Wolf im Schnee von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 2: Schwarz auf weiß --------------------------- Als Stiles am nächsten Morgen erwachte und aus dem schmuddeligen Fenster seiner Pension schaute, war er hochzufrieden, denn es versprach ein schöner Tag zu werden. Heute musste er per Schlitten zu jener Forschungsstation weiterreisen, welcher er den Winter verbringen würde und das hätte er nur ungern bei wildem Schneetreiben getan, wenn es beinahe unmöglich wäre, sich zu orientieren. Er würde für die Strecke schon bei gutem Wetter dreieinhalb bis vier Stunden brauchen, wenn nicht gar länger, schwer beladen wie er sein würde mit seiner ganzen Ausrüstung, seinem Gepäck und dem Proviant. Stiles stieg aus dem Bett und verschwand zuerst einmal im Bad. Er wollte heute unbedingt noch einmal ausgiebig und heiß duschen, denn er hatte bereits im Vorfeld das Manual zu der Trinkwasseraufbereitungsanlage in der Forschungsstation gelesen und da war ihm klar geworden, wie mühsam es werden würde, diese zu betreiben und dass er wohl zukünftig sparsam mit Wasser umgehen musste. Als Stiles nun allerdings in die Badewanne der Luxusherberge von Barney Barnes steigen wollte, entdeckte er, dass dort in einer Ecke etwas wuchs, von dem selbst er als Biologe nicht genau sagen konnte, was es war; Pilz, Flechte, oder vielleicht doch eher eine außerirdische Lebensform? Es half jedoch alles nichts! Wenn er halbwegs sauber werden wollte, dann musste Stiles wohl oder übel in die verdreckte, widerliche Wanne steigen. Er bot der Kreatur, die dort behaglich vor sich hin wucherte also friedliche Koexistenz an und stellte den quietschenden, rostigen Wasserhahn an. Als Stiles lediglich in eine Handtuch gewickelt wieder aus dem Bad kam, stand Barnes plötzlich vor ihm. Er betrachtete seinen halbnackten Pensionsgast eine Spur zu lange und wollte dann wissen, was dieser zum Frühstück wollte. Stiles besah sich das schmutzige Unterhemd, welches der Kerl trug, seine dreckigen, zu langen Fingernägel und er wollte lieber gar nicht wissen, was das für ein komischer, heller Fleck vorne an Barnes Hose war. Er würde lieber barfuß über Glasscherben laufen, als irgendetwas zu essen, das dieser Mann zubereitet hatte und so erwiderte er schnell, dass er keine Umstände machen wolle und darum zum Frühstück ein weiteres Mal hinüber ins Diner gehen würde. Besten Dank! Und ehe Barney Barnes noch etwas dagegen einwenden konnte, schloss Stiles rasch die Tür hinter sich, um sich etwas anzuziehen. Das Frühstück von Emma enttäuschte ihn nicht. Er bekam einen Stapel kleiner, dicker Buchweizenpfannkuchen, getränkt in Ahornsirup, einen wunderbaren Milchkaffee, mit dem die Plörre, für die er in New York fünf Mäuse hinlegen musste keinesfalls nicht mithalten konnte und ein paar Würstchen. Das war sicher nicht das, was der Doktor empfehlen würde, aber es war verdammt lecker! Und als Stiles zahlte, hatte Emma ihm ungefragt auch noch ein Lunchpaket zusammengepackt und erklärte: „Es wird kalt da draußen und du hast einen weiten Weg vor dir, Junge. Das wirst du brauchen, dürr wie du bist!“ Stiles fragte sich zwar, wie Emma mit der ganzen Thermokleidung, die er trug beurteilen wollte, wie dünn er wirklich war, aber er war dennoch gerührt von der mütterlichen Geste und bedankte sich strahlend, ehe er verschwand. Zurück in der Unterkunft wurde er von Barney Barnes bereits erwartet, welcher ihm zurief: „Wird Zeit, dass de lerns´, wie so´n Schlitten funktioniert, Stilinski!“ Es stimmte; Stiles hatte so einen Motorschlitten noch niemals gefahren, also folgte er Barnes nach draußen, um sich einweisen zu lassen. Und dieser rückte ihm dann auch gleich ein wenig zu nah auf die Pelle, als er Stiles alles zu erklären versuchte. Stiles konnte ja verstehen, dass die Winter hier draußen, lang, kalt und einsam werden konnten, doch das hieß noch lange nicht, dass er es zulassen würde, dass dieser rassistische, Wölfe hassende, schmuddelige Widerling sich deshalb an ihm reiben durfte und deshalb fuhr Stiles kurzerhand seinen Ellenbogen als Abstandshalter aus. Barnes sagte nichts dazu. Dafür verlieh er seinem Ärger anders Ausdruck, indem er nämlich von diesem Zeitpunkt an mit Stiles sprach, als sei dieser hirntot! Stiles biss die Zähne zusammen und versuchte, sich nicht