich, wie bei einer Wasserleiche und seine Lider flatterten. Emma fühlte seine Stirn und die war klamm und kaltschweißig:

„Armer Kleiner!“ sagte sie mitfühlend, streichelte die bärtige Wange und stand dann mühsam auf, um Derek gründlich zuzudecken.
 

Im Haus war es eiskalt, also begann Emma erst einmal gründlich einzuheizen, damit ihr blutarmer Patient es schön warm hatte. Dann räumte sie das Chaos auf, welches sie angerichtet hatte und schaffte den Anhänger wieder nach draußen.

Gern hätte sie auch versucht, Derek etwas zu trinken einzuflößen, doch in diesem Zustand war die Gefahr zu groß, dass er sich daran verschlucken würde.

Hoffentlich konnte Danny die Infusionsbeutel besorgen, betete sie!
 

Nachdem sie sicher war, dass sie für´s Erste nichts weiter für Derek tun konnte, humpelte Emma erst einmal hinüber ins Bad. Sie ließ die Hüllen fallen und erschrak ein wenig, als sie einen Blick auf die Schussverletzung am Oberschenkel warf. Das war ein klaffendes, stark blutendes Loch in ihrem Fleisch und seit sie mit eigenen Augen hatte sehen können, wie böse es aussah, schien es irgendwie deutlich mehr weh zu tun.

`Unsinn!´ schalt sie sich selbst und humpelte in die Duschwanne.

Die Narbe, die sie davon zurückbehalten würde, wäre mit Sicherheit monströs, aber was machte das denn schon, denn schließlich war sie bereits Mitte fünfzig und hatte seit Ewigkeiten auf die Gesellschaft eines Mannes in ihrem Bett verzichten müssen und daran würde sich wohl auch in diesem Leben nichts mehr ändern, also wen kümmerte es da schon?

Als Wasser und Schaum in die Wunde gerieten, biss Emma fest die Zähne zusammen, um nicht laut zu schreien vor Schmerz.
 

Gerade als sie, in ein Handtuch gewickelt, das verletzte Bein nachziehend das Bad wieder verließ, trat Danny in den Flur und starrte sie entsetzt an:

„Himmel! Was ist denn mit dir passiert? Ist es etwa wieder aufgegangen?“
 

„Siehst du doch!“ knurrte Emma mürrisch: „Und nun hör´ auf, mich so anzuglotzen! Das ist gruselig! Hast du wenigstens das Zeug bekommen, um das ich dich gebeten habe!“
 

Danny zog grimmig die vier Beutel aus seinen Taschen und kommentierte knurrend:

„Das mache ich nie wieder! Ich hätte mich fast eingeschissen vor Angst! Aber jetzt kümmern wir uns erst mal um dein Bein. Wo ist dein Verbandskasten?“
 

„Pft!“ machte Emma: „Das hat Zeit. Wir müssen Derek versorgen. Der stirbt uns sonst noch!“
 

Danny schüttelte unwirsch den Kopf:

„Der hat bis jetzt durchgehalten, also schaffte er es auch noch weitere fünf Minuten. Und nun sag schon! Wo ist das Verbandszeug! Mach´ mich nicht sauer, Frau!“
 

Emma musste wohl angeschlagener sein, als sie selbst wahrhaben wollte, denn sie verriet Danny ohne weitere Widerrede, wo er das geforderte fand.
 

Als das Leck an ihrem Oberschenkel wieder halbwegs professionell verschlossen war, machte sich Emma sogleich daran, Derek den ersten Tropf mit der Ringerlaktat-Lösung anzulegen, indem sie ein Bild über dem Bett abnahm und den Infusionsbeutel an dessen Nagel hing:

„Jetzt heißt es warten!“ kommentierte Emma und hieß Danny, für sie beide zwei Korbstühle herbeizuschaffen, damit sie am Bett wachen konnten.
 

„Denkst du wirklich, Derek wird wieder? Einfach so?“ fragte Danny mit zweifelndem Blick auf den Verletzten: „Ich finde, er sieht echt schlecht aus.“
 

Emma nickte:

„Er hat eine Menge Kugeln eingesteckt und sehr viel Blut verloren. Ein Mensch wäre längst tot, aber Derek schafft das. Bis heute Abend ist er wieder auf den Beinen.“ prophezeite sie.
 

Danny war nicht überzeugt, doch er nahm es dennoch hin. Emma war schließlich die Expertin.
 

Als den beiden der Magen zu knurren begann, begaben die Freunde sich in die Küche, um nach all den zurückliegenden Strapazen endlich ein kräftiges Frühstück einzunehmen.

Nach dem Essen machte sich Danny erneut auf den Weg ins Krankenhaus, um nach Stiles zu sehen und wie versprochen einige Papiere auszufüllen. Als er dies tat, hörte er zwei Schwestern darüber reden, dass ja ständig irgendwelche Junkies im Krankenhaus Medikamente zu stehlen versuchten, doch Ringerlaktat-Lösung sei wirklich mal etwas Neues!

Gut!

Keiner schien ihn dieses Diebstahls zu verdächtigen.

Danny grinste in sich hinein. Erleichtert fuhr er nachhause, um ein wenig von dem verlorenen Nachtschlaf nachzuholen.
 

Wie sich zeigen sollte, übertraf Derek Emmas Genesungsprognose sogar noch im ein paar Stunden. Am Nachmittag, der letzte Infusionsbeutel war gerade durchgelaufen, öffnete der Werwolf die Augen, setzte sich mit einem Ruck auf und bereits sein erstes Wort war: „Stiles?“
 

Emma hatte die Beine hochgelegt und war in ihrem Korbstuhl kurz ein wenig eingenickt. Sie schreckte nun ebenfalls hoch und erblickte den jungen Mann, der sich panisch umblickte.

Sie erhob sich mühsam, setzte sich auf die Bettkante und legte Derek beruhigend ihre Hände auf die Schultern:

„Hey, Süßer! Sei ganz ruhig! Stiles geht es gut! Er ist im Krankenhaus und man kümmert sich dort um ihn. Und nur falls du dich das interessier: Du bist bei mir zuhause! Ich bin froh, dass wir dich wiederhaben. Es stand ganz schön schlecht um dich, aber ich wusste, dass du das schaffst!“
 

Das alles schien Derek nicht besonders zu interessieren:

„Ich will Stiles sehen!“ erklärte er.
 

Emma lächelte gutmütig:

„Dich hat es ganz schön erwischt, was, kleiner Wolf? Wir fahren nachher ins Krankenhaus und dann kannst ihn besuchen, aber wir müssen zunächst auf Danny warten, der dir etwas zum Anziehen mitbringen wird. Deine Kleidung ist voll von Einschusslöchern und durchtränkt von Blut. So können wir im Krankenhaus nicht auftauchen. Warum duschst du nicht erst einmal und ich mache dir etwas zu essen?“
 

Wie auf´s Stichwort knurrte in diesem Moment Dereks Magen und der Werwolf selbst machte ein unzufriedenes Gesicht:
 

„Na, komm´ schon, Süßer!“ sagte Emma aufmunternd: „Du wirst deinen Stiles noch früh genug zu sehen bekommen. Jetzt kümmern wir uns erst einmal um dich, einverstanden?“

Sie erhob sich, humpelte zum Kleiderschrank und suchte etwas Geschlechtsneutrales, das groß genug wäre, damit Derek nach dem Duschen vorerst anziehen konnte, bis Danny eintraf. Sie zog eine Trainingshose und ein Oversize-T-Shirt hervor, reichte Derek beides und schickte ihn ins Bad.
 

Sie selbst verschwand in der Küche und holte alles hervor, was die Speisekammer hergab, weil sie ahnte, dass der Werwolf, der erstens seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen hatte und den die Heilung überdies eine Menge Energie gekostet haben musste, sicher einen Bärenhunger hätte. Sie briet Rührei und Schinken aus der Dose, schnitt eine Seite Lachs auf, röstete Brot und stellte, Butter, Käse, hausgemachte Marmelade aus dem letzten Sommer und Äpfel auf den Tisch.
 

Als Derek mit feuchten Haaren und in ihren Kleidern in die Küche kam, sah er aus wie ein ausgehungertes Raubtier und ihm gingen beim Anblick der Leckereien beinahe die Augen über.

Emma lachte amüsiert auf und lud ihn ein:

„Na, komm´ schon, Großer! Greif´ zu!“
 

Das ließ sich Derek nicht zweimal sagen, langte tüchtig zu und aß alles durcheinander.

Eher aus Gastfreundschaft, als aus wirklichem Hunger aß auch Emma selbst eine Kleinigkeit mit.
 

Kaum war der erste Hunger gestillt, machte Derek auch schon wieder ein langes Gesicht und verdrehte den Kopf, um in Richtung Haustür zu schauen.
 

„Ach, du Armer!“ sagte Emma mitfühlend: „Du bist in ihn verliebt, richtig?“
 

Derek Kopf flog herum und seine Augen waren schreckgeweitet, als er die Frau ihm gegenüber anstarrte:

„W-was? WER?“ stammelte er unsicher.
 

Emma kicherte:

„Na wer schon? Der, um den sich alle deine Gedanken drehen! Stiles! So ist es doch, oder nicht? Du liebst ihn! Und denkst du, er empfindet ebenso für dich, wie du für ihn?“
 

Derek ließ den Kopf hängen und zuckte unschlüssig mit den Schultern.
 

Emma legte ihm mitfühlend eine Hand in den Nacken und kraulte ihn:

„Du weißt, du wirst mit ihm über deine Gefühle sprechen müssen, sobald er wieder einigermaßen gesund ist, oder Derek.
 

Der Werwolf seufzte schwer.
 

Sprechen?

Über Gefühle?

Er?
 

`Wenn es weiter nichts war!´, dachte er sarkastisch und ein wenig bitter.
 

In diesem Moment klopfte Danny an der Tür, so dass er wenigstens nicht Emmas Fragen beantworten musste.

Wachwölfe schlafen niemals!

Derek war schwerer zu bändigen, als ein aufgekratztes Kleinkind, allein schon deshalb, weil ER ein riesiger, muskulöser Brocken mit übernatürlichen Kräften war und so beschränkte Emma ihre Bemühungen lediglich darauf, dafür zu sorgen, dass der Werwolf wenigstens nicht vom Schlitten fiel, solange sie sich bewegten.
 

Im Krankenhaus lief Derek einfach voran, ohne eine Ahnung zu haben, in welche Richtung sie überhaupt mussten und rannte dabei beinahe eine ältere, finster dreinblickende Krankenschwester über den Haufen:

„Hier wird nicht gerannt, junger Mann!“ herrschte der alte Stationsdrachen Derek wenig amüsiert an: „Das hier ist ein Krankenhaus und keine Sporthalle!“
 

Derek knurrte und Emma, eine Entschuldigung murmelnd, schnappte sich den Werwolf und zog ihn in die richtige Richtung, ehe dies hier noch aus dem Ruder laufen konnte:

„Versuch´ dich ein bisschen zusammenzureißen, Derek! Du willst doch nicht, dass sie dich aus der Klinik werfen, oder?“ forderte sie und packte ihn im Nacken wie eine Wolfsmutter ihren Welpen: „Dies hier ist Stiles Zimmer.“ erklärte sie vor dessen Tür: „Wirst du dich benehmen? Versprichst du mir, dass du ganz ruhig bleiben wirst?“
 

Derek nickte und versicherte artig:

„Versprochen Ma´am!“
 

„Guter Junge!“ erwiderte sie und öffnete die Tür zum Krankenzimmer.
 

Es würde wohl noch eine ganze Weile dauern, ehe Derek in die Haut des großen, stattlichen Mannes hineinwachsen würde, nach welchem er zumindest äußerlich aussah, dachte Emma, nicht ohne eine gewisse Besorgnis. Er hatte das Gemüt eines sechzehnjährigen Teenagers, wies immer noch viele Wesensmerkmale eines wilden Tieres auf, doch heute, in seiner Aufregung verhielt Derek sich sogar eher wie ein Fünfjähriger.
 

Stiles Augen waren geschlossen und er regte sich nicht. Derek schritt aufgeregt auf das Bett zu, begann den Ruhenden zu beschnuppern und mittels seiner Wolfsohren in dessen Körper hinein zu lauschen und schließlich drehte er sich zu seinen beiden Begleitern um und fragte ungehalten:

„Was ist mit ihm? Wieso wacht er nicht auf? Wieso liegt er denn bloß so da?“
 

Danny, der vorhin noch einmal kurz mit dem Chefarzt gesprochen hatte berichtete:

„Sie haben ihm ein Medikament gegeben, um ihn noch eine Weile ruhig zu stellen, damit sie ihn leichter behandeln können. Durch den Rauch ist sein Körper voller Gift, welches sie auszuleiten versuchen. Außerdem ist er doch auf den Hinterkopf gefallen. Sein Schädel ist zum Glück nicht gebrochen, aber er hat eine schwere Gehirnerschütterung und möglicherweise eine Hirnschwellung. Morgen wird er noch einmal geröntgt und wenn dann alles gut aussieht, werden sie die Medikamente absetzen und nach einer Weile wird er dann wieder aufwachen. Mach´ dir keine Sorgen, Derek! Alles wird gut werden.“
 

Doch Derek machte sich Sorgen, das war nicht zu übersehen. Seine grünen Augen wirkten riesig und ungewöhnlich dunkel. Er stierte eine Weile angestrengt hinab auf den bewusstlosen Stilesund schien innerlich mit sich zu ringen, doch dann schien er irgendwann eine Entscheidung getroffen zu haben und legte sich sehr vorsichtig an Stiles Seite, jedoch ohne diesen in irgendeiner Weise zu berühren, beinahe so, als sei der Wissenschaftler eine zerbrechliche Porzellanfigur.

Und genau das würde auch ein Wolf mit einem verletzten Rudelmitglied tun; er würde nicht von dessen Seite weichen, bis es ihm wieder besser ginge.
 

In diesem Moment kam Doc Pritchett zur Visite ins Zimmer, sah den fremden Kerl im Bett seines Patienten liegen und wollte wissen:

„Was ist denn hier los, zum Teufel!“
 

„Die beiden stehen sich sehr nahe, Doc!“ erklärte Emma schnell.
 

„Ist der junge Mann ein Familienmitglied des Verletzten?“ erkundigte sich der Mediziner streng:
 

„Der Patient hat in dieser Gegend keine Familie!“ erwiderte Emma: „Die beiden sind einfach nur sehr gute Freunde, das ist alles.“
 

„Aha!“ machte Pritchett mit wissendem Blick: „Dann sind die Herren wohl Bekannte von ihnen, was Mr. Mahealani?“
 

„Ja klar, wir gehören alle zum selben Verein!“ brummte Danny genervt.

Was dachte sich dieser Kerl?
 

Der Mediziner ignorierte den Sarkasmus und richtete sein Wort stattdessen nun direkt an Derek:

„Haben sie denn eigentlich gar nichts dazu zu sagen, junger Mann!“
 

Derek hob den Kopf und knurrte den Arzt böse an, so dass dieser von den anderen Anwesenden wissen wollte:

„Was ist den mit dem los, zum Teufel? Ist er vielleicht ein bisschen zurückgeblieben, oder so?“
 

Emmas Kopf wurde hochrot vor Ärger:

„ZÜRÜCKGEBLIEBEN?“ kläffte sie: „Halten sie dass etwa für einen medizinischen Fachterminus, Doc? So redet man doch nicht über Menschen! Dieser Junge hat einfach bloß viel durchgemacht und ist schwer traumatisiert. Und dann findet hier auch noch seinen Freund schwer verletzt vor. Da ist sein Verhalten ja wohl vollkommen angemessen, oder nicht. Entschuldigen sie sich gefälligst für diese Beleidigung!“
 

„Das kann ich doch alles gar nicht wissen!“ murmelte der Arzt kleinlaut: „Tut mir ja leid, aber der junge Mann kann nicht bei dem Patienten im Bett liegen. Das verstößt gegen die Krankenhausstatuten. Ich könnte es ihm jedoch gestatten, dass er hier einen Stuhl an das Bett bekommt, in dem er warten kann, bis der Patient wieder aufwacht, einverstanden?“
 

„Machen sie es so!“ herrschte Emma ihn noch ein wenig verstimmt an: „Denn das Eine sage ich ihnen: Sie werden Derek mit Sicherheit nicht los, ehe er nicht vollkommen sicher ist, dass es Stiles gut geht!“
 

„Verstehe!“ erklärte der Mediziner Augen rollend und tat wofür er gekommen war; er untersuchte seinen Patienten, soweit Derek dies zuließ.
 

Als der Arzt endlich wieder gegangen war, brachte ein Pfleger wie versprochen einen weiteren Stuhl herein und die nächsten fünfzehn Minuten verbrachte Emma damit, mit Engelszungen auf Derek einzureden, um ihm klar zu machen, dass er das Bett verlassen müsse, von seinem Stuhl aus aber ebenso gut über Stiles wachen könne. Schließlich gab Derek grimmig nach und nahm in dem Stuhl Platz.

Emma blieb noch einen Augenblick hinter ihm stehen, streichelte beruhigend seine Schultern, seinen Rücken und sein Haar, bis sie restlos überzeugt war, dass Derek sich mit der Situation arrangiert hatte, ehe sie wieder in ihrem eigenen Stuhl Platz nahm.
 

Sie harrten eine ganze Weile in dem Krankenzimmer aus. Geredet wurde in dieser Zeit kaum und als für Danny und Emma der Moment gekommen war heimzukehren, trat sie noch einmal an Derek heran und fragte:

„Und du bist dir sicher, dass du nicht mit mir zurückkommen willst, Süßer? Du kannst hier doch gar nichts tun und das wird eine lange, unbequeme Nacht für dich werden! Warum schläfst du nicht bei mir und ich bringe dich gleich morgen früh wieder hier her?“
 

„Ich bleibe!“ erklärte Derek, ohne den Blick von Stiles zu nehmen.
 

Emma seufzte, gab dem Werwolf einen Kuss auf den Scheitel und versprach:

„Ich komme dann morgen früh mit Frühstück wieder, in Ordnung Süßer? Und nun sei schön lieb und lass´ das Krankenhauspersonal seine Arbeit machen, ja? Sie wollen nämlich nur das Beste für Stiles und ich will morgen keine Beschwerden hören.“
 

„Verstanden!“ erwiderte Derek und damit war das Gespräch für ihn ganz offensichtlich beendet.
 

Emma und Danny zogen sich mit einem mulmigen Gefühl zurück und ließen den Werwolf mit seinem Gefährten zurück.
 

Als Emma am folgenden Morgen ins Krankenhaus zurückkehrte, folgte sie seufzend ganz einfach dem Tumult bis zu Stiles Krankenzimmer. Eine kleine, zierliche, verschreckt aussehende Krankenschwester versuchte Stiles Bett wegzurollen und Derek schien damit alles andere als einverstanden zu sein:
 

„Was ist denn hier los?“ schimpfte Emma: „Was habe ich dir denn gesagt, Derek? Du sollst die Leute hier ihren Job machen lassen!“
 

„Sie sagt mir nicht, wohin sie Stiles bringen will!“ rechtfertigte sich Derek.
 

„Es gehört aber nicht zur Familie, also muss ich ihm gar nichts sagen!“ beharrte daraufhin die Schwester.
 

Emma schüttelte genervt den Kopf und hakte sich bei Derek unter:

„Das hat de Arzt uns doch gestern schon erklärt. Sie müssen noch einmal Stiles Kopf röntgen, um zu sehen, ob darin alles in Ordnung ist. Und jetzt beruhige dich wieder. Dein Freund ist ja gleich wieder bei dir. Ich habe hier Bagels für dich, Süßer. Wir frühstücken jetzt erst einmal!“
 

Tatsächlich entspannte sich Derek ein wenig und die Schwester beschwerte sich:

„Dieser Kerl ist ja komplett verrückt!“
 

„Er ist NICHT verrückt!“ schimpfte Emma erbost: „ Sie hätten ja schließlich auch einfach mit ihm sprechen können, anstatt sich hier wichtig zu machen, indem sie so ein Geheimnis aus dem machen, was sie tun. Angehörige machen sich eben Sorgen. Das ist doch ganz normal. Und nun gehen sie schon und erledigen ihren Job. Ich kümmere mich um meinen Freund hier, was sie ja scheinbar nicht für nötig halten“

Emma wunderte sich über sich selbst. Sie war nie eine Mutter gewesen, doch scheinbar hatte sie neuerdings ein hundertfünfundsiebzig Pfund schweres Baby, auf welches sie gut acht geben musste.
 

Kopfschüttelnd schob die Schwester nun das Krankenbett den Gang hinunter und murmelte irgendetwas zweifellos Unfreundliches vor sich hin, während Emma Derek wieder zurück ins Krankenzimmer auf seinen Stuhl schob und ihm sein Frühstück kredenzte:
 

„Hast du überhaupt geschlafen?“ wollte sie von ihm wissen.
 

Derek zuckte mit den Schultern:

„Nö!“ brummte er und biss in seinen Bagel.
 

Es dauerte über eine Stunde, ehe Stiles wieder bei ihnen war, doch niemand hielt es für nötig, ihnen etwas zum Zustand des Patienten zu erklären. Als Emma danach fragte, erwiderte die Krankenschwester, eine andere dieses Mal, dass sie sich noch bis Mittag gedulden müssten. Dann sei die Ärztekonferenz vorüber und sämtlich Untersuchungsergebnisse ausgewertet.
 

Emma seufzte und stellte sich innerlich darauf ein, hier noch eine Weile festzusitzen und die Werwolf-Bändigerin zu spielen:

„Wir gehen jetzt ein klein wenig spazieren, denn du brauchst ein wenig frische Luft.“ bestimmte sie also, doch Derek machte ein unwilliges Gesicht und hielt sich an den Gitterstäben von Stiles Bett fest, ganz so, als könne die humpelnde, ältere, menschliche Frau tatsächlich einfach so einen imposanten Werwolf wie ihn gegen seinen Willen nach draußen schleifen.
 

Natürlich tat Emma nichts dergleichen. Sie kannte dafür andere Mittel und Wege:

„Also los, aufstehen junger Mann!“ sagte sie streng: „Du wirst dich doch wohl wenigstens mal für fünf Minuten von Stiles trennen können! zumal ich wette, dass du seinen Herzschlag sogar noch von draußen hören kannst, wenn du dich konzentrierst, stimmt´s nicht? Und jetzt beweg´ dich!“

Sie streckte Derek eine Hand hin und tatsächlich ergriff dieser sie und folgte ihr brav nach draußen.
 

Eine endlos erscheinende Viertelstunde lang ließ der Werwolf sich von der Bettseite seines Gefährten weglotsen und Emma wusste, dass dies wohl eine persönliche Bestleistung sein musste. Das Vertrauen welches dadurch ihr gegenüber zum Ausdruck kam, schmeichelte Emma ein klein wenig.

Als sie wieder ins Krankenzimmer zurückkehrten, hatte Derek bereits schon wieder eine deutlich gesündere Gesichtsfarbe.

Mission erfolgreich, beglückwünschte Emma sich selbst!
 

Gegen Mittag stieß Doc Pritchett ein weiteres Mal zu ihnen, um ihnen endlich zu verraten, wie Stiles Zustand war:

„Gute Neuigkeiten! Im zweiten Röntgenbild hat sich keine Hirnschwellung gezeigt. Wir werden den Medikamentencocktal, welcher das künstliche Koma bewirkt nun absetzen. Der Patient wird wieder aufwachen, allerdings können wir vorher nie so genau sagen, wann das sein wird. Es könnte heute geschehen, oder erst in einer Woche. Wir müssen es abwarten!“
 

Emma atmete erleichtert auf. Dereks Blick blieb hingegen skeptisch. Er würde der Sache höchstwahrscheinlich erst dann trauen, wenn Stiles wieder seine Augen aufschlug, ahnte Emma.
 

Bis zum Nachmittag änderte sich nichts an Stiles Zustand und Derek und Emma harrten einfach still aus. Emma hatte den Fernseher leise eingeschaltet und folgte mit mäßigem Interesse einer Talkshow, als es plötzlich klopfte, Danny den Kopf zur Tür hereinsteckte und wissen wollte:

„Wer hat Appetit auf Hühnchen?“

Er trat ein und hielt eine riesige Schachtel von `Kentucky Fried Chicken´ in Händen:
 

„Du bist ein Engel! Genau die Art Soul-Food, die wir jetzt brauchen, richtig Derek?“ rief Emma erleichtert aus.
 

Sie machten sich über das Essen her und Danny ließ sich berichten, wie es dem Patienten mittlerweile ginge.
 

Gegen sieben am Abend hatte Emma dann endgültig kein Sitzfleisch mehr. Sie erklärte, dass sie dringend mal wieder in ihren Diner nach dem Rechten sehen müsse, denn ihre Stellvertreterin Lucy sei zwar ein wirklich nettes Ding, doch leider nicht das hellste Birnchen am Christbaum und Emma habe immer ein wenig Angst, dass Lucy den Laden in den Ruin trieb, oder ihn versehentlich niederbrannte, wenn man ihr nicht hin und wieder auf die Finger schaute.
 

Nur der Form halber fragte Emma Derek, ob er nicht mit ihr kommen und bei ihr in einem richtigen Bett schlafen wolle, doch das wollte er natürlich nicht, denn er durfte schließlich den Moment nicht versäumen, da Stiles die Augen aufschlug.
 

Danny verabschiedete sich ebenfalls. Er habe heute den ganzen Tag gearbeitet und sei froh, wenn er ins Bett fallen könne.
 

Derek blieb also ein weiteres Mal allein zurück, um Stiles zu bewachen.

Im Hintergrund murmelte immer noch leise der Fernseher und gegen zehn am Abend war der Werwolf endgültig so müde, dass er sich einfach nicht mehr wach halten konnte. Er richtete sich in dem verdammten Krankenhausstuhl, der ihm nach der langen Zeit mittlerweile wie ein Folterinstrument vorkam so bequem ein, wie nur irgend möglich und war bald darauf eingeschlafen.
 

Als Stiles erwachte, hatte er keine Ahnung, wo er war und was ihm zugestoßen sein mochte. Irgendetwas in seiner unmittelbaren Nähe piepte leise und regelmäßig. Dann war da das leise Geplapper aus einem Fernseher, Schritte in der Ferne auf Linoleum und etwas, das klang, wie eine Bohnermaschine.

Stiles öffnete Augen. Das Licht war gedämpft. Über ihm war ein Fenster mit Jalousien davor. Es war Nacht. Neben seinem Bett standen Maschinen und sie waren es, welche die Pieptöne verursachten.

Da wurde Stiles auch bewusst, dass mit seinem Körper etwas nicht stimmte? Da war ein Tubus, welcher aus seinem Mund ragte, eine Nadel, die in seiner Hand steckte und an welcher ein Schlauch befestigt war.

Er war in einem Krankenhaus!
 

Und da kamen nach und nach die Erinnerungen zurück: Das Feuer, alle Ausgänge versperrt und dann die Erkenntnis, dass er sterben würde.

Nur, dass er immer noch hier war?
 

Er hob leicht den Kopf, blickte sich um und da entdeckte er auch den Grund dafür: einen großen, kräftigen Kerl, welcher sich in unbequemer Haltung in einem Stuhl an seiner Bettseite zusammengerollt hatte.

Es war Derek Hale, sein Retter und Held und er schlief!
 

Stiles lächelte.

Der Mann und der Wolf

Als Stiles wieder bei vollem Bewusstsein war, geriet er plötzlich in Panik. Sein Mund schien sich mit Speichel zu füllen, doch er konnte nicht schlucken, weil da immer noch der Tubus steckt und Stiles war mit einem Mal überzeugt, elendig an seiner eigenen Spucke ersticken zu müssen!

Gleichzeitig ging im Zimmer ein Alarm los, welcher einen Höllenlärm verursachte.
 

Derek war nun ebenfalls erwacht und aufgesprungen, wie von der Tarantel gestochen, blickte ängstlich auf Stiles hinab und hielt diesen davon ab, sich selbst den Tubus herauszureißen, indem er dessen Hände fest in einem schraubstockartigen Griff hielt:

„Shh, Stiles! Sie sind gleich hier!“ versicherte der Werwolf.
 

Zum Glück kamen in diesem Moment tatsächlich eine Schwester und ein Pfleger hereingestürmt. Dankbar für Dereks Mithilfe hielt der Pfleger lediglich Stiles Kopf fest, während seine Kollegin mit geübter Hand gleichzeitig schnell und behutsam den Tubus entfernte.
 

Als das getan war, hustete und würgte Stiles, bis ihm die Tränen kamen. Derek schob das medizinische Personal ein wenig unsanft beiseite, setze sich an die Bettkante, richtete Stiles Oberkörper auf und arrangierte es so, dass dieser sich an ihn lehnen konnte:

„Ich bin da!“ versicherte er: „Alles wird gut.“
 

Die Schwester reichte Stiles ein Glas Wasser und begrüßte ihn zurück unter den Lebenden.

Als Stiles sich schließlich wieder ein wenig beruhigt hatte, wurde Derek wieder auf seinen Stuhl verwiesen, wohin dieser sich nun auch widerwillig zurückzog.

Das medizinische Personal untersuchte und versorgte den Patienten ausgiebig und wurde dabei misstrauisch von dem Werwolf beäugt, welcher bereit war, allzeit einzugreifen, falls ihm etwas an der Behandlungsweise missfallen sollte. Irgendwann waren die Zwei dann glücklicherweise für´s Erste fertig und machten Anstalten sich zurückzuziehen, jedoch nicht ohne dass die Schwester Derek streng anwies:
 

„Sie werden den Patienten nicht überanstrengen, hören sie, Mr. Hale. Er muss im Bett bleiben und sich noch eine Weile erholen!“
 

Derek blickte ihnen finster hinterher und rückte seinen Stuhl näher an das Bett.
 

„Du bist da!“ stellte Stiles mit einem erschöpften Lächeln fest. Seine Stimme war kratzig vom Rauch, von dem Tubus und davon, dass er sie nun eine Weile nicht benutzt hatte.
 

