Auf der anderen Seite des Lichts von Labrynna ================================================================================ Kapitel 5: Der schwarze Stern ----------------------------- Shadows Tochter trat aus dem hell erleuchteten Raum in Darks schummeriges Krankenzimmer und der Zauber verflog. Zwar war die junge Frau noch immer unbestreitbar hübsch, doch nun wirkte sie nicht mehr wie von innen heraus beleuchtet. Dark blinzelte irritiert und fragte sich, was so eben mit ihm passiert war. Er hasste die Göttinnen von ganzem Herzen und trotzdem hatte er bei dem ersten Blick auf die Tochter seines Lehrmeisters gedacht: „Eine Göttin!“ Er war wie gebannt gewesen von ihrer überirdisch perfekt wirkenden Schönheit. Während die junge Frau nun gemäßigten Schrittes auf sein Bett zuhielt, fielen Dark jedoch immer mehr Details auf, die den Schein der Perfektion zerstörten. An ihrer linken Augenbraue hatte sie eine lange Narbe, die sich fast bis zu ihrem Augenwinkel herabzog, ihre Gesichtszüge waren leicht asymmetrisch und eine vorwitzige Strähne fiel ihr immer wieder vor die Augen. Da die Maid beide Hände mit einem Tablett gefüllt hatte, pustete sie sich die lästigen Haare jedes Mal mit einem aufwärtsgerichteten Schnauben aus der Stirn, nur um diese Prozedur wenige Sekunden später zu wiederholen. Diese Kleinigkeiten nahmen der jungen Frau zwar die Perfektion, Dark konnte jedoch nicht umhin, zu bemerken, dass sie sie gleichzeitig auch sehr liebenswert machten. Insbesondere die eigenwillige Haarsträhne weckte in dem Jüngling den innigen Wunsch, aufzustehen und sie seiner Besucherin aus der Stirn zu streichen. Ob sich ihre Haare wohl genauso seidig und ihre Haut genauso zart anfühlten wie sie aussahen? Dark zuckte innerlich zusammen. Was dachte er denn da?! Eine unbekannte Form der Nervosität wollte sich in seinem Brustkorb breitmachen, doch Dark schob das Gefühl bestimmt zur Seite. Er konnte sich nicht erklären, warum er auf diese dem Mädchenalter kaum entwachsene Frau vollkommen anders reagierte als auf jedes andere Wesen, das er in seinem bisherigen Leben getroffen hatte – aber das war ihm völlig egal. Wichtig war nur, dass er wusste, wie er damit umgehen sollte. Es erforderte nur wenig Konzentration und von seinem zugefrorenen Herzen ausgehend breitete sich eine dicke Frostschicht über dem unbekannten Gefühl aus. Er würde nicht noch mehr Menschen an sich heranlassen! Es reichte schon völlig, dass er offenbar eine stärkere emotionale Bindung zu Shadow aufgebaut hatte als ihm bewusst gewesen war… Diese Verbindung konnte er sich allerdings noch mit dem Gedanken daran, dass sie seinen Meister und ihn als Team besser funktionieren ließ, schönreden. Er erinnerte sich noch gut daran, dass Shadow ihm in einer ihrer unzähligen Auseinandersetzungen darüber, ob Emotionen vor- oder nachteilig für einen Kämpfer waren, von einer antiken Elitesoldatengruppe erzählt hatte, deren Mitglieder untereinander alle Liebhaber gewesen sein und ihre besondere Stärke aus ihren Gefühlen für einander gezogen haben sollten. Inzwischen war Shadows Tochter an das Bett herangetreten und hatte das Tablett auf einer danebenstehenden Kommode abgestellt. Shadow legte ihr einen Arm um die Hüfte und zog sie näher an sich heran, bevor er mit unverhohlenem Stolz in der Stimme sagte: „Darf ich vorstellen? Das ist meine Tochter, Zelda.“ Dark verzog seine Lippen zu einem, wie er hoffte, einigermaßen freundlichen Lächeln und nickte. Das unbekannte Gefühl von zuvor klopfte gegen die es einschließende Eisdecke und der Jüngling wünschte sich seine neue Bekannte ganz weit weg. Er war zu müde und zu kraftlos, um das Eis in seinem Inneren wuchern zu lassen und gleichzeitig höflich zu sein. Plötzlich wollte er nur noch schlafen. Doch Zelda setzte sich neben ihn auf die Bettkante und ließ damit Darks Puls in die Höhe schnellen. Was wollte sie? Warum kam sie ihm so nah? Am liebsten wäre Dark aufgesprungen und geflüchtet, aber das Bett stand auf seiner Seite an einer Wand, sodass er keinen Ausweg hatte. Zu allem Überfluss machte seine Verletzung aufstehen unmöglich. Latent panisch krallte Dark die Finger in seine Decke. Er fühlte sich wie ein wildes Tier in einer Falle. Als würde sie seine merkwürdige Reaktion gar nicht bemerken, schenkte Zelda ihm ein liebliches Lächeln und sagte: „Es ist schön zu sehen, dass du endlich wieder wach bist, Dark. Ich habe dir ein wenig Suppe gebracht, damit du schnell wieder zu Kräften kommst.“ Erst jetzt bemerkte der Jüngling den würzigen Duft, der von der Kommode zu ihm herübertrieb, und sein Magen knurrte wie ein hungriger Wolf. Während Dark bei der prompten Reaktion seines Körpers rot anlief, lachte Zelda leise in sich hinein. Dann wandte sie sich an ihren Vater, der seinen Schüler ebenfalls mit einem breiten Grinsen bedachte: „Du kannst ruhig schon wieder rausgehen. Ich kümmere mich um Dark.“ Leichte Sorge mischte sich in die strahlenden Augen des Mannes: „Aber–“ Dark winkte ab, bevor Shadow seinen Einwand formulieren konnte. „Geh. Wir können später reden. Jetzt will ich erst mal etwas essen und danach weiterschlafen. Ich bin müde.“ Shadow betrachtete die dunklen Ringe unter den Augen seines Schützlings und nickte. Was Dark brauchte, war in erster Linie Ruhe. Seine Dankbarkeit und Freude darüber, dass sein Schüler offenbar doch zu positiven Gefühlen und emotionalen Bindungen in der Lage war, konnte Shadow ihm auch dann noch zeigen, wenn Dark wieder auf dem Damm sein würde. Also schob der Assassine seinen Schemel zurück und stand auf. „Ich werde auf die Jagd gehen. Gegen Abend bin ich bestimmt wieder zurück.