Spaceapes von Gamesh ================================================================================ Kapitel 26: Flashbacks VI: Don't Matter To Me --------------------------------------------- Vegeta stürmte mit nacktem Oberkörper aus dem Gebäude, in dem das Plattenlabel ansässig war, das die Spaceapes unter Vertrag hatte. Die Fingerknöchel der Hand, in der er seine Lederjacke hielt, waren geschwollen. Den Faustschlag gegen die Tür des Plattenbosses hätten andere als übertrieben bezeichnet, der Sänger jedoch nicht. Zugegeben, er war in letzter Zeit etwas dünnhäutig, aber heute begründet! Nicht immer wurzelten Wutanfälle in seinem exzessivem Mischkonsum. Stress hatte für einen Schweißausbruch bei dem Sänger gesorgt. Der Deal für das nächste Album der Spaceapes war ohne Angabe von Gründen gecancelt worden - obwohl das Songmaterial erstklassig war! Auch ein klärendes Gespräch hatte man Vegeta verweigert. Angeblich musste dieser Wichser von Labelboss wichtige Termine einhalten. Keine Zeit am Arsch! Das Album war mindestens Gold wert, wenn nicht sogar Platin! Vegeta befühlte die linken Tasche seiner Lederhose. Er fand ein Tütchen mit zwei Pillen darin und stieß erleichtert Atem aus aus. Der Stoff würde helfen weiterzumachen, als hätte der Sänger in den letzten Wochen nicht zugunsten der Arbeit Schlaf und Nahrungsaufnahme vernachlässigt. Er hatte alles für seine Musik gegeben, die soeben grundlos abgelehnt worden war! Die Aktion des Labels war nichts weiter als eine persönliche Beleidigung! Ein Versuch ihn zu vernichten! Die Gedanken des Frontmannes der Spaceapes kamen wieder am Anfang ihres Kreises an. Vegeta schäumte, während er den Weg zu seiner Corvette zurücklegte. Er griff frustriert nach der Silberkette an seiner Brust und spannte die Metalschnur des Accesoires, um die Kettenglieder über seine Haut zu säbeln. Bis er die Privatsphäre seines Wagens erreicht hatte, würde das als Ersatzbefriedigung reichen. Bulmas letztes Geschenk erfüllte schon eine Weile einen unerwarteten, aber wichtigen Zweck. Die Kette war alles, was ihm von der Frau geblieben war. Die letzte Trennung...war die letzte Trennung. Sie war fort. Vegeta blinzelte, seine Augen brannten vor Müdigkeit. Sechsundzwanzig Jahre alt war er jetzt und -verdammt nochmal -immernoch abhängig von anderen Leuten! Ständig versagte man ihm, was er wollte und verdiente. Aber niemand würde sich zwischen die ihn und die Musik stellen! Sein Vater nicht und auch irgendwelche Label-Manager nicht! Der Sound der Spaceapes würde Vegeta in die Geschichte eingehen lassen! Niemand konnte ihm an der E-Gitarre das Wasser reichen! Seine Stimme, auf Platinalben verewigt, bedeutete wahre Unsterblichkeit! „Ich mach' euch alle fertig!“, zischte der Sänger. „'Galactic' gehört spätestens am Ende des Jahres mir!“ Weiter kam er mit seinen Rachegedanken nicht, denn an dem Platz, wo seine Corvette Stingray stehen sollte, befand sich Freezers Geschmacksverirrung von einer Viper – sie war weiß mit violetten Rallyestreifen. Der linke Ellenbogen des Frontmannes von „Cold Empire“ lehnte aus dem Autofenster. Vegeta überlegte noch, wie er unbemerkt Leine ziehen konnte, da beugte sich Freezer mit einem Lächeln aus dem Innenraum des Sportwagens. Immer wenn Vegeta Freezers Visage sehen musste, fühlte er sich an das Geräusch erinnert, das sich ergab, wenn man ein Mikro zu nah an einen Lautsprecher hielt. „Hierher, Äffchen!