provozieren zu lassen, denn immerhin würde Barnes in den nächsten Monaten seine Versorgungslieferung zusammenstellen und wenn Stiles nicht wollte, dass der Kerl ihm zukünftig in die Shampooflaschen pinkelte, sollte er sich wohl gut mit ihm stellen. Wen kümmerte es schon, ob Barnes ihn für einen studierten Idioten hielt, dessen Job es war, Wolfskacke einzusammeln und sich selbst für eine große Nummer, weil er schließlich der Bürgermeister von Tote-Hose-City war? Immer nur lächeln und nicken, sagte sich Stiles! In wenigen Augenblicken wäre er das Ekelpaket los! Als der arme, minderbemittelte Biologieprofessor dann endlich begriffen hatte, wie so ein Motorschlitten zu bedienen sei, half Barney Barnes ihm noch dabei, den Anhänger anzukoppeln, alles aufzuladen und dann war Stiles endlich startklar. Er winkte dem Bürgermeister noch einmal zum Abschied zu, welcher natürlich nicht sehen konnte, wie Stiles, versteckt in seinen Fäustlingen lediglich den Mittelfinger hochhielt und dann brauste er los. Mit dem Schlitten durch die weiße, eisige Wildnis zu fahren, während über ihm die Sonne lachte, welche alles silbrig glitzern ließ, war einfach herrlich! Kaum hatte Stiles die Ortschaft hinter sich gelassen, da erblickte er auch schon die ersten Wölfe. In diesem Fall waren es zwei Mütter mit jeweils zwei Welpen, welche im letzten Sommer geboren worden waren. Die Mütter brachten den Kleinen gerade die Kaninchenjagd bei wie es aussah. Als sie den knatternden Motor näher kommen hörten, blickten die beiden Alttiere misstrauisch auf, entschieden dann jedoch scheinbar, dass der einzelne Mensch keine Gefahr darstellte. Stiles hielt den Schlitten in respektvollem Abstand an und beobachtete die Szene eine Weile und freute sich schließlich im Stillen mit den Raubtieren, als ihre Jagd am Ende erfolgreich war. Dann jedoch startete er lieber wieder den Motor und setzte seinen Weg fort, ehe er am Ende doch noch von einem Unwetter überrascht würde, bevor er sein Ziel erreichte. Irgendwann sah er aus dem Augenwinkel in weiter Ferne etwas das scheinbar mit ihm Schritt hielt. Zunächst nahm Stiles an, es werde wohl ein anderer Schlitten sein, bei dem Tempo, doch so war es nicht und er traute seinen Augen kaum, als er erkannte, dass es ein schwarzer Wolf war, der da praktisch neben ihm her hechtete, wenn auch mit reichlich Abstand zu ihm. Stiles warf einen prüfenden Blick auf den Tachometer und stellte fest, dass er mit sechzig Stundenkilometern unterwegs war. Ein Wolf konnte auf längeren Strecken schon einmal fünfzig Stundenkilometern schnell sein, auf kurzen Distanzen, zum Beispiel auf der Jagd auch auf bis zu fünfundsechzig Stundenkilometer beschleunigen, doch dieser Wolf schien nicht auf der Jagd zu sein. Vielmehr hatte Stiles das Gefühl, er wurde hier gerade zu einem Wettrennen herausgefordert. Doch das Tempo war nicht das einzig bemerkenswerte an diesem Tier. Und zwar war da zunächst einmal die Farbe: Stiles hätte in dieser Gegend nicht damit gerechnet, einem pechschwarzen Wolf zu begegnen, denn damit fiel er hier in der weiß verschneiten Landschaft doch sofort auf, wie ein bunter Hund! Und dann war da auch noch die Größe dieses Tieres. Stiles konnte es auf die Distanz zwar nicht genau sagen, doch er hatte den Eindruck, dass es wahrlich gigantisch war! Der Biologe beschleunigte seinen Schlitten Stück für Stück bis er schließlich bei fünfundsiebzig Stundenkilometer angelangt war und stellte verblüfft fest, dass der schwarze Riese zu seiner Rechten immer noch mühelos Schritt hielt. Das konnte doch kein gewöhnlicher Wolf sein. Vielleicht handelte es sich ja um einen Hybriden aus Wolf und Hund? In dieser Gegend hatte es schließlich Hunde gegeben, solange Menschen hier siedelten. So musste es sein, beschloss Stiles! Was sollte es sonst sein? Gern hätte er sich das eigenartige Tier einmal aus der Nähe angeschaut, doch wann immer er versuchte, sich ihm zu nähern, wich es aus, bis sie wieder die ursprüngliche Distanz zu einander hatten: „Schade, dass du so scheu bist, du Prachtstück!