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New Horizon

von

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Prolog

„Kuchen!“, schrie der kleine, braunhaarige Junge als er sah, wie die Mutter seines Freundes dabei war, die Torte in Richtung Esszimmer zu tragen. Da aber die Freunde ihres Sohnes wie wild durch die Wohnung rannten, gestaltete sich das Ganze schwieriger als gedacht, weshalb das ganze einem Balanceakt glich. Aber das machte ihr nichts aus – das Kinderlachen und der Lärm beim Spielen, das in der ganzen Wohnung zu hören war, war für sie das schönste Geräusch. Als Izzy vor einigen Jahren in den Kindergarten kam, hatte sie befürchtet, dass er wegen seiner verschlossenen Art nur schwer Anschluss finden würde. Doch das war unbegründet. Schnell hatten er und seine beste Freundin Mimi sich in die Gruppe um Tai, Sora, Matt und Joey integriert und wurden zu einer unzertrennlichen Gruppe. Weshalb sie nun auch alle zu seiner Geburtstagsfeier gekommen waren. Sie hatten ihn auch alle reichlich beschenkt und die Freude stand Izzy ins Gesicht geschrieben. Sie hoffte, dass gerade so ein Wirbelwind wie Tai es war, ihren Sohn ein bisschen aus der Reserve locken könnte. Immerhin hatte er es bereits geschafft, Izzy dazu zu überreden, mit ihm und Sora in das Fußballtraining zu gehen. Auch wenn Izzy es schnell wieder aufgegeben hatte.

Sie stellte die Torte auf den buntgeschmückten Tisch, der mit Konfetti und Luftschlangen übersät war, und wollte gerade in die Küche gehen um die Cupcakes zu holen, da klingelte es an der Tür. „Izzy, Besuch!“, rief sie und die ganze Horde Kinder kam ihr entgegengerannt. Da nur noch Mimi und ihre Familie fehlten, war es wenig überraschend, dass das Mädchen gemeinsam mit ihren Eltern vor der Tür stand.

Izzy wurde von den Tachikawas herzlich beglückwünscht und reichlich beschenkt, war Satoe Tachikawa doch seine Patentante. Freudig schaute sich Mimi um und wurde sogleich in das Spiel integriert. „Du bist dran“, ertönte die freundliche Stimme eines orangehaarigen Mädchens.

„Dich krieg ich“, tönte das zehnjährige Mädchen mit den gelockten, braunen Haaren, das ein rosé-farbenes Kleidchen trug. Schnell war sie im Spiel drin und es bereitete ihr große Freude, Tai zu jagen und hatte mit Sora eine Verbündete gefunden. Gemeinsam hatten sie es geschafft, ihn zu fangen.

„Blöde Mädchen“, schimpfte Tai, der das noch nicht glauben konnte. Ein Mädchen in einem absolut mädchenhaften Kleid hatte es geschafft, ihn zu fangen. Das hat es bis dahin noch nicht gegeben. „Das hast du nur Soras Hilfe zu verdanken“, meckerte er und streckte Mimi die Zunge raus.

„Du solltest dich eben nicht mit Mädchen anlegen“, konterte sie und erntete dafür Soras Zustimmung. „Hmmpf“, grummelte Tai und erntet dafür das Gelächter der anderen.

„Kinder, es gibt Kuchen“. Mehr bedarf es nicht und sie rannten, allen voran Tai, ins Wohnzimmer. Als sie sich gesetzt hatten, wurde noch „Happy Birthday“ und „Hoch soll er leben“ für Izzy gesungen, wobei sein Vater und Mimis Vater sogar seinen Stuhl anhoben, bevor dann endlich die Torte angeschnitten wurde. Lange hatte Izzys Mutter überlegt, welches Motiv am besten passen würde, bis sie sich dann für einen Marienkäfer entschied, der allerdings keine schwarzen Punkte, sondern graue hatte – damit es nicht zu mädchenhaft wirkte. Zudem hatte sie noch große, grüne Augen darauf modelliert und gelbe Antennen. Diese hatte sich Izzy gewünscht, da er fand, dass so etwas noch fehlen würde. Während Tai und die anderen Kinder sich über ihr Stück Torte hermachten und nicht darauf achteten, ob das, was auf der Gabel war, in ihrem Mund landete oder auf der Tischdecke, legte Mimis Mutter ihrer Tochter eine Serviette auf den Schoss und gab ihr einen Cupcake, von dem sie das Frosting herunterkratzte. „Das ist zu viel Zucker, Liebes“, lächelte sie an und Mimi nickte nur stumm. Sie beneidete die anderen Kinder insgeheim darum, dass diese machen durften was sie wollten während sie unter den strengen Augen ihrer Mutter war. „Kopf über den Teller, Mimi, sonst siehst du am Schluss noch aus wie dieser Junge“, ermahnte sie Mimi und blickte Richtung Tai, der mittlerweile beim zweiten Stück Torte war und in dessen Gesicht, wie auch auf seiner Latzhose Torte klebte. „Satoe, gönn dem Kind doch mal ein bisschen Spaß“, versucht Keisuke, Mimis Vater, die Situation aufzulockern, doch bekam von seiner Frau nur einen bösen Blick, den zwar Mimi, nicht aber die anderen Anwesenden am Tisch bemerkten. Das kleine Mädchen wusste gar nicht, was sie machen sollte, sie wollte doch nicht, dass sich ihre Eltern ihretwegen streiten. „Schon okay, ich hab eh keinen großen Hunger“, sagte sie deshalb.

„Echt nicht? Dann kann ich ja deinen Muffin nehmen“, lachte Tai und ehe sich Mimi versah, war ihr Teller weg und Tai zerbröselte den Muffin und mischte die Überreste mit dem Frosting zusammen. „Das Frosting ist doch das beste am ganzen Muffin“, lachte er und schob sich eine Gabel mit dem Gemisch in den Mund.

„Das ist ja voll eklig was du da machst“, kam es von Sora.

„Du sollst auf deinem Teller nicht Krieg spielen“, lachte Matt, der neben ihm saß, und deutete auf den Brei auf Tais Teller. „Lass mich doch in Ruhe, du Blödi“, entgegnete Tai und er und Matt fingen eine Rangelei an.

„Hey Sportsfreunde, lasst das“, lachte Izzys Vater vergnügt, stellte die Kanne mit Limonade ab, schob die beiden Raufbolde auseinander und kam dann doch endlich dazu, den Kindern etwas von dem Getränk in die Gläser zu gießen. Er hielt sich bewusst im Hintergrund, weil er mit Keisuke über die Geschäfte reden wollte aber auch da er mit Satoe einfach nicht mehr klar kam. Im College waren er und seine Frau sehr gut mit den Tachikawas befreundet. Doch seit sie Mimi hatten, hatte sie sich verändert. Sie war viel ernster geworden, hatte kaum noch Spaß und war eine absolute Helikoptermutter. Mimi hatte kaum Freiheiten, sie durfte ihre Kindheit nicht auskosten wie es ein Kind sollte. Er wusste, woher diese Veränderung kam, doch er konnte es nicht nachvollziehen. Es war ihm auch schleierhaft, warum Keisuke das alles mitmachte und sich nicht mehr für die Rechte seiner Tochter einsetzte.

Seine Gedanken wurden unterbrochen als er einen lauten Rülpser hörte. Alle Augen waren auf Izzy gerichtet, dessen Röte im Gesicht verriet, dass ihm das unangenehm war. „Das kann ich toppen“, kam es von Sora und sie rülpste ein wenig lauter. Daraufhin entbrannte ein Wettstreit zwischen den Kindern, der von Tai gewonnen wurde. „Hey Mimi, zeig mal was du kannst“, forderte Tai sie auf und grinste siegessicher. Hier würde sie ihn nicht schlagen können.

„Mimi, lass dich darauf nicht ein. Das macht man nicht“, wurde sie von ihrer Mutter getadelt, die sich anschließend an Tais richtete. „Hör auf, meiner Tochter solche Flausen in den Kopf setzen zu wollen“.

„Satoe, er meint es doch nicht böse“, versuchte Izzys Mutter die Situation zu entschärfen. „Los, geht wieder in Izzys Zimmer spielen. Probiert doch mal Dr Bibber aus, das Joe Izzy geschenkt hat“, schickte sie die Kinder weg um in Ruhe mit Satoe reden zu können.

„Okay, na komm Mimi“, forderte Izzy sie auf und reichte seiner besten Freundin die Hand. „Das ist lieb von dir Izzy, aber wir gehen jetzt“, hielt Satoe die beiden auf. Zwölf verdutzte Kinderaugen schauten sie an. „Aber ich möchte noch bleiben. Bitte Mama. Ich mag noch mit ihnen spielen“, bat Mimi und schaute ihre Mutter erwartungsvoll an.

„Satoe, lass..“

 „Nein Keisuke“, unterbrach sie ihren Mann. „Schätzchen, du musst doch noch ins Training. Du kannst deine Gruppe doch nicht kurz vor der Generalprobe alleine trainieren lassen“.

„Ich will aber hier bleiben. Das macht mehr Spaß“, motzte Mimi, verschränkte die Arme vor der Brust und zog einen Schmollmund.

„Keine Widerrede, du ziehst jetzt deine Schuhe an und dann gehen wir ins Training“, und damit zog sie ihre Tochter in Richtung Garderobe, wo ihre Schuhe standen. Izzy und die anderen Kinder wurden von Izzys Mutter in sein Zimmer geschoben, damit sie von alledem nichts mitbekamen. Die beiden Väter hörten noch, wie Mimi mit ihrer Mutter diskutierte, aber keine Chance hatte. Izzys Vater schaute Keisuke vorwurfsvoll an, doch Keisuke wusste, dass er nicht mit seiner Frau reden konnte, wenn sie in einer solchen Stimmung war. Dann kamen die beiden auch schon zurück und Mimi konnte man deutlich ihren Unmut über die Entscheidung ihrer Mutter ansehen.

Satoe öffnete die Tür zum Kinderzimmer, damit Mimi sich verabschieden konnte. Ein leises Tschüss war zu hören, Satoe wünschte noch einen schönen Tag und ging Richtung Tür. Keisuke blieb noch einen Moment stehen, entschuldigte sich für seine Frau, wuschelte Izzy über den Kopf und folgte dann. Bevor die Tür geöffnet wurde, kam Tai hinter ihnen hergerannt. „Tschüss Mimi. Bis bald. Das nächste Mal können wir hoffentlich länger spielen ohne dass die Hexe uns stört“.

Und mit diesen Worten trennten sich die Wege von Tai und Mimi erstmal. Denn Mimis Vater wurde nach New York versetzt und würde dort die nächsten Jahre arbeiten. Dennoch sollten sich die Wege von Tai und Mimi nicht endgültig trennen…

Erster Tag - Alte Freunde

Mimi war sich nicht sicher, wann sie das letzte Mal so nervös gewesen war. Die ganze Nacht hatte sie vor Nervosität kaum ein Auge zugetan. Stattdessen wälzte sie sich stundenlang von einer Seite zur anderen, in der Hoffnung, doch noch eine Portion Schlaf zu bekommen. Irgendwann, spät in der Nacht, gelang es ihr doch noch, ein wenig erholsamen Schlaf zu erhaschen.

Doch der Morgen kam schneller als ihr lieb war und der Wecker holte sie aus ihrer Traumwelt zurück in die Realität. In das Hier und Jetzt. Aufstehen war für sie nie ein Problem gewesen – sie war schon immer ein Morgenmensch und konnte nicht verstehen, wie manche es aushielten, den ganzen Tag im Bett zu verbringen. Einige ihrer Freunde aus Amerika waren Meister darin, an den Wochenenden bis mittags zu schlafen. Doch Mimi nutzte den Morgen lieber, um zu lernen oder zu trainieren. Darin bestand wohl auch der Unterschied zwischen Mimi und ihren Freunden: Während diese die Wochenenden genießen konnten und ausgehen durften, hatte Mimi oft bis spät in den Abend Training. Es machte ihr ja Spaß, aber sie beneidete ihre Freunde oft um diese Freiheit, die ihr verwehrt blieb.

Sie ging schnell duschen und föhnte sich anschließend ihre langen Haare. Leicht gewellt hingen sie herunter und ihr langes Pony hatte sie mit einem Haarreifen, auf dem ein kleiner Stern angebracht war, zurückgesteckt. Ihr bester Freund, Izzy, hatte ihr diesen Haarreif einmal geschenkt. „Sterne bieten uns in der Dunkelheit der Nacht Orientierung. Der Haarreif soll dir Orientierung geben auf deinem Weg“, hatte er damals gesagt und Mimi war der Meinung, es solle ein Glücksbringer sein auf ihrem Weg zur Ballerina. Sie war wirklich froh, dass sie und Izzy eine Freundschaft verband, die den Tausenden von Kilometern, die die beiden trennte, trotzte. Sie sahen sich meist nur einmal im Jahr – dann, wenn Mimi in den Sommerferien zu Besuch kam. Seit sie vor fünf Jahren wegziehen musste, war es nicht einmal vorgekommen, dass sie den Sommer nicht in Japan verbrachte. Daher hatte sie auch zu ihren anderen Freunden aus Kindheitstagen noch Kontakt. Leider waren es tatsächlich nur Izzy und Sora, zu denen sie auch regelmäßig Kontakt hatte, wenn sie nicht in Japan war.

„Verdammt, schon so spät“, schimpfte sie und huschte schnell in ihr Schlafzimmer, um sich dort zu schminken und schließlich ihre Schuluniform anzuziehen. Sie beschloss, ihr Make-up dezent zu halten und so trug sie nur ein bisschen Tagescreme auf, überdeckte mit Concealer die Augenringe, die sie den wenigen Stunden Schlaf zu verdanken hatte, und betonte mit ein wenig Eyeliner ihre großen, karamellfarbenen Augen. Abgerundet wurde das ganze durch ein wenig Wimperntusche.

 

„Izzy ist da“, rief ihre Mutter nach oben.

Mimi atmete noch einmal tief durch, drehte sich vor ihrem Spiegel und befand, dass die Schuluniform doch nicht so schlimm war wie sie zuerst dachte. Der blaue Rock, der ihr bis kurz über die Knie reichte, betonte ihre Beine und die weiße Bluse schmeichelte ihrer Taille. Doch am meisten gefiel ihr die rote Schleife, die, ähnlich wie eine Fliege, um ihren Hals hing. Sie mochte Schluppenblusen sehr gerne, weshalb das wirklich ihr Lieblingsteil der Uniform war.

„Ich komme“, antwortete sie ihrer Mutter, griff noch schnell nach ihrer Tasche, die auf dem Schreibtischstuhl stand, sowie nach ihrem blauen Jackett, das über der Stuhllehne hing, und machte sich dann auf dem Weg nach unten. In dem großen Flur, dessen Wände in weiß gehalten waren, während die Schränke und Kommoden Birkenmöbel waren, standen Izzy und Satoe und waren in ein Gespräch vertieft.

Izzy erzählte ihr gerade davon, dass er dieses Jahr wieder den Computerclub leiten würde. Satoe freute sich, dass ihr Patenkind eine solche Leidenschaft gefunden hatte, auch wenn sie nicht verstehen konnte, woher sie rührte.

„Wir können gehen“, kam Mimi bei den beiden an und zog Izzy schon Richtung Haustür. „Hab einen schönen Tag, aber denk dran..“, rief ihr Satoe hinterher, doch noch bevor sie ihren Satz beenden konnte, waren Mimi und Izzy draußen.

„… dass du heute Training hast“, beendete Mimi den Satz und äffte dabei die strenge Tonlage ihrer Mutter nach und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

„Du klingst nicht sehr begeistert.“

Mimi blickte kurz nach unten. Was sollte sie bloß darauf erwidern, wenn sie selbst nicht wusste, ob sie begeistert sein sollte oder nicht.

„Es ist nur.. naja, ich hatte gehofft, dass sie mir Zeit geben würde, mich hier einzuleben“, war Mimi um eine Antwort bemüht. Sie hoffte, dass sich Izzy mit dieser Antwort zufrieden geben würde. Sein zweifelnder Gesichtsausdruck verriet jedoch etwas anderes. Bevor er noch weiter nachhaken konnte, wechselte Mimi schnell das Thema. Sie wollte jetzt nicht darüber sprechen.

„Ich bin so auf die Schule gespannt Izzy. Und ich freue mich so, dass wir zusammen in einer Klasse sind! Das wird sicher richtig toll. Wie früher“, sie hatte wieder diese Fröhlichkeit in ihrer Stimme, die sie immer hatte. Hoffentlich würde Izzy nicht merken, dass sie mittlerweile gut darin war, es zu überspielen, wenn etwas sie belastete.

„Ich freue mich auch sehr darüber. Ich bin mir sicher, dass dir die Schule gefallen wird.“

„Izzy, Schule und gefallen? Das klingt ja so als würde es Spaß machen“, lachte sie.

„Naja, ich meine damit, dass die Lehrer wirklich sehr kompetent sind und die Ausstattung auch sehr gut. Die Computer sind alle auf dem neuesten Stand der Technik und..“

 „Mein kleiner Technik-Nerd. Kannst du auch an was anderes denken? Wie sind denn die Mitschüler? Irgendwelche heißen Jungs dabei? Oder Mädchen für dich?“, fiel sie ihm ins Wort und Izzy konnte nur die Augen verdrehen

„Ich weiß nicht. Kann schon sein, dass der ein oder andere auf der Schule ist, der dir gefallen könnte. Aber das wirst du ja gleich sehen.“

In dem Moment bogen sie schon um die Ecke und erreichten das Schulgebäude. Genauer gesagt waren es zwei Gebäude, die sich allerdings einen gemeinsamen Schulhof teilten. Auf der linken Seite des Hofes befand sich die Mittelschule, während die Oberschule auf der rechten Seite ihr Gebäude stehen hatte. Während die Fassade der Mittelschule in Grün- und Weißtönen gehalten war, war die der Oberschule in dunkelblau und grau gestrichen. Die Farben sollten denen der Schuluniformen ähneln. Mimi blieb beim Anblick der Schülermassen, die sich auf dem Schulhof tummelten erstaunt stehen und schaute sich um. So viele Schüler auf einmal war sie nicht gewohnt. In New York war sie auf einer kleinen Privatschule, in der es nicht so viele Klassen gab. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals unter und hoffte, dass sie diesen Tag überstehen und sich irgendwie zurechtfinden würde.

„Halt dich einfach an mich. Das sieht zwar aus wie ein Löwengehege, doch so schlimm ist es nicht. Keine Angst, ich lass dich nicht alleine“,  manchmal hatte Mimi das Gefühl, Izzy könne ihre Gedanken lesen.

Auch wenn Mimi nach außen oft sehr taff wirkte und den Eindruck erweckte, man könne ihr nichts anhaben, wusste Izzy, dass das nur Fassade war, ein Selbstschutz, den sie sich aufgebaut hatte, um nicht noch verletzt zu werden. Er lächelte sie schließlich aufmunternd an, sie hakte sich bei ihm ein und gemeinsam gingen sie in das Schulgebäude. In diesem tummelten sich noch viel mehr Menschen und in kleinen Grüppchen, die überall auf dem Flur standen, wurden die Ferienerlebnisse untereinander ausgetauscht.

Izzy brachte Mimi zuerst in das Sekretariat, in dem sie sich noch anmelden musste. Dort trafen die beiden auch auf ihren Klassenlehrer, Herrn Yamakawi, der Mimi freundlich empfing und sich bei Izzy bedankte, dass dieser sich so gut um Mimi gekümmert habe. Gemeinsam gingen die drei in Richtung des Klassenzimmers, das im 3. Stock lag. Unterwegs erzählte er Mimi, dass er ihre Klasse in Englisch und Japanisch unterrichten werde. Bevor sie die Tür erreichten, schickte Herr Yamakawi Izzy bereits in den Saal um noch ein paar Worte mit Mimi zu wechseln.

„Tief durchatmen. Und keine Angst haben. Du hast Glück, dass du in eine Klasse gekommen ist, die sehr angenehm und freundlich ist. Wenn wir reinkommen, begrüße ich die Klasse, stell dich kurz vor und dann sagst du ein paar Worte zu dir, okay? Hab keine Angst, alles wird gut, glaub mir“.

Mimi war ganz erstaunt über diese Worte, gleichzeitig nahm er ihr aber auch Anspannung von den Schultern. Und tatsächlich- nachdem sie sich vorgestellt hatte und ihren Platz neben Izzy eingenommen hatte, ging Herr Yamakawi über zu den organisatorischen Dingen und nur ab und an schauten die Mitschüler mal Richtung Mimi. Izzy hatte für die beiden einen Tisch neben dem Fenster ausgesucht, vor dem ein großer Kirschblütenbaum stand. Im Sommer blüht er sicher richtig schön, dachte sie und sehnte schon die warme Jahreszeit herbei.

Schneller als sie erwartet hatte, klingelte es zu einer kurzen Pause, in welcher Herr Yamakawi den Saal verließ. Mimi schaute sich verunsichert um. Sollte sie auf die anderen Mädchen zu gehen und sich nochmal vorstellen? Vielleicht würde sie so ja erste Kontakte knüpfen können. Gerade als sie den Mut gesammelt hatte, aufzustehen, sah sie wie sich immer mal wieder Mädchen, die wie in einer Traube um einen Tisch herum standen, zu ihr schauten und leise tuschelten. Erstarrt blieb sie auf dem Stuhl sitzen und blickte zu der Mädchengruppe. Sie verstand nicht, was sie sagten, doch so oft wie sie in ihre Richtung schauten, musste Mimi das Gesprächsthema sein.

Verunsichert schaute sie zu Izzy, der jedoch nichts davon mitbekommen hatte, weil er im neuen Mathematikbuch gestöbert hatte, was dieses Schuljahr auf sie zukommen würde.

Ihr Klassenlehrer nahm ihr die Entscheidung ab, ob sie trotz des Getuschels zu ihren Mitschülerinnen gehen sollte. Er kam mit einem großen Stapel an Blättern zurück in den Klassenraum und fing die Stunde an. Es war zwar der erste Schultag, doch nach dem organisatorischen Teil wurde bereits mit dem Unterricht begonnen.

Mimi atmete erleichtert auf als sie ihr Bündel Kopien in die Hand bekam. Herr Yamakawi hatte alle relevanten Blätter für die Unterrichtseinheit ausgeteilt, die die Schüler nun in ihren Ordnern immer dabei haben sollten. Zu Mimis Freude war das erste Thema dieses Schuljahres Jane Austen. Eine Autorin, die ihr aus den USA noch sehr gut bekannt war und deren Werke sie gerne las. Viele sahen darin nur veraltete Kitschromane, doch für Mimi waren es die Geschichten von jungen, unterdrückten Frauen, die gegen die gesellschaftlichen Normen kämpften um ihr Recht durchzusetzen und ihre Träume zu verwirklichen. Etwas, was sich Mimi auch für ihr Leben wünschte. Doch das konnte sie nicht.

 

„Hast du das gesehen? Diese neue sagt nur zwei Sätze in ihrem ach-so-perfekten Englisch und gleich ist Herr Yamakawi hin und weg von ihr.“

„Unglaublich oder? Dabei ist es total unfair, dass er sie so lobt, immerhin hat sie ja vorher in New York gelebt.“

Es war Mittagspause und Mimi war kurz auf Toilette bevor sie und Izzy zum Mittagessen gehen wollten. Als sie die Toilettenkabine gerade verlassen wollte, hörte sie das Gerede ihrer Mitschüler. Sie fühlte, wie sich ihr Herz eng zusammenzog und ein tiefer Schmerz in ihr hochkroch, der sich schließlich zu einem schweren Kloß in ihrem Hals formte. Ihre Hand blieb auf dem Türknauf liegen während sie in ihrem Inneren den Konflikt ausfochte, ob sie sich ihren Mitschülerinnen stellen sollte, oder ob sie warten sollte, bis sie die Toilette verlassen hatten.

Mimi entschied sich, den Mädchen die Stirn bieten zu wollen, doch als sie hörte, wie eines der Mädchen sie verächtlich als „Prinzessin“ bezeichnete, erstarrte sie in ihrer Bewegung. Dieses Wort, dieser Spitzname. Ihr Herz zog sich zusammen. Wie oft hatte er sie in diesem Sommer liebevoll so genannt? Wie würde wohl ihr erstes Wiedersehen werden?

Als die Stimmen der Mädchen verhallt waren, schüttelte Mimi schnell alle Gedanken bei Seite und verließ die Kabine.

 Sie stellte sich an eines der Waschbecken und wusch sich gründlich die Hände. Ihr Blick fiel auf ihr Spiegelbild. Große, karamellfarbene Augen blickten ihr ausdruckslos entgegen. War sie wirklich nur Papas Prinzessin? Dabei war sie doch so viel mehr, oder etwa doch nicht?

Sie richtete sich noch schnell ihre Haare und ging dann auf den Schulflur, wo Izzy auf sie wartete.

„Ist alles okay? Du warst so lange im Bad“, besorgt schaute er sie an.

„Ich hab nur einen Moment für mich gebraucht“, antwortete Mimi mit einem müden Lächeln. Sie hasste es, zu lügen, doch strenggenommen war das keine Lüge. Sie wollte ja wirklich nur kurz für sich sein und sich sammeln. Dass die Mädchen dafür der Grund waren, verschwieg sie lediglich.

„Mimi, wenn es wegen Tai ist, dann …“, setzte Izzy an, doch Mimi winkte ihn ab.

„Lass uns essen gehen. Ich hab Sora und den Rest schon lange nicht mehr gesehen. Mit Tai komm ich schon klar“, schlug sie optimistisch vor und hakte sich bei Izzy unter. Sie hatte einige Male mit Izzy über Tai gesprochen, doch weder er noch die anderen konnten ihr die Frage beantworten, warum Tai sich nicht mehr bei Mimi gemeldet hat. Irgendwann hat sie aufgehört zu fragen. Der Gedanke, die anderen wiederzusehen, stimmte sie jedoch wieder fröhlicher, wenngleich das flaue Gefühl in ihrem Bauch nicht verschwinden wollte.

 

„Da seid ihr ja endlich“, begrüßte Sora die beiden glücklich und ging gleich auf Mimi zu. Sie saß mit Tai, Kari, TK, Davis, Yolei und Cody an einer Bank unter einem Baum, der ihnen trotz des kühlen Märzwetters kühlenden Schatten spendete.

„Ich hab dich ja wirklich lange nicht mehr gesehen“, summte Sora Mimi ins Ohr als sie sie herzlich umarmte. Zum ersten Mal an diesem Tag fühlte sie sich aufgenommen. Natürlich gab ihr Izzy das Gefühl auch, aber in der langen Zeit in der sie sich kannten, hatten sich zwischen den beiden eine unsichtbare Verbindung gebildet, die der von Geschwistern glich.

„Ich freu mich, dich wieder zu sehen“, gestand ihr Mimi ehrlich nachdem sie die Umarmung gelöst hatten. Einen Moment lang schauten sich die beiden in die Augen und lächelten sich stumm an bevor Mimi Sora erneut in eine Umarmung zog. Auch wenn die beiden sich nicht oft gesehen hatten in den letzten Jahren, hielten sie per Mail und Skype Kontakt und so war zwischen ihnen eine Freundschaft entstanden, die Mimi sehr schätzte und die ihr viel bedeutete.

„Hey, ich will auch Hallo sagen“, schob sich TK lachend dazwischen. Auch wenn er jünger war als die anderen, kannte sie ihn doch gut, da Matt ihn oft zu Treffen mitgebracht hatte und Mimi und als Kinder oft gemeinsam gespielt hatten. Als sie älter waren und das gemeinsame Spielen gegen Treffen im Park, Kinobesuche oder Tage am See eintauschten, war er meist auch dabei, da er seine Ferien oft bei Matt verbrachte. Immer wenn sie in Tokio gewesen war, hatte sie mit all ihren Freunden hier etwas unternommen. TK drückte Mimi sanft an sich, flüsterte ihr „Willkommen zurück“ ins Ohr und machte dann auch schon Platz für Kari, die wartend neben den beiden stand, um ihrer Freundin zu begrüßen zu können.

„Das sind übrigens Davis, Yolei und Cody. Freunde von TK und mir“, erklärte sie Mimi und deutete auf die für Mimi unbekannten Gesichter. „Und das ist mein Bruder Tai“, fügte sie hinzu und warf Tai einen bösen Blick zu, der ihn auffordern sollte, sein Essen wegzulegen und stattdessen Mimi zu begrüßen. Sie wusste zwar, dass Tai nicht gut auf Mimi zu sprechen war, doch so viel Anstand, einer Freundin trotz Differenzen Hallo zu sagen, sollte er doch haben!

„Hallo“, murmelte er zwischen zwei Bissen und schaute Mimi genauer an. Mimi nuschelte ebenfalls ein kurzes Hallo und für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Doch die Art wie sie sich anschauten hatte sich geändert. Anstelle von Wärme und Geborgenheit, die sie aufeinander ausstrahlten, waren nun Kälte und Gleichgültigkeit getreten. Mimi konnte diesen Blick nicht länger standhalten. Konnte ihn nicht länger ertragen. Und so wand sie schnell ihren Kopf zur Seite und schaute sich in der kleinen Gruppe um, die sich mittlerweile wieder auf die Picknickbank gesetzt hatte.

„Wo..“, setzte Mimi an, wurde aber von Tai unterbrochen.

„Bleibt das Prinzesschen jetzt länger in Japan?“, fragte er und schaute sie herausfordernd an.

„Tai, sei nett zu ihr“, ermahnte Sora ihn tadelnd und sah entschuldigend zu Mimi. „Er ist frustriert, weil er schon am ersten Tag Ärger bekommen hat“, erklärte Sora. Doch Mimi wusste, dass das nicht stimmte. Er hatte ihr nie eine Antwort gegeben, warum er den Kontakt zu ihr abgebrochen hatte, doch irgendetwas musste sie getan haben, dass sie entzweit hatte. Mit der Zeit hatte sich Mimi damit abgefunden, doch ihn jetzt wieder vor sich zu haben und ihn regelmäßig sehen zu müssen, brachte Gefühle in Mimi hoch, die sie längst vergessen hatte.

„Ja, ich bleibe jetzt in Japan“, beantwortete sie seine Frage. Tai schenkte ihr einen undefinierbaren Blick, der erneut ein Gefühl der Beklemmnis aufkommen ließ. Doch davon wollte sie sich gerade nicht unterkriegen lassen. Der Empfang in der Klasse war schon unangenehm genug gewesen, dass sie sich die gute Laune, die die Begrüßung der anderen in ihre auslöste, nicht kaputt machen lassen wollte. Während die anderen bereits wieder in Gespräche vertieft waren, schaute sie sich nochmal alle an. Die meisten dieser Personen vermittelten ihr das Gefühl, dass sie nicht nur von ihnen angenommen wurde, sondern dass sie zu Hause war. Dort war, wo sie hingehörte. Nur einer fehlte.

„Wo ist denn Matt?“, sprach sie das aus, was sie bereits fragen wollte bevor Tai ihr ins Wort gefallen war. Plötzlich waren alle still und schauten sie an. Hatte sie was Falsches gesagt?

Erklärungen

Frustriert stöhnte Mimi auf. Frau Hifumi hatte gerade eine Pause angeordnet, nachdem Mimi  zum wiederholten Male von der Trainerin ermahnt worden war, dass sie die falschen Schritte getanzt habe und die ganze Gruppe wieder von vorne anfangen musste. Die genervten Blicke der anderen Mädchen waren ihr dabei nicht entgangen. Es war Mimis erster Tag in der Ballettschule. Sie hatte die Choreographie sogar per Mail geschickt bekommen, so dass sie noch in New York anfangen konnte, zu üben. Mittlerweile konnte sie die Schritte auch. Nur heute wollte es ihr nicht gelingen. Die Schritte alleine einzustudieren war eben doch etwas anderes, als gemeinsam in einer Gruppe zu tanzen.

Sie nahm einen großen Schluck Wasser aus ihrer Flasche und setzte sich auf die Bank und lehnte ihren Kopf gegen die Wand, wobei ihr Dutt ihren Kopf sanft auffing. Warum konnte es nicht einmal gut für sie laufen? Bereits als sie sich vorgestellt hatte, hatten die anderen Mädchen sie kritisch beäugt. Und auch jetzt fühlte es sich an, als würden ihre Augen Mimi durchdringen. Was hatten sie nur gegen sie?

„Was bläst du denn für Trübsal?“, holte Karis sanfte Stimme sie aus ihren Gedanken.

„Wegen mir mussten wir ständig neu anfangen“, murmelte Mimi betrübt und ließ sich ein Stück an der Wand runterrutschen.

„Das kann doch mal vorkommen. Jeder hat ab und an einen schlechten Tag“, versuchte Kari die Brünette aufzuheitern und setzte sich neben sie.

„Es ist aber kein guter Start, wenn gleich am ersten Tag alles schiefläuft. Und mir darf das nicht passieren“, erklärte Mimi wehmütig und legte ihren Kopf in ihre Hände, „ich kann mir keine Fehler leisten. Sonst kann ich die Juilliard vergessen.“

„Aber du hast doch noch über ein Jahr Zeit bis zu den Aufnahmeprüfungen. Und sieh es mal so: es kann nur besser werden“, tröstete Kari sie. Sie hatte leicht reden. Auf ihr lastete nicht der Druck, den Mimi auf ihren Schultern trug und der langsam immer schwerer wurde.

„Das ist egal. Zur Aufnahmeprüfung kommen die Besten der Besten. Ich muss noch viel besser werden, um da mithalten zu können“, sprach die Brünette ihren Kummer aus.

„Ach Mimi, du bist die Beste von uns allen. Das ist uns hier schon klar, obwohl es erst dein erster Tag ist. Und das hat was zu heißen. Immerhin ist das hier eine der besten Ballettschulen Japans und die Aufnahmeprüfungen sind ziemlich hart“, sachte legte die Jüngere ihre Hand auf Mimis Knie und drückte es leicht, „Du bist so jung und hast schon so viel erreicht. In New York hast du immer die Hauptrollen getanzt, warum solltest du das hier nicht auch?“, fragte Kari aufmunternd.

„Ja, aber das hat ja nichts zu bedeuten.“ Mimi stutzte einen Moment. „Woher weißt du das eigentlich? Dass ich in New York meist die Hauptrolle getanzt habe?“, fragend schaute Mimi sie an. Sie hatte das nicht erwähnt als sie sich vorgestellt hatte. Warum auch? Dann hätten die anderen sie sicher gleich als arrogante und verwöhnte Prinzessin abgetan oder dachten, sie würde damit prahlen oder sich gar als etwas Besseres fühlen. Sie hatte schon oft genug spüren müssen, dass sie auf andere diesen Eindruck erwecken konnte. Es war ihr fester Vorsatz gewesen, dass es diesmal anders sein würde. Doch sie hatte es wohl bereits versaut, ohne dass sie es gemerkt hatte.

„Frau Hifumi hat es erwähnt, als sie sagte, dass wir jemanden Neues in unsere Gruppe bekommen. Sie meinte, wir würden ziemlich talentierte Verstärkung bekommen“, klärte Kari sie auf ohne klang begeistert von Mimi und ihrem Talent, „Und es ist doch ein gutes Zeichen, dass Frau Hifumi so viel von dir hält. Sie ist doch eine Größe im Ballettbusiness.“

„Hm“, murmelte Mimi und ließ ihren Blick zu ihrer Ballettlehrerin schweifen. Frau Hifumi war etwa Ende dreißig und eine große, dünne Frau, deren schwarze Haare in einem perfekten Dutt zusammengehalten wurden. Ihre Mutter und Frau Hifumi kannten sich von früher und so hatte Mimi mal erzählt bekommen, dass sie am Londoner Royal Ballet getanzt hatte bevor sie Trainerin wurde. Dennoch passte Mimis Meinung nach irgendetwas nicht zusammen, wenn es um ihre Trainerin ging.

„Gib dir ein bisschen Zeit. Die Mädchen müssen dich erst kennenlernen. Am Anfang haben sie mich ständig gemustert, weil ich ein Stipendium habe“, erklärte Kari und Mimi sah für einen Moment ein wenig Trauer in ihren Augen. „Aber ich bin auf sie zugegangen und irgendwann haben sie damit aufgehört. Irgendwann haben sie mich wohl akzeptiert“, lachte sie und schaute Mimi kurz darauf wieder ernst an, „und das werden sie mit dir auch. Gib dir Zeit. Gib ihnen Zeit“, fügte Kari hinzu und lächelte sie an.

„Kari, da ist noch was..“, setzte Mimi an, doch Frau Hifumi rief sie zurück zum Training.

„Später“, flüsterte Kari ihrer Freundin zu und ging auf ihre Position.

 

Eineinhalb Stunden später wurde die Gruppe erlöst und schweißgebadet strömten sie zur Umkleidekabine und genossen eine wohltuende, warme Dusche, die die Spuren des harten Trainings von ihrem Körper entfernte.

Die Umkleide leerte sich allmählich sodass neben Mimi und Kari nur noch einige wenige Mädchen anwesend waren.

„Kari“, fragte Mimi und stellte sich neben die Brünette, die gerade mit einem Kamm durch ihr schulterlanges, braunes Haar fuhr. „Sind die anderen arg böse auf mich?“, sprach Mimi das aus, was ihr seit der Mittagspause auf der Seele lag.

„Wieso sollte sie deshalb auf dich sauer sein?“, Kari schaute sie fragend an.

„Weil ich das mit Matt angesprochen hab. Ich glaube, ich habe Salz in die Wunde gestreut“, offenbarte Mimi traurig.

 

„Wo ist denn Matt?“, fragte Mimi und es war plötzlich still. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Verwirrt sah sie Sora an, die ihre Gabel in die Essensbox sinken ließ. Tai schaute sie nur böse an schüttelte den Kopf.

„Vermutlich im Bandraum oder so“, erklärte Sora mit verbitterter Stimme.

„Oh, okay“, stammelte Mimi und fühlte sich immer unwohler in ihrer Haut. Was hatte sie gesagt, dass die Stimmung plötzlich so umgeschwungen ist? Hatte sie etwas verpasst?

„Er hat mit ein paar Klassenkameraden eine Band. Sie hatten ein paar kleinere Gigs in Bars. Bei einem wurden sie von einem Plattenproduzenten entdeckt. Sie haben sogar schon eine Single aufgenommen. Aber unsere Eltern bestehen darauf, dass er erst die Schule beenden muss bevor er auf Tournee oder so gehen darf“, erklärte TK stolz, der die angespannte Stimmung zu ignorieren schien und anfing, über seinen Bruder zu plaudern.

„Und kennt deshalb seine Freundin und seine Freunde nicht mehr“, fügte Tai gereizt hinzu und seine braunen Augen funkelten vor Wut. Mimi lief es bei diesem Blick eiskalt den Rücken hinunter.

„Tai“, unterbrach Sora ihn, „lass das. Er hat eine Entscheidung getroffen, die wir akzeptieren müssen.“

„Richtig. Er hat entschieden, dass wir ihm nicht gut genug sind. Warum reden wir dann noch über ihn?“, mit jedem Wort wurde seine Stimme zorniger.

„Tai“, mahnend wandte sich Sora erneut an Tai. Sie wollte nicht, dass es eskalierte, immerhin war es für beide ein sensibles Thema. 

„Richtig. Wir reden über ihn, weil ein gewisses Prinzesschen nach vielen Jahren einfach wieder auftaucht und alles nachfragen muss, weil sie nichts mitbekommen hat in ihrer Abwesenheit“, redete er sich immer weiter in Rage und ließ all die Wut, die sich in ihm angestaut hatte, raus.

„Tai“, wütend haute Sora auf den Tisch, „es reicht. Wenn du nicht über ihn reden willst, dann tu es auch nicht.“

Bockig widmete er sich wieder seinem Essen.

 

„Mach dir keinen Kopf deswegen“, tröstete Kari Mimi, „es ist nicht so leicht, weder für Sora noch für Tai. Sora und Matt waren schon ziemlich lange zusammen und dass er sich dann gegen sie entscheidet, ist nicht leicht. Aber ich glaube, sie ist auf einem guten Weg.“

„Es tut mir nur so leid, dass ich nicht für sie da war. Wir haben leider die letzten Wochen kaum geskypt wegen des Umzugsstresses“, frustriert raufte sich Mimi die Haare. Wieso konnte sie nicht einmal für jemanden eine gute Freundin sein? Ging es wirklich immer nur um sie? In ihrem Kopf spannte sich eine Kette von Vorwürfen gegen sich selbst.

„Sora hat das erst mal mit sich ausmachen wollen. Sie hat auch nur wenig mit uns darüber gesprochen, meistens nur mit Tai“, erklärte die Jüngere und stand auf. „Glaub mir, du musst dir keinen Kopf deswegen machen. Die Trennung ist ja auch erst vier Wochen alt. Sie wollte dich sicher nicht mit ihren Problemen belasten, während du im Umzugsstress bist. Du weißt doch wie sie ist“, führte Kari fort und nahm Mimi zumindest ein wenig das schlechte Gewissen. Auch wenn sie jetzt wusste, dass sie bei Sora keinen Salz in die Wunde gestreut hatte, so wäre sie dennoch gerne für ihre Freundin da gewesen. Aber das wollte Mimi nun ändern und ihrer Freundin bei Seite stehen.

„Und wie geht es Tai damit?“, erkundigte sich Mimi zaghaft. Sie wollte eigentlich nicht, dass es sie interessierte, doch das Bild des wütenden Tais vom Vormittag hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt und wollte nicht mehr verschwinden. Und trotz der schwierigen Situation zwischen den beiden, so gab es auch positive Erlebnisse, die zumindest eine sanfte Bande der Freundschaft zwischen ihnen schuf.

„Er ist wütend“, meinte Kari nachdenklich und wandte ihren Blick nach unten.

„Das hab ich gemerkt.“

„Nimm es nicht persönlich. Du warst in dem Moment leider sein Blitzableiter. Es ist nicht leicht für ihn. Er fühlt sich von Matt verraten und gleichzeitig von ihm verlassen. Die beiden waren seit dem Kindergarten beste Freunde und von heute auf morgen sind sie es nicht mehr. Ich glaube, er macht gerade so etwas wie Liebeskummer durch, aber eben in dem Sinne, dass sich sein bester Freund nach Jahren von ihm quasi getrennt hat“, eröffnete Kari Tais Gefühlslage während sie gemeinsam den langen Flur Richtung Ausgang hinabschritten. Mimi fragte sich, ob er mit seinen Freunden nie darüber geredet hatte, was zwischen ihm und Mimi geschehen war, wenn selbst Kari Tais Verhalten ihr gegenüber auf die Sache mit Matt schob. Ob sie sie fragen sollte? Doch dann würde sie Kari in eine unangenehme Lage bringen und das wollte sie nicht.