Der Werwolf nickte bloß und nahm die Hand des Biologen in seine eigene.
 

„Erzählst du mir, was passiert ist?“ forderte Stiles.
 

Erneutes Nicken:

„Kate hat Feuer gelegt. Jetzt ist sie tot.“
 

„Du hast sie getötet?“ fragte Stiles erschrocken.
 

Derek schüttelte den Kopf und erwiderte knapp:

„Ihre Nichte war´s!“
 

Stiles blickte ihn fragend an:

„Und wie bin ich aus dem brennenden Haus gekommen?“
 

„Ich habe dich geholt.“ antwortete Derek schlicht.
 

Stiles lachte, was leider in einem Hustenanfall mündete. Als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte erwiderte er:

„Natürlich hast du das! Und wirst du mir irgendwann auch die ganze Geschichte erzählen?“
 

Derek seufzte unzufrieden. Reden war wirklich nicht seine Stärke und seiner Ansicht nach hatte er doch auch schon alle wichtigen Details vorgetragen!

Was wollte Stiles denn NOCH?
 

Der Wissenschaftler schüttelte lächelnd den Kopf:

„Ist schon okay! Das muss ja nicht jetzt sein. Willst du vielleicht zu mir kommen? Mir ist ein bisschen kalt und außerdem siehst du ziemlich müde aus, mein Großer.“

Er klopfte an seine Seite.
 

Also, das musste man Derek wirklich nicht zweimal sagen. Er legte sich neben seinen Menschen und schlang vorsichtig die Arme um ihn.
 

Dereks Wärme tat Stiles unendlich wohl und die Schmerzen in seinem Schädel und jene, die er bei jedem Atemzug verspürte verschwanden ganz ein. Stiles ahnte, dass es der Werwolf war, welcher nun für ihn dasselbe tat, wie das, was er zuvor auch schon einmal für Emma getan hatte:

„Danke!“ murmelte er.

Stiles fühlte sich sicher und zufrieden und so konnte er es auch zulassen, noch einmal einzuschlafen

Und Derek, der immer noch hundemüde war von seinem Wachdienst, nickte ebenfalls wieder ein.
 

Sie erwachten erst wieder, als am Morgen Emma und Danny durch die Tür traten:
 

„Na sieh´ einer an, wer da aus dem Reich der Toten zurückgekehrt ist!“ begrüßte Emma Stiles und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Stirn. Derek hingegen tätschelte sie den Rücken und wollte wissen:

„Und, mein Junge? Ist nun alles wieder gut?“
 

„Ja, Ma´am!“ bestätigte er nickend und schlang seinen Arm ein wenig fester um Stiles.
 

In diesem Moment betrat eine Krankenschwester ebenfalls das Patientenzimmer, komplimentierte energisch alle Besucher, auch Derek aus dem Zimmer und versorgte dann den Patienten.

Sie ließ Stiles eine Atem- und eine Blutprobe abgeben, verabreichte ihm ein Medikament für seine geschädigten Bronchien mittels eines Aspirators, nahm seine Temperatur und ließ ihn drei verschiedene Pillen schlucken. Dann nahm sie ihm seinen Krankenhauskittel ab, wusch ihn gründlich mit einem feuchten Lappen, denn schließlich war er immer noch überall voll von Ruß.

Zuletzt kündigte sie an, Stiles nun seine Katheter zu ziehen. In Erwartung von Schmerz kniff dieser fest die Augen zusammen, doch außer einem leichten Ziehen war am Ende gar nichts zu spüren:
 

„Es wird nun langsam Zeit, dass sie wieder auf die Beine kommen, Mr. Stilinski!“ verkündete die Schwester nun mitleidlos in putzmunterem Kasernenhofton: „Also ab ins Bad und die Zähne geputzt! Und wenn sie sich später fit genug fühlen, dann werden sie ein wenig die Flure auf und ab laufen. Aber gehen sie nicht nach draußen. Die kalte Luft ist noch nichts für ihre Lungen! Und gleich bringe ich ihnen ihr Frühstück.“
 

„Sehr wohl, Ma´am!“ erwiderte Stiles salutierend, schwang die Beine über den Bettrand und wankte erschöpft und schwindelig hinüber ins Bad.
 

Als der Biologe eine Weile später mit seinem Frühstück im Bett saß, fragte Emma mit angewiderter Miene:

„Was zur Hölle soll das denn sein?“

Sie deute auf Stiles Tablett, auf welchem sich ein Schälchen mit einem schleimigen, gräulichen Brei und ein schlapper, blässlichen Toast befanden, welcher mit einer Marmelade undefinierbarer Sorte im Farbton `radioaktiv´ bestrichen war:

„Und von so etwas sollen Menschen gesund werden?“ spuckte Emma verächtlich aus: „Ich werde der Klinik mal einen Deal mit meinem Diner vorschlagen. Meine Güte! Ich werfe Sachen weg, die besser aussehen, als der Schweinkram, den sie hier eine Mahlzeit nennen!“

Dann zog sie deftige Sandwiches, welche mit Mayonnaise, Rentierschinken und sauren Gürkchen belegt waren aus ihrer Tasche und verteilte sie an alle:
 

„Du bist ein Engel! Am liebsten würde ich dich heiraten!“ rief Stiles erleichtert aus, welcher zwar einen Mordshunger hatte, diesen eigenartigen Krankenhausfraß aber im Leben nicht nicht angerührt hätte.
 

Derek knurrte leise und blickte feindselig von seinem Sandwich auf, doch zu seiner Erleichterung versicherte Emma:

„Sorry, Kleiner, aber ich bin kein Mädchen zum Heiraten!“
 

Sie verdrückten ihr Frühstück und als alle satt waren, fragte Stiles:

„Kann mir nun endlich mal jemand sagen, was eigentlich mit mir passiert ist. Derek bekommt nämlich wieder einmal seine Zähne nicht auseinander.“
 

„Ja, so ist unser Wölfchen, nicht wahr?“ lachte Emma und verwuschelte Derek das Haar.

Dann berichteten sie und Danny abwechselnd, was sich vor zwei Tagen da draußen in der Wildnis abgespielt hatte.
 

Stiles lauschte aufmerksam und fragte dann bestürzt:

„Das Miststück hat schon wieder auf dich geschossen, Derek? Bist du in Ordnung?“
 

„Sechsundzwanzig Kugeln hat die junge Jägerin aus ihm herausgeholt!“ bestätigte Danny: „Mir ist ein Rätsel, wie jemand so etwas überhaupt überleben kann?“
 

Stiles ergriff Dereks Hand und hielt sie fest:

„Ich weiß wirklich nicht, was ich zu all dem sagen soll?“ erwiderte er ein wenig überwältigt:

„Ich danke euch für meine Rettung und fühle mich furchtbar bei dem Gedanken, dass ihr alle euch für meine Rettung in Gefahr gebracht habt!“
 

„Es war doch meine Schuld!“ erwiderte Derek grimmig: „Kate wollte dich ja wegen mir töten.“
 

Stiles wollte etwas erwidern, doch Emma kam ihm zuvor:

„Hör´ auf, so einen Blödsinn zu reden, Junge! Es ist NICHT deine Schuld, wenn diese Schweine Jagd auf dich machen. Es sind fehlgeleitete Idioten, aber DU bist ein guter Kerl, der das alles überhaupt nicht verdient hat, Kleiner!“
 

Derek blinzelte die Frau unsicher an und sagte schließlich:

„Aber meine Spezies KANN sehr gewalttätig sein.“
 

Emma lachte bitter:

„Ja, Süßer, das kann MEINE Spezies auch. Immerhin sind wir es, die die Kriege führen, die Umwelt zerstören und die gerade dabei sind, diesen wunderschönen Planeten zur Hölle zu schicken! Ich will so etwas also nicht noch einmal von dir hören! Du bist nicht Schuld an dem, was sie dir angetan haben! Basta!“
 

Stiles nickte bestätigend und sagte dann:

„Aber eine Sache verstehe ich immer noch nicht: Woher habt ihr denn eigentlich gewusst, dass ich Hilfe brauche? Wieso seid ihr umgekehrt? Ich hatte euch doch weggeschickt?“
 

Danny lachte:

„Das hast du Derek zu verdanken. Wir waren schon auf halbem Weg nachhause, da hat er plötzlich ein Riesentheater gemacht und ist zurückgelaufen. Na ja, und Emma und ich sind ihm hinterher.“
 

Stiles warf einen dankbaren, liebevollen Blick auf den Werwolf und wollte gerade etwas sagen, da klopfte es erneut an der Tür

Und ohne ein `Herein´ abzuwarten, betrat Dr. Pritchett das Krankenzimmer, denn offenbar war es Zeit für seine Visite.
 

Der Arzt erklärte, dass man alles Erdenkliche getan habe, um die Gifte aus Stiles Körper auszuleiten. Er müsse weiterhin Sauerstoff erhalten und ob es irgendwelche Spätfolgen, wie etwa eine dauerhafte Schädigung der Bronchien geben werde, müsse man abwarten. Als der Arzt jedoch abschließend urteilte, man sollte Stiles eine volle weitere Woche zur Beobachtung hierbehalten, sprang Derek ruckartig von seine Stuhl auf, so dass dieser krachend umfiel und gab ein leises, kehliges Grollen von sich:
 

„Haltet mir diesen Verrückten vom Leib!“ schimpfte der Mediziner und Stiles beeilte sich, zu versichern:
 

„Es ist alles in Ordnung, Derek! Bitte beruhige dich wieder!“

An Dr. Pritchett gewandt sagte er:

„Ich fühle mich gut und würde gern auf eigenes Risiko entlassen werden. Ist das möglich?“

Stiles hasste Krankenhäuser seit er seiner eigenen Mutter im Alter von neun Jahren in einem Hospital beim Sterben hatte zusehen müssen. Außerdem war ihm klar, dass Derek nicht von seiner Seite weichen würde, wenn er selbst bleiben müsste, doch Stiles wollte den Werwolf zu dessen eigenem Besten so schnell wie möglich aus diesem Umfeld herausholen.
 

„Kommt nicht in Frage!“ erwiderte der Arzt hitzig: „Wer wird sich denn dann um sie kümmern, junger Mann? Ihr geistesgestörter Liebhaber etwa?“
 

Stiles war ein wenig blass geworden:

„Er... erist nicht mein...“ setzte er stammelnd an, doch er wurde von Emma unterbrochen:
 

„ICH werde mich um Mr. Stilinski kümmern, Doc! Geben sie mir einfach die notwendigen Medikamente, ein mobiles Sauerstoffgerät und dann bekomme ich das schon hin. Ich verspreche ihnen auch, dass ich den Patienten im Notfall sofort zu ihnen zurückbringen werde. Aber heute ist doch Silvester! Geben sie sich einen Ruck, Prichett! Immerhin sind sie uns alle dann los und können auch beruhigt das neue Jahr begrüßen!“
 

Der Arzt schien mit sich zu ringen, doch scheinbar gefiel ihm die Aussicht sie alle, und insbesondere Derek endlich vom Hals zu haben am Ende doch so gut, dass er einwilligte:

„In Ordnung, aber ich entlasse den Patienten ausdrücklich in IHRE Obhut Emma.“ erklärte er mit scharfem Blick auf den Werwolf:

„Und ich will Unterschriften von ihnen, Mr. Stilinski, dass sie über die Risiken aufgeklärt wurden und die Klinik entgegen ärztlichen Rat verlassen. Und sie kommen in einer Woche noch einmal zu einer Kontrolluntersuchung vorbei.“
 

„Einverstanden!“ versicherte Stiles Und Derek atmete erleichtert auf.
 

Eine Stunde später waren sie bereit zum Aufbruch. Danny hatte inzwischen etwas zum Anziehen für Stiles besorgt und Emma wollte wissen, ob der Biologe einen Rollstuhl bräuchte, um nach draußen zum Schlitten gefahren zu werden, doch obwohl Stiles versicherte laufen zu können, wurde er von Derek kurzerhand hochgehoben und getragen.

Und jeder Protest war selbstverständlich zwecklos.
 

Zuhause bei Emma wurde das Gästezimmer für Stiles und Derek zurecht gemacht. Der Patient erhielt Sauerstoff über einen Schlauch in der Nase, bekam sein Pillen und hatte einen Werwolf als haarige, über-fürsorgliche Krankenschwester an seiner Seite.

„Es tut mir leid, dass ich Danny und dir die Silvesternacht versaue!“ erklärte Stiles bedauernd, doch Emma versicherte, dass sie ohnehin nichts geplant und so wenigstens Gesellschaft hätte.
 

Der Abend kam und Emma und Danny hatte ein paar kalte Platten mit unterschiedlichen Leckereien zurechtgemacht und eine traditionelle Linsensuppe gekocht. Der Fernseher lief und es gab Bier, allerdings nicht für den Patienten, welcher mit Tee vorlieb nehmen musste und obwohl es noch gar nicht so spät war, schlief Derek irgendwann tief, fest und leise schnarchend in einem der bequemen Sessel in Emmas Wohnzimmer ein. Die Anspannung und die vielen Veränderungen der letzten Zeit, die erlittenen Verletzungen und die Sorge um Stiles forderten nun wohl endlich ihren Tribut.
 

Stiles blickte zärtlich zu ihm hinüber. Er erhob sich und breitete eine Wolldecke über seinen treuen, heldenhaften Freund.
 

„Was wird eigentlich mit ihm geschehen, wenn du wieder nach Kalifornien zurückkehrst?“ erkundigte sich Emma ernst.
 

Stiles zuckte die Achseln:

„Ich hatte gedacht, ich nehme ihn mit mir, aber wer weiß, ob er das wirklich will. Vielleicht gehört er ja mittlerweile längst hierher, in die Wildnis und die Kälte? Zuhause in Beacon Hills werden ihn mit Sicherheit sehr böse Erinnerungen überrollen. Außerdem wird mein Vater, der Sheriff unzählige Fragen an ihn haben, auf die er keine logische Erklärung geben können wird. Andererseits ich wäre wahnsinnig traurig, wenn Derek lieber hierbleiben würde.“
 

Danny schüttelte den Kopf:

„Weißt du denn gar nicht, dass er dir überall hin folgen würde, egal, wohin du gehst?“
 

Stiles runzelte die Stirn:

„Zugegeben, er ist momentan ein wenig fixiert auf mich, aber das wird sich sicherlich mit der Zeit wieder geben.“
 

Danny schenkte ihm einen verblüfften Blick und wollte wissen:

„Du weißt, dass er dich liebt, oder nicht?“
 

„Was? Nein!“ erwiderte Stiles schnell: „Er... er hängt bloß an mir, weil er so lange allein gewesen ist. Ich würde es nicht Liebe nennen. Eher eine Art Anhänglichkeit, oder so?“
 

„Tut mir leid, wenn ich dir das so ehrlich sagen muss, aber du bist ein Idiot, Stiles!“ mischte sich Emma nun ein: „Derek war mehr als einmal bereit, sein eigenes Leben für dich zu opfern. Als du im Krankenhaus warst, wollte er keine Minute von deiner Seite weichen. Er ist dir ergeben mit allem, was er ist. Du bist alles, was für ihn zählt. Das solltest du in deine Überlegungen, wie es mit euch beiden weitergehen soll mit einbeziehen!“
 

Stiles sah ein wenig betreten aus:

„Aber wieso denn ausgerechnet ich?“ wollte er wissen: „Vielleicht wegen allem, was wir gemeinsam erlebt haben? Kann es daran liegen?“
 

Emma schüttelte den Kopf:

„Das bezweifle ich. Mein Jesse hat es mir einmal so erklärt: Mehr noch als wir Menschen, lassen sich Werwölfe bei der Wahl ihres Gefährten von ihrem Instinkt leiten. Er verrät ihnen, zu wem sie gehören. Und sie sind sehr, sehr treu. Wenn sie sich einmal an jemanden gebunden haben, dann bleiben sie an dessen Seite bis zum Ende. Die Frage ist nun, was DU willst, Stiles?“
 

Der Angesprochene schluckte:

„Er bedeutet mir etwas!“ versicherte er nach kurzem Überlegen.
 

„Wenn du ihn nicht so liebst, wie er dich, dann gibst du ihn besser frei!“ mahnte Emma ihn streng.
 

Ihrer aller Blick lag in jener Minute auf dem Werwolf, als dieser urplötzlich seine Augen öffnete:
 

„Was?“ fragte Derek verschlafen und misstrauisch und setzte sich auf:
 

„Wir sprechen gerade von dir. Wir überlegen, wo du wohl in Zukunft leben willst?“ antwortete Stiles rasch:
 

„Du willst mich nicht bei dir!“ gab Derek zurück.

Es war eine Feststellung und keine Frage.
 

Der Schmerz in diesen Worten brach Stiles das Herz:

„Doch... doch natürlich!“ stammelte er: „Ich weiß nur nicht, ob es das Richtige für dich ist? Ich weiß nicht, ob es das ist, was du dir selbst wünschst?“
 

Dereks Blick verschloss sich, er verschränkte die Arme vor der Brust und sagte absolut gar nichts.
 

Stiles fühlte sich grauenhaft!

Er wollte die Hand ausstrecken und Derek berühren, doch er hatte plötzlich das Gefühl, dazu gerade nicht das Recht zu besitzen.

Er wollte etwas sagen, doch er fand einfach nicht die richtigen Worte.
 

Schließlich war es Emma, die das Schweigen brach:

„Ach Jungs, jetzt zieht doch nicht solche Trauermienen! Gleich ist Mitternacht. Ein neues Jahr beginnt, voll von neuen Möglichkeiten. Alles wird sich finden!“ versicherte sie.

Dann erhob sie sich, holte eine Flasche Sekt und füllte für jeden ein Glas. In den CD-Spieler legte sie eine Scheibe der Band `ABBA´. Als es soweit war, zählten sie und Danny von zehn rückwärts und schließlich erhoben sich alle Anwesenden und stießen an, während aus der Anlage `Happy new year´ ertönte.
 

Stiles rief seinen Dad und auch Scott an, verriet ihnen vorläufig allerdings noch nichts von den Ereignissen der vergangenen Tage, sondern wünschte ihnen einfach nur ein frohes neues Jahr und log ihnen vor, eine Erkältung sei Schuld an seiner angegriffenen Stimme .
 

Sie blieben noch eine Weile auf, bis Stiles irgendwann merkte, wie müde er war. Er wünschte eine gute Nacht, verschwand im Bad und machte es sich danach im Gästezimmer bequem.
 

Etwa fünfzehn Minuten später folgte ihm Derek, um dann schüchtern und wortlos am Fußende des Bettes stehen zu bleiben:
 

„Willst du nicht zu mir kommen?“ fragte Stiles und schlug als Einladung die Decke zurück.
 

Der Werwolf schüttelte den Kopf:

„Ich weiß, du willst mich nicht. Aber keine Angst, Stiles! Ich weiß, was du brauchst“ erklärte er leise.

Dann legte er alle seine Kleider ab und fuhr fort: „Es ist das hier!“
 

„WAA... Nein.... ich...!“ stotterte Stiles überrumpelt, aber dann geschah etwas Unerwartetes: Derek hatte die Augen geschlossen, konzentrierte sich und begann sich schließlich vor den Augen des Menschen zu verwandeln. Aus dem Gesicht wuchs ein Schnauze, der gesamte Körper formte sich um und Derek spross ein dichtes Fell am ganzen Leib.

Es dauerte nur wenige Sekunden bis aus dem Mann wieder der große, schwarze Wolf geworden war, den Stiles kannte und liebte.
 

Das Herz des Biologen schlug ein wenig schneller und ein glückliches Lächeln huschte über sein Gesicht:

„Miguel!“ rief er aus und öffnete einladend die Arme: „Ich dachte schon, ich würde dich nie wieder sehen. Ich habe dich so sehr vermisst!“
 

Das Tier sprang zu Stiles auf das Bett und dieser vergrub zufrieden Gesicht und Hände in dem dichten, seidigen, schwarzen Pelz.

Lieben und Leiden

Stiles blickte hinab auf den Wolf an seiner Seite, welcher mittlerweile eingeschlafen war. Es war eigenartig, denn er wusste schließlich, dass es verborgen in dem Tier einen denkenden, fühlenden Menschen gab und dennoch konnte diese Gestalt es einen beinahe vergessen machen und die Illusion nähren, man habe es tatsächlich mit einem leibhaftigen Wolf zu tun.

Es war fast so wie früher.

Stiles genoss Miguels Nähe, schlang die Arme um den pelzigen Leib, schmiegte sich an ihn und war binnen kurzem friedlich eingeschlafen.
 

Als er am folgenden Morgen die Augen wieder öffnete, war der Wolf noch immer an seiner Seite. Er war bereits wach und hockte freudig hechelnd da, als habe er bloß darauf gewartet, dass der Biologe endlich erwachte:

„Hey mein Großer!“ begrüßte Stiles ihn und richtete sich im Bett auf: „Hast du gut geschlafen?“
 

Der Wolf gab zur Bestätigung ein kleines Kläffen von sich.
 

Stiles wusste was er tun musste, er hatte es nur eine Nacht lang hinausgeschoben. Ein trauriges Lächeln lag auf seinem Gesicht. Er kraulte das Tier noch einmal ausgiebig, bis dieses sich schließlich auf den Rücken drehte, seinen flauschigen Bauch darbot und unter den Zärtlichkeiten ein zufriedenes Grunzen von sich. Dann schlang Stiles ein letztes Mal fest die Arme um Miguels Hals, küsste ihn auf den Kopf und flüsterte schließlich in sein Ohr:

„Danke, dass du mich noch einmal besucht hast. Ich habe dich so lieb, mein Großer!“

Er ließ den Wolf los, wich ein Stück zurück, um ihn besser anschauen zu können und forderte dann ernst:

„Aber nun bring´ mir Derek zurück, ja?“

Der Wolf legte fragend den Kopf schief, doch Stiles bestätigte erneut:

„Ich bin mir sicher! Bitte sei wieder Derek!“
 

Der Wolf zögerte noch einen Moment, doch schließlich verwandelte er sich und statt seiner saß nun ein nackter Mann bei Stiles auf dem Bett und blickte diesen aus großen, grünen Augen gleichermaßen unsicher, wie erwartungsvoll an.
 

Stiles nahm Dereks Hände in seine und begann zu sprechen:

„Du irrst dich, wenn du denkst ich wollte, dass du der Wolf bist! Sei einfach nur du selbst!“
 

Derek senkte den Kopf und stellte niedergeschlagen fest:

„Aber du liebst den Wolf.“
 

Stiles musste ein wenig schlucken.

Er war sich schmerzhaft bewusst, was er hier vor sich sah, denn er war selbst lange genug an Dereks Stelle gewesen: Es waren Liebe und Ergebenheit, bis hin zur Selbstaufgabe und Stiles wusste mit Sicherheit, dass er so dessen nicht würdig war.

In seinem Leben hatte es bloß eine einzige Liebe gegeben. Seit dem Kindergarten war er wie besessen gewesen von der süßen, rothaarigen, wundervollen Lydia Martin. Er war der Einzige, der Lydia in ihrem wahren Wesen erkannt hatte, selbst noch durch mehrere Schichten Make-Up, Gemeinheit und Hochnäsigkeit hindurch. Er war vor den Peitschenhieben ihrer scharfen Zunge nicht zurückgewichen und schließlich war er tatsächlich für zwei kurze Jahre zu ihr durchgedrungen; zu der wirklichen Frau hinter all´ der Fassade.

Und er war glücklich gewesen!
 

Doch scheinbar war Lydia es nicht, denn am Ende ist sie schließlich doch wieder an das sichere Ufer des Vertrauten zurück geschwommen; in die bunte, hübsche Welt Hollywoods, voll von Oberfläche und ohne jeglichen Inhalt; an die Seite eines Mannes, der sie wie ein hübsches Accessoire behandelte und sich weder für ihre Seele, noch für ihren unglaublichen, wundervollen, genialen Verstand interessierte.
 

Und Stiles war unterdessen einfach am Wegesrand liegen geblieben, wie ein achtlos weggeworfenes Taschentuch.
 

Nun lernte Stiles die andere Seite kennen! Hier war plötzlich jemand, der ihn ohne Wenn und Aber liebte, ihn nicht verändern wollte, sondern ihm anstatt dessen bedingungslos, mutig und ohne Fragen zu stellen sein eigenes Herz zu Füßen legte.
 

Aber war die Liebe wirklich etwas wert, wenn man nicht mit Zähnen und Krallen darum kämpfen und zahllose Prüfungen bestehen musste, um endlich gesehen zu werden, während man Schmerz und Verwundung mit einem sarkastischen Spruch weglächelte?
 

Auf Stiles war ein Paar grüner Augen gerichtet und alles was diese sahen, war ER.

Es war doch nur natürlich, dass er es da mit der Angst zu tun bekam.
 

War es denn überhaupt das, was er fühlte? War das Liebe?

Derek war für ihn durchs Feuer gegangen und hatte über zwei Dutzend Kugeln für ihn eingesteckt.

Stiles würde für Derek ohne zu zögern dasselbe tun.

Aber war das Liebe?
 

Derek wollte einfach nur bei ihm sein und Stiles wollte ihn um keinen Preis gehen lassen.

Aber war DAS Liebe?

Konnte es überhaupt Liebe sein, wenn es nicht wehtat, Angst machte und eine Spur der Verwüstung hinterließ?
 

„Was mache ich nur mit dir, hm?“ fragte Stiles leise.
 

Natürlich antwortete Derek, welcher das Schweigen beherrschte, wie eine vornehme Kunst darauf nicht. Was hätte er auch sagen können?

Er ließ sich stattdessen einfach nach hinten in die Kissen sinken und hielt den Blick des Biologen mit dem eigenen fest.
 

Wer weiß, vielleicht konnte man die Liebe ja erfühlen?
 

Stiles legte sich an Dereks Seite und fuhr mit den Fingern durch den kräftigen, schwarzen Haarschopf, zeichnete sanft die markanten Gesichtszüge und die ausdrucksstarken Augenbrauen mit den Fingerspitzen nach, berührte den Bart und ließ seine Finger über den Hals hinunter zu den vollkommenen Schultern und der breiten, behaarten Brust wandern.

Unbekannte, unentdeckte und aufregende Landschaften.
 

Vielleicht konnte man die Liebe auch erschmecken?

Stiles legte seine Lippen sanft auf die von Derek und küsste ihn weich.
 

Derek hielt unter den Zärtlichkeiten ganz still, blickte Stiles bloß an und traute sich kaum zu atmen.
 

Als Stiles es bemerkte, fragte er unsicher:

„Mache ich etwas falsch?“
 

Der Werwolf schüttelte den Kopf:
 

„Hast du Angst!“ wollte Stiles wissen.
 

Derek nickte.
 

Stiles runzelte die Stirn:

„Hast du etwa Angst VOR MIR?“ fragte er weiter.
 

Derek zuckte mit den Schultern:

„Du bist dir nicht sicher!“ erwiderte er leise.
 

Stiles seufzte.
 

Nein, er war sich nicht sicher!

Er war gerade erst geschieden worden und jenes Zimmerchen in seinem Inneren, welches für Liebe und Vertrauen vorbehalten war, war düster, kalt, renovierungsbedürftig und vergiftet!

Stiles wusste nicht, was er dagegen tun sollte und so begann er einfach zu erzählen. Er berichtete über die Liebe, die so lange unerwidert geblieben war und die dann bloß für einen kurzen Augenblick geblüht hatte, verlor sich dabei manchmal in Einzelheiten, fand seinen Weg wieder zurück, lachte, weinte, zürnte, tat sich leid und beschuldigte sich, während Derek einfach nur still dasaß und sich das alles aufmerksam und geduldig anhörte.
 

Als er seine Ausführungen endlich beendet hatte, sagte Derek dazu nur eine einzige Sache:

„Du kannst es jetzt loslassen, Stiles!“
 

Stiles blickte ihn verblüfft an und schüttelte dann heftig den Kopf:

„Das ist nicht so einfach!“ behauptete er aufgebracht: „Das sind meine Erinnerungen und Erfahrungen... das ist ein gesamtes gemeinsam gelebtes Leben! Das lässt man nicht einfach so hinter sich. Wie stellst du dir das vor?“
 

Derek seufzte und erklärte dann geduldig:

„Sie war nicht die Richtige für dich! Sie war nicht deine Gefährtin! Lass´ sie los! Es ist vorbei. Du musst nun nie wieder kämpfen und du musst nie wieder allein sein. Ich bin hier! Ich liebe dich!“
 

Stiles wollte etwas erwidern. Er wollte lautstark widersprechen, doch er bekam einfach keinen Ton heraus. Er sah Dereks aufrichtigen Blick, welche sich voller Wärme auf ihn richtete wie ein Sonnenstrahl und so geschah es, dass mitten im eisigen Winter Alaskas endlich etwas in Stiles schmolz.
 

Und die Tränen kamen von ganz allein!

Multiply life by the power of two

Als Stiles und Derek sich an diesem Neujahrsmorgen zu Emma an den Frühstückstisch setzten, war ihr sofort klar, dass irgendetwas geschehen sein musste.

Hatten die Jungs etwa miteinander geschlafen?

Oder sie hatten sich gestritten?
 

Nein, das war es beides nicht, urteilte sie innerlich! Aber dennoch war irgendetwas anders!
 

Sie musterte die beiden eingehend und hätte am Liebsten gefragt, was los sei, doch in diesem Moment kam Danny in die Küche getrottet, der sich stöhnend den Kopf hielt und übellaunig knurrte:
 

„Gibt´s Kaffee?“
 

„Wer bin ich? Deine Mutter etwa? Nimm´ dir selbst einen! Du weißt doch, wo er steht!“ gab Emma ungerührt zurück.
 

Danny hatte einen ausgewachsenen Kater, denn er und Emma hatten vergangene Nacht noch recht lange weiter getrunken, nachdem Stiles und Derek längst im Bett gewesen waren, doch ganz offensichtlich war seine Freundin die weitaus Trinkfestere von ihnen beiden.
 