“ murmelte Stiles vor sich hin und registrierte amüsiert, dass er reichlich früh mit den Selbstgesprächen anfing. Damit hatte er eigentlich erst in ein paar Wochen gerechnet, wenn die Einsamkeit zu groß wurde. Das Rennen zwischen dem Biologen und dem besonderen Wolf dauerte etwa eine weitere halbe Stunde und Stiles konnte nicht begreifen, wie das Tier bei dieser Geschwindigkeit überhaupt die ganze Zeit mithalten konnte. Dann urplötzlich hielt der große, schwarze Wolf inne und starrte in eine bestimmte Richtung, an Stiles vorbei zu seiner Linken. Der Mensch wendete seinen Kopf in dieselbe Richtung und was er dort erblickte, ließ sein Herz vor Aufregung und Freude ein klein wenig höher schlagen, denn aus einem kleinen Koniferenwäldchen trat in diesem Augenblick ein riesiges Wolfsrudel, welches aus mindestens dreißig Tieren bestand. Stiles hatte den Schlitten mittlerweile gestoppt und wollte sehen, wie sein neuer, schwarzer Freund darauf reagierte, doch der riesige Wolf war verschwunden, wie der Mensch mit Bedauern feststellte. Er fragte sich, ob er das Tier, über das er gern so viel mehr erfahren hätte, wohl noch einmal wiedersehen würde. Eine Weile verweilte Stiles noch, um das große Rudel und seine sozialen Interaktionen zu beobachten, doch als dieses ihm nach einer Weile ungemütlich nahe kam, startete er den Schlitten ein weiteres Mal und fuhr ohne weitere Unterbrechung weiter, bis zu seinem Ziel. Die Forschungsstation war viel komfortabler, als Stiles angenommen hatte. Besonders erleichtert war er, dass es hier recht viel Platz gab, da er bei diesen Temperaturen wohl viel Zeit drinnen verbringen würde. Er machte sich sogleich daran, sein gesamtes Gepäck zu verstauen und die Anlagen hier in Betrieb zu nehmen, denn die Station hatte ihre eigene Windkraftanlage für die Stromversorgung, einen Benzintank draußen, um den Schlitten zu betanken, die Wasseraufbereitungsanlage, die den Niederschlag in Trinkwasser verwandelte und damit war das Gebäude autark und nicht auf die Versorgung von einem anderen Ort angewiesen. Im Inneren gab es ein überraschend gut ausgestattetes Labor, welches für Stiles Zwecke mehr als ausreichend war, sowie mehrere Computer, an welchen er arbeiten konnte. Und er fand einen kleinen Sportraum mit Hantelbank und Heimtrainer. Nicht das Stiles so eine Sportskanone gewesen wäre, doch sich ein bisschen fit zu halten, war sicherlich keine schlechte Idee. Der Wohnbereich war richtig gemütlich und es fehlte wirklich an nichts. Es gab sogar eine Stereoanlage und einen Fernseher. Zwar würde es hier draußen sicherlich keinen Empfang geben, aber der DVD-Spieler mit einer großen Auswahl an Filmen würde sicher für Abwechslung in den langen kalten Nächten sorgen. Die Küche war klein und zweckmäßig und würde Stiles genügen. Richtig begeistert war er vom Schlafzimmer. Er hatte mit unbequemen Stockbetten gerechnet, doch er fand ein voll eingerichtetes Schlafzimmer mit zwei komfortablen Einzelbetten und eigenen Nachttischen vor. Er ließ sich auf eines davon fallen und es war einfach himmlisch! Draußen war es rasch dunkel geworden. Stiles heizte zunächst einmal im Haus tüchtig ein, bereitete sich dann ein einfaches Abendessen aus den mitgebrachten Lebensmitteln und hockte sich dann vor den Fernseher. Wie erwartet gab es dort nichts weiter zu sehen, außer ein paar – wortwörtlich – verschneiten Sendern, also besah er sich die DVDs und entschied sich für eine Serienbox und das lediglich aufgrund des Titels. Die Serie hieß nämlich `Ausgerechnet Alaska´. Na das Passte doch! Stiles schaffte gerade mal drei Folgen, als er müde ins Schlafzimmer umzog. Es war zwar gerade erst halb zehn, doch die ungewohnte Kälte hatte ihn vollkommen geschafft. Es würde wohl eine Weile dauern, ehe er sich daran gewöhnt hätte. Stiles schaltete sein Handy ein; eigentlich bloß, um zu sehen, ob er hier ein Netz hatte – hatte er natürlich nicht – doch auf dem Display begrüßte ihn immer noch Lydias süßes Gesicht. Das musste er mal ändern, nahm er sich vor. Irgendwann. Er wischte sich mit dem Ärmel seines Flanellpyjamas über die feuchten Augen, stellte das Telefon wieder ab und kuschelte sich mit einem traurigen Seufzer ins Bett. Sehr viel später in der Nacht erwachte Stiles ein weiteres Mal von dem langgezogenen, sehnsuchtsvollen Ruf eines einzelnen Wolfes. Beinahe kam es Stiles so vor, als sei es derselbe, wie in der Nacht zuvor? Und beinahe fühlte es sich so an, als rufe er nach ihm? Doch das war natürlich vollkommener Blödsinn! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)