Seelenschatten von Labrynna ================================================================================ Kapitel 4: Anomalie ------------------- Gerade als Aerith sich auf den Weg zurück zur Gruppe machen wollte, sah sie Cloud auf sich zu kommen. Er hatte sein mächtiges Breitschwert locker geschultert und machte ein missgelauntes Gesicht. Stumm in sich herein kichernd dachte Aerith, dass Cloud stets ein wenig so guckte als hätte er Verstopfung. „Ist Tifa gar nicht bei dir?“ Der blonde Gruppenanführer blickte sich suchend um und seufzte dann auf. „Wenn das jetzt zur Gewohnheit wird, dass ich ständig eines von euch Mädchen suchen muss, zieh ich lieber alleine weiter.“ Aerith schürzte missbilligend die Lippen und schlug ihm leicht gegen den muskulösen Oberarm. „Jetzt hab dich nicht so!“ „Ja, ja, schon gut.“ Cloud, der den Schlag gar nicht gemerkt zu haben schien, ließ erneut seinen Blick schweifen, während er weitersprach: „Ich frag mich trotzdem, was plötzlich in euch gefahren ist. Erst lässt du uns gegen die Turks im Stich, dann rennst du plötzlich davon und jetzt ist auch noch Tifa weg!“ Der Hauch eines schlechten Gewissens strich über Aerith hinweg und ließ sie zerknirscht aus der Wäsche gucken. Auf die restlichen Gruppenmitglieder musste ihr Verhalten wirklich reichlich sonderbar wirken. Mit einem letzten Blick in Clouds Mako-getränkte, unnatürlich schimmernden Augen gab sie sich schließlich einen Ruck und erklärte: „Tut mir leid, dass ich davongelaufen bin, aber die Situation wurde mir zu viel.“ Während Cloud sie irritiert anstarrte, atmete Aerith tief durch und fuhr fort: „Ich hab dir doch schon mal erzählt, dass mein erster Freund ebenfalls Mitglied in Shinras Soldatenkorps gewesen ist.“ Auf dem blassen Gesicht ihres Gegenübers machte sich aufkeimende Erkenntnis breit, doch Cloud unterbrach sie nicht. „Wie du dich vielleicht erinnerst“, sprach Aerith weiter, „war sein Name Zack und er kam“, sie breitete die Arme aus so als wollte sie den gesamten Ort einschließen, „hierher, aus Gongaga. Die Leute vorhin waren wohl seine Eltern.“ „Zack aus Gongaga…“ Cloud machte ein nachdenkliches Gesicht und plötzlich schien seine Aura zu flackern und zu zucken so wie Aerith es schon in leichterer Form ein paar Mal bei ihm gesehen hatte. Die den jungen Mann umgebenden Energieströme, die nur für Aerith als Angehörige der Cetra sichtbar waren, schienen sich zu verschieben und zu verformen als würden sie ein Eigenleben führen. Während Aerith mit geweiteten Augen auf Clouds wabernde Aura starrte, fasste der Blonde sich mit der flachen Hand an die Stirn und stöhnte leise auf. Die zuckenden Energieströme schienen sich neben dem jungen Mann zu sammeln und die Form eines menschlichen Wesens anzunehmen. Doch bevor sich erkennbare Details ausformten, sprang die in einem sanften Grün leuchtende Aura in ihre Ausgangsposition zurück und Clouds Augen, die sich ein wenig getrübt hatten, klarten wieder auf. Auch der plötzliche Kopfschmerz, der zusammen mit der sonderbaren Aurenanomalie aufgetreten war, schien wieder verflogen zu sein. Für einen Moment sah Aerith noch immer sprachlos zu Cloud herüber, der von dem seltsamen Ereignis nichts bemerkt zu haben schien. Dann fragte sie den Vorfall ignorierend: „Kennst du einen Zack aus Gongaga?“ Es ärgerte sie selbst, dass sie dabei ein wenig atemlos und angespannt klang. „Nein, nie von ihm gehört.“ Obwohl Cloud für einen Moment so ausgesehen hatte als hätte der Name an einer verschütteten Erinnerung gekratzt, klang seine Stimme so sicher, dass Aerith keinerlei Zweifel an ihren Worten hatte. „Machst du dir Sorgen um deinen ehemaligen Freund?“ Cloud suchte erneut mit den Augen die Gegend ab und schien nicht wirklich an einer Antwort interessiert zu sein. Dennoch log Aerith: „Nein. Es ist nur so, dass ich bislang immer geglaubt habe, Zack sei schlicht und ergreifend mit einer anderen Frau durchgebrannt. Er war immer ein ziemlicher Frauenheld… Aber dass seine Eltern ebenfalls nicht wissen, wo er sich aufhält, und schon seit Ewigkeiten nichts mehr von ihm gehört haben, passt nicht so recht ins Bild. Es hat mich ein wenig geschockt, das ist alles.