Die Kinder des Windes von Elnaro (Der König von Kalaß) ================================================================================ Kapitel 2: Windgott ------------------- Ramon setzt die junge Frau ab, als sie tatsächlich von zwei wahrhaftigen Mana-i noch außerhalb der Sichtweite der kleinen Siedlung empfangen werden. Es sind Tandol und Meran, zwei Adlige die Ramon mehr als nur dem Namen nach kennt, wenn auch nicht so gut wie er es sich wünschen würde. Siva schaut sie sich genau an. Sie findet die beiden Männer weisen eine gewisse Ähnlichkeit zu ihrem Mentor auf. Meran, der größere von beiden, trägt sein langes violettes Haar offen. In der kurzen Zeit, seit sich die vier begegnet sind, hat er sich schon zwei Mal seine langen Strähnen hinters Ohr zurück geschoben, von wo sie immer wieder nach vorn rutschen. Tandol ist neben ihm eher unscheinbar, wenngleich er, typisch für einen seines Volkes, ein stattlicher und ansehnlicher Mann ist. Seine ebenfalls violetten Haare trägt er zwar kürzer als sein Begleiter, doch immer noch länger als Ramon es tut. Auch ihm rutschen die langen Strähnen ins Gesicht, doch er zieht es vor sich dahinter zu verstecken. Die beiden sind sich sehr ähnlich und haben beide, das was Siva Mana-i Augen nennt, nämlich einen ganz speziellen Glanz im Blick, den sie nur von Ramon, ihrem Vater und sich selbst kennt. Vielleicht mag die Ähnlichkeit der Inselbewohner zufällig sein, doch Nico und Ramon ähneln sich nicht so stark wie diese beiden. Aufmerksam fixieren die Männer die beiden Eindringlinge. Sie zögern, als seien sie mit der Situation ein wenig überfordert. „Ramon?“ stammelt Tandol. Meran, der größere und hübschere von beiden, stellt sich schützend vor den anderen und brüllt unvermittelt: „Was habt Ihr hier zu suchen? Wir haben keinen Platz mehr für Euch, also verschwindet wieder!“ Siva will das Wort ergreifen, doch Ramon hindert sie mit einer haltenden Handbewegung daran. Er spricht für sich selbst, denn diese beiden sind nicht irgendwelche Männer, es sind Ramons jüngste Söhne. Es schmerzt ihn die beiden zu sehen, aber er ist auch froh darüber, dass sie leben. „Meran, Tandol, beruhigt euch bitte. Ich bin weder aus Rache für euren Verrät an mir, noch zur Eroberung dieser Zufluchtsstätte gekommen. Wer leitet diese Siedlung? Führt mich bitte zu ihm.“ „Bewaffnet werden wir Euch nirgends hinführen, Vater und wir werden auch nicht von einem Mann angeführt, sondern von Göttin Atane.“ erhält er vom älteren der beiden Antwort. „Göttin Atane?“ flüstert Siva „Von der hab ich ja noch nie gehört.“ Wie befohlen legt Ramon sein weißes Siegelhemd ab und wirft es zur Seite. Es klirrt beim Aufschlag auf dem weichen Waldboden. Seinen grünen Mantel legt er im Anschluss wieder an und geht während dessen auf Sivas Bemerkung ein: „Atane ist auch keine Göttin. Sie ist Fuathels menschliche Frau. Ich bin ihr allerdings noch niemals persönlich begegnet.“ Das ist eine gute Nachricht für die Siebzehnjährige, die sich zuversichtlich macht. „Fuathels...Frau? Aber dann ist sie ja...dann ist sie meine Großmutter! Sie muss uns einfach empfangen!“ „Behaltet das bitte zunächst für Euch, Prinzessin. Ich muss wissen, wie man auf mich reagiert.“ Erklärt er ruhig, bevor er auf seine Söhne zugeht und sich bei den beiden freundlich erkundigt: „Wie geht es Prias?“ „Seid froh, dass nicht er Euch hier angetroffen hat. Er hätte Euch wohl auf der Stelle angegriffen.