„Aber Matt kämpft doch nur für seinen Traum. Auch wenn Matt und Sora nicht mehr zusammen sind, so müssen sich doch nicht auch noch Tai und Matt trennen“, Mimi versuchte wirklich, nachvollziehen zu können, wie es zum Bruch zwischen den beiden Freunden geführt hatte, doch sie verstand es nicht. Genauso wenig wie sie den Bruch zwischen sich und dem Braunhaarigen verstand.

„Da steckt vielleicht mehr dahinter als wir wissen“, murmelte Kari und öffnete die große Tür der Ballettschule.

Eine zarter Windhauch kam den beiden entgegen und Mimi zog ihre Jacke enger an sich. Auch wenn es mittags sehr frühlingshaft war, so wurde es gegen Abend doch frischer und Mimi war froh, dass sie ihre Jacke eingepackt hatte. Gemeinsam mit Kari stieg sie die breite, steinerne Treppe hinab. Am Eingangstor erspähte sie die Umrisse einer großen Person, die auf jemanden zu warten schien. In der Dämmerung konnte sie nicht genau sagen, wer es war. Doch mit jedem Schritt, den sie auf das Tor machten, wurde sie sich sicherer, dass es Tai sein musste. Seine wilde, braunhaarige Mähne verriet ihn.

„Tai, was machst du denn hier?“, fragte Kari überrascht bei ihrem Bruder nach und gab ihm eine leichte Umarmung zur Begrüßung.

„Ich war bis eben im Training und wollte dich abholen, damit du nicht alleine heimgehen musst. Es wird sicher bald ganz dunkel sein“, erklärte der Braunhaarige und sein Blick huschte immer mal wieder für den Bruchteil einer Sekunde zu Mimi, die etwas abseits von den beiden stand und die kleine Szene beobachtete. Tai schien sich wieder beruhigt zu haben. Von der Wut, die ihn am Vormittag auszeichnete, war nichts mehr zu merken. Er wirkte vielmehr erschöpft und ausgelaugt, was Mimi auf das Training schob.

„Ich geh dann mal. Schönen Abend noch“, verabschiedete sich Mimi.

„Bis morgen“, erwiderte Kari die Verabschiedung und winkte der Älteren noch zu.

„Warte Mimi“, erschrocken blieb Mimi stehen als Tais Stimme sie zurückrief. Was wollte er denn noch? „Ähm, kommst du gut nach Hause?“, fragte er nach und Mimi meinte, sie könne einen leicht besorgten Unterton heraushören.

„Ja“, antwortete sie zögerlich, „es ist nicht so weit.“

„Okay“, er nickte ihr leicht zu und ihre Blicke fixierten sich,  „Komm gut nach Hause und verlauf dich nicht. Warst ja schon lange nicht mehr in Japan und bei deinem Orientierungssinn wäre das kein Wunder“, und mit einem Schlag war die leichte Hoffnung, sie würde Tai noch etwas bedeuten, zerstört.

„Brauchst dir keine Sorgen zu machen“, konterte Mimi provokant, „ich finde den Weg schon.“

„Dann bis morgen. Falls du über Nacht nicht wieder nach New York verschwindest“, und damit wand er seinen Blick von ihr ab, legte Kari seine Hand auf ihren Rücken und signalisierte ihr so, dass er gehen wollte. Kari winkte Mimi nochmal zu und dann verschwanden die beiden in der leichten Abenddämmerung. Während Mimi sich an die Mauer lehnte und über seine Worte nachdachte, überkamen verdrängte Erinnerungen ihre Gedanken.  

War er deswegen sauer? Aber er wusste doch, dass sie letztes Jahr etwas früher abreisen musste…

Nachdem sie sich wieder gesammelt hatte, stieß Mimi sich von der Mauer ab und machte sich auch auf den Weg nach Hause. Es war ein langer Tag mit vielen Eindrücken und Erlebnissen, die sie verarbeiten musste. Es würde ein harter Weg für sie werden, bis sie es schaffen würde, alles unter einen Hut zu bekommen.

Klassensprecher

„Wie war das Training?“, wurde Mimi von ihrer Mutter in dem Moment, in dem sie das Haus betrat, überfallen. Genervt ließ Mimi ihre Sporttasche langsam von ihrer Schulter auf den Boden neben die Garderobe gleiten. Natürlich musste das Training gleich als erstes angesprochen werden. Aber sie kannte es ja nicht anders.

„Okay“, nuschelte sie vor sich hin während sie ins Esszimmer schlenderte.

„Okay?“, hakte ihre Mutter nach und zog misstrauisch die Augenbrauen nach oben. „Mimi, du weißt, dass okay nicht reicht“, ermahnte sie in einem strengen Ton.

„Was erwartest du?“, keifte Mimi sie daraufhin an. „Denkst du, ich kann von heute auf morgen eine Choreographie lernen, an der schon seit Monaten trainiert wird?“

„Nicht in dem Ton, Mimi“, ermahnte Satoe, „Du hast doch den Plan geschickt bekommen und konntest in New York trainieren.“

„Das ist doch was komplett anderes als es in einer Gruppe zu lernen“, verständnislos schaute Mimi ihre Mutter an. „Außerdem muss ich mich erstmal einleben. Was übrigens gar nicht so leicht ist“, die letzten Worte murmelte sie leise vor sich hin, weil sie nicht wollte, dass ihre Mutter das hörte. Doch sie nahm Mimis Worte wahr.

„Aber du hast hier doch schon Freunde“, erwiderte Satoe.

„Ach, das verstehst du nicht. Von der Gruppe ist ja nur Izzy in meiner Klasse und außer Kari hassen mich alle im Ballett“, seufzend ließ sich Mimi auf den hellbraunen Esszimmerstuhl sinken, kreuzte ihre Arme auf dem Tisch übereinander und legte traurig ihren Kopf auf ihnen ab. Ihre sanften Haare fielen um sie herum. Sie sah aus wie ein Häufchen Elend.

„Ach Mimi, das ist doch bloß der Neid“, sagte Satoe sanft und streichelte Mimi über den Rücken. Doch es hatte nicht den beruhigenden Effekt auf Mimi, den sie beabsichtigt hatte.

„Du verstehst mich echt null“, wütend stand Mimi in einem Ruck auf, so dass der Stuhl nach hinten kippte und mit einem leisen Bum auf dem Boden aufkam. Erschrocken über diese unvorhergesehene Reaktion wich Satoe einen Schritt zurück. Mimis Augen funkelten vor Wut. Der heutige Tag war zu viel für sie und ihre Mutter setzte dem Tag gerade noch die Krone auf.

„Ich geh schlafen“, verkündete Mimi und rannte in ihr Zimmer. Sie wollte nur noch alleine sein und ihren ersten Tag in Japan verarbeiten.

Sie knallte die Schlafzimmertür hinter sich zu und lehnte sich an diese. Mit dem schwarzen Ärmel ihrer Jacke streifte sie sich langsam über ihre Augen und entfernte so die Tränen, die sich dort angesammelt hatten. Wie sollte sie das nur aushalten, wenn jeder Tag so werden würde? Die Sticheleien ihrer Mitschüler, der Druck und das Gerede im Ballett, und dann noch gute Noten schreiben. Das alles war zu viel für die Sechzehnjährige. Kraftlos rutschte sie auf den Boden und zog ihre Beine an ihren zierlichen Körper und umklammerte sie mit ihren Armen. Ihr Blick richtete sich zu ihrem Schreibtisch. Da heute der erste Schultag war, hatte sie noch keine Hausaufgaben auf. Aber der Gedanke, dass sie zukünftig abends noch Zeit am Schreibtisch verbringen müsste, versetzte ihr Herz in leichte Panik. Sie spürte, wie ihr Herz plötzlich immer schneller schlug und ihre Atemzüge kürzer, aber auch schneller wurden. Und trotz der Luft, die sie schnell in ihre Lunge sog, fühlte es sich an als würde sie keine Luft bekommen. Mimi versuchte aufzustehen und sich in ihr Bett zu legen, doch ihre Beine versagten. Sie versuchte sich voll und ganz auf ihre Atmung zu konzentrieren und diese zu normalisieren.

 

Ein paar Minuten später hatte sich Mimis Körper beruhigt und sie schleppte sich erschöpft in ihr Bad. Lethargisch zog sie sich ihren Schlafanzug an, putzte ihre Zähne und wusch ihr Gesicht. Wie bereits auf der Schultoilette schauten ihr leere Augen entgegen, die ihren früher so starken Ausdruck verloren hatten. Sie schaffte es nicht, in diese Augen zu schauen und schaute stattdessen in Richtung des Waschbeckens. War das wirklich das Leben, das sie führen wollte? Wo war die Mimi von früher, deren Augen vor Lebensfreude strahlten?

Sie hatte das Gefühl, sich auf der Stelle zu drehen. Überall wo sie hinkam, betrachtete man sie als kleines Prinzesschen und Primaballerina. Wenn sie so darüber nachdachte, hatte sie sich wirklich nicht vom Fleck bewegt, sie hatte nur diesen Fleck eine andere Hülle gegeben. Sie hatte eine Mauer um sich herum aufgebaut und vertraute nur noch einer Handvoll Personen, um nicht mehr so verletzt zu werden.

 

 

Viel zu früh klingelte der Wecker und riss Mimi aus dem erholsamen Schlaf. Müde drückte sie die Snooze-Taste, um sich noch einen kurzen Moment in ihrem Bett zu gönnen. Erschöpft legte sie ihren Arm auf ihre Augen und versuchte so, die Welt auszublenden. Der Tag würde wieder lang werden. Sie war nun seit einer Woche wieder in Japan und langsam hatte sich der Alltag eingeschlichen. Schule, Training, Hausaufgaben füllten ihren Tag vollends aus. Und auch am Wochenende war sie von einem Termin zum anderen gerannt: Training, Essen mit Freunden ihrer Eltern, Hausaufgaben und so weiter. Daher konnte sie zu ihrem Leidwesen auch nichts mit Sora unternehmen, so gerne sie dies auch getan hätte.

Gähnend erhob sie sich schließlich und saß in ihrem Bett. Gemütlich schaute sie zu ihrem Wecker, der bisher noch nicht geklingelt hatte. „Oh Shit“, fluchte sie laut. Sie hatte nicht die Snooze-Taste, sondern die Ausschalt-Taste gedrückt! Schnell sprang sie aus ihrem Bett und in Windeseile hatte sie ihre Morgenroutine beendet und sich ihre Uniform angezogen. Geschwind rannte sie die Treppe herunter und sah ihre Eltern gemeinsam am Frühstückstisch sitzen. Sie grüßte ihre Eltern schnell und ging dann in die Küche. Ganz konnte sie das Frühstück nicht ausfallen lassen, denn ihr Magen knurrte und verlangte nach etwas Essbaren. Mimi griff nach einem Apfel, der in der modernen Obstschale aus Holz lag, und biss herzhaft in diesen. Schnell griff sie noch nach der Essensbox, die ihre Mutter für sie gerichtet hatte, und steckte diese in ihre Tasche.

 

Noch bevor ihre Mutter etwas sagen konnte, verabschiedete sich Mimi und rannte aus der Haustür und stieß fast mit Izzy, der gerade ankam, zusammen.

„Du hast es aber eilig“, lachte Izzy, der ein wenig überrumpelt war.

„Verschlafen“, murmelte sie und hakte sich bei ihm unter. Gemeinsam schlenderten sie zur Schule.

 

Der Tag wurde mit Betreten des Klassenzimmers nicht besser. Die Blicke der Mädchen, die in üblichen Grüppchen beisammen standen, fingen wieder an leise über sie tuscheln und musternde Blicke in ihre Richtung zu werfen. Die Jungs musterten Mimi ebenfalls von oben bis unten, doch mit anderen Blicken: Sie checkten ihren Körper ab.

Nur nicht unterkriegen lassen, erinnerte sich Mimi während sie zu ihrem Platz neben Izzy  ging und sich setzte. Sie schaute sich um und ihr Blick blieb immer mal wieder bei den Grüppchen hängen, die ihr dann aber sogleich den Rücken zuwandten. Mimi stieß einen tiefen Seufzer aus und legte ihren Kopf auf ihrer Hand ab. Das würde sich wohl nie ändern. Aber so lange sie sie in Ruhe ließen, war Mimi ganz froh.

 

Die ersten Schulstunden vergingen nur zäh. Mathe und Erdkunde waren nicht ihre liebsten Fächer. Mimi mochte die Fächer, in denen sie ihre Kreativität ausleben konnte, viel lieber. In Musik und Kunst war sie daher ziemlich gut, ebenso in europäischer Literatur, was vor der Mittagspause auf dem Stundenplan stand.

Auch wenn sie einiges hätte zum Unterricht beitragen können, so hielt etwas in ihr sie davon ab, das zu sagen. Sobald sie ihre Hand heben wollte, kamen die Stimmen und das Gerede der anderen Mädchen von den Vortagen in ihren Kopf. Sie wollte nicht, dass man so über sie redete. Sie wollte doch von den anderen akzeptiert werden, weshalb sie sich zurückhielt.

Daher saß sie ein wenig gelangweilt im Unterricht und schrieb sich Notizen zu dem Besprochenen auf oder kritzelte auf ihrem Block herum.

Gegen Ende der Stunde weckte Herr Yamakawi jedoch ihre Aufmerksamkeit.

„Bevor ihr in die Mittagspause dürft, müssen wir noch zwei Klassensprecher festlegen“, sagte er in ruhigem Ton und ein genervtes Stöhnen ging durch die Reihen.

Verwirrt schaute sich Mimi um. Warum waren alle so negativ gegen dieses Amt eingestellt? Keiner machte Anstalten, sich dafür zu melden.

„Ihr dürft erst gehen, wenn sich jemand für diese Aufgabe gefunden hat“, mahnte der Lehrer, „euer Aufgabenbereich dabei ist vielfältig und ihr könnt viele Führungskompetenzen daraus mitnehmen“, versuchte er dann schließlich das Amt etwas schmackhaft zu machen und so die Wahl schnell zu beenden.

Hin- und hergerissen überlegte Mimi, ob sie sich melden sollte. Sie könnte dadurch vielleicht Anschluss und Ansehen in der Klasse erreichen, aber sie hatte doch bereits so viel um die Ohren. Würde sie das alles unter einen Hut bekommen? Trotzdem, sie wollte eine Veränderung… Reflexartig hob sich ihre Hand bei diesem Gedanken.

„Mimi, danke dir“, wandte sich Herr Yamakawi an sie und alle Köpfe drehten sich in ihre Richtung. Skepsis und Argwohn lagen in den Blicken der meisten, während Izzy sie verwundert anschaute. Mimi war zwar eine starke Persönlichkeit, doch Izzy wusste nicht, ob sie wusste, dass ein Klassensprecher in Japan mehr zu tun hatte als in Amerika. Langsam legte Mimi ihren Arm wieder auf dem Tisch ab und schaute wegen all der Blicke etwas eingeschüchtert und errötet auf ihren Tisch.

Als sie Izzys Blicke bemerkte, schaute sie ihn aus den Augenwinkeln an und ein kleines Lächeln huschte über ihre Lippen.

„Okay, dann hätten wir schon mal unsere Klassensprecherin, brauchen wir nur noch einen männlichen Repräsentanten“, richtete der Lehrer die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Schlagartig fühlte sich Mimi erleichtert, als sie dadurch von all den Blicken erlöst wurde.

Als sich immer noch niemand meldete, kam der jungen Brünetten eine Idee. Sie lehnte sich leicht zu Izzy, so als würde sie ihm etwas zuflüstern wollen. Doch stattdessen griff sie ruckartig nach Izzys rauer Hand und zog sie in sekundenbruchteilen nach oben. Izzy hatte keine Chance, zu reagieren, denn seine unfreiwillige Geste wurde sogleich bemerkt.

„Koushiro?“, fragte Herr Yamakawi verwundert nach, denn Izzy war sonst keine Person, die sich gerne in den Mittelpunkt rückte, „das freut mich“, fügte er aber schnell hinzu, damit Izzy kein schlechtes Gefühl bekam. „Sehr gut, dann sind Mimi Tachikawa und Koushiro Izumi unsere neuen Klassensprecher. Ihr könnt dann jetzt Mittagessen gehen“, resümierte er und entließ die Klasse.

 

„Was sollte das, Mimi?“, fragte Izzy verärgert nach und blickte Mimi wütend an.

„Ach Izzy, das wird doch sicher lustig, wenn wir das zu zweit machen“, relativierte Mimi ihre Aktion, doch konnte Izzy damit nicht beruhigen.

„Du hättest fragen sollen, Mimi“, fragte er mit Nachdruck nach. Mit so einer leichten Ausrede wollte er Mimi nicht davonkommen lassen. „Ich mein es ernst, Mimi. Du weißt genau, dass ich für so etwas nicht geschaffen bin.“

„Aber du leitest doch auch die Computer-AG, das ist doch fast dasselbe“, erklärte Mimi als sie gerade den großen Pausenhof betraten. Zielsicher gingen sie in Richtung des Baumes, an dem sie sich gestern schon alle getroffen hatten und der der Treffpunkt der Gruppe war.

„Ist es nicht“, verteidigte sich Izzy. „Da haben wir ein gemeinsames Ziel und gleiche Interessen. Wie soll ich mich für Interessen des Klassenverbandes einsetzen, die ich nicht teile?“, erläuterte er ernst. „Und dann fahren wir auch nächste Woche noch auf eine Klassensprecher-Fortbildung, um unsere Kompetenzen zu schulen. Als hätte ich nichts Besseres zu tun“, beschwerte sich Izzy weiter.

„Ach komm schon, als ob ich die gleichen Interessen hätte wie die. Aber das ist unsere Chance, etwas zu verändern. Und wenn es schiefgeht, gehen wir gemeinsam unter. Die Fortbildung wird sicher witzig, wie eine kleine Klassenfahrt, nur eben mit allen Klassensprechern“, erklärte sie lachend. Mimi sah das bei Weitem nicht so tragisch wie Izzy und hoffte, er würde sich in der Mittagspause wieder beruhigen. Das mit der Schulung hatten sie erst gesagt bekommen, als sie gerade den Raum verlassen wollten. Es würde nächstes Wochenende für zwei Tage mit den Klassensprechern aller Stufen der Mittelschule in ein kleines Hostel gehen, wo sie ihre Aufgaben verdeutlicht bekämen und lernen sollten, als Vertreter der Schülerschaft und Schule diese zu repräsentieren.

 

„Hallo“, begrüßte Mimi die anderen als sie sich zu ihnen setzte.

„Hallo“, grummelte Izzy und ließ sich auf den Boden sinken. Er war noch wütend, aber er konnte es jetzt wohl nicht mehr ändern. Aus der Sache kam er nicht mehr raus.

„Was ist denn mit dir los?“, fragte TK bei Izzy nach, der sich über Izzys schlechte Laune wunderte.

„Er ist ein bisschen angefressen, weil er Klassensprecher ist“, klärte Mimi auf und lachte. Innerlich tat es ihr schon Leid, dass sie Izzy gegen seinen Willen mit reingezogen hat, doch das konnte sie jetzt nicht zeigen oder sagen. Er war ihr als männlicher Gegenpart lieber als irgendein seltsamer Typ aus ihrer Klasse, den sie nicht kannte.

„Habt ihr etwa gelost?“, hakte TK nach, der sichtlich verwundert war, dass Izzy diesen Job freiwillig machte.

„Nein“, brummelte Izzy und schaute in Mimis Richtung. „Mimi hat meine Hand gehoben.“

„Ernsthaft?“, TK konnte nicht anders als zu lachen. Ebenso stimmten alle bis auf Tai ins Lachen mit ein.

„Sorry Izzy, dass wir lachen. Aber Mimi ist gerade mal eine Woche an der Schule und sie schafft, was wir dir schon seit Jahren sagen: dass du dich im Klassenverband mehr integrieren sollst“, erklärte Sora mitfühlend. „Wenn auch auf gemeine Weise“, fügte sie noch hinzu und warf einen mahnenden Blick in Mimis Richtung, die ihren Kopf ein wenig einzog.

Sora ist immer noch die Mama der Gruppe, schoß es Mimi durch den Kopf. Doch Mimi bewunderte diese Eigenschaft und wäre gern ein Stückchen mehr wie Sora.

„Aber warum soll ich mich mehr integrieren, wenn die mich doch eh als computerverrückten Streber sehen?“

„Damit sie sehen, dass du viel mehr bist“, ermunterte Mimi ihn und erntete dafür Zustimmung von den anderen.

„Außerdem fahren wir dann gemeinsam zu der Klassensprecherfortbildung und sind zusammen im Komitee. Tai und ich haben uns in unserer Klasse dafür gemeldet“, verkündete Sora freudig, woraufhin auch Izzy endlich lächeln konnte, wenn auch nur schwach.

„Vielleicht hast du Recht und es wird doch besser als gedacht“, lenkte Izzy ein und schien nicht mehr so böse wie zuvor.

„Typisch Mimi“, mischte sich Tai nun ein und blickte Mimi vorwurfsvoll an. „Du machst dir die Welt doch so wie sie dir gefällt ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer zu nehmen. Papas Prinzessin nimmt sich einfach, was sie möchte.“

„Tai. Sei nicht so gemein. Mimi hat es ja nur gut gemeint mit Izzy und er sieht es ja jetzt nicht mehr so eng“, setzte Kari an, ihren Bruder zu beschwichtigen.

„Ist schon okay, Kari. Vielleicht hat Tai ja Recht und ich war sehr egoistisch. Es tut mir Leid, Izzy“, reumütig wand sich Mimi an ihren besten Freund, der es jedoch nur abwinkte.

„Und jetzt lässt du es ihr einfach so durchgehen?“, blickte Tai Izzy fassungslos an.

„Wir haben darüber geredet und irgendwie ist es doch okay. Wird sicher ganz lustig, wenn wir alle zusammen im Klassensprecherkomitee sitzen“, griff Izzy Partei für Mimi.

„Aber sie hat dich nicht gefragt und trotzdem ihren Willen bekommen. Kein Wunder, dass unser Prinzesschen so verwöhnt und arrogant ist.“

„Tai. Es reicht“, ermahnte Kari streng, die sah, wie Mimis Gesichtszüge entglitten und sie mit den Tränen kämpfte.

„Lass gut sein, Kari“, schnell packte Mimi ihr Mittagessen ein und stand auf. „Ich muss noch ein Buch aus der Bibliothek holen, entschuldigt mich“, meinte Mimi und ging schnellen Schrittes in Richtung Schulgebäude. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie hatte doch wirklich keine bösen Hintergedanken gehabt als sie Izzys Hand hob und er so unfreiwillig zum Klassensprecher wurde. Und mittlerweile fand er die Idee doch auch ganz gut. Aber anscheinend war alles, was sie machte, falsch. Besonders in Tais Augen. Dabei wusste sie nicht mal genau, warum er so sauer und abweisend war.. Er war damals doch nicht da gewesen, als sie sich treffen wollten und er hatte dann den Kontakt abgebrochen.

Streit

Den restlichen Schultag konnte sich Mimi nicht mehr konzentrieren. Natürlich war sie nach der Auseinandersetzung nicht in der Bücherei gewesen. Es gab auch keine Bücher, die sie ausleihen wollte. Immerhin war es ja erst Anfang des Schuljahres und es gab noch nicht so viel zu lernen, auch wenn sie noch einiges an Schulstoff aufholen musste. Doch das war gerade nicht ihr Hauptproblem.

Gedankenverloren blickte sie aus dem Fenster. Der Kirschblütenbaum hatte schon die ersten Knospen, an denen man erkennen konnte, dass die majestätische Krone des Baums schon bald von einem Meer zartrosa Blüten bedeckt sein würde. Es war schon lange her, dass sie diese Zeit mitbekommen hatte. Es stimmte sie zwar freudig, dass sie dieses Ereignis wieder einmal miterleben konnte, doch momentan war ihre Wehmut größer als die Freude.

Das, was Tai gesagt hatte, ging ihr einfach nicht aus den Kopf. Er hatte sie schon immer damit aufgezogen, dass sie ein Prinzesschen sei, doch es war immer spaßhaft gemeint. Doch nun... nun war so viel Wut und Verachtung in seiner Stimme, dass sie sich wunderte, was sie ihm getan hatte. Sie hatte ihm damals doch geschrieben, aber er war nicht gekommen. Was machte dieser Idiot ihr also Vorwürfe? Seufzend legte sie ihren Kopf aus ihrer Faust ab. Sie spürte, wie Izzy sie immer wieder besorgt anschaute. Er war ihr vorhin gefolgt, doch sie hatte sich auf der Toilette verkrochen und war erst knapp zum Stundenbeginn im Klassenraum erschienen.

 

Schnell packte Mimi ihre Schulsachen ein und wollte gehen, als sie zurückgerufen wurde.

„Mimi, warte“, eilte Izzy hinter ihr her, die gerade den Saal verlassen wollte. „Tai hat das nicht so gemeint. Ich glaube, er wollte mich nur verteidigen, so wie er es früher getan hat. Als man mich im Kindergarten und der Grundschule so geärgert hat“, erzählte Izzy. Mimi schaute ihn nachdenklich an. War es wirklich so, dass er ihn nur verteidigen wollte? Nein, das konnte nicht sein. Das vorhin war etwas Persönliches zwischen ihr und Tai.

„Das ist lieb von dir, Izzy. Aber ich glaube, das ist etwas, das Tai und ich unter uns ausmachen müssen“, klärte sie ihn auf und sah ihn mit müden Augen an. Es war anstrengend, sich ständig mit Tai auseinandersetzen zu müssen, wenn er warum auch immer sauer auf sie war. Wobei sie eigentlich den Grund hätte, auf ihn sauer zu sein. Doch sie konnte mittlerweile akzeptieren, dass die Dinge so waren, wie sie sind. Auch wenn sie lange dafür gebraucht hatte und es ihr immer noch weh tat, dass sie nie die Dinge gemeinsam erleben würden, von denen sie vor einem Jahr noch geträumt hatten. Und momentan fehlte ihr die Kraft für ein klärendes Gespräch.

„Du willst mir also immer noch nicht sagen, was damals zwischen euch passiert ist? Ich mein, vor einem Jahr wart ihr unzertrennlich und habt die kompletten Sommerferien zusammen verbracht und dann plötzlich ist Funkstille zwischen euch. Man darf den anderen ja nicht mal erwähnen“, hakte Izzy energisch nach als sie zu ihren Spinden liefen. Er würde nicht so schnell nachgeben, dessen war sich Mimi bewusst. Doch was sollte sie sagen? Sie verstand es doch selbst nicht so genau, wie es zu dieser Situation kommen konnte.

„Es hat wohl doch nicht so funktioniert wie wir dachten“, erklärte Mimi und packte ihre Bücher in den Spind. „Es war wohl nur ein Sommerflirt, der so schnell vorbei war wie er angefangen hatte. Es sollte wohl einfach nicht sein. Es tut mir leid, dass ihr darunter leiden müsst“, sie versuchte Izzy in die Augen zu schauen, doch sie konnte seinem mitleidigen Blick nicht lange standhalten.

„Ach Mimi“, versuchte Izzy seine beste Freundin zu trösten.

„Hey Izzy, kommst du? Du musst den Computersaal aufschließen. Alle warten bereits auf dich“, störte Taro, ein Mitglied von Izzys Computer-AG, die beiden.

„Äh, ja klar. Ich komm gleich. Geh schon vor“, wies Izzy ihn an. „Kann ich was für dich tun?“, hakte er bei Mimi nach.

„Nein, ich komme schon klar. Glaub mir“, zwinkerte sie ihm zu. „Und jetzt geh schon“, scheuchte sie ihn weg.

Mimi sah ihm an, dass er mit sich rang, ob er sie wirklich alleine lassen konnte. „Jetzt geh“, wies sie ihn an und er wand sich zum Gehen. „Danke, Izzy“, rief sie ihm noch hinterher und dann war er schon auf dem langen Flur verschwunden.

 

Nach einem anstrengenden Training freute sich Mimi auf einen gemütlichen Abend. Das Training hatte sie zwar ausgelaugt und ermüdet, doch zumindest konnte sie ihre Hausaufgaben noch ein wenig aufschieben. Immerhin hatte sie jetzt Wochenende.

Langsam steckte sie ihren Haustürschlüssel in das Türschloss und betrat den großen Flur. Gerne würde sie hier und da noch ein paar Farbkleckse an die Wände bringen, damit das Weiß nicht so steril wirkte, doch ihre Mutter wollte das nicht und so musste sie sich geschlagen geben. Ihre Schuhe stellte sie beiseite und ging in das Wohnzimmer, nachdem sie ihre Hausschuhe angezogen hatte.

„Da bist du ja“, begrüßte ihre Mutter sie, die anscheinend schon auf sie gewartet hatte.

„Hallo“, grüßte sie zurück. „Schule war gut, Training war gut“, nahm sie den üblichen Fragenkatalog ihrer Mutter vorweg während sie nach oben ging, um ihre Sachen in ihr Zimmer zu bringen. Mimi wollte in ihrem Zimmer bleiben, bis das Essen fertig war. Dass sie nun Klassensprecherin war, wollte sie erst beim gemeinsamen Abendessen erzählen.

 

Skeptisch wanderte der Blick der jungen Brünetten über den gedeckten Tisch. Normalerweise gab es abends nur etwas Salat und Brot zu essen, doch heute hatte ihre Mutter zusätzlich noch Sushi-Rollen, Lachs, Misosuppe, Curry und Reis zubereitet. Mittlerweile war auch ihr Vater nach Hause gekommen. Sie gab ihm schnell zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange und wandte sich dann an ihre Mutter.

„Gibt es einen besonderen Anlass, dass du so viel gekocht hat?“, fragte Mimi nach, als sie sich auf einen der Stühle am Esstisch fallen ließ.

„Setz dich ordentlich hin“, ermahnte Satoe ihre Tochter. Mimi sah aus den Augenwinkel, wie ihr Vater bei der Reaktion seiner Frau leicht schmunzeln musste. Satoe war wirklich sehr auf gutes Verhalten bedacht und wies ihre Familie immer wieder darauf hin, wenn sie sich ihrer Meinung nach falsch verhielten. Mimi tat wie ihr gesagt und setzte sich ordentlich hin.

„Gibt es jetzt einen Grund, warum du so viel zum Abendessen gemacht hast?“, stellte Mimi ihre Frage ein weiteres Mal, als sie sich Reis und Curry auf den Teller schöpfte.

„Ja, den gibt es in der Tat“, verkündete ihre Mutter. Mimi konnte nicht sagen, ob sie in ihrer Stimme stolz oder Verzweiflung heraushörte. „Ihr müsst mir sagen, wie es schmeckt und ob ich noch nach japanischer Art kochen kann.“

„Warum solltest du das denn nicht können?“, lachte ihr Mann.

„Naja, ich dachte, ich hätte es vielleicht während unserer Zeit in Amerika verlernt. Und wirklich viel japanisches Essen koche ich ja nicht. Du isst meistens auf der Arbeit und Mimi in der Schule. Also, daher wollte ich von euch wissen, ob man das essen kann“, erklärte ihre Mutter.

„Seit wann ist dir das so wichtig? Sonst kümmert es dich doch auch nicht, was andere über dein Essen denken“, hinterfragte Mimi die Antwort ihrer Mutter. Ihre Mutter konnte wirklich gut kochen und hatte selbst während ihrer Zeit in New York immer darauf geachtet, dass sie die japanische Küche nicht vergaßen und oft Speisen ihrer Heimat zubereitet. Mimi half ihr dabei so oft sie konnte, denn sie entwickelte immer mehr Spaß am Kochen.

„Naja, wir bekommen nächstes Wochenende Besuch. Wichtigen Besuch“, offenbarte ihre Mutter den wahren Grund.

„Wer kommt denn?“, wollte Keisuke wissen.

„Eine alte Freundin von mir, Sandra June. Sie hat Einfluss bei der Juilliard. Es ist doch schön und sicherlich förderlich, wenn Mimi schon mal Kontakt zu ihr knüpft“, erklärte sie strahlend. Mimi brauchte einen Moment, um das Gesagte zu verarbeiten. Ihre Mutter zog wirklich jedes Register, um nur irgendwie dafür zu sorgen, dass sie einen Vorteil bei den Aufnahmeprüfungen hat. Aber Moment, in ihrem Kopf wiederholte sie die eben erhaltenen Informationen.. nächstes Wochenende.. nächstes Wochenende! Da war der Ausflug der Klassensprecher! Wie sollte sie das jetzt bloß ihrer Mutter beibringen?

„Mimi, stimmt etwas nicht?“, wunderte sich ihre Mutter, als sie sah wie Mimi immer blasser wurde.

„Ähm. Ich muss euch auch etwas erzählen“, stotterte Mimi. „Ich bin jetzt Klassensprecherin und..“

„Oh, das ist ja super Mimi! Soziale Kompetenzen machen sich sehr gut in den Bewerbungsunterlagen!“, freute sich ihre Mutter.

„Mama, kannst du auch mal an etwas anderes denken?“, empörte sich Mimi. Auch wenn sie nicht wusste, welche Reaktion sie genau erwartet hatte, war das jedenfalls nicht das, was sie gewünscht hat.

„Aber deine Leistungen jetzt legen den Grundstein für deine Zukunft“, wies Satoe die Brünette in die Schranken, was Mimi nur noch mehr auf die Palme brachte. Mimis Blick wurde ernster und man konnte sehen, dass sie kurz vorm Explodieren war.

„Mimi, es freut mich wirklich, dass du jetzt Klassensprecherin bist. Das hilft dir, neben dem, was Satoe eben gesagt hat, sicher auch, dich besser in der Schule zu integrieren“, versuchte Keisuke dem aufkommenden Streit zwischen den beiden den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sowohl Satoe wie auch Mimi hatten ein unglaubliches Temperament, konnten sich gut in Sachen reinsteigern und aus Streitereien wurden häufig lautstarke Diskussionen.

„Danke Papa. Wenigstens einer, der mich nicht ständig an meine Zukunft erinnert“, gab Mimi bissig mit einem Blick zu ihrer Mutter zurück.

„Du bist noch zu jung und naiv, um zu wissen, dass du jetzt für deine Zukunft sorgen musst“, antwortete Satoe in einem strengen Ton.

„Ach ja? Wenn ich so jung bin, warum muss ich mich dann verhalten wie eine Erwachsene? Mimi, mach das nicht, mach dies nicht, setz dich ordentlich hin“, äffte sie ihre Mutter nach. All der Frust, der sich in letzter Zeit aufgeladen hatte, schien sich zu entladen, ohne dabei Rücksicht auf Verluste zu nehmen. „Warum dürfen meine Freunde abends rausgehen, ins Kino gehen, einfach mal einen Sonntag verschlafen und ich muss ständig trainieren? Das ist nicht das Leben, das ein Teenager führen sollte! Das ist nicht das Leben, das ich gerade führen will“, schrie sie sich ihre Wut aus dem Bauch. Doch hatte damit eindeutig den falschen Ton getroffen.

„Mimi Tachikawa! Es reicht! Du hast dich bisher noch nie beschwert und ich werde nicht zulassen, dass du deine Zukunft als erfolgreiche Balletttänzerin wegen einer Teenagerrevolte einfach so wegschmeißt. Du wirst dich nächste Woche benehmen und einen guten Eindruck auf Sandra machen“, beendete Satoe die Diskussion.

Doch für Mimi war die Sache noch nicht beendet. Wenn ihre Mutter eine Teenagerrevolte wollte, dann konnte sie diese haben.

„Das Problem ist nur“, setzte sie daher an und legte noch eine Kunstpause ein, in der sie ihre Mutter herausfordernd anschaute, „dass ich nächstes Wochenende nicht da bin.“

„Wenn du dich mit Freunden treffen willst, dann sag ihnen eben ab“, winkte ihre Mutter ab, die sich mittlerweile wieder einigermaßen beruhigt hatte.

„Nein, das geht schlecht. Die Klassensprecher fahren auf ein Teambuilding-Seminar über das Wochenende. Es ist also ein strenggenommen ein Schulausflug“, klärte Mimi ihre Eltern auf. Ihr Vater musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Er hatte gerade durchschaut, wie Mimi ihre Mutter schlagen wollte. Als Anwalt erkannte er so etwas schnell und war froh, dass Mimi auch etwas von ihm gelernt hatte.

„Dann schreibe ich dir eine Entschuldigung, dass du nicht mitkannst.“

„Das macht sich aber nicht gut in der Bewerbung. Immerhin ist es ein Teambuilding-Seminar und daher gut für die sozialen Kompetenzen.“ Touché. Geschlagen mit ihren eigenen Waffen, dachte Mimi triumphierend, als sie sah, wie ihre Mutter angestrengt die Augen schloss, sich die Schläfen massierte und anscheinend über eine Lösung nachdachte.

„Nächstes Wochenende sind wir übrigens auch nicht da“, mischte sich Keisuke ein bevor die Situation wieder eskalieren würde.

„Was?“, fragte Satoe überrascht und riss ihre Augen auf, um ihrem Mann ins Gesicht schauen zu können.

„Was?“, fragte auch Mimi. Normalerweise erzählten ihr ihre Eltern immer schon früh davon, wenn sie verreisen würden.

„Es sollte eigentlich eine Überraschung werden, aber jetzt muss es ja raus. Ich habe uns einen kleinen Wochenendurlaub in einem Wellness-Hotel gebucht. Nach all dem Umzugsstress dachte ich, dass uns das mal gut tun würde. Mimi hätte das Wochenende bei den Izumis verbringen können“, löste Keisuke das Geheimnis.

„Oh, das ist ja so romantisch von dir“, fiel Satoe ihrem Ehemann um den Hals. „Aber was machen wir denn mit Sandra? Soweit ich weiß, ist sie nur nächste Woche hier und unter der Woche ist schlecht“, suchte Mimis Mutter nach einer Lösung.

„Dann schreib ihr doch einfach mal eine Mail. Vielleicht können wir uns ja wann anders mit ihr treffen. Wir wollten doch sowieso in den Ferien nach New York. Wieso haben wir sie eigentlich nicht schon getroffen, als wir noch dort wohnten?“, sprach ihr Vater die Frage aus, die sich Mimi auch schon gestellt hatte. Wenn sie bei der Juilliard arbeitet, war sie ja in New York. Genau wie sie damals.

„Naja, also sie arbeitet nicht direkt dort. Sie hat nur einen guten Kontakt zu den Leitern dort“, gestand ihre Mutter ein.“

„Du hast also vollkommen übertrieben“, warf Mimi ein und verdrehte genervt ihre Augen.

„Mimi“, ermahnte ihre Mutter sie.

„Schreib ihr doch und wir machen einen neuen Termin aus. Es findet sich sicher eine Lösung. Und jetzt würde ich gerne in Ruhe essen bevor es kalt wird“, setzte Keisuke einen wirklichen Schlussstrich unter die Diskussion.

 

Leise klopfte es ans Mimis Tür. Sie saß in ihrem Pyjama auf ihrem Bett und hatte den Laptop auf ihrem Schoss liegen. „Herein“, rief sie und klappte den Laptop reflexartig zu. Ihre Mutter war immer so neugierig und wollte wissen, was sie machte, weshalb sie sich das Schließen des Laptops mit der Zeit angewöhnt hatte. Doch es war nicht ihre Mutter, die in das Zimmer eintrat, sondern ihr Vater. Ein müdes Lächeln lag auf seinen Lippen, als er sich Mimis Schreibtischstuhl nahm und ihn zu ihrem Bett schob, um sich dann darauf zu setzen.

„Ich finde es wirklich schön, dass du jetzt Klassensprecherin bist, aber musste das vorhin so ausarten?“, er schaute ihr tief in die Augen, als würde er gerade ihre innersten Gedanken lesen wollen. „Ich weiß, dass das alles nicht leicht ist. Wir haben dich aus deinem gewohnten Umfeld gerissen, du musst dich an Japan erst wieder gewöhnen..“

„Aber wie soll ich mich an Japan gewöhnen, wenn ich nur am Trainieren und Lernen bin? Ich hab gar keine Zeit, mich einzugewöhnen, meinen Platz hier zu finden“, unterbrach ihn Mimi mit leiser Stimme. Sie hatte ihre Beine angewinkelt und legte ihren Kopf auf diesen ab. „Ich weiß doch gar nicht, wer ich wirklich bin, wo ich hingehöre. Alles, was ich weiß, ist wie meine Zukunft auszusehen hat.“

„Ach Mimi“, seufzte ihr Vater auf und setzte sich neben sie, um sie in den Arm zu nehmen. „Was heute ist, muss morgen nicht mehr sein. Ich rede nochmal mit deiner Mutter, dass wir etwas ändern, okay?“, fragte er einfühlsam. Mimi nickte sachte. Sie wollte sich zu viel von den Worten ihres Vaters versprechen. Sie wusste, wie stur ihre Mutter sein konnte.

„Jetzt schlaf gut. Morgen sieht die Welt wieder anders aus“, er gab ihr einen Kuss auf ihr Haar und ging dann zur Tür.

„Papa?“, rief Mimi ihren Vater, der gerade die Zimmertür öffnen wollte und sich nun, mit der Klinke noch in der Hand, zu seiner Tochter herumdrehte. „Du solltest den Urlaub morgen früh buchen, wenn Mama einkaufen ist.“

Ihr Vater lachte auf und verließ das Zimmer.

Neue Seiten

Die Woche verging für Mimi wie im Flug. Die Mädchen aus ihrer Klasse konnten sie zwar wohl immer noch nicht leiden, doch es war schon nicht mehr so schlimm wie am Anfang. Vielleicht hatten sie nur immer so schlecht über Mimi gesprochen, weil sie die Neue war. Anschluss zu ihnen hatte sie immer noch nicht gefunden, aber vielleicht würde sich das mit der Zeit ändern. Sie hatten ja auch noch keine Gruppenprojekte oder ähnliche Partnerarbeiten erledigen müssen, bei denen es die Chance gegeben hätte, sich besser kennenzulernen.