Danny hockte ich zu den anderen an den Tisch, spülte zwei Aspirin mit viel zu heißem Kaffee hinunter und fluchte wie ein Rohrspatz, als er sich dabei den Gaumen verbrannte.
 

Emma schüttelte den Kopf und stellte fest:

„Also das nächste Mal kiffen wir wieder! Mit einem Kater bist du ein unerträgliches nervtötendes Baby, Danny-Boy!“
 

Der Angesprochene knurrte in seine Tasse und Emma schob ihm mit einem gutmütigen Lächeln den Korb mit den aufgebackenen Bagels hinüber. Dann wandte sie sich mit ihrer Aufmerksamkeit wieder Derek und Stiles zu. Die beiden wirkten irgendwie schüchtern vor einander, doch ihrem Blick entging nicht, dass sie unter dem Tisch Händchen hielten.

Das was es also! Sie mussten sich wohl endlich ausgesprochen haben?

Gut!

Und auch wenn die zwei Männer noch ein wenig verunsichert wirkten, so schienen sie sich dennoch irgendwie einig geworden zu sein.

Emma atmete erleichtert auf.
 

Nach dem Frühstück verdrückte sich Danny, um zuhause seinen Restrausch auszuschlafen.

Derek wurde dazu verhaftet, Emma nach der kleinen improvisierten gestrigen Silvesterfeier beim Aufräumen zu helfen und Stiles wurde wieder ins Bett gesteckt, auch wenn er behauptete, dass es ihm gut ginge:

„Es geht dir NICHT gut!“ stellte Emma klar: „Du wärst beinahe an einer schweren Rauchvergiftung gestorben und wurdest in meine Obhut entlassen, also tust du auch, was ich dir sage.“
 

„Kerkermeisterin!“ murmelte Stiles grimmig, als er hinüber ins Schlafzimmer trottete und Emma rief ihm gespielt ernst hinterher:
 

„Sei gefälligst nicht so frech, junger Mann, sonst gibt’s was hinten drauf! Ich bin immerhin dreißig Jahre älter als du und ältere Leute soll man mit Respekt behandeln! Wenn du also nicht brav bist, zwinge ich dich später Haferschleim zu essen!“
 

Stiles drehte sich noch einmal um, strahlte sie süß an und zwinkerte ihr zu, ehe er die Tür des Gästeschlafraums hinter sich zuzog.
 

Er schlief bis zum frühen Abend durch. Dann wurde er davon geweckt, dass irgendwo im Haus ein Telefon klingelte. Wenig später klopfte es an seiner Tür, Emma trat ein und erklärte:

„Es ist für dich, Stiles! Es ist dein Vater!“
 

Verwundert nahm der Biologe den Hörer entgegen und sagte freudig:

„Hey Dad!“
 

„Selber Hey!“ knurrte John Stilinski mürrisch: „Weißt du eigentlich, was ich gerade mache, du verlogener, kleiner Mistkerl? Ich suche im Internet günstige Flüge nach Alaska heraus, um mich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass es meinem einzigen Kind gut geht!“
 

„Was ist denn jetzt los?“ erwiderte Stiles verwirrt: „Wieso sollte es mir denn nicht gut gehen?“
 

„Woher soll ich das mit Sicherheit wissen?“ schnappte der Sheriff: „Immerhin belügst mich doch von vorn bis hinten, rufst gestern hier an, als sei alles in bester Ordnung, wünschst mir scheinheilig ein frohes neues Jahr, dabei bist du nur knapp dem Tod von der Schippe gesprungen? Weißt du, was inzwischen geschehen ist? Erst ruft mich dein Institut an, um mir zu sagen, dass deine Forschungsstation abgebrannt ist und sie keine Ahnung hätten, wie es dir momentan geht und wo du steckst und dann rufe ich den Sheriff in diesem verdammten Kaff in Alaska an, der mir auch nicht viel mehr als das sagen kann, außer dass du dich auf eigene Verantwortung aus dem Krankenhaus hast entlassen lassen und dass du nun bei irgendeiner Emma wohnst! Er hat mir dann diese Nummer gegeben. Was denkst du dir nur dabei? Was ist bloß los mit dir? Sieh´ zu, dass du wieder in ein Krankenhaus kommst, wo man sich um dich kümmern kann!“
 

Stiles schluckte ein wenig. So hatte er sich das natürlich nicht gedacht. Er hatte gewollt, dass sich zuhause niemand Sorgen machen müsste, ehe er wieder da wäre, um alles zu erklären:

„Bitte beruhige dich Dad! Ich bin hier in besten Händen und es geht mir den Umständen entsprechend gut. Ehrenwort!“ versicherte er: „Ich habe nichts gesagt, weil ich nicht wollte, dass du dich aufregst! Die ganze Sache ist wirklich sehr kompliziert. Hier ist wahnsinnig viel passiert. Das kann ich dir nicht alles am Telefon erzählen, aber ich schwöre, du bekommst einen genauen Bericht, sobald ich wieder zuhause bin. In ein paar Tagen lasse ich mich noch einmal im Krankenhaus gründlich durchchecken und dann setze ich mich in einen Flieger Richtung Heimat.“
 

„Denk´ nicht, dass du mich einfach so abspeisen kannst. Erzähl mir, was da oben in Alaska los ist! Wer ist diese Emma? Eine neue Freundin vielleicht?“ kläffte der Sheriff ungehalten.
 

„Ja, richtig, sie ist EINE Freundin, aber nicht MEINE Freundin und sie pflegt mich. Sie hat geholfen, mich zu retten.“ Stiles hielt inne und fügte dann, einem Impuls folgend hinzu: „Aber.... uhm... ich habe hier tatsächlich jemanden kennengelernt; jemand Besonderen! Ich denke, ich habe mich verliebt, Dad. Wir werden zusammen nachhause kommen, dann wirst du ihn kennenlernen.“
 

Kurz war Stille in der Leitung:

„Moment mal! Ihn?“ stutzte John: „Willst du etwa sagen, du bist jetzt...? Also... uhm... ich meine...?“
 

Stiles Hände wurden feucht, sein Magen zog sich zusammen und sein Herz raste:

„Ich... ich weiß nicht, was ich bin, Dad. Aber... ich habe ihn gern!“ stammelte er:
 

„Ach... ach so ist das.“ antwortete der Sheriff verunsichert.
 

Wieder herrschte Schweigen zwischen Vater und Sohn. Dann fuhr Stiles ängstlich fort:

„Es ist wirklich eine lange Geschichte. Und es ist kompliziert, Daddy. Bitte sei nicht böse!“
 

„Es ist in Ordnung!“ versicherte John Stilinski schnell: „Ich will nur, dass du glücklich bist. Und ich weiß, wie sehr die Sache mit Lydia dir zugesetzt hat. Ist es wegen ihr?“
 

„Ich denke nicht, Dad.“ gab Stiles unsicher zurück: „So funktionieren diese Dinge wohl nicht. Nein, es ist wegen IHM!“
 

Daheim in Beacon Hills nickte der Sheriff für Stiles unsichtbar:

„ Und dieser Mann... uhm, ich meine... ist er gut zu dir?“
 

„Er hat mein Leben gerettet und das mehr als nur einmal. Er ist mehr als nur gut zu mir! Er liebt mich wirklich.“ bestätigte Stiles.

Und nachdem er nun schon den schwierigsten Teil zugegeben hatte, fand er, er könnte jetzt auch noch eine weitere Bombe platzen lassen, denn nun war es ohnehin schon egal: „Es ist Derek Hale, Dad! Die Leute, die die Forschungsstation in Brand gesteckt haben sind dieselben, die auch sein Elternhaus abgefackelt und seine Familie umgebracht haben. Eine der Täterinnen ist bei dem Brandanschlag auf mich ums Leben gekommen. Ein weiterer ist noch auf der Flucht, aber bitte sprich´ noch mit niemandem darüber, denn wie gesagt... es ist kompliziert!“
 

„Wie bitte? Was ist los?“ fragte John vollkommen verblüfft: „Sag´ mal bist du bei der ganzen Sache vielleicht auch auf den Kopf geknallt? Was erzählst du mir denn da bloß?“
 

„Stimmt Dad, ich bin sogar heftig auf den Kopf geknallt und ich habe ein paar Tage lang im künstlichen Koma gelegen, aber ich weiß trotzdem immer noch ganz genau, was ich rede. Ich sage doch, es ist nicht ganz einfach und ich erkläre dir alles beizeiten! Aber jetzt lege ich erst einmal auf, weil ich meine Stimme noch nicht so belasten soll. Ich rufe dich wieder an, wenn ich weiß, wann ich nachhause kommen kann. Mach´s gut!“
 

„Aber, Stiles... !“ kam es vom anderen Ende der Leitung zurück, doch Stiles sagte bloß:
 

„Mach´ dir keine Sorgen! Ich komme wieder in Ordnung und wir sehen uns bald. Pass´ auf dich auf, Dad!“ Damit beendete er das Gespräch dann tatsächlich.
 

Zuhause in Beacon Hills starrte Sheriff Stilinski den Hörer seines Telefons an und brummte:

„So ein kleiner Mistkerl!“
 

Derek kam ins Schlafzimmer und stellte fest:

„Du hast deinem Vater von uns erzählt!“
 

Stiles schluckte kurz.

Ja, das hatte er getan!

Das bedeutete dann ja wohl, dass es ihm mit dieser Sache zwischen ihnen wirklich ernst war, richtig?

„Haben deine frechen Wolfsohren etwa gelauscht?“ fragte er gleichsam tadelnd und zärtlich.
 

Derek grinste frech:

„Ich kann nichts dafür, dass ich diese Fähigkeiten habe!“ behauptete er, ließ sich bei Stiles nieder und schmiegte sich in dessen Armbeuge.
 

Und er wirkte ausgesprochen glücklich.
 

Die nächsten Tage vergingen zäh wie Kaugummi. Stiles war einfach kein guter Patient und er langweilte sich zu Tode, mit dem ganzen Hausarrest und der Bettruhe, welche ihm auferlegt und auf deren Einhaltung von seinen Mitmenschen auch streng geachtet wurde.

Tagsüber waren Derek und Stiles allein, weil Emma im Diner arbeitete, doch die beiden Männer nutzten die `sturmfreie Bude´ keineswegs aus, um ihrer Beziehung nun auch eine sexuelle Komponente hinzuzufügen. Irgendwie gab es zwischen ihnen das stille Einverständnis, dass es dafür wohl noch zu früh wäre, denn immerhin war ja alles noch ganz neu für sie. Außerdem war Stiles auch immer noch nicht vollständig genesen. Diese selbst auferlegte Abstinenz bedeutete jedoch keineswegs, dass die Verbindung zwischen ihnen nicht körperlich wäre. Nein im Gegenteil, die beiden waren beinahe wie siamesische Zwillinge und konnten sich kaum von einander trennen. Beide schienen den Körperkontakt zu brauchen, wie die Luft zum Atmen, aber so war es ja schließlich von Anfang an zwischen ihnen gewesen.
 

Am Abend, wenn Emma wiederkam, kochten sie gemeinsam und meistens kam dann auch Danny zum Dinner.

Stiles ahnte jetzt schon, dass es ihm schwerfallen würde, diesen beiden neuen Freunden Lebewohl zu sagen.
 

Er hatte mittlerweile mit seinem Institut der Universität telefoniert, in dessen Auftrag er hier in Alaska stationiert worden war, hatte dort erklärt, was geschehen war, nämlich dass er offensichtlich ein paar Wilderern im Weg gewesen sein musste, welche daraufhin, höchstwahrscheinlich aus Rache, die Forschungsstation mit ihm darin in Brand gesteckt hatten. Genaueres wüsste man noch nicht, aber der Sheriff würde ermitteln.

Stiles hatte seinen Arbeitgeber noch um Überweisung seines Gehalts auf das Konto von Danny gebeten, da er ja sämtlichen persönlichen Besitz im Feuer verloren hätte und Geld für das Leben hier und den Rückflug bräuchte.

Für alle weiteren Angaben, welche für die beteiligten Versicherungen relevant wären, stünde er nach seiner Heimkehr zur Verfügung, versprach er.

Von dem Geld hatte er Danny zwei Tickets nach Los Angeles für den sechsten Januar buchen lassen, von wo aus es dann mit dem Bus weiter nach Beacon Hills gehen würde.

Ihm war es egal, was die Ärzte sagen würden, er würde so oder so fliegen! Voller Sehnsucht dachte er an den milden kalifornischen Winter. Irgendwie konnte er langsam keinen Schnee mehr sehen und vermisste sein Zuhause und seine Freunden.
 

Bürgermeister Barney Barnes, der erste Mensch, den Stiles nach seiner Ankunft hier in Alaska kennengelernt hatte, machte Stiles an einem Morgen seine Aufwartung und war dabei in Begleitung von Sheriff Kenny Jamison.

Barnes war schmuddelig, unhöflich und unangenehm, genau wie bei ihrer ersten Begegnung und bellte zur Begrüßung:

„Wusste gleich, dassde Ärger brinst, Stilinski! Was zur Hölle haste mit der Forschungsstation angestellt, hm?“

Stiles rollte mit den Augen und ging auf diese blöde Frage überhaupt nicht ein.
 

Den Sheriff hingegen mochte Stiles. Vielleicht lag es bloß an der Uniform, doch er erinnert ihn irgendwie an seinen Vater. Ihm gegenüber machte der Wissenschaftler noch einmal eine Aussage, genau so, wie er es vorher mit Danny, Emma und Derek besprochen hatte. Er berichtete, dass er bei seinen Forschungstouren immer wieder über Wildtierfallen gestolpert und einmal sogar selbst in eine getreten war. Er habe diese allesamt eingesammelt und die Wildhüter der Gegend dann auch per Mail darüber informiert. Dass könne der Sheriff selbstverständlich überprüfen.

Dann habe er die beiden Wilderer sogar einmal mit einer seiner Kameras eingefangen. Das Bildmaterial gebe es noch, denn er habe es, zusammen mit allen anderen Aufnahmen an sein Institut nach Kalifornien geschickt.

Die Wilderer wollten ihn daraufhin offensichtlich aus dem Weg haben und so habe man gewartet, bis der Biologe sich schlafen lege und habe ihm feige das Dach über dem Kopf in Brand gesteckt. Es habe nämlich deutlich nach Brandbeschleuniger gerochen!

Gott sei Dank sei der Lieferant Danny Mahealani zur Stelle gewesen, um den Biologen im letzten Moment zu retten, doch da war Stiles bereits bewusstlos gewesen.
 

Derek, oder die Argents ließ Stiles bei seinen Ausführungen vollkommen außen vor, denn ihre Anwesenheit zu erklären, hätte viel zu viele Fragen aufgeworfen, auf die er keine vernünftige Antwort geben konnte.
 

Der Sheriff gab sich mit den Erklärungen scheinbar zufrieden und machte sich zu allem genaue Notizen. Dann bedankte er sich für die Kooperation und er und Bürgermeister Barney verschwanden wieder.

Stiles atmete auf, als er dieses Gespräch hinter sich hatte.
 

Am fünften Januar stellte Stiles sich dann wie versprochen noch einmal brav und freiwillig im Krankenhaus vor, wo er nach allen Regeln der Kunst gründlich auf den Kopf gestellt wurde. Glücklicherweise attestierten die Ärzte ihm tatsächlich Reisefähigkeit, auch wenn sie Stiles rieten, zu Hause in Kalifornien weiterhin einen Arzt zu konsultieren, denn bei einer Rauchvergiftung seien chronische Folgeschäden nicht auszuschließen. Stiles versprach artig, nicht leichtfertig zu sein und dann durfte er gehen.
 

Am Abend dieses Tages wurde dann in Emmas Haus Abschied gefeiert. Stiles und die Gastgeberin bereiteten das Abendessen zu. Es sollte Schweinebraten geben und Emma drehte gerade die Kartoffelklöße zwischen den Handtellern, doch Stiles fand, es wäre nicht vollkommen ohne die eingeweichten Trockenpflaumen und die kalte Sauerrahm-Meerrettichsoße dazu, so wie es seine Großmutter gemacht hatte und so wurde es eben eine polnisch-deutsche Co-Produktion.

Das Ergebnis überzeugte alle Anwesenden absolut und sie schlugen sich tüchtig die Bäuche voll.
 

Danach lachten und redeten sie bis spät in die Nacht und als es für Danny schließlich Zeit wurde heimzukehren, umarmte er die beiden Reisenden noch einmal zum Abschied.

Derek knurrte, als der Lieferant seinen Gefährten für seinen Geschmack ein wenig zu lange festhielt und er knurrte ein weiteres Mal, als er dann selbst an der Reihe war.
 

Danny kicherte amüsiert und riskierte seine rechte Hand, als er dem grummeligen Werwolf nun auch noch das Haar zerzauste und erklärte:

„Du bist echt ein komischer Vogel, weißt du das eigentlich, Derek? Aber ich wünsche dir dennoch ein wirklich schönes Leben, Großer!“
 

„Das wird er haben, denn ich werde gut auf ihn aufpassen!“ versprach Stiles und griff nach Dereks Hand:
 

„Und ich erwarte, dass ihr uns besuchen kommt. Im Sommer ist es hier echt schön. Manchmal klettern die Temperaturen sogar bis auf über zwanzig Grad.“ fügte Danny hinzu und versuchte die Tränchen zu verbergen, die in diesem Moment in ihm aufstiegen.
 

„Versprochen!“ erwiderte Stiles lächelnd: „Ich kann dann schauen, was die Wölfe hier so treiben, wenn man sich nicht den Arsch abfriert und Derek kann vielleicht ein paar haarige Freundschaften schließen.“

Sie lachten, na ja jedenfalls alle, bis auf Derek und dann verabschiedete Danny sich endgültig und verschwand.
 

Später im Bett spürte Stiles Dereks Unruhe, zog seinen Kopf an seine Brust und versicherte:

„Alles wird gut werden.“
 

Am nächsten Morgen stellten sie fest, dass sie Glück hatten, denn das Wetter schien ihnen keinen Strich durch die Rechnung zu wollen, so dass Emma die beiden Männer nach dem Frühstück mit ihrem Schlitten zu der kleinen Landebahn am Stadtrand hinüberfuhr, wo bereits die kleine Sportmaschine darauf wartete, sie zum Flughafen von Fairbanks zu bringen, von wo aus sie in eine Linienmaschine mit Direktflug nach L.A. umsteigen würden.
 

Emma zog Stiles in ihre Arme, drückte ihn eine Weile an sich und als sie ihn wieder freigab, holte sie tief Luft, als wolle sie noch sehr Vieles loswerden, doch am Ende sagte sie lediglich knapp:

„Meldet euch, wenn ihr angekommen seid! Wir sehen uns!“
 

„Sehr wohl, Ma´am!“ erwiderte Stiles grinsend.
 

Dann schlang Emma ihre Arme fest um Derek, welcher sich vertrauensvoll in die Umarmung sinken ließ. Die Ältere bedeckte das Gesicht des Werwolfs mit kleinen Küssen und sagte dann mit belegter Stimme:

„Du wirst mir wahnsinnig fehlen, Kleiner! Danke, dass du mich an eine Vergangenheit erinnert hast, an die ich so lange nicht einmal denken konnte! Das ist wie ein Geschenk! Und nun geh´ nachhause und werde so glücklich, wie ich es eine Zeit lang gewesen bin!“
 

Derek nickte lediglich und wollte sich schon ohne ein Wort zum Gehen wenden, doch dann drehte er sich noch einmal um und sagte:

„Danke, dass du auf mich aufgepasst hast. Du erinnerst mich an meine Mum. Ich glaube, sie hätte dich gemocht.“
 

Emma lachte und weinte zur selben Zeit:

„Ich wünschte, ich hätte sie kennenlernen können!“ erwiderte sie.
 

In diesem Moment mahnte der Pilot, dass sie langsam starten müssten, wenn sie noch rechtzeitig ihren Anschlussflug erreichen wollten:

„Na los, geht schon, Jungs!“ sagte Emma also und schob die beiden Reisenden nun energisch in Richtung Maschine.
 

Vor der Einstiegstreppe hielt Derek noch einmal inne, warf einen misstrauischen Blick auf das Flugzeug und einen sehnsuchtsvollen zurück auf die wunderschöne, verschneite, verkarstete Wildnis.
 

„Letzte Chance, es sich noch einmal anders zu überlegen!“ sagte Stiles munter.

Es sollte ein Scherz sein, dennoch pochte sein Herz einen Moment lang ängstlich gegen seine Rippen.
 

Derek schüttelte den Kopf, gab Stiles einen Kuss, nahm ihn bei der Hand und zog ihn hinter sich her, ins Innere der Maschine.

Er wusste nun, wo sein Platz war!

No place like home

Derek krallte sich in seinen Sitz und starrte aus dem winzigen Flugzeugfenster hinunter auf die Welt, die sekündlich winziger und winziger wurde. Es war nicht stürmisch, aber dennoch windig genug, um die kleine Maschine tüchtig durchzuschütteln:
 

„Ruhig Süßer! Ich bin bei dir!“ versicherte Stiles sanft und kraulte dem nervösen Werwolf den Nacken. Als unter ihnen eine Wapitiherde die eisige Landschaft durchquerte, berührte dieser sehnsüchtig die Scheibe, ganz so, als könne er die Tiere so fassen.

Da wurde Stiles klar, was Derek alles für eine ungewisse Zukunft mit ihm hinter sich ließ: Ein große Stück Freiheit, die Jagd und das einzige Leben, welches er in den letzten zehn Jahren gekannt hatte und er fragte sich ernsthaft, ob es Recht war, den Wolf derart zu entwurzeln.
 

Wie würden wohl die Vollmondnächte in Kalifornien für ein wildes Wesen wie ihn werden? Sicher, Beacon County war dicht bewaldet und doch gab es auch überall Autos, Straßen, Häuser und Menschen mit Gewehren, die Wölfe fürchteten.

Würde Derek zum Beispiel bei einem Pärchenabend mit ihm, Scott und Allison bei einem Glas Wein ruhig am Kamin sitzen können, während das silbrige Licht des Erdtrabanten ein süßes Sirenenlied für ihn sang?
 

Sie würden es wohl einfach abwarten müssen! Die erste Feuerprobe stand ihnen jedoch unmittelbar bevor, denn der Pilot sagte durch, dass sie in wenigen Minuten in Fairbanks landen würden.
 

Nach dem Aufsetzen nahmen sie also das wenige Gepäck, welches sie dabei hatten, verließen die kleine Maschine über die Treppe und wurden von dem Piloten noch über das Rollfeld hinüber zur Schalterhalle des Flughafens eskortiert, ehe dieser sich von ihnen verabschiedete.
 

Der Flughafen war im Grunde nicht sehr groß, aber dennoch waren hier mehr Menschen auf einem Haufen versammelt, als Derek seit einer Ewigkeit gesehen hatte und so klammerte er sich mit einem Anflug von Panik an Stiles Oberarm fest:

„Ist in Ordnung, Süßer! Keiner tut dir etwas und ich bin bei dir. Aber nun zieh´ die Krallen wieder ein, bevor sie noch jemand sieht!“ sagte Stiles so ruhig wie möglich, als er spürte, wie sich Dereks Klauen durch den Stoff seines Parkers bohrten.
 

Erschrocken blickte Derek hinab auf seine Hände, entschuldigte sich und riss sich zusammen, ehe er Stiles noch ernsthaft verletzte.
 

Mitten in der Flughafenhalle hing das grellgelbe Modell eines altmodischen Flugzeugs. Es lenkte Derek ein wenig von den vielen Menschen ab. Er legte ratlos den Kopf schief und fragte:

„Was soll das? Hatte es vielleicht einen Unfall?“
 

Nun musste Stiles lachen, gab dem Werwolf einen kleinen Kuss und spekulierte:

„Nein Süßer. Ich denke, das ist Kunst oder so.“

Der Biologe hatte sich inzwischen ein wenig orientiert und fuhr fort: „Unsere Maschine geht erst in knapp einer Stunde. Lass´ uns da vorn noch schnell einen Kaffee, oder so trinken gehen und dann checken wir ein, einverstanden?“
 

Derek nickte. Was hätte er auch einwenden sollen? Dies hier war Stiles Welt; die Menschenwelt und er war so lange nicht mehr Teil davon gewesen, dass er es verlernt hatte, sich sicher in ihr zu bewegen. Er war voll und ganz auf Stiles angewiesen, darum griff er nach seiner Hand, weil sie sich nämlich auf gar keinen Fall verlieren durften.
 

Stiles führte Derek zu einem der Tische, ließ ihn Platz nehmen, zeigte auf den Verkaufsschalter und erklärte:

„Ich bin kurz dort drüben, um uns etwas zu trinken zu holen. Was möchtest du?“
 

Derek blickte ihn ängstlich an und zuckte mit den Schultern.
 

Stiles ignorierte die komischen Blicke des Kerls am Nachbartisch und streichelte Dereks Wange:

„Hab´ keine Angst. Ich bin wirklich gleich wieder bei dir. Ist Kaffee okay?“
 

Wieder ein Schulterzucken.
 

In seiner unruhigen Sorge sah Derek jung und süß aus; diesen Eindruck konnten weder das kantige Gesicht, noch der dichte, borstige Bart gänzlich auslöschen und Stiles entschied:

„Ich werde dir einen Kakao holen.“
 

Der Werwolf grinste breit und Wärme machte sich im Inneren des Biologen breit.

Liebe?

Oh ja, definitiv!
 

Derek erhielt noch einen großen Pecanusskeks zu seinen Kakao und Stiles selbst genoss einen recht passablen Mokka.
 

Anschließend zeigten sie ihre Tickets vor und passierten die Schleuse zur Wartehalle. Es dauerte nicht lange, bis sie zum einsteigen aufgefordert wurden. Derek trippelte nervös die Gangway entlang und beobachtete misstrauisch ihre Mitreisenden.

Im Flieger überließ Stiles dem Werwolf den Platz am Fenster, damit er hinaussehen könnte und nicht neben einem Fremden sitzen müsste, denn der Biologe konnte sich lebhaft vorstellen, dass es für einen Wolf, der jahrelang nichts weiter als Freiheit, Weite und Einsamkeit gekannt hatte ein echter Alptraum sein musste, mit einem Haufen fremder Menschen und einer engen Blechröhre eingesperrt zu sein.
 

Es dauerte ein wenig, doch irgendwann entspannte Derek sich ein wenig und als Stiles dann auch noch seine Hand hielt, schlief er schließlich sogar ein.
 

Stiles ahnte, dass die größte Herausforderung des heutigen Tages für Derek erst noch kommen würde, wenn sie nämlich am LAX, dem Flughafen von Los Angeles ankämen: Lärm, grelles Licht und Tausende von Menschen. Hoffentlich vertraute der Werwolf ihm genug, um sich von ihm da ohne Zwischenfälle durchschleusen zu lassen.
 

Als sie also dort ankamen, hakte er Derek unter und flüsterte ihm zu:

„Schau einfach bloß auf den Boden und hör´ bloß auf meinen Herzschlag, Süßer! Ich bringe uns schon hier raus!“
 

Derek nickte und machte es dann auch genau so und Stiles manövrierte sie beide durch das gewaltige Flughafengebäude.
 

Derek stand unter enormer Anspannung, sogar so sehr, dass er ein wenig zitterte und so beschloss der Biologe, ihren Reiseplan ein wenig zu ändern und lieber keinen Reisebus zu nehmen. Stattdessen steuerte er einen Leihwagenservice an, machte den Vertrag fertig und so ging es dann mit dem Auto weiter nach Beacon Hills.

Natürlich gerieten sie noch in L.A. prompt in einen Stau und Derek auf dem Beifahrersitz schlang eng die Arme um den eigenen Körper, verkroch sich im Kragen seines Pullovers und kniff die Augen zu.

Erst als sie die Millionenmetropole hinter sich gelassen hatten und über Landstraßen fuhren, atmete der Werwolf wieder ein wenig auf und betrachtete die vorbeifliegende Landschaft vom Fenster des Beifahrersitzes aus.
 

Nach über zwei Stunden Autofahrt passierten sie endlich die Stadtgrenze ihrer Heimatstadt. Als ihr Weg sie zufällig am Sheriffsdepartment entlangführte, entschied Stiles aus einem Schuldgefühl heraus zähneknirschend, ein kleines Zugeständnis an seinen Dad machen zu lassen. Er sollte sich vielleicht wenigstens einmal kurz zeigen, wenn er nun schon mal wieder im Lande wäre:

„Schaffst du es, zehn Minuten ohne mich, Großer?“ wollte er von Derek wissen.
 

Der Werwolf sah alles andere als begeistert aus, doch er nickte und blieb allein im Wagen zurück.
 

John Stilinski blickte müde von seinem Schreibtisch auf, doch als er seinen Sohn erblickte, erhellte sich seine Miene:

„Junge! Du bist ja schon wieder da? Wie kommt denn das? Solltest du nicht lieber in einem Krankenhaus sein? Bist du in Ordnung?“ wollte der Sheriff wissen und machte es Stiles gleichzeitig unmöglich, auch nur eine seiner Fragen zu beantworten, da er ihn beinahe in seiner Umarmung erstickte. Erst als er ein bedenkliches Röcheln vernahm, ließ John seinen Sohn wieder los.
 

„Mir geht es eigentlich recht gut, solange man mich nicht gerade zu Tode liebt! Wir sind gerade erst angekommen, Dad.“ gab Stiles zurück und seinen Worten folgte ein Hustenanfall.
 

