Die Kinder des Windes von Elnaro (Der König von Kalaß) ================================================================================ Kapitel 4: Vergebung -------------------- Knarzende Stufen hinab steigend, hört sie entfernte Stimmen aus dem großen Raum unter sich. Sie hält überrascht inne, als sie ihren Namen fallen hört. Um keine Geräusche mehr beim gehen zu verursachen, verlangsamt sie ihren Schritt und steigt nun Stufe um Stufe auf Zehenspitzen herab. Wenn sie in das Gespräch hinein platzt, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach abgebrochen und das will sie vermeiden. Sie hört angestrengt hin und erkennt, dass sich Atane und Fuathel miteinander unterhalten. „Diese dumme Kuh spielt sich auf wie die Sonnengöttin persönlich, dabei wissen wir beide, dass sie keine ist. Hana hat sich da einfach nicht einzumischen. Das ist nur eine Sache zwischen mir und Siva. Keinen Schritt in Menschengestalt kann ich mehr machen, ohne dass sie mich überwacht.“ tobt Fuathel. Anscheinend hat er irgendeine „Hana“ getroffen, die sich für die Sonnengöttin ausgibt, schließt Siva. Könnte er von Ahanani, der Göttin der Erde sprechen? Ihr Herz beginnt aufgeregt zu pochen. Die unglaublich wäre es auch die anderen drei Götter zu treffen? Sie bleibt noch ein wenig stehen, um vielleicht noch etwas herauszufinden. „Du kannst ruhig selbst dazu Stellung nehmen, süße Prinzessin. Achso und glaub mir, Hana möchtest du nicht freiwillig kennenlernen. Sie ist ein herrisches Weib. Du könntest sie genauso wenig ausstehen wie ich es tue, hah, oder Ramon.“ ruft Fuathel beschwingt in Richtung Treppe, auf der sich Siva versteckt hält. Sich ertappt fühlend kommt die junge Frau aus ihrem Schutz hervor. Dass er ihre Anwesenheit spüren und sogar ihre Gedanken lesen könnte, hätte sie sich auch denken können. Der Gott in Gestalt eines außerordentlich hübschen Mannes grinst sie an, fasst sich mit seiner Hand an den Kragen seines altertümlichen Gewandes und fragt selbstbewusst: „Und? Was sagst du dazu?“ Die schon wieder von der Situation überforderte Siva bemerkt, wie Atanes Augenbrauen in die Höhe gehen. Leicht genervt erklärt sie das Anliegen ihres Mannes: „Mein Göttergatte will wissen, ob du mit ihm gemeinsam eine neue Dynastie von Gotteskindern erschaffen möchtest. Sag ihm bitte, dass er damit Ruhe geben soll.“ Erwartungsvoll in Sivas Gedanken blickend, fragt er bohrend: „Dir ist doch auch schon aufgefallen wie degeneriert meine Kinder inzwischen sind. Das ist doch kein Zustand. Gestern war ja nur Chaos in deinem Kopf, aber heute bist du ausgeschlafen und stimmst mir sicher zu. Mach dir keine Gedanken um Ramon. Den erhalten wir hier schon am Leben. Nichts leichter als das. Außerdem hast du ihn schon erweckt. Du bist nicht seine Mutter. Er kann selbst dafür sorgen zu überleben. Denk doch mal nach, du bist quasi die erste Frau und die ist niemandem verpflichtet.“ So verwirrt wie gestern ist sie heute nicht. In vielem würde sie ihm widersprechen, doch sie ist mal wieder nicht in der Lage das dem Gott des Windes das ins Gesicht zu sagen. Geschockt macht er einen Schritt nach hinten, denn es gefällt ihm nicht was er in den Gedanken seiner Enkelin sieht. Fassungslos erklärt er seiner Frau: „Ich glaub es nicht. Atane, sie steht wirklich auf den Fiesling. Das hatte ich gestern nur im Spaß gesagt. Anscheinend sitzt er oben und flennt und das Prinzesschen weiß nicht was es tun soll. Dieser Gedanke beherrscht sie trotz meines Angebots.