“ Mit diesen Worten nickte Shadow den beiden Jugendlichen zu und strebte zur Tür. Obwohl Dark froh war, einen Besucher weniger zu haben, wünschte er sich seinen Meister fast augenblicklich zurück. Alleine mit Zelda im Zimmer zu sein, schien das eigentümliche Gefühl, das unter der Eisschicht in seinem Inneren rumorte, zu stärken. Schüchtern musterte der Jüngling die Maid neben sich. Die störrische Strähne hing noch immer in Zeldas Stirn und pendelte leicht hin und her, während die junge Frau ihrem Vater hinterherwinkte. Das tiefe Blau von Zeldas Augen erinnerte Dark an den Himmel über der Wüste, kurz vor der Morgendämmerung. Als sich die junge Frau wieder ihm zuwandte, blickte Dark so schnell er konnte weg, obwohl er sich selbst nicht erklären konnte, warum ihm sein Interesse an ihrem Gesicht auf einmal peinlich war. Statt Darks plötzliches Weggucken zu kommentieren, schob Zelda ihm fachmännisch wirkend einen Arm unter den Rücken und sagte: „Dann helfe ich dir mal beim Aufrichten, damit du ein wenig Suppe trinken kannst.“ Die Schmerzen waren beinah unerträglich und Dark fühlte sich als stecke eine scharfkantige Säge in seinem Brustkorb, die bei jeder Bewegung durch Knochen und Fleisch schnitt, doch mit Zeldas Hilfe schaffte er es schließlich, sich aufzurichten. Als Dark sich endlich aufgesetzt hatte, stand ihm der Schweiß in dicken Tropfen auf der Stirn und er keuchte wie nach einem langen Lauf. Zelda lächelte ihn milde an als wollte sie ihn stumm für seine Leistung loben. Dann griff sie zur Kommode neben sich und schnappte sich die dampfende Suppenschüssel. Dark nahm die ihm gereichte Schüssel dankbar entgegen, doch seine Finger zitterten vor Anstrengung so sehr, dass Zelda schützend ihre freie Hand auf seine legte, um ihm beim Trinken zu helfen. Obwohl sich alles in Dark gegen so viel Körperkontakt sträubte, ließ er seine Besucherin gewähren. Andernfalls hätte er die Tonschüssel vermutlich fallen gelassen und sich an der heißen Brühe verbrannt. Die Suppe schmeckte salzig und nach Kräutern, war jedoch enttäuschend dünn. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, sagte Zelda: „Tut mir leid, dass ich dir nur eine Gemüsebrühe kochen konnte. Vater war nicht mehr jagen, seit er dich hierher gebracht hat. Unsere Fleischvorräte sind leider völlig aufgebraucht. Aber heute Abend kann ich dir bestimmt etwas Stärkenderes bringen.“ Dark schlürfte den letzten Rest Suppe und fragte: „Hatte Shadow eine Mission?“ Irgendwie störte ihn der Gedanke daran, dass sein Meister ohne ihn Aufträge erledigt haben könnte. Es gab ihm ein Gefühl der Nutzlosigkeit. Zelda schüttelte jedoch den Kopf und stellte die leere Schüssel wieder auf dem Tablett ab, bevor sie Dark dabei half, sich wieder hinzulegen. „Nein. Vater wollte hier sein, wenn du aufwachst. Er hat sich sehr große Sorgen um dich gemacht, weißt du?“ Eine neue Schmerzwelle rollte durch seinen Körper, als Dark mit den Schultern zuckte. „Sicher. Ich bin für ihn so etwas wie eine Wertanlage. Er hat viel Zeit und vermutlich auch Geld in mich investiert.“ Zu seiner Überraschung lachte Zelda bei diesen Worten auf. „Vater hat mir schon erzählt, dass du ein ziemlich schroffer Typ mit einer harten Schale bist.“ Dark zog eine Augenbraue in die Höhe und bedachte die Tochter seines Ausbilders mit einem undurchschaubaren Blick. „Ach ja?“ Von seinem düsteren Gesichtsausdruck völlig unberührt nickte diese. „Ja. Aber er hat mir auch erzählt, dass du einen weichen Kern hast.“ „Da irrt er sich“, schnappte Dark reflexartig, was Zelda verblüfft aus der Wäsche gucken ließ. Doch nach nur wenigen Sekunden schlich sich ein listiges Grinsen auf ihre Züge und sie murmelte mit vor Sarkasmus triefender Stimme: „Sicher. Deswegen hast du auch dein Leben riskiert, um meinen Vater zu retten… Weil du durch und durch kalt und emotionslos bist…“ Bevor Dark etwas entgegnen konnte, stand Zelda auf und schnappte sich das Tablett. „Ich bring eben das Geschirr zurück in die Küche und fege dann die Scherben vor der Tür zusammen. Danach hast du erst mal wieder deine Ruhe. Ich komm später mit dem Abendessen zurück. Versuch in der Zwischenzeit ein wenig zu schlafen, du harter Kerl, du…“ Zeldas Amüsement brannte auf Darks Seele wie Brennnesseln auf der Haut. Mit hochroten Wangen warf der Jüngling sich trotz seiner schmerzenden Verletzung auf seinem Bett herum, bis er Zelda den Rücken zugekehrt hatte. Was erlaubte sich diese impertinente Person, sich auf seine Kosten zu amüsieren?! Als Zelda am Abend zurückkam, war Dark noch immer zutiefst beleidigt. Er ließ sich zwar von der jungen Frau aufhelfen und beim Trinken seiner Geflügelbrühe unterstützen, doch er sprach kein einziges Wort. Zelda unternahm einige fruchtlose Anläufe zu einem Gespräch, indem sie ihm den neuesten Klatsch aus dem Dorf erzählte. Angesichts der eisigen Mauer des Schweigens, mit der sie konfrontiert wurde, verstummte sie jedoch recht bald. Dennoch schien sie an Darks plötzlicher Stummheit keinen Anstoß zu nehmen. Sie kam noch immer mit einem Lächeln in sein Zimmer und verhielt sich ihm gegenüber völlig unbeschwert. Tatsächlich schien es sie eher zu amüsieren, dass sie