Sonderlich viel Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, hatte die Brünette sowieso nicht. Auch wenn sie noch gar nicht so lange zurück in Japan war und die Schule erst angefangen hatte, hatte sich der Alltag bereits eingeschlichen: Nach der Schule ging sie viermal die Woche ins Training und erledigte abends ihre Hausaufgaben. Letztes Wochenende hatte sie mal mit Michael, einem Freund aus New York, geskypt, hatte aber auch trainieren müssen. Doch dieses Wochenende sollte anders werden, denn morgen früh würde sie mit den anderen Klassensprechern ihrer Schule auf ein Teambuilding-Seminar fahren, dass die Klassensprecher näher zusammenbringen sollte, ihnen aber auch zeigen sollte, wie sie am besten die Organisation des Schulfestes angingen.

Ihren schwarzen Koffer hatte sie bereits auf den weißen Fußboden gelegt und er wartete nur darauf, gefüllt zu werden. Immer wieder schielte Mimi zu dem pinken Koffer, der in der Ecke stand. Eigentlich war das ihr Lieblingskoffer, der sie bisher auch immer treu auf allen Reisen begleitet hatte, doch für dieses Wochenende hatte sie sich für einen Koffer mit einer neutraleren Farbe entschieden.

Warum eigentlich? So wirklich beantworten konnte sie sich diese Frage selbst nicht. Entschlossen warf sie den Deckel des schwarzen Koffers zu, den sie sogleich in die Ecke kickte und sich ihren pinken Koffer schnappte und öffnete. Mimi ging zum Schreibtisch und suchte in ihrem Schulordner nach der Packliste, die Herrn Yamakawi ihnen gegeben hatte.

Schnellen Blickes überflog sie diese. Schuluniform, Wechseluniform, die Schulsportkleidung, Schlafanzug, Hygieneartikel, Handtücher, wetterfeste Schuhe. Wann war sie das letzte Mal mit so wenig Gepäck gereist? Ein bisschen schade fand sie, dass sie nur die Sachen der Schule anziehen durften. Viel lieber hätte sie ihre eigenen Klamotten getragen. Die Schuluniform war wohl die erste Maßnahme für das Teambuilding. Trotzdem. Mimi mochte es schon nicht sonderlich, unter der Woche ständig diese Uniform tragen zu müssen, jetzt musste sie es auch noch am Wochenende. Frustriert packte sie dennoch alles, was auf der Liste stand in ihren Koffer. Vorsichtig legte sie ihre Uniformen ganz oben drauf, in der Hoffnung, sie würden nicht zerknittern. Sie hatte keine Lust, diese in der Unterkunft noch bügeln zu müssen!

Als sie fertig war, und nur noch ihre Schminksachen, sowie ihre Zahnbürste fehlten, blickte sie in ihren Koffer. Nachdenklich legte sie ihren Kopf zur Seite und tippte mit dem Zeigefinger gegen ihr Kinn. Der Koffer war erst zu einem Drittel gefüllt. Sollte sie vielleicht doch den schwarzen nehmen? Dieser war wesentlich kleiner. Dann würde Tai auch keine Witze machen können. Weder, dass sie einen viel zu großen Koffer mit dabei hatte, noch dass dieser ihr „Pink Princess“- Auftreten unterstreichen würde.

Oh nein, meinte Mimi entschlossen zu sich selbst und holte wieder den schwarzen Koffer hervor. Diese Genugtuung würde sie Tai nicht gönnen! Einen Moment hielt sie in ihrer Bewegung inne und ärgerte sich über sich selbst. Warum bestimmte der Gedanke an Tai ihr Handeln? Das konnte doch nicht wahr sein! „Der Koffer ist einfach praktischer, weil er kleiner ist. Das hat nichts mit Tai zu tun“, murmelte sie vor sich hin und schob den Gedanken, dass Tai der eigentliche Grund war, weit weg.

Schnell packte sie den kleinen Kleiderhaufen um. Immer noch genug Platz im Koffer. Sie ging an ihren Kleiderschrank und packte noch eine Jeans und ein T-Shirt, sowie ein dünnes Jäckchen ein. Man konnte ja nie wissen. Ebenso packte sie bereits ihre Schminktasche ein, da sie heute Nacht bei Izzy schlafen würde. Ihr Vater hatte noch ein Wellnesswochenende für sich und seine Frau gebucht, wohin sie bereits heute Abend fahren würden. Daher verbrachte sie die Nacht bei den Izumis.

Zufrieden schaute sie sich ihr getanes Werk an als es an der Tür klopfte und diese sich einen Spalt öffnete.

„Wir müssen dann los“, sagte ihr Vater, der seinen Kopf ein Stück weit in das Zimmer schob.

 

Der Abend bei den Izumis war wirklich witzig gewesen. Sie hatten einige Gesellschaftsspiele gespielt, Pizza bestellt und viel gelacht. Es war wirklich entspannend, einfach mal am Tisch sitzen zu können, lachen und entspannen zu können, ohne Gespräche über die Zukunft führen zu müssen.

Grübelnd richtete Mimi ihren Blick zu Izzy, der neben ihr auf der Rückbank saß. Izzys Vater fuhr die beiden an die Schule, wo der gemeinsame Treffpunkt für die Abfahrt war. Sie wusste, dass die Izumis nicht die leiblichen Eltern ihres besten Freundes waren und dass ihm das nie etwas ausgemacht hatte. Aber seit sie gestern Abend einen Artikel auf seinem Schreibtisch gesehen hatte, fragte sie sich, ob das wirklich so war. Das Schriftstück war zwar unter anderen Unterlagen von Izzy versteckt, doch die Überschrift blitzte heraus und erhaschte Mimis Aufmerksamkeit. Auch wenn sie wusste, dass Izzy es wohl aus einem guten Grund versteckt hatte, konnte sie nicht anders. Sie musste es sich genauer anschauen. Es schrie förmlich „Schau mich an“ und so hatte Mimi die Zeit während Izzy sich im Bad fertig gemacht hatte, genutzt, um den Artikel zu lesen.

„Wir sind da“, holte Izzys Mutter, die ebenfalls mitgefahren war, sie aus ihren Gedanken. Lächelnd hatte sie ihren Kopf zur Rückbank gedreht.

 

„Da seid ihr ja“, begrüßte Sora strahlend ihre Freunde. Izzy und Mimi verabschiedeten sich noch schnell von Izzys Eltern.

„Dann sind wir ja fast komplett“, erklärte Herr Sato, der als Aufsichtsperson mitfahren würde.

Während die Koffer aller verstaut wurden, konnten sich die Schüler bereits in den Bus setzen. Sie entschieden sich für einen Platz in der Mitte. Während Mimi sich neben Sora setzte, saß Izzy eine Reihe hinter ihnen und hielt einen Platz für Tai frei.

„Hoffentlich kommt der bald“, meinte Izzy und schaute aus dem Fenster, ob der Braunhaarige schon in Sichtweite war.

„Fahren wir halt ohne ihn“, kommentierte Mimi schulterzuckend.

„Mimi“, tadelte Sora streng. „Keine Ahnung, was zwischen euch vorgefallen ist, aber reißt euch doch bitte über das Wochenende zusammen. Sonst werdet ihr noch Heim geschickt.“

„Ach, das Prinzeschen will heim?“, ertönte wie aus dem Nichts Tais Stimme.

„Du hast dich ganz schön angeschlichen“, richtete sich Sora an ihn und verhinderte so, dass Mimi etwas kontern konnte.

„Man muss keine Primaballerina sein, um auf leisen Sohlen laufen zu können“, sagte Tai achselzuckend und ließ sich auf den Platz neben Izzy fallen.

„Du musst das aber ganz schön lange schon geübt haben. Normal sind Menschen, die nur hinter einem Ball herrennen doch so laut wie Trampeltiere.“

„Mimi!“, knurrte Tai.

„Tai!“

„Mimi, Tai. Ruhe!“, schimpfte Sora und blickte böse von einem zum anderen. Doch dann konnte Mimi, die sich auf ihrem Sitz herumgedreht hatte, sodass sie zu Tai und Izzy gewandt saß, erkennen, wie sich Soras Blick plötzlich angestrengt wirkte und sie dann mit einem schweren Blick die Person anschaute, die gerade den Flur des Busses entlang lief. Ohne die kleine Gruppe eines Blickes zu würdigen lief Matt an ihnen vorbei und seine kalte Aura hinterließ einen Schauder. Mimi versuchte, ihn in diesem kurzen Augenblick gründlich zu mustern. Obwohl sie bereits einige Wochen an der Schule war, hatte sie Matt bisher nur aus der Ferne gesehen. Die Pausen verbrachte er lieber bei den anderen Mitgliedern seiner Band. Für Mimi schien es als hätte es Matt große Mühe gekostet, seine Freunde zu ignorieren. Seine Stirn wirkte angespannt und leicht kraus gezogen. Seine Augen fixierten unnatürlich starr das hintere Fenster im Bus.

Was war nur mit ihm? Der Blonde war schon immer ernster gewesen als die anderen. Aber so wie sie ihn eben gesehen hatte, kannte sie ihn nicht.

„So ein arroganter Idiot“, knurrte Tai.

War es wirklich Arroganz, die Mimi eben gespürt hat? Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, weckte der Lehrer ihre Aufmerksamkeit. Er informierte sie, dass sie nun losfahren würden und gab ihnen noch einige Informationen, was sie erwarten würde und wie sie sich zu verhalten hätten. Doch dieser Ansprache lauschte Mimi nur halbwegs, denn sie verwickelte Sora in ein Gespräch.

 

Nach zwei Stunden kamen sie endlich an ihrem Ziel ein. Trotz entspannter Gespräche mit Sora waren Busfahrten wirklich mit das Langweiligste, das Mimi kannte. Daher war Mimi mehr als froh, als sie endlich aus dem Bus aussteigen, ihre Beine strecken und ihre Lungen mit frischer Luft füllen konnte.

Der Vormittag verging wie im Flug. Die Zimmereinteilung dauerte nicht lange, da es lediglich einen Schlafsaal für die Mädchen und einen für die Jungs gab.

Die Zimmer waren einfach eingerichtet. Es lagen genug Futons auf dem Boden, ansonsten gab es noch ein paar kleine Kommoden. Das Badezimmer befand sich in einem separaten Zimmer. Gemeinsam mit Sora richtete sie ihre kleine Schlafstätte zurecht. Erst als sie ihren Koffer in ein Eck stellte, fiel ihr auf, dass sie sich tatsächlich kein Kommentar von Tai anhören musste. Erleichterung machte sich in ihr breit. Vielleicht war das ein Schritt in Richtung normal miteinander umgehen.

„Mimi, Sora hat erzählt, du kommst aus New York“, richtete Akira, ein Mädchen aus Soras Parallelklasse, interessiert an Mimi.

„Ja, das stimmt“, erwiderte Mimi schüchtern. Sie wusste nicht genau, worauf das Mädchen hinauswollte.

„Das ist ja mega cool. Das muss doch wahnsinnig schön dort gewesen sein. Ist Tokio dagegen nicht total langweilig?“, fing die Fragestunde an und Mimi beantwortete  alles und freute sich über das Interesse und die Freundlichkeit, die die anderen Mädchen ihr gegenüber zeigten. Sie fühlte sich so geborgen wie schon lange nicht mehr. Sie bereute es kein Stückchen, dass sie sich als Klassensprecherin gemeldet hatte.

 

Müde saß sie mit Sora am Tisch und stocherte in ihrem Abendessen herum. Die anderen Mädchen hatten bereits ihre Tabletts zurückgebracht und sich auf das Zimmer begeben. Auch die meisten der Jungs, die an einem anderen Tisch saßen, hatten sich schon auf den Weg zum Schlafen gemacht.

„Was ist los?“, fragte Sora, die Mimi schon die ganze Zeit besorgt beobachtet hatte.

„Hm? Ach nichts, schon okay“, meinte Mimi nur und stützte ihren Kopf wieder auf ihrer Hand ab.

„Ist es wegen des Streits mit Tai vorhin?“

Mimi seufzte auf und verriet sich so selbst. Sie und Tai hatten sich vorhin bei der Gruppenaufgabe, was einen guten Teamleader ausmachen würde, aneinandergeraten. Mimi war der Meinung, dass Aufgabenbereiche aufgeteilt werden sollten, aber es dennoch eine Person geben sollte, die trotzdem über alle Planung Bescheid wusste. Tai dagegen war für eine Führungsperson, die alles einteilt. Tai warf ihr daraufhin vor, sie lebe in einer Traumwelt, in der alles gut gehen würde und Mimi erwiderte, er wäre so von seiner Rolle als Kapitän der Fußballmannschaft geprägt, dass er keine anderen Möglichkeiten zuließe. Obgleich Mimi dachte, sie würde einen Schritt in eine gute Richtung machen, hatten sie bei dieser Aufgabe drei Schritte zurückgemacht.

„Ach Mimi, ihr seid eben beide starke Charaktere.“

„Das hat damit doch nichts zu tun. Er hat es einfach auf mich abgesehen, und ich weiß nicht, was ich ihm getan habe“, stöhnte Mimi frustriert auf.

„Das kann ich dir leider auch nicht so genau sagen“, bekannte Sora ehrlich. „Ich weiß nur, dass er nach deiner Abreise vor einem Jahr nicht mehr gut auf dich zu sprechen war. Dabei hattet ihr euch doch so gut verstanden.“

„Hm“, murmelte Mimi und erinnerte sich an diesen Sommer. Sie war sechzehn, er siebzehn und wenn sie zurückdachte an die vielen schönen Momente, die die beiden in diesem Sommer miteinander teilten, dann musste sie sich eingestehen, dass er der schönste Sommer war, den sie bisher erlebt hatte. All die kleinen Momente, die dadurch magisch wurden, dass sie sie miteinander verbrachten. Sie war verliebt, er auch. Und doch war es wohl nicht mehr als eine Sommerromanze.

„Ich habe damals nur darauf gewartet, dass ihr euch als Paar outet“, gestand Sora und löste dabei einen kleinen, aber stechenden Schmerz in Mimis Brust aus. Sie hatte damals auch gedacht, dass sie zusammenkommen würden. Doch nachdem Mimi wieder nach New York zurück musste, hatte Tai sich kein einziges Mal bei ihr gemeldet und jeden Kontaktversuch ihrerseits abgeblockt.

„Oh Gott, das würde doch nie funktionieren“, witzelte Mimi und versuchte so das Thema zu wechseln und die Stimmung ein wenig aufzuheitern.

„Ich glaube schon. Ihr würdet euch sicher voll oft streiten, aber euch genausooft miteinander gegen und verbünden und uns böse Kommentare entgegenfeuern“, entgegnete Sora und lachte auf. „Komm, lass uns auch schlafen gehen.“

„Da stimme ich dir zu.. ihr hättet es sicher nicht leicht, gegen uns anzukommen“, und schon griff die Brünette nach ihrem Tablett und folgte Sora zur Essensrückgabe.

Das Thema wechselte sich schnell zu Spekulationen, wie der morgige Tag wohl noch werden würde. Als die beiden Mädchen gerade die Treppe nach oben zu den Schlafzimmern nehmen wollte, fiel Mimi ein großer, schwarzer Gegenstand, der im Foyer stand, auf. Er war ihr bisher noch nicht aufgefallen, aber jetzt wurde er durch ein leichtes Licht beleuchtet und zog Mimi in seinen Bann. Wie lange hatte sie nun nicht mehr gespielt? Sollte sie es mal wieder versuchen? Das schöne Piano rief förmlich nach Mimi.

„Entschuldige, ich komme gleich nach“, verabschiedete sie sich von Sora, die ihr fragend hinterherschaute, als Mimi eine andere Richtung einschlug, dann aber nach oben ging.

 

Sachte fuhr sie mit ihren Fingern über den schwarzen Deckel bis sie schließlich bei den Tasten angekommen war. Sie haderte einen Moment mit sich. Es war lange her, dass sie die weißen und schwarzen Tasten zu einer harmonischen Melodie in Einklang gebracht hatte. Doch die Sehnsucht überkam sie wie eine große Meereswelle und so setzte sie sich an die Tasten. Ganz sanft, als könnte sie dem Piano durch ihre Berührungen Schmerzen zufügen, drückte sie einige Tasten. Es klang nicht so schief wie sie es sich vorgestellt hatte. Nach kurzer Zeit wurde sie immer mutiger und drückte die Tasten fester nach unten. Auch wenn sie es nicht beabsichtigte, spielte sie das letzte Lied, das sie damals im Klavierunterricht gelernt hatte. Es war damals im Radio rauf und runter gelaufen und Mimi hatte nicht nur die Melodie verinnerlicht, sondern auch den Text. Leise begann sie mitzusingen.

              All this money can't buy me a time machine, no

                Can't replace you with a million rings, no

         I should'a told you what you meant to me, whoa

                  Cause now I pay the price

          In another life, I would be your girl

       We keep all our promises, be us against the world

           In another life, I would make you stay

     So I don't have to say you were the one that got away

                        The one that got away
 

 „Ich wusste zwar, dass du Klavier spielen kannst, aber dass du auch so gut singen kannst, das ist mir neu.“ Abrupt blieben ihre Finger auf der Stelle stehen und sie verstummte. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass jemand das Foyer betreten hatte. Und mit der Person, zu der die Stimme gehörte, hatte sie nun gar nicht gerechnet.

Gedankenanstoß

„Ich wusste zwar, dass du Klavier spielen kannst, aber dass du auch so gut singen kannst, das ist mir neu.“ Abrupt blieben ihre Finger auf der Stelle stehen und sie verstummte. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass jemand das Foyer betreten hatte. Und mit der Person, zu der die Stimme gehörte, hatte sie nun gar nicht gerechnet.

Als sie ihren Blick hob, um sich zu vergewissern, dass sie die Stimme richtig zugeordnet hatte, trafen ihre karamellfarbenen Augen auf stechend blaue. Vor ihr stand wirklich Matt und schaute sie grinsend an.

„Was machst du noch hier?“, fragte Mimi und durchbrach die Stille, die sich um sie gelegt hatte.

„Ich wollte noch ein klein wenig Klavier spielen. Aber es ist wohl schon belegt“, zwinkerte er und ging auf sie zu.

„Warte, du kannst sofort. Ich wollte gerade gehen“, meinte Mimi und war im Begriff, sich zu erheben.

„Das schien mir aber nicht so“, grinste Matt und zog sich ebenfalls einen Stuhl heran, um sich an das Klavier zu setzen. „Ist alles okay?“, fragte er zaghaft nach, als er bemerkte, dass sich Mimi nicht sonderlich wohl fühlte. „Wir haben schon lange nicht mehr miteinander geredet“, stellte er trocken fest.

Erschrocken drehte sich die Brünette zu ihm um. Es stimmte ja. Er war der einzige aus dem Freundeskreis, mit dem sie noch nicht geredet hatte seit sie wieder da war. Es fühlte sich seltsam an, hier alleine mit ihm zu sitzen. Sollte sie denn überhaupt hier mit Matt sitzen? Sie müsste ihn doch eigentlich auch hassen, immerhin hatte er ihre beste Freundin mehr als verletzt. Wahrscheinlich sogar mehr als Sora nach außen hin zeigte.

„Es ist, weil ich mich von Sora getrennt habe, oder?“, nahm er ihr die Antwort vorweg. Wieder gab sie keine Antwort, sondern senkte lediglich ihren Kopf. Einige Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht und verhinderten so, dass er ihr direkt ins Gesicht schauen konnte. „Keine Antwort ist auch eine Antwort“, flüsterte Matt leise und Mimi konnte deutlich die Enttäuschung in seiner Stimme hören.

„Entschuldige“, setzte Mimi an, „ich wollte nicht unhöflich sein. Ich möchte nur Sora nicht verletzen“, murmelte sie.

„Du musst dich nicht entschuldigen. Du hast ja Recht.. es reicht, wenn ich sie verletzt habe“, gestand er und lächelte traurig.

Mimi drehte ihren Kopf, um ihn besser sehen zu können. Etwas in seinen Gesichtszügen hatte sich verändert. Sie sahen nicht mehr angespannt aus wie noch heute Morgen im Bus, sondern er wirkte müde und … traurig. Als hätte er etwas auf seiner Seele liegen, dass er zu verstecken versuchte, aber das in schwachen Augenblicken so schwer wurde, dass er es herauslassen musste.

 

„Matt“, Mimi zögerte. Sollte sie ihn wirklich darauf ansprechen? Sie wusste, dass Matt noch nie jemand war, der gerne über Gefühle sprach. Ob er überhaupt mit ihr, die ja fast eine Fremde war, über so ein privates Thema sprechen würde? Doch sie wollte es wagen. Ein Gefühl tief in ihrem Herzen sagte ihr, sie solle es zumindest versuchen. „Du hast sie wirklich sehr verletzt. Aber wie geht es dir?“

Überrascht schaute er sie an, blickte ihr tief in die Augen. Als würde er versuchen, zu ergründen, woher diese plötzliche Frage kam.

"Das hat mich schon lange niemand mehr gefragt“, offenbarte der Blonde und drückte einige Tasten herunter, so dass die entstandenen Töne für einen Moment den Raum erfüllten bevor sie langsam wieder verstummten.

„Ich wollte dir nicht zu nahe treten, aber, ach, ich weiß nicht..“, stammelte Mimi.

„Schon gut. Ist sicher nicht leicht, wieder zurückzukommen und plötzlich ist alles anders.“

„Ja, alles hat sich geändert, ihr habt euch geändert und ich habe ständig das Gefühl, dass ich auf der Stelle trete und mich nicht weiterentwickele“, eröffnete sie ihm ihre Gefühlswelt. Mit Schrecken fiel ihr auf, dass sie, ohne es beabsichtigt zu haben, nun das Thema des Gespräches war. „Wie egoistisch von mir. Wir reden gerade von dir und ich wechsele zu mir“, entschuldigte sie sich.

„Das macht nichts. Du warst schon immer die Gefühlstante von uns beiden“, witzelte Matt.

„Aber manchmal sollte man über seine Gefühle sprechen. Sonst erdrücken sie dich irgendwann“, riet die Brünette.

„Ich lasse lieber die Musik für mich sprechen. Auch wenn sie leider der Grund ist, warum ich Sora  und indirekt Tai verloren habe.“ Etwas in seinem Gesicht veränderte sich und Mimi schien es, als würde er gerade innerlich einen Kampf mit seinen Gefühlen austragen. Während sie ebenfalls ein paar Tasten drückte, erinnerte sie sich an das, was sie über die Trennung erzählt bekommen hatte.

„Du hast sie wegen der Musik verlassen, oder? Also damit du dich mehr um deine Band und euren Plattenvertrag kümmern kannst“, fragte sie offen heraus und war selbst über ihre Direktheit verwundert, doch es kam einfach so aus ihr heraus. Sie hatte lange genug das Gefühl gehabt, etwas verpasst zu haben. Wenn sie nun besser über die Geschehnisse rund um die Trennung Bescheid wusste, dann könnte sie Sora eine bessere Stütze sein.

„Ja“, er lächelte traurig, „und nein.“

„Was?“, wie meinte er das denn? „Ich dachte, du wolltest mit deiner Band den Durchbruch schaffen?“, die Verwirrung stand Mimi ins Gesicht geschrieben.

„Das ist das, was ich Sora gesagt habe. Und weswegen mir Tai jetzt vorwirft, ein arroganter Egoist zu sein“, erklärte Matt, womit Mimi aber immer noch nicht viel anfangen konnte. „Ich habe das Gefühl, dass ich noch nicht weiß, wer ich bin und wohin ich mal möchte. Ich wollte sie beschützen und der einzige Weg war die Trennung.“

„Aber wovor wolltest du sie denn beschützen?“, die Lösung zu Matts verschlüsselten Worten wollte ihr partout nicht in den Sinn kommen.

„Es ist doch nicht mehr wichtig. Ich habe sie verletzt, aber es ist besser für sie, wenn sie glaubt, ich wäre ein Idiot“, stöhnte Matt frustriert auf.

„Du willst sie wirklich im Glauben lassen, die Musik wäre dir wichtiger als sie?“, hakte Mimi nach. Matt schien sich gerade zu öffnen und diesen Moment wollte sie nutzen, um mehr herauszufinden. Sie wunderte sich selbst darüber, dass sie sich in diese Sache hineinsteigerte, aber sie hatte das Gefühl, sich plötzlich mit Matt verbunden zu fühlen. Nur war sie es, die Tai aus einem ihr unbekannten Grund verletzt haben musste, sodass er den Kontakt zu ihr abgebrochen hatte und sie jetzt wie Feuer und Eis waren. „Vielleicht solltest du nochmal mit ihr reden“, schlug Mimi vorsichtig zu und wartete gespannt seine Reaktion ab. „Vermisst du sie denn?“

„Natürlich! Jede einzelne Sekunde am Tag vermisse ich sie“, verteidigte er sich. „ Aber es stimmt doch auch, dass ich sie wegen der Band verlassen habe.. zumindest zum Teil“, murmelte er leise. „Das mit der Musik ist mein Selbstfindungstrip und wenn ich Sora ansehe, dann sehe ich mich in einem Haus in der Vorstadt mit Kindern, die im Garten spielen. Die Vorstellung ist schön, aber andererseits erschreckend. Was ist, wenn ich nicht der Typ für so ein Leben bin und ihr nicht das geben kann, was sie braucht? Was ist, wenn ich mich ganz anders entwickele und diese Version sie enttäuschen würde?“, er klimperte erneut auf den Tasten herum.

„Wow, aber ich bin mir sicher, dass ihr einen Weg finden würdet“, meinte Mimi zuversichtlich.

„Ja, mag sein. Aber ich muss doch erstmal selbst wissen, wer ich bin und was ich will bevor ich mit einem Menschen zusammen sein kann. Ich habe versucht, so lange wie möglich mit Sora zusammen zu sein. Aber die Streits wurden mehr, ich hab sie immer öfter wegen Proben und Auftritten versetzen müssen. Also doch, ich habe sie für die Musik verlassen, weil ich mich für sie und gegen Sora entschieden habe, weil ich nur alleine herausfinden kann, wer ich sein will. Musik war schon immer mein Ding, mein Leben. Als ich nicht mehr Musik und Sora vereinen konnte, habe ich mich entscheiden müssen. Ich liebe Sora, wirklich, aber das ist die Chance, auf die ich immer gewartet habe. Mit der Musik hab ich mich nie streiten müssen, mit Sora schon. Ich bin ein ziemlicher Arsch, oder?“, beendete Matt seine Erzählung und lehnte sich an den Stuhl zurück.

„Ich weiß nicht. Ich mein, du hast dich für das entschieden, von dem du schon immer geträumt hast und worauf du immer hingearbeitet hast mit deiner Band. So eine Chance hättet ihr vielleicht nicht ein zweites Mal bekommen“, irgendwie verstand Mimi ihn jetzt viel besser. Für seinen Traum hatte er alles aufgegeben. Das war nun einmal der Preis, den man für Träume manchmal zahlen musste. Sie selbst hatte diesen Preis auch einige Male zahlen müssen.

„Wenigstens eine, die mich versteht und nicht gleich verteufelt“, lachte Matt und schien erleichtert über Mimis Worte. „Aber du weißt wohl, wovon ich rede?“, hakte er nach. Fragend schaute sie ihn an. „Ich mein, du bist doch auch dabei, alles für deinen Traum, Balletttänzerin zu werden, zu machen?“

„Ja, das bin ich wohl“, murmelte Mimi leise. So wie sie eben seine wunde Stelle gefunden und in dieser so lange herumgedrückt hatte, bis er schließlich geredet hatte, so hatte er gerade ihre Stelle entdeckt.

„Klingt ja sehr überzeugend“, merkte Matt sarkastisch an.

„Hey, so war das nicht gemeint“, ruderte er zurück, als er sah, wie Mimi anfing, mit sich zu kämpfen. „Ich hab es doch gesagt. Du warst schon immer die Gefühlstante von uns. Willst du vielleicht deinen eigenen Ratschlag befolgen und dir von der Seele reden, was dich bedrückt?“, fragte er einfühlsam nach. „Ich werde es auch Tai und Sora nicht weitererzählen“, versicherte er selbstironisch.

„Findest du wirklich, dass du über eure Situation Witze machen solltest?“, fragte Mimi empört nach. „Eben sagst du noch, dass du sie vermisst und ich jetzt scherzt du darüber?“, wütend blickte sie ihn an. Seine Stimmungsschwankungen waren ja schlimmer als die einer Frau!

„Das ist nun mal meine Art mit der Situation zurechtzukommen. Gerade heißt es Matt und die Musik gegen den Rest der Welt, nicht Tai, Sora und Matt gegen den Rest der Welt“, rechtfertigte er sich. Plötzlich tat es Mimi Leid, ihn angefahren zu haben. Er war einsam, ein einsamer Wolf. So, wie sie sich manchmal auch fühlte.

„Weißt du, Mimi, jeder verarbeitet Dinge anders. Manche versuchen sich nicht an den Schmerz zu erinnern und verdrängen es, bei anderen schlägt es in Frustration und Hass um, andere schweigen solange bis sie zerbrechen und wieder andere suchen sich einen Weg, ihren Schmerz einzufangen und auszudrücken, ohne dass es den Menschen um einen herum wirklich bewusst ist“, er schaute sie tief an und Mimi verstand sofort, was er meinte. Alle vier, Tai, Sora, Matt und sie, hatten unterschiedliche Arten, die Geschehnisse zu verarbeiten.

„Ich schätze, daran zu zerbrechen ist eine der schlimmsten Arten“, stellte sie selbstkritisch fest und drückte traurig ein paar Tasten herunter.

„Ich bin nicht besonders gut in sowas“, Matt räusperte sich, um Mimis Aufmerksamkeit zurück zu erhalten. „Aber wenn du reden willst, dann bin ich für dich da“, versicherte ihr aufrichtig und Mimi spürte, dass er die Worte so meinte, wie er sie sagte.

„Ich weiß gerade wohl auch einfach nicht, wer ich bin. Es ist alles alt und vertraut hier, aber es ist gleichzeitig alles anders und neu. So als würde ich nicht mehr hinein passen, als wäre ich ein Fremdkörper. Ich weiß nicht, ob ich noch den Weg gehe, den ich mal gehen wollte. Ich weiß nicht, ob ich allen Erwartungen an mich gerecht werde und ob ich alle Anforderungen erfüllen kann. Ich weiß nicht, wie ich andere dazu bringen kann, mich zu mögen. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, dass Tai mich hasst“, kam es auch ihr herausgeschossen und mit jedem Wort liefen mehr Tränen ihre zarten Wangen hinunter. Zärtlich nahm Matt sie in den Arm, um sie zu beruhigen. Statt der Pianotöne war nun ein leises Schniefen und Schluchzen in dem Foyer zu vernehmen.

„Ich kann dir auf das meiste keine Antwort geben. Das sind Dinge, die du rausfinden musst, Mimi. Geh in die Welt und versuche es. Wenn du die Erwartungen und Anforderungen nicht erfüllst, dann ist das so. Davon geht die Welt nicht unter. Und bei Tai.. vielleicht solltest du hier auch auf deinen Rat hören und mal mit ihm reden. Ich glaube, Kommunikation ist das, was euch geschadet hat, euch aber auch weiterhelfen kann“, immer wieder strich er leicht übers Haar und mit der Zeit beruhigte sich Mimi auch wieder. Sie hatte endlich ausgesprochen, was sie bedrückte. Doch es fühlte sich nicht so befreiend an, wie sie gehofft hatte. Matt wusste ja nicht, wie es war, unter solchem Druck zu stehen, wie sie es tat. Ihre Mutter erwartete in allem Höchstleistungen und ließ kein Versagen zu. Matts Vater hingegen hatte seinem Sohn immer genug Platz zur freien Entfaltung gegeben. Er hatte ihn zwar immer bei seiner Musik unterstützt, aber es nie so weit getrieben, dass es für Matt nichts anderes geben dürfte.

„Wie soll ich denn mit Tai reden, wenn er alles was ich mache oder sage gleich niedermacht?“, hakte Mimi bei dem Punkt ein, den Matt ihr beantworten konnte.

„Wenn er deine Sprache nicht versteht, dann versuch es mit einer anderen“, lächelte er und spielte ein paar Töne. „Das hast du vorhin doch schon gemacht. Ich erkenne so was ziemlich gut“, überrascht befreite sie sich aus Matts schützenden Armen, die er um sie gelegt hatte und schaute den Blonden mit großen Augen an. Es ist eigentlich nur das Lied gewesen, von dem sie noch die Noten im Kopf hatte, doch es sprach ihr genau aus dem Herzen. Vielleicht hatte sie genau deshalb die Noten nicht vergessen. Es erzählte von ihrem Wunsch, dass sie und Tai vielleicht irgendwann wieder zusammenfinden würden.

„Dann muss ich erstmal ein Lied finden, das zu uns passt“, ihr gefiel Matts Vorschlag, doch ihr lag noch so viel auf dem Herzen, was nicht in dem Lied erwähnt wurde. Wie sollte sie das alles in einen Text verpacken?

„Dann, liebe Mimi, schreib deinen eigenen Song oder so“, empfahl Matt schmunzelnd.

„Als ob das so leicht wäre“, stöhnte sie frustriert auf und ließ unbedacht ihren Kopf auf die Tastatur des Klaviers fallen, woraufhin dieses einige krumme Töne von sich gab.

„Es ist gar nicht so schwer wie du denkst. Du musst ja auch nicht alles auf einmal ansprechen. Warte, ich zeig dir, was ich meine“, er packte Mimi an den Schultern und brachte sie zurück in eine aufrechte Haltung bevor er in die Welt der Musik abtauchte, in der nur das Klavier, er und seine Gefühle wichtig waren. Nachdem er bereits eine wohlklingende Melodie angespielt hatte, begann er leise, seine Stimme miteinzubringen.

 

                            “I'm sorry for your pain

                            I'm sorry for your tears

                     For all the little things I didn't know

                     I'm sorry for the words I didn't say

                            I'm sorry for the lies

                           I'm sorry for the fights

              For not showing my love a dozen times

           I'm sorry for the things that I've called mine

                            But what I still do

                           I'm still loving you

                     That’s what I’ll always do”

 

„Das war… wunderschön“, Mimi strich sich über die Arme, weil sie während des gesamten Liedes Gänsehaut hatte. Bei jedem einzelnen Wort spürte man, dass es tief aus Matts Gefühlswelt kam. „Aber ich bezweifle, dass ich das auch kann.“

„Das weißt du erst, wenn du es probiert hast. Und es gibt ja noch genug andere Wege, sich auszudrücken. Solltest du als Tänzerin doch wissen“, sprach er ihr Mut zu.

„Ich werde es auf jeden Fall mal versuchen. Danke, Matt“, ein kleines Lächeln war in ihr Gesicht zurückgekehrt und Mimi fühlte sich tatsächlich etwas besser. Wenn sie wieder zu Hause war, wollte sie seinen Tipp umsetzen. Als Mimi auf die Uhr, die an der gegenüberliegenden Wand hing, schaute, bemerkte sie erst, wie spät es bereits war. „Ich glaube, ich sollte langsam mal ins Bett gehen. Gute Nacht“, verabschiedete sie sich von ihrem Gesprächspartner und stand auf.

„Kein Problem, war schön mit dir geredet zu haben. Gute Nacht“, wünschte er und Mimi ging zur Treppe, die zu den Schlafzimmern führte. „Ach und Mimi“, rief der Blondhaarige sie nochmal zurück, „du solltest dich nie für andere verstellen, damit sie dich nicht mögen. Wenn sie dich nicht akzeptieren, wie du bist, dann sind sie selbst schuld.“

Unerwartete Hilfe

„Wo warst du denn gestern Abend noch so lange?“, erkundigte sich Sora am nächsten Morgen neugierig als die Mädchen auf dem Weg zum Frühstückszimmer waren. Sie mussten bereits recht früh aufstehen, denn es stand für den heutigen Tag noch einiges auf dem Plan.

Während sie nebeneinander hergingen, überlegte Mimi, ob sie Sora wirklich sagen sollte, dass sie gestern noch ziemlich lange mit Matt erzählt hatte. Das würde sie jedoch sicher verletzen, befand Mimi und entschied sich, dieses kleine Detail auszulassen.

„Ich hab unten das Klavier gesehen und konnte nicht anders als mich dranzusetzen. Da hab ich ein bisschen die Zeit vergessen“, erklärte Mimi daher. Es war ja nicht komplett gelogen. Sie hatte ja wirklich gespielt, aber Matt musste sie jetzt wirklich nicht erwähnen.

„Oh schön, ich dachte du hättest aufgehört?“, erwiderte Sora. Gerade hatten sie den Raum erreicht, in dessen Mitte Tische zu mehreren Gruppentischen zusammengestellt waren, so dass die Schüler beieinander sitzen konnten. An der Wand stand ein langer Tisch, auf dem verschiedene Speisen zum Frühstück schön angerichtet zum Verzehr bereitstanden. An einem der Tische erblickte sie Izzy, der mit anderen Jungs in ein Gespräch vertieft war. Von Matt und Tai fehlte allerdings noch jede Spur.

„Ja, das stimmt. Aber ich wollte mal schauen, ob ich es noch kann“, lachte Mimi. „Und tatsächlich klappt es noch ganz gut“, ergänzte Mimi immer noch lachend. Sie war froh, dass sie das Klavierspielen nicht verlernt hatte. Es war zwar erst knapp eineinhalb Jahre her, dass sie aufgehört hatte, aber sie hatte trotzdem nicht angenommen, dass sie noch so gut sein würde. Nachdem ihr Training und Schule zu viel geworden waren, hatte sie schweren Herzens entschieden, dieses Hobby aufzugeben. 

Sora stimmte als Antwort lediglich in das Lachen ein.

Die beiden Mädchen setzten sich an einen Tisch, an dem bereits einige von Soras Freundinnen saßen. Leise Gespräche konnte Mimi in dem Raum mitbekommen, jedoch schienen alle noch zu müde, um sich so lautstark wie beim gestrigen Abendessen zu unterhalten. Noch niemand hatte einen Teller mit Essen vor sich stehen, denn sie mussten warten bis alle da waren, bevor sie mit dem Frühstück beginnen konnten. Mimi ließ ihren Blick durch den Raum schweifen und als sich Izzys und ihr Blick trafen, lächelten sie einander zur Begrüßung an. Es schien als hätten sich Izzys Befürchtungen nicht bestätigt. Er hatte sich gut in die Gruppe eingefügt und schien sich sogar zu amüsieren.

Im Gegensatz zu den anderen Anwesenden wirkte Izzy relativ ausgeschlafen. Er machte nicht den Eindruck, müde oder erschöpft zu sein wie viele andere hier. Viele schienen es ausgenutzt zu haben, dass sie keine feste Zu-Bett-Geh-Zeit von den Begleitlehrern bekommen hatten oder aber es war ihnen einfach zu früh für einen Sonntagmorgen.

Einen Augenblick später trafen Matt und Tai kurz nacheinander ein. Während Matt ausgeschlafen schien und sich an den Tisch, an dem einer seiner Bandkollegen saß, hinsetzte, sah Tai sehr zermürbt aus. Seine Haare standen in alle Richtungen ab, als sei er gerade erst aus dem Bett gekrochen. Als er sich zu Izzy gesellte, murmelten sie noch ein paar Worte, die Mimi nicht verstehen konnte, bevor er müde seine Arme auf der Tischplatte verschränkte und seinen Kopf darauf abließ. Da er ihr direkt gegenüber saß, konnte Mimi erkennen, dass er seine Augen geschlossen hatte. Anscheinend wollte er noch einen Moment der Ruhe für sich haben. Mimi wusste aber auch, dass Tai noch nie ein Morgenmensch war, weswegen acht Uhr wohl noch viel zu früh für ihn war. Unwillkürlich huschte ein kleines Schmunzeln über Mimis Lippen, als sie daran dachte, wie zerknirscht und grummelig Tai letztes Jahr gewesen war als sie ihn morgens aus dem Bett geklingelt hatte, weil ihr langweilig war. Und trotzdem ist er für sie aufgestanden und mit ihr spazieren gegangen.

Tai verharrte in dieser Position bis die Stimme des Lehrers ertönte und er sich aufrichtete. Erst als Tai sie fragend ansah, fiel ihr auf, dass sie ihn die ganze Zeit über beobachtet hatte. Ertappt schaute sie schnell zum Frühstücksbuffet, vor dem ihr Lehrer stand und sie begrüßen wollte. Mimi spürte, wie ihr Gesicht errötet und hoffte, dass sie nicht so rot wurde wie es sich anfühlte. Diese Blamage wollte sie sich vor Tai nicht geben. Warum musste er auch genau in diesem Moment zu ihr schauen! Noch viel mehr ärgerte sich Mimi darüber, dass sie Tai überhaupt so lange angeschaut hatte. Sie war doch fertig mit ihm!

„Guten Morgen“, holte der Lehrer sie aus ihren Gedanken, als er die Gruppe begrüßte. Kurz schwenkten Mimis Augen zu Tai, auch wenn sie das nicht wollte. Doch er schaute wie alle anderen auch zum Lehrer. „Heute ist bereits der letzte Tag und wir haben noch einiges vor. Nach dem Frühstück werden wir in Gruppen den anliegenden Park säubern“, erklärte dieser. Ein lautes Stöhnen hallte durch den Saal, der den Unmut der Anwesenden kundtat. Empört schaute Mimi zu Sora und wollte sich bei dieser über die Aufgabe beschweren. Doch Sora hielt lediglich ihren Zeigefinger vor den Mund und signalisierte ihr so, ruhig zu sein. Mimi unterdrückte daher ihre Beschwerde und verdrehte stattdessen genervt ihren Mund.

„Genau mit so einer Reaktion habe ich gerechnet“, fuhr der Lehrer fort. „Aber als Klassensprecher tragt ihr Verantwortung für unsere Schule und ihr Image. Darunter fällt auch ihr Aussehen und ihre Umwelt. Um dieses Gefühl zu stärken, werdet ihr heute den angrenzenden Park und Wald säubern. Wenn ihr alle an einem Strang zieht, dann seid ihr schneller fertig als ihr jetzt vielleicht denkt“, erläuterte er die Hintergründe zu dieser Aufgabe. Mimi war jedoch noch immer genervt davon, dass sie den Dreck anderer Leute wegräumen sollte.