“ „Nicht ganz was ich meinte, Siva, aber so geht es auch.“ bestärkt Atane die sich gegen den Gott auflehnende junge Frau. „Nagut Siva, fürs erste ziehe ich mich zurück. Aber nur weil ich Ramon so gut leiden kann. Er hat ein wenig Glück in seinem Leben verdient, finde ich. Ohh, was bin ich nur für ein nachsichtiger Gott. Der Mann sollte mir wirklich dankbar sein.“ schwärmt Fuathel über sich selbst und löst sich direkt nach seiner Selbstbeweihräucherung in Wind auf. Eine Türkis-Violette Bö streicht durch die Kleidung der beiden Frauen und verschwindet dann aus dem Raum. Atane atmet tief aus und schließt dabei die Augen. Dann öffnet sie sie wieder geht mit einladenden Armen auf ihre mutige Enkelin zu. „Mein Kind, lass dich nicht zu sehr von ihm ärgern. Er ist nunmal der Gott des Windes und das wird sich niemals ändern. Ihn zu ignorieren war eine gute Entscheidung von dir. Aber lassen wir das hinter uns und wenden uns den wichtigen Dingen zu. Wir haben so viel zu besprechen. Bitte erzähle mir etwas aus der Kindheit von Toras Reinkarnation. Wer hat ihn großgezogen? Wie ist er aufgewachsen? Ich bin seine Mutter und war nicht bei ihm.“ Atane ist Fuathels Anwandlungen gewöhnt. Sie weiß, dass er Siva nicht begehrt und ihr nicht untreu werden wird. Ihm geht es um eine Idee, die genauso schnell wie sie kam, auch wieder vergessen sein kann. Allerdings fehlt ihm das Feingefühl solche fixen Ideen zunächst mit ihr zu besprechen. Er hat es nicht einmal fertig gebracht ihr von ihrem gemeinsamen Sohn zu berichten, den er, ganz im Gegensatz zu ihr, aufwachsen sehen hat. Wenn sie ihn nicht schon so lange kennen würde und nicht wüsste was für einen windigen Charakter er hat, wäre sie ziemlich sauer deshalb auf ihn gewesen. Die beiden Frauen setzen sich auf eine Bank, welche direkt vor einer gesäuberten Feuerstelle in der Mitte des großen Raumes steht. Diese Stelle war Siva gestern gar nicht aufgefallen, wahrscheinlich weil dieser Raum mit Menschen gefüllt war. Die Prinzessin versucht möglichst korrekte Angaben zu machen, weil sie nicht weiß welche Fähigkeiten Atane haben könnte und sie nicht als Lügnerin dastehen möchte. Konzentriert berichtet sie: „Amrea, die Frau von Ramons Erstgeborenen war es, die Tora erweckte. Sie nannte ihn Nico und zog ihn wie einen Sohn auf. Mein Vater erzählte mir sie hätte ihm keine Freundschaften erlaubt, doch dann freundeten sie sich mit einer Lehrerfamilie an, die eine kleine Tochter hatten. Acht Jahre lagen zwischen ihm und der kleinen Kara, meiner Mutter. Er sagte mir früher immer er habe genauso mit ihr gespielt wie mit mir.“ Atanes mütterliches und vereinnahmendes des Lächeln, weicht auch Sivas Herz auf. Diese Frau hat ihren Sohn wahrlich geliebt, da ist sie sicher. „Er war bestimmt wieder so ein wunderbarer Junge wie bei mir damals. Sechs Jahrtausende muss es jetzt her sein. Ich gebar ihn in einer Zeit ohne Zeitrechnung …Welche Laufbahn hat er eingeschlagen?“ fragt Atane weich nach. „Ich glaube Amrea gab ihm eine politische Richtung vor, doch als er volljährig wurde starb sie und er ging zum Königlich Roscheanischen Militär.