bei ihm offenbar einen empfindlichen Nerv getroffen hatte. Shadow kam täglich, um seinen Schüler zu besuchen. Obwohl Dark sich bemühte, diese Gefühle zu unterdrücken, freute der Jüngling sich auf die Besuche seines Meisters. Einerseits fand er gegen seinen Willen Gefallen an Shadows Sorge, andererseits hatte der Assassine immer eine interessante Geschichte zu erzählen, die Darks Langeweile zumindest für kurze Zeit vertrieb. In den ersten Tagen hatte Dark noch sehr viel geschlafen, doch allmählich kehrten das Leben und damit eine innere Unruhe in seinen geschwächten Körper zurück. Je mehr Zeit verging, desto stärker wurde Darks Drang nach irgendeiner Form von Aktivität. Shadow engagierte eine alte Dame aus dem Dorf, damit sie Dark das Lesen beibrachte, doch das half nur wenig gegen die zunehmende Frustration des Jünglings. Er sehnte sich nach Bewegung und Training! Außerdem fühlte er sich in dem engen Raum furchtbar eingesperrt. Er vermisste das Gefühl von Sonne auf seiner Haut und Wind in seinen Haaren. Nach etwa zwei Wochen hielt Dark es nicht mehr aus und er schwang trotz seiner protestierenden Seite die Füße aus dem Bett. Seine Beine fühlten sich nach der langen Zeit des Nichtgebrauchs wackelig und schwach an und seine noch immer nicht vollständig verheilte Wunde schmerzte bei jedem Schritt. Dennoch schleppte Dark sich stur weiter, bis er über die Schwelle der Haustür schritt. Die Abendluft roch nach trockener Erde und Feuer. Der Jüngling sog die frische Luft mit geschlossenen Augen tief in seine Lungen und genoss das Streicheln einer sanften Windböe. Erst danach hob er blinzelnd die Lider wieder und sah sich im Dorf um. Auf dem zentralen Platz, unweit von Shadows Haus, war ein Lagerfeuer entzündet worden. Das Knacken und Knistern des trockenen Holzes klang in Darks Ohren wie ein wohlvertrautes Kinderlied. Um das Feuer herum standen einige Leute, die Dark nicht kannte, und unterhielten sich, während ein kapitaler Hirsch an einem Spieß über den Flammen briet. Offenbar hatte Shadow oder ein anderer Jäger des Dorfes großes Jagdglück gehabt und wollte dieses nun mit seinen Nachbarn teilen. Während Dark noch überlegte, warum die Bewohner hier so viel freundlicher zueinander waren als in Hyrule-Stadt, entdeckte er Zelda, die mit ein paar kleinen Kindern spielte. Ihr langes Haar fiel ihr in einem goldenen Wasserfall den Rücken herab und ihre Augen funkelten wie Edelsteine in ihrem durchs Umhertoben erhitzen Gesicht. Wie in dem Moment, in dem er ihrer zum ersten Mal ansichtig geworden war, hatte Dark den Eindruck, von ihr ginge ein strahlendes Licht aus. Als sie ihn bemerkte, blieb Zelda wie angewurzelt stehen und starrte mit einem zwischen Schock, Verblüffung und Freude schwankenden Gesichtsausdruck zu ihm herüber. Bevor sein Verstand begreifen konnte, was sein Körper tat, hob Dark eine Hand und winkte der jungen Frau zu. Er fühlte sich wie hypnotisiert von ihrem Anblick. Doch als ihm endlich bewusst wurde, was er machte, hätte er sich am liebsten in den Hintern getreten. Sie hatte sich lustig über ihn gemacht und sich noch immer nicht dafür entschuldigt! Wie konnte er unter diesen Umständen seinen Stolz vergessen und einen Schritt auf sie zu machen?! Mit einem Seufzen gestand Dark sich ein, dass er Zelda trotz all seiner Gegenwehr irgendwie ins Herz geschlossen hatte. Ihre ruhige, sanfte Art, sich um ihn zu kümmern, erinnerte ihn vage an die lang verdrängten Tage seiner Kindheit. Wenn sie in seiner Nähe war, spürte er in seinem Innern eine Wärme, die er mit dem Gefühl des nach-Hause-Kommens verband. Den Blick auf die zurückwinkende Zelda gerichtet, beschloss Dark, dass es für ihn Zeit war, das Dorf wieder zu verlassen. Sobald seine Seite einigermaßen verheilt wäre, würde er in seine Höhle zurückkehren und die Tochter seines Meisters so schnell wie möglich wieder vergessen. Das Lächeln, das sich wie von selbst auf seine Lippen geschlichen hatte, verriet ihm, dass er sich besser gestern als heute von ihr verabschieden sollte. Eines der Kinder deutete auf einen Punkt zwischen zwei der umstehenden Häuser und zog Zelda an der Hand. Die junge Frau schenkte Dark ein letztes Lächeln, bevor sie sich umwandte und sich von dem kleinen Jungen zu der gezeigten Stelle ziehen ließ. Ihr langer Rock wirbelte ihr bei jedem Schritt um die Knöchel wie von der Meeresströmung bewegte Unterwasserpflanzen. Dark sah ihr hinterher und fragte sich, wie Zelda es bloß geschafft hatte, völlig unbemerkt durch den schützenden Eispanzer an sein Herz zu gelangen. Plötzlich tauchte Shadow neben ihm auf und platzte in Darks Gedanken: „Sie ist wirklich schön, nicht wahr?“ Dark presste die Kiefer aufeinander und stieß genervt Luft aus der Nase aus. Natürlich hatte Shadow bemerkt, wie er Zelda ansah… „Ja“, gab der Jüngling ein wenig widerwillig zu. „Ich nenne sie meinen schwarzen Stern.“ Shadow lächelte vor Stolz so breit, dass Dark glaubte, ihm müssten die Mundwinkel einreißen. „Warum das?“ „Weil sie schön und strahlend ist wie ein Stern.“ „Aber warum schwarzer Stern?“ Dark verschränkte die Arme vor der Brust. Schwarz war die letzte Farbe, die er mit Zelda assoziiert hätte. Seiner Meinung nach passte alles Helle viel besser zu ihr als etwas Dunkles. Shadow lachte leise in sich hinein. „Das wirst du irgendwann von selbst herausfinden.