“ Geistesabwesend nickte Cloud und schirmte mit der flachen Hand die Augen von der Sonne ab, um besser sehen zu können. Obwohl sie sich nicht sicher war, ob ihr Gegenüber ihr zuhörte, fuhr Aerith fort: „Ich frage mich, warum Zack wohl den Kontakt zu seinen Eltern abgebrochen hat. Er hat sie immer sehr geliebt. Aber wenn er gestorben wäre, hätte Shinra doch seine Eltern benachrichtigt. Oder nicht?“ „Vielleicht ist er zu einem Verräter oder Deserteur geworden.“ Cloud sprach leise und eine Spur gelangweilt, doch seine Worte stachen wie Nadelspitzen in Aeriths Ohren. Schockiert starrte sie den noch immer den Horizont absuchenden Mann neben ihr an. „Wie bitte?!“ Mit einem tiefen Seufzen erklärte dieser: „Sollte dein Freund aus irgendwelchen Gründen Schwierigkeiten mit Shinra bekommen haben, wäre es nur klug von ihm, für einige Zeit von der Bildfläche zu verschwinden. Bekanntermaßen ist Shinra im Umgang mit Feinden und Gegnern nicht gerade zartbesaitet.“ „Aber gerade dann hätte er doch die Unterstützung seiner Familie gebraucht!“ Aus Gründen, die Aerith selbst nicht ganz klar waren, wollte sie nicht an diese Erklärung glauben. Vielleicht lag es daran, dass Verrat nicht zu dem ihr bekannten, überaus loyalen und grundehrlichen Zack gepasst hätte. Aber vielleicht weigerte sie sich auch nur deswegen, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen, weil ihr klar war, dass sie dann vermutlich niemals eine Spur von Zack finden und nie erfahren würde, was passiert war. Doch Cloud fuhr unbarmherzig mit monotoner Stimme fort: „Sei nicht albern. Was glaubst du, wo die Shinra einen Verräter zuerst suchen? Richtig, bei Menschen, die ihm nahestehen. Sollte dein Zack wirklich mit Shinra aneinandergeraten sein, hat er seine Eltern und dich vermutlich deswegen über seinen Verbleib im Dunkeln gelassen, weil Unwissenheit in einer solchen Situation am besten schützt.“ In Aerith machte sich das unbändige Verlangen breit, Cloud für seine Emotionslosigkeit zu schlagen. Wie konnte er es nur wagen, völlig ruhig und unbewegt zu klingen, während seine Worte ihr so sehr wehtaten?! Doch noch bevor Aerith gegen seine Theorie aufbegehren konnte, leuchteten seine Augen auf und ein erleichtertes Lächeln erhellte sein Gesicht. Für einen Moment war Aerith davon verwirrt, doch dann hob Cloud den Arm und rief: „Tifa! Wir sind hier drüben!“ Die junge Bardame wirkte noch immer angeschlagen und war ungewöhnlich blass, doch als Cloud nach dem Grund fragte, winkte sie nur ab und erklärte, es ginge ihr gut. Von dieser Antwort unbefriedigt, verfiel der besorgte Blonde in mürrisches Schweigen, während die Drei zum Rest der Gruppe zurückgingen. Unterdessen rätselte Aerith, was Tifa wohl bedrücken mochte. Doch so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Immer wieder hallten die Worte „Verräter“ und „Deserteur“ durch ihren Geist. Es mochte ihr nicht gefallen, doch sie musste sich eingestehen, dass Clouds Theorie logisch und schlüssig war. Dennoch konnte Aerith nicht daran glauben. Zack hatte viel zu viel Stolz und Ehre besessen, um feige davonzulaufen. Aerith war klar: Sie musste dringend nach Nibelheim, um von dort aus vielleicht Zacks Schritte nachzeichnen zu können. Überraschenderweise kam ihr hier das Schicksal zur Hilfe. Als die Gruppe wieder vollzählig war, erklärte Cloud: „Die Dorfbewohner sagen, Sephiroth sei gesehen worden wie er Cosmo Canyon durchgequert habe. Wie es aussieht, will er Mount Nibel besteigen, um von dort aus weiter nach Norden zu marschieren. Damit ist unser nächstes Ziel klar: Wir ziehen nach Nibelheim. Sind alle startklar?“ Mit wild schlagendem Herzen machte Aerith sich auf den Weg zurück zum Buggy. Bald schon würde sie in der Stadt sein, in der Zack verschollen war. Sie konnte es kaum erwarten! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)