“ Es ist schwierig für Siva diese Information zu ordnen, denn sie kombiniert verschwommene Erzählungen ihres Vaters aus ihrer Kindheit und Ramons neueste Erkenntnisse. „Oh, dann sah er beim Militär wohl ein größeres Potenzial für sich, sehr interessant.“ überlegt Sivas Großmutter, die heute einen viel menschlicheren Eindruck macht als gestern. Wahrscheinlich unterdrückt sie ihre göttliche Aura, um die junge Frau nicht einzuschüchtern. Gerade als sie noch etwas fragen will, ist wieder das Knarzen der Stufen zu hören. Ramon, der sich angezogen und sich all seinen Schmuck wieder angelegt hat, kommt leicht geistesabwesend ins Blickfeld der beiden Frauen. Er grüßt sie, läuft aber ohne ein weiteres Wort an ihnen vorbei. Die göttliche Aura Atanes nimmt merklich zu, als sie ihn anspricht: „Setzt Euch doch zu uns, Letzter König. Wir müssen uns darüber unterhalten welche Rollen ihr beide in unserer kleinen Zufluchtsstätte einnehmen könntet. Ihr habt doch bestimmt noch andere Talente, als zu regieren oder zu kämpfen, oder Ramon?“ Auf diese Sticheleien kann er im Moment wirklich verzichten. Er bleibt stehen, dreht sich zu ihr um und antwortet freundlich, als würde es ihm nichts ausmachen: „Bitte entschuldigt mich, Atane. Wir können gern nachher über unseren Nutzen in der Siedlung verhandeln, doch zunächst habe ich noch etwas zu erledigen.“ Er wendet sich wieder der großen, mit Papier beklebten Schiebetür zu, die er öffnet und sie hinter sich wieder verschließt. Auf dem Weg durch die Siedlung wird er von vielen Mitgliedern seines ehemaligen Hofstaates kritisch beäugt, was durch seine sehr auffällige Erscheinung allerding auch kein Wunder ist. Manche der Leute gehen Beschäftigungen nach wie der Holzverarbeitung, diversen Schritten zur Zubereitung von Essen und andere sitzen oder stehen entspannt zusammen, um sich zu unterhalten. Wahrlich, besonders strebsam sind diese Menschen nicht. An zwei Männer, die in seinen Augen eher Burschen sind, stellt er laut und klar die Frage: „Wo finde ich Prias?“, die sie nicht beantworten, doch eine verbale Antwort benötigt Ramon auch nicht, denn er liest sie einfach aus ihren Gedanken. Er findet seinen ältesten Sohn Prias hinter einem der Häuser auf einem gepolsterten Stuhl sitzend. Sein Erstgeborener sieht seinem Vater von allen drei Söhnen am ähnlichsten, doch reicht er nicht an seine anmutige Präsenz heran. In den Händen hält er eine Nadel mit hellem Faden und eines der grünen Seidengewänder, die viele in der Siedlung tragen. Offensichtlich ist er gerade dabei das hier typische Muster aufzusticken, welches an Pfauenfedern, das Symbol der Gotteskinder, erinnern lässt. Schon von weitem bemerkt Prias die Anwesenheit seines Vaters. Er steckt die Nadel in den Stoff, hebt den Kopf jedoch nicht. „Ihr habt drei Minuten, danach greife ich Euch mit meinem Schwert an, König des Untergangs.“ „Mehr benötige ich auch nicht, mein Sohn. Ich weiß jetzt, dass ich ein furchtbarer Vater war.“ versucht Ramon zu schlichten, doch sein Sohn hat nichts als Spott für ihn übrig: „Vater? Dass ich nicht lache. Ich habe erst gelernt was es bedeutet Vater zu sein, als ich selbst einer wurde und wo sind meine Kinder jetzt? Sie sind alle tot. Euch, werter Vater, haben wir das alles hier zu verdanken. Den ganzen Schmutz, die ganze Arbeit, dieses ganze primitive Scheißleben! Ich hätte nach Euch König werden sollen und danach meine Kinder, doch Ihr trautet es uns nicht zu. Ich war vielleicht nicht perfekt, aber ich hätte es besser gemacht als Ihr. Jeder verdammte Idiot hätte es besser gemacht als Ihr. Ihr habt das Reich und unser Volk in den Untergang getrieben. Und hört endlich auf Euch wie ein König zu kleiden. Ihr macht Euch nur lächerlich, aber mir soll es Recht sein.