„Ihr werdet von uns in Zweierteams gelost, in denen ihr unterwegs sein werdet. Anschließend bekommt ihr eine Karte von dem Gebiet, um das ihr euch kümmern sollt. Wer sich um welchen Bereich kümmert, darüber einigt ihr euch in der Gruppe. Und jetzt guten Appetit.“

 

Noch immer konnte Mimi nicht glauben, wer ihr zugeteilt wurde. Hatte sie dem Schicksal irgendetwas getan, dass es sich jetzt an ihr rächte? Als der Lehrer ihren Namen aus der Losbox zog, hatte sie so sehr gehofft, dass Soras Name danach gezogen werden würde. Izzy war bereits zugeteilt, weshalb dieser wegfiel. Sämtliche Gesichtszüge sind der Brünetten entgleist als ausgerechnet Tai danach gezogen wurde. Der Schock darüber ließ sie verstummen, so dass nicht in der Lage war, zu protestieren. Im Nachhinein wunderte sie sich, warum Tai nichts gesagt hatte. Und jetzt liefen sie still, ohne auch nur ein Wort miteinander zu wechseln, nebenher und sammelten mit Greifzangen den Müll, der auf oder neben dem Weg, den sie entlangliefen, lag. Verstohlen schaute Mimi zu Tai herüber, der starr nach rechts schaute. Wollte er es vermeiden, sie anzusehen? Mimi überlegte, ob sie ein Gespräch anfangen sollte. Aber was sollte sie sagen? Sie hatte so viele Fragen, doch die Mails, in denen sie diese gestellt hatte, blieben unbeantwortet. Warum sollte sich das jetzt ändern? So zu tun, als wäre alles normal zwischen ihnen kam Mimi falsch vor. Und deshalb schwieg sie weiter. Wäre die Situation zwischen den beiden nicht so angespannt, dann hätte dies sicher ein schöner Spaziergang durch den Wald werden können. Überall um sie herum blühten die unterschiedlichsten Blumen in ihren prächtigsten Farben und die Vögel sangen ihre Lieder.

 

Sie wünschte, der Lehrer hätte sich darauf eingelassen, dass die Partner getauscht werden dürfen. Das hätte ihr dieses Anschweigen erspart. Doch Herr Kobayashi meinte nur, dass man sich nicht immer alles aussuchen könne und später auch mit Menschen zusammenarbeiten müsse, die nicht die beste Freundin seien. Das war aber später mal so und nicht jetzt, fand Mimi. Dass Tai in diesem Punkt auf Mimis Seite war, bezeugte sein Bemühen, Mimi in diesem Anliegen zu unterstützen. Sie hätte eher damit gerechnet, dass sie von Tai wieder als ‚Prinzesschen‘, das ihre Wünsche durchsetzen möchte, abgestempelt wird. Doch dem war nicht so. Stattdessen hatten sie beide darum gekämpft, Sora als Partner zu bekommen. Die Rothaarige hatte auch eifrig mitdiskutiert, einer anderen Gruppe zugeteilt zu werden. Wenn Mimi so darüber nachdachte, hatte es Sora sogar noch schlimmer getroffen. Sie musste ausgerechnet mit ihrem Ex-Freund durch den Wald streifen. Denn Widerspruch war zwecklos und Herr Kobayashi verweigerte einen Tausch.

 

„Hey“, erklang leise Tais Stimme, als sie an einer kleinen Kreuzung im Wald ankamen. Erschrocken ließ Mimi den Griff der Zange los und die Dose, die sie gerade aufgegriffen hatte, fiel geräuschvoll zurück in das saftig-grüne Gras, in dem sie vorher schon gelegen hatte. „Oh, Achtung“, sagte Tai sanft und Mimi wunderte sich über sein Verhalten. Doch noch bevor sie das Wort ergreifen konnte, setzte Tai wieder zum Sprechen an. „Wenn wir uns aufteilen, geht das sicher schneller“, schlug er vor. In Mimi machte sich ein leises Gefühl der Enttäuschung breit. Irgendwie hatte sie gehofft, dass er ein Gespräch anfangen würde. Auch wenn sie so unfassbar wütend auf Tai war und dachte, sie hätte dieses Kapitel in ihrem Leben schließen können, hatte ihr Herz andere Ansichten. Seit sie wieder in Tokio wohnte und Tai fast jeden Tag sah, machte sich das Gefühl des Vermissens in ihr breit. Und gerade in einer so vertrauten Situation wünschte sich Mimi, die beiden könnten wieder normal miteinander umgehen. Allerdings schlugen ihre Herzen wohl in unterschiedlichen Takten und Tai wollte sie loswerden.

„Okay, dann geh ich hier entlang“, willigte Mimi ein und deutete in die Richtung, in die sie gehen wollte.

„Wir treffen uns dann wieder am Hostel“, verabschiedete sich Tai und schlug einen anderen Weg ein, während Mimi noch einen Moment stehen blieb und ihm hinterherschaute. Warum musste das nur so kompliziert sein zwischen ihnen? Frustriert seufzte sie und machte sich dann auf den Weg, die Arbeit würde sich ja nicht von alleine machen.

 

 

„Lass gut sein. Ich habe mich entschieden.“

Mimi war nun schon eine Weile alleine unterwegs, als sie plötzlich zwei Stimmen wahrnahm. Sie stand noch zu weit weg, um alles genau zu verstehen, doch je näher sie kam, desto besser konnte sie die Personen verstehen und desto sicherer war sie, dass es sich um ihre beste Freundin und Matt handelte. Erst wollte sie weitergehen, um die Privatsphäre der beiden zu respektieren, doch als sie Soras zittrige Stimme hörte, überwiegte die Neugier. Worüber sprachen die beiden bloß?

Leise schlich sich Mimi näher an sie heran. Glücklicherweise gab es hier ja genug Bäume und Sträucher hinter denen sie sich verstecken konnte.

„Matt, bitte. Das kann doch nicht alles gewesen sein“, hörte sie Sora sagen. Ihrer Stimme zufolge würde sie gleich anfangen zu weinen. Am liebsten wäre Mimi hingegangen und hätte sie getröstet, aber dann hätte sie sich verraten. Also verharrte sie hinter dem Baum, an dessen Rinde sie sich lehnte.

„Sora, es gibt kein ‚wir‘ mehr. Es tut mir leid, aber ich habe gerade keinen Platz in meinem Leben für eine Freundin“, erwiderte Matt kühl und trotz der Entfernung, die Mimi zu ihnen hatte, konnte sie sehen, dass Matt sein Gesicht leicht zur Seite gelegt hatte, als er diese Worte aussprach. Seit dem Gespräch gestern wusste sie, dass das eine Lüge war. Wenn Sora das doch nur auch wüsste!

„Hey, du bist doch die Neue, oder? Die aus Amerika?“, ertönte plötzlich eine Stimme neben ihr. Irritiert drehte sich Mimi um und sah vor sich einen großen Jungen, der sie erwartungsvoll anschaute. Er hatte ein dunkelbraune Haare, ein markantes Gesicht und ein spitzbübisches Grinsen auf den Lippen. Mimi überlegte, wer er war, doch trotz der Vorstellungsrunde fiel ihr sein Name partout nicht ein. Verwirrt blinzelte sie ein paar Mal und sah ihn mit großen Augen an. Woher kam er denn überhaupt so plötzlich? Sie war doch immer noch in dem Gebiet des Waldes, das ihr und Tai zugewiesen war.

„Ja, das bin ich“, antwortete sie, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.

„Cool! Ich bin Ryo“, stellte er sich vor. „Du bist mir gestern schon die ganze Zeit aufgefallen. Ich glaube, wir könnten uns echt gut verstehen. Hast du mal Lust, zusammen wegzugehen und ein bisschen was zu trinken?“, fragte er und grinste sie zuversichtlich an.

Mimi wusste nicht, was sie von dieser direkten Anmache halten soll. Erst dachte sie, er könnte ganz nett sein, doch in seiner Art schwang noch Arroganz und Überheblichkeit mit. Etwas, was Mimi gar nicht mochte.

„Ähm, ich habe momentan ziemlich viel zu tun, sorry“, versuchte sie sich rauszureden. Leider gab ihr Gegenüber nicht locker.

„Aber abends mal ins Kino gehen oder so ist doch sicher drin, oder?, bohrte Ryo weiter. Lässig lehnte er sich an den Baum, der neben dem, hinter dem Mimi sich versteckte, stand und schob seine Hände in die Hosentaschen. Sein Grinsen lag ihm immer noch auf den Lippen und je länger Mimi ihn anschaute, desto weniger mochte sie es. Erst jetzt fiel ihr auf, dass Soras und Matts Stimme nicht mehr zu hören waren und sie auch nicht mehr da standen. Mimi hoffte, dass die beiden sie und Ryo hier nicht gesehen hatten.

„Ach komm schon. Das wird sicher lustig. Ich kann dir ein paar schöne Flecken in Tokio zeigen“, zwinkerte er ihr vielsagend zu und kam ihr ein Stückchen näher.

„Lass sie in Ruhe, Ryo. Sie kennt sich schon in Tokio aus“, ertönte auf einmal eine ihr mehr als vertraute Stimme. Und Gott war Mimi froh darüber, den Klang seiner tiefen Stimme zu hören.

„Woher willst du das wissen, Yagami?“, herausfordernd schaute Ryo Tai an.

„Weil ich sie kenne. Und jetzt verzieh dich“, knurrte Tai und schien erbost zu sein.

„Das können wir ja Mimi entscheiden lassen oder bist du ihr Freund?“, lachte Ryo sarkastisch.

„Verzieh dich. Ich möchte mich nicht noch ein weiteres Mal wiederholen müssen.“

Überrascht schaute Mimi zu Tai, der sich vor sie gestellt hatte. Ryo konnte sie allerdings noch immer sehen, weshalb sie erkennen konnte, wie sein Grinsen zu einem genervten Gesichtsausdruck wechselte.

„Komm mal runter Yagami. Ich nehme dir deine Süße schon nicht weg“, entschuldigend hob er beide Hände vor seinen Oberkörper und wandte sich zum Gehen. „Außer natürlich Mimi möchte das“, drehte er sich zwinkernd um bevor er endgültig in den Wald verschwand.

 

„So ein Idiot“, schimpfte Tai und kickte einen kleinen Stein, der auf dem Weg lag, weg. Er griff nach ihrer Hand und zog sie etwas unsanft hinter sich her, wobei Mimi immer noch ihre Utensilien zum Saubermachen in der anderen Hand hielt.

„Ich hätte ihn auch schon alleine abwimmeln können“, meinte Mimi trotzig und ließ sich von ihm mitziehen. Wenn sie ehrlich war, war sich die Brünette dem Wahrheitsgehalt dieser Aussage nicht so sicher wie sie vor Tai vorgab. Ryo wirkte hartnäckig und hätte wohl nicht locker gelassen, bis Mimi einem Date mit ihm zugestimmt hätte.

„Glaub ich nicht. Ryo ist ein Arsch und spielt immer nur mit den Mädels bis er sie für eine Nacht hatte“, erklärte Tai verächtlich.

Mimi dämmerte langsam, dass Tai sie nur beschützen wollte. Plötzlich blieb sie stehen und auch Tai blieb stehen, als er merkte, dass Mimi nicht weiterlief. Sie griff sie nach seinem Arm und stellte sich dicht hinter ihn. Langsam ließ sie ihren Kopf gegen seinen Rücken sinken, sodass sie ihr Gesicht darin verstecken konnte. Tai rührte sich nicht.

„Danke“, flüsterte sie kaum hörbar.

„Ich hab dir versprochen, dass ich dich beschützen werde und daran halte ich mich.“ Tais Worte ließen Mimi aufhorchen. Noch immer hielt sie ihn am Arm fest, richtete ihren Kopf aber nun so, dass sie ihn anschauen konnte. Sie sah, wie sich sein Kopf leicht senkte. „Auch wenn wir nicht mehr das sind, was wir letztes Jahr waren“, flüsterte er traurig und lief langsam los. Mimis Hand löste sich einfach und ließ ihn gehen. Sie brauchte einen kurzen Augenblick, um seine Worte zu verdauen. Bedeutete sie ihm noch etwas? Oder hielt er sich nur an ein Versprechen, das er ihr letztes Jahr gab? Tausend Fragen schossen ihr in den Kopf ehe sie diese verwarf, nach ihren Sachen, die sie zum Säubern des Waldes dabei hatte, griff und Tai schließlich hinterjoggte, da er bereits einen kleinen Vorsprung zu ihr hatte.

Sie liefen ein weiteres Mal stillschweigend nebeneinander her.

Gefühlsausbruch

Der restliche Nachmittag verlief seltsam. Alle Gruppen wurden zwar sehr von ihren Lehrern gelobt, aber Mimi merkte, dass sowohl Tai, wie auch Sora und Matt sehr angespannt waren. Sie war sich unsicher, wie sie sich den Dreien gegenüber verhalten sollte, weshalb sie sich bei der Schlussbesprechung, die in einem kleinen Konferenzraum des Hostels stattfand, neben Izzy setzte. Während sie alle aufschreiben sollten, was sie in den vergangenen zwei Tagen gelernt hatten, schweifte Mimis Blick immer mal wieder zu Tai und Sora, die schräg vor ihr saßen. Die beiden steckten immer wieder ihre Köpfe zusammen und Mimi fragte sich, über was sie wohl sprachen.

„Hey, du hast ja noch gar nichts geschrieben“, sanft stupste Izzy seine Sitznachbarin an und deutete mit seinem Kopf auf das weiße Blatt, das vor Mimi lag.

„Oh“, entfuhr es Mimi leise.

„Ist etwas passiert?“, fragte Izzy besorgt nach.

„Hm“, nuschelte Mimi und starrte auf das leere Papier vor ihr. Wie sollte sie das, was sie gestern Abend und heute erlebt hatte, nur in Worte packen?

Doch noch ehe die beiden das Gespräch vertiefen konnten, mischte sich der Lehrer ein. „Lasst uns jetzt sammeln, was ihr aufgeschrieben habt. Mimi, fang doch bitte mal an.“

Erschrocken weiteten sich die Augen der Brünetten. Warum rief der Lehrer ausgerechnet sie auf? Hatte er gesehen, dass sie nichts aufgeschrieben hatte? Während sie überlegte, was sie antworten sollte, herrschte Stille im Raum.

„Gibt es ein Problem, Mimi?“, hakte der Lehrer nach, als immer noch keine Antwort kam.

„Ähm, nein. Alles okay“, stammelte sie. Jetzt musste ihr schnell etwas einfallen, das sie sagen sollte. Ein kleiner Seitenblick auf Izzys Blatt half ihr jedoch nicht weiter. „Also ich habe gelernt, dass Menschen anders sind als man auf den ersten Blick meint. Und dass man hinter die Kulissen eines Menschen blicken muss, um dessen Handlungen besser verstehen zu können“, beendete Mimi ihre kurze Ausführungen und spürte die Blicke der anderen auf ihrer Haut. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Sie war es durch die Ballettauftritte gewohnt im Mittelpunkt zu stehen, doch diesmal war das Gefühl anders. Auf der Bühne waren die Publikumsplätze immer etwas angedunkelt und sie konnte daher all die Augen, die auf sie gerichtet waren, ausblenden. Doch gerade jetzt konnte sie jedem ins Gesicht schauen und in ihren Ausdrücken erkennen, was sie dachten. Viele schauten sie einfach nur an, doch Tais Blick schien sie zu durchdringen. Ebenso Matts Blick, der in der gleichen Tischreihe wie Sora und Tai saß, nur am anderen Ende.

„Das sind alles schöne Lehren, die du gezogen hast, Mimi. Aber hast du auch was über deine Fähigkeiten als Führungskraft gelernt? Darum ging es ja hier. Ihr solltet eure Kompetenzen als Klassensprecher stärken“, erlöste der Lehrer sie von den Blicken der anderen, da nun alle wieder in seine Richtungen schauten.

„Ähm“, Mimi warf noch schnell einen Blick auf das, was Izzy geschrieben hatte. „Kompromissbereitschaft ist sehr wichtig. Man kann nicht immer alles so durchsetzen, wie man es möchte, sondern sollte auch die Wünsche, Gedanken und Vorschläge anderer einbeziehen“, erklärte sie und schaute Izzy aus den Augenwinkeln heraus dankbar an.

„Prinzesschen“, hüstelte Tai kaum hörbar, doch laut genug, dass Mimi es mitbekam.

„Sehr gut, Mimi. Wie schaut es bei den anderen aus?“, fuhr der Lehrer, der Tais Kommentar offenbar nicht mitbekommen hatte, fort. Mimi blickte böse in Tais Richtung, der das aber nicht sah, da er wieder mit Sora redete.

 

„Mimi, warte“, Izzy zog sie ein Stück zurück, als sie gerade dabei war, den Konferenzraum zu verlassen. Sie hatten die vergangenen zwei Tage noch weiter rekapituliert und sollten nun ihre Koffer packen, da sie in einer Stunde die Rückfahrt nach Tokio antreten wollten. So würden sie am frühen Nachmittag in Tokio ankommen und hätten noch genug Zeit, sich vom Wochenende zu erholen, bevor sie morgen wieder in die Schule müssten. Die meisten hatten den kleinen Raum bereits verlassen und so waren nur Mimi und Izzy noch dort.

„Was gibt es denn?“

„Was ist passiert zwischen dir und Tai?“, fragte Izzy, weil er merkte, dass Mimi sich seltsam verhielt.

„Keine Ahnung. Der spielt verrückt. In dem einen Moment ist er nett zu mir und im nächsten Moment ist er so ein Idiot, dass ich ihn am liebsten einfach nur anschreien würde“, versuchte Mimi zusammenzufassen, was sie in Bezug zum Braunhaarigen fühlte. Wild gestikulierte sie dabei herum, während Izzy ihr zuhörte.

„Ach Mimi, war das nicht schon immer so zwischen euch?“, hakte er feinfühlig nach.

„Nicht so. Ich kann das nicht erklären“, sie verließen sie gerade den Raum, um sich auch in ihre Schlafräume zum Packen zu begeben.

„Hast du nicht mit ihm reden können? Ihr wart doch den ganzen Vormittag zusammen unterwegs?“

Mimi erzählte ihm, dass sie sich getrennt hatten und dass er später aufgetaucht war, als Ryo sie angemacht hatte. Sie konnte Izzy ansehen, dass er versuchte, die Situation nachzuvollziehen, doch sie wusste auch, dass er ihr nicht wirklich weiterhelfen konnte. Niemand würde ihr gerade einen Rat geben können. Wie denn auch, wenn sie selbst nicht genau wusste, wie es dazu kommen konnte, dass sie und Tai gerade weder Freunde noch Fremde waren. Mimi wusste nicht einmal genau, wie es dazu kommen konnte, dass sie so waren wie sie gerade waren. Er hatte ihr nie auf ihre Mails oder Anrufe geantwortet. Aber es musste wohl etwas mit ihrer verfrühten Reise nach New York im Vorjahr zu tun haben.

„Redet doch einfach mal miteinander“, schlug Izzy diplomatisch vor, als sie gerade die Schlafsäle erreichten und sich ihre Wege nun aufgabelten.

„Vielleicht irgendwann“, lächelte Mimi schwach, öffnete die Tür des Schlafzimmers und verschwand in diesem. Sie hatte keine Ahnung, wie sie das bei Tai ansprechen sollte. Es frustrierte sie, dass sie es vorhin nicht geschafft hatte, ihn darauf anzusprechen, als sie die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Doch es war, als wäre eine Blockade in ihrem Mund, sobald sie sich gedanklich Worte zurecht gelegt hatte. Es fühlte sich an, als wollte ihr Verstand sie davor schützen, eine Wahrheit zu hören, die sie verletzen würde. Dabei wusste sie nicht mal, ob es so sein würde. Vielleicht war es nur eine Kleinigkeit, die einfach aus der Welt hätte geschafft werden. Doch solange sie nicht den Mut aufbringen würde, Tai darauf anzusprechen, so lange würde sie wohl in einer Situation wie Schrödingers Katze festsitzen.

 

Langsam ging sie zu ihrem Koffer, der neben dem von Sora stand. Suchend schaute sich Mimi um, da Sora nicht am Packen war. Doch auch im Raum konnte sie sie nicht ausfindig machen. Die anderen Mädchen lächelten Mimi freundlich an. Sie waren anders als die Mädchen in ihrer Klasse. Bei ihnen hatte Mimi nicht das Gefühl, dass sie sie wegen irgendwas, das sie an Mimi störten, zurückweisen würden. Daher ging sie auf eines Mädchen, Sakura, wenn sie sich recht erinnerte, zu und fragte sie, wo Sora sei.

„Das kann ich dir gar nicht so genau sagen. Sie ist vor ein paar Minuten ins Bad gegangen, um ihren Kulturbeutel zu holen“, antwortete Sakura nachdenklich, aber sehr freundlich, auf Mimis Frage. Mimi bedankte sich und ging dann auch ins Bad. Immerhin waren ihre Sachen dort auch noch. Anders als in anderen Hostels mit Gemeinschaftsbadezimmer, in denen es keine Möglichkeit gab, die persönlichen Sachen unterzustellen, gab es hier ein großes Regal mit vielen Fächern, in denen man seine Hygieneartikel abstellen konnte.

 

Völlig unvorbereitet traf sie das Bild, welches sie im Bad erwartete. Die Tür war nicht abgeschlossen, weshalb sie nicht damit gerechnet hatte, Sora so anzutreffen. Wie ein Häufchen Elend saß diese an die Wand gelehnt, ihre Knie dicht an ihren Körper gezogen und ihren Kopf in ihren Knien vergraben. Immer wieder war ein leises Schluchzen zu hören. Aber selbst ohne dieses verräterische Geräusch war Mimi sofort bewusst, dass Sora weinte.

„Sora“, flüsterte Mimi leise und schloss die Tür geräuschlos hinter sich und drehte den Schlüssel im Schloss um. Die Braunhaarige wollte verhindern, dass jemand ihre beste Freundin so sieht und sie wollte sichergehen, dass sie ungestört mit ihr reden konnte.

Mimi ließ sich neben Sora sinken und legte ihr behutsam eine Hand auf das Knie, um ihr zu signalisieren, dass sie da war. Es dauerte keine fünf Sekunden und Sora lag weinend auf Mimis Schulter. Diese nahm ihre beste Freundin sogleich in den Arm und strich ihr behutsam über den Rücken.

Mimi wusste nicht, was sie sonst tun oder gar sagen sollte. Noch nie hatte sie Sora so gesehen:  so aufgelöst, verletzt und verzweifelt. Aber wer wollte schon so gesehen werden? Wer wollte schon, dass andere sehen, wie verletzt man ist? Unwillkürlich musste Mimi daran zurückdenken, wie sie einmal wegen Tai so da saß wie Sora es gerade tat. Wie sehr man unter der Trennung von einer Person leidet, merkt man erst, wenn man auf dem Boden liegt und nicht mehr aufhören kann, den Tränen freien Lauf zu lassen.

„Ich bin da“, wiederholte Mimi immer und immer wieder, und nach einiger Zeit normalisierte sich Soras Atmung und sie löste sich von Mimis Schulter.

Mimi schaute Sora mitleidig an. Deren gesamte Erscheinung spiegelte ihr tiefstes Inneres wider: nicht nur dass sie eingeknickt da saß, ihre Augen waren voll all den Tränen gerötet und geschwollen. Ein paar der Strähnen, die Sora ins Gesicht gefallen sind, waren nass geworden und klebten an ihren Wangen. Mimi strich Sora die Strähnen aus dem Gesicht und sagte nichts. Auch wenn Mimi etwas sagen wollte, damit es Sora besser ging, so fehlten ihr hierfür einfach die Worte. Das Schweigen zwischen ihnen sprach schon Bände genug und Mimi wollte Sora auch zu nichts drängen. Für den Umgang mit Liebeskummer gab es kein Patentrezept. Jeder musste da auf seine Weise durch. Nur der Schmerz, den man dabei empfand, der war bei jedem da.

„Ich habe so getan als wäre alles in Ordnung, aber es ist nichts okay“, setzte Sora an und sah auf den Boden. „Ich hatte doch alles geplant. Matt und ich. Es war alles so schön und traumhaft. Wir wollten nach der Schule zusammenziehen und studieren und dann…“, sie schluchzte tief und Mimi stand auf, um eine neue Packung Taschentücher zu holen. Die Packung Taschentücher, die Sora bei sich hatte, lag bereits leer neben ihr. Mimi reichte ihr sogleich eins und Sora schnief tief und herzzerreißend hinein.

„Ich hab gedacht, wir leben gemeinsam unseren Traum von einer gemeinsamen Zukunft. Und als ich vorhin mit ihm in einen Team war, da dachte ich, ich könnte mit ihm reden. Doch er hat mich immer abgeblockt. So kenne ich ihn nicht. Und dann…“, sie machte eine kurze Pause und wischte sich mit einem Ärmel einige Tränen aus den Augen. „Dann meinte er einfach nur zu mir, dass er es ewig bereuen würde, wenn er nicht seinen Traum von der Musik leben würde. Danach haben wir uns nur noch sinnlos angeschrien und Sachen an den Kopf geworfen, bis wir schließlich getrennt zurück zum Hostel gingen.“

„Ach, Sora. Ich bin mir sicher, Matt wollte dir niemals so weh tun“, versuchte Mimi ihre beste Freundin zu trösten. Jedoch merkte sie im selben Augenblick, in dem die Wörter ihren Mund verlassen hatten, wie bescheuert sie doch eigentlich klangen. Auch wenn Matt Sora nicht verletzen wollte, was er ihr ja gesagt hatte, so hatte er es dennoch getan. Und er konnte sich doch sicher denken, dass die Trennung für Sora mehr als schwer war. „Es tut mir Leid. Das waren wirklich keine hilfreichen Worte“, entschuldigte sich Mimi daher.

Nebeneinander saßen sie auf dem Boden des Bades, hatten ihre Knie an ihren Körper gezogen und starrten ins Leere. Nach einem Moment der Stille durchbrach Sora diese.

„Meine Welt fällt auseinander, Mimi. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Alles, was ich geplant hatte, ist plötzlich nichts mehr wert. An manchen Tagen weiß ich nicht einmal, warum ich überhaupt aus dem Bett aufstehen soll. Ich weiß, dass das dumm klingt und ich wollte nie so ein Mädchen sein, das abhängig von ihrem Freund ist, aber.. ach keine Ahnung“, beendete Sora frustriert ihre Ausführungen. Mimi war beeindruckt von Soras Ehrlichkeit und wollte ihr gegenüber daher genauso ehrlich sein.

„Aber es ist trotzdem ein schönes Gefühl, einfach zu wissen, dass jemand da“, beendete sie Soras Satz und wurde mit einem müden Lächeln von Sora angeschaut. „Ich kann dich verstehen. Wenn man sich nachts in den Schlaf geweint hat, weil man eine Person vermisst, dann ist das Gefühl am Morgen immer noch da. Es tut weh, wenn die Person, nach der das Herz schreit, einem dann auch noch Antworten auf die Fragen, die einen so sehr quälen, verwehrt. Aber Sora, wenn deine Welt auseinanderfällt, dann bau sie wieder auf. Bau dir eine Welt, die deinen Wünschen und Vorstellungen entspricht. Es ist schwer am Anfang, aber es geht“, erklärte Mimi einfühlsam, aber dennoch überzeugend.

Und es funktionierte tatsächlich. Soras Miene erhellte sich ein wenig und sie legte ihren Kopf auf Mimis Schulter, woraufhin Mimi ihren Kopf auf den ihrer besten Freundin legte. Auch wenn Mimi ihre Freundin mit den Worten weiterhelfen konnte, so wusste sie, wie scheinheilig sie waren. Als sie damals ein gebrochenes Herz hatte, weil Tai sich nicht mehr meldete, hatte sie ihre Welt aufgebaut. Ja, das stimmte. Aber sie hatte einfach die Ruinen genommen und diese wieder aufgebaut anstatt etwas Neues entstehen zu lassen. Kein Wunder, dass sich nichts in ihrem Leben geändert hatte. Sie hatte Lediglich alles, was mit Tai zu tun hatte, in ein Exil geschickt, in der Hoffnung, ihn so vergessen zu können.

„Mimi?“, fragte Sora leise. „Du und Tai, ich weiß nicht, was da war. Nur, dass er sauer war, weil du früher geflogen bist und er wohl nicht in deine Welt passe. Er wollte mir nie sagen, was genau er damit meint. Aber Mimi? Ihr bekommt das wieder hin, oder?“

„Keine Ahnung. Bekommen du und Matt das wieder hin?“, stellte sie die Gegenfrage.

„Keine Ahnung. Aber solange wir uns beide haben, dann sind wir okay, oder?“, zuversichtlich griff Sora nach Mimis Hand und drückte diese. Eine Geste, die Mimi erwiderte. „Wenn wir wieder zu Hause sind, dann machen wir mal einen Mädelsabend, nur du und ich. Mit Filmen schauen und Eis aus der Packung essen, ja?“, lächelte Sora sie an und Mimi nickte freudig, um ihre Zustimmung auszudrücken.

„Wir müssen uns langsam beeilen“, merkte Mimi an, als sie auf die Uhr schaute, die über der Badezimmertür hing. Tatsächlich war die Zeit wie im Flug vergangen und bereits in zehn Minuten sollten sie alle abfahrtsbereit unten im Hof sein.

„Oh Mist“, fluchte Sora und die beiden Mädchen standen auf. Als Mimi gerade ihren Kulturbeutel aus dem ansonsten bereits leeren Schrank geholt hatte und gehen wollte, zog Sora sie in eine tiefe Umarmung.

„Danke, Mimi“, hauchte sie ihr ins Ohr.

„Danke dir“, antwortete Mimi ehrlich. Sie war froh, dass Sora ihr vorhin gesagt hatte, was sie über Tais Gründe für seine negative Einstellung Mimi gegenüber wusste. Mimi konnte jedes Puzzleteil gebrauchen, um endlich verstehen zu können, warum Tai sich nicht mehr gemeldet hat und warum er sie so mies behandelte. Gleichzeitig kroch langsam in ihr das schlechte Gewissen hoch, weil sie Sora gegenüber nicht so ehrlich war und ihr Matts Gründe nicht erzählt hatte. Aber Matt hatte Recht. Sora würde es noch weniger nachvollziehen als den Grund, den Matt ihr genannt hatte. Daher würde sie sein Geheimnis wahren, bis er bereit ist, es Sora zu sagen.

 

Gerade noch rechtzeitig kamen die beiden unten im Hof an. Schon als sie in das Schlafzimmer zurückgekehrt waren, waren einige Mädchen bereits aufgebrochen und die anderen waren gerade dabei, ihre Koffer zu schließen. Sora und Mimi hatten schnell noch ihre Sachen eingepackt und sind dann auch runter in den Hof gelaufen.

Die meisten Schüler waren bereits im Bus, so auch Tai und Izzy, die den Mädchen einen Platz neben sich in der Reihe freihielten. Mimi ließ sich auf den Platz neben Izzy fallen und Sora neben Tai.

„Alles gut?“, fragte Izzy, als er sah, dass Mimi erschöpft den Kopf an den Sitz lehnte.

„Ja, ich bin nur müde“, murmelte sie und schloss die Augen, um ein anstrengendes Wochenende ausklingen zu lassen.

Gute und schlechte Tage

Mimi hatte die ganze Heimfahrt über geschlafen. Dabei hatte sie gar nicht bemerkt, wie ihr Kopf gegen Izzys Schulter gerutscht war, die ihr ein gemütliches, wenngleich auch hartes Kissen bot. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass der Bus bereits wieder an der Schule angekommen war. Erst als Izzy sie sanft an der Schulter schüttelte, wachte Mimi auf. Verwirrt schaute sie umher, denn nur noch sie, Izzy, Tai und Sora waren im Bus. Sora wurde im gleichen Augenblick wie Mimi geweckt. Als Mimi in Soras Gesicht sah, erkannte die Brünette, dass sich Sora ein wenig erholen und beruhigen konnte.

 

Als die vier schließlich auch ihre Koffer geholt hatten, war es an der Zeit, sich zu verabschieden. Mimi erkannte, dass das Auto ihres Vaters bereits auf dem kleinen Schulparkplatz stand.

„Also dann, bis morgen“, Tai hob zum Abschied die Hand und griff nach seinem, wie auch nach Soras Koffer.

„Wir fahren mit der Bahn heim“, erklärte Sora und machte Anstalten, Tai ihren Koffer wegzunehmen, um diesen selbst schieben zu können. Es entstand eine kleine, spaßige Rangelei zwischen den beiden.

„Wir können euch auch heimfahren“, bot Mimi an, als sie das Schauspiel zwischen den beiden sah. Beim Beobachten der beiden hatte Mimi das Gefühl, eine kleine Nadel würde in ihr Herz piecksen. Warum konnten die beiden so miteinander herumalbern, aber sie und Tai nicht? Doch statt zuzugeben, dass sie Tai vermisste und versuchte, das Gespräch mit ihm zu suchen, schob Mimi die Eifersucht beiseite.

„Ach Quatsch, das ist ja nicht eure Richtung“, schlug Sora das Angebot freundlich ab. „Wir gehen jetzt mal, damit wir unsere Bahn auch noch bekommen“, und damit verabschiedeten sie sich von Izzy und Mimi.

Langsam liefen die beiden in Richtung des schwarzen Wagens und Keisuke stieg aus, als sie das Auto erreicht hatten.

Mimi nahm ihren Vater kurz in den Arm, genauso wurde auch Izzy kurz von Keisuke umarmt. Auf der Autofahrt erzählte Mimi aufgeregt, was sie alles erlebt hatten und wie gut es ihr dort gefallen hatte. Izzy ergänzte ab und an ein paar Sachen. Erst durch seine Erzählungen merkte sie, dass sie kaum Zeit mit ihm verbracht hatte. Dabei war sie es doch gewesen, wegen er letzten Endes mitfahren musste. Aber Izzy klang jetzt nicht so, als hätte es ihm nicht gefallen. Vielmehr hatte er wohl einige neue Kontakte geknüpft, was Mimi freute. Schließlich war das doch ihr Ziel gewesen!

Nach ein paar Minuten Fahrt kamen sie bei dem Wohnungskomplex an, in dem Izzy wohnte. Mimi verabschiedete sich im Auto von Izzy, während ihr Vater auch ausstieg und ihm half, den Koffer aus dem Kofferraum zu holen. Mimi konnte im Rückspiegel sehen, wie die beiden noch ein paar Worte miteinander wechselten. Sie konnte an den Körperhaltungen der beiden jedoch nicht erkennen, welche Art von Gespräch es war. Ihr Vater hatte ein aufmunterndes Gesicht, während Izzy etwas ernster schaute.

Worüber reden die beiden?, fragte sich die Brünette. Hatten sie etwa ein Geheimnis vor ihr? Dabei dachte sie, Izzy und sie könnten über alles reden. Aber was gab es, über das Izzy nicht mit ihr reden konnte, sondern sich an ihren Vater wand?

„Dann lass uns mal heimfahren. Du hast sicher Hunger und bist müde“, holte ihr Vater sie aus ihren Gedanken. Sie musterte ihn kurz und konnte keine Veränderungen an ihm feststellen. Vielleicht hatte sie sich eingebildet, dass er und Izzy ein ernstes Gespräch geführt hatten. Normalerweise hatte ihr Vater nach so etwas immer eine kleine Sorgenfalte auf seiner Stirn. Daran konnte Mimi auch immer erkennen, ob er gerade einen wichtigen und schweren Fall in der Kanzlei bearbeitete. Doch davon war jetzt nichts zu sehen. Vielleicht hatte Mimi es auch nur falsch verstanden. Beruhigt, dass sie nur von einem Hirngespinst heimgesucht wurde, lehnte sie sich in den Sitz zurück.

„Wie war euer Wochenende?“, fragte Mimi und schaute zu ihrem Vater.

„War schön. Haben viel entspannt, hatten einige Massagen und ich glaube, deine Mutter hat das nach dem Umzugsstress mal gebraucht. War aber wie immer viel zu kurz“, erzählte er fröhlich.

„Hat sie gemerkt, dass es ein spontan gebuchter Trip war?“, hakte die Brünette nach.

„Nein, Gottseidank nicht“, lachte Keisuke und bog in die Einfahrt ihres Hauses ein.

 

Ihre Mutter war gerade am Kochen und Telefonieren, als Mimi das Haus betrat, weshalb sie Satoe nur kurz grüßte. Mimi war insgeheim froh, dass sie beschäftigt war. So konnte sie erst einmal gemütlich eine Dusche nehmen und ihren Koffer auspacken bevor sie von Fragen durchlöchert wurde. Irgendwas würde ihre Mutter sicher wegen des Ausflugs sagen und davor wollte sich die Sechzehnjährige so lange wie möglich drücken.

 

In ihrem Handtuch eingewickelt ging Mimi nach der Dusche in ihr Zimmer. Sie hatte ihren Föhn im Koffer vergessen. Als sie gerade zurück ins Bad gehen wollte, piepste ihr Handy kurz und teilte ihr mit, dass sie eine Nachricht bekommen hatte. Neugierig griff Mimi nach dem Handy und war überrascht, dass es Matts Name war, der auf dem Display stand.

 

»Hey Mimi,

es hat gut getan, mit dir zu reden. Ich weiß, es ist blöd, so hinterrücks zu fragen, aber wie ging es Sora vorhin noch? Hatten kurz geredet und ich weiß nicht..«

 

Oh Mensch, in was für eine Situation war Mimi da nur reingeraten? Wenn sie Matt jetzt schreiben würde, wie schlecht es Sora vorhin ging, würde sie ihr doch in den Rücken fallen, oder? Aber sie könnte ihr und Matt so vielleicht helfen, wieder zueinander zu finden? Doch für Matt schien die Sache endgültig zu sein. Was sollte sie nur tun? Matt war schließlich auch ein Freund von ihr und ihm ging es auch schlecht.

Mimi tippte schnell ein paar Worte, dass es Sora nicht sehr gut ging, sie sie aber beruhigen und ein bisschen aufmuntern konnte.

„Mimi“, es klopfte an der Tür und noch bevor Mimi etwas sagen konnte, steckte ihre Mutter den Kopf in das Zimmer. „Es gibt Essen. Mach dich noch schnell fertig bevor du runter kommst.“

„Bin gleich da“, erwiderte sie und schmiss das Handy auf das Bett zurück, wo es sanft auf der Bettdecke landete.

Sie ließ sich extra ein wenig Zeit beim Eincremen, Anziehen und Föhnen bevor sie dann langsam runterging.

Entgegen ihrer Erwartungen ließ ihre Mutter Mimi aber von dem Seminar erzählen statt auf dem verpassten Training herumzuhacken.

„Also hattet ihr Spaß?“, fragte Satoe schließlich.

„Ja, war eine schöne Abwechslung zum Training“, antwortete Mimi ehrlich.

„Gut, wenn das Wochenende jetzt rum ist, dann geht es ab morgen aber wieder richtig los. Ich hab mit Frau Hifumi gesprochen, ob du die Woche ein bisschen länger trainieren könntest. Leider geht das nicht“, berichtete Satoe als wäre es die einfachste Sache der Welt.

„Wie bitte? Was hast du getan?“, empörte sich Mimi und ließ das Messer, mit dem sie sich ihr Brot mit Honig beschmierte, auf dem Teller ab. Mit schockiertem Blick schaute sie ihre Mutter an.

„Naja, so kannst du das Verpasste aufholen. Da das aber nicht geht, kannst du ja ein bisschen zuhause üben.“

„Ist das dein Ernst? Mama, ich muss auch noch meine Schulsachen erledigen! Und falls du es vergessen hast, ich muss noch ein bisschen was aufholen. Außerdem war ich nur über das Wochenende weg. Was soll ich da verpasst haben?“, mit jedem Wort wurde die Brünette etwas lauter.

„Satoe, so war das aber nicht ausgemacht. Wir haben uns doch darauf geeinigt, dass Mimi sich auf die Schule konzentrieren soll“, mischte sich Keisuke in strengem Ton ein.

„Es sind ja bald Ferien, da kann Mimi doch lernen“, verteidigte sich Satoe.

„Du wolltest doch nach New York“, unverständlich schaute Keisuke seine Frau an.

„Richtig. Ich verstehe das Problem nicht, Keisuke. Da kann sie doch auch lernen.“

Mimi fing an, den aufkommenden Streit zwischen ihren Eltern auszublenden. Vielmehr musste sie die Information verarbeiten, dass sie in den Ferien nach New York reisen würden. Das hatte ihr noch niemand erzählt. Hatte sie denn gar kein Mitspracherecht mehr? Ihre Mutter entschied über alles, was ihr Leben betraf. Tai hat entschieden, dass er keinen Kontakt mehr zu ihr möchte. Aber was war mit ihr?

„Das Kind braucht aber auch mal Luft zum Atmen. Ein bisschen Zeit für sich.“

„Ich werde nicht mit nach New York gehen“, entschieden stand Mimi auf, ließ ihr Brot unangetastet auf dem Teller liegen und ging in ihr Zimmer nach oben.

Sie konnte noch hören, wie ihre Eltern sich weiter stritten. Doch das war ihr egal. Sie hatte gerade etwas entschieden. Ein Gefühl von Stolz durchfuhr sie und sie fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr.

 

Sie warf sich auf ihr Bett und wollte das Gefühl, das gerade durch ihren Körper floss, noch etwas festhalten. Doch als sie sich gerade hinlegte, spürte sie den harten Gegenstand unter ihrem Rücken.

Sie hob ihren Körper etwas an und zog ihr Handy hervor.

Zwei neue Nachrichten. Eine von Izzy, in der er ihr dankte, dass sie ihn zum Klassensprecher ernannte, weil er ein schönes Wochenende hatte. Schmunzelnd antwortete Mimi ihm schnell und scrollte zur nächsten Nachricht weiter. Wieder von Matt.

 

»Danke, dass du dich um sie gekümmert hast.

War ein sehr ereignisreiches Wochenende, oder?«

 

Auch wenn Mimi etwas verwundert war, dass Matt plötzlich zu Smalltalk übergegangen war, freute sie sich darüber. Sie wusste als Einzige über Matts Beweggründe für die Trennung Bescheid und es kam Mimi vor, als wären sie nun durch dieses Geheimnis verbunden. Vielleicht hatte sie in ihm einen neuen Freund gefunden, den sie zwar schon lange hatte, aber mit dem sie bisher nie so eng verbunden war.