“ Der Ton, in dem der Albino Vegeta heranzitierte, ließ diesen wie einen Laufburschen erscheinen.Der „price of chords“ drehte den Kopf zur Seite. Seine Kiefer mahlten. Rückzug war keine Option mehr – jetzt galt es anzugreifen. Also kam er näher und bellte: „Wo ist mein Wagen?!“. „Er ist abgeschleppt worden“, lautete die nonchalante Antwort. Zig Möglichkeiten wie Freezer dafür gesorgt haben könnte, dass die Corvette abgeholt wurde – eine perfider als die andere- rauschten durch Vegetas Hirn. Der Drang eine Pille aus der Hosentasche einzuwerfen wurde stärker. „Was willst du, Freezer?“ „Dass du einsteigst.“ 'Wie eine Nutte', dachte Vegeta. Darum also war sein eigenes Auto weg! Damit er mehr Anreiz hatte, Frazer Cold, dieses Arschloch, zu begleiten! Das Lächeln im Autofenster wurde echsenhafter. Freezer schien die Gedanken seines Gegenübers lesen zu können. „Sei beruhigt, ich habe nichts Verwerfliches vor.“ 'Lügner!', brüllte jeder Faser in Vegeta, ohne dass dieser einen Laut von sich gab. Er zwang sich tief durchzuatmen. Die Ruhe bewahren war in der Gegenwart des schleimigen Briten schwer. „Zieh deine Lederjacke an, kleiner Prinz. Ich will nicht, dass du in meine Polster schwitzt. Man sollte meinen neun Grad Außentemperatur würden dich entsprechend auskühlen. Aber Junkies brauchen wohl keine T-Shirts.“ 'Vater wird dafür bezahlen', schwor sich Vegeta zum zehntausendsten Mal, weil er sich diese Behandlung gefallen lassen musste. Obwohl Verachtung auf seinen Zügen lag, verfärbten sich seine Ohrenspitzen vor Scham, als er die Lederjacke überstreifte und den Zipper schloss. Er hatte wirklich nicht bemerkt, wie kühl es war. Aber das die Jacke nicht mehr saß, war ihm bis zu diesem Augenblick auch nicht aufgefallen. Hatte er wirklich so viel abgenommen?! Vegeta stieg ein. Als er saß hatte er zur Beruhigung eine Pille auf der Zunge. Freezer rauschte los und fuhr mit bemerkenswerter Rücksichtslosigkeit Richtung Außenbezirk. Über sein Radio waren 'Five Seconds of Summer' zu hören. Die Message blieb nicht bei Vegeta hängen, nur einzelne Verse des Songs. Sie klangen wie Nägel, die man in einen Sargdeckel einschlug. _____________________________ You push and you push and I'm pulling away Pulling away from you I give and I give and I give and you take, give and you take __________________________________________________ „Ich habe gute Nachrichten für dich, Vegeta.“ Der Angesprochene drehte den Kopf. Sein Name von diesen Lippen bedeutete nichts Gutes - und tatsächlich war Freezers Lächeln abgrundtief böse. Die Fratze eines Dämons! Die vorbeirauschende Stadt war zu einem Wust aus Grautönen verkommen, den sie mittlerweile hinter sich zurückließen. Weiter ging es auf Landstraßen. Landstraßen! Vegetas Blick wurde starr. Freezers außerhalb liegendes Anwesen war das Ziel! Das Mutterschiff dieser abartigen Eidechse mit all den widerwärtigen Jagdtrophäen darin! Er hasste es dort! Es kostete Vegeta alles, still zu bleiben, denn mittlerweile waberte Freezers Verkommenheit in schwarzen Wirbeln durch den Autoinnenraum. Vegetas Gliedmaßen fühlten sich taub an, als wären sie nicht mehr Teil seines Körpers. Wie von außen beobachtete er, wie seine eigene Hand erneut in die linke Hosentasche glitt. ______________________ And I'm just a dead man walking tonight _______________________________________ „Du hast brav für mich gearbeitet, Äffchen, passable Lyrics geschrieben und nette kleine Melodien dazu erfunden. Darum habe ich beschlossen, dass du nicht sofort mit der Musik aufhörst, wenn du nächste Woche als mein persönlicher Assistent anfängst. Ich erlaube dir, ein weiteres Album für mich zu komponieren.