“ Ramon hat verstanden, dass es nichts nützt sich hinter Umständen zu verstecken. Er war Prias kein Vater, weil Madlene ihren Sohn vor ihm abschottete, doch das hätte er sich nicht von ihr bieten lassen müssen. Es kam ihm ganz gelegen möglichst wenig mit ihr zu tun zu haben und nun rächt es sich. Sie verdarb den Jungen schon von klein auf. Hätte er ihm den Thron überlassen, dann hätte sie triumphiert.. „Es stimmt was Ihr sagt, Prias. Ich war ein schlechter Vater und ein schlechter König. Es gibt weder eine Entschuldigung, noch eine Wiedergutmachung dafür und Ihr seid derjenige den es von allen am schlimmsten getroffen hat. Das ist mir bewusst und deshalb stehe ich jetzt hier vor Euch.“ In Prias‘ Ohren hört sich das alles wie der größte Hohn an. Wutentbrannt steht er auf, wirft das Seidengewand beiseite und holt sein Schwert aus dem Haus. Es ist eines der wenigen, die in der Siedlung überhaupt existieren. „Wie war es tot zu sein? War es schön auf der anderen Seite? Ich hoffe es für Euch, denn ich schicke Euch jetzt darin zurück.“ schreit er aufgebracht noch in der Tür stehend. Eine schöne Frau, die hinter ihm auftaucht fragt zärtlich, aber verwirrt: „Warum holst du dein Schwert, Liebling?“ bevor sie unsanft von ihm weggestoßen wird. „Verschafft Euch nur mein Tod Genugtuung, Prias? Nur zu! Ich werde mich nicht verteidigen.“ fordert Ramon seinen Sohn auf ihn anzugreifen. Siva, der das Gemüt ihres Verlobten und Mentors noch düsterer vorkam als zuvor im Bett und die auf sein darauffolgendes Verschwinden misstrauisch wurde, ist ihm gefolgt. Diese Art von Situation hat sie schon zweimal mit ihm durchleben müssen und sie kann inzwischen einschätzen wann er wieder vor hat etwas überaus dummes zu tun. Zu ihrem Leidwesen hat sie Recht behalten und ruft ihm nun panisch von weitem zu: „Ramon, was tut Ihr da?“ Prias nutzt den Augenblick der Ablenkung für sich aus, um mit einem gezielten Hieb auf seinen Vater los zu gehen. Da Ramon gar nicht vor hat auszuweichen, trennt ihn nur noch Siva von seinem sicheren Tod. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als auf ihre Macht zu vertrauen. Sie dringt in Prias‘ Geist ein, den sie bezwingt. Es war ein Leichtes, denn auch wenn er entschlossen wirkt, so ist er voller Zweifel. Sie befielt ihm den Angriff abzubrechen und das Schwert weg zu werfen. Im Bruchteil einer Sekunde, sendet sie ihm die Botschaft tausendfach und sie zeigt Wirkung. Der Erstgeborene bleibt stehen, lässt das Schwert in den Schmutz fallen und fasst sich an den Kopf, als habe er starke Schmerzen. „Scheiße, wer ist das?“ brüllt er. Die Prinzessin läuft zu ihrem Liebsten, dessen Todessehnsucht anscheinend noch immer nicht gestillt zu sein schien. Dadurch wird Prias nun klar, dass sie es gewesen sein muss. Eine solche Technik anzuwenden ist nicht nur unwahrscheinlich schwierig und gefährlich, sie ist auch verboten. „Verdammte kleine Hure!