“ Dann fügte er ernster an: „Ihr müsstet ungefähr im selben Alter sein. Ich fände es schön, wenn ihr euch anfreunden würdet.“ Dark stieß einen grunzenden Laut aus und neckte seinen Lehrer: „Wieso? Bist du so wild auf Enkelkinder?“ Wider Erwarten verpasste Shadow ihm dafür keinen leichten Klaps in den Nacken, sondern zog nur ein düsteres Gesicht und sagte: „Sieh dich um Dark, was fällt dir auf?“ Der Jüngling ließ seinen Blick schweifen, doch bevor er etwas entgegnen konnte, fuhr Shadow fort: „In diesem Dorf leben hauptsächlich Alte und Kinder. Die meisten der jungen Leute sind bei der Nahrungssuche oder Dämonenangriffen ums Leben gekommen. Da die Alten mit den Kindern oft überfordert sind, übernimmt Zelda mehr Verantwortung als sie sollte. Ich bin wirklich stolz auf meine Tochter, aber ich wünsche mir oft, sie müsste nicht so erwachsen sein.“ Shadow stieß einen langgezogenen Seufzer aus und bedachte Dark mit einem nachdenklichen Seitenblick. „Bei dir ist es ähnlich. Ich weiß noch immer nicht, was dir zugestoßen ist, bevor ich dich traf, aber du wurdest ebenfalls viel zu jäh aus deiner Kindheit gerissen. Ich hoffe einfach, dass ihr euch ein wenig mehr wie Jugendliche verhalten könnt, wenn ihr einen Freund in eurem Alter habt.“ Dark zuckte mit den Schultern. „Zu doof, dass ich für Freundschaften nicht geeignet bin… Mir fehlt einfach das Interesse.“ Shadow rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf. „Ich dachte, diese Phase hätten wir hinter uns… Aber gut, spiel meinetwegen weiterhin den Unnahbaren.“ Mit diesen Worten ging Shadow in Richtung Lagerfeuer davon und ließ Dark stehen, der sich plötzlich reichlich unwohl fühlte in seiner Haut. Irgendwie war es früher einfacher gewesen, den einsamen Wolf zu mimen… Während die Dorfbewohner sich um das Feuer scharrten, miteinander lachten und sich unterhielten, ließ Dark sich auf einer Bank vor Shadows Haus nieder und fragte sich, woher das plötzlich aufwallende Gefühl des Ausgeschlossenseins kam. Er wusste genau, alleine war er besser dran – dann konnte niemand ihn verraten und enttäuschen. Dennoch bohrte sich bei jedem Blick auf die feiernde Menge der scharfe Dolch des Neides in sein Herz. Wieso hatte er auf einmal das Bedürfnis, dazuzugehören? Gerade als er überlegte, ob er besser wieder reingehen sollte, kam Zelda mit einem Teller in der Hand auf ihn zu. „Hast du etwas dagegen, wenn ich dir ein wenig Gesellschaft leiste?“ Ihre weißen Zähne, die bei ihrem Lächeln zwischen ihren Lippen hervorblitzten, wirkten in dem grauen Licht der Dämmerung noch strahlender als normal. Dark schüttelte schüchtern mit dem Kopf und die Tochter seines Lehrmeisters nahm neben ihm Platz. Dann reichte sie ihm den Teller und sagte: „Hier, ich hab dir ein paar der besten Teile gesichert.“ Auf der Porzellanplatte stapelten sich einige Stücke Wildbret und etwa eine Hand voll verschiedener Trockenfrüchte. Darks Mundwinkel zuckten zu einem angedeuteten Lächeln in die Höhe, als der Jüngling seiner Sitznachbarin dankbar zunickte. Dann wollte er sich ein Stück Fleisch in den Mund stecken, aber Zelda legte ihm eine Hand auf den Unterarm und sagte: „Warte. Du musst es kombinieren.“ Mit diesen Worten wickelte sich einen Fleischstreifen um eine der Früchte und hielt Dark die eigenwillig Roulade vors Gesicht, damit er abbeißen konnte. Im ersten Moment zögerte Dark, weil es ihm komisch vorkam, sich von jemandem füttern zu lassen. Doch dann gab er sich einen Ruck und probierte, Zeldas Kreation. Der kräftige Geschmack des über dem offenen Feuer gebratenen Hirsches vermischte sich auf seiner Zunge mit der süß-säuerlichen Note der Frucht. Dark rollte mit den Augen und stöhnte leise auf. „Mmmh! Das ist gut!“ Zelda schenkte ihm ein erfreutes Grinsen, bevor sie ihn aufzog: „Du redest ja wieder mit mir.“ Schlagartig verdüsterte sich Darks Gesicht und er blaffte: „Wenn du mich nur ärgern willst, überleg ich mir das noch mal!“ Zu seiner Überraschung setzte Zelda nicht mit einem neckenden Spruch nach, sondern sagte: „Ich habe nicht die Absicht, dich zu verletzen. Hatte ich nie.“ „Ach nein?“ Die junge Frau schüttelte mit dem Kopf, sodass die Strähnen ihres langen Haares sanfte Wellen in der Luft schlugen. „Ich wollte dich nur aus der Reserve locken. Ich dachte, so fällt dir am ehesten auf, dass mein Vater Recht hat und du nicht so unterkühlt bist wie du tust.“ Dark klappte der Mund auf und er starrte seine Sitznachbarin stumm an. Er war so perplex, dass er trotz seines ihn stets begleitenden Zynismus nicht wusste, was er sagen sollte. „Tut mir leid, wenn ich dir damit zu nah getreten bin.“ Zelda schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln, das er nach einem langen Blickkontakt mit einem schiefen Grinsen quittierte. „Schon gut. Da du mir diese herrliche Wild-Frucht-Kombination gezeigt hast, kann ich dir dieses eine Mal noch verzeihen, denke ich.“ Zeldas Lachen klang in Darks Ohren wie Musik. Die beiden Jugendlichen saßen eine Weile schweigend neben einander, während Dark aß. Am Lagerfeuer hatte irgendjemand eine Fidel hervorgeholt und spielte nun alte Volksweisen. Dark stellte seinen leeren Teller neben sich auf den Boden und blickte Zelda von der Seite her an. „Wie kommt es eigentlich, dass die Menschen hier so nett zu einander sind? Da, wo ich herkomme, gab es so etwas wie eine Gemeinschaft nicht. Dort war sich jeder selbst der Nächste.