Crystal Eyes von Monstertier (reloaded) ================================================================================ Kapitel 5: ----------- „Kannst du die Musik nicht ein bisschen leiser stellen, Schatz?“ Adam griff langsam nach der Fernbedienung und drückte auf die Pause-Taste. Es tat gut, die Musik so laut wie möglich aufzudrehen und sich alle Gedanken wegdröhnen zu lassen. Rammstein war dafür recht gut geeignet. Oder Megaherz. Oder... na ja, egal. Er drehte seinen Kopf zu seiner Mutter, die gerade mit zwei Tassen in der Hand ins Zimmer gekommen war und ihm eine der Tassen hinhielt. Mit einem dankbaren Lächeln griff er danach. Seine Finger versanken noch halb in dem Pullover, den er von seinem Vater geliehen hatte. Dieser Pullover war weich, kuschelig und ihm mindestens drei Nummern zu groß, da sein Vater in um einen Kopf überragte und das Kreuz eines Bären hatte, aber er war genau das Richtige für einen Kranken. Einen leicht melancholischen, nachdenklichen Kranken, der in Kuschelstimmung war. Er nahm einen Schluck von der heißen Schokolade, während seine Mutter sich neben ihm auf dem Bett niederließ, die Beine an den Körper zog und ihn anlächelte. Sie trank Kaffee, wie immer. Der reinste Kaffeejunkie. Kein Wunder, dass sie manchmal ein bisschen aufgedreht war. „Wie geht’s dir?“ „Uhm... schon besser, denk ich.“ Er tastete nach seiner Stirn. „Das Fieber ist weg, würde ich sagen.“ Er schielte zu seiner Mutter. „Aber ich glaube nicht, dass ich schon gesund genug für die Schule bin.“ Sie lachte leise auf. Adam liebte ihr Lachen. Es hatte etwas angenehmes, warmes und niemals bösartiges an sich. In diesem Lachen lag Geborgenheit und Wärme. „Das dachte ich mir fast schon.“ Einige Sekunden schwiegen sie. „Was ist zwischen dir und ihm?“ So eine ähnliche Frage hatte Adam bereits erwartet. Er hob hilflos die Schultern. „Keine Ahnung.“ „Keine Ahnung?“ Sie blickte ihn einen Moment sehr intensiv an. „Bist du schwul?“ Wieso musste diese Frau nur immer so direkt sein? Adam zuckte leicht zusammen. „Keine Ahnung.“ Als ob es ein besonders faszinierendes Geschöpf wäre, starrte er in seine Tasse, doch er wusste, seine Mutter würde ihn nicht in Ruhe lassen, bis sie eine zufriedenstellende Antwort bekommen hätte. „Er ist... keine Ahnung, es ist nicht so, dass er mich sexuell erregt oder so was. Oder das ich in ihn verliebt wäre. Jedenfalls glaub' ich das nicht, ich kenn ihn schließlich kaum und so. Aber er ist... irgendwie... faszinierend. Ich mein,“ er sah kurz zu ihr auf, „du hast ihn selbst erlebt. Er strahlt was aus. Charisma, Aura, Charme. Keine Ahnung, wie ich das nennen soll. Aber, dem verfällt doch jeder. Deswegen... ich glaube nicht, dass ich schwul bin. Wirklich nicht. Nur, er reizt mich. Irgendwie. Ich weiß nicht zu was oder so, aber er reizt mich.“ „Wieso hast du dann sein Angebot nicht gleich angenommen? Das mit dem Modell stehen.“ „Ich hab' Angst.“ Er seufzte leise. Keine Ahnung, zum wievielten Mal in seinem Leben er dem Himmel dafür dankte, dass er mit seinen Eltern über so was reden konnte. „Ich hab' Angst, dass er mich schwul macht.“ Sein Blick wanderte wieder zu seiner Tasse. „Er hat was aufdringliches. Nein, was... anziehendes. Ich hab' Angst, ihm nachzugeben. Ich glaube nicht, dass ich ihm standhalten kann.“ Seine Mutter schwieg einige Augenblicke. „Hast du Angst vor dem Sex? Oder hast du Angst davor, herauszufinden, dass du vielleicht schwul bist?“ Er hob etwas verwirrt die Augenbrauen und sah sie verunsichert an. „Macht dir das denn gar nichts aus?“ „Was?“ „Ein schwuler Sohn. Ich mein, ihr, du und Dad, würdet keine Enkelkinder kriegen und so.“ Sie sah ihn einen Moment verblüfft an und lachte dann leise auf. „Mei, mei, worüber du dir Gedanken machst. Adam, Schatz, ich möchte, dass du glücklich bist. Ich habe dich nicht geboren, um irgendwann Enkelkinder zu bekommen, sondern damit du ein junger, vernünftiger Mann wirst, der glücklich ist. Es steht mir nicht zu darüber zu urteilen, wie du dieses Glück erreichst, solang du niemandem schadest.“ Mit einem verschmitzen Lächeln zog sie ihn in ihre Arme und drückte ihm einen Kuss auf den Scheitel. „Dad und ich werden dich immer lieben, egal was geschieht, egal was du machst oder was du bist. Klar?