“ schärzt Tandol, der Jüngste, als er Ramons Siegelhemd an sich nimmt, was mit einem bösen Blick seines Bruders bestraft wird. Die vier gehen ein paar hundert Meter hinaus aus dem Wald, dann vorbei an einigen bewirtschafteten Feldern und wenigen Holzhäusern mit hübschen spitzen Dächern. Mehr als dreißig oder vierzig Personen können nicht in dieser Siedlung leben, so wenige Häuser wie hier stehen. Sie begegnen einigen anderen Mana-i, die Ramon zum Großteil zuordnen kann. Er begrüßt jeden von ihnen mit einem Kopfnicken, wobei Siva mit einem offenen „Guten Abend“ grüßt, was aber nur von den wenigsten erwidert wird. Von den meisten Leuten werden die beiden Neulinge nur angestarrt, denn sie erkennen ihren ehemaligen König. Sie halten auf das größte und schönste Haus zu, welches als einziges mehr als zwei Stockwerke hat. Es ist ein hohes Holzhaus mit Pagodendächern, wie es Siva noch niemals zuvor in ihrem Leben gesehen hat, doch dem alten König ist dieser Baustil nicht unbekannt. Allerdings ist es schon sehr viele Jahrhunderte her, dass er ein Haus dieses Stils zu Gesicht bekommen hat. Alle Türen und Fenster bestehen aus papierbespannten Holzkonstruktionen, die sich auf Schienen zur Seite schieben lassen. Glas scheint es in der Siedlung im allgemeinen nicht zu geben. Die zwei Gäste und ihre Eskorte betreten das Rathaus nun ohne Umschweife. Die Bewohner bilden eine Schlange und folgen ihnen hinein bis in eine Halle, in der sie von einer edlen Frau in Weiß in Empfang genommen werden. Ihr fast bodenlanges, schwarzes Haar ist zu einem Zopf geflochten, der mit kunstvollen Haarnadeln verziert wurde. Die schöne Frau hat eine sagenhaft anmutige Aura. Sie steht zunächst aufrecht vor dem Letzten König dieses Volkes und seiner unbekannten Begleiterin, kommt dann aber einen Schritt näher und macht dabei ein überraschtes Gesicht. Bestimmt, aber freundlich richtet sie das Wort an die beiden, spricht sie aber nicht direkt an. „Höchst ungewöhnlich.“ Sie tritt noch einmal näher an sie heran. Trotz der vielen Menschen herrscht absolute Stille im Raum. Unter ihrem langen Kleid scheint die schöne Göttin keine Schuhe zu tragen, denn man hört das Geräusch ihrer nackten Füße auf dem Holzfußboden. Zu Ramons, aber weniger Sivas Überraschung, fixiert die Anführerin nun die junge Prinzessin. „Eine Frau Eurer Reinheit habe ich noch niemals zuvor gesehen. Wie ist das möglich? Bitte sprecht, meine Liebe!“ Die Prinzessin hebt offenherzig und stolz ihren Kopf. Sie hat also doch keine Nebenrolle zu spielen. Selbstbewusst beantwortet sie die Frage der schönen Frau mit der göttlichen Aura: „Mein Name ist Siva, Kronprinzessin und Tochter des Halbgottes Torani-Colian, der heute als König Nico bekannt ist und Roshea auf dem Festland regiert.“ Die Göttin lächelt erfreut, mit einem kleinen Ausdruck von Verstimmung. „Dann brauche ich nicht zu förmlich zu sein, denn dann bist du meine wahrhaftige Enkelin. Sei herzlich Willkommen, Prinzessin Siva. Du bringst neuerliche Kunde von meinem Sohn. Ich wusste nicht, dass Tora wiederbelebt wurde. Ramon aber ja anscheinend auch.“ Sie hat ihn instinktiv erkannt, schaut nun abschätzig zu ihm hinüber und ergänzt: „In welchem Verhältnis stehst du zu ihm, mein Kind? Ist er dein Untertan?“ Atane legt ihren Arm um das Mädchen, das über diese Äußerung kichern muss. „Nein, Majestät… Atane, ich würde ihn eher als meinen Verlobten bezeichnen.“ Entsetzt löst die dunkelhaarige Göttin ihren Arm sofort wieder von Siva. „Deinen...nun du erstaunst mich nun schon zum dritten Mal, in so kurzer Zeit. Dabei passiert das auf meine alten Tage nicht allzu oft. Warum erwählst du nicht deinen Vater oder einen deiner Brüder zum Gatten, um deine außergewöhnliche Reinheit zu erhalten? Ich dachte das läge all meinen Kindern im Blut. Statt dessen stellst du mir den verdorbenen Letzen König als deinen Partner vor.