„Wir?“ fragte der Sheriff und blickte ihn scharf an:
 

„Derek und ich. Ich habe doch gesagt, ich würde ihn mitbringen?“ erklärte Stiles
 

„Ich kann noch immer nicht glauben, dass es wirklich er sein soll nach all´ den Jahren. Sicher, dass es nicht irgendein Hochstapler ist? Immerhin geht es hier auch um ein großes Erbe!“ wendete der Sheriff ein: „Lass´ mich kurz mit ihm sprechen. Ich finde das im Nu raus!“
 

„NEIN, DAD!“ rief Stiles entsetzt: „Derek ist kein Betrüger und du wirst jetzt auf keinen Fall mit ihm sprechen! Er braucht jetzt seine Ruhe. Die brauchen wir beide, denn wir haben eine lange, anstrengende Reise hinter uns. Du kannst frühestens in ein bis zwei Tagen mit ihm sprechen. Ich gebe dir Bescheid, wenn er soweit ist!“
 

„Ich mache mir doch bloß Sorgen, Stiles.“ erwiderte sein Vater kleinlaut: „Ich will nicht, dass dir wehgetan wird. Und falls er wirklich ein Schwindler ist...?“
 

„Ist er nicht, Dad!“ versicherte Stiles: „Ich bin der Sohn meines Vaters und habe auch deinen Spürsinn geerbt! Ich würde es wissen, wenn er lügen würde, aber Derek ist die ehrlichste Person, die ich kenne. Zu Falschheit ist er gar nicht fähig. Er spricht vielleicht nicht viel, doch das was er sagt ist stets die Wahrheit.“
 

Der Sheriff nickte:

„Also gut, ich glaube dir. Dann geh´ nachhause, Junge. Ruh´ dich aus! Wir reden morgen, oder so.“
 

Stiles verabschiedete sich von seinem Vater und kehrte zum Auto zurück, wo Derek bereits sehnsüchtig auf ihn wartete.

Seit sie in Beacon Hills angekommen waren, war der Werwolf wieder deutlich nervöser geworden und es war nicht schwer zu erraten, wieso dies so war: Hier mussten plötzlich wahnsinnig viele Erinnerungen auf ihn einprasseln und das war etwas, vor dem Stiles ihn leider nicht beschützen konnte.
 

Auf dem schnellsten Weg machten sie sich nun auf zu jenem kleinen Apartment, welches Stiles seit der Scheidung bewohnte.

Er war froh als er endlich die eigene Tür hinter sich und seinem Freund schließen konnte. Es war ein langer Weg gewesen, doch sie hatten es geschafft.

„There´s no place like home!“ rief Stiles aus und schlug drei mal die Hacken zusammen.*
 


 

*Eine Anspielung auf das Musical „The wizard of Oz“, in welchem es das kleine Mädchen Dorothy in das geheimnisvolle Land von Oz verschlägt, wo sie einige Abenteuer durchstehen muss, ehe sie wieder in ihre Heimat Kansas zurückkehren kann. Und mit ihren neuen roten Zauberschuhen geht das auch ganz einfach: Sie muss nur dreimal die Hacken zusammenschlagen! :-)

Down Memory Lane

Mit Samtpfoten schlich Derek durch Stiles Apartment und nahm alles gründlich in Augenschein. Stiles folgte ihm und ließ ihn gewähren. Gegen seinen Willen ließ die Szene ihn an einen Hund aus dem Tierheim denken, der zum ersten Mal sein neues Heim inspizierte.

Er schalt sich innerlich selbst für diesen unpassenden Gedanken!
 

„Magst du Bücher? Du hast viele davon.“ stellte Derek fest, als er die Bücherregale betrachtete, die jede Wand im Wohnzimmer einnahmen.
 

Stiles nickte und folgte Derek ins Schlafzimmer, welches mit seinem Kleiderschrank und dem Doppelbett im Grunde schon übervoll war:

„Werde ich hier bei dir schlafen?“ fragte der Werwolf schüchtern.
 

Stiles blickte ihn verwirrt an:

„Ja, sicher! Wenn du willst? Wieso? Willst du das denn nicht?“
 

„Doch, natürlich!“ bestätigte Derek schnell.
 

Stiles erriet, worum es hier ging. Derek schien sich zu fragen, ob er hier wirklich willkommen war und versichert:

„Es tut mir leid, dass es hier überall so eng ist. Diese Wohnung war eben nur für eine Person gedacht, als meine Frau mich verlassen hat und ich eine neue Bleibe gesucht habe. Aber wir können irgendwann umziehen, wenn du willst?“
 

Derek schüttelte den Kopf:

„Nein, es ist gut. Es ist wie eine Höhle!“
 

Es war nicht überraschend, dass dem Wolf diese Vorstellung gefiel.
 

Derek inspizierte noch den Rest der Wohnung und als sie in die Küche kamen, erklärte er:

„Habe Hunger!“
 

Stiles kicherte, weil es so nett und wölfisch klang, wie er das sagte:

„Ich habe natürlich nichts im Haus, aber wir können etwas bestellen.“ gab er zurück und reichte Derek seine Sammlung an Speisekarten von Lieferdiensten der Umgebung, die regelmäßig in seinem Briefkasten landeten, etwas, was ihm als berufstätigen, kürzlich geschiedenen Mann in der Vergangenheit schon so manches Mal den Feierabend gerettet hatte.
 

Derek studierte die Flyer, leckte sich dabei hungrig die Lippen und es überraschte nicht, dass er sich für griechisch, oder genauer für die `Grillplatte Mykonos´ für zwei Personen mit drei Sorten Fleisch entschied. Stiles, der noch nie ein ausgesprochener Karnivore gewesen war und dem frisches Grünzeug im Winter Alaskas so wahnsinnig gefehlt hatte, nahm hingegen einen Bauernsalat und ein wenig Giros dazu.
 

Das Essen kam eine Dreiviertelstunde später und Derek war selig. Er vertilgte gierig den riesigen Berg Fleisch und Stiles ahnte, dass er sich ihm zuliebe sogar noch zusammenriss, um nicht gar zu sehr zu schlingen:
 

„Du bist wirklich süß!“ kommentierte der Biologe zärtlich.
 

Derek schenkte ihm ein schüchternes, kleines Lächeln.
 

Nach dem Essen forderten Stiles der wie wild blinkende AB und der riesige Berg von Post auf dem Couchtisch, den Scott dort nach und nach aufgetürmt hatte, wann immer er zum Blumen gießen hier gewesen war, irgendwie tätig zu werden. Stiles entschied sich jedoch, beides zu ignorieren und lediglich noch ein SMS an Danny und Emma zu schreiben, dass sie gut angekommen wären, ehe er sich zum Schlafengehen bereit machte. Stiles hatte keine Ahnung, wie spät es sein mochte; die Dunkelheit des Winter, die einstündige Zeitverschiebung zwischen Alaska und Kalifornien, sein geschwächter körperlicher Zustand und nicht zuletzt die lange Reise mit einem menschenentwöhnten, nervösen Werwolf hatten sein Zeitgefühl völlig durcheinander gebracht, aber es war ihm auch egal, denn er war todmüde. Derek schien es ebenso zu gehen, den die großen, grünen Augen waren in diesem Moment zu müden Schlitzen verengt.
 

Als sie nebeneinander im Bett lagen, wollte Stiles von ihm wissen:

„Wie geht es dir denn jetzt überhaupt, mein Großer?“
 

„Zu viel!“ murmelte Derek lediglich, doch mehr musste er auch nicht sagen. Der Biologe verstand ihn auch so. Er küsste ihn auf die Stirn, schlang die Arme um den breiten Brustkorb und genoss zum ersten Mal, seit Derek und er sich kannten den enormen Luxus eines Bettes, das groß genug für Zwei war.
 

Sie erwachten erst wieder, als am nächsten Morgen die rot-goldene Wintersonne zum Schlafzimmerfenster hereinschien. Da war plötzlich so ein hungriger Blick in Dereks Augen und so ein aufregendes Ziehen ganz tief unten in Stiles Bauch, die Luft begann seltsam elektrisch zu flirren und so scherten sich die beiden Männer nicht darum, dass sie sich noch nicht die Zähne geputzt hatten: Plötzlich war alles wie ein Kampf, jedoch angetrieben von Sehnsucht anstelle von Gewalt: Zungen rangen mit Zungen, Hüften stießen gegen Hüften und während sich Finger verzweifelt in erhitztes Fleisch krallten, schwoll ihrer beider beschleunigter, stoßweiser Atem zu einem ungeduldigen Stöhnen an. Irgendwann blickten die beiden Männer einander verzweifelt an, denn sie wünschten sich Erlösung und wussten dennoch nicht, wie sie sie finden konnten.

Schließlich hielten sie inne und blickten einander zu gleichen Teilen unsicher und unzufrieden an, ohne die rechte Worte für das zu finden, was in ihnen tobte. Sie küssten sich noch einmal; sanft dieses Mal und hielten einander noch einen Moment fest, weil sie sich nicht verlieren wollten, ehe sie schließlich aufstanden und Stiles sich fertig machte, um für das Frühstück einkaufen zu gehen.
 

Als der Biologe nun für einen Moment allein war und in der Kassenschlange im Supermarkt wartete, versuchte er zu ergründen, was da heute morgen über ihn und Derek gekommen war und auch, wieso sie es nicht hatten zu Ende bringen können und Stiles musste sich eingestehen, dass es vielleicht daran lag, dass er ganz einfach keine Ahnung hatte!

Außerdem hatte er Angst und das nicht zu knapp!

Er liebte Derek, das war gar keine Frage mehr; sein wildes, edles Wesen, seine Verletztheit, seine Stärke und die herzzerreißende Sprachlosigkeit.

Er liebte auch dieses vollkommene Gesicht und den schier unglaublichen Körper, also was war es dann, was ihn zurückhielt?
 

Er liebte den Körperkontakt mit Derek, denn er machte dass er sich warm, sicher und zufrieden fühlte. Ihn zu küssen war ebenfalls wunderschön, aber was, wenn es dennoch nicht wirklich etwas Sexuelles war? Vielleicht war er ja einfach nicht... SO?

Liebe konnte doch sehr unterschiedlich sein, oder nicht? Es musste doch nicht immer auf `das Eine´ hinauslaufen?
 

Er fragte sich, wie Derek das wohl sah, oder ob er es überhaupt so klar benennen konnte, was er wollte?
 

Vielleicht würde er sich ja eines Tages klarer ausdrücken können?

Oder Stiles würde es irgendwann lernen, ihn besser zu verstehen?
 

Er zuckte erschrocken zusammen, als die Kassiererin im die zu zahlende Summe sagte, so tief war er in seine Gedanken vertieft gewesen. Er zückte seine Karte und zahlte.
 

Nachdem sie gefrühstückt hatten, kündigte Derek an:

„Ich will mein Haus sehen!“
 

Zuerst begriff Stiles gar nicht, wovon er sprach doch dann wurde ihm klar, dass er die Ruine des Hale-Hauses meinen musste und er fragte sorgenvoll:

„Bist du sicher, dass du dafür schon bereit bist? Das wird schwer werden.“
 

Derek schüttelte seufzend den Kopf:

„Ich bin nicht bereit, doch man muss es schnell macht, so wie man ein Pflaster abreißt. Warten macht es schlimmer? Aber du musst nicht mitkommen, Stiles!“
 

Stiles schnaubte entrüstet:

„Du denkst, ich würde dich das allein tun lassen? Bist du verrückt geworden?“
 

Und so zogen sie sich ihre Winterjacken über und machten sich auf den Weg. Sie hätten Stiles Jeep nehmen können, der in der Tiefgarage seines Wohnhauses stand, doch sie entschieden, dass ihnen an diesem milden Januarvormittag ein wenig frische Luft und Sonnenschein guttun würde, nach all´der Kälte und Dunkelheit Alaskas.
 

Sie gingen langsam und machten viele Pausen, weil Stiles noch immer schlecht Luft bekam, doch nach einer Stunde erreichten sie den Waldesrand. Einen Moment hielt Derek inne und wirkte beinahe wie ein nervöses Pferd, welches vor einem Hindernis scheute, doch dann setzte er sich wieder in Bewegung und lief zielstrebig bis an sein Ziel.

Als die ausgebrannte Ruine vor ihnen auf der Lichtung auftauchte, entkam der Kehle des Werwolfs eine Art tiefes Stöhnen, als habe er körperliche Schmerzen.

Der Laut traf Stiles bis ins Mark und er griff rasch nach der Hand des Verzweifelten.
 

Sie durchschritten die rote Eingangstür und nahmen sofort den Brandgeruch war, der sich auch nach zehn noch immer hartnäckig im Gemäuer und den verkohlten Balken gehalten hatte. Dereks Griff um Stiles Hand wurde nun deutlich fester, doch auch Stiles schnürte es an diesem Ort die Kehle zu; zum einen aus Mitgefühl mit Derek, aber auch, weil ihm nun noch einmal deutlich vor Augen geführt wurde, wie knapp auch er selbst vor nicht einmal zwei Wochen mit dem Leben davongekommen war.
 

Derek hatte scheinbar tatsächlich vor, die morschen Treppen in den ersten Stock hinauf zu gehen und Stiles folgte ihm ängstlich, denn es war keineswegs sicher.

Es war ohnehin seltsam, dass die Stadt dieses Gebäude nicht schon vor Jahren abgerissen hatte:

„Dies war das Zimmer von mir und meinem Onkel.“ kommentierte der Werwolf, nur dass da gar kein Zimmer mehr war. Es gab verkohlte, von der Witterung verquollene und verformte Bodendielen, Reste von Wänden und das Dach fehlte vollständig. Derek grub mit seinen Stiefelspitzen ein wenig im Schutt und zum Vorschein kam zu ihrer Überraschung ein beinahe unversehrtes Foto. Derek hob es auf, wischte Ruß und Asche an seiner Jacke ab und betrachtete es. Stiles konnte sehen, wie sich Dereks Adamsapfel auf und ab bewegte, als er schwer schluckte und er versuchte einen Blick auf das Bild zu erhaschen. Es zeigte eine Großfamilie am Weihnachtsabend vor dem Kamin, Dereks Familie! Und der Werwolf selbst war jung, süß und schmal. Er hatte den Arm um ein Mädchen gelegt, welches ihm wahnsinnig ähnelte.

Stiles schossen die Tränen in die Augen, Er wischte sie mit dem Ärmel fort und presste hervor:

„Tut mir so wahnsinnig leid!“
 

Derek holte tief Luft und verstaute das Bild dann sorgsam in der Innentasche seiner Winterjacke.
 

Sie stiegen wieder die Treppen hinunter und Stiles wäre bei einer der letzten morschen Stufen beinahe eingebrochen, wenn Derek ihn nicht im letzten Moment festgehalten hätte.
 

Der Werwolf stöberte noch ein wenig im Erdgeschoss herum, bis er bestimmt:

„Jetzt der Keller!“
 

Stiles, dem der Schrecken seiner Treppenerfahrung noch immer in den Knochen steckte fragte unbehaglich:

„Muss das wirklich sein?“
 

Derek nickte, doch er versicherte:

„Du kannst draußen warten, Stiles.“
 

Natürlich war das für den Biologen keine Option und er folgte dem Werwolf in den düsteren, gemauerten Untergrund des Gebäudes. Zielstrebig steuerte Derek einen großen Raum mit vergitterten Fenstern an:

„Hier ist es passiert!“ erklärte er mit erstickter Stimme.
 

Stiles musste nicht fragen, was. Es war nur zu offensichtlich dass dies hier der perfekte Ort war: Ein vollkommenes Gefängnis, wenn man übermächtige Wesen gefangen nehmen und dann durch ein Feuer vernichten wollte:
 

„Es ist alles noch hier!“ flüsterte Derek erschüttert.
 

Stiles hob fragend die Augenbraue:

„Was ist hier, Süßer? Wovon sprichst du?“
 

„Die Echos!“ erklärte Derek.

Doch eigentlich erklärte das gar nichts:
 

„Heißt das, du kannst etwas hören?“ fragte Stiles also ratlos.
 

Derek schüttelte den Kopf:

„Nicht hören. Riechen!“
 

Da wurde es Stiles klar. Wölfe, ebenso wie ihre nahen Verwandten, die Hunde waren fähig mit ihrem Geruchssinn körperliche Signale aufzufangen, welche auf die Gemütslage ihres Gegenübers hindeuteten. Darum waren manche Hunde ja auch beinahe hellsichtig einfühlsam, wenn es ihrem Herren schlecht ging.

Bei Werwölfen ging diese Fähigkeit scheinbar noch ein wenig weiter? Selbst nach all diesen Jahren schien Derek immer noch in der Lage zu sein, die Verzweiflung, die Panik und das Sterben seiner Familie wahrzunehmen, welches sich offenbar im wahrsten Wortsinn in dieses Gemäuer eingebrannt hatten:

„Lass´ uns gehen, Derek! Lass´ uns ganz einfach von hier verschwinden!“ schlug der Mensch besorgt vor.
 

Der Werwolf schüttelte heftig Kopf. Dann ging er in einer Ecke in die Knie und begann im Schutt zu wühlen, als würde er nach etwas suchen. Irgendwann hatte er es dann scheinbar gefunden.
 

„Was hast du da?“ erkundigte Stiles sich sanft.
 

Derek erhob sich und öffnete seine Faust:

„Die Krallen meiner Mutter!“ kommentierte er, ließ ebendiese kurz darauf in seine Jackentasche gleiten und bestimmte: „Jetzt können wir gehen!“
 

Stiles atmete erleichtert auf, als sie diesen Ort des Schreckens wieder verlassen hatten und fragte:

„Und was nun? Willst du wieder nachhause? Vielleicht solltest du dich ein wenig ausruhen? Das war ziemlich heftig, oder nicht“
 

Derek schüttelte den Kopf und erwiderte:

„Nein, ich muss erst wissen, ob es noch da ist!“
 

„Ob WAS noch da ist?“ fragte Stiles ratlos, doch er erhielt keine Antwort, denn Derek hatte sich bereits wieder in Bewegung gesetzt und steuerte eilig auf irgendetwas zu. Stiles versuchte schnaufend mitzuhalten. Er spürte in diesem Augenblick ziemlich deutlich die Auswirkungen seiner Rauchvergiftung, doch wenn Derek auf den Pfaden der Erinnerung wandeln wollte, dann war das eben wichtiger, als ein bisschen Brennen in den Lungen und Husten.
 

Zum Glück war das, was Derek gesucht hatte nicht so weit weg. Sein Ziel entpuppte sich als ein Schuppen mit großen Toren, an einem Waldweg gelegen.
 

Stiles war kurz vorm kollabieren, krümmte sich und stemmte die Hände auf den Oberschenkel, um wieder zu Atem zu kommen.
 

Derek schien von all dem nichts mitzubekommen. Er hatte die Tore des Schuppens geöffnet und dahinter tauchte etwas auf, womit Stiles im Leben nicht gerechnet hatte, nämlich ein schwarzer Sportwagen.

„Was ist das den? Gehört der etwa dir?“ wollte er wissen:
 

„Das ist mein Camaro! Ich habe ihn zur bestandenen Führerscheinprüfung bekommen, kurz bevor... das alles passiert ist!““ bestätigte Derek und überraschender Weise sah er glücklich aus, als habe es den Besuch der Ruine und die überwältigenden Emotionen, die dies ausgelöst haben musste gerade gar nicht gegeben. Er wirkte sogar so glücklich, dass man beinahe den sechzehnjährigen Jungen erahnen konnte, dem dieser Wagen einst gehört hatte.
 

„Denkst du, der funktioniert nach so langer Zeit überhaupt noch?“ erkundigte sich Stiles skeptisch:
 

„Finden wir es heraus!“ entgegnete Derek, zog einen Autoschlüssel aus dem Handschuhfach und rutschte auf den Fahrersitz.
 

Stiles hockte sich daneben und staunte nicht schlecht, als er erkannte, dass der Wagen gleich beim ersten Starten ansprang

Er war zu dankbar, mit seinen strapazierten Bronchien nun nicht mehr laufen zu müssen, um jetzt von einer abgelaufenen Zulassung und KFZ-Versicherung anzufangen. Zur Not sollte sein Dad es eben hinbiegen, falls sie nun einen Unfall hätten!
 

Stiles fragte zwar nicht, wohin es als nächstes ginge, doch er war auch nicht überrascht, als Derek den Wagen vor der Beacon Hills Highschool stoppte. Natürlich wurden hier auch in Stiles Erinnerungen wach; zum Beispiel an den Spaß, den er hier mit Scott gehabt hatte, an die unzähligen Unterrichtsstunden, die er damit zugebracht hatte, die schöne Lydia Martin von weitem anzuschmachten und an die unzähligen, teilweise wirklich perfiden Streiche, die er ausgeheckt hatte, um Coach Finstocks Berufsleben interessanter zu gestalten.
 

Seite an Seite schlenderten die beiden Männer über das Schulgelände, rüttelten an Türen und Toren, doch natürlich kamen sie nirgendwo hinein, denn es waren ja immer noch Weihnachtsferien. Vor der Sporthalle angelangt erklärte Derek mit versonnenem Blick:

„Ich war damals Kapitän des Basketballteams. Ich war richtig gut!“
 

„Ich habe Lacrosse gespielt. Ich war richtig mies!“ verkündete Stiles kichernd: „Aber dafür war ich Kapitän des Schachclubs!“
 

Derek lächelte ihm zärtlich zu:

„Ich hätte dich bestimmt gemocht! Ich mochte immer die blassen, dürren, schlauen Jungs!“
 

„Ich hätte dich wahrscheinlich nicht gemocht. Schon aus Prinzip nicht. Ich war eine ziemliche Arschgeige und habe mich für etwas viel besseres gehalten, als die ganzen Athleten, Cheerleader und die ganzen anderen coolen Kids. Mein Sarkasmus war meine einzige Waffe!“
 

Derek lachte.
 

Sie waren inzwischen weitergegangen und mittlerweile am Lacrossefeld angekommen. Derek führte Stiles an der Hand auf den oberen Rang, wo sie nebeneinander Platz nahmen und auf das verlassene Spielfeld starrten.
 

Nach einer Weile begannen sie sich zu küssen.

Es war süß, aufregend und ungestüm, als hätte die Schule den beiden Männern für einen kurzen Augenblick zusammen mit ihren Erinnerungen auch ihre Jugend zurückgeholt.

Begegnungen Teil 1

„Du wirst dich nicht von meinem Vater in die Enge treiben lassen, egal was er dich fragt, hörst du? Wenn du nicht antworten willst, dann tust du es einfach nicht!“ wies Stiles Derek beim Frühstück streng an. Seine Stirn war dabei in sorgenvolle Falten gelegt.
 

„Das mache ich doch immer so!“ gab der Werwolf verständnislos zurück: „Warum hast du Angst, Stiles? Der Sheriff ist ein guter Mann, richtig?“
 

„Richtig!“ bestätigte Stiles finsterer.

Er hatte das Gefühl gehabt, es nicht länger vor sich herschieben zu können, dass Derek und sein Dad sich begegneten und da heute der freie Tag des Sheriffs war, hatten sie sich für diesen Vormittag bei ihm auf eine Tasse Kaffee verabredet, doch so misstrauisch wie John Stilinski sich bereits am Telefon verhalten hatte, fürchtete der Biologe eine totale Katastrophe, zumal das, was sie zu sagen hatten schließlich für jeden, der es nicht selbst erlebt hatte total verrückt klingen musste.
 

Sie saßen im Jeep und fuhren in Richtung von Stiles Elternhaus und der Biologe zappelte nervös auf dem Fahrersitz herum, wie ein Kind vor einem Zahnarztbesuch. Derek betrachtete ihn von der Seite und lächelte in sich hinein. ER war nicht aufgeregt. Er freute sich auf die Begegnung mit seinem zukünftigen Schwiegervater.

Und nun waren sie auch schon da und der Wagen hielt in der Einfahrt der Stilinskis.
 

John öffnete die Tür, erblickte seinen Sohn und sein Gesicht bekam sogleich einen sorgenvollen Ausdruck:

„Da bist du ja endlich, Junge! Wieso bist du denn so blass?“
 

Stiles schenkte ihm ein jungenhaftes Lächeln, auch wenn es ein wenig gequält wirkte:

„Weil es am Polarkreis, wo ich ich mich in den letzten Wochen aufgehalten habe, nun mal keine Sonne gab. Außerdem war ich noch nie der Beach-Boy-Typ und bin überdies immer noch schlecht mit Sauerstoff versorgt, wegen der Rauchvergiftung. Aber mach´ dir bitte keine Sorgen! Ich hab´s überlebt und bin auf dem Weg der Besserung. Ehrlich!“
 

Der Sheriff gab ein unzufriedenes Schnauben von sich, zog sein einziges Kind in seine Arme und nahm jetzt erst Stiles Begleiter so richtig wahr:

„Hallo!“ sagte er und streckte Derek die Hand entgegen: „Sie sind also Derek Hale? Sie entschuldigen, wenn ich das nach der langen Zeit nur schwer glauben kann, oder? Man hat in mehreren Staaten nach ihnen gesucht, doch sie waren ja ganz einfach wie vom Erdboden verschluckt!“
 

Derek schüttelte die hingehaltene Hand und bestätigte knapp:

„Ja, das war ich.“ denn es erschien ihm tatsächlich als die treffendste Beschreibung dessen, was passiert war. Weil der Schock über den Verlust seiner Familie zu groß war, hatte sich der Mensch ganz in den Wolf zurückgezogen, ihn sozusagen `verschluckt´ und erst das Zusammentreffen mit seinem Gefährten hatte ihn schließlich wieder hervorgeholt.
 

Der Sheriff blickte den Fremden irritiert an:

„Ja, aber wo waren sie denn nun all´ die Jahre?“
 

Bevor Derek darauf antworten konnte, knurrte Stiles:

„Er war in Alaska, aber vielleicht lässt du uns ja wenigstens erst einmal ins Haus, bevor das Verhör beginnt?“
 

John zuckte mit den Schultern und trat beiseite, um die beiden Männer einzulassen.
 

Nachdem sie jeder eine Tasse Kaffee erhalten und im Wohnzimmer Platz genommen hatten; der Sheriff auf dem Sessel und Derek und Stiles Seite an Seite auf dem Sofa, fragte John Stilinski:

„Bestimmt erinnern sie sich noch, dass ich sie im Alter von 15 Jahren einmal festgenommen habe, richtig Mr. Hale?“
 

Derek nickte lediglich und der Sheriff fragte mit ein klein wenig Ungeduld in der Stimme:

„Und wissen sie auch noch, warum ich sie festgenommen habe?“
 

Wieder bloß ein Nicken des wortkargen Werwolfs, der nicht verstand, was das ganze sollte, bis Stiles seufzend, mit genervten Blick auf seinen Vater erklärte:

„Das ist ein Test, Derek! Mein Dad will, dass du ihm erzählst, was damals genau geschehen ist, um zu überprüfen, ob du ein Lügner bist.“
 

„Aber ich bin kein Lügner!“ erklärte Derek schlicht: „Mein Onkel und ich sind nachts in die Schule eingebrochen. Sie haben uns dabei erwischt, Sir. Sie haben uns zwei Stunden lang auf dem Revier festgehalten, dann kam meine Mutter und hat uns abgeholt.“
 

„Und erinnern sie sich auch noch daran, was ich damals zu ihnen gesagt habe, Derek?“ wollte der Sheriff wissen.
 

Derek nickte:

„Sie sagten, ich sei ein guter Junge und sollte mich nicht von meinem Onkel zu solch einem Unsinn anstiften lassen. Und sie haben meine Fingerabdrücke genommen. Sie haben mir damit ganz schön Angst gemacht, Sir!“
 

Der Sheriff lächelte zufrieden:
 

„Hat Derek nun deinen Test nun bestanden, oder was?“ schnappte Stiles nun genervt.
 

„Ja, das hat er!“ bestätigte John Stilinski: „Und das mit den Fingerabdrücken hatte ich schon ganz vergessen. Ich habe das damals ja auch lediglich gemacht, um Derek einzuschüchtern und von zukünftigem Unsinn abzuhalten, aber heute kann und das sehr nützlich sein, denn so kann seine Identität einwandfrei festgestellt werden. Immerhin geht es hier um ein Millionenerbe und da ich den Vermisstenfall niemals abgeschlossen habe, ist das Geld auch immer noch da und ist nicht an den Staat gegangen. Noch hinzu kommt die Versicherungssumme aus dem Brand, einige Immobilien und Wertpapiere. Sie sind ein reicher Mann, Derek, denn sie sind der einzige Erbe! Was sagen sie dazu?“
 

Der Werwolf wirkte ziemlich unbeeindruckt und zuckte mit den Schultern.
 

Stiles hingegen waren die Augen übergegangen:

„Millionen?“ fragte er ungläubig. Eigentlich hatte er sich innerlich bereits darauf eingestellt, Derek die nächsten Jahre von seinem Gehalt durchzufüttern und hatte sich um die Zukunft seines Freundes ernsthaft gesorgt, da dieser ja aufgrund der Umstände nicht einmal einen Highschoolabschluss, geschweige denn eine Berufsausbildung hatte.
 

„Sie sollten sich einen guten Anwalt nehmen, Derek, der das alles für sie klärt!“ schlug der Sheriff vor.
 

Derek warf Stiles einen gleichermaßen hilflosen wie missmutigen Blick zu und der Biologe versprach:

„Ich helfe dir dabei!“
 

In Derek war eben im Grunde immer noch der sechzehnjährige Junge von damals konserviert. In den zehn Jahren dazwischen, in denen er ein Wolf gewesen war, hatte er sich um so etwas wie Steuern, Miete, Arbeit, Krankenversicherung und diesen ganzen langweiligen Erwachsenenkram keine Gedanken machen müssen. Er hatte einfach bloß gelebt, gejagt, wenn er Hunger gehabt hatte, geschlafen, wo immer er ein wind- und wettergeschütztes Plätzchen gefunden hatte und das einzige, was ihm hatte Sorgen machen müssen, waren die Jäger gewesen, die sich an seine Fersen geheftet hatten.
 

