New Horizon von dattelpalme94 ================================================================================ Kapitel 13: Kreative Zusammenkunft ---------------------------------- „Oh man, ich kann nicht mehr“, seufzte Mimi theatralisch auf und ließ sich nach hinten fallen. Sie saß auf Matts Bett, weshalb die weiche Matratze ihren Sturz sanft auffing. Mimi zog ihre Beine an, wobei sie die Blätter vor sich mit den Füßen wegschob, und streckte ihre Arme in Richtung der mit Chips gefüllten Schüssel. „Wehe du krümelst in mein Bett“, ermahnte Matt sie mit strenger Stimme, woraufhin Mimi leise kichern musste. Eigentlich war ihr mehr nach lautem losprusten, doch das konnte sie sich noch verkneifen. „Was ist so witzig?“, hakte Matt genervt nach. Die beiden saßen nun schon seit fast drei Stunden an einem Song, den Matt beim Schulfest spielen wollte, während Mimi das Songschreiben einfach mal ausprobieren wollte. Doch es gelang ihnen einfach nicht, etwas auf das Papier zu bekommen, geschweige denn eine Melodie zu finden. Die Muse wollte einfach nicht zu ihnen konnte. Ein paar Zeilen hatten sie schon auf das Papier gebracht, doch mehr auch nicht. Mimi konnte Matts Frustration daher zwar noch nachvollziehen, aber sie fand auch, dass er zu verbissen an die Sache ranging. „Ich finde es witzig, dass du so auf Sauberkeit und Ordnung bedacht bist“, erklärte sie sich. „Witzig?“, stirnrunzelnd schaute Matt Mimi an, die immer noch auf dem Rücken da lag und ihn angrinste. „Ja, so hätte ich dich nicht eingeschätzt“, gestand sie und legte nachdenklich den Zeigefinger an ihr Kinn. „Ich dachte eher, dass du unordentlich bist, überall Klamotten rumliegen hast und…“, langsam griff sie mit ihrer Hand wieder in die Schüssel, die neben ihr stand, und führte ebenso langsam, fast in Zeitlupe, die Chips zu ihrem Mund, wo sie in ihrer Bewegung innehielt. „… und nichts gegen Krümel im Bett hast“, lachte sie und schob sich dann genüsslich den Snack in den Mund. Prüfend inspizierte Matt sein Bettlaken, auf der Suche nach eventuellen Krümeln, die Mimi hinterlassen haben könnte. „Ich muss dich enttäuschen, aber ich habe es nun mal gerne, wenn alles ordentlich und sauber ist“, sagte er, nachdem er nicht den Hauch eines Krümels entdecken konnte. „Naja, ich dachte eben, weil du ja bei deinem Vater wohnst“, murmelte Mimi verlegen. „Weil ich bei meinem Vater wohne, muss es hier aussehen wie auf einer Müllhalde?“, skeptisch schaute Matt die Brünette an. „So stell ich mir eine Männer-WG eben vor. Chaotisch und wild“, erklärte sich Mimi, der das Gespräch langsam unangenehm wurde. Sie hoffte sehr, dass sie mit der Richtung, die die Unterhaltung einnahm, keinen wunden Punkt bei Matt traf. Immerhin wusste sie ja, dass die Scheidung seiner Eltern ihn damals sehr mitgenommen hatte. Doch mit der Reaktion, die Matt zeigte, hatte Mimi gar nicht gerechnet. Er lachte einfach nur laut auf und hielt sich nach ein paar Sekunden sogar den Bauch vor Lachen. „Hey, das ist gemein. Hör auf zu lachen“, grummelte Mimi und richtete sich auf, um gegen Matts Arm zu boxen. „Sorry“, stammelte er zwischen seinen Lachern. „Aber du schaust eindeutig zu viele Soaps oder so was.“ Beleidigt verschränkte Mimi ihre Arme vor ihrer Brust und zog einen Schmollmund. Matt beruhigte sich kurz darauf wieder und schaute Mimi ernst an. „Jetzt mal im Ernst, Mimi. Mein Dad ist zwar nicht so oft zu Hause, aber er ist mein Dad, der mich erziehen muss. Und Ordnung und Sauberkeit sind Punkte, die ihm dabei wichtig sind. Anders als Tai habe ich diese Punkte auch verstanden“, erklärte Matt. „Das stimmt, bei Tai ist da echt Hopfen und Malz verloren“, stimmte Mimi zu und musste dabei Grinsen. Als sie letztes Jahr bei Tai zu Besuch war, sah sein Zimmer aus als wären seine Schränke explodiert. Überall lagen Klamotten herum, seine Videospiele lagen verteilt auf dem Boden herum und auf seinem Schreibtisch stapelten sich Schulbücher. Dabei hatte Tai extra betont, dass er für sie aufgeräumt hatte, doch sie hatten wohl ein unterschiedliches Verständnis von Ordnung. „Der darf übrigens gar nicht bei mir im Bett essen“, schmunzelte Matt und griff nun ebenfalls in die Schüssel, um von den Chips zu nehmen. „Warum das?