“ Diesem reicht es nun, dass über ihn in der dritten Person gesprochen wird und er ergreift erhobenen Hauptes das Wort: „Atane, was auch immer Ihr über mich zu wissen glaubt, ich möchte Euch bitten mich neu zu bewerten. Prinzessin Siva hat sich mir erbarmt, mir ein neues Leben geschenkt und sich mir angeschlossen. Nun beginne noch einmal ganz von vorn.“ Atane wird sauer und dreht sich mit einer furchterregenden Aura zu ihm: „Wer hat es Euch erlaubt mich anzusprechen, Inarus, König des Untergangs? Ihr meintet wohl Ihr habt Euch der edlen Siva angeschlossen? Ihr seid nicht mehr als ein Bittsteller. Euer Lebensfluss ist gestört. Ich sehe doch, dass Ihr Euch aus eigener Kraft nicht einmal selbst am Leben erhalten könnt. Dieses Mädchen hingehen benötigt nicht einmal einen Partner für die Unsterblichkeit. Sie ist ein Phänomen, eine Anomalie, auf die Ihr kein Anrecht habt.“ Diese Rede bringt ihn zum Schweigen. Er weiß nicht welche Fähigkeiten sie besitzt. Sie spricht davon den Lebensfluss sehen zu können, was auch immer das bedeuten mag. Vielleicht könnte ein Fingerschnipp von ihr sein neues Leben augenblicklich aushauchen? Aber auch wenn sie das könnte, würde sie es auch tun? Er hat zu wenige Informationen, um das Risiko zu bewerten. Sie mag ihm im Moment überlegen sein, doch seinen Stolz vergisst er nicht und bleibt aufrecht vor ihr stehen. Gerade als Atane das Gespräch mit Siva wieder aufnehmen will, geht ein starker Windstoß durch den Raum, der die Anwesenden fast von den Füßen weht. „Thel, lässt du dich auch wieder mal blicken?“ faucht die gottgleiche Frau einem verschwommenen violett und türkis schimmerndem Rauch entgegen. „Wie schön dich zu sehen, Liebste. Ja wirklich. Wie viele Jahre sind diesmal vergangen?“ entgegnet der glitzernde Rauch mit einem gewissen Widerhall, aus dem sich nun ein wunderschöner junger Mann mit langen fliederfarbenen Haaren mit geflochtenen Zöpfen darin und einem altertümlichen, bodenlangen türkisen Gewand formt. Das ungewöhnlichste an ihm sind jedoch seine Flügel, welche die Form eines Pfauenschwanzes haben, die sich nun langsam beginnen zurück zu bilden. Seine Aura ist so überwältigend, dass es Siva schwer fällt ihn länger anzusehen. Ohne Umschweife geht der, ohne Hemd nicht ganz angemessen gekleidete Ramon vor dem Neuankömmling auf die Knie und alle Zuschauer in der Halle tun es ihm gleich. Nur Siva und Atane bleiben stehen. „Vierundfünfzig“ antwortet seine Frau dem Gott des Windes schließlich leicht gereizt. Er dreht eine Runde um seine Frau und begrüßt sie mit dem Kommentar: „Genauso lieblich wie ich dich in Erinnerung habe.“ Sie schließt als Reaktion nur resigniert die Augen. Im Anschluss begibt er sich zur jungen Prinzessin, die es als einzige anscheinend nicht für notwendig zu halten scheint, vor einem leibhaftigen Gott auf die Knie zu gehen, was ihm durchaus gefällt. Tatsächlich ist sie vor seiner Macht wie zur Salzsäule erstarrt. Auch um sie läuft Fuathel herum. „In meiner körperlichen Form hast du eine ganz andere Wirkung auf mich, liebe Enkeltochter. Du bist die schönste Frau, die ich unter meinen Kindern je gesehen habe. Ich habe meinen Sohn und damit auch dich von klein auf begleitet. Hast du das bemerkt? Nein? Schade. Ist ja nur einen Wimpernschlag her, dass Tora sich über deine Geburt gefreut hat und die hat selbst mich überrascht. Mann, habe ich mich gefreut, dass er endlich mal eine Tochter bekommen hat und nicht immerzu nur Söhne, Söhne, Söhne... Selbst ich weiß nicht warum die Reinsten immer nur Söhne bekommen. Ach, du wunderst dich über die vielen Frauen hier? Es ist kaum noch etwas von mir in ihnen, das hat den Effekt gemindert. Da kommt mir ein Gedanke, Mädchen. Was hältst du von einem Neustart? Wir zwei fangen nochmal ganz von vorne an. Nicht gut? Ich zeig dir mal was.