Als würde er irgendetwas ahnen, fragte der Sheriff nun noch einmal:

„Aber wo sind sie denn nun genau gewesen, Derek? Warum haben sie sich niemals bei einer Polizei gemeldet. Und wovon zum Teufel haben sie gelebt? Hatten sie einen Job? Hatten sie vielleicht das Gedächtnis verloren durch das Trauma? Was war los?“
 

Das mit dem Gedächtnis war gar keine so schlechte Ausrede, dachte Stiles mit einem Mal bei sich. Warum war er nicht selbst darauf gekommen? Er blickte Derek fragend an, doch der schüttelte den Kopf:
 

„Ich war unterwegs. Ich bin vor den Leuten weggelaufen, die meine Familie getötet haben.“ Dann wandte er sich an Stiles und sagte gequält: „Bitte! Ich will nicht lügen. Darf ich die Wahrheit sagen?“
 

„Du hast Derek gesagt, dass er mich anlügen soll, Stiles? Was ist denn bloß los mit dir! Was fällt dir ein, Stiles? Was geht hier vor? Ich will sofort wissen, was hier gespielt wird!“ forderte John Stilinski entrüstet.
 

Stiles mahlte angespannt mit den Kiefern und erwiderte schließlich:

„Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass ich einen guten Grund haben könnte, dir die Wahrheit vorenthalten zu wollen? Sie ist nämlich gar nicht so einfach zu verdauen. Und wenn wir es dir beweisen, und das können wir zufällig, dann habe ich Angst vor dem, was du möglicherweise tust, oder ob dein armes Herz das verträgt? Einen Herzinfarkt hattest du ja immerhin schon“
 

„Sprich gefälligst nicht in Rätseln und behandle mich nicht wie ein Kind.“ schimpfte der Sheriff: „Also raus mit der Sprache! Was geht hier vor?“
 

Weil Derek nun mal nicht der Typ für viele Worte war, versuchte sich eben Stiles an einer Erklärung:

„Derek ist mehr als das, was man auf den ersten Blick sehen kann, Dad. Er ist anders als die meisten Menschen.“ begann er: „Dereks ganze Familie war... also ich meine, es gab Menschen, die Jagd auf sie gemacht haben weil...“

Stiles seufzte, weil ihm klar war, dass es keinen Weg gab, seinem Vater diese Sache mit Worten zu erklären, ohne dass es komplett absurd klang und so sagte er es schließlich, wie es war:

„Die Hales waren Werwölfe, Dad. Und Derek ist auch ein Werwolf!“
 

„Das ist doch läch...!“ brachte John noch hervor, ehe ihm die Worte im Halse stecken blieben, denn Derek hatte sich inzwischen verwandelt: Fänge, Klauen und blauglühende Augen; das volle Programm!
 

John Stilinskis Augen waren rund wie Teller und ihm fiel die Kinnlade herunter. Er rührte sich nicht und sagte kein Wort:
 

„Ist alles in Ordnung Daddy? Ist es dein Herz?“ fragte Stiles sorgenvoll.
 

Der Sheriff schüttelte den Kopf, ohne den fassungslosen Blick von dem Werwolf auf seiner Couch zu nehmen.
 

„Es ist schwer zu glauben, oder?“ erkundigte sich Stiles vorsichtig.
 

John war recht blass geworden. Er holte tief Luft und erwiderte:

„Eigentlich erklärt es eine Menge. Weißt du, wie viele ungeklärte Todesfälle ich in den letzten Jahren auf dem Schreibtisch hatte, die wie Wildtierunfälle aussahen, die jedoch zu keinem bekannten Raubtier gepasst haben? Ist er den gefährlich, Stiles?“
 

„Rede nicht über Derek, als ob er nicht anwesend wäre, Dad! Er ist mein Freund. Er hat mir das Leben gerettet und das mehrmals. Ich liebe ihn, Dad!“ rief Stiles aufgebracht, doch Derek nahm seine Hand, um ihn zu beruhigen.

Er hatte sich inzwischen wieder zurückverwandelt:
 

„Ist in Ordnung, Stiles! Woher soll dein Vater es denn wissen.“ gab er er sanft zu bedenken. An den Sheriff gewandt erklärte er: „Meine Familie hat niemals Menschen verletzt. Wir haben viele Generationen lang in Beacon Hills gelebt und die Stadt vor übernatürlichen Gefahren beschützt. Ich bin darum nicht überrascht, dass nach unserem Verschwinden schlimme Dinge passiert sind.“ Nach kurzem Zögern fügte Derek leise hinzu: „Ich würde Stiles niemals verletzen, Sir. Er bedeutet mir alles! Sie müssen keine Angst vor mir haben.“
 

John wirkte irgendwie geistesabwesend. Stiles musterte ihn unsicher und fuhr schließlich fort:

„Das was du eben gesehen hast ist aber noch nicht alles. Als ich Derek getroffen habe, war er ein wirklicher, echter Wolf, mit vier Pfoten, Fell und allem. Es ist passiert, nachdem seine Familie gestorben ist: Er hat sich verwandelt und ist einfach nur noch weggelaufen, weil er die Verzweiflung nicht ausgehalten hat. Er war zehn Jahre lang ein Tier Dad, bis ich ihn gefunden habe. Kannst du dir vorstellen, was DAS bedeutet?“
 

Der Sheriff blickte die beiden verständnislos an. Er brauchte wohl erneut eine visuelle Präsentation und so bedeutete Stiles dem Werwolf, es einfach vorzuführen.

Derek nickte und begann nun seelenruhig, sich im Wohnzimmer des Vaters seines Geliebten komplett auszuziehen und seine Kleider auf dem Couchtisch abzulegen.

John wirkte kurz ein wenig verlegen, doch dies schlug schnell in Überraschung um, als der Nackte vor ihm sich in einen großen, schwarzen Wolf verwandelte.
 

Johns Blick ging zwischen dem Stapel auf dem Tisch und dem Tier hin und her und er murmelte:

„Die Kleider im Wald in der Nähe des Tatorts! Darauf habe ich mir nie einen Reim machen können.“

Er lief nun staunend um den Wolf herum und begutachtete es von allen Seiten. Irgendwann streckte er sogar die Hand aus und es schien, als wolle er ihn streicheln. Verlegen hielt er mitten in der Bewegung inne, doch Stiles versicherte lachend:

„Mach nur, Dad! Miguel hat sicher nichts dagegen. Er liebt es, wenn man ihm Nacken und Ohren krault.“
 

„Miguel?“ fragte der Sheriff und berührte den Wolf sacht, ganz so, als müsse er sich versichern, dass das, was er da vor sich sah, wirklich real war:
 

„Ich wusste zunächst ja gar nicht, wen ich vor mir hatte und so habe ich dem Wolf eben einen Namen gegeben.“ erklärte Stiles.
 

Als Derek sich wieder zurückverwandelte und plötzlich wieder bloß ein athletischer, nackter Mann vor dem Sheriff stand, wich dieser unsicher ein wenig zurück und Derek zog sich wieder an.
 

„Unglaublich!“ kommentierte John überwältigt: „Aber was bedeutet das alles. Was können sie denn so, Derek? Und überhaupt...? Heute ist doch gar kein Vollmond!“
 

Schon wieder wurden Worte von Derek erwartet! Er blickte sich hilfesuchend nach Stiles um und der erklärte:

„Derek ist sehr stark; viel stärker als ein Mensch und hört und sieht besser als wir. Dass er sich verwandeln kann, hast du schon gesehen. Außerdem kann er anderen Menschen die Schmerzen nehmen, kann selbst schwerste Verletzungen überleben und er heilt wahnsinnig schnell.“
 

„Das wäre in meinem Job auch sehr nützlich!“ kommentierte der Sheriff: „Und was ist nun mit dem Vollmond?“ hakte John noch einmal:
 

Stiles zuckte mit den Schultern und Derek antwortete schlicht:

„Er macht uns Wölfe nervös!“
 

John schüttelte noch einmal ungläubig mit dem Kopf:

„Werwölfe!“ murmelte er.

Dann blickte er seinen Sohn an und fragte:

„Kann ich noch einmal kurz mit dir allein sprechen, Stiles.“
 

Das Gesicht des Biologen verfinsterte sich und er entgegnete:

„Du kannst alles, was du mit mir besprechen möchtest, auch vor Derek sagen.“

Der Werwolf versicherte jedoch:
 

„Es ist in Ordnung, Stiles. Ich kann vor der Tür warten! Sprich mit deinem Vater!“

Und schon war er zu Tür hinaus.“
 

„Was willst du, Dad? Willst du, dass ich mich von ihm fernhalte? Dass ich ihn aufgebe? WAS?“ fragte Stiles gereizt:
 

„Ich will, dass du mir dabei hilfst, es zu verstehen, Stiles.“ erwiderte John friedfertig: „Ich meine, solange ich denken kann, hieß es immer nur `Lydia, Lydia, Lydia´ und nun hat sie sich von dir scheiden lassen und diese Sache ist passiert. Ich habe emotional irgendwie Schwierigkeiten, da hinterher zu kommen. Ist das denn so schwer nachzuvollziehen?“ Er zögerte kurz und fragte dann: „Du tust das doch nicht etwa, um dich an Lydia zu rächen, oder?“
 

Stiles blickte seinen Vater ungläubig an:

„Ernsthaft, Dad? Was ist das denn für eine unsinnige Frage? Das hat überhaupt nichts mit Lydia zu tun. Hierbei geht es allein um Derek und mich. Wir haben eine wahnsinnig intensive Zeit hinter uns und das hat eben Gefühle in uns geweckt.“
 

„In Ordnung!“ bestätigte der Sheriff unsicher und sah ebenso unbehaglich aus, wie Stiles sich fühlte: „Aber seid ihr denn nun wirklich ein richtiges Paar. Mit allem was dazu gehört?“
 

„Fragst du mich allen Ernstes, ob wir vögeln, Dad!“ schimpfte Stiles: „Das geht dich nun wirklich nichts an!“
 

„Nein, du hast natürlich recht; es geht mich nichts an, aber ich meinte ja auch nicht bloß das. Ich wollte wissen, ob ihr wohl heiraten werdet. Und wolltest du nicht immer Kinder? Daraus wird dann ja wohl nichts, oder? Das ist traurig, denn ich hatte mich immer irgendwie auf ein Enkelkind gefreut. Bitte sei mir nicht böse, Junge. Ich versuche doch nur, diese Sache zu verstehen.“
 

Stiles seufzte schwer und schloß niedergeschlagen die Augen, als er erwiderte:

„Das versuche ich auch, Dad!“
 

John erhob sich und legte die Arme um seinen Jungen. Und auch wenn es Stiles ganz und gar nicht recht war, fing er an zu heulen, sobald er das After-Shave seines Vater roch und das Flanell seines Hemdes an der Wange spürte.

„Alles wird gut!“ versicherte der Sheriff. Und als die Tränen seines Sohnes versiegt waren, wollte er wissen:

„Wollen wir Derek wieder zu uns holen?“
 

Stiles nickte.

Begegnungen Teil 2

Obwohl der Sheriff heute eigentlich seinen freien Tag hatte, war er nach dem Gespräch mit seinem Sohn und dessen neuem Lebensgefährten, dem WERWOLF; etwas dass er immer noch nicht so ganz fassen konnte, sofort auf´s Revier gefahren. Dort saß er nun im Archiv und hatte sämtliche Akten mit ungeklärten Mordfällen der letzten zehn Jahre vor sich liegen.

Eine davon würde er mit ein bisschen Glück vielleicht schon sehr bald endlich schließen können, nämlich jene der Familie Hale. Er hatte sich von Derek heute alles über die Brandstiftung durch Kate und Gerard Argent berichten lassen und nun musste der Sheriff sehen, ob sich irgendetwas davon beweisen ließ.
 

Für all die übrigen Todesfälle hatte Derek sich als inoffizieller Berater für das Übernatürliche angeboten, sobald der Sheriff Fragen hätte. Und die würde John mit Sicherheit haben!

Da war jedoch eine Frage, die er sich nur selbst beantworten konnte, nämlich jene danach, was er mit seinen neugewonnen Erkenntnissen anfangen sollte? Schließlich konnte er dem Haftrichter wohl schlecht so etwas erzählen wie: `Vampire haben diese jungen Leute ermordet!´ oder `Diese Verletzungen stammen eindeutig von einem Werwolf!´ So etwas würde ihm mit Sicherheit binnen kurzem einen Kuraufenthalt im idyllischen `Eichen-House´ einbringen und das wollte er mit Sicherheit nicht riskieren!

Doch das Wissen, was den Opfern in Wirklichkeit geschehen war, würde ihm als Sheriff zumindest ein wenig inneren Frieden verschaffen.

Und er würde möglicherweise lernen, welche Gegenmaßnahmen er treffen musste, um seine eigenen Leute und die Menschen in Beacon Hills effektiver zu schützen und um Ähnliches in der Zukunft zu verhindern.
 

„Du willst Dr. Deaton besuchen?“ stellte Derek überrascht fest, als Stiles den Jeep vor der Tierarztpraxis zum Stehen brachte. Stiles hatte ihm nämlich nicht verraten, wo es als nächstes hinging, sondern lediglich, dass er nun jemanden treffen würde, der etwas ganz Besonderes für Stiles sei.
 

„Du kennst Deaton?“ fragte Stiles überrascht.
 

Derek nickte und erklärte:

„Er war ein guter Freund meiner Mutter. Ich kenne ihn gut. Er ist ein Druide. “
 

„Ein was?“ fragte Stiles ratlos: „Nein, er ist ein Tierarzt.“
 

„Und ein Druide!“ beharrte Derek: „Er hilft den Werwölfen und weiß über das Übernatürliche Bescheid. Warum besuchen wir ihn?“
 

„Das tun wir gar nicht, denn Dr. Deaton hat sich bereits vor ein paar Jahren zur Ruhe gesetzt und seine Praxis meinem besten Freund Scott überlassen. Ich hatte keine Ahnung, dass er ein...ein was...? Ein Druide gewesen ist? Ich fand immer nur, dass er irgendwie mysteriös gewesen ist.“
 

Sie entstiegen dem Jeep und gingen nach drinnen, wo Scott gerade damit beschäftigt war, das überfütterte Chinchilla eines kleinen Mädchens zu untersuchen und ihr geduldig zu erklären, dass sie dieses in Zukunft nicht mehr mit Gummibärchen mästen dürfe, weil es sonst sehr, sehr krank werden würde und am Ende vielleicht sogar daran sterben könnte. Das Kind blickte den Mann in dem weißen Kittel mit großen Augen an und nickte schuldbewusst.

Nun wandte der junge Tierarzt sich um, um zu sehen, wer da gekommen wäre. Als er seinen besten Freund erblickte, schlich sich ein Lächeln auf sein müde wirkendes Gesicht. Er bedeute Stiles und seinem Begleiter, nebenan bei den Tierkäfigen auf ihn zu warten, bis er hier fertig sei.
 

Nebenan wartete allerdings auch schon jemand anders und zwar Scotts zweijähriger Sohn Liam, welcher gerade einem Wurf Welpen plappernd aus seinem Bilderbuch `vorlas´. Er hob das Köpfchen, als die beiden Männer eintraten und kreischte dann begeistert:

„Onkie Ssssiiiles!“
 

„Hey, mein Großer? Was machst du denn hier, hm?“ fragte Stiles, beugte sich hinab und öffnete die Arme, in welche sich das Kind sogleich stürzte:
 

„Mommy nich hause! Erica trank! Snupfen!“ berichte Liam.

Erica war das Mädchen, welches im Hause Argent/McCall manchmal babysittete, wie Stiles wusste.
 

„Ach so ist das. Also musst du mit Daddy arbeiten gehen, richtig?“ stellte Stiles fest.
 

Das Kind nickte heftig und bestätigte:

„Liam helft mit! Liam droß! Passt auf Babyhunde!“
 

„Verstehe!“ erwiderte Stiles lächelnd und wollte nun mit dem Kleinen das Buch weiterlesen, doch da hatte dieser gerade den großen, finsteren Mann in Stiles Gefolge wahrgenommen und fragte skeptisch:
 

„Wer du denn?“
 

Ehe der Werwolf antworten konnte, erklärte Stiles:

„Das ist mein lieber, guter Freund Derek.“
 

Das Kind schüttelte heftig den Kopf und stellte klar:

„Onkie Ssiles Freund Daddy!“
 

Stiles lachte und versicherte:

„Das stimmt, Süßer und das auch wird für immer so blieben, also hab keine Sorge.“
 

Liam nickte und verschränkte zufrieden die Arme vor der Brust, mit einem Ausdruck der besagte, `Das habe ich ja gerade noch mal gerettet!´
 

Die Behandlung des überzuckerten Chinchillas nebenan schien mittlerweile abgeschlossen zu sein, denn nun trat Scott zu ihnen, schnappte sich Stiles und drückte ihn fest an sich:

„Was machst du denn bloß, Alter? Dich kann man echt keine fünf Minuten allein lassen! Ein Feuer? Dein Dad und ich haben uns solche Sorgen um dich gemacht, weißt du das eigentlich?“
 

„Ist ja gut, MUM!“ lachte Stiles gegen den Hals seines besten Freundes und versicherte: „Mir geht’s prima! Ich bin wieder zuhause und bin auch schon fast wieder in Ordnung.“
 

Sie lösten ihre Umarmung und Scott erklärte:

„Darüber bin ich auch echt heilfroh! Du hast mir echt einen tüchtigen Schrecken eingejagt!“

Dann fragte er mit Blick auf Derek: „Sag´ mal, wen hast du mir denn da eigentlich mitgebracht?“
 

Stiles lächelte schüchtern und erklärte:

„Ihr kennt euch bereits, Scott. Es ist bloß echt lange her. Dies hier ist Derek Hale! Er und ich sind uns in Alaska wieder begegnet.“

Nach einigem Nachdenken griff er nach Dereks Hand und fügte unsicher hinzu:

„Er und ich sind jetzt irgendwie... zusammen, verstehst du? Was... was sagst du dazu, Scotty?“
 

Einen kurzen Moment lang herrschte Schweigen zwischen den Freunden. Stiles wurde ein wenig nervös denn er konnte den Gesichtsausdruck seines besten Freundes in diesem Augenblick beim besten Willen nicht deuten und hatte bereits die schlimmsten Befürchtungen, doch schließlich schenkte Scott ihm sein sonnigstes Grinsen und sagte:

„Na dann... Glückwunsch, Bro! Du bist also endlich über Lydia hinweg! Ich freue mich das zu hören!“ Nicht mal ein kurzes Wimpernzucken darüber, dass Stiles neue Liebe ein Mann war. Stattdessen schüttelte Scott Derek die Hand, begrüßte ihn herzlich und verlangte zu erfahren, wie genau die beiden Männer sich kennengelernt hätten.
 

Stiles kam gerade noch dazu zu sagen, dass dies eine lange und komplizierte Geschichte sei, als die Glocke an der Tür signalisierte, dass Dr. McCall einen neuen Patienten hatte und so schlug Stiles vor:

„Warum nehmen Derek und ich nicht Liam mit und gehen auf den Spielplatz oder so und du kommst heute Abend zu uns? Dann koche ich Dinner für uns alle.“
 

„Das klingt toll! Der Kleine langweilt sich hier total und ich kann mich nicht richtig um ihn kümmern, aber Allison ist immer noch nicht zurück.“ Scott wirkte besorgt, doch er rang sich dennoch ein Lächeln ab: „Also gut, dann freue ich mich auf heute Abend und es tut mir leid, dass ich jetzt nicht mehr Zeit für euch habe!“

Bevor sie gingen, schärfte Scott seinem Sohn noch ein, dass er lieb zu seinem Patenonkel Stiles und seinem Freund sein müsse und versprach, dass sie sich am Abend wiedersehen sehen würden, ehe er seinem neuen Patienten, einem Riesenschnauzer mit Zahnschmerzen seine ganze Aufmerksamkeit widmete .
 

Stiles baute den Kindersitz aus Scotts Auto hinten in seinen Jeep ein und dann konnte es auch schon losgehen in Richtung Spielplatz.
 

Der Biologe hatte ein wenig Bedenken, ob sein neuer Freund wohl Kleinkind-kompatibel sei, doch es sollte sich schnell zeigen, dass seine Sorge vollkommen unberechtigt war, denn Derek und der kleine Liam verstanden sich auf Anhieb wunderbar. Sie bauten eine riesige Sandburg und als Liam erklärte, dass er ein Wolf sei, genau wie die von Onkel Stiles, gab es für die beiden schließlich kein Halten mehr. Sie tobten auf allen Vieren durch den Sand, kläfften und jagten sich gegenseitig und Stiles war abgeschrieben.

Der Biologe nahm am Sandkistenrand Platz und beobachtete die beiden mit einem gutmütigen Lächeln.

Seit ihrer Ankunft in Beacon Hills hatte er Derek noch nicht so gelöst und glücklich gesehen und Stiles spürte, wie er sich noch ein klein wenig mehr in ihn verliebte.
 

Die Dämmerung kam früh um diese Jahreszeit und so rief Stiles gegen kurz nach vier zum Aufbruch, denn sie mussten ja noch in den Supermarkt; zum einen um die Zutaten für das Abendessen einzukaufen, welches Scott versprochen worden war, aber auch um endlich die Vorräte in Stiles Speisekammer wieder aufzustocken.

Schweren Herzens rissen sich die beiden Spielgefährten los und folgten dem Biologen brav zum Auto.
 

Im Supermarkt wurde Liam unter Protest in den Kindersitz des Einkaufswagens gesetzt, damit sie nicht die ganze Zeit hinter ihm herjagen müssten, denn der Kleine war verteufelt schnell für sein Alter und so ein Supermarkt war ein wahres Wunderland für einen energiegeladenen, aufgeweckten Zweijährigen.
 

Nachdem Derek die riesige Fleischabteilung des Supermarktes entdeckt hatte verkündete er, er müsse sich hier jetzt erst einmal gründlich umschauen. Der Wolf sah aus, als sei er im Himmel, als er damit begann, die Kühltruhen zu durchforsten.

Stiles grinste, ließ seinen Freund machen und schob derweil den Einkaufswagen weiter.
 

Gerade als er im Gang für Süßigkeiten mit Liam eine Diskussion darüber führte, warum dieser sich hier bloß eine einzige Sache aussuchen dürfe, anstatt einfach alles aus den Regalen zu ziehen und in den Wagen zu werfen, was er mit seinen gierigen Fingerchen erreichen konnte, traf den Biologen beinahe der Schlag, denn in diesem Augenblick kamen ausgerechnet Lydia und Jackson auf ihn zu. Die Zwei waren vermutlich die beiden letzten Menschen, die er gerade sehen wollte, doch just, als Stiles daran dachte, sich irgendwo zu verstecken, wie ein erbärmlicher Feigling, hatten sie ihn auch schon entdeckt:
 

„Stilinski!“ rief Jackson ihm zu und er hatte diesen, für ihn typische spöttische Zug um seine Mundwinkel: „Schon wieder im Lande? Und jetzt spielst du hier den Babysitter für Scott, oder wie?“
 

„So ist es!“ bestätigte Stiles knapp.
 

Lydia begrüßte Stiles herzlich und fragte dann mitfühlend:

„Und? Wie geht es dir denn jetzt“
 

Stiles war sonnenklar, was sie meinte: `Wie geht es dir OHNE MICH?´.

Der Biologe spürte Ärger in sich aufkommen, denn dieses herablassende Mitleid war wirklich das Letzte, was er wollte und ertragen konnte und schon gar nicht wollte er es von Lydia!
 

„Es geht mir gut. Es geht mir sogar sehr gut!“ erwiderte er daher mit einem Anflug von Giftigkeit.
 

Das traurig-anteilnehmende Lächeln, welches Lydia ihm daraufhin schenkte machte ihn erst recht sauer, denn es zeigte ihm übereutich, was seine Ex-Frau sich in diesem Moment dachte. Sie dachte: `Der arme, einsame Stiles versucht ein tapferes Gesicht zu machen!´

Stiles hasste es!
 

Doch glücklicherweise war ein Engel bereits auf dem Weg zu seiner Rettung: Derek hatte sich lautlos von hinten genähert, verfrachtete zunächst seine Beute, welche er aus der Fleischabteilung mitgebracht hatte im Einkaufswagen und sagte schnurrend zu Stiles, ohne die beiden Fremden auch nur eines Blickes zu würdigen:

„Da bist du ja, Baby! Ich habe dich schon gesucht!“

Dann schlang der Werwolf besitzergreifend von hinten die Arme um Stiles und küsste ihm derart hingebungsvoll seinen Nacken und Hals, als wolle er ihn ein für alle Mal als Seins markieren und schickte dabei eine wohlige Schauer über dessen ganzen Körper.
 

Lydia und Jackson fiel gleichermaßen die Kinnlade herunter: Der arme, kümmerliche, blasse Stiles in den Armen des schönsten Mannes unter der Sonne? Und dieser konnte überdies scheinbar gar nicht genug von ihm bekommen?

Genau das dachten diese Zwei doch mit Sicherheit gerade!
 

„Du hast mich gefunden, Liebling!“ erwiderte Stiles, versuchte dabei nicht allzu selbstzufrieden zu klingen, drehte sich in der Umarmung herum und küsste Derek innig. Dann wandte er sich wieder an Lydia und wiederholte:

„Wie gesagt: Es geht mir wirklich gut!“
 

Stiles erinnerte sich an die Frage, die sein Vater ihm heute Morgen gestellt hatte: Nein, er war natürlich nicht deswegen mit Derek zusammen, weil er sich an Lydia zu rächen wollte, aber es war dennoch eine, beinahe schon ans Obszöne grenzende Genugtuung, es ihr heute so plastisch unter die Nase zu reiben!
 

„So, wir müssen dann auch mal weiter! Macht es gut, ihr Zwei!“ sagte er zum Abschied zu Lydia und Jackson, ehe er sich auf dem Absatz umdrehte und die beiden verdutzt stehen ließ.
 

Später im Auto jedoch war Stiles diese ganze Szene plötzlich wahnsinnig peinlich.

Er hatte sich ja aufgeführt, wie so eine blöde Highschool-Zicke! Und dann hatte er auch noch Derek dafür benutzt, seine Wiedergutmachung zu inszenieren.

Er war wirklich das Letzte!

„Das eben war meine Ex-Frau Lydia.“ beichtete er also kleinlaut: „Und was ich da eben gemacht habe, war wirklich schäbig. Es tut mir leid, Derek!“
 

Der Werwolf legte herzhaft lachend den Kopf in den Nacken und erwiderte:

„Ich weiß, wer sie war, Stiles. Darum bin ich doch zu dir gekommen. Es war richtig lustig, wie sie geguckt hat. Sie darf dir nie wieder wehtun, hörst du?“
 

Einen Augenblick lang sah Stiles aus, wie vom Donner gerührt. Derek hatte also verstanden, was da gerade vorgefallen war?

Und er hatte ihn wieder einmal gerettet, weil es eben das war, was Derek tat: Ihn retten!

Stiles beugte sich zu Derek hinüber, schlang die Arme um dessen Nacken und flüsterte:

„Danke! Vielen Dank! Ich liebe dich!“
 

Derek strahlte überglücklich:

„Du hast es endlich gesagt!“ erwiderte er leise
 

Stiles stutzte:

„Was gesagt? Dass ich dich liebe etwa? Aber das war doch nicht das erste Mal.“
 

Dereks Blick war irgendwie scheu und unsicher als er widersprach:

„Doch, das war es. Du sagst zwar zu anderen `Ich liebe ihn!´, doch zu mir hast du hast es noch nie gesagt!“
 

„Aber... das tue ich doch!“ erwiderte Stiles betroffen.

Er konnte gar nicht glauben, dass er die wichtigen drei Worte wirklich noch nie so deutlich ausgesprochen haben sollte, aber wenn es wirklich so war, dann wurde es nun höchste Zeit, das nachzuholen: „Ich liebe dich, Derek! Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich!“
 

Der Werwolf beugte sich zu seinem Gefährten hinüber, schlang die Arme um ihn und versicherte:

„Ich liebe dich auch, Stiles!“
 

Nun meldete sich Liam mit seinem unvergleichbaren Gefühl für Timing von der Rückbank zu Wort, indem er krähte:

„Kacka, Onkie Ssiles!“
 

Die beiden Männer lachten und Stiles fuhr auf schnellstem Weg zurück in ihr Apartment, damit er seinem Patensohn die Windel wechseln konnte.
 

Da Derek diese Unmengen Fleisch gekauft hatte, beschloss Stiles, dass sie heute grillen würden. Er bereite einen grünen und einen Kartoffelsalat als Beilage zu, während die Steaks auf dem Elektrogrill garten. Und weil es daraufhin in der Küche bereits so lecker roch, während das Essen aber noch ein wenig brauchen würde, wurden sowohl Liam als auch Derek ein wenig ungeduldig. Daher wurden sie von Stiles mit einem kleinen Interims-Knackwürstchen bei Laune gehalten, bis Scott endlich auch zu ihnen stieß und sie essen konnten.
 

Stiles entging nicht, dass sein bester Freund in tiefer Sorge war und so erkundigte er sich nach dem Essen:

„Es ist wegen Allison, richtig? Darum machst du so ein Gesicht?“
 

Derek spielte mit Liam, so dass der Kleine in diesem Moment abgelenkt war und sie offen sprechen konnten.

Scott nickte und erwiderte leise:

„Sie ist schon so lange weg und wenn ich sie am Telefon frage, was los ist, dann antwortet sie so ausweichend. Und manchmal geht sie gar nicht erst an das Handy. Das ist ganz untypisch für sie! Denkst du...?“ er schluckte: „... denkst du, sie hat vielleicht eine Affäre, oder so?“
 

Stiles schüttelte energisch den Kopf und erwiderte entschlossen:

„Nein, auf gar keinen Fall!“

Er zögerte kurz, doch dann erklärte er:

„Ich verrate dir jetzt etwas, aber du musst versprechen, mir bis zum Ende anzuhören und es einfach so hinzunehmen, ohne weitere Fragen zu stellen, ja? Ich denke, Allison wird dir dann alles weitere erklären, sobald sie wieder da ist.“

Scott schenkte ihm einen skeptischen Blick und so fragte Stiles noch einmal:

„Versprichst du es?“
 

„Ich verspreche es! Und nun rück´ schon raus mit der Sprache!“ murrte Scott unwillig.
 

Und so berichtete Stiles, ließ jedoch trotzdem entscheidende Teile in seiner Geschichte aus, weil er fand, ein Werwolf-Outing am Tag sei mehr als genug für Derek.