Tatsächlich schrieben die beiden noch eine Weile über alles Mögliche. Mimi berichtete ihm auch vom Streit ihrer Eltern.

 

»Oh Mensch. Das tut mir Leid. Deine Mutter ist echt verbissen in der Sache.

Versuch dich durchzusetzen, dass du die Ferien hier bleibst. Ist doch Tradition, dass du in den Sommerferien in Tokio bist ;) kannst ihr ja auch sagen, dass ich dir in den Ferien in Mathe weiterhelfe ;)«

 

Mimi schmunzelte über diese Nachricht. Es war süß, wie sich Matt für sie einsetzte und sie ermutigte, sich durchzusetzen.

 

»Danke! Haha, ich gebe es so weiter, Herr Lehrer :D

Gute Nacht und bis morgen«

 

Mimi stellte den Wecker für den morgigen Tag und legte dann das Handy beiseite. Sie hatte sich in der Zwischenzeit bereits bettfertig gemacht und konnte sich daher gleich schlafen legen.

Von ihren Eltern hatte sie nichts mehr gehört, worüber sie nicht traurig war. Etwas schwermütig kam die Erinnerung, wie Tai ihr letztes Jahr in Mathe geholfen hatte, hervor. Warum war nur alles mit Tai verbunden?

 

                                                           **        **        **

 

„Warum hast du denn nicht gesagt, dass du bei dem Schulstoff Hilfe brauchst?“, fragte Izzy nachdem Mimi von gestrigen Abend erzählt hatte. Das Detail mit den SMS zwischen ihr und Matt behielt sie jedoch vorsichtshalber zurück. Der Unterricht hatte noch nicht begonnen und sie und Izzy nutzten die Zeit zum Erzählen. Gerne würde Mimi Izzy auf das Bild, das sie bei ihm gesehen hatte, ansprechen. Doch sie wusste auch, dass es nicht für ihre Augen bestimmt war und Izzy sicher zu ihr kommen würde, wenn er darüber sprechen wollte. Es sammelten sich immer mehr Dinge an, über die sie nicht mit Izzy sprach und doch.. und doch fühlte es sich nicht falsch an. Es war wohl normal und gehörte zum Erwachsenwerden dazu, dass man auch mal etwas für sich behält und nicht gleich zum besten Freund oder der besten Freundin rennt, um ihr von Neuigkeiten zu erzählen.

„Ach Izzy, das Schuljahr ist doch noch jung und ich dachte, ich bekäme es alleine hin“, erklärte sie sich. „Aber dem ist wohl nicht so. Wenn ich mir nur an Mathe denke, dann wird mir ganz schlecht.“

„Dann sag doch einfach was, Mimi. Sollen wir uns nach der Schule mal zum Lernen treffen? Ich kann dir das, was dir fehlt, beibringen“, schlug Izzy vor und schaute sie aufmunternd an. Als Mimi gerade zum Antworten ansetzte, kam der Lehrer herein und Mimi konnte daher nur dankbar nicken.

 

„Frau Tachikawa, Herr Izumi, würden Sie bitte nach vorne kommen und der Klasse berichten, was sie auf dem Teambuilding-Seminar am Wochenende gelernt haben?“, forderte Herr Yamakawi die beiden auf.

Nicht schon wieder, dachte Mimi, als sie nach vorne lief. Wie oft hatte sie das jetzt schon in den letzten 24 Stunden erzählen müssen? Dennoch berichteten sie und Izzy ihrer Klasse von dem, was sie gemacht hatten und schließlich auch wofür das ganze dienen sollte.

„Anfang Oktober findet ein Herbstfest an unserer Schule statt. Damit wir das nach den Wünschen und Vorstellungen der Schüler ausrichten können, wird in den nächsten Wochen eine Liste herumgehen, auf die ihr eintragen könnt, welche Aktivitäten ihr euch vorstellt. Das können Dinge sein wie ein Café, in dem ihr die Gäste mit Essen und Trinken versorgen wollt, oder aber auch so etwas wie Kinderschminken, eine Tanzaufführung oder für die, die sich naturwissenschaftlich interessieren, eine Chemie-Show oder so etwas“, beendete Mimi ihre Erzählungen. Leises Flüstern ging durch die Reihen.

„Ich glaube, ich mag etwas in Richtung Café machen.“

„Ich bin mit dem Fußball-Club sicher schon eingespannt.“

„Lasst uns doch eine Kreativwerkstatt mit Thema Herbst machen.“

Zufrieden lächelte Mimi. Sie hatte es anscheinend geschafft, die Klasse für das Schulfest zu begeistern. Und niemand zerriss sich gerade den Mund über sie. Stattdessen hoben sich einige Finger und Mimi wurde noch nach ein paar Details zu dem Fest gefragt, die sie alle so gut sie nach dem aktuellen Organisationsstand informiert war, beantwortete.

 

                                                           **        **        **

 

Zufrieden hatte Mimi sich ihre Trainingstasche über die Schulter gehängt und ging gerade auf den Schulhof. Sie war heute ein bisschen länger in der Schule geblieben, weil Izzy ihr in der Zeit zwischen Schulaus und Training bereits die erste Nachhilfestunde in Mathe gegeben hat. Ihr Kopf rauchte zwar vor lauter Informationen, aber dennoch war sie glücklich, dass sie sich heute so mutig vor die Klasse gestellt hatte. Vielleicht war es für viele nichts Besonderes, doch für Mimi war es ein wichtiger Schritt.

Sie kam gerade am Sportplatz vorbei, als sie einen Ball anrollen sah. Mimi stoppte ihn mit ihrem Fuß und blickte in die Richtung, aus der er kam. Vor ihr stand eine allzu bekannte Person, deren Haare von einem Haarband daran gehindert wurden, in dessen Gesicht zu fallen.

Mimi lächelte leicht und stieß den Ball sanft an, damit er in Tais Richtung rollte.

„Das ist wirklich sehr hilfreich“, sagte Tai und deutete auf das Haarband bevor er den Ball nahm und wieder zurückging.

Tai hatte es also behalten. Glücklich lächelnd begab sich Mimi auf den Weg zum Training. Auch wenn der Tag davor durch den Streit nicht schön geendet ist, so war dieser Tag ein guter Tag. Vielleicht hatte Mimi langsam ihren Platz hier gefunden.

Sorgen

Ohne dass es Mimi bewusst war, vergingen die Wochen wie im Flug. Ihr Alltag hatte sich langsam eingependelt. Nichtsdestotrotz waren die Tage lang und stressig und Mimi war froh, wenn sie einmal ein wenig Zeit für sich hatte.

Zeit zum Durchatmen.

Zeit für Freunde.

Leider gab es davon momentan recht wenige Momente. Ihr Leben war gerade geprägt von Schule, Training und gemeinsam mit Izzy das, was ihr an Schulstoff fehlte, aufzuholen und gleichzeitig den neuen Schulstoff zu verinnerlichen. Abends saß sie auch oft noch lange am Schreibtisch, um Hausaufgaben oder Projekte, die sie bearbeiten sollten, zu erledigen. Außerdem war der Job als Klassensprecher anstrengender als sie dachte. Sie musste oft zu Treffen, bei denen Dinge besprochen wurden, die sie persönlich als nicht sonderlich wichtig erachtete. Warum musste sie zum Beispiel dabei sein, wenn besprochen wurde, wie der Sportplatz, der in den Ferien umgebaut wurde, gestaltet werden sollte. Hier diskutierten nur die Klassensprecher mit, die den Sportplatz auch nutzten, weil sie in Clubs waren. Alle anderen schwiegen und hörten zu, wie Tai und Ryo sich stritten, ob Kunst- oder Naturrasen besser waren. Mimi konnte dabei nur den Kopf schütteln und ärgerte sich, dass solche Privatdiskussionen die Treffen immer in die Länge zogen. Denn sie hatte nach der Schule nur eine Stunde Zeit bis sie zum Training aufbrechen musste.

Diese Stunde nutzte sie, wenn nichts anderes anstand, um mit Izzy gemeinsam zu lernen.

Am heutigen Tag stand eine Wiederholung von Kurvendiskussion auf dem Plan. Ein Thema, über das sie bald einen Test schreiben würden und gleichzeitig ein Thema, zu dem Mimi partout keinen Zugang finden wollte. Sie hatten sich einen gemütlichen Platz im Foyer der Schule gesucht, wo sich auch andere Schüler tummelten, die gemeinsam zu Mittag aßen, einfach nur miteinander erzählten  oder auch gemeinsam lernten.

Seit bereits einer dreiviertel Stunde versuchte Izzy geduldig und auf alle möglichen Weisen ihr näher zu bringen, wie sie Hoch- und Tiefpunkte bestimmen könne.

„Oh Mensch. Das wird doch nie was“, frustriert ließ Mimi ihren Kopf auf die Tischplatte sinken. Sie war einfach ein hoffnungsloser Fall.

„Du konzentrierst dich ja auch gar nicht“, tadelte Izzy sie daraufhin.

„Ich hab das Gefühl mein Kopf platzt gleich, wie soll ich mich da konzentrieren?“, fragte sie verzweifelt nach, den Kopf immer noch auf der Tischplatte liegend.

„Dann lass uns für heute aufhören. Es bringt gerade nichts“, Izzy klappte die offenen Mathebücher zu und schob diese beiseite.

„Tut mir leid“, murmelte Mimi. „Du gibst echt alles und ich versteh nichts von dem, was du sagst.“

„Schon okay. Belastet dich denn gerade etwas, weil du dich nicht konzentrieren kannst?“, erkundigte sich Izzy sanft.

„Ach, es ist nur alles stressig gerade. Ich glaube, ich brauche Ferien, um die Akkus mal wieder aufzuladen“, lachte Mimi, doch Izzy sah sie weiterhin ernst an.

„Mimi..“, setzte er sachte, doch betont an. „Hast du heute schon was gegessen?“, fragte er schließlich vorsichtig nach.

Überrascht über diese Frage, die aus dem Blauen heraus kam, weiteten sich Mimis Augen.

„Ich hab heute Morgen gefrühstückt und vorhin einen Apfel gegessen. Wie kommst du denn jetzt auf dieses Thema?“, verteidigte sich Mimi schnippisch und blickte umher, ob irgendjemand etwas von diesem Gespräch mitbekommen hatte. Nicht dass irgendwer noch ein Gerücht in die Welt setzen würde, dass sie magersüchtig sei. Das hatte sie bereits während ihrer Zeit in New York miterlebt und darauf hatte sie keine Lust. Damals war es sogar so weit gegangen, dass ihre Eltern sie in eine Therapie schicken wollten. Es war ein langer Kampf gewesen bis Mimi alle davon überzeugen konnte, dass sie keine Essstörung hatte. Sie achtete lediglich mehr darauf, was sie aß.

„Das versorgt dich doch aber nicht mit genug Energie, dass du gut über den Tag kommst“, erklärte Izzy einfühlsam. Mimi hörte die Besorgnis in seiner Stimme heraus und es tat ihr sogleich Leid, dass sie Izzy gerade so angemotzt hatte.

„Ich esse ja nach dem Training noch was“, versuchte sie den Rothaarigen zu beruhigen, doch er zog nur eine Augenbraue hoch, was Mimi signalisierte, dass er nicht überzeugt war.

„Izzy, es ist alles okay. Ich esse eben kaum Süßes oder so, weil ich auf meine Figur achte. Und ich esse viel Obst und Gemüse, weil ich meinem Körper kein Junkfood oder so antun möchte.“

„Das ist ja okay, aber du musst mehr essen, Mimi. Du bist so viel unterwegs und ständig beschäftigt, du brauchst Energie. Es ist kein Wunder, dass du dich jetzt nicht konzentrieren kannst. Und du siehst dünner aus. Wir machen uns doch nur Sorgen, dass dein Körper das nicht mehr lange mitmacht“, erklärte Izzy und sah seine beste Freundin besorgt an.

Mimi hatte tatsächlich ein wenig abgenommen, aber nicht so viel, dass sie dachte, man sehe es bereits. Sie fühlte sich schuldig, weil sie Izzy Sorgen bereitete. Das wollte sie nicht.

„Ach Izzy. Du musst dich um mich nicht sorgen, wirklich. Alles gut“, sie legte ihren Kopf auf seine Schulter, um die Aussage zu bekräftigen.

Wir machen uns doch nur Sorgen, hallten Izzys Worte durch ihren Kopf und Mimi hob sogleich ihren Kopf wieder an und schaute Izzy misstrauisch an.

„Du hast eben im Plural gesprochen. Wer ist ‚wir‘?“ erkundigte sie sich, ihren Blick noch immer auf Izzy gerichtet, der sich sichtlich ertappt fühlte. Seine geröteten Wangen, die er in solchen Situationen bekam, verrieten ihn. Hatten sie schon immer getan und würden sie auch immer.

„Ähm, also Sora hatte mich vor kurzem darauf angesprochen“, druckste er umher.

„Sora? Und noch wer?“

„Ähm, also da war noch..“, stammelte er.

„Spuck es aus!“, forderte die Brünette Izzy streng auf.

„Also Tai hat auch gefragt, ob alles in Ordnung ist“, spuckte Izzy letztendlich den Namen aus.

„Tai also..“, murmelte sie und fing an, ihr Buch und das Heft, die auf dem Tisch lagen, in ihre Tasche zu packen.

„Ich muss los, Izzy. Mach dir keine Sorgen um mich. Wenn es dich beruhigt, dann hole ich mir unterwegs noch was zu essen“, verabschiedete sie sich hastig, ging weg und ließ Izzy verwirrt über diesen plötzlichen Abgang zurück.

 

„Tai!“, schwer atmend und außer Puste blieb sie bei dem Braunhaarigen stehen. Mimi wusste, dass er heute Fußballtraining hatte und hatte gehofft, ihn vor der Sporthalle noch abfangen zu können. Das hatte sie auch noch geschafft und jetzt stand sie ihm gegenüber. Und wusste nicht mehr, was sie sagen wollte. Oder was sie sagen sollte. Ja, er hatte sich anscheinend Sorgen um sie gemacht. Eine Geste, die Mimi etwas bedeutete, aber gleichzeitig war sie das komplette Gegenteil seinem Verhalten! Bei der Klassensprecherfahrt schickte er sie weg und jetzt machte er sich Sorgen um sie. Und das auch noch völlig grundlos! Denn man musste sich keine Sorgen um sie machen. Mimi war der Meinung, dass sie ihren stressigen Alltag gut bewältigte und mit sich und ihrem Körper alles okay war.

„Was gibt es denn?“, fragte Tai und schaute ihr mit seinen braunen Augen direkt in ihre Augen.

„Du musst dir keine Sorgen machen“, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen und Tai runzelte verwirrt die Stirn. „Also ich esse genug“, fügte Mimi schnell noch erklärend hinzu.

„Achso, na dann ist ja gut“, schulterzuckend wand er sich von ihr. Mimi blickte ihm hinterher nachdem er sie einfach so hatte stehen lassen. Nach nur wenigen Schritten blieb Tai noch einmal stehen. Mimi konnte erkennen, dass er sich mit der Hand durch die Haare fuhr ehe er sich wieder zu ihr drehte und auf sie zukam.

„Mimi. Ich hab dir versprochen, auf dich aufzupassen. Deswegen habe ich mir Sorgen gemacht, weil du abgenommen hast. Aber wenn du sagst, dass alles okay ist, dann glaube ich dir das auch nur bedingt. Iss einfach bitte ein wenig mehr“, seine Gesichtszüge waren ganz sanft als er mit ihr sprach und auch seine Stimme war von einer Ruhe gekennzeichnet, die Mimi faszinierte. Mit einem Mal schien die Distanz, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte und sie voneinander entzweite ganz klein zu werden.

„Okay“, brachte Mimi leise hervor. Sie stand ihm direkt gegenüber. So sehr sie dachte, sie hätte mit ihm abgeschlossen, so sehr wurde ihr gerade bewusst, wie sie sich doch geirrt hatte. Nichts wünschte sich Mimi in diesem Augenblick mehr als dass die Distanz zwischen ihnen komplett verschwinden würde.

„Ich muss dann jetzt“, und so schnell wie sie sich angenähert hatten, hatten sie sich wieder voneinander entfernt.

„Bis dann“, ein Hauch Trauer schwang in Mimis Stimme mit. Gerne hätte sie noch mehr zu Tai gesagt. Bedeutungsvollere Sachen als nur ‚okay‘. Der Blick auf die Uhr verriet ihr aber, dass sie dazu keine Zeit mehr gehabt hätte. Sie musste sich nun wirklich auf den Weg zum Training machen und lief daher los in Richtung des Schultores. Zwar war die Ballettschule nur zwei U-Bahnstationen entfernt, doch Mimi wollte nicht zu spät kommen. Frau Hifumi ließ Zuspätkommer in der Pause die verpasste Zeit doppelt nachholen.

„Mimi“, Tais Stimme ließ sie erstarren und sie drehte sich um. Er stand noch immer am selben Fleck. „Letztes Jahr.. ich wollte dich an deinem letzten Tag hier in Tokio vom Training abholen.. es tut mir leid, dass ich nicht da war“, Mimi konnte an seinem Gesicht und der Tonlage erkennen, wie schwer es ihm gefallen war, diese Worte auszusprechen. In Mimi lösten diese Worte eine komplette Verwirrung aus, die sie den ganzen Tag nicht mehr loswerden konnte.

 

Das Training war nicht so hart wie die Tage vorher. Diese Tatsache war wohl dem Umstand geschuldet, dass sie heute von einer Vertretungslehrerin trainiert wurden, die in ihrem Wesen ganz anders als Frau Hifumi war. Frau Yamamoto war eine nette, ältere Frau, die ihr Leben lang schon Ballett trainierte, doch dabei darauf achtete, dass der Spaß eher im Vordergrund stand. Daher war Mimi auch mehr als überrascht, als sie heute statt dem Einüben der aktuellen Choreographie sich in Gruppen eigene Choreographie zu Musik ihrer Wahl ausdenken sollten. Die einzige Anforderung war, dass sie hierbei etwas aussuchen sollten, dass ihre Gefühle wiederspiegelte. Auch wenn Mimi gerne tanzte, Freestyle-Choreographien oder eigene Choreographien hatte sie bisher immer nur für sich getanzt und nie vor anderen. Es war aber etwas, das Mimi sehr gefallen hatte und es machte ihr unglaublichen Spaß, sich etwas Eigenes auszudenken, in dem sie sich voll und ganz ihren Emotionen hingeben konnte. Es war auch schön, dass Frau Yamamoto sie alle für ihre Ideen lobte. Natürlich waren nur kleine Ausschnitte für eine Choreographie entstanden, doch Mimi wollte unbedingt an ihrer Choreographie weiterarbeiten.

 

„Oh man, ich muss noch für Physik lernen“, stöhnte Kari genervt, als sie gerade beim Umziehen waren.

„Ich muss noch was für Japanisch machen“, fügte Yuri, ein anderes Mädchen aus der Gruppe, hinzu.

„Und ich Mathe“, seufzte Mimi und klinkte sich in das Gespräch ein. Mittlerweile hatte sie sich ein bisschen besser in die Gruppe eingefügt, wenngleich sie immer noch merkte, dass gerade während des Trainings großes Konkurrenzdenken unter den Mädchen herrschte. Sie plauderte noch über ein paar weitere Belanglosigkeiten mit den anderen während sie ihre Sachen einpackte und sie dann die Ballettschule verließen.

Gerade als die großen Steintreppen hinuntergingen, piepste Mimis Handy auf. Neugierig zog sie es aus ihrer Jackentasche.

Eine Nachricht von Matt.

Als sie diesen Namen sah, hielt sie das Handy so, dass Kari, die neben ihr lief, nicht darauf schauen konnte. Es war ihr unangenehm, wenn Tais kleine Schwester mitbekommen würde, dass sie und Matt sich Nachrichten schrieben. Besonders weil sie mittlerweile einen ziemlich langen Nachrichtenverlauf hatten.

Auch wenn sie und Tai nicht zusammen waren, so fühlte es sich trotzdem seltsam an, dass sie sich so gut mit seinem besten Freund verstand, während Tai und Matt Streit hatten. Zumal sie früher nie so viel mit Matt zu tun hatte, dass man sagen könnte, es wäre normal, dass sie sich so gut verstanden. Das war erst seit der Klassensprecherfahrt so. In einer Welt, die so schnell und unverständlich war, gaben sie sich gegenseitig Halt. Auch wenn Izzy immer die Person bleiben würde, mit der Mimi über alles reden konnte, so konnte ihr Matt in ihrem Gefühlschaos besser helfen als Izzy.

Mimi verabschiedete sich am Tor von den anderen Mädchen und ging dann in Richtung des Parks, der auf ihrem Nachhauseweg lag.

 

„Da bist du ja“, begrüßte Matt sie. Er hatte auf einer Parkbank gewartet, die unter einem großen Kirschblütenbaum stand. „Der ist für dich. Chai-Tee“, sagte er und reichte Mimi einen Pappbecher nachdem sie sich hingesetzt hatte.

„Danke“, murmelte Mimi und schaute genau wie Matt auf den Spielplatz, der sich auf der anderen Seite des Gehwegs befand. Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander. Ein paar Mal versuchte Mimi von dem Tee zu trinken, doch er war noch zu heiß und sie verbrannte sich jedes Mal die Zunge.

„Izzy meinte heute, dass er, Sora und Tai sich Sorgen um mich machen würden, weil ich so wenig essen würde“, unterbrach Mimi die Stille.

„Isst du denn bewusst so wenig?“, fragte er mit ruhiger Stimme nach.

„Ich weiß nicht. Nein. Ich esse dann, wenn ich Hunger habe“, erklärte Mimi. Mittlerweile wusste sie, dass sie sich bei Matt so geben konnte, wie sie war. Sie konnte die Dinge so sagen, wie sie waren. Sie konnte sagen, was sie dachte. Weil Matt das gleiche tat. Doch anders als bei Tai musste sie nicht damit rechnen, dass Matt in einen großen Emotionsausbruch geraten würde oder gar lauter werden würde, weil sie unterschiedlicher Meinung waren. Matt machte sich sein Bild über die Dinge und bewertete sie dann. Ob andere eine abweichende Meinung hatten, war ihm egal.

„Dann hast du aber nicht oft Hunger“, sagte er trocken, den Blick nun auf Mimi gerichtet.

Die Sonne ging langsam unter und ein leichter Windhauch ging durch den Park. Da jedoch bereits Sommer war, war es keine Kälte, die der Wind mit sich brachte, sondern eine angenehme Brise warme Luft.

„Ich esse doch zuhause genug“, verteidigte sich Mimi erneut. Warum musste sie sich immer rechtfertigen?

„Sie machen sich Sorgen, Mimi. Das macht man bei Menschen, die einem etwas bedeuteten. Wir sehen den ganzen Stress, den du hast und haben Angst, dass dein Körper da irgendwann kapituliert“, erklärte er und legte einen Arm um ihre Schultern.

„Du also auch?“, fragte Mimi und ließ den Kopf hängen. In ihren Händen drehte sie den Pappbecher nervös hin und her.

„Ein wenig, ja. Aber ich dachte, dass du es schon sagen wirst, wenn du ein Problem hättest.“

„So wie du es sagst, wenn du über etwas reden möchtest?“, fragte sie und schaute ihn fragend an. Noch immer ruhte sein Arm auf ihren Schultern und Mimi mochte das Gefühl der Vertrautheit, das zwischen den beiden herrschte.

„Ertappt“, meinte Matt, der dabei seinen Arm zurückzog und seine Hände auf seinem Schoß ineinander verschränkte.

„Um was geht es denn?“, hakte Mimi zaghaft nach. Mittlerweile wusste sie, dass man Matt nicht drängen durfte, etwas zu sagen. Doch hier schien es der Situation angemessen, nachzufragen.

„Meinst du, ich sollte mit Sora und Tai reden?“, antwortete er und schaute auf seine Hände.

„Wie kommst du auf einmal darauf?“

„Ich möchte nicht in die Sommerferien gehen, ohne dass es geklärt ist. Das fühlt sich falsch an.“

„Dann sprich mit ihnen“, ermutigte Mimi den Blonden und griff nach seinem Knie, das sie drückte, um ihrer Aussage mehr Ausdruck zu verleihen.

„Dann mach ich das“, grinste der Musiker vor sich hin.

„Warum haben du und Tai eigentlich Streit? Ist es wirklich wegen der Trennung von Sora?“, fragte Mimi. Sie konnte sich vorstellen, dass Tai sicher nicht erfreut über die Trennung seiner beiden besten Freunde war, doch dass er Matt dafür gleich so sehr hasste, konnte sie sich nicht vorstellen.

„Nicht nur“, beantwortete Matt ihre Frage halbherzig und nicht zu Mimis Zufriedenheit. Er stand auf und reichte ihr die Hand, um sie hochziehen. „Ich kann dir das nicht sagen, tut mir leid, Mimi“, entschuldigte er sich. „Komm, ich bring dich noch nach Hause. Du bist sicher müde.“

Psychoanalyse

Seit ihrem Treffen mit Matt war bereits eine Woche vergangen und die langersehnten Sommerferien waren in greifbarer Nähe. Sie musste nur noch diesen Schultag rumbekommen. Ein letztes Mal saß Mimi mit ihren Freunden während ihrer Mittagspause unter dem Baum, wo sie sich immer trafen. Seit zwei Tagen saß auch Matt wieder bei ihnen.

Nachdem er mit Mimi gesprochen hatte, hatte er sich tatsächlich dazu durchringen können, mit Sora und Tai zu reden. Er hatte Mimi jedoch nur erzählt, dass das Gespräch mit Tai anscheinend gut verlaufen sei und sie versuchen wollten, sich wieder anzunähern. Mit Sora war es wohl nicht so gut gelaufen. So gerne er ihr die Wahrheit hinter seiner Entscheidung für die Trennung sagen wollte, er hatte es nicht übers Herz gebracht.

Und genau dies zeigte sich, als sie gemeinsam da saßen und aßen.

„Kannst du dir vorstellen, dass der uns wirklich so einen Haufen Aufgaben für die Ferien gegeben hat? Habt ihr nicht so viel bekommen?“, empört zeigte Tai Matt die Arbeitsblätter, die er von seinem Mathelehrer bekommen hatte.

„Haha, nein. Wir sind halt die bessere Klasse und haben es nicht nötig, noch so viel zusätzlich lernen zu müssen“, lachte Matt. Man konnte deutlich merken, dass sich die angespannte Situation zwischen den beiden gelöst hatte und sich die beiden immer mehr ihrer Freundschaft annäherten, die sie vor ihrem Streit hatten.

Mimi, die neben Sora saß, merkte allerdings, dass wohl nur das Gespräch zwischen Matt und Tai etwas geändert hatte. Sora saß kerzengerade da und vermied es tunlichst, auch nur in Matts Richtung zu schauen. Die Brünette war ein bisschen überfordert und wusste nicht, wie sie Sora helfen konnte, ohne dass alle etwas mitbekamen. Sie warf Sora einen mitleidigen Blick zu, ehe sie sich wieder ihrer Essensbox zuwendete. Seit ihrem Gespräch mit Izzy hatte sie sich tatsächlich immer mehr zu essen eingepackt. Frustriert nahm sie einen Bissen ihres Brotes und versuchte, sich wieder mehr auf das Gespräch zu konzentrieren. Mit Sora wollte sie später auf jeden Fall noch reden. Doch wenn man ihr in dieser Situation das Gefühl gab, dass sie bemitleidet wird, dann würde ihr das sicher nicht helfen. Vielleicht war das Gefühl von Normalität besser für sie.

„Die Ferien werden sicher super“, freute sich Takeru enthusiastisch und legte einen Arm um Kari. Die beiden waren wirklich ein süßes Paar, wie Mimi fand. Man konnte die Vertrautheit zwischen den beiden nicht nur sehen, sondern auch spüren. Jedes Mal, wenn Mimi die beiden so sah, wurde sie ein wenig eifersüchtig. Sie hätte auch gerne so jemanden an ihrer Seite, doch sie musste sich auch eingestehen, dass sie momentan keine Zeit für einen Freund hatte. Leider.

„Genau, du musst ja nicht gefühlt hundert Matheaufgaben lösen“, motzte Tai und alle lachten. Auch über Soras Lippen huschte ein kleines Lächeln, was Mimi freudig bemerkte.

„Stell dich nicht so an“, ermahnte Matt ihn trocken. „Wenn du dich am Anfang der Ferien mal auf den Arsch setzt und die Sachen gleich am Anfang erledigst, dann hast du auch was von den Ferien.“

„Jaja, das sagt sich so leicht. Aber wenn man einmal im Ferienmodus drin ist und erst um elf oder so aufsteht, dann vergisst man Schule halt komplett“, verteidigte sich Tai.

„Ich kann dich ja morgens wecken“, zwinkerte Kari ihm zu und erntete einen empörten Blick von Tai.

„Als ob das was bringen würde“, lachte Matt und stieß seinem besten Freund leicht in die Rippen.

„Um sieben Uhr wecken ist ja auch gemein“, mischte sich Mimi nun in das Gespräch ein.

„Warum stehst du so früh auf, Kari?“, fragte Tai verdattert.

„Mensch Tai, das hab ich dir doch schon erzählt. Wir haben drei Wochen Intensivtraining vom Ballett aus“, erklärte Kari leicht genervt.

„Achso, stimmt. Da war was“, verlegen kratzte sich Tai am Hinterkopf. „Machst du da auch mit?“, richtete sich Tai an Mimi. Diese nickte lediglich als Antwort, da sie gerade am Kauen war.

„Hab ja irgendwie nichts anderes erwartet“, murmelte er.

„Was soll das denn heißen?“, hakte Mimi leicht säuerlich nach. Immer dasselbe mit Tai.

„Dass du nur fürs Ballett lebst und wahrscheinlich doch eh keine Zeit hättest, was mit uns zu unternehmen.“

„Hast du nicht zugehört? Das Intensivtraining geht nur drei Wochen. Danach haben wir nur noch zweimal die Woche Training während der Ferien. Also habe ich sehr wohl Zeit, etwas mit euch zu unternehmen.“

„Genau, weil dir auch so wenig Training reicht.“

Könnten die Blicke Funken sprühen, dann würde sich langsam ein Gewitter anbahnen.

„Wenn du dich daran erinnerst, in den letzten Sommerferien habe ich auch nicht viel trainiert. Ich habe auch ein Leben außerhalb des Balletts.“

„Ganz genau. Und..“

„Es reicht“, Matts erhobene Stimme unterbrach die beiden Streithähne, die beleidigt in unterschiedliche Richtungen schauten. Was bildete sich Tai eigentlich ein? Dieser dämliche Fußballidiot! Er lebte schließlich doch auch nur für seinen Sport!

„Mimi, was machst du noch in den Ferien?“, erkundigte sich Takeru. Er wollte wohl auch verhindern, dass es zwischen den beiden noch weiter eskalierte.

„Ich weiß noch nicht“, gestand sie ehrlich, denn sie hatte tatsächlich noch nichts geplant. Ihre Mutter wollte ursprünglich mit ihr nach New York fliegen, um dort ein paar Bekannte zu besuchen. Doch Mimi hatte ihrer Mutter zu verstehen gegeben, dass sie darauf keine Lust hatte. Vor allem weil sich Mimi bewusst war, dass es sicher wieder Bekannte ihrer Mutter sein würden, mit denen sie nie viel am Hut hatte. Es würden Tage purer Langeweile bei stundenlangen Gesprächen über Klatsch und Tratsch werden. Etwas, auf das Mimi wirklich keine Lust hatte. Glücklicherweise hatte sie auch ihren Vater auf ihrer Seite, der nochmal mit Satoe gesprochen hatte und sich dafür eingesetzt hatte, dass Mimi in Tokio bleiben konnte, während ihre Mutter zwei Wochen nach New York reisen würde. Ihr Vater hatte leider für diesen Zeitraum keinen Urlaub bekommen, weswegen er auch in Tokio bleiben würde.

„Naja, umso mehr Zeit, die du mit uns verbringen kannst“, lachte Takeru und auch Mimi musste kichern. Sie hatte diesen verrückten Haufen wirklich lieb gewonnen, auch wenn sie bisher leider nicht viel mit ihnen außerhalb der Schule unternehmen konnte. Sie war zu sehr eingespannt. Aber das würde sich in den Ferien ändern!

„Genau!“, stimmte sie optimistisch zu. „Und da wir nicht so viele Aufgaben wie manch andere aufbekommen haben, kann ich die Zeit auch gerne mit euch verbringen.“

„Blöde Ziege“, brummelte Tai leise. Und auch wenn es ein gemeiner Kommentar von Tai war, so konnte sie gerade darüber grinsen. Ihre Stimmung war nach der kurzen Auseinandersetzung einige Augenblicke vorher wieder gut und sie wollte sich das jetzt nicht wieder kaputtmachen lassen.

„Also, womit läuten wir nach der Schule die Ferien ein?“, fragte Izzy, der sich auch auf eine kleine Pause von der Lernerei freute.

„Wir könnten Eis essen gehen.“

„Oder wir treffen uns am See.“

„Wir können auch im Park Fußballspielen gehen.“

„Mensch Davis, nicht jeder will Fußball spielen.“

Hin und her gingen die Vorschläge und es war eine Freude, der kleinen Gruppe bei ihrer Diskussion zuzuhören. Mimi merkte aber, dass sich Sora neben ihr immer mehr verkrampfte. Ihr fiel auch auf, dass sie sich bisher noch gar nicht geäußert hatte, was sie gerne machen würde.

„Sora“, sorgenvoll schaute Mimi ihre beste Freundin an, die sich mit ihren am Saum ihres Schulrockes festkrallte.

„Entschuldigt mich, ich muss auf Toilette“, schnell sprang Sora von ihrem Platz auf und ging in Richtung des Schulgebäudes.

„Ich muss auch“, fügte Mimi schnell hinzu und sprang ebenso schnell auf, um Sora noch einzuholen.

 

Mimi schaute sich im Flur des Schulgebäudes um, doch es waren nur einige Schüler an ihren Spinden zugegeben. Von Sora fehlte jede Spur. So viel Vorsprung, dass sie sie so schnell aus den Augen verlieren konnte, hatte Sora nicht. Eilig ging Mimi wieder nach draußen und lief ein paar Schritte hinter das Schulgebäude, wo sich eine weitere Wiese, auf der man sich ausruhen konnte, befand. Auf dieser wimmelte es jedoch nicht so sehr von Schülern, wie auf der, die die Gruppe von Mimi und ihren Freunden bevorzugte.

Tatsächlich! Da war Sora. Sie hatte sich rücklings auf das grüne Gras gelegt, ihre Hände auf dem Bauch zusammengefaltet und ihren Blick gen Himmel gerichtet. Zögerlich ging Mimi auf sie zu und legte sich dann neben sie.

„Sora..“

„Nicht. Ich brauch noch einen Moment.“

Stumm nickte Mimi, ohne zu wissen, ob Sora diese Reaktion überhaupt bemerkt hatte.

„Ist es nicht seltsam, wie unterschiedlich der Himmel sein kann?“, fragte Sora nach nur einem kurzen Moment des Schweigens.

„Hm..“, murmelte Mimi, die nicht genau wusste, worauf Sora hinaus wollte.

„Ich meine, manchmal ist der Himmel so hell und friedlich, dass er einem Energie gibt, um den Tag zu überstehen. Wenn der Himmel blau ist und nur ein paar Wolken zu sehen sind, dann hatte ich früher immer das Gefühl, das nichts Schlimmes passieren kann. Die schlimmen Dinge passieren in der Nacht. Wenn alles dunkel ist. Dann kommt bei mir die Einsamkeit hervor“, erzählte Sora, ohne ihren Blick vom Himmel abzuwenden. Heute war der Himmel babyblau, kaum eine Wolke war zu sehen und die Sonne schien kräftig auf die Stadt.

„Aber heute fühlst du dich nicht voller Energie, obwohl der Himmel wolkenfrei ist?“, hakte Mimi nach.

„Ja. Ich weiß nicht, wie ich mit Matt umgehen soll. Als er bei seinen Bandkollegen gesessen hat, dann musste ich ihn nicht sehen und er spukte wenigstens ein paar Momente nicht in meinem Kopf umher. Aber jetzt..“

„Jetzt ist es anders“, beendete Mimi den Satz. „Jetzt musst du dich mit ihm auseinandersetzen, ob du möchtest oder nicht.“

„Genau. Er war vor ein paar Tagen bei mir und wollte reden.“ Keine neue Information für Mimi. Nur der Inhalt und der genaue Verlauf waren Mimi unbekannt, da Matt ihr nur wenig davon berichtet hatte. Aber das würde Mimi ihr besser nicht sagen. Das wäre nicht gut im Moment. Sie würde nun einfach zuhören.

„Was wollte er?“, fragte Mimi gespielt unwissend nach.

„Er meinte, er wolle nicht, dass wir so auseinandergehen und den Rest unseres Lebens so tun als wären wir Fremde“, Sora pausierte kurz und nahm einen tiefen Atemzug. „Aber ich meinte, dass ich das nicht könnte. Von sich Liebenden einfach wieder den Schritt zurückgehen und wieder Freunde sein.“

Mimi merkte, wie sehr es Sora mitnahm, darüber zu sprechen. Stumm legte sie ihre Hand auf Soras. Zum ersten Mal seit sie da lagen drehte Sora ihren Kopf zu ihr und Mimi tat es ihr gleich. Sie schauten sich in die Augen und lächelten leicht. Zwei Freundinnen, die jeweils mit guten Freunden von ihnen diesen einen Schritt weiter gegangen waren und die daran gescheitert waren. Auch wenn Mimi und Tai nie ein Paar waren, so hatte es sich vergangenen Sommer nach mehr als nur Freundschaft, nach mehr als nur einer Romanze angefühlt. Aber sowohl Sora und Matt wie auch Mimi und Tai mussten diesen Schritt büßen und verloren dadurch einen Freund.

„Matt meinte, wie leid es ihm täte, aber er hätte nicht anders gekonnt. Er sei auf der Suche nach sich selbst und die Suche könnte er nur alleine bestreiten. Den Plattenvertrag sah er als eine Chance dazu“, stammelte Sora, die gegen die Tränen ankämpfte. Matt hatte ihr es also in reduzierter Form erzählt. Mimi richtete sich auf und schaute Sora mitfühlend an.

„Bitte nicht diesen Blick. Davon hab ich in letzter Zeit genug gehabt“, murmelte Sora und schlug sich die Hände vor die Augen.

„Entschuldigung. Möchtest du meine Meinung hören?“, fragte Mimi sanft nach.

„Ja, aber bitte deine ehrliche Meinung.“

„Ich glaube, dass Matt dich liebt. Dass er nie damit aufgehört hat. Aber er liebt auch die Musik. Und er möchte austesten, ob die Musik und er zusammengehören. Wenn er die Musik weiter verfolgt, dann weiß er, wohin das führen kann. Entweder sie werden erfolgreich und sind glücklich. Oder aber er scheitert mit der Musik. Dann kann er einfach anfangen zu studieren oder sich eine Ausbildung suchen und, auch wenn die Frustration über das Scheitern groß ist, wäre es irgendwie okay. Er hat es ja zumindest versucht.“

„Und bei uns wusste er, dass wir scheitern werden, oder was?“, bemerkte Sora sarkastisch.

„Nein, so mein ich das nicht. Bei euch wusste er, dass ihr zusammengehört. Aber ich denke, er hatte Angst, dass ihr trotzdem scheitern könntet. Dass eure Vorstellungen vom Leben sich irgendwann so sehr unterscheiden, dass ihr nicht mehr weitermachen könnt. Er hat Angst, dass er dir irgendwann vorwerfen könnte, dass er nie die Chance hatte, herauszufinden, wer er wirklich ist, weil es immer nur diese eine Richtung gab. In der Musik kann er experimentieren bis er seinen Stil hat. Sie nimmt es ihm nicht übel. Aber er weiß nicht, ob er, in welche Richtung er sich auch immer entwickeln mag, dann noch der ist, den du lieben kannst. Und deshalb hat er, denke ich, den Schlussstrich gezogen bevor es dazu kommen konnte.“

Matt hatte ihr von seinen Gründen erzählt und Mimi fügte in ihrer Erläuterung noch ihre Interpretation des Ganzen hinzu. Vielleicht fiel es ihr leichter, Matts Gedankengang nachvollziehen. Immerhin war das Ballett das, was für Matt die Musik ist. Nur dass sich Mimi nicht entscheiden musste, welchen Weg sie gehen wollte. Es wurde für sie entschieden. Von ihrer Mutter und von Tai, der sie hatte sitzen lassen. Mimi verstand aber auch, dass Sora gerade  jemanden brauchte, der ihr eine Strickleiter zuwarf, um sich aus dem Strudel der Trauer, Unsicherheit, Verzweiflung und Unwissenheit zu befreien. Und wenn Matt es nicht schaffte, die richtigen Worte dafür zu finden, dann musste sie das jetzt tun!

„Danke Mimi“, lächelte Sora, die sich nun auch aufgerichtet hatte. „Aber wenn er und die Musik scheitern, wer sagt dann, dass ich noch da bin?“, fragte sie leise nach.

„Ich glaube fest daran, dass zusammenkommt, was zusammengehört!“, auf Mimis Gesicht zeigte sich ein optimistisches Schmunzeln.

Die Schulklingel, die das Ende der Pause und die letzten Stunden vor den Ferien ankündigte, verhinderte, dass die beiden noch weiter reden konnten.

Mimi und Sora standen auf und gingen zurück zu den anderen, weil dort noch ihre Sachen lagen. Matt warf Mimi heimlich einen fragenden Blick zu, doch Mimi signalisierte ihr mit dem gleichen optimistischen Schmunzeln, dass alles okay sei.

Wegweiser

Endlich waren die Ferien da und Mimi freute sich so sehr auf die paar Wochen Erholung wie schon lange nicht mehr. Die letzten Wochen hatten sie wirklich ausgelaugt und an ihren Kräften gezerrt. Die ersten zwei Wochen der Ferien waren bereits vergangen. Viel zu schnell für Mimis Geschmack. Aber durch das Intensivtraining, das sie immer bis 16 Uhr einspannte, war sie auch den ganzen Tag beschäftigt.