“ Völlig ungefragt, aber auch unbemerkt hat er sich in Sivas Gedanken geschlichen, sie immerzu ausgelesen und zeigt ihr nun Bilder einer Weltenkönigin mit einem im Wind wehenden Gewand, die sie in seiner Zukunftsvision darstellen soll. Das Mädchen weiß nicht wie sie auf diesen wahrhaftigen Gott mit seiner überwältigenden Präsenz und seinen Weltherrschaftsideen reagieren soll. Er ist überhaupt nicht so wie sie ihn sich vorgestellt hat. Die sonst so großspurige Prinzessin bekommt keinen Ton heraus, was den Windgott dazu bewegt fröhlich zu kommentieren: „Du bist gerade viel zu verwirrt, als dass ich deuten könnte wie zu dazu stehst. Schade, aber nicht schlimm. Ordne dich, ja? Wir unterhalten uns später über meine Idee, meine Schönheit.“ Dann schwebt er hinüber zum knienden Ramon. „Ach komm schon, steh auf, Mon. Ich bin dir nicht böse, das weißt du doch. Oder bist du mir böse? Wenn ich so darüber nachdenke, hätte ich mich vielleicht nach der dummen Sache nochmal bei dir blicken lassen sollen. Na, ist jetzt auch nicht mehr zu ändern. Nur ein kleiner Tipp, halt doch lieber fern von den anderen drein. Die mögen dich nicht mehr, ich dafür umso mehr. Du bist wie das schwarze Schaf der Familie. Das gefällt mir.“ Als hätte er das meiste was der Gott zu ihm sagte gar nicht gehört, erhebt sich Ramon und bittet ihn mit gesenktem Kopf unterwürfig, wie man ihn zuletzt gegenüber dem Halbgott Torani- Colian erlebt hat: „Ich bringe Euch die vier Elementarsiegel zurück, die ich für meine Zwecke missbraucht habe, Windgott. Ich bitte Euch sie wieder an Euch zu nehmen, denn sie gehören mir nicht.“ „Klar gehören sie dir. Ach komm schon, Mon, diese Demutsnummer haben wir doch schon hinter uns. Pass auf, wir machen es so: Du kannst sie behalten, wenn du sie zum Schutz meiner Enkelin einsetzt!“ sagt der Gott etwas irritiert über Ramons Rückfall. Dann wendet er sich der knieenden Menschenasse zu: „Hockt da doch nicht so herum, meine Kinder. Bringt Mon seinen Besitz zurück und begrüßt unsere neuen Familienmitglieder mit einer Willkommensfeier!“ Er wendet sich nun endlich seiner Gattin zu. Leise hauchend richtet er persönliche Worte an sie. „Wie hältst du es nur mit dieser kopflosen Meute aus? Es wundert mich, dass du noch nicht vor Langeweile gestorben bist, Atanchen. Ramon und Toras Tochter bringen hoffentlich etwas Leben in dieses Vogelnest. Interessante Paarung, findest du nicht. Warum stehen die besten Frauen eigentlich immer auf die Fieslinge? Das war auch schon bei dir so.“ „Aber du bist doch kein Fiesling, Thel.“ antwortet sie leicht sarkastisch, doch er intervenieret: „Ich meine damit auch gar nicht mich, sondern den Kerl, der dich als Mädchen sitzen gelassen hat. Wegen ihm hast du mich ewig zappeln lassen.“ „Das war doch das einzige was dich damals an mir interessierte, oder nicht?“ lacht sie, bevor sie streng hinzugefügt: „Ach, und hör auf die Reinblütige vom rechten Pfad abbringen zu wollen. Anscheinend sieht sie es als ihre Aufgabe an den Mann zu rehabilitieren, den du zuletzt verführt hast.“ Er lächelt unbekehrt. Dann ziehen sich die beiden Herrscher zurück. Ramon erhält von seinem mittleren Sohn Meran die Siegel mitsamt des Hemdes zurück, welches er vor aller Augen wieder anzieht und damit unter den Inselbewohnern auf wenig Gegenliebe stößt, denn die Macht der Siegel schüchtert sie ähnlich ein wie Atanes oder Fuathels Macht, nur dass sie diese beiden respektieren. Hinter ihm taucht nun auch eine alte Bekannte aus der Masse auf. Er hatte befürchtet, sie hier ebenfalls anzutreffen, wenn sich doch auch seine jüngeren Söhne hier aufhalten. Die schicke Frau, die