“ „Weil er der Krümler Nummer eins ist“, Matt verdrehte seine blauen Augen, um zu signalisieren, wie sehr er von dieser Eigenschaft Tais genervt war. Mimi brachte es aber zum Lachen. Das konnte sie sich sehr gut bei Tai vorstellen. Er war wirklich ein Chaot wie er im Buche steht. „Du, Matt?“ „Hm?“, fragend schaute er sie an während er noch kaute. „Warum haben du und Tai euch so gestritten? War er dir wirklich so sauer, weil du dich von Sora getrennt hast?“, fragte Mimi behutsam nach und legte ihre Arme und ihre angewinkelten Knie. Mit großen Augen schaute sie ihn an und wartete auf eine Antwort. Matt seufzte leise, aber dennoch hörbar, auf und fuhr sich durch seine blonden Haare. Seinen Kopf lehnte er dann gegen die Wand und schaute nach oben. So als würde dort die Antwort stehen. Mimi betrachtete Matt in diesem Moment genauer. Das Licht der Lampe ließ seine Haare noch ein wenig mehr schimmern und erst jetzt fiel Mimi auf, wie schön Matts Profil aussah. Die hohen Wangenknochen und die spitze Nase verliehen seinem Gesicht eine Einzigartigkeit, die perfekt zu den für Japanern seltenen blonden Haaren, von denen einige Strähnen über seine Stirn hingen, passten. Es war Mimi noch nie aufgefallen, aber Matt wirkte so… so männlich. So langsam konnte Mimi verstehen, warum die Mädchen ihm reihenweise nachliefen. Er war wirklich ein hübscher junger Mann. „Es war nicht nur wegen der Trennung“, Matts Worte holten Mimi aus ihren Gedanken und ihr prüfender Blick wich einem fragenden. „Ich habe etwas gesagt, was ich nicht hätte sagen sollen“, gestand er und schaute schuldbewusst auf seine Füße. „Oh“, entfuhr es Mimi, die nicht wusste, was sie sagen sollte. Doch die Neugier überwiegte, weshalb sie weiter fragte. „Was hast du denn gesagt?“ „Als er von der Trennung erfahren hat, ist er hergekommen und hat mich gleich angeschrien, was ich mir dabei gedacht hätte, mit Sora Schluss zu machen und was das alles soll. Ich habe ihm gesagt, dass es besser wäre und ich mich auf die Musik konzentrieren wolle und dann hat er mich einen Egoisten genannt, weil ich nicht nochmal mit Sora darüber reden wollte. Ich war in diesem Moment so wütend“, er ballte die Hände zu Fäusten zusammen und fuhr dann fort. „Vielleicht hätte ich ihm die Wahrheit gesagt, aber dann fing er an, dass ich meine große Liebe nicht einfach so aufgeben könnte und so was. Und dann...“, er stockte einen Moment und Mimi konnte sich denken, dass nun der entscheidende Moment kommen musste. Matts Gesicht sah gequält aus und sie konnte förmlich spüren, dass er die Worte bereute. „Dann habe ich ihn einen Feigling genannt.“ „Einen Feigling? Tai ist dir sauer, weil du ihn einen Feigling genannt hast?“, mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Verwirrung schaute Mimi Matt an. Sie hatte mit den wüstesten Beschimpfungen gerechnet. Mit Worten, die man nicht zu seinem ärgsten Feind sagen würde. Aber ‚Feigling‘ fiel für sie nicht in eine solche Kategorie und schien ihr schon gar nicht ein Grund zu sein, so lange mit seinem besten Freund kein Wort zu wechseln. „Ich habe ihn einen Feigling genannt, weil er mir Tipps geben wollte, die er selbst nicht umsetzen kann. Er sagt, ich solle mit Sora darüber reden, aber er selbst hat es nicht geschafft, mit dir zu reden nachdem du zurück nach New York bist“, betreten schaute Matt Mimi an. Okay. Mit dieser Wendung hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Wenn sie so darüber nachdachte, gab es wirklich einige Parallelen zwischen dem, wie es mit Matt und Sora sowie mit ihr und Tai abgelaufen war. Fehlende Kommunikation, Geheimnisse und Unklarheiten, Sehnsucht nach dem anderen. Es frustrierte Mimi, dass weder sie noch ihre besten Freunde das Glück, das sie einst hatten, behalten konnten. Stattdessen rann es aus ihren Händen wie flüssiges Gold. „Aber darüber hättet ihr doch nochmal reden können, oder? Du hättest es doch klarstellen können, dass es nicht so gemeint war wie du es gesagt hast?