Mimi freute sich aber vor allem auf die Zeit, wenn das Training nicht mehr jeden Tag war und sie ihren Tag so gestalten konnte, wie sie es wollte. So wie am letzten Schultag, als sie mit allen gemeinsam Eis essen war. Es hatte ihr wirklich Spaß gemacht und sie genoss die entspannte Atmosphäre, die in der kleinen Eisdiele herrschte. Nach dem Gespräch von Sora und Mimi konnte man Sora anmerken, wie gut es ihr getan hatte. Auch wenn Matt mit in der Eisdiele war, so war Sora sichtlich entspannter als noch am Morgen. Sie achtete zwar darauf, dass sie nicht bei Matt saß oder sie viel miteinander reden mussten, aber das konnte Mimi nachvollziehen. Sie tat ja das gleiche. Sie vermied es, groß mit Tai zu reden, damit weder er noch sie Reibeflächen entwickeln konnten, durch die ein Streit zwischen den beiden entstehen würde. Immerhin sollte der letzte Schultag nicht durch so einen unnötigen Disput gestört werden.

Nachdem Mimi am Sonntagabend mit ihren Eltern essen war, musste sie sich jetzt aus dem Bett quälen, um sich auf den Weg zur letzten Intensivtrainingswoche zu machen. So gerne sie tanzte, sie merkte in den letzten Tagen immer mehr, dass sie nicht mehr so mit Herzblut dabei war wie noch vor ein paar Monaten. Immer wieder schoss ihr die Frage, ob sie den Rest ihres Lebens jeden Tag mit trainieren verbringen wollte, in den Kopf. Nicht zuletzt weil sie schon einige Male ihren Freunden absagen musste, als diese sie gefragt hatten, ob Mimi etwas mit ihnen unternehmen wollte. Jedes Mal schob Mimi diese Frage beiseite. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Ballett war der Weg, den sie schon immer gehen wollte. Warum kamen ihr nun Zweifel daran?

Ihr einziger Trost war, dass es Kari auch so erging, dass sie in den Wochen des Intensivtrainings keine Zeit für etwas anderes hatte. Beide waren nach dem Training so platt, dass sie beide sich nicht dazu aufraffen konnten, noch etwas zu unternehmen.

 

„Man, ich kann nicht mehr“, stöhnte Kari, die eben noch im Schneidersitz neben Mimi auf dem Boden saß, sich aber nun nach vorne streckte, um sich zu dehnen. Frau Hifumi hatte vor ein paar Minuten die Mittagspause angeordnet und die Mädels saßen in kleinen Gruppen beisammen, um sich ein wenig zu stärken. „Ich glaube, ich spüre meine Beine bald nicht mehr.“

„Ich finde auch, dass Frau Hifumi uns sehr viel abverlangt“, murmelte Mimi und ihr Blick wanderte zu ihrer Trainerin, die gerade an einem kleinen Tisch im Raum saß und auf ihrem Handy tippte. Mimi war das Training gewohnt, aber dennoch wusste sie nicht, wie sie Frau Hifumis Methode finden sollte. Sie machten kaum Pausen und sobald jemand einen Fehler machte, mussten sie alle komplett von vorne anfangen. Einerseits fand Mimi, dass Disziplin dazugehörte, aber andererseits nahm diese Strenge ihr langsam den Spaß am Tanzen. Und Mimi merkte, dass ihr immer mehr die Konzentration fehlte, so dass auch sie zu Fehlern neigte. Sanft rieb sie sich über ihre Füße, die ihr Schmerzen bereiteten. Ein Moment, in dem wieder die Frage, die sich so oft in den vergangenen Tagen in ihr Bewusstsein geschlichen hatte, bemerkbar machte und leise an Mimis Verstand anklopfte, um auf sich aufmerksam zu machen.

„Also wenn schon Mimi sagt, dass die zu viel verlangt, dann muss ja was Wahres dran sein“, scherzte Rei, die sich mit zwei weiteren Freundinnen zu Mimi und Kari setzte.

„Hab mal gehört, sie hätte mal eine große Rolle verloren, weil sie so unkonzentriert war. Wahrscheinlich triezt sie uns aus Frust über ihr eigenes Scheitern so“, feuerte Yuma die Gerüchteküche an, woraufhin die anderen Mädels die Versionen, die sie gehört hatten, zum Besten gaben.

„Ich habe gehört, sie hätte mal was mit ihrem Regisseur gehabt und als seine Frau das rausgefunden hat, war das ein ziemlich großer Skandal.“ Ob sie dann hier einen Job bekommen hätte, bei so einem Fehltritt?, schoss es Mimi durch den Kopf, die diesem Gerücht wenig Glauben schenken mochte.

„Nein. Sie war mal betrunken bei einer Vorstellung und hat sich auf der Bühne übergeben. Weil sie sich so geschämt hatte, ist sie zurück nach Japan und hat hier unter falscher Identität als Trainerin angefangen.“

Mimi wusste nicht, was sie von so viel Kreativität ihrer Freundinnen halten sollte. Sie wussten doch nicht, was wirklich geschehen. Das wusste nur Frau Hifumi. Doch was war, wenn eine der Geschichten wahr war? Und viel schlimmer, was würde sein, wenn Mimi den Schritt zur professionellen Balletttänzerin schaffen würde und ein falscher Schritt, eine falsche Entscheidung ihr alles nehmen würde, wofür sie so hart gearbeitet hatte? Sie würde dann nichts mehr haben. Leichte Panik und Übelkeit machten sich bei diesen Gedanken in ihr breit.

„Ich muss mal auf Toilette“, hastig stand sie auf und rannte in Richtung des Damenbades.

 

Mimi stützte sich mit ihren Händen am Waschbecken ab, um nicht umzukippen. Ihren Blick hatte sie stur nach unten gerichtet, weil sie sich gerade nicht im Spiegel sehen wollte. In ihrem Kopf drehte sich alles. Die Szenarien, die ihre Freundinnen bezüglich des Karriereaus ihrer Trainerin entworfen hatte, klangen im ersten Moment vielleicht abwegig. Doch wie schnell hatte man sich einen Bruch zugezogen und fiel nicht nur lange Zeit aus, sondern läutete damit schlimmstenfalls sogar das Karriereende ein? Was sollte dann werden?

„Mimi?“, leise klopfte es an der Tür und Kari rief nach ihr. Eintreten konnte sie nicht, da Mimi abgesperrt hatte. „Ist alles okay? Das Training geht gleich weiter.“

„Ich komme gleich“, antwortete Mimi und hoffte, Kari würde sich damit zufrieden geben und keine weiteren Fragen stellen.

Mimi hob ihren Kopf, sodass sie nun ihrem Spiegelbild gegenüberstand. Fragend schaute sie sich an. War sie wirklich bereit, all die Risiken, die das Leben als Ballerina mit sich brachten, einzugehen? Sie atmete tief ein und drehte dann den Wasserhahn auf. Ihre Hände hielt sie so in den Wasserstrahl, dass sich das Wasser sammeln konnte, bevor sie sich das kalte Wasser ins Gesicht spritzte. Eine kleine Abkühlung, um ihre Gedanken zu sortieren. Oder diese Gedanken und Zweifel einzufrieren und diesen Eisklumpen dann weit weg, ins hinterste Eck ihres Kopf zu verbannen.

Danach ging sie schnell wieder in das große Trainingszimmer. Gerade rechtzeitig, denn die Mädchen nahmen gerade ihre Positionen ein, sodass Kari auch keine Gelegenheit hatte, nachzufragen, was mit Mimi los war.

 

Wenn die Mädchen dachten, das Training am Morgen wäre hart gewesen, dann hatten sie sich geirrt. Frau Hifumi nahm selbst das Vortanzen für die Rollenvergabe für die Weihnachtsaufführung so ernst, dass sie jeden noch so kleinsten Fehler korrigierte und immer schwierigere Figuren einführte, die jemand aus der Gruppe – meistens Mimi – vormachen musste.

Die Erleichterung, dass das Training nun vorbei war, war daher bei allen groß. Sogar bei Mimi, die sich freute, gleich etwas essen zu können und ein bisschen Musik machen zu können. Die Gedanken über das wenn und aber, die vorher noch in ihrem Kopf herumgespukt waren, konnte sie während des Trainings tatsächlich vergessen. Auch wenn Ballett sie forderte und anstrengend war, so konnte sie dabei alles um sich herum vergessen. Wenn sie tanzte, dann gab es nur sie, ihren Körper und die Musik.

Mimi machte noch ein paar Dehnübungen und griff dann nach ihrem Handtuch und ihrer Wasserflasche, um mit den anderen in Richtung der Kabinen zu laufen. Doch gerade als sie den Raum verlassen wollte, wurde sie zurückgerufen.

„Mimi, bleibst du noch einen Moment?“, hörte sie Frau Hifumis Stimme, in der ein ernster Unterton mitschwang.

„Ich komme gleich nach“, murmelte Mimi Kari zu, die ihr aufmunternd zulächelte, bevor Mimi zu ihrer Trainerin ging. Die beiden standen sich mitten im Raum gegenüber und auf einmal kam sich Mimi nicht nur klein, sondern auch alleine vor. Klein, weil sie noch nie alleine mit Frau Hifumi war und Mimi eine Menge Respekt vor der Frau hatte. Alleine, weil sie nicht wusste, was ihre Trainerin wollte und sie gerne jemanden als seelischen Beistand dabei gehabt hätte.

„Mimi“, setzte Frau Hifumi an und schaute ihr eindringlich in die Augen. „Wie sehr möchtest du die Hauptrolle in der Nussknackeraufführung zu Weihnachten?“, fragte sie direkt heraus.

Mimi wusste nicht genau, was sie antworten sollte. „Ich möchte sie unbedingt tanzen“, antwortete Mimi nach einem kurzen Zögern. Auch wenn sie von Zweifeln geplagt war, so mochte sie doch das Gefühl im Rampenlicht zu stehen und die Menschen zu begeistern.

„Und wie groß ist dein Wunsch, das Ballett später zu deinem Beruf zu machen?“

„Was?“, völlig überrumpelt von der Frage schaute Mimi ihre Ballettlehrerin mit großen Augen an.

„Wie groß ist dein Wunsch, das Ballett später zu deinem Beruf zu machen?“, wiederholte Frau Hifumi ihre Frage und schaute Mimi dabei immer noch so eindringlich an wie zuvor schon.

Mimi hingegen richtete ihren Blick erst auf den Boden und ließ ihn dann im Raum umherwandern. Die Ballettstange, die vor dem großen Spiegel hing, die kleinen Bänke, die an der Wand standen. All diese Dinge konnten ihr gerade nicht weiterhelfen. Konnten ihr keine Antwort auf die Frage geben. Denn es war etwas, dessen Antwort nur ihr Herz wusste. Doch genau in dem Augenblick, in dem man es gebraucht hätte, schwieg dieses verdammte Ding.

„Ich habe mittlerweile einige Erfahrung und ich erkenne ein Talent, wenn ich es sehe“, erzählte Frau Hifumi nachdem Mimi keine Antwort gab. „Und du bist eins. Ich kenne deine Mutter und sie hat mir erzählt, wie gut du tanzt und mit wie viel Leidenschaft du dabei bist. Deshalb habe ich gewusst, dass die Gruppe mit dir viel Verstärkung bekommt.“ Ein Seufzen entfuhr Mimi. Natürlich. Ihre Mutter musste immer damit angeben, dass Mimi eine gute Ballerina war. „Und als ich dich dann hab tanzen sehen, hab ich gemerkt, dass du besser bist als deine Mutter erzählt hat. Du hast die Passion und den Willen, den man braucht“, Frau Hifumis Gesichtszüge wurden sanfter und ein kleines Lächeln hatte sich auf ihre Lippen geschlichen. „Aber, und das ist jetzt ganz wichtig, Mimi, diese Eigenschaften musst du immer an den Tag legen, wenn du dich später im Business durchsetzen möchtest. Ich merke, dass du die letzten Tage nicht mehr so bei der Sache bist, wie du es am Anfang warst. In der Jugend passiert viel und Dinge ändern sich. So ist der Lauf der Dinge. Und bevor du mir meine Frage daher beantwortest, nimm dir Zeit und überlege, ob du jeden Tag aufstehen kannst und Ehrgeiz, Disziplin und Willen für das Training und Aufführungen aufbringen kannst, ohne die Liebe für die Sache an sich, das Ballett, zu verlieren.“

Mimi war erstaunt über diese Worte. Sie hätte eher erwartet, dass Frau Hifumi ihr eine Motivationsrede hält, sie anschnauzt, sich künftig mehr anzustrengen. Doch nichts davon. Stattdessen wollte sie ihr helfen, ihren Weg zu finden.

„Weiß du, Mimi, ich höre mehr als ihr denkt. Auch wenn ich nicht gerne über die Gründe spreche, warum ich am Royal Ballett aufhören musste, ist es unspektakulärer als ihr es euch in eurer Fantasie ausmalt.“

„Huh“, Mimi fühlte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Sie hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass Frau Hifumi von dem Gespräch etwas mitbekommen hatte. „Ich, ähm, es tut mir Leid“, stammelte sie, weil sie nicht wusste, was sie auf die Ehrlichkeit von Frau Hifumi erwidern sollte. „Ich weiß nicht, wieso die anderen so darüber spekuliert haben..“

„Ist schon gut. Wenn Menschen etwas nicht wissen, dann überlegen sie sich gerne Geschichten dazu, um sich irgendwie erklären zu können, warum ein Mensch so geworden ist wie er ist. Hinter die Fassade schauen nur die Wenigsten.“

„Frau Hifumi?“, fragte Mimi leise nach.

„Ein Knöchelbruch. Deshalb musste ich aufhören. Es war der schwärzeste Tag meines Lebens, als der Arzt meinte, dass ich keine Aufführungen mehr tanzen könnte. Keine komplizierten Figuren mehr“, antwortete sie Mimi, ohne dass diese die Frage, die ihr auf der Zunge lag, aussprechen musste.

„Das tut mir Leid“, murmelte Mimi und meinte es von Herzen. Das Horrorszenario, das sie sich vor einigen Stunden noch ausgemalt hatte, war einer Frau, die sie so sehr bewunderte, passiert und sie konnte nur ansatzweise den Schmerz, den Frau Hifumi damals gefühlt haben musste, nachvollziehen.

„Danke. Tu mir einen Gefallen und überleg dir wirklich gut, ob du den Weg in die Profikarriere einschlagen möchtest. Für die Weihnachtsaufführungen haben sich bereits einige Talentscouts von bekannten Ballettschulen angemeldet. Wenn du dir nicht hundertprozentig sicher bist, dann überlasse die Hauptrolle lieber jemand anderem“, eindringlich schaute Frau Hifumi Mimi an, so dass dieser eine Gänsehaut über den Rücken lief.

„Das werde ich. Danke für ihre Worte“, höflich verbeugte sich Mimi, ehe sie und Frau Hifumi sich verabschiedeten.

 

Je mehr Mimi darüber nachdachte, desto sicherer war sie sich, dass sie das Ballett liebte. Aber der Traum vom professionellen Tanzen war der ihrer Mutter. Dann wiederum, wenn sie so darüber nachdachte, liebte sie es, auf der Bühne zu stehen. Also warum nicht? Aber dann waren da wieder die Zweifel, die sich immer dann meldeten, wenn sie gerade etwas Zuversicht geschöpft hatte, dass sie all das, was Frau Hifumi meinte, nicht aufbringen könnte. Und wenn sie irgendwann scheitern würde, könnte sie ja immer noch einen anderen Weg einschlagen. Es gab doch viele Menschen, die erst mit dreißig oder gar später ein Studium anfingen, oder?

Es war zum Haare raufen! Je mehr sie darüber nachdachte, desto verrückter machte sie sich. Mimi war froh, dass sie noch mit Matt verabredet war. Das würde sie sicher auf andere Gedanken bringen. Moment. Matt! Er wollte sie doch abholen! Das Gespräch mit Frau Hifumi hatte länger gedauert als sie dachte. Panisch schaute sie auf ihr Handy, um zu schauen, ob Matt geschrieben hatte. Doch nichts. Hastig griff sie nach ihrer Tasche und verließ schnellen Schrittes die Ballettschule.

Die unverkennbaren blonden Haare von Matt, die in der Abendsonne einen leichten Goldschimmer hatten, fielen Mimi sofort ins Auge. Glücklich, dass er so lange auf sie gewartet hatte, ging sie zu ihm.

„Hey. Sorry, hat länger gedauert“, begrüßte sie Matt und gab ihm eine Umarmung, was sich angesichts der Tatsache, dass er seinen Gitarrenkoffer umhängen hatte, als schwierig gestaltete.

„Kari hat es schon erzählt“, grinste Matt und nickte mit seinem Kopf in die Richtung des brünetten Mädchens, das auch auf sie gewartet hatte. Hinter ihr stand Takeru, der locker einen Arm um Karis Taille gelegt hatte und seinen Kopf leicht auf dem seiner Freundin abgestützt hatte.

„Alles in Ordnung? Was wollte sie denn?“, fragte Kari neugierig nach.

„Ach, nur was wegen der Weihnachtsaufführung“, winkte Mimi schnell ab. Sie wollte keine große Sache aus dem Gespräch machen und reduzierte ihre Antwort daher nur auf das Nötigste.

„Oh man, macht sie sich da jetzt schon Gedanken drüber?“, genervt seufzte Kari.

„Du sprichst doch auch nur noch darüber und über das Vortanzen“, neckte Takeru seine Freundin, die ihm daraufhin empört den Ellenbogen leicht in die Rippen schlug.

„Hilfe, Gewalt“, rief Takeru gespielt.

„Macht das mal unter euch aus. Komm Mimi, lass uns gehen. Ich hab Hunger“, nörgelte Matt und schaute Mimi auffordernd an.

„Du bist mein Bruder. Du solltest mir helfen“, empörte sich Takeru über das Verhalten seines Bruders.

„Was macht ihr denn noch?“, hakte Kari nach, der die Neugierde ins Gesicht geschrieben stand. Aber auch etwas anderes, wie Mimi fand. War da Skepsis in Karis Blick?

„Wir wollten was essen“, erklärte Matt und auch wenn Mimi sich nicht sicher war, was Kari dachte, verabschiedeten sie sich von ihr und Takeru und gingen zu Matt. 

Kreative Zusammenkunft

„Oh man, ich kann nicht mehr“, seufzte Mimi theatralisch auf und ließ sich nach hinten fallen. Sie saß auf Matts Bett, weshalb die weiche Matratze ihren Sturz sanft auffing. Mimi zog ihre Beine an, wobei sie die Blätter vor sich mit den Füßen wegschob, und streckte ihre Arme in Richtung der mit Chips gefüllten Schüssel.

„Wehe du krümelst in mein Bett“, ermahnte Matt sie mit strenger Stimme, woraufhin Mimi leise kichern musste. Eigentlich war ihr mehr nach lautem losprusten, doch das konnte sie sich noch verkneifen. „Was ist so witzig?“, hakte Matt genervt nach. Die beiden saßen nun schon seit fast drei Stunden an einem Song, den Matt beim Schulfest spielen wollte, während Mimi das Songschreiben einfach mal ausprobieren wollte. Doch es gelang ihnen einfach nicht, etwas auf das Papier zu bekommen, geschweige denn eine Melodie zu finden. Die Muse wollte einfach nicht zu ihnen konnte. Ein paar Zeilen hatten sie schon auf das Papier gebracht, doch mehr auch nicht. Mimi konnte Matts Frustration daher zwar noch nachvollziehen, aber sie fand auch, dass er zu verbissen an die Sache ranging.

„Ich finde es witzig, dass du so auf Sauberkeit und Ordnung bedacht bist“, erklärte sie sich.

„Witzig?“, stirnrunzelnd schaute Matt Mimi an, die immer noch auf dem Rücken da lag und ihn angrinste.

„Ja, so hätte ich dich nicht eingeschätzt“, gestand sie und legte nachdenklich den Zeigefinger an ihr Kinn. „Ich dachte eher, dass du unordentlich bist, überall Klamotten rumliegen hast und…“, langsam griff sie mit ihrer Hand wieder in die Schüssel, die neben ihr stand, und führte ebenso langsam, fast in Zeitlupe, die Chips zu ihrem Mund, wo sie in ihrer Bewegung innehielt. „… und nichts gegen Krümel im Bett hast“, lachte sie und schob sich dann genüsslich den Snack in den Mund.

Prüfend inspizierte Matt sein Bettlaken, auf der Suche nach eventuellen Krümeln, die Mimi hinterlassen haben könnte.

„Ich muss dich enttäuschen, aber ich habe es nun mal gerne, wenn alles ordentlich und sauber ist“, sagte er, nachdem er nicht den Hauch eines Krümels entdecken konnte.

„Naja, ich dachte eben, weil du ja bei deinem Vater wohnst“, murmelte Mimi verlegen.

„Weil ich bei meinem Vater wohne, muss es hier aussehen wie auf einer Müllhalde?“, skeptisch schaute Matt die Brünette an.

„So stell ich mir eine Männer-WG eben vor. Chaotisch und wild“, erklärte sich Mimi, der das Gespräch langsam unangenehm wurde. Sie hoffte sehr, dass sie mit der Richtung, die die Unterhaltung einnahm, keinen wunden Punkt bei Matt traf. Immerhin wusste sie ja, dass die Scheidung seiner Eltern ihn damals sehr mitgenommen hatte.

Doch mit der Reaktion, die Matt zeigte, hatte Mimi gar nicht gerechnet. Er lachte einfach nur laut auf und hielt sich nach ein paar Sekunden sogar den Bauch vor Lachen.

„Hey, das ist gemein. Hör auf zu lachen“, grummelte Mimi und richtete sich auf, um gegen Matts Arm zu boxen.

„Sorry“, stammelte er zwischen seinen Lachern. „Aber du schaust eindeutig zu viele Soaps oder so was.“

Beleidigt verschränkte Mimi ihre Arme vor ihrer Brust und zog einen Schmollmund. Matt beruhigte sich kurz darauf wieder und schaute Mimi ernst an.

„Jetzt mal im Ernst, Mimi. Mein Dad ist zwar nicht so oft zu Hause, aber er ist mein Dad, der mich erziehen muss. Und Ordnung und Sauberkeit sind Punkte, die ihm dabei wichtig sind. Anders als Tai habe ich diese Punkte auch verstanden“, erklärte Matt.

„Das stimmt, bei Tai ist da echt Hopfen und Malz verloren“, stimmte Mimi zu und musste dabei Grinsen. Als sie letztes Jahr bei Tai zu Besuch war, sah sein Zimmer aus als wären seine Schränke explodiert. Überall lagen Klamotten herum, seine Videospiele lagen verteilt auf dem Boden herum und auf seinem Schreibtisch stapelten sich Schulbücher. Dabei hatte Tai extra betont, dass er für sie aufgeräumt hatte, doch sie hatten wohl ein unterschiedliches Verständnis von Ordnung.

„Der darf übrigens gar nicht bei mir im Bett essen“, schmunzelte Matt und griff nun ebenfalls in die Schüssel, um von den Chips zu nehmen.

„Warum das?“

„Weil er der Krümler Nummer eins ist“, Matt verdrehte seine blauen Augen, um zu signalisieren, wie sehr er von dieser Eigenschaft Tais genervt war. Mimi brachte es aber zum Lachen. Das konnte sie sich sehr gut bei Tai vorstellen. Er war wirklich ein Chaot wie er im Buche steht.

„Du, Matt?“

„Hm?“, fragend schaute er sie an während er noch kaute.

„Warum haben du und Tai euch so gestritten? War er dir wirklich so sauer, weil du dich von Sora getrennt hast?“, fragte Mimi behutsam nach und legte ihre Arme und ihre angewinkelten Knie. Mit großen Augen schaute sie ihn an und wartete auf eine Antwort. Matt seufzte leise, aber dennoch hörbar, auf und fuhr sich durch seine blonden Haare. Seinen Kopf lehnte er dann gegen die Wand und schaute nach oben. So als würde dort die Antwort stehen. Mimi betrachtete Matt in diesem Moment genauer. Das Licht der Lampe ließ seine Haare noch ein wenig mehr schimmern und erst jetzt fiel Mimi auf, wie schön Matts Profil aussah. Die hohen Wangenknochen und die spitze Nase verliehen seinem Gesicht eine Einzigartigkeit, die perfekt zu den für Japanern seltenen blonden Haaren, von denen einige Strähnen über seine Stirn hingen, passten. Es war Mimi noch nie aufgefallen, aber Matt wirkte so… so männlich. So langsam konnte Mimi verstehen, warum die Mädchen ihm reihenweise nachliefen. Er war wirklich ein hübscher junger Mann.

„Es war nicht nur wegen der Trennung“, Matts Worte holten Mimi aus ihren Gedanken und ihr prüfender Blick wich einem fragenden. „Ich habe etwas gesagt, was ich nicht hätte sagen sollen“, gestand er und schaute schuldbewusst auf seine Füße.

„Oh“, entfuhr es Mimi, die nicht wusste, was sie sagen sollte. Doch die Neugier überwiegte, weshalb sie weiter fragte. „Was hast du denn gesagt?“

„Als er von der Trennung erfahren hat, ist er hergekommen und hat mich gleich angeschrien, was ich mir dabei gedacht hätte, mit Sora Schluss zu machen und was das alles soll. Ich habe ihm gesagt, dass es besser wäre und ich mich auf die Musik konzentrieren wolle und dann hat er mich einen Egoisten genannt, weil ich nicht nochmal mit Sora darüber reden wollte. Ich war in diesem Moment so wütend“, er ballte die Hände zu Fäusten zusammen und fuhr dann fort. „Vielleicht hätte ich ihm die Wahrheit gesagt, aber dann fing er an, dass ich meine große Liebe nicht einfach so aufgeben könnte und so was. Und dann...“, er stockte einen Moment und Mimi konnte sich denken, dass nun der entscheidende Moment kommen musste. Matts Gesicht sah gequält aus und sie konnte förmlich spüren, dass er die Worte bereute. „Dann habe ich ihn einen Feigling genannt.“

„Einen Feigling? Tai ist dir sauer, weil du ihn einen Feigling genannt hast?“, mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Verwirrung schaute Mimi Matt an. Sie hatte mit den wüstesten Beschimpfungen gerechnet. Mit Worten, die man nicht zu seinem ärgsten Feind sagen würde. Aber ‚Feigling‘ fiel für sie nicht in eine solche Kategorie und schien ihr schon gar nicht ein Grund zu sein, so lange mit seinem besten Freund kein Wort zu wechseln.

„Ich habe ihn einen Feigling genannt, weil er mir Tipps geben wollte, die er selbst nicht umsetzen kann. Er sagt, ich solle mit Sora darüber reden, aber er selbst hat es nicht geschafft, mit dir zu reden nachdem du zurück nach New York bist“, betreten schaute Matt Mimi an. Okay. Mit dieser Wendung hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Wenn sie so darüber nachdachte, gab es wirklich einige Parallelen zwischen dem, wie es mit Matt und Sora sowie mit ihr und Tai abgelaufen war. Fehlende Kommunikation, Geheimnisse und Unklarheiten, Sehnsucht nach dem anderen. Es frustrierte Mimi, dass weder sie noch ihre besten Freunde das Glück, das sie einst hatten, behalten konnten. Stattdessen rann es aus ihren Händen wie flüssiges Gold.

„Aber darüber hättet ihr doch nochmal reden können, oder? Du hättest es doch klarstellen können, dass es nicht so gemeint war wie du es gesagt hast?“, hakte Mimi nach.

„Hätte ich. Aber stattdessen habe ich gesagt, dass er selbst Schuld daran ist, dass er die ganze Zeit schon im Selbstmitleid versinkt. Er könnte dir ja einfach schreiben. Er meinte zwar, dass das nicht ginge, aber wir waren beide so wütend, dass es sich komplett hochgeschaukelt hat und schließlich dazu führte, dass wir nicht mehr miteinander geredet haben“, beendete Matt seine Erzählung und seufzte erneut auf. „Es tat gut, es mal erzählt zu haben. Ich meine, Tai und ich haben das mittlerweile zwar geklärt, aber ich habe es sonst noch niemandem erzählt“, gestand er und Mimi konnte die Erleichterung, die sich in ihm ausbreitete, erkennen, denn seine Gesichtszüge waren nun nicht mehr so verhärtet wie noch wenige Momente zuvor.

„Manchmal seid ihr eben zwei wahre Sturköpfe. Kein Wunder, dass ihr aneinandergeraten seid. Nächstes Mal sprecht ihr am besten mit kühlem Kopf darüber“, überlegte Mimi laut.

„Nein, nächstes Mal regeln wir sowas bei einer Flasche Bier“, lachte Matt und auch auf Mimis Lippen legte sich ein lächeln. Typisch Mann, dachte sie.

„Okay, jetzt lass uns weiterarbeiten. Wir haben noch nichts Produktives für die Songs gemacht“, forderte Matt sie auf.

„Wir haben doch vorhin was gemacht“, protestierte Mimi. Doch Widerstand war zwecklos, weshalb sie die Blätter wieder zusammenschob und weiter an einem Text überlegte.

 

                                                           ****    ****

 

„Pause?“, fragte Mimi müde nach.

„Schon wieder?“, fragte Matt mit einem gespielt genervten Unterton nach, nickte dann aber zustimmend.

Während Mimi sich auf dem Bett ausstreckte, legte Matt die Gitarre beiseite und streckte sich aus. Er saß nun schon einige Zeit auf dem Boden, weil er fand, dass er so besser spielen könnte, aber auch weil Mimi einfach sein komplettes Bett in Beschlag genommen hatte. Als er gespielt und sie sich auf einen Text konzentriert hatte, lagen überall um die zierliche Brünette abgerissene und zerknäulte Blätter, Stifte, Textmarker.

„Wofür brauchst du eigentlich so viel Schreibkram?“, durchdrang seine Stimme die Stille, die sich um sie gelegt hatte.

„Wie?“

„Ich brauch zum Schreiben nur ein Blatt und einen Stift. Und bei dir liegt dein komplettes Mäppchen um dich herum.“

„Ich brauch doch aber auch Textmarker, um die Stellen zu markieren, die ich gut finde und aufnehmen will, TipEx, wenn ich was wegmachen will“, erklärte sie und schaute ihn verständnislos an.

„Frauen“, nuschelte Matt vor sich hin und erntete dafür einen leichten Schlag auf den Hinterkopf von Mimi.

„Zeig mal her, was du bereits hast“, ohne auf ihre Reaktion und Antwort zu warten, griff Matt nach dem Block, auf dem Mimi zwei verschiedene Songtexte niedergeschrieben hatten.

„Hey“, protestierte Mimi und wollte nach dem Schriftstück greifen, doch Matt wand sich von ihr ab, so dass sie keine Chance hatte.

Stumm ließ er seine Augen über die Zeilen wandern und verzog dabei keine Miene. Irgendwie machte Mimi das nervös. War es so schlecht, dass er gerade überlegte, wie er ihr das schonend beibringen sollte? Oh Gott, bitte nicht, flehte Mimi leise. Immerhin hatte sie sich wirklich große Mühe gegeben und versucht, alles unterzubekommen. In ihrem Kopf schwirrten die verschiedensten Ideen herum, was Matt gleich sagen würde und sie würde versuchen, nicht gleich in Tränen in Tränen auszubrechen, wenn er ihr sagen würde, dass er nicht viel davon hielt. Jedenfalls hatte sie sich das vorgenommen. Es fühlte sich an, als würden die Sekunden länger dauern und mit jeder zähen Sekunde, die langsam verstrich, stieg die Anspannung in Mimi. Es war wie früher, wenn sie in der Grundschule Fantasieaufsätze schreiben mussten. Damals hatte sie auch immer gespannt darauf gewartet, was die Lehrerin zu ihrer Arbeit sagen würde.

„Okay“, meinte Matt nach einer gefühlten Ewigkeit.

„Okay?“, hakte Mimi nach. Hatte er wirklich nur okay gesagt? Eine schlechtere Antwort gab es doch nicht! Hätte er gesagt, ihm gefielen die Texte oder nicht, dann hätte Mimi eine eindeutige Antwort gehabt, aber so ließ er sie vollkommen in der Schwebe hängen. Okay war wie eine 2- in einer Klassenarbeit: Du bist zwar gut, aber so gut nun auch wieder nicht.

„Ja, lass es uns mal spielen“, sagte Matt monoton und griff nach seiner Gitarre, wobei er seinen Blick immer noch auf den Zettel vor sich gerichtet hatte.

„Idiot“, murmelte Mimi kaum hörbar ehe sie Matt den Zettel entriss, um den Text ablesen zu können.

Bedacht und mit viel Gefühl stimmte Matt die ersten Akkorde an.

„Gleich setzt du ein“, befahl er Mimi, war dabei aber immer noch auf seine Gitarre konzentriert.

Unglücklicherweise verpasste Mimi bei den ersten Versuchen immer wieder ihren Einsatz, so dass sie wieder von vorne anfangen mussten. Langsam aber sicher fühlte sie sich an ihre Anfangszeit in der Ballettschule hier zurückversetzt. Doch statt sie mit bösen Blicken zu strafen, blieb Matt ganz ruhig und spielte einfach nochmal von vorne. Nichts schien ihn aus der Ruhe bringen zu können. Irgendwann, nach einigen Versuchen, klappte es und Mimi stimmte mit ihrem Gesang zum richtigen Zeitpunkt ein. Leise, und ein wenig unsicher, sang sie die ersten Worte.

 

What have I done?

I wish I could run away from this ship goin' under

Just tryin' to help, hurt everyone else

Now I feel the weight of the world is on my shoulders

What can you do when your good isn't good enough

And all that you touch tumbles down?

 

Mit jedem weiteren Wort wurde sie aber sicherer und fühlte sich wohler.

           

'Cause my best intentions keep makin' a mess of things

I just wanna fix it somehow

But how many times will it take?

Oh, how many times will it take for me to get it right?

To get it right

Can I start again?

With my faith shaken, 'cause I can't go back and undo this

 

Schließlich wurde ihre Stimme mit jedem Vers ein wenig lauter und sie konnte die Bedeutung der Worte, die aus ihrer Kehle kamen mit jeder Silbe verstehen.

 

I'll send out a wish and I'll send up a prayer

And finally someone will see how much I care

What can you do when your good isn't good enough

And all that you touch tumbles down?

Oh, my best intentions keep makin' a mess of things

I just wanna fix it somehow

But how many times will it take?

Oh, how many times will it take to get it right?

To get it right

 

„War doch schon ganz gut für den Anfang“, fasste Matt knapp zusammen und legte die Gitarre wieder zur Seite.

„Ganz gut? Spinnst du! Das war... Wow“, immer noch voller Glückshormone beugte sich Mimi ein Stück nach vorne, um Matt von hinten zu umarmen.

„Ich meine, das ist wirklich ein toller Text, aber lass uns auch mal den anderen Song spielen“, bremste Matt die Euphorie Mimis. Nachdem Mimi ihm die Melodie, die sie sich zu dem Text überlegt hatte, vorgesummt hatte, nahm Matt diese auf und spielte diese und ergänzte sie, während Mimi sang.

„Kann ich das zweite Lied für das Schulfest haben?“, fragte Matt aufgeregt nach, als sie das Lied fertig gespielt hatten. Mimi konnte das Leuchten in seinen Augen erkennen. „Bitte, ich habe gerade die Idee! Ich baue dein Lied und meins zusammen – das wird super! Bitte, kann ich es haben?“, flehte er sie an, wobei er die Hände aneinanderlegte, um mit einer bittenden Geste seinen Wunsch zu unterstreichen.

Mimi musste bei Matts Reaktion leise kichern. Er war niemand, der zu Gefühlsausbrüchen neigte, daher war das für Matts Verhältnisse schon eine Gefühlsexplosion.

„Na klar“, Mimi konnte ihm diesen Wunsch einfach nicht abschlagen. Als Dank zog Matt sie in eine lange Umarmung.

Reise in die Vergangenheit

Gut gelaunt schlenderte Mimi die Straßen entlang. Endlich hatte sie den letzten Tag des Intensivtrainings in den Ferien hinter sich gebracht. Auch wenn es furchtbar anstrengend war, so hatte Mimi doch das Gefühl, dass es sie auf jeden Fall weitergebracht hatte. Ihre Techniken und ihre Ausführung der Schritte hatten sich sehr verbessert. In ihrem Kopf lungerten jedoch immer noch Frau Hifumis Worte über das, was sie für eine professionelle Karriere aufbringen müsste, herum, ebenso wie ihre Zweifel, ob das der richtige Weg für sie war. Dass sie in den vergangenen Wochen Fortschritte gemacht hatte, bezeugte Mimi zwar, dass sie das Talent hatte, aber sie wusste noch immer nicht, ob sie ihr Privatleben und ihre Freizeit dafür opfern wollte.

Doch all diese Gedanken versuchte die junge Brünette heute von sich zu schieben. Immerhin hatte sie nun Ferien und die wollte sie genießen! Das Training beschränkte sich für den restlichen Ferienzeitraum auf zwei Nachmittage pro Woche, eine Zahl, mit der sich Mimi mehr als anfreunden konnte.

Auch wenn Frau Hifumi das Training heute etwas früher beendete, hatte sie die Gruppe noch einmal extra hart trainieren lassen und Mimi war daher ziemlich ausgelaugt. Trotzdem hatte sie zur Feier des Tages beschlossen, noch einmal kurz in die Stadt zu gehen, um sich bei ihrer Lieblingseisdiele ein Eis zu gönnen und an ein paar Läden vorbeizuschlendern. Genüsslich schleckte sie an ihrem Erdbeereis, das durch die Hitze bereits ein wenig geschmolzen war, während sie an ein paar Läden vorbeiging und immer mal wieder stehen blieb, um sich die im Schaufenster ausgestellten Klamotten genauer anzuschauen. Bisher hatte ihr noch nicht allzu viel zugesagt, doch sie brauchte wirklich dringend ein paar neue Kleider. Wobei ‚wirklich dringend‘ vielleicht ein bisschen übertrieben war, denn ihr Kleiderschrank war mehr als gut gefüllt mit neuer Kleidung. Dennoch entschied sich Mimi, nachdem sie den letzten Rest des Eis‘ und der Waffel gegessen hatte, sich genauer in den Läden nach Klamotten, die ihr gefallen, umzusehen. Nach den anstrengenden Wochen des Trainings konnte sie wirklich ein wenig Zeit für sich gebrauchen, in der sie sich keine Schritte oder Choreographien einprägen musste. Die Zeit mit Matt war zwar auch schön, aber da die beiden an Liedern für das Schulfest und für sich arbeiteten, war es eben auch keine Erholung. Anders als shoppen gehen! Und deswegen schob Mimi all die Gedanken an die Dinge, die sie in den letzten Wochen belasteten beiseite und ging in den ersten Laden.

 

Einige Stunden später hatte Mimi fast all ihre Lieblingsläden abgeklappert und an ihren Armen hingen unzählige, gut gefüllte Einkaufstaschen. Auch wenn sie nicht zwingend beabsichtig hatte, so viel einzukaufen, war sie wohl irgendwie in einen Kaufrausch geraten. Da sie aber von ihren Eltern monatlich genug Geld zur Verfügung bekam – und sie außerdem eine Notfall-Kreditkarte von ihrem Vater bekommen hatte – musste sie sich wegen des Finanziellen keine Sorgen machen. Wer auch immer sagte, Geld könne nicht glücklich machen, der war noch nie richtig shoppen. Denn wenn man Mimi nun anschaute, so sah man ein glückliches, junges Mädchen! Insgeheim bereute sie es zwar, so viel gekauft zu haben, allerdings nur, weil sie die Tüten alle selbst heimtragen musste. Doch diesen Preis nahm sie für all die schönen Sachen, die sie erstanden hatte, gerne in Kauf. Und sie freute sich schon sehr, ihre neuen Sommersachen bald ausführen zu können.

 

Immer noch von Endorphinen durchströmt kam sie nach Hause. Ihre Mutter hatte bereits angekündigt, dass sie sich abends mit Freundinnen zum Essen trifft, weshalb sie nicht da war. Bei ihrem Vater ging Mimi einfach davon aus, dass dieser noch arbeiten war. Es war ja immerhin erst kurz nach fünf und ihr Vater kam meistens erst gegen 18 Uhr von der Arbeit nach Hause. Mimi stellte ihre Tüten auf dem Esszimmertisch ab und ging mit ihrer Sporttasche ins Badezimmer, wo sie ihre Trainingssachen in die Wäsche sortierte. Danach ging sie zurück ins Esszimmer, um ihre Einkäufe aus den Tüten zu befreien, indem sie diese einfach ausschüttete, so dass sich alle Klamotten wie auf einem Wühltisch auf dem Esstisch verteilten. Behutsam schaute sie noch einmal jedes Teil an. Wenn sich jetzt etwas als Fehlkauf enttarnen sollte, konnte sie es noch zurückbringen. Doch noch immer war sie von allem angetan, weshalb sie die Etiketten entfernte und ihre Errungenschaften schließlich auch in die Wäsche brachte.

 

Gemütlich schlenderte Mimi dann auf die Couch zu. Nach dem Training und der Shoppingtour wollte sie nur noch ihren Füßen eine Pause gönnen und sich auf der Couch entspannen. So wie die nächsten drei Wochen. Den Stress wollte sie nun beiseiteschieben und ihn nicht mehr ihren Tagesablauf und am besten nicht mehr ihr Leben bestimmen lassen. Letzteres war eher Wunschdenken, denn wenn die Schule wieder losging, würde auch der Stress wieder zurückkehren. Mit einem leisen ‚Plops‘ lies Mimi sich rücklings auf das bequeme Sofa fallen, drehte sich aber sogleich auf die Seite, um in Richtung des Fernsehers schauen zu können. Gerade wollte sie nach der Fernbedienung greifen, um den Fernseher einzuschalten, als ihr Blätter und Bücher, die auf dem Tisch lagen, ins Auge sprangen. Vorher hatte sie gar nicht bemerkt, dass etwas auf dem Glastisch lag, doch nun erweckte es Mimis Aufmerksamkeit. Normalerweise lag eigentlich nichts auf dem Couchtisch, der mehr dekorativen Zweck als praktischen Zweck erfüllte.

