Alaskakälte von Dig_Dug ([Sakura x Sasuke]) ================================================================================ Kapitel 1: Fairbanks -------------------- 1. Fairbanks   „Wussten Sie, dass ungefähr die Hälfte der Touristen in Alaska wegen der Kälte erfrieren und einen schrecklichen Tod erleiden?“ Sakura hörte auf, sich die Hände zu reiben und mit den Zähnen zu klappern und starrte stattdessen auf die ältere Dame hinter der Hotelrezeption. „W-Wie bitte?“, flüsterte sie alarmierend und fing augenblicklich an auf ihre eiskalten Finger zu hauchen. Hier starben Leute durch Erfrieren? Nur der Gedanke daran ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren und ihre Zähne klapperten umso mehr. Sie hörte, wie die Dame amüsiert schnaubte. „Das war doch nur ein kleiner Spaß, Liebes. Was machen Sie überhaupt in Fairbanks? Sich den Tod holen?“, lächelte sie gutmütig und zog eine Augenbraue nach oben, als sie den Blick nach unten gleiten ließ und Sakuras Pumps bemerkte. Sakura wartete bereits darauf, einen belustigten Kommentar von der Frau zu hören, denn immerhin musste sie heute schon mehrere blöde Sprüche wegen ihrer Schuhwahl über sich ergehen lassen. „Ich bin in den falschen Flieger gestiegen“, murmelte Sakura peinlich berührt. Sie hatte immer noch keine Ahnung, wie ihr überhaupt sowas passieren konnte. Fairbanks, Alaska hatte immerhin überhaupt nichts mit London, Großbritannien zu tun. Aber sie war so in Gedanken gewesen, dass sie weder auf die Flugnummer noch auf das Gate geachtet hatte. Sie war so blöd gewesen auf die Wegbeschreibungen eines Mannes zu hören, der bestimmt den einen oder anderen Joint geraucht hatte. Warum, zum Teufel, musste sowas immer ihr passieren? „Der falsche Flieger? Du liebes bisschen, ist denn sowas überhaupt möglich? Bei der heutigen Technik?“ Sakura seufzte frustriert. Genau das hatte sie sich auch gedacht. Auch die unfreundliche Dame am Flughafen konnte ihr diese Geschichte nicht erklären. Wenigstens hatte sie einen kostenlosen Kaffee als Widergutmachung erhalten.   Sie zuckte hilflos mit ihren Schultern und gleich darauf kam die Dame um die Rezeption herum und gab Sakura eine mütterliche Umarmung. Sakura wollte es zwar nicht zugeben, aber diese Geste war genau das, was sie jetzt brauchte. Nur schwer konnte sie die Tränen zurückhalten, während die fremde Frau beruhigend über ihren Rücken strich. „Ach, Liebes. Und das noch so knapp vor den Feiertagen!“ Sie drückte Sakura eine Armlänge von sich. „Wissen denn Ihre Eltern, dass es Ihnen gut geht?“ „Ich habe sie gleich angerufen als ich gelandet bin. Ist es denn wirklich wahr, dass die nächsten vier Tage kein Flug geht?“, fragte Sakura mit einer winzigen Hoffnung in ihrer Stimme, dass die gutmütige Frau ihr mit einem Lächeln erklären würde, dass das nur ein Fehler im System war und sie einen Freund hatte, der am Flughafen arbeitet und Sakura sicherlich in ein Flugzeug zurück Richtung Heimat unterbringen könnte. Doch stattdessen legte sich ein mitfühlender Ausdruck auf ihr Gesicht und sie strich seufzend über Sakuras Arme. „Tut mir leid, aber durch den Schneesturm, der über die Feiertage auf uns zukommt, wird es wohl eine Weile dauern bis der Flughafen wieder freigegeben wird.“ Ein Schneesturm? Sakuras Tränen drückten sich nun endgültig aus ihren Augen und sie konnte, ganz zu ihrem Leidwesen, kein Schluchzen verhindern. Sie heulte hier bei dieser Frau rum wie ein kleines Mädchen. Vielleicht war es ja so etwas wie göttliche Fügung gewesen? Immerhin blieb ihr so der Anblick ihres Exfreundes mit seiner neuen Flamme erspart. Aber sie hatte sich auf ihre Familie gefreut. Seit sie vor sechs Monaten in die Staaten gezogen war um zu studieren hatte sie ihre Liebsten nur über Skype gesehen. Wenigstens zu Weihnachten hatte sie sich erhofft ein paar schöne Tage zuhause verbringen zu können. Die Last, ihrem Ex und seiner Neuen über den Weg zu laufen, hätte sie auf sich nehmen können, aber die Feiertage in einer wildfremden Stadt mit fremden Leuten zu verbringen war nur schwer zu ertragen. Allein die Vorstellung bereitete ihr Angst. Die ältere Frau vor ihr schien ihren hilfesuchenden Blick zu bemerken, denn sie lächelte mitfühlend und tätschelte Sakuras Haar. „Kopf hoch, Liebes. Du wirst die Feiertage bei mir verbringen. Niemand wird zu Weihnachten alleine gelassen.“ Sakura schüttelte mit roten Wangen ihren Kopf. Sie fühlte sich geschmeichelt, aber wollte sich bestimmt nicht bei jemand Fremden aufdrängen. „Das ist nicht nötig. Ich werde einfach mit meiner Familie skypen...“ „Papperlapapp!“, unterbrach sie Sakura und schnappte sich gleich darauf ihren Koffer. „Meine Kinder können dieses Jahr nicht hier sein wegen dem Sturm. Du tust meinem Mann und mir einen Gefallen, wenn du uns Gesellschaft leistest.“ „Aber...“, setzte Sakura erneut an, wurde jedoch durch eine Handbewegung aufgehalten weiter zu sprechen. „Keine Widerrede, Liebes!“ Ihr Tonfall gab eindeutig zu verstehen, dass dieses Thema für sie erledigt war und Sakura bei sich aufnehmen würde. „Ich habe für mindestens acht Personen zu Essen eingekauft. Wer soll das alles essen, wenn du nicht mitkommst?“ Sakura strich sich die Tränen von ihrem Gesicht und zum ersten Mal seit sie in Fairbanks gelandet war, legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Allein der Gedanke an Essen ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sie hatte heute noch keine Zeit oder die Nerven gehabt etwas zu essen. Aus den Augenwinkeln betrachtete sie die ältere Dame, die gerade ihrem Chef per Telefon klar machte, dass sie für heute Feierabend machte. Auch bei ihm wandte sie den gleichen Tonfall an und irgendwie wurde Sakura das Gefühl nicht los, dass ihr Chef hier wenig zu sagen hatte. Warum sollte sie dieses liebe und auch ein wenig merkwürdige Angebot nicht annehmen? Wer wollte schon alleine sein an Weihnachten? Sakura ganz sicherlich nicht. „Mein Name ist übrigens Millie“, riss sie Sakura aus ihren Gedanken, während sie sich ihre Jacke und Autoschlüssel schnappte. „Mein Mann Joe wird sich freuen, dass wir über die Feiertage Besuch haben werden!“ „Mein Name ist Sakura“, murmelte sie, leicht überfordert, als Antwort. Millie hakte sich bei Sakura unter. „Nicht, dass du dir noch ein Bein brichst, Liebes“, sagte sie und warf einen eindeutigen Blick auf Sakuras Schuhe. „Du wusstest ja schließlich nicht, wo du landen würdest“, fügte sie kopfschüttelnd mehr zu sich selbst hinzu und Sakura ließ sich ohne weitere Widerworte von ihr mit nach draußen ziehen.   „Joe? Bist du zuhause?“, schrie Millie in das kleine, gemütliche Haus als sie die Tür geöffnet hatte. Da keine Antwort kam, seufzte sie lächelnd. „Vermutlich ist er immer noch auf der Suche nach dem perfekten Weihnachtsbaum“, erklärte sie und wies Sakura an ihre Jacke auszuziehen. „Joe hat einen ziemlichen Vogel wenn es um Weihnachten geht.“ Sakura schmunzelte als sie Millie dabei zusah, wie sie kopfschüttelnd in ihre Hausschuhe schlüpfte. Joe war ihr jetzt schon sympathisch. Denn Sakura musste zugeben, dass sie selbst immer zu einem Weihnachtsfreak mutierte. Allein schon die vielen Weihnachtslichter verzauberten sie immer in dieses kleine Mädchen, das nichts lieber tat, als in der Nacht vor dem Weihnachtsmorgen zu lauschen, ob sie Santa und seine Rentiere hören konnte. Auch wenn sie dieses Jahr wohl nicht bei ihrer Familie sein konnte, war sie sich sicher, dass Millie und Joe ihr bestimmt auch eine Freude machen konnten. Und wenn es stimmte, dass ihre Kinder wegen dem Schneesturm nicht zu ihnen konnten, dann würde Sakura ihr Bestes tun, damit sie auch diesen zwei eine Freude machen konnte. Millie rückte ihr graues Haar, das sie zu einem Dutt zusammengebunden hatte, zurecht und schenkte Sakura ein Lächeln. „Ich zeig dir dein Zimmer. Du willst dich bestimmt frisch machen nach dem ganzen Trubel.“ „Ja, das würde ich wirklich gerne“, antwortete sie und folgte Millie den Gang entlang. Das kleine Haus war bereits weihnachtlich geschmückt und an den Wänden konnte sie viele Bilder von Leuten entdecken, die vermutlich Millies und Joes Kinder waren. Ihr Blick fiel auf ein Bild, auf dem Millie mit vier kleinen Kindern vor einem festlich geschmückten Weihnachtsbaum abgebildet war. Das mussten ihre Enkel sein.   Als Millie die Treppe am Ende des Ganges nach oben ging und sich dabei erschöpft an der Wand abstützte, packte Sakura das schlechte Gewissen. „Und ich mache wirklich keine Umstände? Ich könnte immer noch ein Zimmer nehmen...“ Auf der Stelle drehte sich Millie um und hob drohend den Finger. „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du Joe und mir eine Freude machen würdest?“ Sakura zuckte hilflos mit den Schultern. „Aber sie kennen mich doch gar nicht.“ Millie lächelte verständlich und legte eine Hand auf Sakuras Arm. „Hier in Alaska wird Gastfreundschaft groß geschrieben. Jeder Fremde kann auch zu einem Freund werden, oder nicht?“ Bevor Sakura noch etwas erwidern konnte, hatte Millie sich wieder umgedreht und ging weiter die Stufen nach oben. Dort zeigte sie auf die erste Tür links. „Eigentlich ist es das alte Zimmer unserer Tochter. Aber da sie leider nicht hier sein kann, überlasse ich es dir“, lächelte sie und öffnete die Tür. Das Zimmer war nicht groß, aber gemütlich eingerichtet. Es erinnerte Sakura ein wenig an ihr Kinderzimmer zu Hause. Die rosa Bettwäsche und der mit Fotos geschmückte Spiegel an der Wand. Die Kuscheltiere auf dem Bett und die vielen kitschigen Bilder von Freunden auf der Kommode. Bei diesem Anblick wurde ihr Herz schwer und sie ließ sich müde auf das Bett fallen. Millie betrachtete sie besorgt. „Ruh dich ein wenig aus und ruf deine Mutter an. Sie macht sich bestimmt Sorgen.“ Sakura nickte und bedankte sich zum ersten Mal bei Millie: „Ich weiß gar nicht, wie ich das verdient habe, Millie. Vielen Dank für die Gastfreundschaft.“ „Ach, Liebes, es ist kein Dank notwendig. Es wird uns eine Freude sein“, erwiderte Millie und Sakura konnte sehen, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Vermutlich war es für sie genauso schwer ohne ihre Familie Weihnachten zu feiern, wie für Sakura. Doch sofort fasste sie sich wieder und blickte Sakura streng an. „Ruh dich aus, hörst du? Ich mache dir etwas zu essen. Du bist viel zu dünn, Mädchen.“   Als Sakura sich eine geschlagene Stunde im Bett herumgewälzt hatte und immer noch kein Auge zubekam, kletterte sie aus dem weichen Bett und öffnete die Tür von ihrem Zimmer. Sofort kam ihr der Geruch von frischem Essen in die Nase und sie ließ sich wie in Trance die Treppe hinuntergleiten. Unten warf sie zuerst einen Blick in das Wohnzimmer, in dessen Ecke sich ein Holzofen befand und das Sofa davor gerade dazu einlud, es sich darauf bequem zu machen. An der rechten Seite fiel ihr ein großes Bücherregal ins Auge. Verzückt ging sie darauf zu und strich über die vielen Bücherrücken. Sie konnte viele Klassiker wie Stolz und Vorurteil ausmachen, dann stockte sie und konnte nur schwer ein Lächeln verkneifen. Shades of Grey? Millie war wirklich für eine Überraschung gut. Grinsend verließ sie das Wohnzimmer und folgte dem leisen Summen, das von der Küche kam. Millie stand vor dem Herd und summte Let it snow vor sich hin. Als sie Sakura bemerkte, verstummte sie. „Du siehst ja schrecklich aus, Liebes! Konntest du nicht schlafen?“ Sakura überging das wenig schmeichelhafte Kommentar. Immerhin hatte sie vorhin im Spiegel selbst gesehen, wie schrecklich sie aussah. „Nein, es schwirren zu viele Gedanken in meinem Kopf.“ Gutmütig lächelte Millie. „Natürlich, es muss schrecklich für dich sein, nicht bei deinen Eltern sein zu können“, sagte sie und widmete sich wieder der Lasagne im Ofen. Sakura wollte gerade antworten, als sie hörte wie jemand die Tür öffnete. „Oh, das muss Joe sein“, bemerkte Millie und warf einen Blick in den Gang. „Joe, da bist du ja endlich!“ „Hast du mich vermisst, Milliemaus?“, hörte Sakura die tiefe Stimme, die sie irgendwie an den Weihnachtsmann erinnerte. Millie schnalzte mit der Zunge. „Sei nicht albern. Wir sehen uns jeden Tag, wie könnte ich dich da jemals vermissen?“ „Wenn ich tot bin, wirst du es gar nicht erwarten können, mir ins Himmelreich zu folgen, so sehr wirst du mich vermissen“, entgegnete Joe. Millie verdrehte die Augen. „Oder ich suche mir einen jüngeren Liebhaber, so wie es meine Tante Rose gemacht hat“, zwinkerte sie Sakura zu. Von Joe war nur ein Stöhnen zu hören. „Ich hab uns übrigens jemanden mitgebracht.“ Millie und Sakura wurden hellhörig. „Wirklich? So ein Zufall, das habe ich auch“, antwortete Millie mit gerunzelter Stirn. „Wen hast du uns mitgebracht?