“, hakte Mimi nach. „Hätte ich. Aber stattdessen habe ich gesagt, dass er selbst Schuld daran ist, dass er die ganze Zeit schon im Selbstmitleid versinkt. Er könnte dir ja einfach schreiben. Er meinte zwar, dass das nicht ginge, aber wir waren beide so wütend, dass es sich komplett hochgeschaukelt hat und schließlich dazu führte, dass wir nicht mehr miteinander geredet haben“, beendete Matt seine Erzählung und seufzte erneut auf. „Es tat gut, es mal erzählt zu haben. Ich meine, Tai und ich haben das mittlerweile zwar geklärt, aber ich habe es sonst noch niemandem erzählt“, gestand er und Mimi konnte die Erleichterung, die sich in ihm ausbreitete, erkennen, denn seine Gesichtszüge waren nun nicht mehr so verhärtet wie noch wenige Momente zuvor. „Manchmal seid ihr eben zwei wahre Sturköpfe. Kein Wunder, dass ihr aneinandergeraten seid. Nächstes Mal sprecht ihr am besten mit kühlem Kopf darüber“, überlegte Mimi laut. „Nein, nächstes Mal regeln wir sowas bei einer Flasche Bier“, lachte Matt und auch auf Mimis Lippen legte sich ein lächeln. Typisch Mann, dachte sie. „Okay, jetzt lass uns weiterarbeiten. Wir haben noch nichts Produktives für die Songs gemacht“, forderte Matt sie auf. „Wir haben doch vorhin was gemacht“, protestierte Mimi. Doch Widerstand war zwecklos, weshalb sie die Blätter wieder zusammenschob und weiter an einem Text überlegte.                                                              ****    ****   „Pause?“, fragte Mimi müde nach. „Schon wieder?“, fragte Matt mit einem gespielt genervten Unterton nach, nickte dann aber zustimmend. Während Mimi sich auf dem Bett ausstreckte, legte Matt die Gitarre beiseite und streckte sich aus. Er saß nun schon einige Zeit auf dem Boden, weil er fand, dass er so besser spielen könnte, aber auch weil Mimi einfach sein komplettes Bett in Beschlag genommen hatte. Als er gespielt und sie sich auf einen Text konzentriert hatte, lagen überall um die zierliche Brünette abgerissene und zerknäulte Blätter, Stifte, Textmarker. „Wofür brauchst du eigentlich so viel Schreibkram?“, durchdrang seine Stimme die Stille, die sich um sie gelegt hatte. „Wie?“ „Ich brauch zum Schreiben nur ein Blatt und einen Stift. Und bei dir liegt dein komplettes Mäppchen um dich herum.“ „Ich brauch doch aber auch Textmarker, um die Stellen zu markieren, die ich gut finde und aufnehmen will, TipEx, wenn ich was wegmachen will“, erklärte sie und schaute ihn verständnislos an. „Frauen“, nuschelte Matt vor sich hin und erntete dafür einen leichten Schlag auf den Hinterkopf von Mimi. „Zeig mal her, was du bereits hast“, ohne auf ihre Reaktion und Antwort zu warten, griff Matt nach dem Block, auf dem Mimi zwei verschiedene Songtexte niedergeschrieben hatten. „Hey“, protestierte Mimi und wollte nach dem Schriftstück greifen, doch Matt wand sich von ihr ab, so dass sie keine Chance hatte. Stumm ließ er seine Augen über die Zeilen wandern und verzog dabei keine Miene. Irgendwie machte Mimi das nervös. War es so schlecht, dass er gerade überlegte, wie er ihr das schonend beibringen sollte? Oh Gott, bitte nicht, flehte Mimi leise. Immerhin hatte sie sich wirklich große Mühe gegeben und versucht, alles unterzubekommen. In ihrem Kopf schwirrten die verschiedensten Ideen herum, was Matt gleich sagen würde und sie würde versuchen, nicht gleich in Tränen in Tränen auszubrechen, wenn er ihr sagen würde, dass er nicht viel davon hielt. Jedenfalls hatte sie sich das vorgenommen. Es fühlte sich an, als würden die Sekunden länger dauern und mit jeder zähen Sekunde, die langsam verstrich, stieg die Anspannung in Mimi. Es war wie früher, wenn sie in der Grundschule Fantasieaufsätze schreiben mussten. Damals hatte sie auch immer gespannt darauf gewartet, was die Lehrerin zu ihrer Arbeit sagen würde. „Okay“, meinte Matt nach einer gefühlten Ewigkeit. „Okay?