Mimi setzte sich auf und griff nach dem Blatt, das in ihrer Nähe war. Es war ein Notenblatt, auf dem ein paar Noten bereits eingezeichnet waren. Sie versuchte sich die Melodie in ihrem Kopf vorzustellen, doch es gelang ihr nicht gut. Mimi beschloss, dass sie es später am Klavier ausprobieren wollte. Fürs Erste war sie aber zu neugierig, welches Buch auf dem Tisch lag. Ohne zu zögern griff sie danach und fuhr beim Anblick des Covers sanft mit ihren Fingern darüber. Es zeigte sechs Personen in einem Park vor einem Baum stehend und zwei Frauen hatten Babys auf den Armen.

Auch wenn die Personen auf dem Coverbild Anfang 20 waren, so erkannte Mimi die beiden linksstehenden Personen als ihre Eltern und sie vermutete, dass sie das Baby sein musste, das ihre Mutter auf dem Arm hielt. Zwei der anderen Personen konnten sie als die Izumis identifizieren, doch warum hielt eine andere Frau Izzy dann auf dem Arm?

Noch bevor sie weiterblättern konnte, hörte Mimi, wie die Haustür geöffnet wurde und jemand eintrat.

„Hallo“, begrüßte Keisuke seine Tochter freundlich und trat schon einen Moment später ins Wohnzimmer. Anders als Mimi vermutet hätte, trug er nicht einen Anzug, den er für die Arbeit brauchte, sondern eine einfache, ausgewaschene Jeans und ein T-Shirt.

„Hey“, antwortete Mimi, noch immer das Fotoalbum in ihren Händen haltend.

„Oh, ich habe wohl vergessen es wegzuräumen“, erklärte Keisuke und Mimi hatte das Gefühl, ihn bei etwas Verbotenem ertappt zu haben.

„Papa?“, die Neugierde war zu groß. Mimi hatte zwar bisher nicht weitergeblättert, doch sie wollte wissen, wer die anderen Personen auf dem Coverbild waren. Zwar hatte sie bereits viele Bilder aus der Vergangenheit ihrer Eltern gesehen. Bilder von Urlauben, von ihrer Hochzeit, von Familientreffen oder Bilder, auf denen Mimi als Baby mit ihren Eltern zu sehen war. Doch diese Personen hatte sie noch nie gesehen, obwohl man eine Vertrautheit zwischen den Fotografierten merken konnte. Sie standen so nah beieinander und hatten ein Lachen auf den Lippen, das selbst durch das Foto noch nachwirkte und nicht gestellt sein konnte.

„Hm“, seufzte Mimis Vater, wohlwissend was jetzt kommen würde. Langsamen Schrittes näherte er sich der Couch und ließ sich schließlich neben Mimi auf das Sofa sinken. Wortlos hielt er Mimi die Hand hin, woraufhin sie ihm sogleich das Fotoalbum gab. Mimi beobachtete ihren Vater, wie er das Bild einen Augenblick anschaute und sich in dem Moment, den das Foto festhielt, zurückversetzte. Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen, obgleich seine Augen von einer Trauer durchflutet waren, die Mimi so bei ihrem Vater noch nie gesehen hatte. Normalerweise kannte sie ihn als taffen Anwalt, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt, den nichts erschüttern konnte und der seine Emotionen gut unter Kontrolle hatte. Doch nun wirkte er verletzlich und Mimi wurde bewusst, dass sie ihre Eltern doch nicht so gut kannte, wie sie dachte. Diese sensible Seite stand im Kontrast zu dem Superhelden-Bild, das sie von ihrem Vater hatte.

„In den letzten zwölf Jahren habe ich nicht mehr so viel über die beiden erzählt, wie heute“, murmelte er mehr zu sich als zu Mimi.

„Über wen denn?“

„Über Izzys Eltern“, antwortete Keisuke trocken, den Blick immer noch auf das Bild gerichtet.

„Ja, ich habe seine Eltern erkannt, aber wer sind die anderen beiden?“, hakte Mimi nach. Warum sprach ihr Vater nur so in Rätseln, statt einfach zu sagen, was Sache war. Doch Keisuke musste nur leise lachen und legte das Fotoalbum dann auf den Tisch, so dass er und Mimi gemeinsam reinschauen konnten. Er deutete auf das Paar, das Mimi nicht kannte, die aber das andere Kind auf dem Arm hielten.

„Das sind Izzys Eltern“, erklärte er und schaute Mimi mit einem sanften Blick an.

„Oh“, entfuhr es ihr. Plötzlich machte es Klick in ihrem Kopf. Sie wusste, dass ihr bester Freund adoptiert wurde, aber so liebevoll und sorgsam wie sich die Izumis um Izzy kümmerten, vergaß sie diese Tatsache manchmal einfach. Immerhin kannte sie es ja auch nicht anders. Für sie waren die beiden immer schon Izzys Eltern gewesen.

Keisuke schlug das Fotoalbum auf und gemeinsam schauten sie sich die eingeklebten Bilder an. Die Bilder reichten von der Zeit der Oberschule über das College bis hin zur College-Abschlussfeier. Immer waren die gleichen sechs Personen darauf abgebildet. Ihr Vater erklärte Mimi, dass er und Satoe mit Yoshi und Masami Izumi sowie Haru und Mio Kato schon seit der Oberschule befreundet waren und sie eine unzertrennliche Gruppe waren. Gekrönt wurde ihre Freundschaft dadurch, dass sie alle die Chance hatten, an der Tokyo University zu studieren. Während er Jura studierte, entschied sich Satoe für Musik. Das passte perfekt zu Mios Hauptfach, das Tanzen war. Die beiden hatten oft miteinander geübt: Während Satoe am Klavier spielte, übte Mio ihre Choreographien.

Schließlich kamen Mimi und ihr Vater zu einem Bild, das an der Taufe von Mimi und Izzy entstanden war.

„Es war ein bisschen schwierig für uns. Eigentlich sollte auch der Sohn von Yoshi und Masami getauft werden, doch dieser starb kurz nach der Geburt. Aber sie haben darauf bestanden, dass sie es schaffen würden und sich darauf freuten, gemeinsam mit Mio und Haru deine Taufpaten zu werden, während Satoe und ich die Patenschaft für Izzy übernahmen.“ Mimi war überwältigt, wie offen er ihr alles erzählte, wie viele neue Geschichten über das Leben ihrer Eltern sie bekam und langsam fühlte sie sich leicht von all den Informationen überfordert. Auch dass Yoshi und Masami ihren leiblichen Sohn verloren hatten, ging ihr unheimlich nahe. Sie kannte die beiden nun schon ihr Leben lang und hatte nie etwas von dem Schmerz, den die beiden durchleben musste, erahnen können.

Es war, als bekäme sie ein halbes Leben in nicht einmal einer Stunde präsentiert. Und so langsam konnte sie ahnen, in welche Richtung die Erzählung gehen würde. Die Puzzleteile fügten sich immer mehr zusammen.

„Das war das letzte Bild von uns allen“, meinte Keisuke traurig und blätterte gleichzeitig die Seite um. Dort waren einige Zeitungsberichte eingeklebt. Zeitungsartikel, die über einen schlimmen Autounfall berichteten, bei dem zwei Menschen starben. Haru und Mio.

 

Das war zu viel für Mimi. Sie hatte zwar mit dieser Wendung gerechnet, doch es nun schwarz auf weiß vor sich zu sehen, war ein anderes Gefühl. Es presste ihren Brustkorb zusammen, so dass kein Platz für neue Luft war. Unwillkürlich liefen ihr einige stumme Tränen über die Wange, als sie sich die Artikel genauer durchgelesen hatte. Einen konnte sie sogar als den wiedererkennen, den sie bei Izzy vor ein paar Wochen gesehen hatte.

Oh Gott, bei dem Gedanken an ihren besten Freund, der sich mit alledem alleine auseinandergesetzt hatte, überfiel Mimi das schlechte Gewissen. Sie hätte ihm doch beigestanden. Wenn es für sie schon schlimm war, diese tragische Geschichte zu hören, wie musste es dann für ihn gewesen sein, zu erfahren, dass die eigenen Eltern ums Leben gekommen waren und seine Adoptiveltern vor ihm einen Sohn hatten, der viel, viel zu früh gestorben war? Ein Schluchzen entfuhr Mimis Kehle und sie spürte den starken Arm ihres Vaters um ihre Schulter. Vorsichtig zog er Mimi an seine Schulter, damit er sie besser halten konnte und sie sich an seiner Schulter ausweinen konnte.

„Deine Mutter hat es nie verkraftet, eine ihrer besten Freundinnen so früh zu verlieren“, führte Keisuke seine Erzählung fort, nachdem sich Mimi ein wenig beruhigt hatte. Mimi richtete sich auf, um ihrem Vater besser in die Augen schauen zu können. Ihr war klar geworden, dass ihr Vater trotz seiner verletzlichen Seite, die gerade zum Vorschein kam, immer noch der Superheld war, der sie vor allem Bösen beschützen wollte, doch diese Situation war anders. Er eröffnete ihr das dunkelste Kapitel seines Lebens und sie musste nun diejenige sein, die ihm Schutz und Trost bot.

„Wir waren alle mehr als geschockt und wussten nicht, wie wir damit umgehen sollten, so früh jemanden so Wichtiges zu verlieren. Yoshi und Masami nahmen Izzy zu sich, was den beiden in ihrer Trauerbewältigung half und ich stürzte mich in die Arbeit. Aber Satoe schaffte es nicht, das Geschehene zu verarbeiten. Es war zu viel. Am Anfang versuchte sie es mit der Musik, doch sie verlor ihren Spaß daran. Es erinnerte sie zu sehr an die Tage, an denen sie Klavier spielte und Mio dazu tanzte Dann hast du irgendwann angefangen zu laufen und manchmal sah es so aus, als würdest du tanzen. Dabei waren deine Schritte einfach nur unkoordiniert.“ Beide mussten trotz der bedrückenden Stimmung kurz lachen, ehe Keisuke fortfuhr. „Jedenfalls hat sie sich in dann in den Kopf gesetzt, dass du unbedingt mit dem Tanzen anfangen musst. Sie sah es als Erbe von Mio an. Mios großer Traum war es, einmal auf den großen Bühnen der Welt zu tanzen. Ich glaube, deshalb ist deine Mutter so versessen darauf, dass du so viel trainierst und an eine Tanzschule gehst.“

Die Worte hallten in Mimis Kopf herum wie ein Echo. Sie fühlte sich erleichtert, dass sie nun die Beweggründe ihrer Mutter kannte und sie konnte es auch ein wenig nachvollziehen, dass ihre Mutter so darauf bestand, dass Mimi den Traum ihrer besten Freundin lebte. Doch sie war gleichzeitig ein wenig wehmütig... hatte ihre Mutter sich nie dafür interessiert, was Mimi wollte?

„Es tut mir leid, was ihr durchmachen musstet“, sprach sie leise und umarmte ihren Vater von der Seite. Dieser erwiderte es und so saßen eine Weile da, ohne ein Wort zu sagen. Was sollte man auch zu einer solchen Tragödie sagen?

Als die beiden sich gelöst hatten, schaute Keisuke Mimi jedoch ernst an. „Wir hätten es dir und vor allem Izzy viel früher erzählen sollen, aber wir dachten, so wäre es besser. Doch ich glaube, ihr seid alt genug, um es zu erfahren.“

„Danke“, murmelte Mimi. Und sie war wirklich froh, dass ihr Vater ihr all das erzählt hatte. Besonders weil sie nun wusste, dass sie sich auch verstärkt um Izzy kümmern musste, statt sich nur um ihre Probleme zu sorgen.

„Papa?“, fragte sie vorsichtig. Auch wenn sie nicht weiter in der Wunde bohren wollte, musste sie es einfach fragen. „Hat es Mama nie interessiert, ob ich überhaupt Tänzerin werden möchte?“

Keisuke atmete tief ein, als hätte er zwar mit der Frage gerechnet, doch war sich noch nicht sicher, wie er sie beantworten sollte. „Als du klein warst, war sie davon überzeugt, dass du es willst und hat alles darangesetzt, dass du es auch glaubst. Als du irgendwann älter wurdest und die ersten Rebellionen dagegen kamen, haben wir eine Vereinbarung getroffen. Sie kann dich fördern, aber nach deinem Schulabschluss kannst du frei wählen, was du machen möchtest“, er schaute ihr tief in die Augen und sog noch einmal tief Luft in die Lungen, um sich für das nächste bereit zu machen. „Ich weiß, dass ich mich mehr für deine Interessen hätte einsetzen sollen, aber ich habe gesehen, wie gut es Satoe damit ging, dass du tanzt. Also habe ich es gelassen. Es tut mir leid“, entschuldigend sah er nach unten. Doch Mimi nahm ihn wieder in den Arm.

„Du hast das getan, was du für richtig hieltest. Und das ist okay. Ich kann euch jetzt besser verstehen“, erläuterte Mimi, und ihr Vater schien erleichtert, das zu hören.

„Lass uns aber jetzt die Sachen wieder nach oben bringen. Ich hatte das vorhin schon Izzy erzählt und mehr Reise in die Vergangenheit brauche ich heute nicht“, Keisuke stand auf und wollte die Sachen auf dem Tisch zusammenpacken, als Mimi ihn abrupt aufhielt.

„Warte, kann ich das haben?“, sie griff nach dem Notenblatt und hielt es ihrem Vater hin.

„Klar, ich weiß eh nicht, was das ist. Vielleicht ein Lied, das deine Mutter mal angefangen, aber nicht beendet hat“, stimmte er Mimis Frage zu.

Das Gefühl der Leere

Als Mimi am Montagmorgen nach unten in die Küche gehen wollte, blieb sie einen Moment lang auf der Treppe stehen und schaute ihrer Mutter einfach nur zu, wie sie gerade dabei war, den Tisch zu decken. Das Gespräch mit ihrem Vater vor ein paar Tagen, in dem sie mehr über die Vergangenheit ihrer Eltern erfahren hatte, aber besonders über das, was die beiden – insbesondere ihre Mutter – in der Vergangenheit durchmachen musste, warf ein neues Licht auf ihre Mutter. Mimi kam es vor, als würde sie ihre Mutter nun als eine andere Person wahrnehmen. Satoe war nun nicht mehr nur die Frau, die ein strenges Regiment führte, Mimi viel verboten hatte und stets darauf bedacht war, dass Mimi sich verbesserte und eine Karriere als Ballerina anstrebte. Sie war nun eine Frau, die großen Schmerz durchleben musste, den sie, so kam es Mimi vor, nie wirklich überwunden hatte. Mimis mögliche Karriere war ein Versuch, das zu kompensieren.

Die letzten Abende lag Mimi noch lange wach in ihrem Bett und überlegte, wie sie sich wohl fühlen würde, wenn sie plötzlich Sora oder Izzy verlieren würde. Oder schlimmer noch, beide auf einmal. Es war ein Szenario, das sich Mimi nicht vorstellen konnte und wollte. Allein bei dem Gedanken daran kamen ihr schon die Tränen in ihre braunen Augen. Wie musste sich das bloß für ihre Eltern damals angefühlt haben?

Auch wenn sich Mimi wünschte, ihre Eltern hätten ihr früher erzählt davon, konnte sie auch verstehen, dass das die Emotionen von damals zurückbrachte. Etwas, was ihre Eltern wohl nicht wollten.

„Ist alles in Ordnung?“, erklang die Stimme ihrer Mutter und holte Mimi aus ihren Gedanken.

„Jaja“, antwortete Mimi hurtig und eilte dann die Treppen herunter, um sich zu ihrer Mutter an den Frühstückstisch zu setzen. Unsicher schaute sie immer mal wieder zu ihrer Mutter herüber während sie sich ihr Müsli in eine Schüssel schüttete. Ob sie ihre Mutter darauf ansprechen sollte? Andererseits wusste sie nicht, ob Keisuke ihr bereits erzählte, dass er am Vorabend mit Izzy wie auch mit Mimi darüber gesprochen hatte. Mimi hatte auch keine Gelegenheit, ihn danach zu fragen, da er bereits früh am Morgen zur Arbeit musste, um einen wichtigen Fall vorzubereiten.

„Mimi, hörst du mir überhaupt zu?“, empört, aber auch belustigt schaute Satoe Mimi an. Diese hatte gar nicht mitbekommen, dass ihre Mutter etwas gesagt hatte. Daher murmelte sie ein leises „Entschuldigung“ und konzentrierte sich wieder auf ihr Müsli. Vielleicht war es besser, ihre Mutter nicht darauf anzusprechen – zumindest fürs Erste. Spätestens wenn Mimi die Idee, die ihr gestern noch gekommen war, umgesetzt hatte, würde sie mit ihrer Mutter darüber sprechen müssen.

„Ich habe gefragt, ob du schon Pläne für heute hast“, wiederholte ihre Mutter eindringlich die Frage, die Mimi überhört hatte.

„Ich weiß noch nicht. Vielleicht gehe ich nachher noch zu Izzy oder treffe mich mit Sora“, antwortete sie zaghaft. Tatsächlich hatte sie sich noch mit niemandem verabredet für diese Woche. Wann sie was und mit wem machen würde, das wollte sie spontan entscheiden. Ursprünglich war sie für heute eigentlich mit Matt verabredet, um an seinem Lied für das Schulfest zu arbeiten. Doch da er und die Band bald einen Auftritt haben würden, hatte er ihr wegen der Bandprobe absagen müssen.

Auch wenn sie und Matt sich super verstanden und viel Spaß miteinander hatten, so war es für Mimi doch ein seltsames Gefühl, so viel Zeit mit ihm zu verbringen. Nie hätte sie gedacht, dass sie sich einmal so nahestehen würden. Klar, sie waren schon von Kindesbeinen auf befreundet, doch es war immer mehr so, dass ihre Freundschaft darauf beruhte, dass sie dieselben Freunde hatten. Und dennoch, so wohl sie sich in Matts Nähe fühlte, das schlechte Gewissen gegenüber Sora war in vielen Augenblicken ihr Begleiter. Vielleicht war es besser so, dass er heute keine Zeit hatte.

„Oh, wenn du zu Izzy gehst, dann kannst du Yoshi ein paar Bücher mitbringen, die sie sich ausleihen wollte“, sogleich sprang ihre Mutter auf und packte besagte Bücher in eine Tasche. Es war also beschlossene Sache, dass Mimi bei Izzy vorbeischauen würde. Mimi atmete einmal tief ein und aus, und resignierte gegenüber der Erkenntnis, dass es wieder einmal ihre Mutter war, die eine Entscheidung für sie übernahm.

Über das Wochenende, in dem sie nicht viel getan hatte außer sich im Garten zu sonnen und ab und an mal ein paar Runden im Gartenpool zu schwimmen, hatte sie die freie Zeit genutzt, um sich näher mit Thema Ballett und Zukunft zu befassen. Jetzt, wo sie wusste, dass ihre Mutter den Traum ihrer verstorbenen besten Freundin auf sie projizierte, war ihr bewusst, dass sie ihrer Mutter das Herz brechen würde, wenn sie eine andere Richtung einschlagen wollte. Aber sie wollte nicht den Traum eines anderen leben – immerhin ging es hier um ihr Leben und ihre Träume. Doch sie wollte auch ihre Mutter nicht enttäuschen. Es war ein Teufelskreis aus wenn und aber, aus dem Mimi nicht herauskam. Statt zu einer Antwort zu kommen, sog es sie immer tiefer in einen Strudel an Gedanken, die sie nur unsicherer werden ließen. Wenn sie sich gerade dafür entschieden hatte, dass sie nicht an die Juilliard wollte, dann kamen wieder die Gedanken, die sie an ihre Liebe zum Ballett erinnerten und daran, dass das Ballett eine der wenigen Konstanten in ihrem Leben war. Es war immer da und wenn es ihr schlecht ging, half es ihr, den Frust wegzutanzen.

Den Rest des Frühstücks verbrachten sie und ihre Mutter damit, ein bisschen Smalltalk zu halten, wobei Mimi überrascht war, dass ihre Mutter nichts bezüglich Training oder Ballett erwähnte. Aber es war erholsam, mal über etwas anderes mit ihrer Mutter zu sprechen.

 

Am Mittag machte Mimi sich auf zu Izzy. Er wohnte nur ein paar Straßen weiter, weshalb Mimi ganz entspannt zu Fuß hinlaufen konnte. Als sie bei der Familie Izumi klingelte, empfing Yoshi sie ganz herzlich. Fester und länger als gewöhnlich drückte Mimi Yoshi bei der Begrüßungsumarmung. Sie hatte das irrationale Gefühl, sie müsse sich dafür entschuldigen, dass sie all die Jahre nichts von dem tragischen Schicksal von Yoshi und ihrem Ehemann gewusst hatte und wollte das nun gutmachen. Wenngleich Mimi wusste, dass die Izumis ihr das niemals übelnehmen würden, hatte sie trotzdem dieses Gefühl im Magen, als sie Yoshi anschaute.

Es war ähnlich wie bei ihrer Mutter die letzten Tage. Mit dem neuen Wissen veränderte sich Mimis Blickwinkel auf die Dinge und Menschen.

Nach der Umarmung schaute sich Mimi ein wenig beschämt um. Dieser kleine Gefühlsausbruch, wenn man es denn überhaupt so nennen konnte, war ihr im Nachhinein doch ein wenig unangenehm. Yoshi wusste ja gar nicht, warum Mimi gerade so reagiert hatte.

„Das ist ja schön, dass du da bist“, lockerte Yoshi die Stimmung auf und schien gar nicht auf Mimis Verhalten von eben einzugehen. Erleichterung machte sich in Mimi breit. „Oh, sind das die Bücher von deiner Mutter?“

„Äh, ja“, stammelte Mimi und hielt Izzys Mutter die Tasche hin.

„Danke dir. Da muss ich gleich reinlesen. Deine Mutter hat so von den Büchern geschwärmt“, lachte sie. „Izzy ist in seinem Zimmer.“

Langsam ging Mimi zu Izzys Zimmer. Auch wenn sie schon unzählige Male vor der braunen Tür, an der immer noch bunte Holzbuchstaben, die den Namen ‚Koushiro‘ bildeten, angebracht waren, gestanden hatte, so konnte sie heute nicht so freudig wie sonst anklopfen. Statt Videospiele spielen stand heute ein ernstes Gespräch auf dem Plan. Mimi glaubte nicht, dass sie schon einmal über so etwas Ernstes mit jemandem gesprochen hatte. Aber sie war doch auch erst sechszehn! Sollte man in dem Alter wirklich schon über das Thema Tod sprechen müssen? Man sollte das Leben doch gerade als Teenager genießen. Man sollte allgemein jede Sekunde des Lebens genießen statt sich mit so traurigen und herzzerreißenden Themen auseinandersetzen zu müssen! Wut stieg in ihr auf, als sie daran dachte, dass das Leben von Haru und Mio so früh beendet wurde, dass sie weder ihren Sohn aufwachsen sehen konnten, noch konnten sie ihre Träume verwirklichen. Langsam meldeten sich die Gedanken, die Mimi sonst verdrängte, weil sie nicht darüber nachdenken wollte. Doch sie musste sich eingestehen, dass sie gerade nicht das Leben so genießen konnte, wie sie wollte. Zu viele Verpflichtungen lasteten auf ihren Schultern.

Doch diese Gedanken mussten bis später warten! Jetzt stand Izzy im Vordergrund.

Mimi nahm einen tiefen Atemzug und klopfte dann sacht an die Tür.

Als ein leises „herein“ von drinnen kam, drückte Mimi die Türklinge herunter und trat in Izzys Zimmer. Schnell schloß sie die Tür wieder und schaute dann erst Izzy an, bevor sie auch ihren Blick durch das Zimmer schweifen ließ.

Sie hatte einen Izzy erwartet, dem man ansieht, dass es ihm nicht gut geht. Einen Izzy, der wegen der Wahrheit über seine leiblichen Eltern in einen Zustand der Trauer verfallen war, in dem er sich nicht darum kümmerte, wie sein Zimmer aussah, sondern sich nur auf die Verarbeitung der Informationen konzentrierte. Doch Mimi lag weit daneben mit ihrer Vermutung. Izzy sah aus wie immer. Gar nicht zerzaust oder übermüdet von schlaflosen Nächten. Stattdessen waren seine Haare ordentlich gekämmt und seine Augen ließen nicht darauf schließen, dass er zu wenig Schlaf hatte.

„Hey“ begrüßte Izzy sie während er von dem Sofa, auf dem er bis eben gesessen hatte, aufstand, und auf sie zuging.

„Hey“, flüsterte Mimi zaghaft in sein Ohr, als auch Izzy sie zur Begrüßung umarmte.

Einen Moment standen sie sich dann noch gegenüber. Schweigend. Sie schauten sich nur in die Augen. Dennoch wussten sie genau, was der andere gerade dachte. Sicher konnte man es Mimi auch ansehen, dass sie etwas belastete, und sicher konnte sich Izzy denken, dass Keisuke mit Mimi gesprochen haben könnte. Doch in all den Jahren, in denen sie nun schon beste Freunde waren, hatten die beiden gelernt, sich auch ohne Worte zu verstehen.

„Setz dich“, meinte Izzy nach einer Weile und zeigte mit der Hand einladend auf das Sofa.

„Wie geht es dir?“, erkundigte sich Mimi zaghaft. Auch wenn es angesichts der Situation wohl die dümmste Frage war, die sie stellen konnte, kam es ihr über die Lippen, weil sie sonst nicht wusste, wie sie das Gespräch anfangen sollte.

„Ich weiß nicht. Gut, glaube ich“, antwortete Izzy und nahm ein Foto, das auf dem kleinen Couchtisch stand, in die Hand. „Ich hatte immer das Gefühl, dass etwas fehlen würde. Ich weiß, das klingt seltsam. Aber, ach keine Ahnung. Dann habe ich vor ein paar Monaten ein Gespräch meiner Eltern belauscht, in dem sie darüber gesprochen haben, dass ich meinen leiblichen Eltern immer ähnlicher sehe und Mama nicht wisse, wie sie damit umgehen solle“, erklärte er, seinen Blick immer noch auf das Bild gerichtet.

„Du hast nie etwas erzählt“, murmelte Mimi leise. In ihrer Stimme klang keine Anklage deswegen mit, sondern bedauern.

„Was hätte ich denn sagen sollen?“, hilflos schaute er Mimi an. „Ich wusste ja selbst nicht, was mit mir los war. Ich hatte da dieses Gefühl der Leere, mit dem ich nicht umzugehen wusste. Ich habe schon öfter gehört, dass Kinder, die adoptiert wurden, das Gefühl haben, ihren Ursprung finden zu wollen. Aber ich hatte keinerlei Ansatzpunkte und...“, Izzy holte kurz inne, als er sich frustriert durch die Haare fuhr. „Und ich hatte Angst, meine Eltern danach zu fragen. Ich konnte dir nichts sagen, weil das eine Sache war, die ich alleine rausfinden musste, um herauszufinden, wer ich bin. Ziemlich verwirrend, oder?“, er lächelte müde, aber Mimi merkte ihm an, dass es ihm guttat, es ausgesprochen zu haben. Seine Gesichtszüge entspannten sich nach und nach immer mehr. Behutsam legte Mimi ihre Hand auf seinen Arm und ließ schließlich auch ihren Kopf auf Izzys Schultern sinken.

„Nein, ich glaube, ich kann dich verstehen. Das mit dem Gefühl der Leere nicht so ganz, aber ich verstehe, dass du für dich rausfinden musstest, wer du bist. Ich wünschte nur, du hättest früher was gesagt. Ich hätte einfach nur für dich da sein können.“

„Ich weiß. Irgendetwas in mir hat sich aber dagegen gesträubt, es jemandem zu sagen. In der Woche, bevor wir auf Klassensprecherfahrt gefahren sind, habe ich gehört, wie Mama mit Papa über den Todestag von Haru und Mio gesprochen haben und dass sie nicht glauben können, dass es nun schon sechszehn Jahre her ist. Also habe ich dann im Internet und im Bibliotheksarchiv nach Todesanzeigen gesucht“, erklärte Izzy.

„Und einen Artikel darüber gefunden“, beendete Mimi Izzys Satz, ohne zu merken, dass sie ja offiziell nichts davon wusste.

„Äh, ja. Woher weißt du davon?“, hakte der Rothaarige nach und schaute sie mit gerunzelter Stirn an.

„Ähm, bevor wir losgefahren sind, habe ich den Artikel vielleicht auf deinem Schreibtisch unter ein paar Zeitschriften oder so gesehen“, ihr leicht gerötetes Gesicht drehte Mimi weg von Izzy. Doch statt sie anzumeckern, lachte er nur.

„Was ist so lustig?“, fragte Mimi empört nach. Das war doch kein Thema, über das man einfach lachen konnte!

„Du wusstest es und fragst mich dann, warum ich nicht zu dir gekommen bin? Du hättest doch auch mich darauf ansprechen können“, kopfschüttelnd und lachend schaute er sie an.

„Ich wusste nicht wie“, verteidigte sie sich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„So ging es mir auch“, und plötzlich landete ein Kissen in Mimis Gesicht. Völlig perplex griff sie danach, um wieder freie Sicht zu bekommen. Izzy grinste sie nur schief an. „Scheint, als hätten wir zum ersten Mal ein Kommunikationsproblem gehabt.“

„Scheint so“, meinte Mimi nachdenklich. Es war ein seltsames Gefühl, nicht mehr in vollem Bilde über Izzys Leben zu sein, doch es war okay. Solange sie einander trotzdem noch alles erzählen konnten, war es auch okay, wenn man sich Dinge erst später erzählen würde. Sie hatte ihm ja auch nicht erzählt, dass sie sich mit Matt des Öfteren getroffen hatte.

„Ich hatte dann übrigens mal deinen Vater danach gefragt. Bei meinen Eltern wusste ich nicht, wie sie reagieren würden, bei Keisuke jedoch hatte ich das Gefühl, dass er bereit dazu wäre, mir mehr über meine Eltern zu erzählen“, ergänzte Izzy seine Erzählung.

„Er hat mir dann auch davon erzählt. Die Fotoalben lagen noch auf dem Tisch.“

„Ziemlich unschöne Sache, oder?“, murmelte Izzy, der nun seine Ellenbogen auf dem Knie abgestützt hatte und seinen Kopf auf seine Hände gelegt hatte.

Die eben noch lockere Atmosphäre war wie weggeblasen.

„Ja“, flüsterte Mimi und merkte, wie sich langsam die Tränen ihren Weg anbahnten. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, dich plötzlich zu verlieren, wie muss es dann unseren Eltern ergangen sein?“, schniefte Mimi, die nun ihren Tränen freien Lauf ließ. Bei Izzy musste sie ihre Emotionen nicht zurückhalten. Dafür hatten die beiden schon zu viele Gefühlsausbrüche von Mimi zusammen erlebt.

„Das sollst du auch nicht, Mimi“, sacht zog er Mimi an sich, um sie in den Arm zu nehmen. „So etwas stellt man sich nicht vor“, sachte gab er ihr einen freundschaftlichen Kuss auf die Haare. Trotz allem was in den vergangenen Tagen geschehen war, fühlte sie sich geborgen. Sie wusste, dass sie eine Familie hatte, die sie - vielleicht ein bisschen zu viel – unterstützte und sie liebte, und sie hatte Freunde, auf die sie zählen konnte. Sie sollte ihr Leben im Hier und Jetzt genießen.

Noch eine Weile saßen die beiden zusammengekuschelt auf der Couch, ehe sie sich dazu entschieden, dass sie etwas Aufmunterung gebrauchen konnten, weshalb sie sich für eine Partie Mario Kart entschieden.

Erinnerungen

Seit dem Gespräch mit Izzy waren bereits einige Tage vergangen und Mimi hatte das Gefühl, dass Izzy recht gut mit der Situation zurechtkam. Eine Tatsache, die Mimi ein wenig beruhigte. Auch wenn Izzy nach außen hin oft als sehr in sich gekehrter Junge wirkte, der für Situationen schnell eine Lösung finden konnte, wusste Mimi aber, dass er auch seine sensiblen Seiten hatte. Obgleich er behauptete, er hätte die Informationen über seine Eltern verarbeitet, so war sich Mimi nicht sicher, inwieweit ihn die Sache wirklich belastete. Doch sie wollte ihn nicht zwingen, darüber zu reden. Wenn ihm danach sein würde, würde er sicher auf sie zu kommen. Es beruhigte sie jedoch, dass Izzy mit seinen Eltern wohl darüber geredet hatte.

 

An diesem Mittwoch hatte sich die ganze Gruppe zum Baden am See verabredet. Es war ein sonniger Freitagmittag und die Sonne strahlte schon den ganzen Tag über. Der Himmel war von einem hellen blau erfüllt und Mimis Laune hob sich in dem Moment, in dem sie das Haus verließ. Ihre große Strandtasche aus Seegras hielt sie fest in den Händen, die Sonnenbrille hatte sie auf der Nase und ein zu ihrer Tasche passender Sonnenhut zierte ihren Kopf. Die khakifarbenen Shorts und ein mit Blumen verziertes T-Shirt sowie braune Flipflops rundeten den perfekten Sommerlook ab.

Gemeinsam mit Izzy ging sie zu dem See, an dem sie alle sich verabredet hatten. Als sie ankamen und die bereits Anwesenden freudig begrüßt hatten, stellte Mimi mit einem Anflug von Bedauern fest, dass Tai noch fehlte. Auch ein wenig abseits von der Gruppe war er nicht zu sehen.

„Tai ist mal wieder zu spät“, meinte Sora und seufzte dabei. Kurz darauf meinte Mimi ein Augenzwinkern von Sora erkannt zu haben, so als wollte sie ihr mit der Aussage mitteilen, dass Tai nicht abgesagt hatte.

„Wenn Kari ihm nicht den Marsch bläst, dann braucht er doch immer ewig, um in die Pötte zu kommen“, lachte Takeru und zog Kari, die er liebevoll an der Taille umfasste, noch ein Stück näher zu sich. Auch sie lachte und wirkte so glücklich.

„Wahrscheinlich findet er nicht mal seine Badehose“, witzelte Matt.

„Wer findet seine Badehose nicht? Joe?“, erklang die vertraute Stimme Tais hinter Mimi, die sich sogleich umdrehte. Eine Handlung, die sie gleich bereute. Es war das erste Mal, dass sie ihn seit Beginn der Ferien sah und Mimi war baff, wie sehr er sich in diesen vier Wochen verändert hatte. Jedenfalls kam ihr das so vor. Seine Haut hatte ein gesundes braun angenommen, das seine braunen Augen besonders gut betonte. Seine Haare hatte er etwas schneiden lassen, doch sie waren immer noch lang genug, dass sie wild in alle Richtungen abstanden. Gerne würde sie mit ihren Händen durch seine Haare fahren.

Was denk ich da bloß?, fragte sich Mimi, die aber gleichzeitig von einem Gefühl der Nostalgie übermannt wurde.

Es musste an diesem Ort liegen, redete sie sich ein. Denn vor einem Jahr war sie bereits schon einmal hier mit Tai. Aber ohne die anderen. Nur sie beide. Es war der Beginn einer Geschichte, von der Mimi dachte, sie würde ein Happy End haben. Ihr Happy End. Doch es kam alles anders.

Sie versuchte sich wieder auf die anderen zu konzentrieren, die sich gerade darum stritten, dass Joe sehr wohl wusste, wo seine Badehose zu finden sei.

„Als ob“, meinte Tai ernst.

„Natürlich. Ich habe sie immer in der Schublade, in der ich meine Sportkleidung habe.“

„Du hast eine Schublade mit Sportklamotten?“, überrascht schaute Tai Joe an. Letzterer schüttelte nur den Kopf und griff sich mit der Hand an den Kopf.

„Statt rumzustreiten bis es dunkel wird, sollten wir uns lieber einen Platz suchen“, mischte sich Sora ein. Sogleich setzten sie sich alle in Bewegung und fanden ein schönes Plätzchen, das sowohl Schatten wie auch Sonne bereithielt und in der Nähe des Sees war.

Alle packten ihre Liegetücher aus, zogen sich um, cremten sich ein und genossen dann entweder einfach nur die Sonne oder begaben sich in das kühle Nass, um sich zu erfrischen.

Während alle außer Kari und Mimi die letzte Alternative wählten, blieben die Mädels auf ihren Handtüchern liegen und bräunten sich. Kari las dabei in ihrem Buch und Mimi schloss ihre Augen. Einfach ein paar Minuten abschalten.

Ihre Gedanken schweiften zu dem Abend, den sie mit Tai hier verbracht hatte.

 

Es fing damit an, dass sie alle zusammen etwas unternehmen wollten. Sie wollten gemeinsam ein Picknick im Park veranstalten. Doch kurz bevor sie sich treffen wollten, kam eine Nachricht von Joe, dass er es nicht kommen konnte.

Jeder hatte etwas für das Picknick mitgebracht, weshalb sich eine große Auswahl an Essen vor ihnen erstreckte.

„Diese verdammten Ameisen“, schimpfte Mimi, als sich schon wieder einige der Tierchen ihren Weg über die Decke und zu dem leckeren Essen suchten.

„Von deinem Essen will eben jeder kosten“, lachte Tai und griff sich eines der Reisbällchen, die Mimi mitgebracht hatte. „Es ist auch zu gut“; schmatzte er und öffnete dabei demonstrativ seinen Mund so weit, dass man das zerkaute Essen konnte.

„Du bist so eklig“, schimpfte Mimi und schlug ihm leicht in die Rippen.

„Kennst du ihn anders?“, fragte Matt.

„Haha, sehr witzig, Ishida“, fauchte Tai seinen besten Freund an und es entstand ein Wortgefecht zwischen den beiden. Mal wieder. Irgendwann mischte sich Sora ein und löste es auf. Mal wieder. Mimi war froh, dass sich manche Dinge wohl nie ändern würden. Sie war das ganze Jahr durch Tausende von Meilen von ihren Freunden getrennt. Doch es war schön zu sehen, dass manche Dinge gleichblieben. Dass Freundschaften die Entfernung aushalten konnten. Auch wenn Mimi in New York lebte und dies ihr Zuhause war, so waren ihre Besuche wie nach Hause kommen. Zurück an einen Ort zu kommen, der Wärme, Freundlichkeit und Geborgenheit ausstrahlt. Auch wenn sich die Beziehungen untereinander änderten – Sora und Matt waren mittlerweile zusammen und bei Kari und TK war es nur eine Frage der Zeit – und auch wenn sie sich alle weiterentwickelten, so war ihre Freundschaft noch so wie sie schon immer war.

 

Nach und nach verabschiedeten sich alle von Picknick bis nur noch Mimi und Tai übrig waren.

„Willst du schon nach Hause?“, fragte Tai nervös, als Mimi gerade dabei war, ihre Sachen zusammenzupacken.

Sie überlegte kurz, doch dann schüttelte sie den Kopf. Sie wollte so viel wie möglich von der gemeinsamen Zeit mit ihren Freunden aufsaugen, damit sie etwas hatte, an das sie denken konnte, wenn sie sich einsam fühlte. Allein Erinnerungen konnten ihr das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, das sie vorhin bereits so intensiv empfunden hatte, zurückbringen.

„Hast du Lust, noch was zu unternehmen?“, erkundigte sich Tai, dem die Situation immer noch ein wenig unangenehm zu sein schien. Er hatte die Angewohnheit, sich am Hinterkopf zu kratzen, wann immer er nervös war. Eine Eigenschaft, die Mimi irgendwie süß fand. So konnte sie, gerade jetzt im Sommer, einen Blick auf seine gut trainierten Arme werfen. Man konnte richtig verfolgen, wie Tai langsam vom Jungen zum Mann wurde.

„Ja gerne“, antwortete Mimi schnell.

„Super! Dann komm mit“, Tai wandte sich bereits zum Gehen, doch nickte mit seinem Kopf in Mimis Richtung und deutete ihr an, zu folgen.

 

Irgendwie war die Situation angespannt. Es lag eine Stille in der Luft, die eine Mischung aus peinlichem Schweigen und vereinbartem Schweigen war.

„Wo gehen wir..“ „Was hast du“, fingen beide im gleichen Moment an zu sprechen, um der Stille Einhalt zu gebieten. Beide sahen sich dabei an und mussten lachen, als sie ihre unvollendeten Sätze ausgesprochen hatten. Sie hatten bereits den Park verlassen und liefen nun durch die Straßen, wobei Tai die Richtung angab.

„Du zuerst“, forderte er Mimi auf.

„Wo gehen wir denn eigentlich hin?“, sprach Mimi ihre Frage nun ganz aus.

„Das wird eine Überraschung“, antwortete er geheimnisvoll und grinste Mimi mysteriös an.

„Man Tai. Sag schon“, hakte sie nach und in ihrer Stimme schwang ein leichtes Flehen mit. „Ich mag keine Überraschungen.“

„Diesmal musst du dich gedulden“, grinste er schelmisch. „Aber es wird dir gefallen.“

 

Eine Weile gingen sie noch nebeneinander her, wobei die Stimmung nun etwas gelöster war. Mimi hakte während des Gesprächs, das über alle möglichen Dinge ging, immer mal wieder nach, wohin es ging, doch Tais Lippen blieben eisern verschlossen. Während sie ihm für sein Schweigen immer mal wieder gegen den Arm boxte, fuhr er ihr als Antwort durch das Haar. Es war, als hätten sie die ganze Zeit schon die Nähe des anderen gesucht, aber konnten sie nicht haben, weshalb sie nun alles in dieser kurzen Zeit aufzuholen versuchten.

 

„Wir sind da“, verkündete Tai stolz, als sie nach einem knapp zehnminütigen Spaziergang an einem kleinen See, der sich in einem anderen Park befand, ankamen.

„Oh, hier war ich schon ewig nicht mehr“, quietschte Mimi vergnügt und sprang dabei immer wieder auf und ab.

„Hey, du kleiner Flummi, alles gut“, lachte Tai, sichtlich amüsiert, dass er Mimi mit dieser Kleinigkeit eine solche Freude bereiten konnte.

„Entschuldigung“, murmelte Mimi, die sofort mit dem Springen aufhörte. Hatte sie sich jetzt vor Tai zum Affen gemacht? Oh nein, das wollte sie nicht!

„Alles gut“, beruhigte Tai sie und strich ihr zärtlich über den Arm. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass er ihr näher gekommen war. Vorher hatte er noch etwas mehr Abstand zu ihr gehabt, doch nun war er ihr so nahe. Und das brachte alle Schmetterlinge in Mimis Bauch dazu, gleichzeitig in die Höhe steigen zu wollen.