etwas älter aussieht als alle andere im Raum, ist seine ehemalige Frau Madlene, die ihn gewohnt streng aus ihren klaren blauen Mana-i Augen ansieht und ihn hasserfüllt anzischt. „Ich hörte der Kindkönig Nienna bohrte Euch eigenhändig einen Dolch durch Eurer verkümmertes Herz. Das einzige was mich in einem Leben je glücklich machte war diese Meldung. Es ist eine Beleidigung für mein Auge Euch lebend wieder zu sehen, ist es doch Eurem Größenwahn geschuldet, dass wir ein beschwerliches Leben auf dieser unkomfortablen Insel fristen müssen. Was hielt Euch davon ab wie jeder andere auch unter der Erde zu verrotten?“ Ein arrogantes Lächeln kommt über Ramons Lippen, doch er antwortet in einem höflichen Ton: „Wie ich sehe, habt Ihr Euch kein bisschen verändert, Gnädigste. Ich erinnere mich an das warme Gefühl, das mich im Augenblick meines Todes umfing, als mir bewusst wurde Euch für immer los zu sein. Der größte meiner Fehler war es mich nicht bereits Lebzeiten von Euch geschieden zu haben.“ „Eure letzten Gedanken galten mir? Wie rührend.“ lacht sie giftig, gerade als die Prinzessin dazu stößt, die Ramon nicht zu Meran, der das Siegelhemd verwahrte, gefolgt war. Unmittelbar wird sie von Ramons ehemaliger Gattin angegriffen: „Ach und Ihr junges Gör wollt die neue Frau an seiner Seite sein? Dass ich nicht lache. Ha, dann viel Spaß mit ihm. Mal sehen wie lange er das Interesse an Euch halten kann. Er stand ja schon immer auf blutjunge Dinger wie Euch, hat es aber nie lange bei einer ausgehalten.“ Siva findet die Vorstellung von einer Feindin irgendwie unerwartet aufregend und reagiert kampflustig auf die neue Situation. „Jetzt verstehe ich, Ihr müsst Madlene sein. Ihr seid genau so wie ich mir Euch vorgestellt habe, eine alte verbitterte Hexe. Ihr sehr alt aus. Muss ich mir Sorgen machen?“ Die junge Frau hat sich von Madlenes Worten provozieren lassen und geht noch einen Schritt näher an ihre Konkurrentin heran. Sie hat sich gerade erst warm geredet und setzt erneut an. In ihrer Giftigkeit unterscheidet sie sich kaum von Ramons Exfrau. „Ich stehe weit über Euch meine Liebe, vergesst das nicht. Und nun geht mir aus den Augen und vergnügt Euch mit Euren Söhnen.“ „Was nicht verboten ist, doch die Resurrektion eines Menschen verstößt gegen unsere geltenden Gesetze, falls Ihr das nicht wissen solltet. Ich werde dafür sorgen, dass Ihr die gerechte Strafe dafür erhaltet, auch wenn Ihr noch ein Kind seid.“ speit ehemalige Kalaßer Königin, bevor sie verschwindet. Obwohl Siva nicht genau versteht wie die mentalen Duelle funktionieren, gewinnt sie gegen die darin zwar sehr erfahrene, aber ihr hoffnungslos unterlegene Madlene. Verbal fühlt sich der Kampf allerdings eher wie verloren an. Siva wusste bisher nicht, dass sie eine Straftat mit Ramons Wiedererweckung beging, der Resurrektion, wie Madlene es nannte und das hat sie kurz ins Straucheln gebracht. Ihr Mentor scheint ihr einiges verschwiegen zu haben. Ramon könnte indes nicht stolzer auf seine junge Prinzessin sein. Er ist allerdings auch überrascht, denn er hatte ihr nie erzählt, dass seine Frau sich mit Meran und Tandol auf diese Art zusammen getan hat. Zu schmerzhaft sind diese Gedanken für ihn. Er vermutet nun auch, dass das Miststück von Exfrau ihren ältesten Sohn Prias am Leben erhalten könnte, schließlich ist seine Frau Amrea in Kalaß verblieben. Zum Glück vergehen diese für ihn so unangenehmen Gedanken schnell wieder, als er an seine aufblühende Blume Siva denkt. Ganz offensichtlich steht sie nach wie vor vollständig hinter ihm und hat ihn sogar als ihren Verlobten vorgestellt. Seinen Antrag, den er ihr vor ein paar Tagen in der Seemannsherberge gemacht