“ „Unseren Nachbarn. Sasuke“, war Joes Antwort und er machte eine kurze Pause, bevor er die Tür nochmals öffnete. Sakura konnte weitere Schritte hören. „Sein Bruder sitzt in New York fest und wird die Feiertage nicht hier sein. Da habe ich ihn zu uns eingeladen. Niemand sollte Weihnachten alleine sein, oder?“, erklärte er und gleich darauf bog er um die Ecke und schritt in die Küche. Irritiert sah er auf Sakura. „Was tut denn so ein hübsches Mädchen in unserer Küche? Hast du dir eine Haushaltshilfe angeschafft?“ Sakura betrachtete Joe. Er klang nicht nur wie der Weihnachtsmann, er sah auch wie einer aus. Seine grauen Haare hatte er unter einer roten Kappe versteckt und sein grauer Vollbart wurde schon an manchen Stellen weiß wie Schnee. Er war groß, aber auch sehr kräftig gebaut. „Sakura ist unser Gast über die Feiertage“, antwortete Millie und stellte sich neben Sakura um ihr einen Arm um die Schultern zu legen. „Sie ist unverhofft in Fairbanks gelandet. Aber ich glaube, es war mehr eine göttliche Fügung, dass sie ausgerechnet mir in die Hände lief.“ Gerade als Sakura sich Joe offiziell vorstellen wollte, kam ein weiterer Gast um die Ecke und Sakura blieb einen kurzen Moment das Herz stehen. Vor ihr stand der wohl bestaussehendste Mann, den sie jemals gesehen hatte. Seine schwarzen Haare standen wild von seinem Kopf und sein dunkler Blick bohrte sich regelrecht in ihre grünen Augen. Wäre da nicht dieser mürrische Gesichtsausdruck und die gelangweilte Körperhaltung, würde sie tatsächlich gefallen an ihm finden. Trotz der kalten Ausstrahlung klopfte ihr verräterisches Herz wie wild. „Sieht so aus, als hätten wir ein aufregendes Weihnachtsfest vor uns“, grinste Joe zwinkernd.   Tja, das hatten sie in der Tat. Kapitel 2: Arschgesicht ----------------------- 2. Arschgesicht   Lustlos stocherte Sakura mit der Gabel in ihrem Essen herum. Die Lasagne schmeckte köstlich und sie hatte auch einen riesen Hunger gehabt, jedenfalls bis vor einer halben Stunde. Wäre nicht dieser miesgelaunte Sasuke hier am Tisch, würde sie sich sicher über diese Lasagne hermachen als würde ihr Leben davon abhängen. Stattdessen versuchte sie angestrengt seinem neugierigen, jedoch gleichzeitig kühlen Blick auszuweichen. Was gar nicht so einfach war, immerhin saß er gegenüber von ihr. Millie und Joe unterhielten sich währenddessen über den perfekten Weihnachtsbaum, den Joe immer noch nicht gefunden hatte. Doch Sakura hörte gar nicht genau zu. Sie war so in ihre Gedanken versunken, dass sie Sasukes Frage an sie gar nicht mitbekam. Erst als er mit den Fingern vor ihrem Gesicht schnippte, erwachte sie aus ihrer Tagträumerei und musterte ihn mit roten Wangen. „E-Entschuldige, hast du was gesagt?“ Warum, zum Teufel, zitterte ihre Stimme so? Was war nur los mit ihr? Und wieso sprach er auf einmal mit ihr, wo er es doch gar nicht für nötig gehalten hatte, sich ihr vorzustellen und ihr stattdessen nur zugenickt hatte als wäre sie nur ein unschöner Gast mit dem er es aushalten musste? „Kannst du mir den Salat reichen?“, wiederholte Sasuke seine Frage und um ein Haar hätte Sakura wieder nicht zugehört wäre da nicht dieser mürrische Ton gewesen. Welche Laus war dem denn über die Leber gelaufen? Missmutig und ohne Worte reichte sie ihm die Salatschüssel, die er ohne ein Wort der Dankbarkeit entgegen nahm. Sakura spürte, wie Millie ihr einen mitfühlenden Blick zuwarf. Vermutlich war sie bereits den wortkargen und miesgelaunten Sasuke gewöhnt. „Sasuke, erzähl doch mal was dein Bruder in New York zu suchen hat“, versuchte Millie ein Gespräch mit ihm zu führen, doch er zuckte nur mit den Schultern und murmelte ein gelangweiltes „Arbeit“ vor sich hin. Sakura war empört darüber, dass er so überhaupt keine Dankbarkeit zeigte. Immerhin hatten Millie und Joe sich dazu bereit erklärt ihn über die Feiertage willkommen zu heißen. Sie bekochten ihn und zeigten selbst im kalten Alaska außergewöhnliche Herzenswärme. Warum konnte der Kerl nicht ein wenig freundlicher sein?! Sie warf ihm einen wütenden Blick zu während sie in ihrer Lasagne rumstocherte und sich gedanklich vorstellte, es wäre Sasuke in den sie die Gabel rammte. Er warf ihr einen skeptischen Blick zu. „Magst du es lieber, wenn die Lasagne püriert ist oder warum stocherst du so darauf rum?“ Sakura biss sich auf die Unterlippe um sich selbst daran zu hindern ihm eine wenig freundliche Antwort entgegenzuschleudern. Arschgesicht. Belustigt hob er eine Augenbraue als er ihren zerknirschten Gesichtsausdruck bemerkte. Auch Joe spürte die brodelnde Spannung, die mittlerweile im Raum herrschte. „Sasuke wird mir morgen dabei helfen nach einem Weihnachtsbaum zu suchen, richtig Sasuke?“, bemerkte er, in der Hoffnung die unangenehme Stimmung zum Besseren zu kippen. Sasuke nickte nur, was Sakura erneut zur Weißglut brachte. Sein Schmunzeln verriet ihr, dass er genau wusste, was sie aufregte. Er tat das mit voller Absicht! „Oh, das ist ja wunderbar, Sasuke! Hoffentlich werdet ihr einen finden! Joe ist einfach viel zu wählerisch...“ „Ich will nur, dass er perfekt ist, Millie.“ „Das weiß ich doch, Joe“, lächelte Millie gutmütig und warf erneut einen besorgten Blick zu Sakura. „Liebes, schmeckt dir das Essen nicht? Soll ich dir etwas anderes machen?“ Sakura schreckte auf und wurde rot um die Nase. „Nein, es schmeckt ausgezeichnet! Ich bin nur ein wenig ... abgelenkt.“ Millie kicherte amüsiert. „Sasuke ist auch ein hübscher, junger Mann. Da kann man als Frau schon mal aus der Bahn geraten.“ Augenblicklich färbte sich Sakuras komplettes Gesicht puterrot. „I-Ich ... das ist nicht ...“, stotterte sie herum und wurde von Sekunde zu Sekunde unsicherer, während Sasuke sie mit schelmischem Blick musterte. Verdammt! Sie musste aufhören zu stottern ansonsten bildete sich dieser Typ noch was darauf ein! Sakura räusperte sich. „Ich denke nur an meine Familie. Das ist alles“, erklärte sie schließlich, gefasster als erwartet. Ihre Unsicherheit hatte bestimmt nichts mit diesem Arschgesicht zu tun!   Als Sakura an diesem Abend in ihrem Bett lag und innerlich bereits anfing Schäfchen zu zählen, hatte sie ihre Familie vor Augen, die vermutlich gerade gemütlich auf der Couch saßen und einen Film sahen. Ihre Mutter würde Popkorn machen und ihr Vater sich darüber beschweren, warum sie immer eine Liebesschnulze ansehen mussten. Sakura schmunzelte beim Gedanken daran, dass er immer den Kürzeren bei der Filmauswahl zog. Als dieses Bild langsam vor ihr verschwand, drängte sich ein anderes in ihren Kopf, das sie sofort die Augen öffnen und genervt stöhnen ließ. Warum hatte sie jetzt das Gesicht von diesem ungehobelten Idioten in ihrem Kopf? Allein wenn sie daran dachte, wie er sich heute benommen hatte, wurde sie wütend. Millie und Joe waren so liebe Leute und er behandelte sie als wären sie nur die lästigen Nachbarn von nebenan! Und dieses selbstgefällige Grinsen... Am liebsten würde sie vor Wut aufschreien. Stattdessen vergrub sie ihren Kopf unter ihrem Kissen und verdrängte die schönen Gedanken ihrer Familie und das Gesicht von Mr. Arschgesicht. Irgendwann würde sie schon schlafen können...   * * * * *   „Sakura? Bist du wach?“ Sakura blinzelte müde mit ihren Augen und legte dann gleich ihren Arm über ihr Gesicht damit die grelle Morgensonne, die durch das Fenster hineinlugte, sie nicht blenden konnte. Erst dann war sie in der Lage zu antworten: „Ja, ich bin wach.“ Nicht. Sie hatte seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr ausgeschlafen. Sie hörte ein Schmunzeln in Millies Stimme als sie antwortete: „Es ist bereits 11:00 Uhr, Liebes. Ich wollte fragen, ob du mir vielleicht mit dem Essen helfen könntest.“ Sobald sie die Uhrzeit hörte, schreckte Sakura aus ihrem Bett. Es war schon elf? Verdammter Mist! „Mach dir keine Sorgen, Sakura. Im Dezember geht bei uns die Sonne erst um 10:00 Uhr auf. Da passiert schon mal, dass man verschläft“, sagte Millie, als hätte sie Sakuras Gedanken gelesen. Sakura kletterte aus dem warmen Bett und zupfte ihre rosa Haare zurecht bevor sie die Tür öffnete. „Guten Morgen“, begrüßte sie die lächelnde Millie, die mit einer roten Schürze bekleidet vor ihr stand. „Ich würde gerne beim Essen helfen. Darf ich noch schnell unter die Dusche?“ „Aber natürlich, Liebes! Ich warte unten auf dich!“   Als Sakura alles erledigt hatte, raste sie förmlich nach unten in die Küche. Wie hatte sie nur so lange schlafen können? Vermutlich war der Tag gestern anstrengender gewesen als gedacht. Der lange Flug, der falsche Flughafen und dann natürlich noch Sasuke, der sie den ganzen Abend überheblich belächelt hatte. Frustriert schüttelte sie ihren Kopf. Sie durfte jetzt nicht an diesen Idioten denken! Sakura setzte ein Lächeln auf und ging um die Ecke, in der Hoffnung auf Millie zu treffen. Stattdessen erlosch ihre gute Laune augenblicklich, als sie Sasuke erblickte, der mit verschränkten Armen am Tisch lehnte. „Was machst du denn hier?“, fragte sie ihn und gab sich nicht die geringste Mühe, ihren Unmut in ihrer Stimme zu verbergen. „Ich habe Sasuke gebeten mit dir in die Stadt zu fahren. Du brauchst dringend ein Paar Winterschuhe! Und eine dicke Jacke! Ich will nicht, dass du erfrierst, Liebes“, antwortete Millie für Sasuke und schenkte Sakura ein Lächeln. „Er wird zum Essen bleiben und gleich danach könnt ihr fahren.“ Sakura spürte wie ihr Magen schwer wurde. Sie sollte mit Mr. Arschgesicht in die Stadt fahren und zusammen mit ihm shoppen gehen? Nope. Never. „Das ist nicht nötig. Es gibt doch bestimmt einen Bus...“ „Leider wohnen wir nicht gerade in einer dichtbewohnten Gegend. Der Bus fährt nur sehr selten und Sasuke hat sowieso nichts zu tun.“ „Ich dachte, er würde mit Joe einen Weihnachtsbaum suchen gehen?“ „Joe muss heute länger im Sägewerk aushelfen.“ Sakura merkte mit jeder Sekunde, wie die Schlinge um ihren Hals enger wurde. Musste Millie auf alles eine Antwort haben? „Du könntest doch mit mir in die Stadt...“, versuchte sie ihr Glück nochmal, woraufhin Millie geduldig lächelte. „Das würde ich wirklich gerne, aber Joe ist mit unserem Auto zur Arbeit gefahren. Und bevor du mich fragst – nein, ich werde auch nicht mit Sasukes Auto fahren.“ Sakura kicherte nervös. Es musste Millie aufgefallen sein, wie dämlich sie sich benahm nur weil sie einen Nachmittag mit Sasuke verbringen musste. Andere Frauen würden vermutlich dafür töten nur um am Esstisch ihm gegenüber zu sitzen. Stattdessen hatte sie, Sakura Haruno, die Ehre mit diesem unterhaltsamen Mann eine Shoppingtour zu machen. Das konnte doch nur wahnsinnig toll werden, oder?   * * * * * *   Es war natürlich alles andere als wahnsinnig toll. Schweigend saß sie neben ihm im Auto und blickte stur aus dem Fenster. Sie hatte keine Ahnung, was sie mit ihm reden sollte und ihm musste es wohl genauso gehen. Erst jetzt fiel Sakura auf, wie abseits das kleine Haus von Joe und Millie lag. Gestern Abend war es zu dunkel gewesen um die idyllische Landschaft und die wenigen Häuser zu erkennen. Sie fuhren an einem breiten Fluss entlang, der teilweise durch die Kälte gefroren war. „Was ist das für ein Fluss?“, versuchte sie ein Gesprächsthema zu eröffnen. Hoffentlich würde er ihr irgendwas über die Gegend erzählen. „Chena River.“ Sakura rollte mit ihren Augen. Dieser Typ war wirklich schwierig. Small Talk war eindeutig nicht seine Stärke. Da sie nicht weiter ein Gespräch erzwingen wollte, starrte sie wieder weiter aus dem Fenster und beobachtete die wunderschöne, verschneite Landschaft.   „Wohin willst du?“, fragte er schließlich, als sie in der Stadt angekommen waren. Sakura schreckte aus ihren Gedanken und warf Sasuke, der bis jetzt noch kein Wort mit ihr gesprochen hatte, einen Blick zu. „Äh ... ich werde wohl Schuhe brauchen, also...“ Sasuke nickte nur und bog um die nächste Ecke. Dann fuhr er wenige Meter weiter und parkte sein Auto in eine kleine Lücke am Straßenrand. Er wies mit dem Kopf auf den kleinen Schuhladen und stieg ohne weitere Worte aus. Sakura stöhnte gequält und tat es ihm gleich. Es würde ein sehr langer Tag werden, wenn er weiterhin so schweigsam war. Sie folgte Sasuke in den Laden und wurde auch gleich darauf von einer hübschen, blonden Frau begrüßt, die mit breitem Lächeln auf sie zulief. Ihre blauen Augen strahlten, als sie Sasuke sah und Sakura war sich ziemlich sicher, dass sie auf ihn stand. Als Sasuke sie dann kurz in den Arm nahm und auch ihr ein Lächeln schenkte, spürte Sakura einen Stich in ihrem Inneren. Es störte sie irgendwie, dass Sasuke durchaus nett sein konnte, aber ihr nicht mal ein freundliches Hallo schenkte. Die beiden tauschten einige Worte miteinander aus, bevor Sasuke mit einem Nicken auf Sakura wies. „Sie braucht Winterschuhe, kannst du ihr dabei helfen?