Er erzählte stattdessen, dass es Allisons Tante und Großvater gewesen seien, welche das Feuer auf dem Hale-Anwesen gelegt hatten und dass sie seither Jagd auf Derek gemacht machten, weil dieser als Einziger überlebt hatte. Und Kate Argent sei es auch gewesen, welche den Brand in der Forschungsstation gelegt habe, der Stiles um ein Haar getötet hätte.

Was es die Umstände des Todes von Kate betraf, drückte er sich allerdings vage aus und berichtete lediglich, dass diese dabei zu Tode gekommen sei, denn er wollte Allison nichts vorweg nehmen und hatte keine Ahnung, ob sie ihrem Mann wohl die Wahrheit darüber sagen würde, dass sie es gewesen war, die ihre Tante für ihre Taten gerichtet hatte. Er erklärte lediglich, dass Allison und ihr Vater nun hinter Gerard Argent her seien, damit dieser sein Werk an Derek nicht vollenden konnte.
 

Scott blickte seinen besten Freund ungläubig an und fragte:

„Du erwartest also wirklich, dass ich diese unfassbare Geschichte einfach so hinnehme und nicht eine einzige Frage dazu stelle?“
 

Stiles nickte ungerührt und bestätigte:

„Ja, genau das erwarte ich! Und außerdem solltest du am Besten auch mit meinem Dad nicht darüber sprechen, denn die Polizei in Alaska weiß nichts von der Beteiligung von Allison und Chris an dieser Sache und es wäre sicher klüger, wenn das auch so bliebe.“
 

„Aber eine Sache muss ich dennoch wissen!“ erwiderte Scott ernst: „WARUM haben Kate und Gerard den Hales so etwa Furchtbares angetan? Bei diesem Feuer sind doch auch unschuldige Kinder ums Leben gekommen? Wie kann man so etwas denn nur tun?“
 

Stiles zuckte traurig mit den Schultern:

„Tja, warum tun Menschen so etwas? Wie soll ich das wissen? Dahinter steckt wohl so etwas, wie eine Vendetta und ich bin froh, dass deine Frau und ihr Vater an dieser nicht beteiligt sind.“
 

„Ja, das bin ich auch!“ bestätigte Scott. Dann fragte er vorsichtig: „Wie Kommt dein Freund denn überhaupt mit dieser ganzen Sache zurecht? Das Ganze muss doch furchtbar für ihn sein?“
 

„Es war nicht ganz leicht für ihn, wieder nach Beacon Hills zurück zu kommen. Ich helfe ihm, so gut ich kann, aber dauert gewiss noch eine Weile, bis er es einigermaßen verarbeitet hat.“ erwiderte Stiles.
 

„Denkst du, er hegt einen Groll gegen Allison und Chris?“ wollte Scott wissen:
 

Stiles schüttelte den Kopf und erwiderte:

„Nein, das denke ich nicht, denn die beiden haben schließlich klar Position bezogen und Allison hat Derek sogar das Leben gerettet, indem sie erste Hilfe geleistet haben.“
 

Liam begann müde und quengelig zu werden, so dass Scott schließlich beschloss aufzubrechen, doch ehrlicherweise war ihm das auch nicht ganz Unrecht, denn die Informationen, welche er heute von Stiles erhalten hatte, musste er erst einmal verarbeiten.

Bei der Verabschiedung versprachen Derek und Stiles, dass sie Liam nun tagsüber hüten würden, bis Allison wieder da wäre. Das war ein Angebot, welches Scott sehr gern annahm.
 

Als Derek und Stiles wieder allein waren, räumten sie zunächst einmal die Küche auf, schauten danach ein wenig fern und gingen früh zu Bett, wobei sie beide im Grunde überhaupt noch nicht wirklich müde waren. Vielmehr verspürten sie wieder die gleiche nervöse Unruhe und jenes unerfüllte Sehnen, welches sie bereits in der Nacht zuvor gequält hatte und schließlich begannen sie damit, sich zu küssen und sich gegenseitig auszuziehen.
 

Kein Zweifel, Gerard Argents Stundenglas lief aus und er wusste es. Es mussten sich mittlerweile Metastasen in der Lunge gebildet haben, so wie er neuerdings hustete. Er warf achtlos ein weiteres Taschentuch mit blutigem Auswurf in den Fußraum des Beifahrersitzes seines Leihwagens und tröstete sich mit dem Gedanken, dass er immerhin seinen einfältigen, verweichlichten, nichtsnutzigen Sohn und seine weinerliche Enkelin in die Irre geführt hatte. Die beiden suchten ihn schließlich immer noch in Oregon, dabei war er schon längst wieder auf kalifornischen Landstraßen unterwegs. Eineinhalb Tage noch bis Beacon Hills; vielleicht zwei, wenn er sich noch ein bisschen Schlaf gönnte.
 

Er würde diesen verdammten Wolf erwischen, bevor der Tod ihn in seine Knochenfinger bekam und wenn es das Letzte wäre, was er tat!

Finale

Vorwort
 

Es ist soweit, ihr Lieben! Dies ist das vorletzte Kapitel meiner kleinen Geschichte und ich bin ein bisschen traurig. Irgendwie tut es immer weh, eine Story zu beenden, die einen eine ganze Zeit lang begleitet hat, denn nun heißt es Abschied nehmen! Ich bin sehr gespannt zu hören, wie euch mein Finale gefällt.

Liebe Grüße,

eure Ginger
 

________________________
 

Als Stiles an diesem Morgen zum zweiten Mal erwachte, lag er allein in seinem Bett. Beim ersten Mal war er in aller Herrgottsfrühe von Derek geweckt worden, welcher ihm mitteilte, dass er jetzt zum Joggen gehen würde. Stiles hatte genickt, es kaum wahrgenommen und war dann auf der Stelle wieder eingeschlafen. Jetzt jedoch war er hellwach und beim Gedanken an das, was vergangene Nacht geschehen war vollkommen frustriert: Ein weiteres Mal hatte es zwischen Derek und ihm vielversprechend angefangen; sie hatten sich geküsst, ein wenig herumgemacht und man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass es ihnen beiden gefallen hatte. Doch als Derek sich dann zum ersten Mal unter Stiles Gürtellinie getraut hatte, hatte dieser die Sache schnell abgebrochen, wie ein erbärmlicher, feiger Wicht, ohne dass er selbst überhaupt sagen konnte wieso?
 

Kein Wunder, dass Derek in diesem Moment nicht hier bei ihm lag, sondern sich stattdessen im Beacon Hills-Naturschutzreservat den Frust aus dem Leib laufen musste!
 

Doch damit sollte ab sofort Schluss sein. Stiles holte sich seinen Laptop ins Bett und fragte X-Tube um Rat. Er gab einen entsprechenden Suchbegriff ein und dann... bildete er sich ein wenig fort.

Und es dauerte nicht lange, da war er so fasziniert von seinen Studien, dass er mit seinem Kopfhörer auf den Ohren gar nicht hörte, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. Ebenso wenig bekam er mit, wie nebenan die Dusche anging.

Erst als Derek nur mit einem Handtuch um die Hüften ins Schlafzimmer kam und ihm die Kopfhörer abnahm, zuckte er schuldbewusst zusammen und errötete heftig.
 

Derek blickte Stiles grinsend über die Schulter auf den Bildschirm, wo ein Kerl gerade auf den Hüften eines anderen saß und diesen ritt.
 

Der Werwolf nahm dem Biologen den Computer ab, stellte ihn auf den Boden, wohin er auch das Handtuch fallen ließ, welches ihn bis gerade eben noch notdürftig bekleidet hatte.

So, wie Gott ihn geschaffen hatte, nahm er nun auf Stiles Schoß Platz, begann damit, den eigenen Unterleib an dessen Schoß zu reiben und wollte wissen: „Willst du diese Sache vielleicht auch mit mir machen?“
 

Stiles blickte ihn fassungslos an. Ihm war nie in den Sinn gekommen, dass es so herum überhaupt eine Option sei, immerhin war Derek ein großer, muskelbepackter Werwolf und so weiter:

„Willst DU das denn?“ fragte er also ungläubig.
 

Derek nahm Stiles Gesicht in seine Hände, zog es zu sich heran, um ihn zu küssen und erwiderte:

„Ja sicher. Warum denn nicht? Ich will mit dir zusammen sein, egal wie. Ich will dich einfach nur glücklich machen. Und ich kann riechen, dass du Angst hast.“
 

„Ich bin furchtbar dumm, oder nicht?“ fragte Stiles und ließ den Kopf hängen:
 

„Ich liebe dich!“ erwiderte Derek darauf bloß. Dann schlug er Stiles Decke beiseite, nahm nun auf dessen nacktem Schoß Platz, fuhr damit fort, sich anregend auf ihm zu bewegen und versicherte: „Ich würde alles für dich tun!“
 

Stiles schluckte und stotterte nervös:

„Danke... uhm... du... du bist lieb und großartig und alles. Außerdem bist du wahnsinnig schön und sexy! Aber... uhm... warte mal!“ Er hielt Dereks Hüfte fest: „Sollten wir uns nicht ein wenig vorbereiten? Was ist, wenn ich dir wehtue!“
 

Derek grinste und versicherte:

„Das wirst du nicht, Stiles.“
 

„Aber ich will das es romantisch wird! Es ist immerhin unser erstes Mal. Und für dich ist es das erste Mal überhaupt! Ich will, dass es perfekt ist!“ hielt Stiles dagegen.
 

Derek lachte, küsste ihn ein weiteres Mal und entgegnete:

„Perfekt wird es von allein, weil wir es sind, weißt du? Aber romantisch... ? Warte hier! Ich mache etwas für uns!“

Und schon war der Werwolf verschwunden, nur um wenig später wieder ins Schlafzimmer zurückzukehren. Er nahm Stiles bei der Hand und führte ihn hinüber ins Bad, wo er für sie ein Schaumbad eingelassen hatte. Außerdem hatte er Stiles kleine, tragbare Musikanlage hier aufgestellt und legte nun eine CD mit den `Nocturnes´ von Chopin ein. Dann entzündete er noch ein paar Kerzen an und versicherte:

„Wenn ich erst mein Geld habe, dann kaufe ich für uns beide ein Haus mit einer viel größeren Badewanne!“ ehe er sich in jene von Stiles setzte und diesen erwartungsvoll anblickte.
 

Stiles erwiderte den Blick zärtlich. Er war in diesem Moment so sehr voller Liebe, dass seine Augen ein wenig feucht wurden. Er war es einfach nicht gewöhnt, dass jemand derart für ihn da war und ihn mit seiner Liebe gewissermaßen überschüttete. In seiner Ehe waren Liebesbekundungen Mangelware gewesen; etwas, dass man sich verdienen und für das man kämpfen musste.

Und nun war Stiles natürlich überzeugt, dies alles überhaupt nicht zu verdienen.
 

„Willst du etwa da stehen bleiben?“ fragte Derek ratlos.
 

Der Biologe wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Er schüttelte den Kopf, stieg zu seinem Gefährten in die Wanne und fing sogleich leidenschaftlich an, ihn zu küssen:

„Das alles ist... es... es ist SO TOLL! Und es ist....lieb und süß! Ich... liebe es!“ keuchte er atemlos zwischen den Küssen.
 

Derek grinste zufrieden. So hatte er sich das gedacht!

Er liebte den Geruch der Lust, welcher in diesem Augenblick von jeder Pore seines Menschen ausging und er liebte auch den rosigen Schimmer der Erregung, welcher nun dessen gesamten Körper überzog. Zaghaft begann er damit, seine Hände auf die Wanderschaft über den Körper seines Geliebten zu schicken, immer in der Angst, dass Stiles ihn ein weiteres Mal mittendrin stoppen würde. Erleichtert registrierte er, dass seine Finger, die sanft das kleine, helle Gesäß zu streicheln begannen nicht aufgehalten wurden. Nach einer Weile griff er fester zu, massierte es und Stiles, mit halb geschlossenen Augen und leicht geöffneten Lippen begann leise zu stöhnen. Und so nahm Derek schließlich all seinen Mut zusammen und fuhr mit einer seiner Hände zwischen die Beine seines Gefährten und wie es schien, war es erlaubt, denn erst als Stiles es vor Erregung kaum noch aushielt, presste er mühsam hervor:

„Warte! Ich... ich will jetzt! Aber nicht hier. Hier ist es so eng und unbequem!“
 

Derek erhob sich mit einem zufriedenen Lächeln, nahm seinen Gefährten hoch, trug ihn hinüber ins Schlafzimmer, setzte ihn vor dem Bett ab und legte sich selbst, tropfnass wie er war, mit gespreizten Beinen auf den Bauch und blickte erwartungsvoll über seine Schulter zu Stiles hinauf.
 

Der Mensch zögerte noch, biss sich selbst auf die Lippen und murmelte schließlich:

„Du siehst unheimlich heiß aus, aber meinst du, wir können es so machen, dass wir uns dabei anschauen können? In einem der Filme haben sie es auch so gemacht und ich will währenddessen deine schönen Augen sehen können.“
 

Derek lachte leise und drehte sich herum.
 

Stiles, welcher als Junggeselle in sexueller Hinsicht zuletzt sehr auf sich selbst angewiesen gewesen war, war zum Glück auf diese Situation vorbereitet. Er zog eine Nachttischschublade auf und unter ein paar Heftchen versteckt fand er die Tube Gleitgel mit dem eigenartigen Erdbeeraroma, nach der er gesucht hatte. Er verteilte etwas davon an den strategisch wichtigen Stellen, legte sich dann Dereks Unterschenkel über die Schultern, brachte sich selbst in Position und suchte den Blick seines Geliebten, ehe er sich schließlich langsam und vorsichtig in ihm versenkte:

„Ist es okay?“ fragte er sogleich und bewegte sich zunächst nicht weiter, damit Derek sich an dieses neue Gefühl gewöhnen konnte.
 

Derek nickte zu ihm hinauf und legte die Hände an Stiles Hüften, um einen Rhythmus vorzugeben, der gut für ihn war.

Zunächst bewegte Stiles über ihm sich langsam und genießerisch, doch in dem Maße, wie ihrer beider Lust wuchs, beschleunigten sich auch seine Stöße. Stiles musste nicht fragen, ob es Derek gefiel, denn das verrieten ihm die zufriedenen Laute, die dieser von sich gab und die großen Hände, welche seinen Arsch fest im Griff hatten und ihn immer wieder gierig zu sich heranzogen. Es war vor allem Dereks Hunger nach ihm und nach dem, was er mit ihm tat, der Stiles beinahe um den Verstand brachte und auch, wenn er es gern noch ein wenig hinausgezögert hätte, bis Derek auch so weit gewesen wäre, kam er schließlich heftig, ließ sich neben seinen Geliebten fallen, zog diesen eng an sich und vergrub sein erhitztes Gesicht an dessen Hals. Derek erwiderte die Umklammerung und eine Weile sprachen sie weder, noch regten sie sich.
 

Nach einer Weile fragte Stiles schüchtern:

„Willst du nun... uhm... ich meine, wollen wir nun vielleicht mal tauschen?“
 

Derek lächelte und stellte fest:

„Du hast doch immer noch Angst davor, Stiles.“
 

„Stimmt, aber das ist egal!“ bestimmte dieser: „Ich werde so lange Angst davor haben, bis ich es ausprobiert habe und VERDAMMT, ICH WILL ES JETZT!“
 

Das musste man dem Werwolf wirklich kein zweites Mal sagen. Er schnappte sich die Tube vom Nachtschränkchen und brachte sich mit einem kleinen, wohligen Knurren über den Menschen.
 

Hinterher lag Stiles mit einem dümmlichen Grinsen an der Seite seines Wolfes und fragte sich, wovor er sich eigentlich je gefürchtet hatte? Es war schier unglaublich gewesen; wunderschön, aufregend und perfekt, wie es Derek prophezeit hatte und wenn es nach ihm ginge, dann würden sie es von jetzt an jeden Tag tun. Ach was; sie würden es mehrmals täglich tun, und zwar bei jeder sich bietenden Gelegenheit, beschloss er.
 

In seine seligen Gedanken hinein sagte Derek plötzlich:

„Wir kommen zu spät, Stiles!“
 

Der Biologe hatte zunächst keinen Schimmer, wovon sein Freund sprechen mochte, doch dann viel es ihm siedend heiß wieder ein: Sein heißgeliebter Patensohn, auf den er versprochen hatte aufzupassen!

Stiles setzte sich ruckartig auf und stellte beim Blick auf den Wecker fest, dass sie in knapp einer halben Stunde bei Scotts Haus sein mussten. Sie sprangen also aus dem Bett, duschten im Eiltempo, schlüpften dann in ihre Kleider und stürmten aus dem Haus, ohne gefrühstückt, oder einen Kamm in der Hand gehabt zu haben.

Als sie dann mit rosigen Gesichtern, wirren Haaren und mit zehnminütiger Verspätung bei Scott auf der Matte standen, sagte der Tierarzt spitzbübisch:
 

„Ich frage euch beide nicht, warum ihr euch verspätet habt; denn der Grund dafür ist echt nicht zu übersehen.
 

Stiles Gesicht verfärbte sich kirschrot, während sich auf dem von Derek ein hochzufriedenes Lächeln zeigte.
 

Bevor das hier noch richtig peinlich für Stiles werden konnte, war jedoch Liam zur Stelle, um ihn zu retten. Er hatte ein kleines Kinderköfferchen mit Spielsachen dabei und erklärte munter plappernd, was er heute alles zu tun gedachte, und die Liste war nicht eben kurz für einen einzigen Tag, denn er wollte in den Zoo, ins Schwimmbad, zum Eisessen, auf den Spielplatz und in den Wald!
 

Stiles lachte, nahm den Jungen hoch, drückte ihm einen dicken Schmatzer auf die Wange und erwiderte:

„Ich glaube nicht, dass wir das alles an einem Tag schaffen. Wir können ja heute erst einmal in den Zoo gehen und später noch ein Eis holen, aber als erstes müssen Derek und Onkel Stiles etwas frühstücken gehen, denn wir haben Hunger wie wilde Wölfe. Du hast ja bestimmt schon gefrühstückt, aber du kannst einen großen Erdbeermilchshake bekommen. Was meinst du dazu, mein Großer!“
 

„Ssokolade!“ stellte Liam richtig und so verabschiedeten sie sich von Scott und machten sich auf den Weg.
 

Im Wagen griff Stiles hinüber nach Derek Hand und sagte:

„Wie der Tag heute angefangen hat, das... das war... richtig schön! Danke!“
 

Derek nickte und ein kleines Lächeln spielte um seine Mundwinkel.
 

Chris stand im Büro eines Autoverleihs und langsam bekam er Routine darin, seine furchtbar traurige Geschichte von seinem todkranken Vater vorzutragen, den er und seine Tochter durch das ganze Land verfolgten, um ihn ins Krankenhaus zu bringen, weil er ohne seine Chemotherapie in Kürze tot wäre. Natürlich seien ihm die Datenschutzbestimmungen bewusst, versicherte er, aber es bliebe doch alles in der Familie, richtig? Er legte seinen Ausweis vor, damit die Dame am Schalter seinen Nachnamen lesen konnte.

Die letzten vier Autoverleihagenturen, bei denen er seine Story vorgetragen hatte, waren ein Reinfall gewesen; man hatte ihm zwar helfen wollen, aber ein Gerard Argent habe dort bedauerlicherweise keinen Wagen geliehen. Doch dieses Mal hatte Chris endlich Glück; er war an der richtigen Adresse und nicht nur das, denn wie es der Zufall wollte, war Gerard in genau dieser Filiale, bei eben dieser jungen Frau, deren Namensschild sie als Anita auswies gewesen, um den Leihvertrag abzuschließen. Sie war ausgesprochen verständnisvoll. Ihre eigene Mutter sei an Brustkrebs gestorben und sie selbst hätte auch alles getan, wenn es sie hätte retten können, verriet sie. Und der nette, ältere Herr, der vor zwei Tagen bei ihr den Wagen gemietet hatte, habe in der Tat sehr gebrechlich gewirkt. Es sei natürlich komplett gegen die Vorschriften und sie könnte ihren Job verlieren, wenn das herauskäme, doch sie sei gewillt zu helfen, versprach Anita und darum werde sie nun das GPS-Signal des Leihwagens orten und Chris dessen Standort verraten.
 

Beinahe tat es dem Jäger ein wenig Leid, dass er dieses nette, hilfsbereite Mädchen so hinters Licht führte, doch er tröstete sich mit dem Gedanken, dass es ja für ein größeres Gut sei.
 

Wieder im Wagen berichtete er seiner Tochter:

„Der verdammte Dreckssack ist schon viel weiter, als wir gedacht haben. Es wird Zeit, dass wir Stiles anrufen und ihm Bescheid sagen!“
 

Seufzend zückte Allison ihr Telefon, während ihr Vater Kurs auf Beacon Hills, Kalifornien setzte und mit Bleifuß das Gaspedal durchtrat. Der einzige Vorteil, den sie jetzt noch hatten war der, dass sie zu zweit und gesund waren. Sie konnten abwechselnd im Auto schlafen und mussten deswegen nicht halten, während Gerards GPS-Signal anzeigte, dass sein Wagen bereits seit einigen Stunden stand und zwar auf dem Parkplatz eines Motels, wie Chris über Google-Maps herausgefunden hatte.
 

Stiles wirkte ernst während des Telefonats. Er sagte nur immer wieder: „Verstehe!“ und er roch nach großer Sorge. Derek blickte ihn abwartend an und ließ sich nach dem Auflegen die Neuigkeiten berichten.

Laut Allisons Schätzung würde ihr Großvater Beacon Hills in etwa einem Tag erreichen und sie sollten schleunigst von dort verschwinden und sich in Sicherheit bringen, hatte Scotts Frau gesagt. Als Derek es hörte, schüttelte er energisch den Kopf und erklärte fest:

„Ich laufe nicht mehr weg, Stiles!“
 

„Aber... aber Derek, wir müssen doch...!“ stotterte Stiles gleichermaßen überrascht, wie sorgenvoll: „Der alte Mistkerl scheint fest entschlossen zu sein, dich zu töten und Chris und Allison schaffen es vielleicht nicht rechtzeitig hier zu sein, um ihn aufzuhalten!“
 

„Ich bin wieder zuhause und ich lasse mich nicht noch einmal von hier verjagen!“ beharrte Derek: „Der Jäger soll kommen. Ich werde schon mit ihm fertig.“
 

„Nein Derek!“ erwiderte Stiles und Panik hatte sich in seine Stimme geschlichen: „Ich habe dich doch gerade erst gefunden! Ich sterbe, wenn ich dich nun wieder verliere!“
 

Derek zuckte mit den Schultern:

„Du verlierst mich aber nicht, Stiles. Er ist nur EIN Mann und er ist krank. Er kriegt mich nicht! Aber du solltest dich besser von mir fernhalten, wenn es soweit ist. Ich will dich nicht in Gefahr bringen.“
 

„Bist du jetzt vollkommen verrückt geworden, du dummer, sturer Wolf? Da wo du hingehst, da werde ich auch sein. Ich werde keine Sekunde von deiner Seite weichen. Basta!“ schimpfte Stiles aufgebracht.
 

Gerard hatte länger geschlafen, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Als er wieder erwachte, war er benommen und ein wenig verwirrt. Einen Moment lang wusste er nicht mehr, wo er war und was er hier überhaupt tat. Er setzte sich auf und blieb eine Weile auf der Bettkante sitzen, um sich zu orientieren. Er hustete Blut und ihm tat alles weh, doch der Schmerz bewirkte auch, dass er langsam wieder zu sich kam. Der Wolf!

Er hatte eine Mission und die musste er beenden!

Er schleppte sich hinüber ins Bad, wusch sich flüchtig, dachte danach darüber nach, etwas zu essen, doch schon bei dem bloßen Gedanken wurde ihm übel. Es stand schlecht um ihn und er wusste, dass er einer körperlichen Auseinandersetzung mit Derek Hale nicht mehr standhalten würde.

Aber eine Waffe konnte er immer noch abfeuern und darauf kam es schließlich an!
 

Glücklicherweise war Scotts Babysitterin wieder gesund, so dass Stiles Liam in Absprache mit seinem besten Freund nun dort absetzen konnte. Wenn Derek sich in den Kopf gesetzt hatte, sich von einem sterbenden Verrückten abknallen zu lassen, dann wäre Stiles eben an seiner Seite, bis zum bitteren Ende, aber er würde mit Sicherheit nicht seinen süßen, unschuldigen Patensohn mit ins Verderben reißen!
 

Als sie am Abend nebeneinander im Bett saßen, behauptete Derek tatsächlich:

„Du kannst ruhig schlafen, Stiles. Ich halte Wache. Zur Not komme ich auch mehrere Nächte ohne Schlaf aus.“
 

Natürlich tat der Biologe kaum ein Auge zu. Er kuschelte sich an seinen Wolf und hielt ihn fest umklammert, vor lauter Angst, ihn am Ende doch noch zu verlieren. Am frühen Morgen hielt er es schließlich nicht mehr aus: Er rief seinen Vater an und weihte diesen in alles ein. Der Sheriff versprach daraufhin, ab sofort immer einen Beamten als Personenschutz abzustellen, bis diese Sache ausgestanden sei.
 

Sie saßen gerade beim Frühstück, als Stiles Allisons Kurznachricht erreichte, dass sie und ihr Vater in etwa fünf bis sechs Stunden in Beacon Hills ankommen würden, wenn alles gutging. Es bestand jedoch immer noch eine gute Chance, dass sie dennoch zu spät kämen.

Stiles seufzte und nahm einen lustlosen Bissen von seinem Rührei. Er hatte noch nie besonders viel Geduld besessen und darauf zu warten, ob möglicherweise etwas Furchtbares passierte, hielt er erst recht nicht aus. Er versuchte also ein weiteres Mal, Derek zu überzeugen einfach zu verschwinden, doch sein Gefährte war die Zuversicht in Person:

„Es wird nichts passieren, Stiles. Du und ich, das ist Bestimmung! Alles wird gut werden und wir werden ein langes glückliches Leben miteinander haben. So muss es einfach sein, sonst hätte alles, was wir erlebt haben doch gar keinen Sinn gehabt.“
 

Stiles machte ein verdrießliches Gesicht.

Normalerweise liebte er diese Seite an Derek. Er war eben ein echter Romantiker, trotz allem, was ihm bislang widerfahren war. Er glaubte fest an diese ganze Gefährtensache, daran dass das Schicksal sie beide zusammengeführt hatte und sie nun auch beschützen würde.

Stiles jedoch war ein Wissenschaftler. Er glaubte an Dinge, die zu beweisen waren!

„Bitte Derek! Ich habe Angst!“ wiederholte er noch einmal, doch der Werwolf lächelte bloß und schlang besänftigend die Arme um ihn.
 

Um ein Haar wäre Gerard von der Fahrbahn abgekommen und in einen Baum gerast und das so kurz vorm Ziel!

Er dämmerte immer wieder weg, verdammt! Das lag an den verdammten Schmerztabletten!

Er warf einen letzten Blick auf das orangefarbene Röhrchen, ehe er die Scheibe herunterließ und die Pillen einfach wegwarf. Er brauchte sie nicht mehr, denn sein Schmerz hielt ihn am Leben! Und weil er spürte, dass der Fahrtwind ihn wieder wach machte, ließ er das Fenster offen und ließ die würzige Waldluft Beacon Countys seine, vom Krebs zerfressenen Lungen füllen.

Als Gerard nach einer Stunde die Stadtgrenze von Beacon Hills passierte, legte er sich einen Plan zurecht. Zuerst würde er den Wolf in der Ruine seines eigenen Hauses suchen. Wenn er ihn dort nicht fände, dann war Derek Hale sicher bei diesem mageren Burschen, mit dem er neuerdings unterwegs war. Gerard hatte bereits herausgefunden, dass er ein gewisser Mieczyslaw Stilinski, der Sohn des Sheriffs von Beacon Hills war. Der Jäger hatte zwei Adressen herausgefunden, unter denen er hoffte, diesen anzutreffen, nämlich sein Elternhaus und das Haus von ihm und seiner Frau. Und sollte Stilinski mittlerweile umgezogen sein, blieb Gerard immer noch das Internet. Kate hatte ihm einmal gezeigt, wie man sich illegal Zugang zum staatlichen Melderegister verschaffte.
 

Am frühen Nachmittag hatte Stiles Derek endlich soweit, dass er zustimmte mit ihm die Stadt zu verlassen. Der Biologe stand mit einer kleinen Reisetasche vor dem Haus, während Derek gerade den Camaro aus der Tiefgarage holte.
 

Allison weckte ihren Vater, der auf dem Beifahrersitz eingenickt war, als sie die Stadtgrenze überquerten. Der Jäger rieb sich den Schlaf aus den Augen, überprüfte seine Waffen und machte sich bereit für das, was vor ihnen lag.
 

Deputy Jordan Parrish stand verborgen in einer kleinen Gasse und hatte das Apartmenthaus und den Sohn des Sheriffs, der direkt davor stand, genau im Blick. Er war so konzentriert auf das, was vor ihm geschah, dass er die Person, die sich ihm lautlos von hinten genähert hatte überhaupt nicht hörte, bis es zu spät war. Ein kurzer Schmerz am Kopf und dann versank seine Welt in Schwärze.
 