“, hakte Mimi nach. Hatte er wirklich nur okay gesagt? Eine schlechtere Antwort gab es doch nicht! Hätte er gesagt, ihm gefielen die Texte oder nicht, dann hätte Mimi eine eindeutige Antwort gehabt, aber so ließ er sie vollkommen in der Schwebe hängen. Okay war wie eine 2- in einer Klassenarbeit: Du bist zwar gut, aber so gut nun auch wieder nicht. „Ja, lass es uns mal spielen“, sagte Matt monoton und griff nach seiner Gitarre, wobei er seinen Blick immer noch auf den Zettel vor sich gerichtet hatte. „Idiot“, murmelte Mimi kaum hörbar ehe sie Matt den Zettel entriss, um den Text ablesen zu können. Bedacht und mit viel Gefühl stimmte Matt die ersten Akkorde an. „Gleich setzt du ein“, befahl er Mimi, war dabei aber immer noch auf seine Gitarre konzentriert. Unglücklicherweise verpasste Mimi bei den ersten Versuchen immer wieder ihren Einsatz, so dass sie wieder von vorne anfangen mussten. Langsam aber sicher fühlte sie sich an ihre Anfangszeit in der Ballettschule hier zurückversetzt. Doch statt sie mit bösen Blicken zu strafen, blieb Matt ganz ruhig und spielte einfach nochmal von vorne. Nichts schien ihn aus der Ruhe bringen zu können. Irgendwann, nach einigen Versuchen, klappte es und Mimi stimmte mit ihrem Gesang zum richtigen Zeitpunkt ein. Leise, und ein wenig unsicher, sang sie die ersten Worte.   What have I done? I wish I could run away from this ship goin' under Just tryin' to help, hurt everyone else Now I feel the weight of the world is on my shoulders What can you do when your good isn't good enough And all that you touch tumbles down?   Mit jedem weiteren Wort wurde sie aber sicherer und fühlte sich wohler.             'Cause my best intentions keep makin' a mess of things I just wanna fix it somehow But how many times will it take? Oh, how many times will it take for me to get it right? To get it right Can I start again? With my faith shaken, 'cause I can't go back and undo this   Schließlich wurde ihre Stimme mit jedem Vers ein wenig lauter und sie konnte die Bedeutung der Worte, die aus ihrer Kehle kamen mit jeder Silbe verstehen.   I'll send out a wish and I'll send up a prayer And finally someone will see how much I care What can you do when your good isn't good enough And all that you touch tumbles down? Oh, my best intentions keep makin' a mess of things I just wanna fix it somehow But how many times will it take? Oh, how many times will it take to get it right? To get it right   „War doch schon ganz gut für den Anfang“, fasste Matt knapp zusammen und legte die Gitarre wieder zur Seite. „Ganz gut? Spinnst du! Das war... Wow“, immer noch voller Glückshormone beugte sich Mimi ein Stück nach vorne, um Matt von hinten zu umarmen. „Ich meine, das ist wirklich ein toller Text, aber lass uns auch mal den anderen Song spielen“, bremste Matt die Euphorie Mimis. Nachdem Mimi ihm die Melodie, die sie sich zu dem Text überlegt hatte, vorgesummt hatte, nahm Matt diese auf und spielte diese und ergänzte sie, während Mimi sang. „Kann ich das zweite Lied für das Schulfest haben?“, fragte Matt aufgeregt nach, als sie das Lied fertig gespielt hatten. Mimi konnte das Leuchten in seinen Augen erkennen. „Bitte, ich habe gerade die Idee! Ich baue dein Lied und meins zusammen – das wird super! Bitte, kann ich es haben?“, flehte er sie an, wobei er die Hände aneinanderlegte, um mit einer bittenden Geste seinen Wunsch zu unterstreichen. Mimi musste bei Matts Reaktion leise kichern. Er war niemand, der zu Gefühlsausbrüchen neigte, daher war das für Matts Verhältnisse schon eine Gefühlsexplosion. „Na klar“, Mimi konnte ihm diesen Wunsch einfach nicht abschlagen. Als Dank zog Matt sie in eine lange Umarmung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)