“ „Ich kann mir auch selber Schuhe aussuchen“, verteidigte Sakura sich als wäre sie eine trotzige Fünfjährige, die sich vor ihrem Papi rechtfertigen musste. Augenblicklich fühlte sie, wie sich ihre Wangen röteten. Natürlich bemerkte Sasuke das und grinste frech. „Das ist Ino und sie würde dich gerne beraten. Aussuchen darfst du dann natürlich selber.“ Sakura rollte bei seinem Tonfall die Augen, sagte jedoch nichts. Immerhin hatte sie sich mit ihrer dummen Aussage selber in diese Situation befördert. „Also gut, ich bin in einer halben Stunde wieder da und hol dich ab“, verabschiedete er sich mit einem Winken und ging aus dem Laden. War das jetzt sein Ernst? Sakura blickte ihm stirnrunzelnd nach, seufzte dann, und wandte sich wieder der Blonden zu.   Die junge Frau musterte Sakura von oben bis unten und warf einen letzten Blick nach draußen um Sasuke dabei zuzusehen, wie er wieder in den Wagen stieg und davonfuhr. Danach schnalzte sie mit der Zunge und zwinkerte Sakura zu: „Sasuke hat wohl eine neue Blume gepflückt, wie ich sehe.“ Sakura spürte wie sie rot um die Nase wurde. „E-Er hat überhaupt nichts gepflückt!“ Ino zog eine Augenbraue nach oben und schmunzelte während sie ein neues Paar Schuhe für Sakura raussuchte. „Rede dir das nur ein, Süße. Er steht auf dich.“ „Er ist eingebildet, unfreundlich und wenn ich ihn sehe, würde ich ihm am liebsten jedes Mal vor die Füße kotzen“, hielt Sakura dagegen. Diese Ino hatte sie wirklich nicht mehr alle. Sasuke würde niemals auf jemanden wie sie stehen. An seine Seite gehörte irgendeine Tussi, die genauso eingebildet war wie er. „Und du stehst auf ihn.“ Empört öffnete Sakura ihren Mund, doch war irgendwie nicht in der Lage auch nur ein Wort rauszubringen. Stattdessen verschränkte sie die Arme vor der Brust und reckte ihr Kinn. „Das tue ich nicht! Ich kenne ihn doch kaum.“   „Soll ich dir was von Sasuke erzählen? Er ist sexy und mysteriös. Sein Gesicht ist zum niederknien“, seufzte Ino und biss sich in die Unterlippe als sie fortfuhr: „Sasuke Uchiha zieht dir nicht dein Höschen aus. Nein - bei seinem Blick rutscht es ganz alleine von deinen Hüften.“ Sakura verzog missmutig ihr Gesicht. „Du redest von ihm als wäre er eine Art Gott.“ „Sexgott trifft es wohl ziemlich gut.“ Genervt warf Sakura einen Schuh auf den Boden. „Ich bin nicht hier um über diesen eingebildeten Mistkerl zu reden, sondern um Schuhe zu kaufen!“ Ino grinste amüsiert. „Du stehst auf ihn.“ „Das tue ich nicht!“, wiederholte Sakura ihre Worte von vorhin. „Es ist, als würde ein rot blinkendes Schild mit dem Wort ARSCHLOCH direkt über ihm schweben.“ Als Ino nicht antwortete, sondern nur weiterlächelte, widmete sich Sakura dem Schuhregal. „Stehst du denn auf ihn?“, fragte sie, bevor sie überhaupt richtig darüber nachdenken konnte. Na, toll. Jetzt würde Ino sicher denken, dass sie Gefallen an Sasuke hatte. „Oh, nein! Sasuke ist einer meiner besten Freunde. Ich sehe ihn nur gerne an. Außerdem habe ich einen festen Freund und bin schon seit zwei Monaten glücklich mit ihm verlobt“, sagte sie und zeigte auf den schönen, silbernen Ring an ihrem Finger. Sakura fühlte sich seltsam erleichtert. Keine Ahnung wieso, aber es hätte sie irgendwie gestört, wenn Ino und Sasuke mehr als Freunde wären. „Der ist wunderschön“, antwortete sie und bewunderte den Ring einige Sekunden. „Das ist er. Und mein Verlobter Sai ist genauso wundervoll. Du wirst ihn heute Abend kennenlernen!“ „Hä?“, fragte Sakura wenig geistreich. Hatte sie etwas nicht mitbekommen? Ino schüttelte seufzend ihre blonde Haarpracht. „Heute Abend findet die traditionelle Schneeballschlacht statt. Du wirst auch dort sein“, sagte sie als hätten sie es schon vor Tagen miteinander abgesprochen. Irgendwie überforderte Sakura diese Herzenswärme gegenüber Fremden. Warum waren alle in dieser Stadt so lieb und zuvorkommend? Naja, abgesehen von Sasuke. „Ich glaube nicht, dass ich...“, fing sie an, doch Ino unterbrach sie. „Ich werde Sasuke davon überzeugen, dass er dich mitnimmt.“ „Was?! Um Himmels Willen, bitte nicht! Er wird mich nur noch mehr hassen, wenn er mich noch länger ertragen muss.“ „Aber Sasuke hasst dich doch nicht. Er zieht dich förmlich mit seinen Blicken aus.“ „Dann haben wir wohl beide eine komplett andere Auffassung seiner Blicke, denn mir kommt es eher so vor, als würde er sich vorstellen wie es wohl wäre mich zu erwürgen.“ Ino lachte herzhaft während sie Sakura aufmunternd auf die Schulter klopfte. „Wie heißt es so schön? Liebe und Hass liegen oft nah beieinander. Und Sasuke kann zwar manchmal ein ziemlicher Idiot sein, aber im Inneren ist er einfach nur ein großer Teddybär, der gedrückt werden will.“ Sakura runzelte die Stirn. Sasuke und ein Teddybär? Egal, wie sehr sie darüber nachdachte, es klang einfach falsch in ihren Ohren.   Als Sasuke pünktlich nach einer halben Stunde wieder auftauchte, hatte Ino Sakura bereits zwei Paar Winterschuhe aufgeschwatzt und die beiden unterhielten sich über Sakuras Geschichte, wie sie denn überhaupt in Fairbanks gelandet war. „Bist du fertig?“, fragte er als er zu ihnen gestoßen war und warf einen Blick in ihre Einkaufstüte, die Sakura mit der rechten Hand festhielt. „Zwei Paar Schuhe? Ich dachte, du würdest nur ein paar Tage bleiben?“ „Und deswegen soll sie jeden Tag mit dem gleichen Paar rumlaufen? Du hast überhaupt keine Ahnung von Frauen, Sasuke“, zwinkerte Ino. „Außerdem braucht sie ein schönes Paar für heute Abend.“ Sasuke zog skeptisch eine Augenbraue nach oben und Sakura wurde augenblicklich nervöser. Warum ließ sich Ino nicht einfach von dieser wahnwitzigen Idee abbringen? „Heute Abend?“, hakte Sasuke nach. „Du wirst sie mitnehmen. Sie braucht ein wenig Gesellschaft“, erklärte Ino und legte beschützend einen Arm um Sakuras Schulter. Sasuke betrachtete sie von oben bis unten während er darüber nachdachte. Sakura wurde warm bei seiner Musterung. Warum mussten seine Blicke immer so intensiv sein? Nach einer gefühlten Ewigkeit nickte er schließlich. „Gut.“ Gut? Das war alles? Was hieß das jetzt? Würde er sie mitnehmen oder hatte er gerade ihr Aussehen mit einem Gut bewertet? Sasuke schien ihren verwirrten Blick zu bemerken, denn er seufzte ergeben: „Gut, ich werde dich mitnehmen.“ Keine Ahnung, was Sakura von diesen Abend erwarten sollte, aber eines wusste sie genau: Sasuke war kein bisschen davon begeistert.   * * * * * *   „Sasuke nimmt dich mit zu der traditionellen Schneeballschlacht? Wie romantisch“, seufzte Millie, als Sakura ihr von der großen Neuigkeit erzählt hatte. „Das ist nicht romantisch! Er wurde quasi dazu gezwungen!“, hielt Sakura dagegen, konnte jedoch nicht verhindern, dass sie rot wurde. „Es gibt ein Lagerfeuer, die bunten Lichterketten werden über euch schweben...“, schwärmte Millie weiter ohne auf Sakuras aufgebrachte Mimik zu achten. „Ich wusste von Anfang an, dass Sasuke ein Auge auf dich geworfen hat.“ Sakura stöhnte frustriert. „So ist das nicht. Ino hat mich eingeladen und Sasuke ist nur meine Mitfahrgelegenheit.“ „Joe und ich haben uns bei dieser Veranstaltung das erste Mal geküsst! Es war einfach himmlisch und die vielen, bunten Weihnachtslichter werden auch euch zwei verzaubern.“ Millie zwinkerte Sakura zu während sie durch die Küche schwebte und das Essen zubereitete. „Du kannst praktisch nicht dagegen ankämpfen.“ „Niemand wird hier verzaubert! Nach Weihnachten werde ich wieder abreisen, Millie. Es wäre dumm an einem Mann Gefallen zu finden und kurze Zeit später wieder abzureisen.“ „Dann bleib doch einfach hier“, schlug Millie schulterzuckend vor. „Wir haben auch eine Universität, an der du studieren könntest.“ Sakura lächelte. Millie hatte wirklich auf alles eine Antwort. „Das geht nicht.“ Millie zuckte darauf nur schmunzelnd die Schultern, doch ihr erneutes Augenzwinkern sprach für sich.   Sie war fest davon überzeugt, dass Sakura und Sasuke heute Abend von den Lichtern verzaubert werden würden. Kapitel 3: Lichterzauber ------------------------ 3. Lichterzauber   Als Sakura an diesem Abend aus Sasukes Auto stieg und in den wundervollen Sternenhimmel über sie blickte, hörte sie deutlich die Worte von Millie in ihrem Kopf. Aber sie weigerte sich weiter an ihre Worte zu glauben. Verzauberte Lichter? Schwachsinn. Sasuke umrundete das Auto und stellte sich neben sie. Die gesamte Autofahrt hatte er geschwiegen. Und diese Stille war ziemlich lang gewesen, immerhin dauerte es fast eine Stunde um an diesen Ort zu gelangen. Sie befanden sich weiter außerhalb der Stadt auf einer Anhöhe, mussten sogar über einen nicht geräumten und steilen Waldweg fahren. Doch die Aussicht lohnte sich allemal. Sakura konnte schon das Schimmern des Lagerfeuers entdecken als sie sich durch den fast Kniehohen Tiefschnee kämpften. Sie gingen an einem Weg am Waldrand entlang und zu ihrer Linken konnte sie die Lichter der Stadt entdecken. Ihr entfloh ein leises Kichern, als sie feststellte, wie romantisch das Ganze wirkte. Heilige Scheiße. Sasuke warf einen Blick über seine Schulter. „Warum lachst du?“ Als Antwort zuckte Sakura nur mit den Schultern. Mit ihm würde sie bestimmt nicht über die Unterhaltung mit Millie sprechen. Sie vergrub ihr Gesicht in ihrem Schal und blinzelte die Schneeflocken, die sich in ihren Wimpern verfangen hatten, weg. Es musste mindestens minus 15 Grad haben und somit befand sie sich weit außerhalb ihrer Komfortzone. Je weiter sie durch den Schnee gingen, desto weniger konnte sie ihre Zehen spüren. Innerlich bedankte sie sich bei Millie, die ihr warme Wollhandschuhe geliehen hatte und die wenigstens ihre Finger warm hielten. Sasuke schien die Kälte nichts auszumachen. Er hatte nicht mal eine Mütze auf, vermutlich weil er seine tolle Haarpracht nicht zerstören wollte. Kopfschüttelnd über seine Kleidungswahl lief sie ihm hinterher.   Nach fünf Minuten hatten sie die Lichtung am höchsten Punkt erreicht und Sakura blickte sich staunend um. Das Lagerfeuer wirkte magisch und einladend. Darüber hingen kreuz und quer bunte Lichterketten und sandten Lichtkegel auf den tiefen Schnee. Das waren wohl die Lichter, die sie heute verzaubern sollten. Sakura nahm sich fest vor, so gut es ging von ihnen Abstand zu halten. Immerhin wollte sie kein Risiko eingehen. Lächelnd beobachtete sie die jungen und alten Paare, die eng umschlungen am Lagerfeuer saßen. Dazwischen erblickte sie Familien mit kleinen Kindern, die bereits ihre eigene kleine Schneeballschlacht hielten. „Da seid ihr ja endlich!“ Sakura schreckte aus ihren Gedanken als sie Ino, mit einem gutaussehenden Mann im Schlepptau, auf sich zustürmen sah. Das musste wohl ihr Verlobter Sai sein. Ino schenkte zuerst Sasuke und dann auch Sakura eine Umarmung, die sie zögernd erwiderte. „Ich hoffe, Sasuke hat sich bei der langen Autofahrt anständig benommen?“, fragte Ino mit hochgezogenen Augenbrauen. „Naja, er hat nicht viel gesprochen...“, erwiderte Sakura wahrheitsgemäß. Ino strafte Sasuke mit einem strengen Blick, sagte jedoch nichts zu ihm. „Das ist übrigens Sai. Sai, das ist Sakura“, stellte Ino den blassen, schwarzhaarigen Mann an ihrer Seite vor. Er lächelte freundlich und hielt Sakura die Hand zur Begrüßung hin. „Freut mich, Ino war ganz aus dem Häuschen als sie mir heute von dir erzählt hat.“ Da Sakura nicht wusste, was sie darauf antworten sollte, lächelte sie nur schüchtern. Ino kam ihr schon jetzt wie eine jahrelange Freundin vor. Es war irgendwie alles so vertraut, als würde sie hierhin gehören. Sakura strafte die bunten Lichterketten mit einem schroffen Blick. Diese verdammten Lichter machten sie jetzt schon ganz verrückt! Sie gehörte nicht hierhin, sie gehörte nach London. Ihr Zuhause. Auch wenn sie Millie, Joe und Ino lieb gewonnen hatte, änderte das nichts an der Tatsache, dass sie in wenigen Tagen wieder abreisen würde. Irgendwie tat es ihr weh daran zu denken diese Leute wieder verlassen zu müssen, aber der Gedanke an ihre Familie schmerzte sie mehr. Besonders in Momenten wie diesen vermisste sie ihre Lieben Zuhause am meisten.   Ino schien ihre Traurigkeit zu merken und legte einen Arm um Sakuras Schultern. „Wir zwei gönnen uns jetzt ein, zwei Glühwein während sich die Männer über uninteressante Dinge unterhalten“, sagte sie und zog Sakura bereits Richtung Glühweinstand. Dort wurden sie von einer schüchternen, jungen Frau begrüßt. Sie musste ungefähr in Sakuras und Inos Alter sein. „Hey Hinata!“, begrüßte Ino sie und bestellte zwei Glühwein. „Das ist übrigens Sakura. Sie gehört zu Sasuke“, fügte sie zwinkernd hinzu. Sakura öffnete empört den Mund, doch Ino hielt sie davon ab etwas zu sagen. „Leugne es nicht, Süße! Die Lichter werden euch...