Stiles erschrak beinahe zu Tode, als er plötzlich den kalten Lauf einer Waffe an seiner Schläfe spürte, gefolgt von einer klauenartigen, erstaunlich kraftvollen Hand an seiner Kehle:

„Hallo, junger Mann. Ich suche einen ganz bestimmten Werwolf. Du hast ihn nicht zufällig gesehen, oder?“
 

Die Stimme war schneidend, gemein und sie fuhr Stiles in Mark und Bein. Er nahm all´ seinen Mut zusammen und drehte seinen Kopf soweit herum, dass er den alten Mann anschauen konnte. Der Pistole, welche nun auf seine Stirn gerichtet war, war Stiles sich mehr als deutlich bewusst, als er sagte:

„Sie müssen dann ja wohl Gerard Argent sein. Was zur Hölle wollen sie eigentlich von Derek? Sie haben ihm bereits sein Heim und seine gesamte Familie genommen, aber das reicht ihnen nicht, richtig? Sie hören erst auf, wenn sie auch ihn selbst erledigt haben. Ist das so eine `Der-alte-Mann-und-das-Meer´-Sache? Müssen sie noch ein letztes Mal den ganz dicken Fisch besiegen, bevor der Zahn der Zeit sie endgültig zernagt hat? Müssen sie sich noch einmal beweisen, was für ein Kerl sie sind, auch wenn sie kaum noch auf den eigenen Beinen stehen können? Sie widern mich an, ehrlich!“
 

„Einfältiger Idiot! Lässt dich auch von einem menschlichen Antlitz täuschen, so wie all die anderen Schafe, doch Derek Hale ist ein Monster! Sie sind alle Monster und die Menschen sollten dankbar sein, dass Leute wie ich es auf sich nehmen, die Welt von diesen Ungeheuern zu befreien, nur damit ihr nachts ruhig schlafen könnt!“ zischte der todkranke Jäger.
 

Ehe Stiles etwas erwidern konnte rief eine tiefe Stimme hinter ihnen:

„Ehrlich Vater? So siehst du dich also? Du denkst, du seist der Held in diesem Stück? Du bist ein Massenmörder ohne Mitgefühl und Moral und weiter nichts!“
 

Gerard Argent fuhr herum und zielte auf seinen Sohn, der sich nun gemeinsam mit Allison hinter einen Müllcontainer duckte. Dies gab Stiles die Chance, sich aus dem Griff des Jägers zu befreien und wegzulaufen.

Direkt in die starken Arme seines Vaters, wie er verwirrt feststellte?
 

Nachdem der Sheriff den Funkkontakt zu Parrish verloren hatte, war ihm natürlich sofort klar gewesen, dass etwas nicht stimmen konnte und er hatte sich eilends auf den Weg gemacht.
 

Nun hielt er in seinem linken Arm seinen Sohn, während die rechte Hand seine Dienstwaffe auf Gerard Argent richtete. Ein etwas schwankender Deputy Parrish stand neben ihm und tat dasselbe. In seinem Haaransatz hatte er eine kleine Platzwunde und halb getrocknetes Blut verklebte das blonde Haar:

„Geben sie auf und lassen sie die Waffe fallen!“ herrschte John Stilinski Gerard an und Chris fügte hinzu:
 

„Ja, gib´ endlich auf, Vater. Du kannst hier nicht mehr gewinnen.“ Auch er richtete sein Beretta auf den sterbenskranken Jäger und an seiner Seite stand Allison, mit finstere Miene, in ein dunkles Cape gehüllt und Pfeil und Bogen im Anschlag.
 

„Ihr seid doch alle Narren!“ stieß Gerard hervor und dachte gar nicht daran, seine Waffe fallen zu lassen.

In diesem Augenblick tauchte Derek knurrend und mit blau glühenden Augen hinter dem Jäger auf.
 

Parrish zuckte erschrocken zusammen, doch John befahl ihm:

„Auf keinen Fall schießen!“
 

Derek hatte den alten Mann am Schlafittchen gepackt und Gerard höhnte:

„Da ist er ja endlich! Nun zeig diesen Menschen doch mal, was du für ein Monster bist, indem du einen todkranken Mann vor ihren Augen zerfetzt! Dann werden sie endlich sehen, was mir schon immer klar gewesen ist!“
 

Stiles beobachtete die Szene mit kalter Faszination und ein kleiner, rachsüchtiger Teil in ihm wünschte sich, das Derek genau das täte, nämlich dem erbärmlichen Rest Leben dieses grausamen Menschen endlich ein Ende zu bereiten. Dann fiel ihm etwas auf: Derek blutete? Etwas stimmte nicht mit den Klauen seiner rechten Hand! Und kurz darauf wurde ihm auch klar, was das war.
 

Derek knurrte leise und erwiderte dann donnernd:

„Vergiss´ es! So leicht werde ich es dir nicht machen! Du riechst nach Tod, alter Mann. Willst du nun auch wissen, wie sich das Sterben anfühlt?“ Er trieb die Krallen seiner rechten Hand in den Nacken Gerards und fuhr fort: „Meine Mutter! Dies hier sind ihre Klauen, weißt du? Und sie möchte dir etwas mitteilen: Du bekommst nun ihre allerletzten Erinnerungen, die auf ewig hierin konserviert worden sind. Du wirst die Verzweiflung erfahren, die sie empfunden hat, als sie ihr gesamtes Rudel hat sterben sehen, ihre Kinder, ihre Geschwister und deren Kinder! Du erfährst, was ihr in dem Moment durch den Kopf gegangen ist, als ihr eigenes Leben in den Flammen zu Ende gegangen ist!“

Es dauerte eine Weile, ehe Derek die Klauen wieder aus dem Fleisch Gerards zog, doch als er es schließlich tat, ging dieser zu Boden und kam auf dem Straßenpflaster zum Sitzen. Er bewegte sich nicht, abgesehen von den Lippen die sich stumm immer wieder öffneten und schlossen, wie bei einem Fisch, jedoch ohne dass dabei auch nur ein einziger Ton herauskam. Die Augen des Jägers waren schreckgeweitet und glasig und sein Gesicht blass, fahl und eingefallen.
 

Der Sheriff war inzwischen hinzugetreten, zog Gerard auf die Füße, durchsuchte ihn nach weiteren Waffen, fand gleich mehrere, nahm sie ihm ab, legte ihm Handschellen an und verfrachtete ihn schließlich hinten in Parrishs Streifenwagen. Der alte Jäger ließ all´ dies ohne die geringste Spur von Gegenwehr über sich ergehen. Er wirkte, als sei er vollkommen weggetreten.

Nachdem John die Wagentür geschlossen hatte, befahl er Parrish:

„Kein Wort zu irgendwem über die merkwürdigen Dinge, die sie heute hier gesehen haben, verstanden!“
 

Der junge Deputy nickte und versicherte:

„Ich verstehe, Sir!“ Dann hielt er einen Moment inne und fuhr schüchtern fort: „Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie über solche Dinge Bescheid wissen, Sheriff. Da ist nämlich etwas, das sie wissen sollten; etwas über mich!“

Anstatt weiterzusprechen, zeigte er John seine Augen, in welchen mittlerweile eine Art Feuer zu glühen schien.
 

Der Sheriff rollte mit den Augen. Eher genervt als er erschrocken seufzte er:

„Also gut, Deputy. Sie erzählen mir, was genau sie sind und auch was sie so können, sobald wir unter uns in meinem Büro sind, einverstanden“

Den übrigen Anwesenden rief er zu:

„Ich will von euch allen morgen im Laufe des Tages Aussagen auf dem Revier hören. Und denkt euch gefälligst etwas aus, dass passend für einen Polizeibericht ist!“

Dann stiegen Jordan und er in den Streifenwagen und fuhren zum Revier.
 

Stiles lief hinüber zu Derek, schlang die Arme um ihn und flüsterte:

„Gott sei dank, es ist endlich vorbei! Nun ist niemand mehr hinter dir her! Wie fühlt sich das an, Baby?“
 

Derek zuckte mit den Schulter und erwiderte mit misstrauischem Blick auf Chris und Allison Argent:

„Eigenartig.“
 

Die Argents steckten ihre Waffen weg und traten auf die beiden zu:

„Das alles tut mir unendlich leid, Derek! Ich will, dass du weißt, dass du von uns nichts zu befürchten hast.“ versicherte Chris und streckte dem Werwolf unsicher die Hand als Friedensangebot entgegen.
 

Derek nickte und ergriff diese zögerlich.
 

Stiles umarmte Allison und stellte fest:

„Du siehst müde aus, Ally!“
 

Sie nickte und erwiderte matt:

„Das bin ich auch! Ich habe seit Wochen nicht mehr in einem richtigen Bett geschlafen. Ich will einfach nur noch nachhause zu meinem Mann und meinem Sohn!“
 

„Dann mach´ das. Die beiden erwarten dich bereits sehnsüchtig.“ erwiderte Stiles: „Aber mach dich darauf gefasst, dass Scott ein paar Antworten von dir erwartet, dazu wo du warst und was zur Hölle los war. Er hat schon befürchtet, dass du ihn verlassen wolltest. Darum habe ich ihm die Story bereits im Groben erzählt. Alles Übernatürliche habe ich allerdings für´s Erste weggelassen. Das ist nun dein Job.“
 

Allison nickte seufzend. Sie und ihr Vater verabschieden sich von Derek und Stiles und machten sich auf den Weg nachhause um ihren wohlverdienten Schlaf nachzuholen.
 

Auch Stiles und Derek kehrten wieder in ihr Apartment zurück und oben angekommen erklärte der Biologe grollend:

„Wenn ich dir das nächste Mal sage, es ist gefährlich und ich will verschwinden, dann gehen wir auf der Stelle! Ich mag es nämlich gar nicht, wenn man eine Waffe auf mein wertvolles Gehirn richtet, kapiert?“
 

Derek senkte reumütig den Kopf und starrte zu Boden, wie ein ausgeschimpfter Junge.

In seiner Zerknirschung sah er umwerfend schön aus und Stiles konnte nicht anders als zu lächeln. Er trat auf Derek zu, schob diesem eine Hand unter sein Shirt und versuchte mit der anderen dessen Jeans zu öffnen:

„Du kannst es aber wieder gutmachen!“ versicherte er lüstern.
 

Derek hob den Kopf, grinste und gab ein wohliges Knurren von sich, ehe er Stiles dabei half sich auszuziehen.

Wolf im Grünen

Es war erst sechs Uhr in der früh und dennoch war das Thermometer bereits auf achtundzwanzig Grad geklettert. Leise trat Stiles in das in das liebevoll gestaltete Kinderzimmer und an das kleine Bett heran:

„Du musst aufstehen, Engelchen!“ flüsterte er und streichelte sanft die verschwitzen weißblonden Löckchen aus der Stirn des Kindes, welches darin schlief.

Das schöne Haar würde sicherlich noch nachdunkeln, wenn Isaac erst einmal größer wäre, dachte Stiles ein wenig wehmütig. Eigentlich schien es ihm sogar so, als sei sein Schopf schon in der kurzen Zeit ein wenig dunkler geworden, seit der Junge bei ihm und Derek lebte. Demnächst würde Stiles eine dieser süßen Locken abschneiden und ins Kinderfotoalbum kleben, damit Isaac später sehen konnte, wie hell sein Haar einmal gewesen war.
 

Das Kind öffnete die Auge und seine erste Frage war:

„Liam?“
 

Stiles schüttelte lachend den Kopf:

„Nein, Süßer. Heute kannst du Liam leider nicht sehen. Heute gehen wir doch auf unsere große Reise, erinnerst du dich?“

Bereits seit dem Tag, als sie Isaac als Pflegekind bei sich aufgenommen hatten, waren er und Liam sofort unzertrennlich gewesen und dies war etwas, was Scott und Stiles sehr glücklich machte, denn es setzte eine Tradition fort, die mit ihnen beiden begonnen hatte: Zwei Jungs im selben Alter, miteinander so eng verbunden, wie Brüder! Auch diese beiden würden eines Tages zusammen in die Schule kommen und sie würden dort aufeinander aufpassen, so wie es ihre Väter bereits getan hatten.
 

„Was Reise?“ fragte Isaac skeptisch:
 

„Das haben Wolf-Daddy und ich dir doch schon erzählt, erinnerst du dich? Wir fahren erst mit dem Auto und dann fliegen wir mit einem ganz großen Flugzeug und dann noch mit einem ganz kleinen und wenn wir da sind, dann besuchen wir liebe Freunde von uns.“
 

Bei dem Wort `Flugzeug´ zeigte sich ganz kurz ein Ausdruck auf Isaacs kleinem Gesichtchen, wie ihn auch ganz normale Kinder haben würden; Neugierde, Aufregung, Freude. Doch Isaac war kein normales Kind, weshalb sich sogleich wieder dieses altvertraute Misstrauen in seine Miene schlich.

Und wer konnte es ihm schon verdenken, denn dieses Kind hatte in seinem jungen Leben bereits mehr Furchtbares durchgemacht, als manch Anderer in einem ganzen Leben. Das Jugendamt hatte Isaac kurz vor seinem zweiten Geburtstag von seinem Vater weggeholt, weil dieser ihn nämlich auf schlicht unvorstellbare Weise gequält hatte.

In engen oder dunklen Räumen bekam Isaac heute noch Panik, weshalb seine Pflegeväter ihm auch erlaubten, bei Licht und mit offener Tür zu schlafen. Der Grund für Isaacs Angst war jener, dass sein biologischer Vater den Kleinen zur Strafe häufig in eine winzige Kiste gesperrt hatte, wenn dieser angeblich `böse´ gewesen war.

Stiles konnte das immer noch nicht begreifen: Einmal abgesehen davon, dass ein so kleines Kind doch noch gar nicht bewusst irgendetwas Ungezogenes anstellen konnte, denn es probierte sich doch lediglich aus, erforschte spielerisch seine Umwelt und ja, vielleicht geschah dabei manchmal ein Missgeschick, aber wie konnte man überhaupt auf den Gedanken kommen, ein so süßes, wunderbares, kleines Wesen derart zu foltern? Wie brachte man das fertig? Was für ein Monster musste man sein?

Und die psychischen Qualen waenr ja noch nicht einmal das Einzige, was dieses Kind hatte erdulden müssen. Trotz seines jungen Alters hatte er bereits sechs Knochenbrüche erlitten, welche teilweise nicht einmal ärztlich versorgt worden waren, denn der leibliche Vater hatte den Kleinen mehrfach nach Strich und Faden verprügelt und es dann auch noch zu verheimlichen versucht! Wer weiß, ob Isaac überhaupt noch am Leben wäre, wenn da nicht aufmerksame Nachbarn eine Meldung beim Sheriff gemacht hätten?
 

Es war somit kein Wunder, dass Isaac in seinen ersten Wochen bei seinen neuen Pflegevätern kein einziges Wort über seine Lippen gebracht hatte. Er hatte einfach zu allem geschwiegen und Stiles und Derek damit große Sorgen bereitet.

Als er dann jedoch eines Tages im Spielzeugladen in der Mall, einen kleinen Plastiklastwagen gesehen und schüchtern und leise gefragt hatte: „Darf ich?“ waren beiden Männern ein wenig die Tränen gekommen.

Und natürlich hatte Isaac das Spielzeug erhalten! Er hätte sicherlich alles von ihnen bekommen, so glücklich waren die beiden in diesem Moment!
 

Weil Derek und Stiles nicht verheiratet waren, ließ man sie Isaac nicht adoptieren, doch daran arbeiteten die beiden Männer bereits mit Hochdruck. Das Aufgebot war für den nächsten Herbst bestellt, ein Anwalt damit beauftragt, die Adoption in die Wege zu leiten und Derek hatte seiner neuen Familie ein wunderschönes Haus mit großem Garten gekauft, welches die Leute vom Jugendamt, welche sie nun regelmäßig besuchten ja wohl von der Ernsthaftigkeit ihrer Absichten überzeugen sollte, oder nicht?

Stiles war sich darüber im Klaren, dass sie sich als Männerpaar doppelt so sehr anstrengen mussten, um diese Leute für sich einzunehmen. Man konnte zwar Gesetze ändern, doch die Grenzen in den Köpfen der Menschen überwand man deshalb noch längst nicht so einfach!
 

Stiles war überglücklich, dass Derek mit derselben Überzeugung hinter dieser ganzen Sache stand, wie er selbst. Und eigentlich war sein Gefährte es sogar gewesen, der irgendwann zu ihm gesagt hatte: „Ich möchte ein Kind mit dir haben, Stiles!“

Stiles war bis dahin gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass das überhaupt eine Option für Derek sein könnte und er konnte sein Glück kaum fassen!

Und dann hatten sie Isaac gefunden und hatten beide sogleich gewusst, dass er zu ihnen gehörte.
 

Stiles war mittlerweile mit dem kleinen Lockenkopf hinüber ins Bad gegangen, stellte ihn unter die Dusche, schäumte ihn mit dem Kindershampoo überall ein, spülte mit lauwarmen Wasser nach und tupfte ihn anschließend mit einem weichen Handtuch trocken. Das alles tat er äußerst vorsichtig und bedächtig, so als könne er den Jungen die Gewalt, die hinter ihm lag vergessen lassen, wenn er nur sanft genug wäre.

Und mittlerweile hatte Isaac auch genug Vertrauen gefasst, um diese Prozedur ohne Tränen und Geschrei zuzulassen.
 

Zu Übungszwecken wurde Isaac anschließend auf den Kindertoilettensitz gesetzt, um ihn damit vertraut zu machen. Anschließend bekam der Kleine ein Windelhöschen zum an- und ausziehen und seine Straßenkleidung übergezogen.
 

Als sie einen Augenblick später in die Küche kamen, sagte Stiles zu Isaac:

„Wow! Schau mal, Engelchen! Wolf-Daddy macht dir gerade dein Lieblingsfrühstück: Dino-Pfannkuchen mit Bananen!“
 

Mit größter Akribie streute Derek ein paar Bananenscheibchen in ein Förmchen in der Pfanne, goss dann den Teig darüber, löste diesen nach dem Stocken vorsichtig von der Form und dann wendete er das Ganze. Die Herstellung erforderte ein wenig Geschick, doch um das freudige Funkeln in Isaacs Augen zu sehen machte der Werwolf sich gern diese Mühe.

Er erlaubte sich, kurz von seiner staatstragenden Aufgabe aufzuschauen, um mit zärtlichem Blick festzustellen:

„Ihr Zwei seht toll zusammen aus!“
 

Sowohl Stiles als auch Isaac trugen, dem Wetter angemessen, kurze Hosen und dasselbe Spiderman-T-Shirt.
 

Als drei kleine Bananenpfannkuchen in T-Rex-Form auf dem Teller lagen, goss Derek noch großzügig Sirup darüber und stellte ihm seinem Sohn zur Begutachtung hin und dieser ließ sich zu einem kleinen Lächeln hinreißen. Nun konnte man behaupten, dies sei ein geringer Lohn für all´ die Mühe, die sein Wolf-Daddy sich gemacht hatte, doch wenn man Isaac kannte, dann wusste man auch, wie kostbar und rar jedes Lächeln von ihm war. Und somit war Derek hochzufrieden mit seiner väterlichen Leistung.
 

„Du musst auch etwas essen, Baby!“ mahnte der Werwolf nun auch Stiles, welcher dabei war, wie ein aufgescheuchtes Huhn herumzulaufen, letzte Dinge in die Koffer zu packen und halbherzig die, von der Frühstückszubereitung verschmutzte Küche zu putzen.
 

„Kann nicht! Ich bin irgendwie zu aufgeregt!“ erwiderte der Biologe fahrig und wienerte auf einem Fleck auf der Anrichte herum, als sei das die wichtigste Aufgabe auf der Welt, ohne auch nur aufzusehen, .
 

„Iss´ Stiles! Wir haben eine lange Fahrt vor uns und du brauchst etwas im Magen!“ bestimmte Derek nachdrücklich: „Und leg den Lappen weg! Ich mache gleich selbst sauber.“
 

Nun blickte Stiles von seiner Tätigkeit auf und erwiderte frech:

„Du kannst mich nicht zwingen! Du bist schließlich nicht mein Boss, Mister!“
 

Derek war blitzschnell mit eine Frischkäse-Bagel bewaffnet bei seinem Gefährten und erwiderte knurrend:

„Sicher kann ich dich zwingen! Du bist nur ein mageres, wehrloses Menschlein und musst tun, was ich dir sage, hörst du!“
 

„Träum´ weiter, Wölfchen!“ lachte Stiles und kniff Derek in den Hintern. Dann jedoch ließ er sich doch noch brav von ihm füttern und erhielt anschließend zur Belohnung einen Kuss dafür.
 

Isaac hatte dem zärtlichen Gezänk seiner Pflegeväter überaus aufmerksam zugeschaut; misstrauisch zunächst, doch als er feststellte, dass niemand brüllte oder prügelte, atmete er auf und konnte beruhigt weiter essen.
 

Nach dem Frühstück und dem Aufräumen konnte es auch schon losgehen. Derek war beladen, wie ein Alpaka auf einer Anden-Expedition mit all ihren Taschen und Koffern. Stiles hingegen hatte Isaac auf seiner linken Hüfte und ihr Handgepäck in der rechten Hand und so traten sie aus dem Haus.

Derek und Stiles hatten sich schweren Herzens von den geliebten Autos ihrer Jugend getrennt und stattdessen einen sehr soliden SUV als Familienwagen angeschafft, der silbern in der Sonne glänzte. Isaac kam in den Kindersitz und die Reisetaschen wurden im Kofferraum verstaut.
 

Sie wollten gerade starten, da versperrte ihnen ein Streifenwagen den Weg, aus welchem der Sheriff ausstieg und sich empörte:

„Ihr habt wohl geglaubt, ihr könntet einfach so meinen Enkelsohn entführen, ohne dass ich mich noch einmal richtig von ihm verabschiede, wie?“

Er öffnete die Hintertür des SUVs und als Isaac John erblickte, rief er glücklich:

„Grampa!“
 

„Ja, ich bin´s, mein Kleiner. Und der Opa hat ein Geschenk für dich.“

Es handelte sich dabei um einen Minion aus Plüsch, denn die liebte der Kleine, seit sein Großvater und er sich sämtliche Filme angeschaut hatten. Der Kleine schloss das kleine, gelbe Ungetüm fest in seine Arme und strahlte John an. Dieser gab dem Kind noch einen Kuss, wünschte ihm einen tollen Urlaub und wandte sich dann seinen Vätern zu:

„Er ist tot.“ erklärte er nun wieder sehr ernst: „Heute ganz früh ist er gestorben.“
 

Derek und Stiles mussten nicht fragen, von wem die Rede war. Gerard Argent hatte die letzten Monate auf der Krankenstation des Untersuchungsgefängnisses verbracht. Keiner hatte damit gerechnet, dass er bis zum Prozessauftakt überleben würde und dies hatte sich nun ja auch bewahrheitet:

„Er soll zur Hölle fahren!“ sagte Stiles grimmig.
 

Derek sagte nichts.

Er wirkte einfach nur erleichtert und es war nicht schwer zu erraten wieso: Der Prozess hätte wieder viele alte Wunden aufgerissen und das blieb ihm nun erspart. Stiles legte die Arme um seinen Gefährten und gab ihm einen Kuss. Dann bedankte er sich bei seinem Vater, dass er persönlich vorbeigekommen war, um es ihnen zu sagen und sie verabschiedeten sich voneinander.
 

Es war eine endlos lange Autofahrt über, vor Hitze flimmernde Highways bis nach Los Angeles und Stiles schaltete die Klimaanlage ein, in dem deutlichen Bewusstsein, dass sein Jeep einen derartigen Luxus nicht zu bieten gehabt hätte, ebenso wenig wie die bequemen, gefederten Sitze, den leise schnurrenden Motor und einen unvergleichbaren Fahrkomfort. Was machte es da schon, dass der SUV nicht so viel Charakter hatte, wie sein alter Wagen?
 

Erleichtert stellten die Daddys nach einer halben Stunde Fahrt fest, dass Isaac eingeschlafen war. Diese Reise würde noch lang genug dauern und mit einem weinenden, überreizten Kind wurde die Sache nicht leichter!
 

Als sie in Los Angeles ankamen, erinnerte sich Stiles daran, wie er das letzte Mal mit Derek hier gewesen war. Dem Wolf, der zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt in die Zivilisation zurückgekehrt war, war der Großstadt-Trubel zutiefst zuwider gewesen.

Stiles konnte kaum glauben, dass dies erst sechs Monate her sein sollte? Derek hatte sich in dieser kurzen Zeit so wahnsinnig verändert, war selbstsicherer, viel erwachsener und irgendwie auch... menschlicher geworden. Und er hatte sogar so etwas wie Humor entwickelt, auch wenn man manchmal etwas genauer hinschauen musste, um ihn zu erkennen.

Als Stiles seinem Gefährten vor kurzem gesagt hatte, wie stolz er auf seine Entwicklung sei, hatte dieser bloß mit den Schultern gezuckt und erklärt:

„Alles, was ein Werwolf braucht, um zufrieden und in seiner Mitte zu sein ist ein fester Anker und das bist DU, Baby.“
 

Das hatte ihn irgendwie ein bisschen stolz gemacht.

Stiles hatte sich, solange er zurückdenken konnte irgendwie haltlos, unsicher und ein wenig neurotisch gefühlt, doch ausgerechnet ER sollte derjenige sein, der einem anderen, eine derartige Stabilität geben konnte? Das war für ihn nur schwer zu glauben.

Doch am Wunderbarsten war es, dass Derek Stiles umgekehrt denselben Halt gab. Was konnte ihm schon passieren, sagte er sich heutzutage? Sein Geliebter war groß und stark und ein Werwolf!
 

Nachdem sie am Flughafen das klimatisierte Auto verlassen hatten, traf sie beinahe der Schlag, denn in Los Angeles war es gefühlt noch mindestens zehn Grad heißer als Beacon Hills.

Isaac drückte sein Kuscheltier fest an sich und blickte sich misstrauisch im Gewirr des Flughafens um und Derek sah nicht viel glücklicher aus, also drückte Stiles ihm ihren Sohn in den Arm, denn er wusste, wenn man einem Wachwolf eine wichtige Aufgabe gab, dann würde ihn das ganz gewiss beruhigen.

Der Mensch selbst besorgte einen Gepäckwagen, lud alles auf und sie machten sich auf den Weg zum Schalter. Nachdem das Gepäck aufgegeben und alles weitere erledigt war, mussten sie noch eine Weile auf ihren Abflug warten und Derek nutzte die Chance um mit Isaac an das große Fenster zu treten, um ihm zu zeigen, wie die Flugzeuge starteten und landeten:
 

„Droß!“ stellte das Kind mit vor Überraschung kugelrunden Augen fest:
 

Derek nickte und bestätigte:

„Ja, die Flugzeuge sind sehr groß, denn da müssen ja so viele Leute hineinpassen.“
 

„Isaac, Fliegzeug?“ versicherte der Junge sich noch einmal:
 

„Ja, mein kleiner Welpe. Wir müssen noch ein bisschen warten, bis unser Flieger da ist, aber dann steigen deine Daddys mit dir auch in so ein Flugzeug. Willst du das? Willst du auch ganz hoch in den Himmel aufsteigen?“
 

Isaac nickte heftig und zeigte seinem Kuschel-Minion nun ebenfalls die Start- und Landebahn.
 

Stiles hatte im Schneidersitz auf einer der Wartebänke gesessen und ein bisschen an seinem Laptop gearbeitet. Nun blickte er auf, beobachtete Derek mit ihrem Sohn und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Kurz konnte er gar nicht fassen, wie glücklich er sich schätzen konnte.

Nach seiner Scheidung hatte er geglaubt, sein Leben sei vorüber und doch nun, nicht einmal ein Jahr später hatte er alles, was er sich je gewünscht hatte und mehr: Jemanden, mit dem er sein Leben teilen konnte und der ihn über alles liebte und ein wundervolles Kind, dass bei ihnen lebte und ihnen schon beinahe gehörte, wenn nun noch das Familiengericht dabei mitspielte.

Verrückt, welche Wendungen das Leben manchmal nahm!

Er klappte seinen Laptop zu, verstaute ihn und marschierte zu seinen Jungs hinüber:

„Unser Flug wurde gerade aufgerufen. Los geht’s!“
 

Isaac bekam den Platz am Fenster, damit er hinausschauen und beobachten konnte, wie die Welt unter ihnen immer kleiner wurde, der menschenscheue Werwolf saß neben ihm in der Mitte und Stiles, der schon oft geflogen war und den deshalb so schnell nichts aus der Ruhe brachte saß am Gang, wo er seine Familie ein wenig vor der Umwelt abschotten konnte.
 

Isaac zappelte aufgeregt in seinem Sitz herum und versuchte immer wieder, sich hinzustellen, damit er einen besseren Blick aus dem Bullauge hätte. Er plapperte er in einem Fort vor sich hin und berichtete, was es da unten alles zu sehen gab; etwas dass für seine Verhältnisse ausgesprochen ungewöhnlich war und Derek hörte geduldig zu, bis die Nervosität des Jungen irgendwann ins Gegenteil umschlug und er müde wurde.
 

Als Stiles nach einer Weile sicher war, dass Isaac tief und fest eingeschlafen war, fragte er Derek mit einem unschuldigen Augenaufschlag:

„Sag´ mal, du könntest mit deinen Wahnsinnsohren doch sicherlich von überall hier im Flugzeug hören, ob unser Sohn aufwacht, oder?“
 

Derek zog die Augenbrauen zusammen und erwiderte skeptisch:

„Ja, könnte ich, wenn ich mir Mühe gebe. Wieso?“
 

Das Grinsen, dass sich nun auf Stiles Gesicht schlich, konnte man eigentlich nur als unverfroren bezeichnen, als er fragte:

„Weißt du eigentlich, was der `Mile-High-Club´ ist?“
 

Derek schenkte ihm einen tadelnden Blick:

„Ich werde es bestimmt nicht mit dir in einer Flugzeugtoilette tun, während hier draußen unser Sohn schläft. Was, wenn er aufwacht, oder wir erwischt werden? Und außerdem... hast du eigentlich eine Ahnung, wie es an so einem Ort für jemanden mit meiner empfindlichen Nase riecht?“
 

Stiles zog ein enttäuschtes Schnäuzchen und Derek küsste ihn und versicherte:

„Ich liebe dich, Stiles, aber das lassen wir besser bleiben. Überhaupt werden wir in nächster Zeit wohl ein bisschen kürzer treten müssen, denn bei Emma ist es eng und wir werden mit Isaac in einem Bett schlafen. Tut mir leid, Baby!“
 

Stiles Gesicht wurde noch ein wenig länger, doch dann hellte es sich wieder ein wenig auf:

„Vielleicht entdeckt Emma ja ihre großmütterliche Seite und sie hütet unseren Kleinen eine Weile und wir gehen dann hinaus in den Wald, um es dort zu tun? Ich meine, das wäre doch möglich, oder?“
 

Der Werwolf grinste und bestätigte:

„Ja, das wäre nett!“
 

Bis zur Landung in Fairbanks war alles recht glatt gelaufen, doch als Isaac hier die winzige, enge `Cessna 172´ erblickte, bekam er eine Panikattacke und weigerte sich einzusteigen. Der Pilot wurde schon langsam ungeduldig. Er erklärte, er habe heute auch noch andere Dinge zu tun, doch Stiles flehte ihn an, ihnen noch einen Moment zu geben.