“ Ein versonnenes Lächeln stahl sich auf Zeldas Lippen und sie sah zum Feuer herüber. „Das haben wir unserem Ältesten zu verdanken. Er hat unsere Familien vor einigen Jahrzehnten zusammengeführt und uns davon überzeugt, dass wir eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit haben, wenn wir uns zusammentun. Einer allein hat Dämonenscharen nur wenig entgegenzusetzen, aber gemeinsam sind wir stark.“ Ihre Mundwinkel verzogen sich noch ein wenig weiter nach oben, als sie hinzufügte: „Seit unser Ältester sich immer mehr zurückzieht, übernimmt mein Vater die Rolle unseres Anführers. Er ist unser aller Rückgrat.“ Dark riss seinen Blick von Zeldas Profil los und schaute ebenfalls zum Lagerfeuer herüber. Shadows massige Gestalt war im Kreis der Feiernden deutlich auszumachen, obwohl Dark nichts weiter sah als schattenartige Umrisse. Während er die Silhouette seines Meisters beim Gestikulieren beobachtete, gab Dark geistesabwesend zu: „Dein Vater ist eine bewundernswerte Person. Ein Vorbild.“ Zelda riss den Kopf herum und sah ihren Banknachbarn verblüfft an. Dieser zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. „Was ist?“ „Nichts. Ich hatte nur nicht erwartet, so etwas aus deinem Mund zu hören.“ Dark stieß ein kleines Schnauben aus, als er in sich hineinlachte. „Ich auch nicht.“ „Weiß mein Vater, dass du so über ihn denkst?“ Zelda nestelte an einer Falte ihres langen Rocks und blickte zu Shadow herüber, der gerade mit einem lauten Brüllen lachende Kinder ums Lagerfeuer trieb als wäre er ein gefährliches Monster. Dark schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube nicht.“ „Du solltest es ihm sagen.“ „Warum?“ Zelda setzte sich ein wenig um, um ihren Banknachbarn besser ansehen zu können. Ihre Augen wirkten riesig in den schlechten Lichtverhältnissen und Dark hatte Mühe, sich nicht in ihrem Nachthimmelblau zu verlieren. „Ich denke, es würde ihn freuen, wenn er wüsste, dass du ihn so siehst. Du bedeutest meinem Vater sehr viel, weißt du? Ich glaube, er sieht in dir eine Art Sohn, einen Ersatz für den Bruder, den ich vielleicht bekommen hätte, wenn die Dämonen meine Mutter damals nicht getötet hätten.“ Bei diesen Worten stritten widersprüchliche Gefühle in Darks Innerem mit einander. Einerseits freute es ihn, dass er Shadow etwas bedeutete. Andererseits widerstrebte es ihm zutiefst, nur ein Ersatz zu sein. Er wollte um seinetwillen gemocht werden, nicht weil er eine Lücke füllte. Sofort breitete sich sein inneres Eis wieder aus und er biss die Zähne so fest zusammen, dass seine Kiefermuskulatur deutlich zu sehen war. Dark war so sehr von seinem inneren Konflikt vereinnahmt, dass er Zeldas weitere Worte beinah überhört hätte: „Seit er dich gefunden hat, erzählt mein Vater ständig von dir. ‚Heute hab ich Dark das Fährtenlesen beigebracht – es ist verblüffend, wie talentiert der Junge ist‘, ‚Heute war ich mit Dark in einer Schänke, aber er hatte so schlechte Laune, dass sich nicht mal die Dirnen in seine Nähe getraut haben, obwohl er so ein hübscher Bursche ist‘, ‚Eines Tages wird Dark ein geschickterer Kämpfer sein als ich‘ und so weiter.“ Zelda lachte über ihren Versuch, Shadows Stimme zu imitieren. „Manchmal bin ich ein bisschen neidisch auf dich, weil mein Vater dermaßen stolz auf dich ist.“ Perplex sah Dark zu seinem Meister herüber, der sich inzwischen von den Kindern hatte erlegen lassen und einige vorwitzige Rabauken auf sich herumturnen ließ. Er hätte nie gedacht, dass Shadow so über ihn sprach. Nicht, nachdem er sich seinem Lehrer gegenüber stets so kalt und abweisend verhalten hatte. Augenblicklich breitete sich eine wohlige Wärme in ihm aus, die das Eis in seinem Inneren zurückdrängte. „Dein Vater wünscht sich, dass wir Freunde werden. Wusstest du das?“, wechselte Dark das Thema, um den Fokus von seinem Verhältnis zu Shadow abzulenken, bevor sein inneres Chaos ihn überfordern konnte. Seit der Dämonenfürst Shadow töten wollte, hatte Dark sein schon immer sehr fragiles, inneres Gleichgewicht vollends verloren. Er fühlte sich wund und verwirrt und zu allem Überfluss funktionierte sein eisiger Schutzpanzer nicht mehr richtig. Aus irgendwelchen Gründen konnte er weder seinen Meister noch dessen Tochter von seinem Inneren fernhalten. Während Dark sich damit abmühte, wieder Ordnung in seinen Gefühlshaushalt zu bringen, nickte Zelda. „Er macht sich Sorgen um mich, weil er denkt, ich übernähme zu viel Verantwortung. Und um dich sorgt er sich ebenfalls, weil er dich für einsam hält. Er glaubt, dass dir in deiner Vergangenheit etwas Schreckliches zugestoßen ist, weswegen du die Menschen nun von dir fernhältst.“ Dark zuckte mit den Schultern und starrte ins Nichts, während Arns Stimme in seinem Geist widerhallte: Wenn wir uns weiterhin darauf konzentrieren, Link durchzufüttern, bedeutet das unser Ende… Ich fürchte, unsere einzige Möglichkeit ist es, zu kaltblütigen Mördern zu werden. Er erwartete, dass Zelda ihn nach den Gründen für seine Isolation fragen würde, doch sie überraschte ihn. Anstatt zu versuchen, ihm seine Geheimnisse zu entlocken, legte die junge Frau ihm eine Hand auf den Unterarm und lächelte ihn warm an, als er zu ihr herübersah. „Die Einsamkeit mag uns zwar vor weiteren Enttäuschungen schützen, aber sie beraubt uns auch vieler schöner Momente. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, alte Gewohnheiten abzulegen. Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich jeder Zeit für dich da bin, solltest du eines Tages beschließen, dein Einzelgängertum ablegen zu wollen.“ Mit diesen Worten stand Zelda auf und ging zu ihrem Vater herüber, um ihm mit der aufgedrehten Rasselbande behilflich zu sein. Dark blieb allein auf der Bank zurück und sah ihr nachdenklich hinterher. Obwohl er noch immer als Einziger abseits saß, während der Rest des Dorfes feierte, fühlte er sich plötzlich nicht mehr ausgeschlossen. In den folgenden Wochen verbrachten Dark und Zelda sehr viel Zeit miteinander. Tagsüber saßen die Beiden häufig vor Shadows Haus und gingen gemeinsam ihren eigenen Aktivitäten nach. Während Dark kleine Tierfiguren schnitzte oder Waffen und Rüstungsteile für die Dorfbewohner reinigte, erledigte Zelda Handarbeiten oder las Dark und den Kindern des Dorfes vor. Abends machten die Zwei kleine Spaziergänge durchs Dorf. Zelda erzählte dabei Geschichten aus ihrer Kindheit oder Anekdoten aus ihrem Alltag. Dark hingegen hörte in der Regel nur zu und schwieg sich über seine eigene Vergangenheit aus. Wie von Shadow gewünscht, wuchs mit der Zeit eine echte Freundschaft zwischen den beiden Jugendlichen. Dennoch schlug Dark Shadows Angebot, in seinem Haus zu bleiben, aus und kehrte nach seiner Genesung in seine Wohnhöhle zurück. Hier fühlte er sich trotz allem mehr zuhause und war vor allem sein eigener Herr. Auch wenn er sich in den vergangenen Wochen stetig immer weiter geöffnet hatte, überforderte ihn die Dorfgemeinde und er war froh, in die Ruhe der Wüste heimzukehren. Doch schon der erste Morgen endete jäh. Dark schlummerte selig, als er plötzlich keine Luft mehr bekam. Wie ein erstickender Fisch nach Atem schnappend, riss er die Augen auf, nur um Zelda über sich zu sehen. Kichernd ließ sie seine Nase los und richtete sich wieder auf. „Für einen Assassinen sind deine Sicherheitsvorkehrungen bemitleidenswert schlecht“, tadelte sie scherzhaft, während Dark sie ungläubig anblinzelte. Was machte sie hier? Wie hatte sie ihn gefunden? Und wie sah sie überhaupt aus?! Ihr Haar, das ihr ansonsten locker über die Schultern fiel, hatte sie zu einem Zopf geflochten, sodass ihr Gesicht nur von den kürzeren, vorderen Strähnen eingerahmt wurde. Anstatt wie sonst Kleider oder Röcke zu tragen, hatte sie ihren schlanken Körper an diesem Morgen in eine Lederhose und ein enganliegendes Hemd gehüllt. Um ihre Hüften wand sich ein breiter Gürtel mit vielen Haken und Ösen. Er sah genauso aus wie die Gürtel, die auch Shadow und Dark trugen, wenn sie sich auf eine Mission begaben. Und war das, was hinter ihrer Schulter aufblitzte, tatsächlich ein Schwertheft?! Während Dark noch mit seiner Verblüffung kämpfte, ließ Zelda sich auf seinem Hocker nieder und schlug die Beine übereinander. Als der Jüngling endlich seine Stimme wiederfand, platzte er heraus: „Was machst du hier?!“ Bei dem schroffen Klang seiner Worte zuckte er innerlich zusammen. Er freute sich, dass Zelda hier war. Er konnte sich nur keinen Reim darauf machen, warum. Und wie… „Ich wollte sehen, für welche Luxusherberge du Vaters Gastfreundschaft ausgeschlagen hast.“ Zelda sah sich demonstrativ in der Höhle um. „Ich muss sagen, das hier ist enttäuschend.“ Dark riss überrascht die Augen auf, während seine Verwirrung unbekannte Ausmaße annahm. Zelda war ihm – wie auch immer – hierher gefolgt, um seine Wohnsituation zu beurteilen?! Kopfschüttelnd beschloss Dark, dass er diese Erklärung nicht verstand und deswegen nicht weiter darüber nachdenken wollte. Daher fragte er nur: „Und wie hast du mich gefunden?“ Ob Shadow seiner Tochter verraten hatte, wo die Höhle seines Schülers war? Zelda lachte wieder und neckte ihn: „Na, wie wohl, Dummerchen? Du bist nicht der Einzige, den mein Vater unterrichtet hat. Deine Spuren zu lesen, war alles andere als schwer für mich.“ „Dein Vater hat dich ebenfalls ausgebildet?“ Dark schwang die Beine aus dem Bett und betrachtete seine Freundin mit ganz neuen Augen. Warum war ihm noch nie aufgefallen, wie athletisch ihr Körperbau war? Zelda nickte. „Manchmal darf ich ihn sogar auf leichte Missionen begleiten.“ Bei diesen Worten durchzuckte Dark Erkenntnis und er dachte: „Deswegen nennt er sie seinen schwarzen Stern… Weil sie genau wie wir ein Assassine ist, eine Kämpferin aus den Schatten.“ Zelda verzog unterdessen das Gesicht zu einem Ausdruck, der zwischen Missbilligung und Dankbarkeit schwankte. „Ich könnte auch schwerere Aufträge erledigen, aber Vater hat Angst, dass mir dabei etwas passieren könnte. Deswegen lässt er mich nicht.“ „Vielleicht überschätzt du dich auch nur und Shadow gibt dir genau die richtigen Aufträge.“ In Darks Augen blitzte der Schalk und er grinste seine Freundin durchtrieben an. Als sie den Mund öffnete, um zu protestieren, schnitt Dark ihr das Wort ab: „Hast du Lust herauszufinden, wer von uns der bessere Schüler deines Vaters ist?“ Zelda verzog ihre Lippen zu einem breiten Lächeln und warf Dark schnell sein Schwert zu. „Zieh dich warm an! Du wirst eine vernichtende Niederlage erleben, mein Lieber.“ Wenig später bezogen die beiden auf der gleichen Ebene Stellung, auf der Dark bereits gegen Shadow gekämpft hatte. Der Jüngling zog seine Waffe und ließ den Griff gekonnt um seine Finger wirbeln, bevor er ihn fest umfasste. „Dann zeig mir mal, was du drauf hast, Frau Super-Assassine!“ Zelda grinste mit gezückter Klinge zu ihm herüber. „Noch spottest du, aber das wird dir bald vergehen!