“ Ein belehrender Zeigefinger wurde gehoben: „Aber ich erwarte mindestens den Gold-Standard!“ Vegetas Mund stand offen. Er hörte nicht recht! Das musste es sein! Anders konnte es nicht sein! Mit einem Mal war ihm kalt, so verdammt kalt. In der Brust des Sängers saß ein Eisklumpen, von dem aus Frost in den Rest seines Körpers wallte. Vegeta wäre wohl erfrohren, wenn sich in in seiner Hand nicht ein letztes Körnchen Gefühl befunden hätte. Es brannte als winziges Stück Glut durch die Haut tief ins Fleisch hinein. „Du hast ja sicherlich schon die Absage für das nächste Spaceapes-Album bei 'Galactic' bekommen?“, bohrte Freezer mit einem Seitenblick weiter, der klar machte, wie sehr er dieses Gespräch genoss. Ein starres Nicken war die Antwort. Es schien Freezer zu erregen, Vegeta so zu sehen. „Wunderbar! Sind wir angekommen, werden wir dein Vorgehen für die Auflösung der 'Spaceapes' festlegen. Eine Abschiedstour ist aber nicht mehr drin. Du wirst mir beständig zur Verfügung stehen müssen, also hast du keine Zeit mehr für Spielereien, wie eine Band.“ ______________________ Takes one to know one, yeah You beat me at my own damn game ________________________________________ „Niemals!“, würgte Vegeta hervor. Freezer war entzückt! „Tut-tut-tut!“, scholt er seinen Beifahrer mit einem Schütteln seines Kopfes, als sei dieser ein unmündiges Kind. “Dein Aufbegehren ist zwecklos, Vegeta. Die Details sind bereits mit deinem Vater geklärt. Vehbita war äußerst erfreut über das Arrangement.“ 'Es ist ein halbes Jahr zu früh für den Club 27', schoss Vegeta durch den Kopf, während seine Hand von ganz allein ihren Weg zu seinen Lippen fand. Die kleine, runde Pille löste sich auf seiner Zunge auf, wie ihre Schwestern vor ihr. Vegeta spürte, wie Wärme sich die Kehle hinab ausbreitete. Langsam zogen sich seine Mundwinkel nach oben, aber die Augenbrauen störrisch nach unten. Auf einmal war da diese Idee. Er würde nicht zu Forever 27 gehören, aber es gab ja noch 'Live Fast, Love Hard, Die Young'. Alles was er hinterlassen musste, war eine gutaussehende Leiche. Vegetas Körper entspannte. Das war die optimale Lösung. So blieb Freezer wenigstens dem Rest der Welt erspart. Vegetas Lächeln wurde breiter. Irgendetwas verlieh ihm die Sicherheit, dass sein Gesicht keinen Schaden davontragen würde. Sein unerwartetes Kichern wuchs zu einem dröhnenden Lachen, dass die voranrasende Viper ausfüllte. Es klang bitter, aber es war besser als jedes amüsierte Aufschnaufen der letzten Jahre. Der 'prince of chords' sah zu seinem Peiniger, der, vielleicht zum allerersten Mal überhaupt, nicht verstand, was geschah. Mit einem „Ich kündige!