hat, sieht er damit als angenommen an, obwohl er sich nicht einmal sicher war, ob sie ihn überhaupt als solchen verstanden hatte. Es gestaltet sich als sehr schwierig mit ihr über Gefühle zu sprechen. Eine Ehe oder bereits ein Eheversprechen sind unter den Mana-i sehr hoch geachtet und noch niemals ist in der mehr als fünftausendjährigen Geschichte dieses Geschlechtes eine Scheidung bekannt geworden, eine der Traditionen, die selbst Ramon nicht zu brechen gedachte. Ihr Bekenntnis zu ihm bedeutet ihm viel, denn immerhin hat er unter den etwas mehr als fünfzig Menschen zwei junge Männer ausgemacht, die vielleicht noch ungebunden sein und ein Auge auf die schöne Reinblütige geworfen haben könnten. Er hofft, dass seine Geliebte mit ihm nicht so eine Sprunghaftigkeit an den Tag legt, wie mit dem jungen yokener Prinzen vor ihm. Soweit er weiß, war sie auch mit ihm schon verlobt, als sie ihn verließ. Die beiden umstrittenen Neuankömmlinge erhalten zunächst ein Gästezimmer im Rathaus, welches auch gleichzeitig als Residenz von Atane und Fuathel dient. Tatsächlich werden bereits erste Vorbereitungen für das Willkommensfest getroffen, ganz so wie Fuathel es angeordnet hat. Immerhin sind auf Ialana seit mehr als hundert Jahren keine neuen Mitglieder mehr aufgenommenen worden und ganz gleich wie umstritten Ramons Rückkehr auch sein mag, ist das ein Grund zur Feier. Endlich erhalten die mit den vielen neuen Informationen völlig überforderte Siva und der zweifelnde Ramon endlich einen Rückzugsort im Rathaus. Sie werden von einem blutjungen Mädchen, noch jünger als es die Prinzessin ist, auf ihr Gästezimmer in einem der oberen Stockwerke des Rathauses geführt. Hier scheint offensichtlich schon länger niemand mehr gewohnt zu haben, denn die einfachen Holzmöbel sind mit aus alten Stoffresten zusammengenähten Laken abgedeckt. Die Abendsonne scheint durch das kleine papierbespannte Fenster des geräumigen Zimmers. Während das hier noch völlig fremde Paar die Laken von den Möbeln entfernt, holt das Mana-i Mädchen ein paar frische Decken und Bezüge, die es auf dem Bett ablegt. Beziehen werden es die beiden selbst müssen. Das Mädchen trägt ihr dunkles, in bordeauxrot schimmerndes Haar ungewöhnlich kurz, doch sie wirkt damit keinesfalls burschenhaft. Sie ist kleiner als Siva und auch zierlicher. Unter den anderen Menschen hier in der Siedlung hebt sie sich etwas ab, wenn auch nicht zu stark. Auch ihre hier übliche Seidenkleidung ist nicht grün oder beige, sondern rotbraun und etwas anders geschnitten. Die meisten Frauen tragen eng anliegende bodenlange Wickelkleider mit weiten Ärmeln, doch ihr auf wadenhöhe endendes Kleid wird mit Bändern am Rücken gehalten, wie ein Korsett, nur lockerer und ihre Ärmel enden gesäumt. Alles in allem macht sie einen hübschen und gepflegten Eindruck auf Siva und Ramon. Sie stellt sich als Rinao vor, die zur Einordnung die Namen ihrer Eltern nennt. Sie ist eine Tochter aus niederem Adel, kann der frühere König daraus schließen. Sie betont das jüngste Mitglied der Siedlung zu sein und sich über Menschen von außerhalb zu freuen. An den beiden Neuankömmlingen zeigt sie großes Interesse. Siva ist nun nach ihr die zweitjüngste Frau und sie hofft auf eine Freundschaft mit ihr. Ramon hingegen ist der verkörperte Sündenbock für alles schlechte auf der Insel. Schon als kleines Kind wurde er ihr als unsagbar böse, hinterhältig und selbstsüchtig beschrieben und sie liebte die Schauergeschichten über ihn. Er war für sie immer der Gegenentwurf zum Gott Fuathel, den sie heute ebenfalls zum ersten Mal in ihrem Leben gesehen hat. An ein und demselben Tag den Gott und den Teufel kennen zu lernen, hat ihr große Glücksgefühle beschert. Als Rinao eigentlich verschwinden sollte, bleibt sie halb hinter dem Türrahmen versteckt stehen und fixiert den Gefallenen König fasziniert. Gruselgeschichten fand sie schon immer spannend und sie würde sie am liebsten auf ihren Wahrheitsgehalt untersuchen, doch sie bleibt zunächst stumm. Er spielt mit und wartet geduldig zu ihr gewandt im Raum stehend, bis sie ihr Anliegen vorträgt. „Sucht Ihr diese Siedlung nun auch heim, Inarus?