“ Dann sprang sie auf ihn zu, doch Dark wich ihrer Attacke geschickt aus. Schnell wirbelte der Jüngling zu einem Konter herum, nur um ins Leere zu schlagen. Zelda war bereits aus der Gefahrenzone zurückgewichen, bevor er sein Schwert hatte heben können. Sie war flink, das musste er ihr lassen. Aber er hatte die größere Reichweite. Minutenlang wogte der Kampf hin und her, ohne dass sich ein Favorit herauskristallisierte. Doch dann gelang es Dark, Zelda gegen eine Felswand zu treiben und ihr so den Fluchtweg abzuschneiden. Die Schwerter der Beiden krachten gegeneinander und ihre Klingen rieben mit einem metallischen Kreischen übereinander. „Jetzt hab ich dich. Kräftemäßig bist du mir unterlegen, Kleines.“ Dark grinste zu der schwer atmenden Zelda herunter, die zu seiner Überraschung breit grinste. „Das mag sein. Aber wenn es um Gerissenheit geht, kannst du nicht mit mir mithalten.“ Mit diesen Worten zwinkerte sie ihm mit einem koketten Augenaufschlag zu, was ihn irritiert blinzeln ließ. Dann hakte sie einen Fuß in seine Kniekehlen und zog ihm die Beine weg. Dark stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden und schlug hart auf. Sofort meldete sich seine Seitenverletzung wieder und ließ ein unangenehmes Stechen durch seinen Brustkorb schießen. Trotzdem wollte Dark sich so schnell wie möglich wieder aufrappeln, doch noch bevor er auf die Knie kommen konnte, schob sich Zeldas Schwertspitze an seiner Halsseite herab und seine Freundin kniete sich über ihn. „Tja, wie’s aussieht habe ich gewonnen.“ Das breite Grinsen war ihrer Stimme deutlich anzuhören. „Das war unfair!“, protestierte Dark, als Zelda ihn endlich aufstehen ließ. Die junge Frau zuckte gleichmütig mit den Schultern. „Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt.“ Dark stieß einen grunzenden Laut aus der Nase aus, als er in sich hineinlachte. „Das war schon Krieg für dich?“ „Nein.“ Ein engelhaftes, hintergründiges Lächeln stahl sich auf Zeldas Lippen und Dark vergaß schlagartig, dass er hatte nachfragen wollen, wie sie ihre Bemerkung dann gemeint hatte. Sein Kopf fühlte sich plötzlich an als wäre er mit Watte gefüllt und Dark konnte nicht anders als dümmlich zurück zu grinsen. Mit einem verschmitzten Gesichtsausdruck klopfte Zelda ihm auf die Schulter, wobei eine Wolke rötlichen Sandstaubs aufgewirbelt wurde, und sagte: „Ich muss jetzt leider zurück ins Dorf, um den Alten mit den Kindern zu helfen. Aber ich könnte heute Abend zurück sein, wenn du möchtest.“ Woher kam bloß dieses seltsame Gefühl der Wärme und Leichtigkeit, das sich bei diesem Gedanken in Dark ausbreitete? Mit einem Lächeln und funkelnden Augen nickte der Jüngling seiner Freundin zu. „Gerne. Ich werde mich dann mal auf die Jagd machen und mich um unser Abendessen kümmern.“ Zelda knuffte Dark spielerisch gegen sein Kinn und verabschiedete sich: „Dann bis später, Verlierer.“ Während er ihr hinterher sah wie sie sich mit schnellen Schritten entfernte, fragte Dark sich, warum sich seine Mundwinkel automatisch nach oben bogen, wenn Zelda so mit ihm sprach. Jedem anderen wäre er vermutlich an die Gurgel gegangen, wenn er die Dreistigkeit besessen hätte, ihn einen Verlierer zu nennen… Als Zelda am Abend zurückkehrte, prasselte ein kleines Lagerfeuer vor Darks Höhle. Der Jüngling selbst befand sich offenbar im Inneren und pfiff vergnügt vor sich hin. Lächelnd hielt Zelda für einen Moment inne und lauschte auf die schrägen Töne, die bis zu ihr herüber drangen. Der Dark, den sie vor einigen Wochen kennen gelernt hatte, hätte niemals im Leben vor sich hin gepfiffen. Doch nach anfänglichen Schwierigkeiten war er immer mehr aufgetaut, bis er ihr schließlich erste Blicke auf seine verletzte Seele gewährt hatte. Hinter seiner Fassade des abgebrühten, schroffen Einzelgängers war Dark in Wirklichkeit ein sensibler, geradezu feingeistiger junger Mann. Anfangs hatte seine düstere Ausstrahlung Zeldas Neugierde geweckt, doch ins Herz geschlossen hatte sie ihn erst, als sie die Schönheit seines Inneren erkannt hatte. Nun konnte sie verstehen, was ihr Vater von Anfang an in ihm gesehen hatte. Dark trat eine Schüssel Früchte tragend aus der Höhle und Zelda stockte für einen Moment der Atem. Sein mittellanges Haar hatte er zu einem Zopf zusammengebunden, was seine Kinnpartie markanter wirken ließ. Doch was Zelda wirklich ins Staunen versetzte, war etwas anderes: Während der Zeit im Dorf war Dark ein schütterer Vollbart gewachsen, doch nun hatte er sich wieder rasiert. Die glatten Wangen ließen ihn jünger, sanfter und offener erscheinen. Zelda hatte ganz vergessen, wie gut er ohne Gesichtsbehaarung aussah… Mit einem wild klopfenden Herzen setzte sich die junge Frau wieder in Bewegung. Dark entdeckte sie nur Sekunden später und winkte ihr lächelnd zu. Als sie direkt vor ihm stand, grinste Zelda zu ihm hoch und zog ihn dann etwas ungelenk in ihre Arme. Zunächst erstarrte Dark bei der überraschenden Berührung, doch er entspannte sich schnell wieder und erwiderte die Umarmung. Erst als die beiden sich nach einem langen Moment wieder voneinander lösten, begrüßte Zelda ihren Freund: „Hallo. Da bin ich.“ Darks Mundwinkel schoben sich so weit nach oben, dass Zelda glaubte, sie müssten reißen. „Freut mich. Dann können wir ja essen. Es gibt Fisch und Datteln.