Schließlich griff Derek zu einem kleinen Trick, der ihnen früher schon einmal in einer ähnlichen Situation geholfen hatte. Er wandte sich so, dass weder der Pilot, noch sonst jemand ihn sehen, oder hören konnte, kniete sich vor den kleinen Jungen hin, ließ seine Augen blau aufblitzen und flüsterte mit tiefem Werwolfsgrollen:

„Dir wird nichts Schlimmes passieren, Isaac! Wolf-Daddy passt ganz doll auf dich auf. Er hält dich fest und lässt dich nicht los, bis wir wieder aussteigen, versprochen!“
 

Isaac wirkte beinahe ein wenig wie hypnotisiert. Sein Gesicht war immer noch tränennass, doch er hatte aufgehört zu weinen. Er nickte einfach nur mechanisch, ließ sich von Derek auf den Arm nehmen und ins Flugzeug tragen, wo er sich beim Start sogleich unter das T-Shirt seines Vaters buddelte und sich an dessen nackten Bauch kuschelte, weil ihn das beruhigte.
 

Es war völlig unangemessen, kleinlich, egozentrisch und im Grunde unverzeihlich, dass Stiles bei diesem Anblick einen kleinen Stich der Eifersucht spürte, weil ihm nicht die Möglichkeit gegeben war, ihrem Sohn auf diese Weise die Angst zu nehmen. Er senkte beschämt den Kopf.

Natürlich hatte Derek mitbekommen, was er fühlte. Der Werwolf wusste immer, was er empfand; keine Chance, etwas vor ihm zu verbergen, doch anstatt es Stiles krumm zu nehmen lächelte er bloß und zwinkerte ihm aufmunternd zu.
 

Endlich am Ziel angekommen wurde die Hale-Stilinski-Familie bereits erwartet. Am Rande des Rollfeldes standen Danny und Emma, welche ein Schild mit der Aufschrift `Wellcome home, boys´ in die Luft hielten.

Isaac war erst jetzt wieder aus seinem Versteck unter Daddys T-Shirt hervorgekrochen und Derek stellte ihn auf den Boden.
 

Das Kind blickte sich missmutig in der fremden Umgebung um.

Als die Umarmungen losgingen, versteckte Isaac sich hinter Dereks Beinen und klammerte sich daran fest. Sie ließen ihn gewähren, denn immerhin war es für ihn ein langer und anstrengender Tag gewesen und er musste sich erst einmal akklimatisieren.
 

„So, so, das ist also das Kind eurer Liebe?“ frotzelte Danny und deute auf Isaac: „Finde ich ja toll, dass du schon so schnell nach der Geburt deine mädchenhafte Figur wiederhast, Stilinski!“
 

Stiles knuffte dem Freund lachend in den Oberarm und forderte:

„Halt´ die Klappe, Mahealani, sonst hetze ich meinen Wolf auf dich!“
 

Emma tätschelte Derek die Wange und musterte ihn von oben bis unten mit einem mütterlichen Blick:

„Du siehst gut aus, mein Junge! Irgendwie zufrieden!“
 

„Ja Ma´am, dass bin ich auch. Sehr sogar!“ bestätigte der Werwolf mit einem jungenhaften Grinsen.
 

Emma lachte und wollte wissen:

„Sag mal denkst du, du wirst dich jemals dazu durchringen können, mich mit dem Vornamen anzusprechen, Kleiner?“
 

Dereks lächeln bekam etwas verlegenes und er schüttelte den Kopf:

„Nein, ich denke nicht, Ma´am.“
 

Emma lachte, zog Dereks Gesicht zu sich heran, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und einen kleinen Klaps auf die Wange:

„Es ist so schön, dich zu sehen, Derek. Wirklich schön!“

Dann ging Emma sehr tief in die Knie, so dass sie mit Isaac auf Augenhöhe war, streckte ihm die Hand hin und versicherte:

„Und es ist auch sehr schön DICH zu sehen, Süßer.“
 

Eigentlich rechneten seine Daddys nun mit Tränen, weil die fremde Frau es gewagt hatte, ihn einfach so anzusprechen, doch es geschahen noch Zeichen und Wunder, denn Isaac streckte zögerlich sein kleines Händchen aus und ergriff die von Emma.

Das war einausgesprochen vielversprechender Anfang!
 

„So, Jungs, nun wird erst mal etwas gegessen!“ bestimmte Emma, erhob sich wieder und ging voran zu ihrem Geländewagen.
 

Stiles erkannte Miners Creek kaum wieder, ohne seinen Mantel aus Schnee. Selbst die Häuser wirkten unvertraut, ohne ihre weiße Last. Überall grünte und blühte es und es herrschten sehr angenehme zwanzig Grad. Hier ließ es sich im Sommer wirklich gut aushalten!
 

Sie fuhren hinüber zum Diner, wo Danny, Derek und Stiles mit Isaac auf dem Schoß an einem der Tische Platz nahmen, während Emma in der Küche verschwand. Zwanzig Minuten später war sie wieder da und tischte auf, als wolle sie eine ganze Kompanie durchfüttern: Gegrillte Sandwiches, hausgemachte Pommes Frites mit mehreren Saucen, Würste, deftige Salate, verschiedene Desserts und Kuchen.
 

„Greift zu Jungs!“ forderte sie und rutschte zu ihnen in die Bank.
 

„Himmel Emma, wer soll denn das alles essen? Erwartest du etwa noch jemanden?“ fragte Stiles überfordert von der Fülle.
 

Emma grinste, denn just in diesem Moment ging die Tür auf und ein vertrautes Gesicht trat ein, mit dem Stiles nun wirklich nicht gerechnet hatte:

„Ich erwarte tatsächlich noch jemanden!“ bestätigte sie.
 

Chris Argent trat zu ihnen an den Tisch, begrüßte Emma mit einem Kuss auf den Mund und den Rest mit einem `Hallo´, ehe er Platz nahm.
 

Derek und Stiles blieb vor Überraschung der Mund offen stehen und Danny kommentierte lachend:
 

„Ja, die Zwei sind neuerdings ein Paar. Es hat sie wirklich schwer erwischt und sie knutschen die ganze Zeit herum, wie verliebte Teenager. Das kann sich kein Mensch mit ansehen! Es ist wirklich widerlich!“
 

„Nur kein Neid, Grünschnabel!“ schimpfte Emma liebevoll: „Bloß weil bei dir momentan Trockenzeit herrscht, musst du noch lange nicht frech werden und es deinen Mitmenschen!“
 

Danny streckte der Freundin die Zunge heraus, Emma erwiderte diese Geste und schließlich kicherten sie beide wie Kinder.
 

Der Jäger füllte sich großzügig seinen Teller voll und ließ das Ganze unkommentiert. Stiles ahnte, dass einem toughen Kerl wie ihm die Tatsache, dass ein anderer Mensch es geschafft hatte, sein Herz zu erweichen irgendwie peinlich war, oder so, also hielt er sich mit den Fragen, die ihn brennend interessierten; zum Beispiel wie das überhaupt passiert sei einfach vorerst zurück.

Doch es gab etwas anderes, was Stiles dem Jäger zu sagen hatte:

„Hast du es eigentlich bereits gehört, Chris?“
 

Der Jäger wusste sofort, wovon der Biologe sprach:

„Der alte Bastard ist tot. Dein Vater hat mich heute angerufen und es mir gesagt. Ich hoffe, ihr erwartet jetzt keine Tränen von mir.“
 

Stiles schüttelte den Kopf und blickte Argent prüfend an. Sicher, Gerard war ein furchtbarer, böser Mensch gewesen, aber konnte man als sein Sohn wirklich vollkommen gleichgültig sein, wenn der eigene Vater starb?

Stiles würde nicht danach fragen, weil er genau wusste, dass Chris auch nicht darüber sprechen wollte.
 

Jedoch schien Emma Redebedarf zu haben:

„Ich hoffe, mein Jesse findet dadurch nun ein wenig Frieden.“ murmelte sie leise und Chris legte einen Arm um sie.
 

Nach dem ungenießbaren Flugzeugdinner hatten die Reisenden tüchtigen Hunger und sogar Isaac, der für gewöhnlich ein eher mäßiger Esser war, langte kräftig zu, insbesondere beim Nachtisch.
 

Als die Mahlzeit beendet war, wollte Emma wissen:

„Und? Habt ihr für heute noch irgendwelche Pläne, oder wollt ihr lieber gleich ins Bett nach der langen Reise? Wir haben uns nämlich gedacht, wir könnten noch ein wenig hinausfahren in die Wildnis. Heute ist Mittsommernacht und da wird es in dieser Gegend nur für ganz kurze Zeit dunkel. Vielleicht möchte der große, schwarze Wolf ja noch ein bisschen Auslauf haben? Und Stiles weiß ja noch gar nicht, wie schön es hier bei uns sein kann, wenn die Welt nicht gerade in Schnee und Eis erstarrt ist?“
 

Da Derek und Stiles sich fit fühlten und tatsächlich nach dem langen Sitzen ein wenig Bewegung vertragen konnten und weil Isaac beinahe die ganze Reise verschlafen hatte und somit recht ausgeruht sein sollte, stimmten sie zu.
 

Sie fuhren mit zwei Autos hinaus in die Natur und Isaac kam gar nicht aus dem Staunen heraus, wegen all der Tiere, die sie vom Wagen aus entdeckten. Sie sahen sogar einige Bisons, denn eine der letzten frei lebenden Herden dieser Tiere kreuzten ihren Weg. Unvorstellbar, wenn man bedachte, dass der nordamerikanische Kontinent einst von hunderttausenden dieser Rinder besiedelt gewesen ist, dachte Stiles, der Biologe und Naturschützer traurig.
 

Sie hielten an einem herrlichen, mit Heide bewachsenen Fleckchen scheinbar unberührter Natur, weit weg von der Zivilisation und hier konnte Derek es wagen, sich zu verwandeln. In Beacon Hills hatten sie sich das bislang erst zweimal und jedes Mal unter größter Vorsicht getraut.
 

Isaac quietschte vergnügt, als er seinen Daddy so sah. Er liebte den Wolf und wenn es nach ihm ginge, dürfte Derek wohl die ganze Zeit so herumlaufen. Er kuschelte zufrieden sein Gesicht in den schwarzen Pelz und schließlich hob Stiles den Jungen auf den Rücken des Wolfes, damit er ein wenig auf ihm reiten konnte.
 

Stiles wusste, wie sehr es Derek in letzter Zeit gefehlt hatte, diesen Teil seines Wesens zu leben und auch, wie sehr er diese Landschaft vermisst hatte, die so lange sein Zuhause gewesen war. Sein Gefährte lebte dieses menschliche Leben mit ihm und es machte ihn auch glücklich, daran bestand kein Zweifel, doch es war eben nicht alles, was er war.
 

Sie alle machten einen Spaziergang und der Wolf folgte ihnen eine Weile brav, doch irgendwann beugte sich Stiles zu ihm hinunter, küsste die pelzige Stirn und sagte:

„Also gut, mein Großer! Lauf´ und hab´ Spaß! Sei aber in einer Stunde wieder bei uns, ja?“
 

Der Wolf kläffte zustimmend und dann verschwand er mit großen Sprüngen.
 

„Wo geht?“ fragte Isaac besorgt, doch Stiles versicherte:
 

„Wolf-Daddy kommt nachher zurück zu uns!“
 

Ein wenig beunruhigt blickte der Junge noch eine Weile in die Richtung, in die der Wolf verschwunden war, doch dann entdeckte Emma einen Ameisenhaufen, nahm Isaac bei der Hand und zeigte und erklärte ihm, was hier alles los war.

Stiles staunte ziemlich, dass sein Sohn vor dieser fremden Frau kein bisschen scheu war, sogar mit ihr sprach und sich von ihr anfassen ließ.

Emma hatte, wie es schien also nicht nur ein Händchen für verwilderte Werwölfe, sondern auch für traumatisierte Kleinkinder.
 

Derek kehrte nach etwa einer Stunde zu ihnen zurück und verwandelte sich wieder in sein menschliches Selbst. Stiles konnte sehen, dass sein kleiner Ausflug ihm ausgesprochen gut getan hatte. Sein Gefährte wirkte gelöst und zufrieden.
 

Nach einer Weile machte der kleine Trupp kehrt und sie nahmen die Autos zurück nach Miners Creek.

Dort wurde Isaac ins Bett gebracht und der Rest von ihnen saß noch eine Weile in Emmas Wohnzimmer und sie erzählten sich, was sie in dem halben Jahr, in dem sie einander nicht gesehen hatten erlebt hatten.

Irgendwann merkten dann auch Stiles und Derek, dass sie müde wurden und sie zogen sich zurück.
 

In Emmas Schlafzimmer, welches diese ihnen großzügig überlassen hatte, kuschelten sich Derek und Stiles zu ihrem Sohn ins Bett:

„Es muss eigenartig für dich sein,wieder hier zu sein, oder nicht?“ fragte Stiles schläfrig:
 

„Eigenartig und gut!“ bestätigte Derek und gab seinem Menschen einen Gute-Nacht-Kuss.
 

Im Bett fühlte sich der Werwolf plötzlich gar nicht mehr müde. Diese Reise in seine Vergangenheit war aufwühlender, als er zunächst geglaubt hatte. Außerdem war es im Zimmer immer noch beinahe taghell, obwohl die Vorhänge zugezogen waren. Er lag noch lange wach, dachte über früher und heute nach, über sein Leben vor und nach dem Feuer, sein Leben als Wolf und sein Leben als Mensch.
 

Irgendwann mitten in der Nacht vernahm Derek aus der Ferne einen Ruf, der ihn bis ins Mark erschütterte und seinen gesamten Körper mit einer Gänsehaut überzog. Es war das Klagen eines einsamen Wolfes, so durchdringend und tragisch, dass es einem die Tränen in die Augen trieb. Derek wusste genau, was das Tier empfand, er hatte es selbst erlebt, doch für ihn waren diese Tage waren für ihn zum Glück endgültig vorbei.
 

Er blickte hinab auf seine kleine Familie, legte einen Arm um sie beide und schlief mit einem zufriedenen Lächeln schließlich doch noch ein.
 

-ENDE-



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Kommentare zu dieser Fanfic (73)
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Von:  YumeKahoko
2018-07-20T13:46:33+00:00 20.07.2018 15:46
So endlich! Eeeeeeendlich habe ich es auch geschafft dieses Kapitel zu lesen und komme jetzt zum kommentieren.
Ich gebe der Uni die volle Schuld sowie den Klausuren das ich es nicht früher geschafft habe -.-'
Also an sich ein tolles Kapitel wie immer, allerdings war ich von der Sexszene etwas enttäuscht. Nicht davon das beide sich abgewechselt haben. Das fad ich zwar erst komisch allerdings hat es dann auch so gut gepasst weil Derek hier keinen so dominanten erwachsenen Charakter sondern teilweise noch einen sehr jungenhaften. Trotzdem hat mir irgendwas gefehlt auch wenn ich nicht genau sagen kann was ^^'
Zum Showdown: Ich fand es sehr cool das du so kurz hintereinander immer wieder die Perspektive gewechselt hast, das hättest du mit einzelnen Sätzen noch verstärken können...hätte vielleicht noch cooler sein können, aber muss ja nicht.
Ich fand es gut das Derek ihn nicht getötet hat sondern so bestraft hat, das hatte Gerard mehr als verdient. Vielleicht war das sogar besser als jetzt nochmal so einen großen Knall zu machen wie in Alaska. Da hatten wir da Drama ja schon zu genüge.
John war zum Schluss einfach der Beste musste sehr grinsen XD
Allerdings hätte es für mich jetzt nicht unbedingt wieder mit Sex oder dessen Andeutung enden müssen, aber sowas ist immer dem Geschmack des Autors überlassen ;D
Ansonsten freue ich mich jetzt auf das letzte Kapitel zu dem ich hoffentlich in den nächsten Tagen komme :D
Achso und meiner Meinung nach braucht diese Geschichte keine Fortsetzung. Erfreu uns dann lieber mit einer völlig neuen Sterek Geschichte. Ich muss ja eh noch Schlaflos mal fertig lesen ^^'
Und sieh das hier nicht unbedingt als Kritik sondern eben nur als persönliche Meinung. Es muss hauptsächlich dir gefallen, egal was wir Kommi-schreiber sagen XP
Dann bis bald!!!<3

LG Yume
Antwort von:  GingerSnaps
20.07.2018 16:01
Hallo Yume,
ich stimme dir zu, die Liebesszene war total schwach; die schlechteste, die ich je geschrieben habe. Ich habe mich beim Schreiben sehr gequält und habe mich irgendwie genötigt gefühlt, sie zu schreiben, weil es eben dazugehört, aber es war mühsam!!!
Und Kates Tod passte für mich in die Wildnis, in der er sich ereignet hat, ebenso wie Gerards Überleben und seine Gefängnisstrafe in die Zivilisation passte, in die sie nun zurückgekehrt sind.
Und du darfst natürlich gern Kritik äußern, denn ich kann ja nicht erwarten, dass den Leuten immer gefällt, was ich schreibe, denn ich schreibe es ja in erster Linie so, dass es mir gefällt, wie du schon sagst.
Ich hoffe das nächste und letzte Kapi kann dich wieder ein bisschen versöhnen und die böse Uni erlaubt dir, dir dafür Zeit zu nehmen. :-)
Liebe Grüße,
Ginger
Von:  _Seto_Kaiba_
2018-06-22T20:11:40+00:00 22.06.2018 22:11
Wie jetzt ? Schon das vorletzte kappi? Neeeeeeeeeeiiiiiin.............. hoffentlich schreibst du noch mehr ffs in dieser richtung ...... liebe dieses pairing einfach abgöttisch. :-D.
Und zu der fortsetzung die Spitzbube67 angesprochen hat........ vll gibts da ja nich so einiges ...... ich meine monster gibt es genug zum jagen für derek..... und im original gibts ja auch noch malia und peter die leben ;-)
Würde mich auf jeden fall freuen wenns bald was neues von dir gibt...... egal ob fortsetzung oder was neues ;-) :-)
Antwort von:  GingerSnaps
22.06.2018 22:39
Also das ist mir zu unkonkret für eine Fortsetzung! Bitte nur um Zusendung von fertig gedachten Ideen. Beim Selberdenken tut mir nämlich der Kopf immer so weh! :-D

Kennst du denn eigentlich alle meine Storys schon? Sie sind alle mehr oder weniger Sterek.
Und eine neue Story ist auch schon in Planung, aber ich muss den Plot noch ein bisschen durchdenken. Außerdem werde ich als nächstes eine Story beenden, die leider in letzter Zeit liegengeblieben ist.

LG, Ginger
Antwort von:  _Seto_Kaiba_
22.06.2018 23:22
Ja kenn sie alle schon..... bin einfleissiges leserlein :-D
Da bin ich ja mal gespannt
Freu mich schon
Von:  Spitzbube67
2018-06-21T19:48:39+00:00 21.06.2018 21:48
Moin,
Schade das, es zu Ende ist!!! ☹️
Aber ein cooler Showdown, das schreit ja förmlich nach einer Fortsetzung!
Hast dich mal wieder selbst übertroffen mit diesem Kapitel.

LG
Spitzbube67
Antwort von:  GingerSnaps
21.06.2018 21:55
Hallöchen,
vielen Dank, aber es ist noch nicht ganz das Ende. Ein Kapitel kommt nämlich noch.

Und wie hast du dir das mit der Fortsetzung gedacht? Was kann denn jetzt noch kommen? Wenn du mir mit einer guten Grundidee auf die Sprünge hilfst, gibt es vielleicht tatsächlich eine? :-D

LG, Ginger
Von:  YumeKahoko
2018-06-13T21:39:36+00:00 13.06.2018 23:39
Awww Scotty! und noch ein größeres Awwwwww für den kleinen süßen Liam!!
Bis lass die zwei auch ein Kind adoptieren! Die wären sooo tolle Eltern!
Das im Supermarkt fand ich einfach nur supercool von Derek. Das hab ich ihnen sehr gegönnt XD Und dann das erste ich liebe dich so schön!
Ich vermute mal das sobald Allison wieder da ist und vor allem mit dem Opa der noch unterwegs ist, Scotty das mit dem Werwolf doch noch bald erfahren wird. Aber wie Krass das da jetzt doch noch ein Showdown mit Gerard kommt! Hätte ich nie gedacht *o*
Und sweet das sie sich so langsam an das sexuelle rantasten, aber das Stiles sowas nicht zumindest mal googelt. Weil komm schon zumindest er müsste doch langsam drauf kommen was zwischen den beiden abgeht und was sie brauchen bzw sich wünschen XD
Ei ei ei da kommt wohl noch ganz schön was auf sie zu, wobei sich Derek heute zumindest im Supermarkt sehr erwachsen verhalten hat...außer beim Fleisch. Das Bild was ich da im Kopf hatte, war sehr lustig XD
Bin gespannt auf alles weitere und womit ich noch Recht haben könnte XP

LG Yume
Antwort von:  GingerSnaps
14.06.2018 06:32
Ja, du wirst es erfahren, womit du Recht gehabt hast. Und heute hast du schon wieder mit etwas Recht gehabt!:-DD. Du solltest Lotto spielen, denn du bist echt gut im tippen! Wobei... du rätst ja nicht einfach bloß blind sondern denkst und fieberst mit.
Ja, die Supermarkt-Szene hat mir auch am meinsten Spaß gemacht. Armer Stiles! Er hatte seine "Highschoolzicken-Genugtuung wirklich verdient!
Seltsam, dass du Gerard nicht hast kommen sehen. Hast wohl gedacht, der Krebs hätte ihn inzwischen erledigt, was? Nein, so leicht macht er es uns leider nicht!

LG und danke für´s fleißige, treue kommentieren!
Ginger
Von:  YumeKahoko
2018-06-07T21:53:41+00:00 07.06.2018 23:53
Uiuiui gleich mal volle Breitseite beim ersten Treffen XD Aber ich finds gut das sie die Wahrheit sagen und auch wie John reagiert kann ich absolut verstehen. Wen würde das nicht schocken XD. Es war ernst und doch musst ich zwischendurch auch schmunzeln. Vor allem so Derek ist Millionenerbe und er bleibt einfach ganz cool bei der Nachricht XD
Noch ne Frage ist Peter eigentlich auch tot und ich hab das nicht mitbekommen? War mir nicht mehr so sicher XD
Tja und die letzten fragen sind wichtig, aber Derek plant wohl schon die Hochzeit wenn er John schon als Schwiegervater sieht XD Und oh mein Gott das mit den Kindern wäre unfassbar niedlich, wenn sie welche kriegen könnten *.* Ansonsten adoptieren sie einfach welche. So ein kleines einsames Werwolfbaby das zurückgelassen wird oder wo auch die Eltern tot sind. Oh Gott hab ich grad cuuuute Bilder im Kopf <3
Da bin ich mal sehr auf den weiteren Verlauf gespannt und vor allem mit dem wo du beim letzten Post gesagt hattest, wo ich wohl mit irgendwas Recht hatte XD
Also John ist jetzt Dad of the Year, jetzt muss es nu noch Scott erfahren XD
Freue mich schon drauf!

LG Yume

Antwort von:  GingerSnaps
08.06.2018 06:41
Du denkst wirklich mit! Das Kapitel hieß Begegnungen Teil 1, also müssen sie in Teil 2 wohl Scott begegnen. Sehr richtig!
Und natürlich denkt Derek an Hochzeit. Für ihn ist die Sache geritzt. Er ist nicht so verkopft wie Stiles, der immer noch Zweifel und Ängste hat. Derek verlässt sich ganz auf sein Gefühl und das sagt eben: "All the way…"
Ja, Peter ist in dieser Story tot. Habe ich nie so ausdrücklich gesagt. Ich sagte bloß, dass niemand außer Derek es geschafft hat.
LG, Ginger
Von:  YumeKahoko
2018-06-05T20:01:20+00:00 05.06.2018 22:01
Ich glaube dieses Kapitel war wirklich eines der schönsten bis jetzt<3
Sorry konnte erst jetzt kommentieren, die böse Uni ist Schuld ^^'
Also erstmal finde ich es immer süß wie die zwei miteinander umgehen. Zweitens vermute ich zu wissen warum es im Bett nicht so ganz klappt. Stiles hatte noch nie was mit Männern und ich vermute Derek hatte überhaupt noch nie was mit irgendwem XD Im Kopf ist er irgendwie immer noch ein Teenager. Fummeln geht, aber beim Rest wissen eben beide nicht so ganz wies gehen soll. Sie sollten ein paar Pornos gucken oder noch besser Fanfiction lesen, da lernt man viel XP
Es war schön wie sie so durch die Vergangenheit gegangen sind, dadurch lernen sich beide auch besser kennen und ich vermute Derek kann viel verarbeiten...auch wenn ich mich frage wie er damals rausgekommen ist, wenn seine ganze Familie eingesperrt war oder war er gar nicht zuhause an dem Tag?
So cool das du auch den Camaro eingebaut hast, ich liiiiebe dieses geile Auto XD aber schon krass einfach mal zum Führerschein sowas zu kriegen, hätte ich auch gerne XD
Und ich finde noch das letzte Bild auf der Tribüne was du uns von den Beiden hier gegeben hast, passt sehr gut zur Situation. Denn sie sind ein bisschen wie Teenager, die alles was sie beide, ihre Liebe und auch ihre sexuelle Beziehung zueinander betrifft, erst nochmal ganz neu Schritt für Schritt kennenlernen müssen.
Trotzdem muss ich anmerken, das ich es von Derek ein bisschen arschich fand, das er so gar nicht auf den fast kollabierten Stiles geachtet hat -.- Das hab ich ihm ein klein wenig übel genommen.
Aber ansonsten mega tolles Kapitel, wobei hier und da vielleicht ein Wort gefehlt hat? Vielleicht kams mir aber auch nur so vor XD Jedenfalls freue ich mich schon sehr auf das nächste Kapitel!!!


LG Yume
Antwort von:  GingerSnaps
05.06.2018 22:13
An einer Stelle deines Kommentars musste ich sehr schmunzeln. Warum, das wirst du in einem der nächsten Kapitel noch sehen.
Du hast natürlich Recht, die beiden haben Angst, weil ihnen Erfahrung fehlt. Mal sehen, wie und ob sie dieses Problem lösen.

Derek ist Stiles übrigens nicht zu Hilfe geeilt, weil er es in seiner Aufregung über sein tolles Auto gar nicht mitbekommen hat. Sei also nicht allzu böse mit ihm. Ansonsten hat er sich doch immer bestens um seinen Menschen gekümmert.

Vergessene Worte sind durchaus möglich. Ich lese ja schon immer Korrektur, wie verrückt, aber manches flutscht mir einfach durch. Sorry!
Von:  CharlieBlade1901
2018-05-06T21:30:54+00:00 06.05.2018 23:30
🤧🤧🤧🤧🤧🤧🤧🤧Emotinen. Das ist so schön.
Antwort von:  GingerSnaps
07.05.2018 06:11
Ja, schon wieder Emotionen. Abschied ist ein schweres Schaf, oder wie war das?? ;-)
Von:  YumeKahoko
2018-05-06T21:27:48+00:00 06.05.2018 23:27
Awwww da hatte ich jetzt aber auch ein bisschen Pipi in den Augen!
Ich liebe den Sheriff einfach und finde es toll, dass es zwischen den beiden jetzt so gut läuft, dass ers seinem Vater shcon gesagt hat.
Hach ich werde Danny und Emma sooo vermissen :'(
Aber gut dafür warten andere liebe Charaktere Zuhause. Ob Derek wohl auch bei Scott knurren wird, wenn der Stiles umarmt XD Auf das erste Treffen bin ich definitiv gespannt XP!

LG Yume-chan
Antwort von:  GingerSnaps
07.05.2018 06:14
Ja jetzt geht´s nachhause und Alaska und seine Leute bleibt dadurch zurück. So ist das im Leben. :-(
Und Derek wird mit Sicherheit in Beacon Hills noch ein paar mal Grund haben, dumm herumzuknurren. Wir kennen ihn doch! :-DD
Von:  YumeKahoko
2018-05-06T21:05:20+00:00 06.05.2018 23:05
Endlich klare Worte!!!!
Und ja verdammt nochmal DAS IST LIEBE STILES!!!! Ich will es ihm förmlich ins Gesicht schreien...aber ich werde mich beruhigen.
Es war ein wunderschönes sehr gefühlvolles Kapitel und ich bin froh das jetzt endlich alles raus ist! Jetzt können sie endlich weitermachen :)
So dann schleich ich mal schwupps zum nächsten Kapitel XP

LG Yume-chan
Antwort von:  GingerSnaps
07.05.2018 06:10
Ja, ich weiß, es wurde Zeit. Aber ich fand eben, man dürfe es auch nicht überstürzen. Immerhin hat sich für Stiles viel verändert. Es wäre unrealistisch, wenn er diesen Weg allzu schnell nehmen würde.
Von:  CharlieBlade1901
2018-05-03T19:13:01+00:00 03.05.2018 21:13
Emotionen. Ich musste mir gegen Ende ein Taschentuch besorgen. 🤧🤧🤧🤧🤧🤧🤧.
Antwort von:  GingerSnaps
03.05.2018 21:24
Ja, sorry, aber das musste mal sein! Wir brauchten dringend klare Verhältnisse.


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