“ Er nickte langsam. Eigentlich war ihm das klar gewesen. So waren die Beiden halt, sie verurteilten nicht, sie nahmen hin und genossen es. „Und? Wie steht’s jetzt?“ Sie fuhr ihm durchs Haar. „Willst du dich auf ihn einlassen?“ „Und schwul werden?“ Er drückte sich noch näher an sie. „Hast du davor solche Angst?“ Ruhig legte sie ihre Hände auf seinen Rücken und hob ihren Blick überlegend nach oben. „Weißt du, nur weil du für ihn Modell stehst, und später vielleicht sogar mit ihm schläfst, heißt das nicht, dass du dann komplett schwul bist. Natürlich, es wäre möglich, es wäre auch möglich, dass du bisexuell bist. Oder das es einfach nur eine Probephase ist, um selber herauszufinden, was du willst.“ Sie schwieg kurz. „Du bist gerade mal siebzehn, Adam. Du musst dich auf nichts festlegen, selbst wenn du zwanzig, vierzig oder achtzig bist. Du hast dir bis jetzt doch nie einen Stempel aufdrücken lassen, wieso solltest du also jetzt damit anfangen?“ Sie drückte ihn ein wenig von sich weg und sah ihm in die Augen. „Du bist und bleibst Adam, egal was du machst. Du musst nur voll und ganz hinter deinem Tun stehen. Lass dich zu nichts überreden oder verführen, was du nicht willst.“ Ein leichtes Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Selbst wenn es so ein verführerischer Mann wie dieser Leon ist.“ „Mom! Willst du Dad untreu werden?“ Adam blickte sie gespielt empört an. Sie lachte leise auf. „Dummchen, natürlich nicht. Ich liebe deinen Vater. Aber Leon hat durchaus eine starke Ausstrahlung. Würd mich nicht wundern, wenn du ihm verfällst.“ „Was?“ Ihm fielen die Augen halb aus dem Kopf. „Und dann sagst du einfach so ‚Ja, mach' nur, geh zu ihm, tüdeldü’???“ Seine Mutter kniff ihm leicht in die Wange. „Wieso nicht? Ich glaube nicht, dass ich mir um dich Sorgen machen muss. Selbst wenn du ihm verfällst, selbst wenn er dir vielleicht sogar weh tut, Dad und ich sind immer an deiner Seite, wir werden dir helfen, so gut es geht. Und du selber, du bist stark, Adam. Auch wenn du auf Wölfe wie Leon wie ein kleines, hilfloses Lamm wirkst, du hast einen sehr, sehr harten Kern. Er kann dir nichts anhaben. Er würde nur deine Schale ankratzen, aber letztenendes würde er von dir an die Wand gespielt werden. Da bin ich mir sicher.“ Adam sah sie leicht verblüfft an. „Du hältst ja einiges von mir.“ „Natürlich, ich bin ja auch deine Mutter und liebe dich über alles. Und ich kenn dich immerhin seit deiner Geburt.“ Sie beugte sich vor und gab ihm einen leichten Kuss auf die Stirn. „Aber jetzt geh schlafen, damit du komplett gesund wirst. Du willst morgen doch noch zu seiner Ausstellung, nicht wahr?“ „Aye.“ Er machte einen verdatterten Gesichtsausdruck. „Woher weißt du das? Ich hab' mich doch selber grad erst dafür entschieden.“ „Ach, Schatz, du bist mein Sohn. Ich kenn dich besser als du glaubst.“ Sie nahm seine leere Tasse, stand auf und ging zur Tür. „Gute Nacht, Liebling.“ Gerade als sie zumachen wollte, steckte sie den Kopf noch mal rein. „Aber vergiss bitte nicht, Kondome zu benutzen.“ „Mom!!!“ Das Kissen knallte nur noch gegen die geschlossene Tür, während noch ihr leises Kichern zu hören war. Adam lehnte sich zurück und verschränkte die Arme, den Mund schmollend verzogen. Es konnte wirklich nerven, so eine Mutter zu haben, die einen in- und auswendig kannte und kein Blatt vor den Mund nahm. Nach einigen Augenblicken aber ließ er sich auf den Rücken fallen, schaltete die Musik wieder ein und schloss die Augen. Sie hatte ja recht. Er würde sich mal seine Bilder anschauen. Vielleicht waren sie ja derart miserabel oder abstoßend, dass er sich dagegen entschied, Modell zu stehen. Vielleicht auch nicht. Er knurrte leise, zog die Visitenkarte aus der Hosentasche und starrte sie an. “Ihren letzten Kommentar hätte sie sich aber wirklich sparen können.“ murmelte er leise, stellte seinen Handywecker und machte dann das Licht aus. In den Pullover seines Vaters gekuschelt rollte er sich zusammen und schlief einige Augenblicke später ein. Das letzte Bild in seinem Kopf waren volle Lippen, die sich zu einem zufriedenen Lächeln verzogen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)