“ Während des Essens erzählte Zelda von ihrem Tag im Dorf und Dark berichtete von einem riesigen Adler, den er beim Fischen gesehen hatte. In den nächsten Tagen wollte er sich aufmachen, um herauszufinden, ob der majestätische Vogel Küken hatte. Vielleicht, so meinte Dark, ließ sich einer der jungen Vögel zum Jagen abrichten. Auch nach dem Essen saßen die beiden Jugendlichen noch lange zusammen – selbst dann noch, als ihnen der Gesprächsstoff ausging. Zelda hatte ihren Kopf gegen Darks Schulter gebettet und beobachtete fasziniert die Flammen des Lagerfeuers. Schon als Kind hatte sie den züngelnden Tanz des brennenden Elements als seltsam schön empfunden. Er hatte etwas Unheimliches, weil Feuer alles zerstören konnte, war aber gleichzeitig von perfekter Eleganz. Dark betrachtete unterdessen die Sterne und deutete ab und zu auf eine Gruppe der leuchtenden Punkte, wenn er eine geometrische Figur oder ein Fabelwesen ausgemacht hatte. Der Mond näherte sich bereits seinem Zenit, als Zelda ihre vom langen Sitzen steifen Glieder streckte und murrte: „Ich sollte wohl langsam nach Hause.“ Dark nickte und wandte den Kopf, um seine Freundin anzusehen. Doch statt ihr eine gute Heimreise zu wünschen, beugte er sich vor und legte seine Lippen auf Zeldas. Die junge Frau keuchte überrumpelt auf und der Jüngling blickte ebenso überrascht, so als wüsste er selbst nicht, warum er das gerade getan hatte. Doch dann nahm Dark Zeldas Gesicht in beide Hände und küsste sie mit mehr Nachdruck. Die junge Frau schlang ihm die Arme um den Nacken, krallte ihre Finger in die losen Strähnen seines Nackenhaares und erwiderte den Kuss mit immer mehr Leidenschaft. Einige Stunden später lag Zelda mit dem Kopf auf Darks unbekleideter Brust und lauschte seinem gleichmäßigen Herzschlag, während er gedankenverloren mit dem Finger Muster auf ihre Hüfte malte. „Jetzt muss ich wohl zur alten Hexe.“ Ihre Stimme klang irgendwie schlaftrunken, obwohl Zelda sich hellwach fühlte. „Warum?“ Das Lächeln, das auf Darks Lippen lag, war deutlich zu hören. „Weiß nicht. Aber die Alten im Dorf sagen immer, wenn eine Frau mit einem Mann zusammen war, aber kein Kind empfangen will, soll sie anschließend zur Hexe gehen.“ Dark zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe. Babys entstanden auf diese Weise? Plötzlich konnte er verstehen, warum trotz der widrigen Umstände noch immer Kinder im Schattenreich geboren wurden… „Was ist das eigentlich?“, wechselte Zelda das Thema und deutete auf einen Gegenstand, den Dark mit viel Mühe neben seinem Bett an den Fels genagelt hatte. Der Jüngling folgte ihrem Fingerzeig mit den Augen und ein melancholischer Schatten huschte über sein Gesicht. „Das hab ich schon ganz lange“, setzte er zu einer Erklärung an. „Mein Vater hat mir das Holzschwert mal geschenkt, nachdem ich nur knapp einer Dämonenattacke entgangen war und danach unbedingt kämpfen lernen wollte, um nie wieder hilflos zu sein.“ Zelda zitterte leicht an seiner Seite, als sie sich einen jungen Dark vorstellte, der von Monstern angegriffen wurde. Doch Dark war zu sehr mit seiner eigenen Überraschung beschäftigt, um dies zu bemerken. Hatte er nach all den Jahren tatsächlich an Arn wieder als seinen Vater gedacht?! Sich noch enger an ihn schmiegend murrte Zelda: „Ich weiß so gut wie gar nichts über deine Vergangenheit.“ Ein tiefer Seufzer ließ Darks Brust sich heben und ruckartig wieder senken, bevor Dark stockend zu erzählen begann: „Ich bin in Hyrule-Stadt geboren und aufgewachsen. Meine Eltern waren liebevolle Menschen, die stets versucht haben, alle Sorgen von mir fernzuhalten. Doch dann sind sie… durch einen tragischen Unfall ums Leben gekommen und ich habe angefangen, die Göttinnen für all das Leid, das sie in der Schattenwelt geschehen lassen, zu hassen. Ich wollte Rache. Deswegen bin ich in die Wüste gegangen, um mich für dieses Vorhaben zu stählen. Das ist auch der Grund, weshalb ich bei deinem Vater in die Lehre gegangen bin.“ Den Kopf tief in den Nacken gelegt, um ihrem Freund ins Gesicht blicken zu können, fragte Zelda: „Willst du immer noch Rache?“ Dark starrte für einen Moment ins Nichts und grinste die junge Frau in seinen Armen dann an. „Nein. Ich denke nicht. Ich glaube, ich habe ein Glück gefunden, dass mich mit den Göttinnen wieder versöhnen kann.“ Das Lächeln, das sich daraufhin auf Zeldas Lippen stahl, schien Darks Herz vor Freude platzen zu lassen. Seiner Freundin eine Strähne aus der Stirn streichend sagte er: „Ich verrate dir ein Geheimnis. Dark ist nicht der Name, den meine Eltern mir gaben. Eigentlich heiße ich Link.“ „Warum hast du dich umbenannt?“ „Weil ich gehofft habe, die Schmerzen der Vergangenheit hinter mir lassen zu können, wenn ich eine andere Person werde.“ „Und? Hat es funktioniert?“ „Nie besonders gut.“ Der Jüngling war verblüfft. So ehrlich war er seit Ewigkeiten nicht mehr zu sich selbst gewesen. Zeldas Brüste strichen über seinen Brustkorb, als die junge Frau sich auf den Ellbogen stützte. „Dark?“ „Ja?“ „Darf ich dich Link nennen? Ich mag den Mann hinter der Fassade viel lieber als die Maskerade.“ Darks Mundwinkel zuckten leicht, bevor er zaghaft nickte. Allmählich war es wohl an der Zeit, den alten Groll abzulegen. „Ja, darfst du“, setzte Link selbstbewusster nach und lächelte seine Freundin breit an, bevor er sie auf die Stirn küsste. Es fühlte sich gut an, wieder er selbst zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)