“ „Verzaubern... Jaja, ich hab schon davon gehört“, vollendete Sakura augenrollend Inos Satz. „Was habt ihr Leute nur mit den Lichtern?“ Ino grinste zwinkernd. „Du wirst schon sehen. Hinata und Naruto haben sich auch hier das erste Mal geküsst“, sagte sie und wandte sich gleich darauf wieder zu Hinata: „Wo ist Naruto überhaupt?“ „Er fühlt sich nicht gut...“, antwortete Hinata und Ino seufzte kopfschüttelnd. „Lass mich raten: Er hat zu viel gegessen“, stellte sie fest und Hinata nickte lächelnd. „Du kennst ihn ja.“ Ino lachte und wandte sich wieder an Sakura, drückte ihr einen der Becher, gefüllt mit dampfenden Glühwein, in die Hand. „Du wirst Naruto ein anderes Mal kennenlernen. Er ist der chaotischste von unserer Clique.“   Sie verabschiedeten sich von Hinata und gingen zum Lagerfeuer, wo sich Ino auf eine der Bänke fallen ließ, die um das Feuer standen. Sakura ließ sich neben sie fallen und nahm einen Schluck vom heißen Glühwein. Augenblicklich musste sie husten. „Verdammt, ist das Zeug stark!“ Ino lachte laut. „Wenn nicht die Lichter dich verzaubern, dann wird es der Alkohol tun.“   Nach dem zweiten Glühwein fühlte Sakura bereits die starke Wirkung des Alkohols. Sie lachte zwar viel, doch zum Glück konnte sie noch klar denken. Um kein Risiko einzugehen, wies sie Inos Angebot für einen dritten Glühwein entschieden ab. „Bitte nicht, ich will nicht verzaubert werden“, lachte sie, als Ino sie mit schmollenden Mund ansah. Dann lächelte sie ergeben. „Also gut, muss ich mich mal wieder alleine betrinken“, sagte sie schulterzuckend und verschwand Richtung Glühweinstand. Als Sakura bemerkte, wie Ino von ein paar Leuten in ein Gespräch verwickelt wurde und es somit vermutlich länger dauern würde, stand sie von ihrem Platz auf und entschied sich dazu ein bisschen die Füße zu vertreten. Sie brauchte Bewegung um den Kopf ein wenig freizukriegen. Wenn sie hier zwischen all den Familien saß, war ihre Sehnsucht nach Hause am größten. Sie hatte es heute relativ gut verdrängen können doch hier war das Gefühl zu stark. Seufzend lehnte sie sich ein wenig abseits an einen Baum und betrachtete von der Ferne, wie Ino schallend über einen Witz lachte. „Was machst du da?“ Sakura erschrak sich von dieser plötzlichen Frage so fest, dass sie auf dem Schnee ausrutschte. Sie versuchte, mit wild rudernden Armen, sich vor einem Sturz zu retten. Sie quiekte laut als sie völlig das Gleichgewicht verlor, doch anstatt auf dem kalten Boden zu landen, spürte sie plötzlich wie sich zwei Arme um sie legten und sie somit vor einem peinlichen Sturz bewahrten. Mit flatterndem Herzen hob sie ihren Kopf um in das Gesicht ihres Retters zu sehen. Sasuke blickte schief grinsend auf sie hinab. Ach du Scheiße. In seinen Armen zu liegen, fühlte sich toll an. Er war warm und stark. Vorsichtig legte sie ihm die Hände um die Taille und versuchte, sich aufzurichten, doch die Emotionen, die über sie hinwegspülten, weil er sie hielt, trugen nicht dazu bei, ihre Nerven zu beruhigen. „Keine Panik, ich hab dich“, murmelte Sasuke erstaunlich einfühlsam. Keine Panik? Alles in ihr schrie in diesem Moment Panik! Das Bauchkribbeln, die Gänsehaut. Sie wusste genau, was diese Dinge zu bedeuten hatten, doch sie drängte diese Gefühle mit aller Kraft zurück. „D-Danke“, sagte sie als sie wieder sicher auf dem Boden stand. Zögerlich nahm sie ihre Arme von seiner Taille und auch Sasuke steckte seine Hände wieder in die Jackentaschen. „Kein Ding. Immerhin bist du auch wegen mir so erschrocken.“ Sakura lehnte sich wieder an den Baum und blickte wieder auf die Menschen am Lagerfeuer. „Vermisst du deine Familie?“, hörte sie dann Sasuke hinter sich. Skeptisch warf sie ihm einen Blick über die Schulter zu. Seit wann war er denn so gesprächig? Seufzend ließ sie ihren Kopf gegen den Baum fallen. „Und wie. Ich war noch nie zu Weihnachten von meiner Familie getrennt.“ „Das muss schlimm sein“, antwortete Sasuke und an seiner Stimme und seinem Gesichtsausdruck konnte sie erkennen, dass er seine Worte ernst meinte. Es schien als würde er wirklich mitfühlen. Auch er war zu Weihnachten alleine. Sein Bruder war in New York und seine Eltern... Da stockte sie. Ihr fiel ein, dass noch keiner ein Wort über seine Eltern verloren hatte. Sasuke schien ihre Gedanken zu lesen, denn er blickte in den Sternenhimmel. „Meine Eltern sind vor zehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Es gibt nur noch meinen Bruder und mich“, erklärte er um ihre Neugierde zu stillen. Irgendwie hatte sie mit so einer Antwort gerechnet, doch als er es aussprach war es doch ein Schock für sie. Plötzlich kam sie sich mies vor, dass sie hier rumheulte, nur weil sie ein Weihnachtsfest nicht bei ihrer Familie sein konnte. Sasuke würde diese Gelegenheit nie wieder bekommen. Vorsichtig legte sie eine Hand auf seinen Arm. „Das tut mir leid“, flüsterte sie. Sasuke lächelte dankbar. „Es ist schon lange her. Aber ich bin froh, dass Millie und Joe mich zu Weihnachten eingeladen haben. Es würde sich sonst nicht richtig anfühlen.“ Als er ihr in die Augen sah und dabei lächelte, wehrte sie sich das erste Mal nicht gegen den seltsamen Gefühlssturm in ihrem Inneren. Es kam ihr wie ein Geschenk vor, dass er ihr von seinen Eltern erzählt hatte. Warum war er plötzlich so anders? Es war, als würde ein komplett anderer Sasuke vor ihr stehen. Nicht dieser miesgelaunte Bad Boy, sondern ein Mann mit Gefühlen und einer Verletzlichkeit an sich, die Sakura magisch in den Bann zog. Ihr Blick fiel auf seine Lippen, die den ihrigen irgendwie immer näher kamen. Bewegte sie sich auf ihn zu, oder tat er es? Es war auch nicht wichtig, sondern nur dieser Moment. Die Lichter schwebten über sie und Sakura konnte schwören, dass sie allein bei dem Gedanken an diese Lichter ein Klick in ihrem Kopf hörte. Augenblicklich erwachte sie aus ihrer Trance und trat einen Schritt zurück, um Abstand zwischen sich und Sasuke zu bringen. Sie atmete tief durch, als hätte sie für Minuten die Luft angehalten.   „Wolltest du mich gerade küssen?“, schmunzelte Sasuke. „D-Das sind nur die vielen, bunten Lichter. Sie ... machen mich ganz blöd im Kopf und ich mache Dinge, die ich sonst nie machen würde“, stotterte Sakura aufgeregt als sie sein Grinsen bemerkte. Shit, wollte sie ihn wirklich gerade küssen? Ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er sie in seinen Bann gezogen hatte. „Und welche Dinge?“, hakte er nach und kam ihr gefährlich nahe. Hastig rückte sie weiter von ihm weg und stieß nun gegen einen älteren Herrn, der sie skeptisch musterte. Er warf Sasuke einen Blick zu und grinste: „Du ziehst mich diesem Schönling vor? Ich bin geehrt, junge Dame, allerdings bin ich schon verheiratet.“ Sakura kicherte nervös weil sie nicht wusste, was sie darauf sagen sollte. Zudem wollte sie sich nicht weiter blamieren, weshalb sie wieder ein Stück von dem Mann abrückte und sich auf ihren alten Platz stellte. Warum hatte sie auch so viel Glühwein getrunken? Es musste am Alkohol und diesen verdammten Lichtern liegen! Sonst würde sie sich niemals zu jemanden wie Sasuke hingezogen fühlen! Sasuke schien ihre Unsicherheit zu spüren, denn er hörte gar nicht mehr auf zu grinsen. „Du hast doch nicht etwa Angst vor mir, oder?“ „Angst?“, wiederholte Sakura. Ganz im Gegenteil, dachte sie mürrisch. „Warum sollte ich Angst haben?“ „Du siehst aus wie ein verschrecktes Reh, das von einem Jäger davonlauft“, stellte Sasuke fest und Sakura blickte ertappt ins Feuer. Sie hoffte, dass der Schein, der vom Feuer ausging, ihre rot glühenden Wangen überdeckte. Vielleicht hatte sie ja wirklich Angst. Angst vor ihren seltsamen Gefühlen. Sakura seufzte frustriert und versteckte ihr Gesicht bis hinauf zur Nase in ihrem Schal. „Ist dir kalt?“, fragte Sasuke gleich darauf besorgt. „Ich habe unter meiner Jacke einen Pullover, den ich dir leihen könnte.“ Aufgebracht runzelte Sakura die Stirn. Was war nur los mit dem? Warum war er so fürsorglich? Wo war sein mürrischer Gesichtsausdruck? Zum Teufel, er sprach sogar richtig mit ihr anstatt lustlos zu schweigen! Hastig schlug sie seine Hände von seiner Jacke weg, als er gerade den Reißverschluss öffnen wollte. „Was stimmt denn nicht mit dir?!“, schrie sie aufgebracht. Sasuke zog eine Augenbraue nach oben. „Was mit mir nicht stimmt? Was stimmt mit dir nicht?!“ „Warum bist du so nett? Eigentlich solltest du irgendwo in der Ecke rumlungern und Trübsal blasen! Stattdessen bist du lieb und zuvorkommend“, erklärte Sakura mit wildgestikulierenden Händen. „Du scheinst sogar richtig Spaß zu haben“, fügte sie aufgebracht hinzu, als sie sein breites Grinsen bemerkte. Er schien sich richtig zu amüsieren. Über sie, natürlich. „Du tust das mit Absicht!“, stellte sie dann fest. „Du spielst mit meinen Gedanken!“ Jetzt lachte Sasuke laut auf und schüttelte seinen Kopf. „Ich tue was mit Absicht?“ „Einmal bist du ein Arschgesicht und sprichst nicht, dann bist du plötzlich der perfekte Mann. Du machst mich wahnsinnig!“ Sasuke schnaubte amüsiert, während Sakura sich weiterhin in Rage redete: „Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Kannst du dich nicht für eine Seite entscheiden?“ „Vielleicht bin ich einfach beides. Ein nettes Arschgesicht“, bemerkte Sasuke schulterzuckend. „Du kannst nicht beides sein.“ „Warum nicht?“ „W-Weil...“, stotterte Sakura als er ihr direkt in die Augen blickte. Weil sie sich dann Hals über Kopf in ihn verlieben würde. Sie stand nicht auf den Bad Boy, fand aber auch keinen Gefallen an dem perfekten Jungen von nebenan. Eine Mischung von beidem wäre reizvoll, interessant. Fuck, nicht mehr lange und sie würde für Sasuke Uchiha mehr schwärmen als ihr lieb war.   „Da seid ihr beide ja! Sai und ich haben euch gesucht. Die Schneeballschlacht wurde abgesagt. Sieht so aus als würde der Sturm früher kommen als gedacht. Wir machen uns auf den Heimweg“, unterbracht Ino die beiden, wofür Sakura ihr unendlich dankbar war. Somit wurde ihr eine Antwort auf seine Frage erspart. Sie war kurz davor gewesen, ihm die Wahrheit zu sagen, weil ihr einfach keine passende Ausrede eingefallen war. „Ja! Wir sollten gehen!“, antwortete sie euphorisch. Hastig ging sie zu Ino und Sai und blickte dann zu Sasuke zurück, der immer noch schmunzelnd am Baum lehnte. „Kommst du?“ Ohne Worte folgte er den anderen Richtung Parkplatz. Sakura bemühte sich so weit weg wie möglich von Sasuke zu laufen. Allein die Vorstellung daran, dass sie nun eine Stunde mit ihm im Auto verbringen musste, bereitete ihr Kopfzerbrechen. Hoffentlich würde er das Thema fallen lassen. Vielleicht sollte sie sich schlafen stellen, um dem Gespräch aus dem Weg zu gehen. Das wäre womöglich nicht die erwachsenste Lösung, aber immerhin würde er dann schweigen. Was er sonst normalerweise auch tat! Mittlerweile hatte es angefangen zu schneien und ein eiskalter Wind blies ihnen um die Ohren. Zum ersten Mal freute sie sich über diesen Sturm, der sie wohl heute Nacht erwarten würde. Heute hatte er ihr weitere unangenehme Begegnungen mit Sasuke erspart. Sakura vergrub ihr Gesicht tief in ihrem Schal, einerseits um sich vom Wetter abzuschirmen und andererseits um den neugierigen Blicken von Sasuke zu entgehen.   Am Auto verabschiedete Sakura sich schnell von Ino und Sai und hüpfte auf den Beifahrersitz. Als Sasuke nach wenigen Minuten neben ihr Platz nahm, warf er ihr einen skeptischen Blick zu. „Also“, fing er an, wurde jedoch gleich von Sakura unterbrochen. „Wir sollten besser nicht darüber reden“, sagte sie und starrte stur aus dem Fenster. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Sasuke sie noch kurz musterte, dann den Kopf schüttelte und den Wagen startete.   Ihr Wunsch ging in Erfüllung. Sasuke sprach kein Wort mit ihr. Die Stille war zwar erdrückend aber Sakura wollte diesem seltsamen Gespräch mit aller Kraft aus dem Weg gehen. Sie hoffte, er würde sich morgen wie der Alte Sasuke benehmen. Miesgelaunt und wortkarg. Aus den Augenwinkeln musterte sie ihn und ihr fiel auf, wie verkniffen er geradeaus starrte und sich seine Finger fest um das Lenkrad krallten. War er wütend? Oder vielleicht war er auch nur so konzentriert weil es stärker schneite und so die Fahrbahn kaum zu sehen war. Sakura wollte ihn nicht ansehen und dieses Flattern im Bauch haben. Es war falsch sich zu jemanden hingezogen zu fühlen, den man gerade mal zwei Tage kannte. Und diese zwei Tage hatte er sich definitiv nicht von seiner besten Seite gezeigt. Also, warum fühlte sie dann diese ganzen Dinge?   