“ schreit er unter Schmerzen. „Ihr seid Ramons Erstgeborener, richtig? Ich weiß nicht genau was zwischen euch beiden vorgefallen ist, aber Vatermord kann nicht die richtige Lösung sein.“ faucht sie aufgebracht, was ihn nur noch mehr in Rage bringt. „Behaltet Eure Weisheiten für Euch. Ihr seid nichts mehr als ein Kind.“ „Ein mächtiges Kind, mit dem Ihr Euch nicht anlegen solltet.“ kontert sie. Solche Frechheiten lässt sie sich nicht sagen. Mindestens zwanzig Zuschauer hat der Lärm angezogen und darunter befindet sich auch Atane, die nun einschreitet. „Siva, Liebes, du solltest niemandem von uns drohen, hörst du? Es ist völlig egal wer im Recht ist. Wir gehören alle zusammen. Lasst uns erst einmal wieder ins Haus gehen, bis sich die Aufregung gelegt hat.“ Siva kann das alles nicht auf ihrem Verlobten und vor allem nicht auf sich sitzen lassen. Immerhin hat sie sich für ihn entschieden und ihn offen anzugreifen ist auch ein Verrat an ihr. „Ihr alle habt es gehört, Ramon ist nicht mehr der, der er einmal war. Er hat ein neues Leben erhalten und er bereut seine Fehler. Gebt ihm die Möglichkeit es euch zu beweisen!“ ruft sie in die Runde. „Lass gut sein, Siva.“ flüstert er ihr zu, denn großes Getuschel bricht auf ihre Ansprache hin aus. Sie und auch Ramon lassen sich beide unabhängig voneinander dazu hinreißen in einzelne Gedanken zu blicken. Manche sind hasserfüllt, aber nicht alle, doch jeder einzelne von ihnen achtet und respektiert Atanes Eingreifen. Die drei gehen zurück in das große Hauptgebäude, aus dem sie gekommen sind. Kaum hat Atane die leichte mit Papier bespannte Holztür zugeschoben, um ihre beiden Sorgenkinder vor den interessierten Blicken ihres Volkes zu schützen, lässt Siva ihrer Wut freien Lauf. „Ramon, verdammt nochmal! Seid Ihr noch ganz bei Trost? Wieso wollt Ihr so unbedingt getötet werden? Erst von mir, dann von meinem Vater und nun von Eurem Sohn. Ich bin es langsam leid, Euch ständig retten zu müssen. Bin ich Euch so zuwider, dass Ihr Euch den Tod wünscht?“ brüllt sie haltlos. Die dünnen Außenwände bieten nahezu keinen Schallschutz was sie in diesem Moment nicht beachtet. Sich Siva nicht zur Rechenschaft schuldig fühlend, geht er schweigend an ihr vorbei. Er hat es ihr schon versucht zu erklären. Ihr fehlendes Einfühlungsvermögen wird sie es niemals verstehen lassen, glaubt er. „Weiht mich doch wenigstens in Eure Pläne ein, damit ich Euch vor Euch selbst beschützen kann. Und zwar bevor Ihr wieder solchen Unfug macht! Oder vertraut Ihr mich nicht?“ wettert und fleht die Prinzessin wie zuvor, doch diesmal nimmt er Stellung: „Ihr seid eine Mana-i. Es hat keinen Zweck es Euch zu erklären, denn Ihr würdet es ja doch nicht begreifen.“ antwortet er emotionslos, wodurch seine Liebste geschockt einatmet und erstarrt. „Was wollt Ihr damit sagen, Ramon?“ fragt sie verletzt. Er senkt den Kopf und ärgert sich darüber diesen Satz ausgesprochen zu haben. „Bitte entschuldigt, Prinzessin. Das hätte ich nicht sagen dürfen.“ Er setzt sich wieder in Bewegung, um ihr zu zeigen, dass das Gespräch für ihn beendet ist, doch sie hakt nach und befiehlt: „Nein, Ihr bleibt hier und erklärt mir was ich falsch gemacht habe!