“ griff Vegeta Freezer ins Lenkrad. ____________________________________________________________________________________ Das Leben rast an einem vorbei, wenn man stirbt. Die Leute denken, man bekommt eine Diashow seiner besten Momente, aber das stimmt nicht. Was man bekommt, ist die Wahrheit. Während die Viper durch die Luft flog, sich überschlug und auf dem Boden aufkam, wo sie alles Leben aus Freezer quetschte, musste Vegeta noch einmal durch die letzte Stunde seines Lebens. Er sah sich, vollgepumpt mit einem Cocktail aus Drogen und Beruhigungsmitteln, bei Galactic das Personal in Angst und Schrecken versetzen. Er sah, wie er sich zwei Fingerknöchel brach, als er gegen die Tür schlug. Er sah seinen ausgemergelten, schwitzenden Körper gegen die unzähligen Gifte arbeiten, die er sich einverleibt hatte. Einverleibte. Einverleiben würde. Er sah, wie die Passanten auf der Straße einen weiten Bogen um ihn machten, weil er halbnackt war und mit sich selbst redete. Er sah die schorfigen Striemen an seinem Hals, die er sich über Wochen mit dieser verdammten Kette immer wieder selbst zugefügt hatte, weil er es nicht ertrug, dass Bulma fort war. Er sah, wie er ungeweinte Tränen fortwischte, die ihn immer dann heimsuchten, wenn er an Bulma dachte, wie er sich selber belog, indem er sich als müde bezeichnete. Er sah, wie sehr er sich danach sehnte, sich in seinem Auto zuzudröhnen, nur um danach unter Drogen nach Hause zu fahren, wo er Nappa und Radditz quälen konnte. Er sah, dass er es sich in seinem Abhängigkeitsverhältnis zu Freezer bequem gemacht hatte. Er sah, wie er sich selber erniedrigte, wann immer er Freezers Spitznamen schweigend zuließ, wie er sich als Künstler prostituierte, wie er verstand, dass er seine Musik genau dadurch verraten hatte. Er sah, wie er unter Freezers Worten zerbrach. Er sah, dass er auf ganzer Linie versagt hatte: Im Leben, der Musik, der Liebe. Vegetas Abschlussbilanz war scheiße. Sich zu opfern war die richtige Entscheidung. Vor allem weil er seinem Vater so noch ein letztes Mal den Mittelfinger zeigen konnte. Medienwirksam würde sein Abgang auch sein. Es krachte, Vegeta dämmerte weg. Er fühlte er sich vollkommen taub. Wie wundervoll es im Himmel war. „Sir?“ „...“ „Sir!“ „...uuuh...“ Sir, können Sie mich verstehen?“ „...weg...mit...der...Lampe“ „Patient bei Bewusstsein!! Pupillen reagieren auf Licht!“, rief der Feuerwehrmann über seine Schulter. Dann drehte er sich wieder zu Vegeta, der inzwischen seine unmittelbare Umgebung wahrnahm. „...was...?!“, raspelte der Sänger, während er versuchte seinen linken Arm zu erspüren, der irgendwo in der blutigen Masse auf der Fahrerseite sein musste. „Sir, sie hatten einen schweren Autounfall.“ Vegeta runzelte die Stirn. Was wollte der Mann? „Er wird jetzt laut werden, Sir.“ „...warum...?“ „Wir schneiden Sie jetzt aus dem Wrack.“ „...Ni...cht...“ „Bitte bleiben sie ruhig! Sie stehen unter Schock.“ Der Feuerwehrmann zog sich aus dem Auto zurück. „...Nein...!“,versuchte Vegeta einzuschreiten, aber man hörte ihm nicht zu. Das war so nicht richtig! Es war NICHT RICHTIG! ER SOLLTE TOT SEIN! TOT, VERDAMMT NOCHMAL! Dann begann das Kreischen des Metalls, als die Werkzeuge der Rettungsleute die Viper öffneten wie eine Konservendose. „Aufhören!“, rief Vegeta. Es fiel ihm schwer genug Luft in die Lungen zu bekommen. Man hörte ihn nicht. HIER GAB ES NICHTS ZU RETTEN! NICHTS UND NIEMANDEN! Vegeta holte Luft und schrie so laut wie seine Stimmbänder es hergaben. Das was von ihm übrig geblieben war, durfte nicht leben. Es war weniger wert als Dreck. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)