Sakura war so in ihren Gedanken vertieft, dass sie nicht mal bemerkte wie Sasuke sein Auto bei seinem Haus geparkt hatte. Erst als Sasuke von draußen gegen die Fensterscheibe klopfte, schreckte sie auf. Erleichtert, dass die Autofahrt vorbei war, stieg sie aus dem Wagen und verlor prompt wieder ihr Gleichgewicht. Sie musste dringend mit Ino über ihre Schuhwahl sprechen! Doch, wie das letzte Mal, wurde sie wieder von starken Armen davor bewahrt den Boden zu küssen. „Tust du das mit Absicht?“, schmunzelte Sasuke, als er sie aufgefangen hatte. Sakura rollte mit den Augen. Natürlich musste er jetzt auf ihr vorheriges Gespräch anspielen. „Nein, das tue ich nicht! Ich falle nicht gerne auf den Boden.“ „Aber vielleicht in meine Arme“, zwinkerte er und seine Hände bewegten sich keinen Millimeter von ihrer Taille. Sakura blickte zu ihm auf, als er sie ein Stück weiter an sich drückte. Kaum hatte sie in seine Augen gesehen, war sie wieder in seinem Bann gefangen. Was machte dieser Mistkerl nur mit ihr? Auch wenn sie es wollen würde, könnte sie sich nicht bewegen. Hier gab es keine Lichter, die sie verzauberten, und dennoch fand sie sich in der gleichen Situation wie vorhin wieder. Bauchkribbeln, Gänsehaut und der sehnliche Wunsch nach einem Kuss. Mittlerweile schneite es tief und fest und durch eine Windböe wurde der Schnee beinahe in ihre Gesichter gepeitscht. Die Schneeflocken fühlten sich wie kleine Nadelstiche auf ihrer Haut an, doch Sakura bemerkte es gar nicht richtig. Sie fühlte nichts vom kalten Wetter, nur Sasukes Atem der auf ihrer Haut kitzelte.   Aber kaum hatten sich Sasukes Lippen sanft auf ihren Mund gelegt, schreckte sie aus ihrem Traumzustand. Sie befreite sich aus seinen Armen und trat einen Schrick zurück. Um seinen Blick auszuweichen, starrte sie auf den Boden. „Es ... tut mir leid“, murmelte sie, bevor sie die Flucht ergriff und zu Millie und Joes Haus lief. Kapitel 4: Kalte Hände ---------------------- 4. Kalte Hände   Am nächsten Morgen setzte sich Sakura mit gemischten Gefühlen zu Millie und Joe an den Frühstückstisch. Sie hoffte inständig, dass Millie nicht den letzten Abend ansprechen würde, doch kaum hatte sie den Raum betreten, breitete sich ein dickes Grinsen auf Millies Gesicht aus. Sakura wusste augenblicklich, dass dieses Frühstück keinen Spaß machen würde. Sie setzte sich gegenüber von Joe, der sie mit einem Lächeln begrüßte und danach wieder sein Gesicht hinter der Zeitung versteckte. Wenigstens einer würde sie verschonen. „Habt ihr einen schönen Abend gehabt?“, fragte Millie mit einem Zwinkern während sie Sakuras Tasse mit Kaffee füllte. Mit ungeduldigem Gesichtsausdruck setzte sie sich wieder auf ihren Stuhl zurück und wartete neugierig auf Sakuras Bericht. „Es war nett“, antwortete Sakura so wage wie möglich. Was sollte sie schon großartig erzählen? Das diese Weihnachtslichter sie verrückt gemacht hatten? Denn das musste es wohl gewesen sein. Anders konnte sie sich diese plötzliche Zuneigung für Sasuke nicht erklären. Als sie an ihren überstürzten Abgang von gestern denken musste, wurde sie rot um die Nase. Sasuke musste sie für irre halten! Millie deutete die Röte in Sakuras Gesicht jedoch völlig falsch. „Du wurdest von den Lichtern verzaubert!“, stellte sie hocherfreut fest. „Ich wette, Sasukes Lippen sind zart wie eine heiße Schokolade an einem kalten Winterabend.“ Sakura schüttelte amüsiert ihren Kopf. „Millie ... es gab keinen Kuss.“ Naja, nur einen Fast-Kuss. Aber das musste Millie ja nicht wissen. „Gab es nicht? Aber warum denn nicht?“ Sakura zuckte mit ihren Schultern. „Weil ich nur noch wenige Tage hier bin und es dumm wäre mich in jemanden zu ver...“ Mitten im Satz brach sie ab. Heilige Scheiße. Wollte sie wirklich gerade zugeben, dass sie drauf und dran war sich in Sasuke zu verlieben? Nach drei Tagen? Diese Lichter mussten irgendwelche Drogen versprüht haben! Millie war so nett und tat so als hätte sie Sakuras letzte Worte überhört. „Ihr seid jung, Liebes! Habt doch ein wenig Spaß“, zwinkerte sie, ließ das Thema dann jedoch fallen.   Erst als Sakura ihr Frühstück verdrückt hatte, erhob Millie erneut das Wort. „Der Sturm von letzter Nacht hat sich über Nacht ein wenig abgeschwächt. Bis zum Nachmittag sollte es also möglich sein einen Weihnachtsbaum zu finden, findest du nicht, Joe?“ Joe legte seine Zeitung zu Seite. „Ich gebe dir Recht. Ab heute Abend soll es anfangen zu schneien und das Wetter wird sich wohl bis zum ersten Weihnachtstag nicht bessern. Heute ist unsere letzte Gelegenheit.“ „Nimm doch Sasuke und Sakura als Begleitung mit!“, schlug Millie erfreut vor. Sakura verschluckte sich beinahe an ihrem Kaffee. Wie bitte? Sie warf Millie einen wütenden Blick zu, doch diese grinste nur amüsiert. Diese Frau machte sie wahnsinnig! Wann würde sie endlich aufgeben? Es schien, als wollte sie mit aller Kraft Sakura dazu bringen über ihren Schatten zu springen. Flehend sah Sakura zu Joe, der nach einem kurzen Blick zu seiner Frau entschuldigend lächelte. „Ja, das ist eine ausgezeichnete Idee, Schatz. Sasuke wird bestimmt mithelfen und du doch auch, oder Sakura?“ Sakura seufzte als sie Joes bittenden Blick sah. Sah so aus, als würde er in Schwierigkeiten kommen, wenn sie ihn nicht begleiten würde. Sie warf Millie nochmals einen wütenden Blick zu und lächelte dann Joe gequält an. „Ich komme gern mit, Joe“, log sie.   * * * * * *   „Na, schön. Dann wollen wir mal. Ich hoffe, du frierst nicht schnell, Sakura. Wir müssen ein Stück durch den Tiefschnee gehen um an die besten Bäume zu gelangen“, erklärte Joe, als sie am Nachmittag nach einer Stunde Fahrt an einer Waldlichtung geparkt hatten und sie in ihre Winterkleidung schlüpften. Sasuke hatte bis jetzt kein Wort mit ihr gesprochen. Sah so aus als wäre er wieder in der gleichen Stimmung wie am ersten Tag. Miesgelaunt und Wortkarg. Wäre da nicht dieser stechende Blick mit dem er sie ständig musterte! Es machte sie jedes Mal verrückt sobald sie bemerkte wie seine Augen langsam an ihrem Körper auf und ab fuhren. Joe schien von alle dem nichts mitzubekommen, denn er redete weiter über seine Weihnachtsbäume, doch weder Sakura noch Sasuke hörten ihm richtig zu. Sakura spürte wie Sasuke dicht hinter ihr stand und sie dabei beobachtete wie sie die geliehenen Handschuhe anzog. Sie warf ihm einen genervten Blick über ihre Schulter zu. „Warum starrst du mich so an?“ Sasuke schmunzelte und zuckte mit den Schultern. „Ich sehe gern schöne Sachen an.“ „Schleimer“, entgegnete sie und versteckte ihr Lächeln hinter ihrem Schal. „Wir sollten Joe so langsam mal folgen.“ Sasuke nickte, hielt sie jedoch auf, als sie Joe folgen wollte. „Wegen gestern...“ „Oh, wir sollten am besten einfach nicht darüber reden“, wehrte Sakura so schnell wie möglich ab. Sie befreite ihren Arm von seinem Griff und stapfte Joe hinterher. Um nichts in der Welt wollte sie jetzt dieses Gespräch führen. Als sie neben Joe war, warf sie einen vorsichtigen Blick über ihre Schulter. Sasuke folgte ihr mit ein wenig Abstand und seine Augen bohrten sich in ihren Rücken. Shit, sie würde diesem Gespräch wohl nicht mehr lange aus dem Weg gehen können.   * * * * * *   „Das ist er!“, strahlte Joe als sie vor einem kleinen, buschigen Tannenbaum stehen geblieben waren. Sakura hoffte inständig, dass es dieses Mal wirklich der richtige Baum war. Joe hatte schon zwei Mal davor einen Baum als den Richtigen betitelt, doch jedes Mal hatte er doch etwas Störendes gefunden. Beim ersten Baum war es ein geknickter Ast und beim Zweiten hatten die Nadeln doch nicht die richtige Farbe. Sie hatten mindestens schon eine Stunde nach diesen Bäumen gesucht und deswegen hoffte Sakura inständig, dass dieser Baum Joe zufrieden stellen würde. Sie beobachtete Joe dabei, wie er mit grüblerischer Miene um den Baum herumlief und ihn genau unter die Lupe nahm. Sasuke hatte sich mittlerweile neben sie gestellt und wartete ebenfalls gespannt auf Joes Urteil. Inzwischen war der Schneefall stärker geworden und auch der eisige Wind peitschte, wie gestern Abend, in ihre Gesichter. Sakura konnte ihre Zehen und Finger schon länger nicht mehr spüren und sie betrachtete mit leidenden Blick ihre gefrorenen Haarspitzen. Wenn das so weiter ging, würde sie an der Stelle festfrieren und einen langsamen, qualvollen Tod erleiden. „Ja, ich denke, das ist er wirklich“, murmelte Joe und inspizierte die Nadeln genauer. „Bitte, bitte...“, flehte Sakura flüsternd, woraufhin Sasuke sie schmunzelnd betrachtete. „Du siehst aus, als würdest du erfrieren“, stellte er unnötigerweise fest. Sakura rollte mit den Augen. „Tatsächlich?! Ich spüre meine Finger nicht mehr!“, klagte sie weinerlich. Sasuke schmunzelte und ging einen Schritt auf sie zu. Er schlüpfte aus seinen Handschuhen und nahm nun Sakuras Hände in die seinen. Sie beobachtete ihn still dabei, wie er ihr ihre Handschuhe auszog und anfing ihre Finger zu massieren. Seine Hände waren erstaunlich warm und Sakura ließ es zu, dass er sie ein wenig wärmte. Das Kribbeln in ihrem Bauch war dadurch zwar wieder mit voller Wucht zurück, aber die Rettung ihrer Finger war ihr im Moment wichtiger. Fasziniert bemerkte sie, wie seine kleine Massage Wirkung zeigte. Ihre Finger kribbelten und färbten sich von einem blassen Blauton in einen rosigen Hautton. Sasuke führte ihre Hände zu seinem Gesicht und hauchte warmen Atem auf ihre Finger. Seine Augen blitzten amüsiert als Sakuras Wangen sich rot färbten. Mittlerweile spürte sie ihre Finger wieder und sie zuckte erschrocken, als sie seine Lippen an ihren Fingerspitzen spürte. Insgeheim wunderte sie sich, ob sein Mund auf ihren Lippen die gleiche magische Wirkung wie auf ihren Fingern hinterließ. Sollte sie ihm sagen, dass sie ihre Lippen wegen der Kälte kaum noch spüren konnte? Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, trat Joe wieder zu ihnen und strahlte sie mit breitem Grinsen an. „Das ist unser Baum!“ Sakura zog ihre Hände entschieden von Sasuke weg und schenkte Joe ein ehrliches Lächeln. „Das ist großartig! Er sieht wirklich fabelhaft aus!“, sagte sie obwohl sie ehrlich gesagt keinen Unterschied zu den anderen Bäumen erkennen konnte. Sasuke nickte nur und schnappte sich die mitgebrachte Axt, doch Joe hielt ihn davon ab. „Du musst Sakura zurück nach Hause bringen, bevor der Sturm wieder schlimmer wird. Das Mädchen erfriert ja fast“, sagte er und warf einen besorgten Blick auf Sakura. „Billy wird mir dabei helfen und bringt mich und den Baum dann nach Hause“, fuhr er fort und winkte einem Mann zu, der ungefähr zwanzig Meter entfernt von ihnen einen Baum fällte. Sakura war zwar einerseits dankbar, dass sie nicht mehr länger in der Kälte stehen musste, aber die Aussicht, wieder alleine mit Sasuke zu sein, bereitete ihr Angst. Hatte Joe sich mit Millie gegen sie verschworen? Die beiden waren wirklich unfassbar! Sasuke dachte lange darüber nach, bevor er nickte und Joe die Axt aushändigte. Ohne Worte winkte er Joe zum Abschied zu und griff nach Sakuras Arm. „Lass uns nach Hause gehen.“   * * * * * *   „Shit.“ Sasuke bremste den Wagen und lenkte ihn an den Straßenrand. Sakura wärmte sich an der Heizung im Auto während sie einen Blick nach draußen warf. Vor ihnen war ein Wegeschranken. Geschlossen. Sie wandte sich an Sasuke, der betrübt nach vorne blickte und auf seiner Unterlippe kaute. „Sieht so aus als hätten sie die Straße wegen dem schweren Sturm gesperrt. Es muss viele Schneeverwehungen gegeben haben“, murmelte er während er einen Blick in den Himmel warf. Es schneite und stürmte so stark, dass man nur wenige Meter sehen konnte. Sakura hoffte, dass Joe und Billy sicher am Auto angekommen waren und jetzt nicht blind durch den Wald irren mussten. Ihre Lage war jedoch auch nicht gerade besser. „Und was machen wir jetzt?“, fragte sie Sasuke, der nur mit den Schultern zuckte. „Wir warten darauf bis jemand den Weg freiräumt. Vermutlich hat es inzwischen zu viel geschneit um sicher den Berg runterzukommen.“ Sakura nickte. „Okay. Und wie lange dauert das?“ Erneutes Schulterzucken. „Keine Ahnung. Eine Stunde oder zwei.“ Stunden?! Sakura seufzte frustriert. Sie war hier für Stunden eingesperrt? Zusammen mit Sasuke? Na toll. „Frierst du noch?“, fragte Sasuke nach einigen Sekunden des Schweigens. Sakura schüttelte ihren Kopf. „Nein, alles in Ordnung“, antwortete sie ihm und betrachtete ihn von der Seite. Seine Hände lagen immer noch am Lenkrad und er blickte stur geradeaus. Diese unangenehme Stimmung machte sie wahnsinnig! Wie sollte sie es zwei Stunden mit ihm hier drinnen aushalten? Plötzlich spürte sie wie Sasukes Finger zärtlich über ihre Hand strichen. „Deine Hände sind immer noch kalt.