“ Siva wirft einen prüfenden Blick zu ihrer Großmutter, die ein überfragtes Gesicht macht. Ramon sieht sich zur Prinzessin um und antwortet widerwillig: „Ihr macht gar nichts falsch. Es liegt in Eurer Natur. Nicht jede Eurer oder meiner angeborenen Eigenschaften ist ein göttlicher Segen. Ihr wertet die Abgründe meiner Seele niemals verstehen können. Fuathels Kinder waren schon immer einsam und sie werden es auch immer sein. Denkt an Euren Vater, Eure Mutter, Euch selbst. Auf jeden einzelnen von uns trifft es zu.“ Siva fühlt sich beleidigt und kann seiner Schlussfolgerung nicht zustimmen. Sie fragt sich wieso sie ihn auserwählt haben sollte, wenn sie mit ihm nicht über die Düsternis ihrer und seiner Seele sprechen kann. Dann hätte sie genauso gut bei dem herzensguten Prinzen Aiven und ihrem verschlossenen Vater bleiben können. Vielleicht braucht sie etwas länger als ein normaler Mensch, um seine Gefühle nachvollziehen zu können, doch ihr diese Fähigkeit vollends abzusprechen, hält sie für eine Unverschämtheit, die sie von ihm nicht erwartet hätte. Seine und ihre Basis sind sich so ähnlich, dass sie nicht viel Empathie benötigt, um ihn zu verstehen. Er braucht nur etwas Geduld. „Ihr tut mir Unrecht.“ erwidert sie verärgert. „Auch wenn ich früher über Euch gespottet habe, heute tue ich das nicht mehr. Alleindas ist schon ein Beweis dafür, dass ich Verständnis für Euch aufbringe. Ich rette Euch doch nicht jedes Mal, weil mir das gerade in den Kram passt, sondern weil ich bei Euch sein will. Sagt mir doch was Euch bewegt!“ Es tut ihm gut das zu hören, deshalb geht er zu seiner geliebten Prinzessin, der er zärtlich über die aus Ärgernis errötete Wange streichelt. „Ihr wünscht Euch in die Abgründe meiner Seele zu schauen, doch seid Ihr auch bereit mir Eure zu zeigen? … Warum seid ihr wirklich bei mir, Siva?“ fragt er mit seiner tiefen zarten Stimmlage, die der jungen Frau eine Gänsehaut verpasst. Sogar Atane, die einige Meter entfernt steht, fröstelt. Sie fängt so langsam an zu verstehen wieso dieser Mann so lange nicht von Seinesgleichen aufgehalten wurde, obwohl er das offensichtlich Falsche tat. Es erinnert sie an die Überzeugungskraft ihres eigenen Sohnes, auch wenn dieser seinen Charme weniger erotisch ausstrahlte. Das hätte sie auch gar nicht zugelassen, denn dann hätte sie ihm die Ohren lang gezogen. Das Schlimme an der Sache ist eigentlich, dass Ramon so etwas nicht nur so daher sagt, wie Fuathel es getan hätte, um eine Frau gefügig zu machen. Der Geist des Windgottes war immer frei vom Verständnis für richtig oder falsch, gut oder böse. Ramon hingegen versteht es sehr wohl und das ist es auch, was ihn zu einem wahren Teufel macht. Sie weiß schon warum sie ihn vom ersten Moment an nicht mochte. Siva antwortet nicht, denn alles was ihr einfällt, lässt sie in keinem guten Licht erscheinen. Er ahnt was in ihr vorgeht, nimmt seine Hand wieder von ihr und schließt: „Ihr habt nicht das Recht mich zu hinterfragen, solange Ihr mich nicht versteht und ich offenbare mich erst dann gänzlich, wenn Ihr bereit seit das gleiche zu tun. Ich bin es gewohnt allein und unverstanden zu sein, doch ich glaube Ihr erhofft Euch mehr als das, nicht wahr, Siva? “ Dann tritt er einen kleinen Schritt von ihr zurück und wendet sich freundlich nickend seiner Zuschauerin zu: „Sprechen wir über unseren gesellschaftlichen Nutzen, Atane.