„Ich komm abends oft nach dem Training her“, murmelte Tai und Mimi richtete ihren Blick auf, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er war schon immer größer als sie gewesen, doch in der Pubertät hatte er mächtig an Größe zugelegt, sodass er nun fast einen ganzen Kopf größer war als sie. Sie könnte perfekt ihren Kopf an seinen starken Schultern anlehnen, grübelte sie. Tais Stimme holte sie jedoch wieder aus ihren Gedanken raus in die Wirklichkeit. „Ich mag es, hier den Sonnenuntergang anzuschauen“, gab er fast im Flüsterton zu.

„Das stelle ich mir auch wirklich schön vor“, stimmte Mimi zu. Es musste herrlich sein, hier zuzuschauen, wie das Rot der untergehenden Sonne das kristallblaue Meer in Beschlag nahm und dem Wasser eine neue Färbung schenkte

„Ich dachte, wir könnten ihn uns hier zusammen anschauen. Es dauert ja auch gar nicht mehr lange bis zum Sonnenuntergang“, druckste Tai herum, was Mimi zum Lächeln brachte.

„Gerne doch“, antwortete sie daher schnell und legte ihre Tasche neben sich ab.

„Super“, Tais schelmisches Grinsen daraufhin konnte nichts Gutes bedeuten. Gleich im nächsten Augenblick konnte Mimi ihren Augen nicht trauen! Er zog sich sein T-Shirt über den Kopf, wodurch Mimi einen Blick auf seinen trainierten Oberkörper bekommen konnte. Röte stieg in ihrem Gesicht auf und sie hoffte inständig, dass sie nicht die Farbe einer Tomate angenommen hatte.

Spätestens als Tai jedoch auch noch seine Hose auszog und nur noch in Boxershorts vor ihr stand, musste der Moment, in dem ihr Kopf einer Tomate glich, gekommen sein.

„Was.. was machst du?“, fragte sie, doch Tai antwortete nicht. Stattdessen rannte er geradewegs in den See. Für einen Moment tauchte er unter und als er auftauchte, schaute er Mimi herausfordernd an.

„Jetzt komm her“, rief er ihr zu.

„Aber ich habe keinen Bikini dabei!“, protestierte Mimi lauthals.

„Ich habe auch keine Badesachen an“, erwiderte Tai gelassen. Das Wasser schien ihm die Nervosität genommen zu haben.

„Aber.. aber ich kann mich doch nicht einfach ausziehen“, murmelte Mimi und genierte sich ein wenig. Sie hatte zwar einen schönen Körper, doch einfach in Unterwäsche in der Öffentlichkeit, wo jeder sie beobachten konnte, wollte sie nicht herumlaufen.

„Ach Mimi, ich habe dich doch schon oft im Bikini gesehen. Unterwäsche ist doch das gleiche“, ermunterte Tai sie.

„Wenn uns jemand sieht?“

„Hier ist niemand. Um die Zeit sind schon alle weg“, versicherte er ihr. „Ich komm gleich und hol dich. Dann schmeiß ich dich mit Klamotten ins Wasser“, drohte er und bewegte sich langsam aus dem Wasser heraus, bis er schließlich bei Mimi angekommen war.

„Hab‘ ich dich“, er umklammerte ihren zierlichen Körper und drückte sie an sich. Dabei wurde Mimis Rücken nass und sie quietschte wie beim Anblick des Sees, und hob ihre Beine an.

„Ist ja gut. Lass mich los“, knickte sie schließlich ein, als Tai sich mit ihr im Arm in Richtung des Sees bewegte.

Er ließ sie langsam zurück auf den Boden und als er auch seine Umarmung löste, wünschte sich Mimi zurück in seine starken Arme, die ihr trotz der drohenden Gefahr des kühlen Nass ein sicheres Gefühl gegeben hatten.

Unsicher schaute sie ihn an. Erneut legte sich ein Rotschimmer über ihr Gesicht.

„Oh, ich dreh mich schon um“, murmelte Tai und tat, was er sagte.

Langsam entledigte sich Mimi ihres Tops und der Shorts bis sie nur noch in Unterwäsche da stand.

„Okay“, flüsterte sie leise.

„Na dann auf“, Tai schaute sie an und hielt einen Moment inne. Mimi konnte erkennen, dass auch er errötete. Dennoch hielt er ihr die Hand hin. Und Mimi ergriff sie nur zu gerne.

 

Sie lachten. Bespritzten sich mit Wasser. Tunkten den anderen unter Wasser. Immer wieder berührten sie sich. Erst zufällig, doch nach der Seite war die Hemmschwelle gesunken und sie suchten den Körperkontakt zum anderen. Mimi konnte nicht glauben, wie leicht sie sich in diesem Augenblick gefühlte hatte. Es war, als gäbe es nur noch sie und Tai. Alles andere existierte in einer anderen Welt, die sie gerade verlassen hatten.

Als Tai erneut nach Mimis Taille griff, um sie hochzuheben und ein Stück zu schmeißen, hielt klammerte sich Mimi mit ihren Händen um Tais Hals und mit ihren Beinen um seine Hüfte. Automatisch griff Tai nach Mimis Oberschenkeln, um ihr Halt zu geben. Unsicher schaute Mimi über Tais Schulter hinweg in eine andere Richtung. Wieso hatte sie sich bloß dazu entschieden, sich plötzlich an ihn zu klammern? So wohl sie sich fühlte in seinen Armen fühlte, sie wusste doch gar nicht, ob ihm das recht war. Vielleicht hielt er sie ja bloß aus Höflichkeit fest?

„Das gefällt mir“, flüsterte er ihr sanft ins Ohr und erlöste Mimi aus ihrer Unsicherheit, ob sie Tai mit dieser Aktion nicht von sich gestoßen hatte.

Langsam drehte Mimi ihren Kopf in seine Richtung und ihre Blicke trafen sich auf Augenhöhe. Noch nie hatte sich Mimi so wohl gefühlt. All die Schmetterlinge in ihrem Bauch fingen an, mit ihren Flügelchen zu schlagen. Als sich dann auch noch Tais Lippen den ihrigen langsam näherten bis sie schließlich zaghaft aufeinandertrafen, war es um Mimi geschehen. Dieser Kuss war so zärtlich und voller Gefühl, dass sie wünschte, er würde nie enden.

Doch nach einigen Augenblicken zog Tai seinen Kopf zurück und legte seine Stirn an Mimis.

„Wir sollten langsam aus dem Wasser raus. Deine Lippen werden schon blau“, hauchte er leise.

„Oh, okay“, murmelte Mimi und man konnte ihr die Enttäuschung anhören. Tai lächelte jedoch nur und machte keine Anstalten, Mimi bei ihrem Versuch, sich von ihm zu lösen, gehen zu lassen. Stattdessen hielt er sie weiterhin fest und trug sie an Land, bis sie bei ihren Taschen angekommen waren. Erst dort ließ er sie wieder runter.

Verunsichert, was sie als nächstes machen sollten, standen sie einander gegenüber. Während Mimi wieder ihren Blick zur Seite schweifen ließ, kratzte sich Tai verlegen am Hinterkopf.

„Oh. Schau mal, wir haben den Anfang vom Sonnenuntergang verpasst“, meinte Mimi, als ihr Blick auf den See fiel, der mit den warmen Gelb- und Rottönen der untergehenden Sonne getränkt war.

„Noch ist er ja nicht vorbei“, meinte Tai und beugte sich zu Mimis Tasche. „Wir sollten die Picknick-Decke als Handtuch benutzen.“

 

„Das könnte ich mir jeden Abend anschauen“, flüsterte Mimi leise und lehnte sich ein Stückchen zurück, in der Gewissheit, dass Tai als Stütze hinter ihr saß. Sie hatten sich auf den Boden gesetzt und Mimi saß zwischen Tais Beinen. Beide trugen noch immer nur ihre Unterwäsche, damit diese noch trocknen konnte, bevor sie ihre Kleidung nass machen würde. Da es immer noch angenehm warm war, war das auch kein Problem.

Tais Händen ruhten auf ihrem nackten Bauch. Von dem unangenehmen Gefühl, sich vor Tai zu entblößen, war nichts mehr da. Stattdessen war nun eine Atmosphäre der Vertrautheit zwischen den beiden entstanden, die Mimi das Gefühl gab, schweben zu können. Ob sich so Verliebtsein anfühlt?

„Das sollten wir einrichten können“, antwortete Tai und hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfe, während er seinen Griff um sie noch verstärkte.

 

Als Mimi nach ein paar Minuten, die sich als eine halbe Stunde entpuppte, ihre Augen wieder öffnete, war Kari immer noch am Lesen, aber die anderen gerade dabei, sich vom See zurück zu ihrem Platz zu begeben. Lächelnd beobachtete Mimi ihre Freunde. Tai schubste Matt noch einmal zurück ins Wasser, dieser rächte sich damit, dass er Tai mit Wasser bespritzte, wodurch eine kleine Wasserschlacht zwischen den beiden entstand. Izzy, Joe, Sora und Takeru waren bereits zurück und in ihre Handtücher gewickelt, als die beiden Jungs es endlich aus dem See schafften.

Mimi beobachtete, wie Tai sich gerade bückte, um einen Ball, der vor seine Füße gerollt war, aufzuheben. Doch ihre gute Laune, die sie den Tag über gehabt hatte, verflog augenblicklich, als sich die Besitzerin des Balls näherte und offensichtlich anfing, mit Tai zu flirten. Auf Mimis Stirn bildeten sich Furchen und obwohl es sie nicht kümmern sollte, was Tai machte und obwohl sie nicht hinschauen wollte, konnte sie den Blick nicht von dem Geschehen abwenden. Was redeten die beiden da bloß?, fragte sich Mimi und wünschte, sie könnte Mäuschen spielen. Doch als die unbekannte, schlanke Brünette dann auch noch lachend Tais Unterarm berührte, nachdem dieser offenbar etwas Witziges gesagt hatte – immerhin lachte Tai auch! – war es Mimi plötzlich zu viel.

Sie wollte nur noch weg hier! Schnell stand Mimi auf und fing an, ihre Sachen in die Tasche zu packen und sich wieder anzuziehen.

„Was ist denn los?“, fragte Kari verwirrt und auch die anderen schauten Mimi fragend an.

„Oh, sorry, mir ist gerade eingefallen, dass, ähm.. dass wir heute Abend zum Essen bei Freunden eingeladen sind und ich schon viel zu spät dran bin.“ Auch wenn Mimi ihre Freunde wirklich nur ungern anlog, die Wahrheit konnte sie ihnen nicht sagen.

An den kritischen Blicken merkte sie auch, dass ihre Freunde ihr das nicht abkauften, doch sie sprachen sie nicht darauf an, sondern verabschiedeten sich von ihr und ließen Mimi gehen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

es freut mich, dass ihr es bis hier ans Ende des Prologs geschafft habt :)
Das war nun also ein kleiner Ausschnitt aus der Vergangenheit der Gruppe.
Im ersten Kapitel gibt es dann einen Zeitsprung und die Charaktere sind auf der Oberschule. Von da an wird die Geschichte auch aus Mimis Sicht handeln.
Ich werde versuchen, in den kommenden Tagen noch Charakterbeschreibungen hinzuzufügen.

Ich möchte euch auch noch auf das Drabble-Projekt zu Weihnachten von der lieben dattelpalme11 und der lieben Khalessi26, dem ich mich angeschlossen habe, aufmerksam machen. Hierbei würden wir euch gerne mit einbeziehen. Fühlt euch daher frei, uns bis Samstag, 04.11.2017, einen weihnachtlichen oder winterlichen Begriff mit eurem Wunsch-Pairing per ENS mit dem Betreff "Weihnachtsprojekt" zukommen zu lassen.

Liebe Grüße,
dattelpalme94 :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

Mimi ist also nach fünf Jahren zurück in Tokio! Das wird sicher für einigen Wirbel sorgen :D
Habt ihr Vermutungen, wo Matt sein könnte? ;D

Ich habe mittlerweile der Geschichte nicht nur ein Titelbild gegeben, sondern auch die Charakterbeschreibungen hinzugefügt. Ihr könnt ja mal reinschauen, wenn ihr wollt. Für drei Charaktere habe ich kein Bild gefunden, mit dem ich glücklich war. Aber da ich euch die Charakterisierung nicht vorenthalten wollte, sind sie eben ohne Bild. :D

Liebe Grüße,
dattelpalme94 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr lieben :)

Heute gab es einen kleinen Einblick in das Training und ein paar Hintergründe zu Matt.
Nächste Woche wird es wieder um einen Schultag gehen, der für Mimi und (unfreiwillig für) Izzy eine Veränderung mit sich bringen wird.

Vielen Dank für eure Favoriteneinträge und die lieben Kommentare <3
Habt's fein und liebe Grüße <3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

Izzy wurde also unfreiwillig zum Klassensprecher :D Die Idee mit der Klassensprecherfahrt hab ich aus dem wunderschönen Anime bzw. Manga 'Blue Spring Ride'. Doch bevor die Kapitel mit der Fahrt kommen, muss Mimi nächste Woche erst einmal ihren Eltern davon berichten, dass sie jetzt Klassensprecherin ist.

Bis dahin wünsche ich euch eine schöne Woche.
Liebe Grüße :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

ich muss zugeben, dass es sehr Spaß gemacht hat, Mimis kleine Revolte gegen ihre Mutter zu tippen :)
Im nächsten Kapitel geht es dann schon auf das Teambuilding-Seminar.

Erinnert ihr euch noch daran, dass die liebe dattelpalme11, die liebe Khaleesi26 und ich eine Kleinigkeit für Weihnachten vorbereiten wollen? Wir haben uns jetzt zusammengetan und beschlossen, dass wir eine Art "Countdown" für Weihnachten machen werden. Das heißt, wir werden montags in der Weihnachtswoche mit unserer Reihe beginnen. Wir haben uns zu diesen Zweck einen gemeinsamen Account mit dem Namen Tarima angelegt. Nur damit ihr euch nicht wundert ;)

Habt es fein :)
Liebe Grüße <3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

da war es also Matt, der gelauscht hat :D jetzt ist auch raus, warum er sich wirklich getrennt hat von Sora.. nachvollziehbar oder noch verwirrender? :D

Ich wünsch euch ein schönes Adventswochenende!
Habt's fein!:) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben!

Nachdem es letzte Woche eine Mimato-Szene gab, gibt es heute mal Michi ;)
Nächste Woche wird leider kein neues Kapitel kommen, da ich nach dem ganzen Weihnachtsstress erstmal eine Pause brauche :D Weiter geht es also Anfang Januar :)

Ich wünsche euch allen ein ganz tolles Weihnachtsfest, schöne und besinnliche Feiertage, an denen ihr euch erholen könnt! Und ich wünsche euch jetzt schon einen guten Rutsch ins neue Jahr! :)
Habt's fein! :* Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

Ich wünsche euch etwas verspätet ein frohes neues Jahr und hoffe, ihr habt das Jahr gut angefangen <3

Ich glaube, der Gefühlsausbruch hat Sora ganz gut getan und dass sie mal alleine mit Mimi reden konnte :) ab jetzt geht es wieder regelmäßig weiter, sprich donnerstags kommt ein neues Kapitel :)

Habt es fein!
Liebe Grüße:) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben!

Leider war ich gestern ziemlich im Stress, weshalb ich erst heute dazu gekommen bin, das Kapitel Korrektur zu lesen und dann hochzuladen. Nächste Woche geht es - wenn nichts dazwischen kommt - wie gewohnt am Donnerstag weiter. :)

Habt ein schönes Wochenende!
Liebe Grüße! :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben!

Leider bin ich gerade, ähnlich wie Mimi, ziemlich im Stress. Für das Studium muss ich einiges machen, weshalb ich leider erst in den kommenden Tagen eure lieben Kommentare beantworten werde. Sie werden aber auf jeden Fall noch beantwortet!

Aber was denkt ihr: spricht Matt mit Tai und Sora und wie verlaufen die Gespräche gegebenenfalls? ;)

Habt es fein!
Liebe Grüße<3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

nach einer Woche Pause melde ich mich auch mal wieder mit einem neuen Kapitel. Es tut mir wirklich Leid, dass ich letzte Woche nicht hochgeladen habe, aber ich muss gerade ziemlich viel für die Uni erledigen. Da ich deswegen auch kaum zum Schreiben komme, habe ich mich - schweren Herzens! - dazu entschieden, im 2-Wochen-Rhythmus hochzuladen.

Die nächsten Kapitel behandeln dann die Ferien und es wird ein bisschen was ans Licht kommen ;)

Bis dahin. Habt es fein!
Liebe Grüße! <3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

nach einer etwas längeren Auszeit melde ich mich mal wieder mit einem neuen Kapitel. Tut mir wirklich Leid, dass ihr so lange warten musstet. Leider spannt das Lernen mich mehr ein als ich dachte und ich komme momentan kaum zu etwas anderem. Aber heute habe ich einen Moment Luft, um mal wieder ein Kapitel hochzuladen :)

Als Entschädigung für die lange Wartezeit gebe ich euch einen kleinen Ausblick auf das nächste Kapitel: Es wird den Namen "Reise in die Vergangenheit" tragen und ich muss zugeben, dass ich persönlich es sehr emotional finde.. Ihr könnt ja Vermutungen da lassen, in wessen Vergangenheit es einen Einblick geben wird ;)
Ich hoffe, ich muss euch auf das nächste Kapitel nicht so lange warten lassen.. aber das Examen ist ja auch bald geschafft und dann hab ich wieder mehr Zeit :)

Liebe Grüße :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
HalliHallo ihr Lieben,

ich muss gestehen, mir hat das Kapitel beim Schreiben ziemlich zugesetzt, aber ich wollte die Geschichte, wie Izzy zu seinen Adoptiveltern gekommen ist, unbedingt erzählen.. ich bin gespannt, was ihr zu dieser kleinen Reise in die Vergangenheit sagt.

Dann habe ich noch zwei Ankündigungen für euch:
Zum einen werde ich jetzt wieder wöchentlich ein Kapitel hochladen, da der Prüfungsstress vorbei ist und ich nun wieder mehr Zeit habe :)
Zum anderen haben die liebe dattelpalme11, die liebe Khaleesi26 und ich uns wieder zusammengetan und ein neues Projekt geplant! Dazu wollten wir fragen, ob von euch jemand Lust hat, bei unserem Projekt mitzumachen, da es ein interaktives Projekt werden soll :) Falls ihr also Interesse habt, könnt ihr einen von uns gerne anschreiben und wir geben euch mehr Informationen:)

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,

da kündige ich vor zwei Wochen an, dass ich nun wieder wöchentlich hochladen möchte und verpeile es glatt.. Tut mir leid! Ich gelobe Besserung! :)
In diesem Sinne: ein schönes Wochenende und bis nächste Woche :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (44)
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Von:  dattelpalme11
2018-07-24T12:24:35+00:00 24.07.2018 14:24
Hallo meine Liebe :)

Wie versprochen geht es nun weiter :D
Nach diesem Kommentar bin ich dann auch endlich wieder aktuell :)

Mimi scheint sich wirklich sehr viele Gedanken zu machen, aber ich finde es auch verständlich. Ich möchte mir nämlich auch nicht vorstellen wie es ist meine beste Freundin zu verlieren >_>
Ihre Mutter hat wirklich viel durchgemacht, allerdings auch wenig verarbeitet :/
Sie scheint Mimi nach wie vor sehr einzuengen, was auf Dauer sicher nicht gut ausgehen kann :/

Das Gespräch zwischen Izzy und Mimi hat mir auch sehr gefallen. Ich mag ihre Freundschaft und man merkt einfach, dass beide füreinander da sind, egal was passiert.
Ich glaube es ist auch wirklich schwer diese Situation in Worte zu fassen. Izzy wird seine leiblichen Eltern immer vermissen, auch wenn seine Adoptiveltern ihn aufrichtig lieben. Es fehlt irgendwas, aber ich glaube ihm würde es helfen, mehr über seine Eltern zu erfahren.
Worin er ihnen ähnlich war und vielleicht auch warum der Unfall passiert ist. Als ich Adventure geschaut habe, habe ich mich nämlich immer gefragt, wo Izzy während des Unfalls war o.o

Soo kommen wir nun zum aktuellen Kapitel :P
Alle gehen zum Badesee und Mimi ist ja Anfangs ziemlich enttäuscht, dass Tai nicht dabei ist :D
Echt lustig, dass Sora sie sofort durchschaut :D
Schön fand ich auch die Rückblende, weil man hierbei mehr über die ehemalige Beziehung von Tai und Mimi erfährt :)
Der See ruft also nostalgische Erinnerungen bei Mimi hervor ;)
Aber der Tag scheint auch echt schön gewesen zu sein. Man merkt auch, dass beide sich zueinander hingezogen fühlen, auch wenn noch alles recht unschuldig zwischen ihnen verläuft.
Mir wäre es mit 15 allerdings auch unangenehm gewesen in Unterwäsche baden zu gehen, auch wenn es streng genommen wirklich fast dasselbe ist :D

Aber dann wacht Mimi aus dieser Erinnerung auf und wird auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Taichi flirtet also mit einer anderen o.o
Ohje, ich glaube da wäre ich auch gegangen. Hoffentlich taucht das unbekannte Mädchen jetzt nicht öfter auf xD
Aber gut, wir werden es sehen o.o
Soo jetzt bin ich wieder aktuell :D
Freue mich, wenn es weitergeht!

Liebe Grüße <3:*
Von:  dattelpalme11
2018-07-23T15:44:22+00:00 23.07.2018 17:44
Hallo meine Liebe :)

Es wird mal wieder Zeit, dass ich einige Kapitel von dir aufhole :D Eigentlich wollte ich das gestern schon, aber leider ist mir dann doch etwas dazwischen gekommen :/
Aber jetzt bin ich hier :D

Ach ja, ich mag ja Mimi und Yamato unglaublich gerne, aber ich glaube das weißt du mittlerweile sicher :D Ich finde die Interaktion zwischen den beiden einfach sehr authentisch und lebendig.
Wie sie ihn bezüglich seiner Ordnungsliebe aufzieht ist echt süß und mein Mimato-Herz schreit deutlich nach mehr *_*
Auch das Matt und Tai so im Kontrast stehen finde ich ganz spannend :D
Ich finde es auch schön, dass wir mehr über den Streit der beiden erfahren haben. Es ist echt interessant, wie alles miteinander verwoben ist, denn „Feigling“ finde ich jetzt auch keine schlimme Beleidigung. Aber in diesem Kontext kann ich irgendwie schon verstehen, warum Taichi sauer ist. Matt hat quasi in seiner offenen Wunde herumgestochert, obwohl auch beide in diesem Moment verletzt waren. Ich hoffe beide bekommen nochmal die Gelegenheit miteinander zu reden :(
Nämlich irgendwie scheint das Ganze immer noch zwischen ihnen zu stehen, auch wenn sie es vermeintlich geklärt haben…

Aber dann geht’s auch schon weiter und beide schreiben ein Lied miteinander und oh mein Gott, ich liebe den Song *_* Er passt echt unglaublich gut in Mimis Situation und hat auch für mich einen sehr emotionalen Wert. Ich bin auch echt mal gespannt, wie der Song auf dem Schulfest angekommen wird und ob auch rauskommt, dass Mimi das Lied geschrieben hat :P

Und dann folgt die Reise in die Vergangenheit :( Ich muss ja gestehen, dass ich Izzys Geschichte in Adventure immer mit am Traurigsten fand. Ich konnte verstehen, warum er sich hinter seinem Laptop verkrochen hat und sich vor der Wahrheit versteckt hatte…
Ich finde es daher echt toll, dass du seine leiblichen Eltern einbringst, die mit Mimis Eltern und den Izumis befreundet waren!
Ich denke, nach diesem Kapitel kann ich Mimis Mutter auch ein bisschen besser verstehen. Sie hat ihre beste Freundin verloren, die das Tanzen liebte und irgendwie versucht sie diese Erinnerung auf Mimi zu übertragen :/ allerdings wird das Mimi sicherlich auf Dauer kaputt machen >_<
Ich hoffe, dass Satoe das auch irgendwann erkennt!
Schön finde ich, dass Mimis Vater hier so offen mit ihr redet. Ich denke Mimi hat die Wahrheit ebenfalls verdient und ich mag die Vater-Tochter-Beziehung der beiden echt gerne, auch wenn ich hoffe, dass sich ihr Vater in der Zukunft noch mehr für sie einsetzt.
Ich habe nämlich das Gefühl, dass Mimi es ihrer Mutter jetzt erst recht machen möchte, was sicher nicht gesund für sie ist :(

Ich bin auf jeden Fall gespannt wie es weitergeht und hoffe, dass ich die nächsten beiden Kapitel auch bald lesen kann <3
Liebe Grüße und wir schreiben :) <3
Von:  Linchen-86
2018-06-29T12:23:49+00:00 29.06.2018 14:23
Hallo Liebes :)

Jetzt komme ich mal dazu, dein Kapitel zu kommentieren :)

Es hat mir wirklich gut gefallen. Endlich mal ein kleiner Rückblick und der Anfang des Ganzen. Es fing ja wirklich sehr schön an. Scheinbar hatte Taichi schon vorher ein Auge auf Mimi geworfen und da schien er sich endlich getraut zu haben. Es wirkt so harmonisch, als wären sie völlig im Einklang. Ich nehme mal an das ein Missverständnis zu dem Bruch geführt hat? Ich wüsste nicht was sonst der Grund ist und meistens liegt sowas doch an mangelnder Kommunikation und viel Eigeninterpretation. Ich bin also gespannt.

Das Taichi gut aussieht und fürs andere Geschlecht interessant ist, kann ich mir denken ;) ich hoffe jedoch, dass es bei einem einmaligen Flirt bleibt und daraus nicht mehr wird.

Ich hoffe Tai und Mimi finden bald die Möglichkeit wieder miteinander zu reden. Sodass sie wenigstens normal miteinander ungehen.

Ich freue mich aufs nächste :)

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende :):*
Von:  Hallostern2014
2018-06-24T16:35:02+00:00 24.06.2018 18:35
Huhu,😘

Hehe Mimi hatte also auf Tai gewartet. Will sie doch nichts von Matt? Hoffentlich, er gehört zur Sora.

Die Rückblende der beiden war einfach nur schön. Und Traumhaft. Und jetzt? Rede beide nicht mal ein vernünftiges Wort miteinander.

Aber, dass Mimi so Eifersüchtig reagiert sagt ja sowieso alles. Hätte Tai wohl aus so reagiert? Aber vielleicht hatte er es auch bemerkt, dass sie weg ist. Schön wäre ja wenn er ihr hinterher läuft.

Bin schon gespannt. Was uns als nächstes erwartet.
Ich wünsche dir einen schönen Rest Sonntag und einen schönen Wochenstart.
Ganz liebe Grüße 😘😍❤
Von:  Hallostern2014
2018-06-16T06:31:23+00:00 16.06.2018 08:31
Huhu 😘

Mimi tut mir sehr leid. Sie weiß nicht richtig was sie tun soll. Den die Geschichte von Izzys Leiblichen Eltern.

Onein. Sie veliebt sich doch nicht hoffentlich in Matt. Dass kann sie wirklich nicht Sora antun. Genau so wening Tai. Für beide würde eine Welt zusammen brechen. Gerade für Sora weil sie Matt noch liebt. Und Tau würde beide nicht verzeihen. Würde Matt genau so fühlen...

Zum Glück kann sie mit Izzy über die Vergangenheitsache reden.

Ich bin gespannt was uns im nächsten Kapitel erwartet.
Wünsche dir ein schönes Wochenende und ganz liebe grüße 😘
Von:  Hallostern2014
2018-06-05T06:00:08+00:00 05.06.2018 08:00
Huhu❤

Buh ich musste auch erstmal schlucken. Mimis Eltern und Izzys Adoptiveltern mussten schreckliches durch machen. Izzy tat mir sehr leid.

Jetzt wissen wir welchen Traum Mimi erfüllen sollte. Den Traum von Satoes beste Freundin. Dabei hatte Mimi schon eine gemeinsamkeit mit ihrer Mutter. Die Musik. Vielleicht hätte es ihr auch geholfen wennn beide was mit Musik machen.

Ich finde Mimis Papa immer toller. Er weiß das er ein Fehler gemacht hatte und endschuldigt sich auch fürs Verhalten der Mutter.
Ich bin gespannt was Mimi aus den Noten macht und wie ihre Mutter darauf reagieren tut.

Freue mich schon aufs nächste kap.

Na das hört sich ja Interessant an. Bin gespannt was da raus kommt🙈. Schade das ich kein Computer oder Laptop Zuhause habe. Sonst würde ich es mir auch überlegen mit zu machen.😓.

Ganz liebe grüße 😘❤🌷
Antwort von:  dattelpalme94
14.06.2018 19:03
Hallo :)

puh, ging mir genauso :( das ist wirklich keine schöne Geschichte, aber mir war es wichtig, auch mal diese Seite von Izzys Vergangenheit zu beleuchten.

Ja, vielleicht hätte die Musik Satoe helfen können, aber leider ist sie nun diesen Weg gegangen..

Mimis Papa mag ich auch :D er reflektiert sein Verhalten viel besser und sieht daher seine Fehler.

Hat dein Handy vielleicht Word als App? Dann könntest du so bei dem Projekt mitmachen :)

Liebe Grüße :)
Antwort von:  Hallostern2014
14.06.2018 19:57
Leider nicht 😑. Und jetzt geht es wohl auch noch bald Kaputt😓
Antwort von:  dattelpalme94
14.06.2018 20:27
Oh schade! :(
Von:  Linchen-86
2018-05-06T18:48:11+00:00 06.05.2018 20:48
Hallo Liebes :)

Mein Kommi kommt spät, aber es kommt :)

Ich fand es richtig schön wie Mimi und Matt zusammen Musik machen. Ich glaube, wenn sie das nachher im Duett singen könnte das richtig toll werden.

War der Text von dir?' Hat mir sehr gut gefallen :) und auch ihre Gespräche waren toll. Jetzt weiß man warum die Beiden Männer sich gestritten haben. Für mich klingt es nach verletzten Stolz oder so einer Egonummer. Ich finde aber gerade als beste Freunde muss man sich auch mal die unschöne Wahrheit sagen können. Ich hoffe sie reden da bald vernünftig drüber und sind wieder gute Freunde.
Immerhin gibt es einen besten Freund nur einmal.

Hmm... Ich glaube es könnte sich um Taichis Vergangenheit drehen. Irgendwie würde das passen, weil es gerade schon Thema wurde.
Und wenn du dann erwähnst dass es emotional wird, könnte ich mir einen schönen aber auch traurigen Michimoment vorstellen.
Ich bin gespannt, wie es weiter geht :)

Liebe Grüße :):*
Antwort von:  dattelpalme94
31.05.2018 19:48
Hallo meine Liebe :)

endlich komme ich mal zum Antworten. Verzeih, dass es so lange gedauert hat :(

Schön, dass es dir gefallen hat, wie die beiden miteinander Musik machen :) mir gefallen die Szenen auch gut^^

Ne, der Text war nicht von mir, so kreativ bin ich nun doch nicht :D das ist aus Glee und heißt "Get it Right" :)
Ich denke auch, dass man gerade die Kritik, die von besten Freunden kommt, nicht böse nehmen darf.. sie meinen es ja nur gut und auch wenn die Wahrheit unschön ist, ist es besser, sie gesagt zu bekommen.

Leider dauert es noch bis die Vergangenheit von Mimi und Tai beleuchtet wird.. jetzt geht es erstmal um Izzy. Ich hoffe, es gefällt dir trotzdem :)

Liebe Grüße :*
Von:  Hallostern2014
2018-05-01T18:55:45+00:00 01.05.2018 20:55
Huhu❤.

Ich freue mich riesig, dass es weiter ging😍.

Soso beide schreiben also an Texten. Ich fand es witzig wie Mimi die Männer beschreibt und dachte da auch eher an Tai als an Matt😂.

Endlich wissen wir was zwischen Tai und Matt genau vorgefallen ist. Ich finde zwar auch nicht gut wie die auseinander gegangen sind. Und hätte Matt sich Tais Worte wohl genau angehört hätte ich ihn was auffallen müssen. Wieso kann er sich nicht bei Mimi melden ? Wieso ging es nicht? Und das er sich dann mit Matt nicht mwhr geredet hat zeiht wie sehr er verletzt ist und ich glaube nicht, dass es an Matts Worten lag sondern, ebend weil er sich nicht bei Mimi melden kann und er deswegen Verletzt ist.

Der Text war toll😍.
Ach und solange Mimi Matt nur Hübsch und es bei der Umarmung bleibt bin ich beruhigt. Dann können beide sich öfters treffen um an den Song zu schreiben.

Ich denke das es im nächsten Kap darum geht warum Tai sich nicht bei Mimi gemeldet hat. Oder die Verabschiedung. Ich freue mich aber schon aufs nächste kap.

Ganzzz liebe grüße 😘❤🌷
Antwort von:  dattelpalme94
31.05.2018 19:44
Hallo Liebes :)

freut mich, dass du dich freust:) jetzt geht es auch wieder wöchentlich weiter, da meine Prüfungen vorbei sind und ich wieder mehr Zeit habe :)

Ich muss gestehen, ich finde auch, dass Tai sich wegen Matts Worten ein wenig divenhaft aufgeführt hat, aber ich gebe dir auf jeden Fall Recht, dass es weniger die Worte waren, die Tai verletzt haben, sondern die Tatsache, dass er sich, warum auch immer, nicht bei Mimi melden kann..

Dazu, wie die Freundschaft von Mimi und Matt sich entwickeln wird, kann ich dir noch nichts verraten ;) aber ich mag die beiden auch, wenn sie gemeinsam an Songs arbeiten.. so ist es weniger langweilig beim Songs schreiben und man kann sich gegenseitig helfen :)

Da das neue Kapitel ja schon online ist, kann ich dir verraten, dass es nicht Tais und Mimis Vergangenheit ist, die im Kapitel behandelt wird ;)

Vielen lieben Dank für dein Kommentar :)
Hab ein schönes Wochenende und liebe Grüße <3
Von:  dattelpalme11
2018-03-25T13:53:14+00:00 25.03.2018 15:53
Hallo meine Liebe,

da ich heute ein bisschen Zeit habe, dachte ich mir, dass ich die letzten Kapitel von dir mal aufholen könnte :)

Puhh, Mimi tut mir ganz schön leid. Sie hat wirklich sehr viel Stress und ich habe ein bisschen Angst, dass sich die Gute auf Dauer übernimmt :( Sie hat sich zwar jetzt eingewöhnt, aber trotzdem wird sie von diesem ständigen Druck begleitet, der auf Dauer echt nicht gesund sein kann >_>
Und jetzt isst sie scheinbar auch weniger, weil sie vor lauter Stress kaum Zeit dazu hat :/ Also ich muss Izzy an dieser Stelle echt recht geben! Ich merke auch immer sofort, wenn ich wenig gegessen habe, da ich meistens Migräne davon bekomme xD
Und scheinbar machen sich auch mehrere Leute um Mimi Sorgen…auch Tai.
Süß fand ich, dass sie ihn daraufhin extra aufgesucht hat, um ihm zu sagen, dass er sich keine Sorgen machen braucht :D
Hier hat man auch wieder gemerkt, dass noch irgendwas Unausgesprochenes zwischen den beiden ist :/ Ich hoffe, sie können irgendwann darüber sprechen <3
Die Dynamik zwischen Matt und Mimi mag ich in deiner Geschichte auch unglaublich gerne :D Man merkt richtig, dass die beiden sich gut tun und sich jeweils in die richtige Richtung schubsen :D
Sowas mag ich echt gerne und hoffe, dass wir noch mehr Szenen zwischen den beiden zu Lesen bekommen :>

Das nächste Kapitel trägt den Titel Psychoanalyse, was ich echt lustig fand, da ich in meiner BA psychoanalytisch gearbeitet habe und meine Dozentin ein großer Fan davon ist :D
So, so Matt hat also mit Tai geredet und beide nähern sich wieder an, während Sora all das sehr unangenehm ist >_>
Und dann reden sie alle über ihre Ferienplanung. Hier merkt man irgendwie so ein bisschen, dass das Ballett Tai ein Dorn im Auge ist. So wie er Mimi dafür angeht…aber gut man muss auch sagen, dass Mimi wirklich sehr viel Zeit dafür investiert und manche Dinge vielleicht zu kurz kommen könnten :/
Die Metapher mit dem Himmel fand ich auch sehr schön gewählt, weil er ja wirklich jeden Tag anders aussehen kann und Soras aktuelle Situation gut wiederspiegelt.
Aber auch das Gespräch zwischen den beiden fand ich sehr gut. Ich glaube Mimi hat nochmal alles schön zusammengefasst. Ich denke nämlich auch, dass es für Matt wichtig ist, es versucht zu haben. Wenn er dann scheitert, wäre es nicht so dramatisch, da er es versucht hat. Ich glaube, er würde es für immer bereuen, wenn er es nie versucht hätte. Und die Beziehung mit Sora aufrecht zu erhalten, wäre einfach unter diesen Umständen sehr schwer geworden. Dennoch gebe ich die beiden als Paar noch nicht ganz auf ;)

Kommen wir nun zum aktuellsten Kapitel :D Also irgendwie merkt man immer mehr, wie sehr Mimi sich mit Ballett quält. Ich glaube ihr zwar, dass sie es früher mal gerne gemacht hat, aber mittlerweile ist es wirklich mehr Zwang als Freude :(
Die Szene, wo alle über Frau Hifumi sprechen, hat mich ein bisschen an die vierte Staffel von Glee erinnert. Da gab es auch eine sehr strenge Lehrerin und sie war nur so streng, weil sie wohl während eine Vorstellung mega ausgeflippt war und dadurch ihren Job am Broadway verloren hatte xD
Aber bei ihr war es ja eher Unspektakulär. Trotzdem stelle ich mir einen Knöchelbruch in diesem Bereich echt heikel vor. Ich glaube sie kann froh sein, dass sie noch unterrichten kann, obwohl ihre Karriere damit auch beendet wurde :(
Und ich glaube auch, dass Mimi sich das alles nochmal überlegen sollte…der Druck wirkt sich auf sie aus und ihr geht es echt nicht gut damit :/
Sie liebt zwar das Tanzen aber sagt selbst, dass es eigentlich der Traum ihrer Mutter ist. Ich glaube, dieser Konflikt wird sich auch noch etwas durch die Geschichte ziehen…dennoch hoffe ich, dass Mimi die beste Entscheidung für sich trifft und nicht für ihre Mutter.
Und am Ende taucht dann auch noch Matt auf *_*
Haha und Kari ist skeptisch :D Bin mal gespannt, ob sie Tai erzählt, dass Mimi und Matt auch Zeit zu zweit miteinander verbringen :D
Soo ich bin auf jeden Fall mal sehr gespannt wie es weitergeht ;D
Ich hoffe, du lädst bald das Nächste hoch ;)

Liebe Grüße :* <3
Antwort von:  dattelpalme94
31.05.2018 19:38
Hallo meine Liebe :)

endlich komme ich mal dazu, auf dein liebes Kommentar zu antworten :) Vielen lieben Dank für deine Worte :)
Puh.. Mimi ist wirklich auf dem besten Wege, sich zu übernehmen, aber ich glaube, die besorgten Worte ihrer Freunde haben ihr die Augen geöffnet, dass sie trotz allem auf sich Acht geben muss.
Mimi und Tai.. die beiden brauchen noch eine Weile, bis sie alles klären können..
Oh danke dir <3 Ich mag Mimi und Matt auch gerne zusammen und freue mich daher, dass sie dir hier gefallen :) die beiden bekommen auch noch ein paar gemeinsame Szenen ;)

Matt und Tai können sich ja nicht ewig anzicken :D und irgendwann muss das ja auch gelöst werden, nicht so wie in Tri :'D
Tai passt das mit dem Ballett wirklich nicht sehr. Ich glaube, er macht sich Sorgen, dass Mimi dadurch alles andere vergisst..
Schön, dass die Metapher gut ankam :) Wetter ist ja für Gefühle immer eine beliebte Metapher :D
Bei Matt stimme ich dir voll und ganz zu. Es ist besser, etwas versucht zu haben und dann zu scheitern als es nie probiert zu haben und sich dann ewig Vorwürfe zu machen.. auch wenn er dafür seine Beziehung zu Sora opfern musste..
Mal abwarten, ob ich deine Hoffnung aufrechterhalten kann oder sie zerstören werde ;)

Ich denke, wenn man älter wird, ändern sich auch die Prioritäten und Interessen, weshalb Ballett für Mimi vllt nicht mehr die erste Priorität ist.
Haha, an der Szene aus Glee hab ich mich auch tatsächlich orientiert :D ursprünglich sollte Frau Hifumi eine ähnlich tragische Geschichte geben, hab mich aber dann dagegen entschieden :D es muss ja nicht immer so etwas Krasses sein, weshalb eine Karriere endet.
Frau Hifumi hat Mimi auf jeden Fall ins Grübeln gebracht und ihr innerer Konflikt wird sich nicht so einfach lösen lassen, da es ja schon eine wegweisende Entscheidung ist, ob sie das Tanzen aufgibt oder weitermacht.
Hm.. Mimi hat es nicht so gepasst, dass Kari auch da war..

Das nächste ist jetzt endlich mal online :)

Liebe Grüße :*
Von:  Hallostern2014
2018-03-02T10:18:37+00:00 02.03.2018 11:18
Huhu.😘

Ohje das Training war wohl richtig hart die Amren.

Ich bin gespannt wie Mimi sich entscheidet.

Ohje ohje ich sehe schon das Drama kommen. Kari wird bestimmt es Matt erzählen und fragen ob er weiß. Was zwischen den beiden ist. Warum die beiden sich alleine treffen. Ohje Tai wird es bestimmt nicht gefallen und Sora wird den aucb was anderes denken. 🙈.

Ich freue mich schon auf nächste kap.
Ganz liebe grüße ❤😘😍
Antwort von:  dattelpalme94
24.04.2018 15:31
Hallo :)

entschuldige, dass ich so lange gebraucht habe, um zu antworten.
Ja, Frau Hifumi hat wirklich harte Ansprüche an die Mädels..

Hm, interessante Theorie bezüglich der Konsequenzen des Treffens von Mimi und Matt. Mal schauen, ob du Recht hast :P

Ich lade gleich nach Ewigkeiten das neue Kapitel hoch :)
Ganz liebe Grüße :*


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