“ Er sah sie ernst und zugleich fragend an. Die ganze Welt schien sich zusammenzuziehen, bis es nur noch sie beide gab. Sakuras Atem beschleunigte sich und das Kribbeln in ihrem Bauch meldete sich zurück. Er lehnte sich noch näher zu ihr heran und sie wünschte sich so sehr, dass er sie küssen würde. Ihr Herz trommelte bis zum Hals. Sie öffnete ihre Lippen, weil sie sonst nicht genug Luft bekommen würde. Ihr ganzer Körper kribbelte vor Anspannung und Erwartung. Doch dann ertönte ein lautes Piepen aus Sasukes Jackentasche und der Zauber war vorüber. Mit einem Seufzen entfernte er sich zögernd ein Stück von ihr und kramte nach seinem Telefon. Sakura atmete tief durch, doch irgendwie bekam sie in diesem Auto nicht genügend Luft. Kurzentschlossen öffnete sie die Autotür und versank augenblicklich bis zu den Knien im Schnee als sie heraussprang. Es schneite so dicke Flocken, dass sie fast nicht die eigene Hand vor Augen sah. Zumindest konnte sie wieder durchatmen. Der Gefühlssturm in ihrem Inneren brachte sie um den Verstand. Es fühlte sich so richtig an mit Sasuke und dennoch plagten sie Zweifel. War es für ihn nur ein Ferienflirt? Eine Fernbeziehung würde nicht funktionieren, da machte sie sich keine Hoffnungen. Millies Vorschlag hierherzuziehen um zu studieren schwebte in ihrem Kopf herum und Sakura schüttelte ihren Kopf. Könnte sie das wirklich? Sie spürte Hoffnung in sich aufkeimen, aber diese drängte sie stur zurück. „Joe hat angerufen. Sie haben den anderen Weg genommen und sind schon zuhause. Wir sollten umdrehen und es ebenfalls auf der anderen Seite versuchen“, hörte sie Sasukes Stimme neben sich und blickte auf. Er musterte sie neugierig und legte seinen Kopf schief. „Was ist los?“ „Ich brauchte etwas frische Luft.“ Sasuke zog eine Augenbraue nach oben. „Verstehe.“ Er stellte sich neben sie und lehnte sich mit den Rücken an den Wagen. „Worüber denkst du nach?“ Sakura seufzte und betrachtete ihn aus den Augenwinkeln. Ihm schien der dichte Schneefall überhaupt nichts auszumachen. „Über meine Abreise.“ Sasuke nickte verständnisvoll. „Der starke Schneefall und der Sturm werden die nächsten Tage immer schwächer werden. Das sollte also kein Problem sein“, bemerkte er und Sakura konnte Bitterkeit in seinem Tonfall erkennen. Sie wandte sich ihm zu. „Das ist es nicht“, erklärte sie ihm. „Ich bin mir gar nicht mehr so sicher, ob ich schon so bald abreisen möchte.“ Sakura beobachtete wie Sasuke sich mit grüblerischem Blick und dem Hauch eines Schmunzelns zu ihr drehte. Langsam hob er seine Hand und strich mit den Fingern über ihre kalte Wange. Sie schmiegte ihr Gesicht an seine Handfläche. „Wieso bist du dir nicht mehr sicher?“, fragte er murmelnd und brachte sein Gesicht ganz nah an das ihre. „Weil ... ich Alaska vermissen werde“, raunte sie und streifte seine Lippen zärtlich mit den ihren. Weil ich dich liebe, wäre die richtigere Antwort gewesen, aber sie hatte sich nicht getraut, sie auszusprechen. Denn dann wäre es auch für sie real geworden. Solange sie es nicht aussprach, konnte sie sich einreden, dass diese Gefühle verschwinden würden sobald sie im Flieger nach London saß. Also ließ sie ihren Körper sprechen, jeden Blick, jede Berührung das ausdrücken, was nicht über ihre Lippen kommen durfte. Er küsste sie voller Zärtlichkeit und Verlangen und Sakura spürte, wie ihr Herz überquoll. Die Kälte, die sich durch ihre Kleidung fraß, schien ihr nichts mehr auszumachen. Sasukes Körper, den sie dicht an den ihrigen spürte, bereiteten ihr mehr Wärme als jeder Sonnenstrahl. Erst als ihnen die Luft ausging, lösten sie sich zögernd voneinander. Ein seliges Lächeln lag auf ihren Lippen als sie zu ihm hinaufsah und freute sich darüber, dass er ebenso verträumt aussah.   Er strich ihr mit dem Daumen über die Wange und küsste sie auf die Stirn. „Lass uns nach Hause fahren.“ Kapitel 5: Warmes Herz ---------------------- 5. Warmes Herz   „Du bist gestern spät nach Hause gekommen“, wurde Sakura am nächsten Morgen von einer grinsenden Millie begrüßt. Sakura erwiderte ihr Lächeln, ging jedoch nicht auf diese Unterhaltung ein. Sasuke hatte sie gestern sicher nach Hause gebracht und nach einem langen Abschiedskuss war er in seinem Haus verschwunden und seitdem nicht mehr aus Sakuras Kopf wegzudenken. Sie hatte sich auf ihn eingelassen und es hatte sich verdammt richtig angefühlt und dennoch plagten sie nun Zweifel. Sakura seufzte müde. Sie hatte sich gestern noch lange im Bett rumgewälzt bis sie endlich Frieden gefunden hatte und eingeschlafen war. „Was ist denn passiert?“, hakte Millie interessiert nach als sie eine dampfende Tasse Tee vor Sakuras Nase stellte. Millie kam ihr manchmal wie eine beste Freundin vor, die es kaum erwarten konnte alles über ihr Liebesleben zu erfragen. „Die Straße war wegen dem Sturm gesperrt und wir saßen fest.“ „Oh, wie tragisch“, sagte Millie mitfühlend und doch klang es irgendwie so, als würde sie es überhaupt nicht tragisch finden, dass Sakura zusammen mit Sasuke irgendwo im nirgendwo von einem Sturm überrascht wurde. Langsam fragte Sakura sich, ob Millie für diesen Sturm verantwortlich war. Sie rollte mit ihren Augen als Millie ihr zuzwinkerte. „Und dann? Was habt ihr gemacht?“ Sakura hatte sich letzte Nacht fest vorgenommen, keinen ein Sterbenswörtchen von ihrem Kuss mit Sasuke zu erzählen. Doch als sie Millies erwartendes Lächeln und die strahlenden Augen sah, warf sie ihren Vorsatz über Bord. „Du hattest Recht. Seine Lippen sind ein Traum“, sprudelte es aus ihr heraus und Millie jubelte strahlend. „Ich wusste es! Ich wusste von Anfang an, dass da mehr zwischen euch ist.“ Seufzend ließ Sakura sich in ihrem Stuhl zurückfallen. „Ich weiß nicht, Millie. Unsere Leben sind so weit voneinander entfernt. Das kann nicht funktionieren.“ „Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du jederzeit hierher ziehen kannst.“ „So einfach ist das nicht...“ „Doch. Ich habe es schließlich auch getan.“ Sakura musterte Millie verblüfft. „Du bist gar nicht von hier?“ „Oh, nein. Ich verbrachte vor vielen Jahren meinen Urlaub hier“, erzählte Millie ihr mit einem träumerischen Blick. „Was ist dann passiert?“ Millie zuckte leicht mit den Schultern. „Joe“, war alles, was sie dazu sagte. Sakura nickte und sah auf ihre Tasse hinab. Aus ihrem Mund hörte sich das so einfach an. Zwei Menschen trafen sich, verliebten sich und wurden glücklich zusammen. Doch so leicht war das nicht. Ganz abgesehen davon, dass es absurd war, nur darüber nachzudenken, würde sie ihr ganzes Leben aufgeben müssen, um bei Sasuke, Millie und Joe zu sein – vorausgesetzt, dass die drei das überhaupt wollten. Wäre sie wirklich bereit dazu? Oder würde sie Sasuke irgendwann dafür hassen, dass sie seinetwegen in dieser eisigen Einöde festsaß? Ihr Blick fiel aus dem Fenster, wo sie nichts weiter als Schnee erkennen konnte und seufzte. Millie griff nach ihren Händen. „Dein Herz wird dir sagen, was zu tun ist. Du musst nur darauf hören“, zwinkerte sie schmunzelnd. Das war leichter gesagt als getan.   * * * * * *   „Was machst du hier?“ Sakura blickte neugierig in Sasukes Gesicht, als er nach dem Mittagessen vor der Tür stand und auf sie wartete. Millie hatte sie darauf hingewiesen, dass ihr Prinz vor dem Haus war. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihn vor heute Abend zu sehen. Millie und Joe hatten sie gebeten, dabei zu helfen das Weihnachtsessen zuzubereiten. „Wow, was für eine Begrüßung“, bemerkte Sasuke trocken, doch es schlich sich trotzdem ein Lächeln auf seine Lippen als er sie von oben bis unten betrachtete. „Ich bin hier um dich abzuholen.“ „Du willst mich abholen? Wohin gehen wir?“, fragte Sakura und konnte nicht verhindern, dass die Schmetterlinge in ihrem Bauch Purzelbäume schlugen. Am liebsten würde sie ihn küssen, doch traute sich nicht richtig. Ihre Situation war wirklich verzwickt. „Ino hat uns alle zusammengetrommelt um die Schneeballschlacht nachzuholen“, erklärte er und ging langsam auf sie zu. Er legte, wie gestern, eine Hand an ihre Wange. „Schön, dich zu sehen“, raunte er bevor sich seine Lippen für einen kurzen Kuss auf ihren Mund legten. Sakura musste wie eine Verrückte grinsen, denn er lachte amüsiert als er sich von ihr löste. „Zieh dich an. Es wird kalt“, befahl er ihr und drängte sie ins Haus zurück.   Als sie eine halbe Stunde später an einer schneebedeckten Waldlichtung angekommen waren, fasste Sasuke nach Sakuras Hand. Erstaunt sah sie zu ihm auf, sagte jedoch nichts als er einfach mit den Schultern zuckte und sie zu seinen Freunden führte. Schon von weitem konnte Sakuras Inos lange, blonde Mähne, versteckt unter einer pinken Bommelmütze, entdecken. Sie drückte gerade das Gesicht eines unbekannten jungen Mannes in den Schnee und lachte dabei diabolisch. „Siehst du, Naruto? Das passiert, wenn du dich mit mir oder Sai anlegst!“ Der blonde Kerl befreite sich schwer atmend von der Schneemenge auf seinem Kopf und Gesicht. „Das Spiel hat noch gar nicht begonnen!“, beschwerte er sich mit klappernden Zähnen. „Du hast selbst einen Schneeball nach Sai geworfen!“ „Das war nur ein Testschuss!“ „Dann war das eben eine Testeinreibung“, hielt Ino dagegen und ließ von ihm ab. Sie bemerkte, wie Sakura und Sasuke auf sie zukamen und lief ihnen entgegen. Mit einem Blitzen in den Augen sah sie auf die ineinander verschränkten Finger der beiden. „Wusste ich’s doch!“, schrie sie verzückt aus. „Die Lichter haben euch verzaubert und jetzt könnt ihr nicht mehr die Finger voneinander lassen, hab ich Recht?“ Ino wackelte anzüglich mit ihren Augenbrauen als sie bemerkte, wie Sakuras Wangen sich röteten. Beschämt wollte sie ihre Hand aus Sasukes befreien, doch er ließ nicht locker sondern schüttelte nur belustigt seinen Kopf. „Sie wehrt sich noch ein wenig gegen ihr Glück“, antwortete Sasuke und ließ dabei Sakura nicht aus den Augen. Ino legte Sakura einen Arm um die Schultern und störte damit den vertrauten Blickkontakt zwischen den Beiden. „Und ich dachte, Sasuke wäre derjenige, der sich mit Händen und Füßen gegen den Lichterzauber wehrt. Er hasst diese Legende nämlich, musst du wissen. Daher freu ich mich umso mehr, dass es ihn jetzt ebenfalls erwischt hat“, zwinkerte sie verschwörerisch und schob Sakura zu den anderen. Der Blonde hatte sich inzwischen von dem vielen Schnee befreit und sah mit aufgeweckten Augen und von der Kälte geröteten Wangen zu Sakura und Sasuke. Eilig stand er auf und reichte Sakura die Hand zur Begrüßung: „Ich bin Naruto“, stellte er sich mit einem breiten Lächeln vor. „Du musst diese geheimnisvolle Sakura sein, von der mir Hinata erzählt hat.“ Hinata wurde sofort rot um die Nase und warf Sakura einen schüchternen Blick zu. „Ich habe ihm nur Gutes erzählt“, verteidigte sie sich. Sakura warf ihr ein gutmütiges Lächeln zu. Hinata würde niemals was Schlechtes über sie sagen, da war sie sich sicher. Diese junge Frau schien die Nettigkeit in Person zu sein. „Genug mit dem Gerede“, schüttelte Ino den Kopf und zog Hinata und Sakura weiter von den Jungs weg. „Männer gegen Frauen!“, schrie sie, bevor sie je einen Arm um Hinata und Sakura legte und verschwörerisch flüsterte: „Wir setzen unsere weiblichen Reize ein. Die Jungs werden sowas von verlieren“, freute sie sich kichernd und drückte Hinata ein wenig an sich als diese verlegen in eine andere Richtung schaute. „Tu nicht so unschuldig. Ich will gar nicht wissen, wie oft du Naruto verführst“, grinste sie, woraufhin Hinata noch röter um die Nase wurde. Sakura schüttelte lächelnd den Kopf. „Okay, Hinata und ich werden unser Bestes versuchen“, versicherte sie Ino. Diese nickte zufrieden und nahm eine Handvoll Schnee. Sie formte den Schnee fachmännisch zu einem Ball und nahm ihr erstes Ziel in Visier. Sai. „Wenn du dich bewegst, werde ich nie wieder Sex mit dir haben“, schrie sie ihm zu, woraufhin Sai wie zu Stein erstarrte und sich keinen Millimeter mehr bewegte. Ino lächelte zufrieden und warf den Schneeball mitten in Sais Gesicht. „Danke, Schatz“, kam es zuckersüß von ihr und sie drehte sich zu ihren zwei Teamkameraden, die sie erstaunt betrachteten. „Was denn? Ich will eben gewinnen“, verteidigte sie sich und zuckte mit ihren Schultern. Auch Sasuke und Naruto sahen sie misstrauisch an, als sie erneut einen Schneeball formte. „Das ist nicht fair“, beschwerte Naruto sich und bemerkte dann ängstlich, dass Hinata ebenfalls einen Schneeball in der Hand hielt. Er sah sie ernst an, bevor er einige Schritte zurücklief und ebenfalls eine Handvoll Schnee nahm. „Ich werde nicht auf eure Spielchen reinfallen“, rief er mit stolzgeschwellter Brust und machte Anstalten, den Schneeball auf Hinata zu werfen. Doch diese setzte mit ihren blassen Augen den besten Hundewelpenblick ein, den Sakura jemals zu Gesicht bekommen hatte. Da war es kein Wunder, dass Naruto den Schneeball lustlos nach Sasuke warf, anstatt auf seine Freundin. „Ich würde dir niemals wehtun, Hinata“, sagte er lächelnd und ignorierte dabei Sasukes wütenden Blick. „Aber mir schon?