“ Ramon übergeht Sivas Verärgerung. Er selbst fühlt sich befreit. Egal was die anderen da draußen über ihn denken mögen, er hat seinem Sohn die Wahrheit sagen können und sich endlich bei ihm entschuldigt. Auch wenn er seine junge Geliebte gerade zurechtgewiesen hat, so hat sie ihm ein weiteres Mal gezeigt wie wichtig er ihr ist. Die Herrin des Hauses kann über das Verhalten des Letzten Königs nur den Kopf schütteln, aber immerhin scheint er nicht zu versuchen an ihrem Stuhl zu sägen, eines der wenigen Dinge, die sie an ihm schätzt. „Wie wäre es, wenn wir erst einmal etwas frühstücken?“ stöhnt sie, doch Ramon antwortet zielorientiert: „Lasst uns das überspringen und zunächst die wesentlichen Sachen besprechen. Folgendes ist mir aufgefallen: im Meer schwimmen jede Menge Fische und im Wald sind mir ein Rudel Damwild und einige Rebhühner begegnet, doch keiner in der Siedlung scheint Fisch oder Fleisch zuzubereiten. Habe ich es übersehen, oder sind keine Fischer oder Jäger unter Euch?“ Erneut schüttelt Athane ihren Kopf. „Nein, wir bauen Reispflanzen, Kräuter, Obst und Gemüse an und halten Hühner für die Eier und Schafe für die Milch und die Wolle, doch wir töten keine Tiere.“ „Weil ihr es nicht wollt, oder weil sich keiner dafür gefunden hat?“ fragt Siva interessiert, die ihren Frust erst einmal herunter geschluckt hat. Beim Stichwort Jagt begannen ihre Augen zu funkeln und ein begieriges Lächeln kehrte auf ihre Lippen zurück, was Ramon schelmisch zu ihr blicken lässt. So wie er Siva einschätzt, tötet sie genauso gern wie er, doch das ist keine allzu verbreitete Eigenschaft unter ihrem harmonieliebenden Volk. „Und was ist mit Wein? Auch wilde Weinbeeren habe ich gesehen, doch keinen Hang, an dem sie angebaut werden, oder ist Alkohol auf der Insel verboten?“ fügt Ramon hinzu, bevor Atane antworten konnte, was sie nun nachholt. „Alkohol ist keineswegs verboten. Wir setzen den Reis an und machen ihn zu Wein. Ich wusste nicht, dass das auch mit Beeren möglich ist. Bei Fleisch und Fisch verhält es sich ähnlich. Es hat sich niemand gefunden, der diese Aufgaben übernehmen wollte und wir haben uns damit arrangiert.“ Es braucht nur einen Blick in Sivas Gesicht und beiden ist klar, dass sie ihre Berufung gefunden haben. Die Prinzessin erholt sich von ihrem Ärger gut, jetzt wo sie so rosige Aussichten hat. Sie deutet auf Atanes nackte Füße, verkündet lachend voller Vorfreude: „Dann kannst du dir aus dem Leder Schuhe anfertigen lassen“ „Ich habe Schuhe, du freches Ding.“ lacht die Gottgleiche. Wenn die beiden neue Nahrungsquellen erschließen, wird sie keiner in der Siedlung mehr für überflüssig halten. Der frühere König ist sich sicher, dass sich das Volk schnell an den neuen Luxus gewöhnen wird und dann nicht mehr darauf verzichten kann. Das gibt ihm und seiner Verlobten eine Schlüsselstellung und somit eine Menge potenzieller Anerkennung. Zudem rosten ihre kriegerischen Fähigkeiten nicht ein, was ihre Machtposition unterstreichen wird. Er sieht es vor sich. Es wird nicht lange dauern bis sie nicht mehr nur im Verborgenen das mächtigste Paar auf der Insel sind. Fuathel ist praktisch nie da und Atane sieht ihn im Moment nicht als Gefahr, doch das wird sich wahrscheinlich bald ändern. Er kam nicht mit diesem Gedanken hier her, aber er fragt sich was er auf längere Sicht schon für dieses Volk anderes sein soll als sein König? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)