“ fragt Rinao schließlich nach einigem Zögern. Inarus, dieses Wort hatte Atane auch vorhin schon benutzt. Siva kennt es. Es stammt aus der alten Sprache des Wüstenvolkes und bedeutet so viel wie Unheilsbringer oder Zerstörer. Der frühere König lächelt, als er hört wie er von ihr genannt wird. Natürlich ist ihm die alte Sprache ebenfalls geläufig. Er stellt ihr eine Gegenfrage und geht dabei einen Schritt auf sie zu. „Mache ich Euch unruhig, Rinao?“ Das Mädchen, das so viel schwächer ist als er, weicht eingeschüchtert zurück. Rot im Gesicht anlaufen schreit es: „Lest bloß nicht meine Gedanken, Novas!“ und stürmt aufgelöst davon. Auf diese Idee wäre er gar nicht gekommen, aber anscheinend hatte sie etwas vor ihm zu verbergen, was ihn mehr als belustigt. „Also wenn Ihr mich fragt, hättet Ihr hier auch ohne mich eine bereitwillige Geliebte gefunden, die Euch erhalten hätte.“ Diesen spitzen Kommentar konnte sich die Prinzessin nicht verkneifen, denn auch das Wort Novas kann sie übersetzen und es ist mehr als eindeutig. Er hatte ihr seine Wirkung auf Frauen schon beschrieben, doch sie so im Einsatz zu sehen ist etwas ganz anderes. Etwas gereizt beginnt sie das Bett zu beziehen. „Seid Ihr eifersüchtig, Prinzessin?“ fragt er lächelnd, während er sich auf sie zu bewegt und im Anschluss von hinten seine Arme um sie legt. „Wart Ihr es bei Aiven nicht ebenso?“ Fragt sie rhetorisch vielsagend, in seine warme Umklammerung sinkend. „Und ich bin es noch. Es ist für mich noch immer schwer zu akzeptieren, dass mir ausgerechnet der Nachfahre Niennas bei meiner Braut zuvor gekommen ist. Es fühlt sich an wie eine späte Rache von ihm, weil ich damals… egal, genug davon. Die Gegenwart ist jetzt viel wichtiger für mich. Ich gebe zu ich bin verunsichert was die anderen Mana-i in dieser Siedlung betrifft. Prinzessin, Ihr habt mich gewählt, weil Ihr glaubtet es gäbe außer Eurem Vater nur noch mich, doch nun stehen die Dinge anders.“ Nun bemerkt auch sie seine Verunsicherung, was sie schwer ausatmen und etwas beleidigt feststellen lässt: „Ihr vertraut mir nicht und das nachdem ich Euch gegen alle verteidigt habe.“ Er intensiviert seine Umarmung und stellt die für ihn entscheidende Frage: „Liebt ihr mich, Prinzessin?“ Was sie nicht gern hört, denn sie weiß es selbst nicht. Auf ihre jungen Jahre hat sie Schwierigkeiten die Liebe zu erkennen. Ins Leere starrend fragt sie sich was sie ihm antworten soll. Hat sie Aiven geliebt? Hat sie ihren Vater geliebt und liebt sie nun ihn? Ramon meinte die wahre Liebe unter Mana-i halte ewig, also sollte sie aufpassen welche Schwüre sie, vielleicht unüberlegt, ableistet. Ihr Zögern beantwortet die Frage allerdings bereits hinreichend. „Ich sehe schon, Ihr wisst es also noch immer nicht.“ Flüstert ihr Verehrer enttäuscht, während er seinen Griff wieder lockert. Das bedeutet für ihn er kann sie jederzeit noch an einen Mitstreiter verlieren. „Helft mir zu erkennen was mit Liebe gemeint ist, Ramon. Dann gebe ich Euch eine Antwort. Sich bei jemandem wohl zu fühlen kann es kaum sein, denn ich habe Gedichte und Lieder gehört, die weit darüber hinaus gehen und ich verstehe sie nicht.