“, warf dieser ein, doch auch das wurde von Naruto nicht beachtet. Stattdessen ließ er sich, genau wie Sai, widerstandslos von Hinata mit Schneebällen bewerfen. Sasuke sah seine beiden Teamkollegen missmutig an. „Ihr seid wirklich die größten Waschlappen, die mir jemals untergekommen sind“, murmelte er kopfschüttelnd. Als er plötzlich ebenfalls von einem Schneeball getroffen wurde, blickte er entsetzt in Sakuras Richtung, die unschuldig in den Himmel sah. „Na warte“, grinste er verschwörerisch, doch anstatt Sakura ebenfalls mit einem Schneeball zu bewerfen, stürmte er auf sie zu. Sakura war wie erstarrt vor Schreck und wehrte sich deshalb auch nicht, als er sie mit einem Arm packte und sich zusammen mit ihr in einen Schneehaufen warf. Sein Gewicht drückte sie nach unten und sie kreischte entsetzt auf, als er ihr eine Handvoll Schnee ins Gesicht rieb. „Sasuke!“, schrie sie und versuchte ihr Gesicht vor ihm zu verstecken. Dieser Mistkerl! Er lachte laut und dieses Lachen war so ansteckend, dass Sakura sich von dem Schock erholte und ebenfalls kichernd im Schnee lag. Sie drehte sich ein wenig in seinen Armen, dass sie sein Gesicht erkennen konnte. Sasuke befreite eine Hand von seinem Handschuh und legte sie an ihre Wange. Seine warmen Finger fühlten sich wie Balsam auf ihrer kalten Haut an. Er beugte sich für einen kurzen Kuss zu ihr runter.   „Ich wünschte, dieser Moment würde niemals vorübergehen“, flüsterte Sakura als er seine Stirn an die ihre gelegt hatte. Sie schloss genießerisch ihre Augen und legte ihre Arme um seinen Nacken. Sasuke drückte sie fest an sich während er sein Gesicht in ihrer Halsbeuge vergrub. Sie fühlte sich so glücklich, wie schon seit langem nicht mehr. „Hey ihr zwei Turteltauben! Wir sind hier mitten in einer Schlacht!“, hörten sie plötzlich Ino kritisch rufen und schweren Herzens trennten sie sich voneinander. Sasuke half Sakura wieder auf die Beine und die beiden sahen belustigend dabei zu, wie Sai und Naruto weiterhin von Schneebällen beworfen wurden und keine Anstalten machten, sich dagegen zu wehren. „Sieht so aus, als hätten wir gewonnen?“, fragte Sakura belustigend in die Runde. Ino lachte und warf einen letzten Schneeball. „Es war ein harter Kampf, aber die Besseren haben, wie immer, gewonnen“, stimmte sie zu. Sai schien zwar nicht ganz ihrer Meinung zu sein, nickte jedoch schulterzuckend. Naruto klopfte schwer atmend den Schnee von seiner Kleidung. „Ich dachte schon, das würde nie aufhören.“ „Tut mir leid, Naruto“, entschuldigte sich seine Freundin bei ihm, doch er winkte nur ab und legte beruhigend einen Arm um sie. „Ich hab sowieso auf euer Team gewettet.“ „Wir sollten zusammen in die Bar gehen und unseren Sieg feiern!“, freute sich Ino. Sai sah sie zweifelnd an. „Aber es ist nicht mal fünf Uhr.“ Stirnrunzelnd erwiderte sie seinen Blick. „Na und? Das muss gefeiert werden!“   * * * * * *   „Machs gut, Sakura! Hinata und ich entführen dich morgen zu einem Mädelsabend“, zwinkerte Ino, als sie Sakura zum Abschied umarmte. „Ich hoffe, du und Sasuke habt heute einen schönen, romantischen Weihnachtsabend.“ Inos Augenbrauen wackelten anzüglich. Sakura kicherte mit roten Wangen. „Wir werden sehen...“, erwiderte sie leise, damit Sasuke nichts davon mitbekam. Sie verabschiedeten sich auch noch von den anderen, die diese sich noch eine Runde bestellten. Wie selbstverständlich nahm Sasuke ihre Hand in die Seine. Er winkte den anderen zum Abschied und führte sie nach draußen zu seinem Auto. Joe hatte bei ihnen angerufen und darum gebeten, dass die beiden besser früher nach Hause kommen sollten. Was genau der Grund dafür war, wollte er nicht sagen. Sakura war ein wenig besorgt. „Ich hoffe, bei Millie und Joe ist alles in Ordnung“, sagte sie nachdenklich, während sie sich auf den Beifahrersitz setzte. Sasuke setzte sich hinters Steuer, warf ihr einen aufmunternden Blick zu und griff erneut nach ihrer Hand. „Mach dir keine Sorgen.“   * * * * * *   „Joe, was ist denn hier passiert?“, fragte Sakura erstaunt während sie sich langsam um sich selbst drehte und sich das Chaos in der Küche ansah. Die Arbeitsfläche war vollgestapelt mit Lebensmitteln und dreckigem Geschirr. Auf dem Boden lagen mindestens zwei zerbrochene Teller und auf dem Herd stand ein Topf, von dem eindeutig ein verbrannter Geruch ausging. Hastig lief Sakura zum Herd und stellte den Topf beiseite. Vorsichtig lugte sie hinein, konnte allerdings nur eine übelriechende, braune Masse ausmachen. „Ich habe versucht, Millies berühmte Sauce für das Lachssteak zu machen. Dabei muss irgendwas schief gelaufen sein...“, murmelte Joe und kratzte sich am Hinterkopf. Ein nervöses Lächeln zierte seine Lippen als Sakura erneut vorsichtig an der Sauce roch. Nur schwer konnte sie den Brechreiz unterdrücken. „Oh ... vielleicht fehlt etwas Salz?“, zwängte sie atemlos hervor. Joe schüttelte den Kopf. „Versuch bloß nicht meine Gefühle zu schonen.“ „Okay. Es riecht schrecklich!“, hustete Sakura als ihr nochmal der schlimme Geruch in die Nase kam. Was hatte er da reingetan? Verfaulte Eier und alte Fischköpfe? Ihre Augen tränten inzwischen, was Joe lachend bemerkte. „Kein Wunder, dass Millie immer sagt ich soll die Finger vom Herd lassen.“ „Wo ist sie überhaupt?“, fragte Sakura und ging so weit wie möglich von der Sauce weg. „Sie musste im Hotel die Abendschicht übernehmen weil die Frau eines Kollegen ein Baby bekommt. Deshalb stehe ich in der Küche und versuche ein Weihnachtsessen zuzubereiten. Leider ohne Erfolg...“, erwiderte Joe und sah bedrückt auf das Chaos. Sakura klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Dein Glück, dass mich ein Flieger ins falsche Land gebracht hat. Wir schaffen das. Ich bin zwar auch kein Ass wenn es um kochen geht, aber Sasuke wird uns bestimmt dabei helfen“, grinste Sakura. Was konnte schon schief gehen?   * * * * * *   „Wir schaffen das nicht“, sagte sie eine Stunde später bedrückt und blickte auf den verbrannten Lachs im Ofen. Sasuke stand mit verschränkten Armen neben ihr und bewunderte ebenfalls den übelriechenden Fisch. Joe stand mit sicheren Abstand hinter ihnen und hustete unentwegt wegen des vielen Rauches in der Küche. „Meinst du, Millie hat etwas dagegen wenn wir Pizza bestellen?“, murmelte Sakura mit gerunzelter Stirn. Sasuke zuckte mit den Schultern, sah auf die Uhr an der Wand. „Ich schätze, wir werden es spätestens in 40 Minuten herausfinden.“ Während Sasuke sein Telefon holte um Essen zu bestellen, klopfte Sakura dem hustenden Joe auf den Rücken. Joe hustete noch zweimal kräftig, bevor er sich mit tränenden Augen aufrichtete und Sakura einen Arm um die Schultern legte. „Weißt du, auch wenn heute alles schief gelaufen ist, wird es ein ganz tolles Weihnachtsfest.“ Sakura sah auf das Chaos vor ihr und musste lachen. Millie würde sie alle umbringen!   Zusammen mit Joe und Sasuke versuchte Sakura in der Küche wieder Ordnung zu schaffen. Sie schafften es pünktlich auf die Minute. Der Pizzabote lieferte ihr Essen fünf Minuten vor Millies Eintreffen. Müde und schnaufend betrat Millie den Gang und schlüpfte aus ihren Schuhen. „Joe? Hast du dich um das Essen gekümmert?“ Sakura warf Joe einen mitleidigen Blick zu, denn er kratzte sich mit gequältem Lächeln den Hinterkopf und trat in den Gang zu Millie. „Naja, es gab Komplikationen.“ „Welche Komplikationen?“ Sakura konnte eindeutig den Argwohn in Millies Stimme hören. „Ich kann nicht kochen“, gab Joe ehrlich zu, worauf es einige Sekunden still war. Dann hörte Sakura ein schallendes Lachen seitens Millie. „Ach Joe, das weiß ich doch. Ich dachte, Sakura und Sasuke würden dir bestimmt dabei helfen...“ „Das haben sie auch“, erwiderte Joe. „Und?“ „Sie können auch nicht kochen.“ Aus den Augenwinkeln konnte Sakura sehen, wie Sasuke amüsiert schmunzelte. Ihr Herz dagegen raste geradezu. Sie hatte Millie und Joe eine Freude machen wollen und war kläglich gescheitert. Vor lauter Aufregung hatten sie es nicht mal geschafft den Weihnachtsbaum zu schmücken! Der karge Baum stand, genau wie am Vortag, ungeschmückt im Wohnzimmer. Als Millie mit gerunzelter Stirn die Küche betrat, mit einem besorgten Joe im Schlepptau, hielt Sakura den Atem an. Millie sah auf die große Familienpizza in der Mitte des Tisches und die bunten Salatteller, die Sakura in letzter Minute gezaubert hatte. Wenigstens eines hatte sie hinbekommen. Die gefalteten Servietten und die leuchtenden Kerzen waren Joes Werk und Sasuke hatte sich um den, ein wenig lieblosen, Tischschmuck gekümmert. Sakura beobachtete genau wie Millie an den Tisch trat und grüblerisch auf die Pizza herabstarrte. Sie erwartete jeden Moment einen Wutausbruch, doch stattdessen breitete sich ein Lächeln auf Millies Gesicht aus. „Ach du meine Güte. Wenn die Carter’s das sehen würden...“, grinste sie kopfschüttelnd als sie an ihre Nachbarn zwei Häuser weiter dachte. „Mrs. Carter würde einen Herzinfarkt bekommen“, fuhr sie fort und sah nun die drei Übeltäter an. „Ich hingegen freue mich darüber, überhaupt etwas zu Essen zu bekommen“, zwinkerte sie munter. Sakura fiel eine große Last von den Schultern. „Es tut uns wirklich leid, aber irgendwie...“ „Schon gut, Liebes. Das Essen ist nicht das Wichtigste an Weihnachten sondern die Menschen, mit denen wir feiern.“ „Der Weihnachtsbaum ist auch nicht geschmückt“, warf Sasuke ein, woraufhin Sakura ihn mit einem bösen Blick strafte. Millie hatte gerade den ersten Schock überwunden und nun musste er ihr gleich vom ungeschmückten Weihnachtsbaum erzählen? Millie seufzte. „Ihr seid wirklich ein paar Chaoten“, lächelte sie gutmütig. „Lasst uns Essen und dann den Baum schmücken.“   * * * * * *   Nachdem sie das unübliche Weihnachtsessen genossen hatten, kümmerten sie sich alle zusammen um den Weihnachtsbaum. Auch wenn an diesem Abend so gut wie alles schief gelaufen war, war es dennoch eines der schönsten Weihnachtsfeste, die Sakura jemals erlebt hatte. Millie und Joe erzählten Geschichten aus der Vergangenheit und von ihren Kindern und Enkelkinder. Sasuke offenbarte eine ungewöhnliche Leidenschaft dafür, den Baum zu schmücken und Sakura strahlte die ganze Zeit über. Sie genoss diesen Abend sichtlich und wünschte sich, er würde nie vorübergehen. „Sakura, hast du schon einen Flug gebucht?“, fragte Joe dann plötzlich aus heiterem Himmel. Millie strafte ihn mit einem bösen Blick. „Nein ... ich hab gar nicht mitgekriegt, dass der Flughafen wieder freigegeben wurde“, gestand Sakura. Sie hatte wirklich total vergessen, sich darüber zu informieren. „Das hat auch noch Zeit“, erwiderte Millie wehmütig. „Es ist nicht nötig, so überstürzt aufzubrechen.“ Sakura nickte, doch wusste sie, dass es keinen Sinn machte, dem Unausweichlichen noch lange aus dem Weg zu gehen. Aber jetzt wollte sie einfach diesen Abend genießen. Morgen konnte sie sich dann um ihre Abreise kümmern.   Als sie den Baum fertig geschmückt hatten und sich alle ein Glas Wein gönnten, hörte Sakura wie ihr Telefon klingelte. „Oh, das müssen meine Eltern sein“, entschuldigte sie sich bei den anderen und verschwand in der Küche. „Mum, Dad?“, begrüßte sie die beiden glücklich, während sie einen Blick auf die Uhr warf. Zuhause musste es früher Morgen sein. „Sakura! Wie geht es dir? Wir hoffen, du hattest ein schönes Weihnachten?“, hörte sie ihre Mutter besorgt fragen. „Es geht mir gut. Dank Millie, Joe und Sasuke gehört dieses Weihnachtfest zu eines der besten“, gestand sie und hoffte innerlich, dass ihre Mutter ihr diese Aussage nicht übelnehmen würde. Wer hörte denn schon gerne, dass die eigene Tochter bei einer anderen Familie ein schöneres Weihnachtsfest hatte als Zuhause? „Das freut uns, Schatz“, erwiderte ihr Vater nun. „Wir vermissen dich hier sehr.“ Sakura spürte wie sich ihr Herz zusammenzog. „Ich vermisse euch auch.“ „Wir haben übrigens eine Überraschung für dich!“, freute sich ihre Mutter. Sie steckte Sakura mit ihrer guten Laune an. „Eine Überraschung? Was für eine?“ „Halt dich fest! Wir haben dir einen Flug gebucht! Dein Vater hat beinahe jede Minute nachgesehen, ob der Flughafen wieder freigegeben wurde. Wir haben einen Last Minute Flug ergattert! Morgen um elf Uhr vormittags geht’s los!“, schwärmte ihre Mutter und das Lächeln in ihrer Stimme war kaum zu überhören. Sakura hingegen spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals formte. Morgen schon? Sie warf einen Blick ins Wohnzimmer, wo Millie und Joe Sasuke mit lachenden Gesichtern eine Geschichte erzählten. Mit größter Anstrengung drängte sie ihre Tränen zurück. Wie, um alles in der Welt, sollte sie von diesen Menschen so schnell Abschied nehmen? „Freust du dich denn nicht, Schatz?“, fragte ihre Mutter besorgt. „Ich wusste, es würde dich schockieren aber wir dachten, du würdest dich auch freuen deine Familie zu sehen.“ „Das ... das tue ich auch, Mum. Es ist nur ein wenig überraschend“, erwiderte Sakura und versuchte die Trauer in ihrer Stimme zu verstecken. „Ich freue mich schon sehr auf euch alle!“   Nachdem Sakura noch mit zwei ihrer Cousinen gesprochen hatte, machte sie sich mit schwerem Herzen wieder zurück ins Wohnzimmer. Millie blickte lachend auf, doch sobald sie Sakuras wehleidigen Gesichtsausdruck bemerkte, hörte sie auf zu lachen und stand besorgt auf. „Ist etwas passiert, Sakura? Geht es deinen Eltern gut?“ Sakura nickte. „Es geht allen gut. Keine Sorge.“ „Aber was ist es dann?“ „Ich ... Meine Eltern haben mir als Weihnachtsüberraschung einen Flug gebucht...“, murmelte Sakura als sie sich zwischen Millie und Sasuke auf das weiche Sofa fallen ließ. Gedankenverloren sah sie auf den geschmückten Weihnachtsbaum und die Geschenke darunter. Sie spürte fast gar nicht wie Sasuke einen Arm um sie legte und sie besorgt musterte. Mit feuchten Augen sah sie auf und blickte ihrer Alaska-Familie in die Gesichter. „Ich werde morgen abreisen.“ Kapitel 6: Weihnachtswunder --------------------------- 6. Weihnachtswunder   „Ruf uns sofort an, wenn du gelandet bist, Liebes! Und steig in das richtige Flugzeug, hörst du?“ Millie schwirrte schon den ganzen Vormittag nervös um Sakura herum, umarmte sie immer wieder und ihre tränenerstickte Stimme machte Sakura den Abschied noch schwerer, als er eh schon war. Sie nahm Millies Hände und hielt sie davon ab, erneut den Nachrichtenkanal einzuschalten um zu sehen, ob wirklich kein Schneesturm mehr gemeldet war. Millie hatte tierische Angst vor dem Fliegen, weshalb sie sich umso mehr Sorgen um Sakura machte. „Millie... Es wird schon alles gut gehen“, versicherte Sakura ihr zum hundertsten Mal, doch Millie schien gar nicht auf sie zu hören. Stattdessen klopfte Joe ihr aufmunternd auf die Schulter. „Millie macht immer einen großen Aufstand sobald jemand, der ihr am Herzen liegt, in ein Flugzeug steigen muss. So kann sie den Abschiedsschmerz ein wenig unterdrücken“, flüsterte er ihr zu, damit Millie nichts mitbekam. Mit einem traurigen Lächeln griff Sakura nach seiner Hand und beobachtete Milli gedankenverloren dabei, wie sie selbstgestrickte Handschuhe in Sakuras Koffer stopfte. Sie hatte sich heute früh schon bei Ino mit einem langen Telefonat verabschiedet und hatte ihr aufrichtig versprochen, in Kontakt zu bleiben. Genauso wie mit Hinata und den Jungs. Nur Sasuke hatte sie heute noch nicht zu Gesicht bekommen und irgendwie war sie erleichtert darüber. Wenn er hier wäre, hätte sie bestimmt noch keinen Koffer gepackt und ihr Zimmer nicht geräumt. Denn dann würde sie weinend in seinen Armen liegen und in Selbstmitleid versinken. Warum musste das auch ihr passieren? Sie fand den, für sie, perfekten Menschen in einem weit entfernten Land und musste ihn nach wenigen Tagen bereits wieder verlassen. Gedankenverloren schob sie ihren Koffer neben die Haustür und zog ihre Schuhe an. Joe betrachtete sie besorgt. „Mädchen, wir sollten auf Sasuke warten.“ „Ich will meinen Flug nicht verpassen“, murmelte sie und mied seinen Blick. „Wir haben noch ein wenig Zeit.“ Sakura seufzte und zog ihre Jacke an. „Ich weiß nicht, Joe. Es fällt mir so schon schwer genug...“   Wie aufs Stichwort wurde plötzlich die Haustür aufgerissen und ein schlecht gelaunter Sasuke betrat das Haus. Sakuras Herz machte einen Hüpfer. Insgeheim hatte sie gehofft, ihn ein letztes Mal zu sehen bevor sie abreiste. Ein letztes Mal seine Arme um ihre Mitte zu spüren. Doch nun würde ihr der Abschied noch schwerer fallen. Sasuke sah betrübt auf den gepackten Koffer und dann zu Sakura, die ihn traurig dabei beobachtete. Er zwang sich zu einem Lächeln und legte die Arme um sie. „Geh nicht“, flüsterte er in ihr Ohr. Sakura vergrub ihr Gesicht in seinem schwarzen Pullover. Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, liefen ihr die Tränen über die Wangen. Verzweifelt krallte sie sich an ihm fest und ließ sich von ihm trösten. Erst als sie sich ein wenig beruhigt hatte, löste sie sich ein Stück von ihm und sah zu ihm auf. „Ich muss gehen.“ „Nein, das musst du nicht“, entgegnete Sasuke und Sakura schüttelte wegen seiner Sturheit den Kopf. „Meine Familie wartet Zuhause auf mich.“ Sasuke seufzte und nickte. „Also gut, aber was heißt das jetzt?“ Hilflos zuckte sie mit ihren Schultern. „Ich ... ich weiß es nicht“, gab sie ehrlich zu. Sie hatte die letzten Tage immer mal wieder darüber nachgedacht, aber war sie wirklich bereit, ihr Leben Zuhause aufzugeben und hierherzuziehen? Würde Sasuke das von ihr verlangen? Wer wusste schon, wie lange das mit ihnen halten würde. Vielleicht war es nur ein kleiner Weihnachtsflirt gewesen und die Trennung ließ ihr klar werden, dass ihre Gefühle ihr einen Streich gespielt hatten? Sasuke schien ähnliche Gedanken zu haben, denn er löste sich komplett von ihr und sah wehmütig auf sie herab. „Dann heißt das leb wohl?“, fragte er unsicher und strich sich mit der Hand durch sein schwarzes Haar. „Ich möchte mich nicht verabschieden... Ich kann das nicht, Sasuke!“, wehrte sie sich. „Du solltest dich einfach umdrehen und das Haus verlassen.“ „Wie bitte?“ Er sah sie an, als wäre sie verrückt geworden. „Ich soll einfach gehen?“ „Ja“, antwortete Sakura. Sie wusste ja selbst, wie bescheuert das klang. Aber sie wusste, dass sie sich nicht verabschieden konnte. Wenn er einfach so aus ihrem Leben rausmarschierte, würde es ihr vielleicht leichter fallen. Sasuke musterte sie argwöhnisch von oben bis unten. In seinen Augen konnte sie erkennen, dass er mit sich selbst kämpfte. Doch dann nickte er, warf ihr einen letzten Blick zu und wandte sich ab, um das Haus zu verlassen. Sakura hielt die ganze Zeit über die Luft an. Erst, als sich die Tür hinter ihm Schloss, atmete sie zittrig aus. Durch das kleine Fenster in der Tür konnte sie seinen schwarzen Haarschopf erkennen, wie er langsam den Weg zur Straße ging. Kaum hatte sie ihn aus den Augen verloren, war es, als würde ihr Herz in tausend Stücke zerbrechen. Sie hatte gedacht, es würde ohne Abschiedsworte einfacher sein, aber da hatte sie sich wohl getäuscht.   * * * * * *   „Ruf uns an, wenn du in London bist, okay?“, sagte Millie und wischte sich erneut mit einem Taschentuch die Tränen von ihrem Gesicht. Die ganze Autofahrt über hatte sie geweint und Sakura hatte ihr beruhigend über die Hand gestrichen. Vielleicht wollte sie mit dieser Geste auch sich selbst trösten, denn auch ihr waren ständig Tränen aus den Augen gerollt. „Wir bleiben in Kontakt, versprochen?“, erwiderte sie und ließ sich von Millie in eine mütterliche Umarmung ziehen. „Natürlich, Liebes. Ich werde dich mit Briefen bombardieren! Und du bist natürlich immer bei uns willkommen, falls du dich dazu entschließt wieder zurück nach Alaska zu kommen“, bot Millie mit tränenerstickter Stimme an. Sakura trennte sich schweren Herzens von ihr und ließ sich nun von Joe an seinen runden Bauch drücken. „Wir werden dich vermissen, Kleine. Versprich mir, dass du uns mal wieder besuchen kommst“, sagte er mit einem Lächeln im Gesicht als sich Sakura von ihm gelöst hatte. „Ich verspreche es“, erwiderte sie und wischte sich die Tränen von den Wangen. Bedrückt griff sie nach ihrem Koffer und verabschiedete sich mit einem letzten Winken von Millie und Joe. Sie sah zu, wie Joe einen Arm um Millie legte und sie liebevoll tröstete. Sakura musste sich zusammenreißen und ihnen schweren Herzens den Rücken zudrehen. Kaum hatte sie dies geschafft, wurden ihre Schritte schneller. Erst als sie beim Check-In angekommen war, beruhigte sich ihr Herzschlag ein wenig. Tief durchatmend drängte sie die aufkommenden Tränen zurück und gab ihren Koffer ab.   Eine Stunde später saß sie auf ihrem Sitzplatz im Flugzeug, das sie nach Hause bringen würde. Sakura blickte mit tränenüberströmten Gesicht nach draußen und genoss ein letztes Mal den Anblick der tiefverschneiten Landschaft Alaskas. Am Anfang ihres Abenteuers hätte sie am liebsten stundenlang geheult, weil sie in dieser Einöde gelandet war und jetzt weinte sie wie ein kleines Kind, weil sie Alaska wieder verlassen musste. Sie legte eine Hand an das kleine Fenster und stellte sich vor, die kleinen Schneeflocken würden auf ihrer Haut landen und nicht auf dem Flugzeug. Vor ihrem inneren Auge sah sie Millie und Joe, die zurück nach Hause fuhren und Sasuke, der mit mürrischem Blick vor seinem Haus den Schnee wegräumte und sie vermutlich dafür hasste, weil sie sich nicht von ihm verabschieden wollte. Wie hätte sie sich jemals von ihm verabschieden können wenn sie selbst der Gedanke daran schon fast umbrachte?   Sakura war so in ihren Gedanken versunken, dass sie gar nicht bemerkte, wie sich jemand auf den freien Platz neben sie setzte oder wie die Flugbegleiterinnen die Gäste anwiesen, sich hinzusetzen und anzuschnallen. Als das Flugzeug langsam los fuhr, schloss sie ihre Augen. Eigentlich sollte sie sich doch darüber freuen, endlich wieder ihre Familie zu sehen. Das tat sie auch, aber irgendwie fühlte es sich so an, als würde sie einen Teil ihrer Familie hier in Alaska zurücklassen. „Freust du dich schon auf London?“, fragte ihr neuer Sitznachbar. Sakura zuckte gedankenverloren mit den Schultern. Sie hatte jetzt keine Lust auf Small Talk. „Ich freu mich schon riesig. London stand immer schon ganz oben auf meiner Liste“, redete der Typ fröhlich weiter. Was war nur los mit dem? Jedes Wort von ihm machte sie wütender. Warum konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen? Sah er denn nicht, dass es ihr schwer fiel von Alaska Abschied zu nehmen? „Die Leute dort sollen sehr nett sein“, plapperte er wieder. Sakura versuchte ihn so gut es ging auszublenden, doch es war ihr einfach nicht möglich. Er brachte sie zu Weißglut, was sie irgendwie an ihre erste Begegnung mit Sasuke erinnerte. Dadurch wurde sie noch wütender und zugleich trauriger. Sie erwachte langsam aus ihren deprimierenden Gedanken und blickte gereizt zu ihrem Sitznachbarn. Als sie ihm eine runterhauen wollte, stockte sie mitten in ihrer Bewegung.   Sasuke saß lächelnd neben ihr und wartete gespannt auf ihre Reaktion. Sakura merkte gar nicht wie sie den Atem anhielt, sondern legte ihre Hände verblüfft auf seinen Oberkörper um sicher zu gehen, dass er echt war. Sasuke beobachtete mit hochgezogenen Augenbrauen, wie sie ihn mit großen Augen betatschte. „Okay, wenn das so weitergeht, sollten wir uns lieber ein ruhiges Plätzchen suchen“, kam es lachend aus ihm heraus bevor er nach Sakuras Händen griff und beruhigend mit seinen Daumen über ihre Haut strich. „Ich bin wirklich hier“, versicherte er ihr mit einem Grinsen. „Aber ... was machst du hier?“, fand schließlich auch Sakura ihre Stimme wieder und drängte mit aller Kraft ihre aufkommenden Tränen zurück. „Es war zufällig noch ein Platz in diesem Flugzeug frei und da ich immer schon mal nach London wollte...“, erwiderte Sasuke Schulterzuckend. Sakura boxte ihn in die Seite, weil sie so unglaublich verwirrt über diese Überraschung war und ließ sich gleich darauf in seine Arme ziehen. Was machte dieser Mann nur mit ihr? Wann hatte er den Flug gebucht? Und warum zum Teufel hatte er ihr nichts gesagt?! Sie drückte sich ein wenig von ihm ab, um in sein Gesicht sehen zu können. „Ich fass es einfach nicht.“ „Ich habe dringend noch ein Weihnachtsgeschenk für dich gebraucht und tadaa – hier bin ich“, zwinkerte er und strich ihr eine verirrte Strähne hinters Ohr. „Aber was ist mit deinem Bruder? Willst du ihn nicht sehen?“ Sasuke zuckte mit seinen Schultern. „Er bleibt zu Silvester auch in New York. Daher wäre ich auch an diesem Feiertag alleine...“  „Und niemand wird an den Feiertagen alleine gelassen“, erwiderte sie mit einem strahlenden Lächeln als sie sich an Millies Worte vor Weihnachten zurückerinnerte. Mit den Gedanken an Millie und Joe und all die anderen, die ihr in dieser kurzen Zeit ans Herz gewachsen waren, richtete sie sich auf und drückte Sasuke einen Kuss auf die Lippen. Schmetterlinge tanzten in ihrem Inneren. Die Welt verschwamm um Sakura herum, und zum ersten Mal an diesem Tag, freute sie sich schon richtig auf London. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)