“ Siva löst sich von Ramon und dreht sich zu ihm um, den sie in einer zusammengesunkenen Pose erwartet, die er ihr nicht bietet. Aufrecht und wohl eher mit verletztem Stolz steht er vor ihr und versucht ihrer Bitte nachzukommen. „Was empfandet Ihr, als ihr Fuathel gegenüber standet?“ Sie runzelt etwas die Stirn, weil sie nicht gleich versteht was das damit zu tun haben soll, antwortet aber trotzdem. „Dem Windgott? Hm…Ehrfurcht...und Neugier vor allem.“ „Hat er Euch etwas gezeigt? Ein Vorhaben, einen Plan, den Ihr in Betracht zieht?“ fasst er seine Befürchtung zusammen. Langsam beginnt die junge Frau zu verstehen worauf Ramon hinaus will. „Er hat meine Gedanken gelesen und mich als Herrscherin gezeigt, wenn ich ihm folge und eine neue Dynastie begründe.“ „Hat er Euch gefallen?“ fragt der sonst so geduldige Mann angespannt, ohne dabei zu konkretisieren, ob damit der Gott oder dessen Plan gemeint war, denn er kennt Fuathels Methoden nur zu gut, hat er doch auch in ihm seinerzeit Allmachtsfantasien geweckt. Zwar bleibt Siva schleierhaft was das mit Liebe zu tun haben soll, doch sie glaubt hier einer neue Information über Ramons damalige Beweggründe auf der Spur zu sein: „Kann es sein, dass er einst das selbe mit Euch versuchte und Erfolg hatte, Ramon? Habt Ihr die Götter gar nicht von Euch aus verraten, sondern seid Ihr nur Fuathels Anweisungen gefolgt?“ Da kommt sie der Wahrheit näher, als es ihm lieb ist. Manches gibt er lieber über sich Preis als anderes. Allerdings sieht er keinen Nutzen darin es zu leugnen. „Das ist schwer zu beantworten. Seine Gedanken auf Dauer von den eigenen zu unterscheiden ist kaum möglich. Er ist nicht nur der Gott des Windes, Siva. Er ist auch der Gott der Verführung, aber das ist mir erst viel zu spät bewusst geworden. Ich möchte mich selbst damit nicht aus der Verantwortung ziehen und das ist auch nicht der Grund warum ich es Euch erzähle. Mir geht es darum Euch vor ihm zu warnen.“ Ramon sieht seine Konkurrenz wohl vor allem im für die junge Frau so beeindruckenden Windgott, anstatt in den jungen Mana-i Männern. „Das ist nicht notwendig, denn ich werde ihm nicht folgen. Seine Visionen sagen mir nicht zu. Auch Vaters Königreich zu erben, hat mich nie begeistert.“ kann sie ihn beruhigen. „Ihr habt Euch also nicht auf den ersten Blick in ihn verliebt?“ fragt er ernst, was sie etwas zum Kickern bringt. „Nein, wieso sollte ich?“ Das war eine spontane Reaktion, die Ramon überzeugt. Nun ist er sich seiner Sache wieder sicherer. Seit die beiden die Insel der Mana-i betreten haben, war er sehr angespannt, doch nun beginnt sich dieses Unbehagen von ihm zu lösen. Ihre rücksichtsvolle Reaktion auf seine unfreiwillige Offenbarung welchen Einfluss Fuathel auf seine Entscheidungen gekommen haben könnte, hat ihn zusätzlich positiv gestimmt. Er deutet daraus, dass sie ihm nicht nur nach außen hin wohlgesonnen ist, um ihren eigenen Ruf zu verteidigen, sie gibt sich wirklich Mühe nachzuvollziehen was ihm widerfuhr. Er streicht seiner Liebsten das Haar aus dem Gesicht und fragt dann sanft, aber mit einem frechen Unterton: „Kann der Grund dafür sein, dass in Eurem Herzen gerade kein Platz mehr für einen weiteren Mann ist, Prinzessin?“ Auf der einen Seite mag sie es, wenn er so fordernd ist, auf der anderen setzt er sie damit jedoch unter Druck. Ihr Blick schweift über seine im Abendlicht schimmernde edelsteinbesetzte Goldkette, die ihn als König ausweist. Mit einem Finger fährt sie sanft darüber und antwortet zögerlich: „Ihr stellt die selbe Frage wie vorhin, nur mit anderen Worten. Ich habe schon verstanden, dass Ihr mich an das Thema heranführen wollt, aber ich bin noch nicht schlauer als zuvor.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)