Seelen des Schicksals von Arcturus (Ein glorreiches Abenteuer des gar finsteren Odin!) ================================================================================ Das Ende vom Lied ----------------- Laslow behielt recht – er war geliefert. Nur nicht aus dem Grund, den er zuvor angenommen hatte. „Ich sollte dich unter Arrest stellen.“ Mit jedem Wort seines Prinzen schrumpfte Laslow ein wenig mehr in sich zusammen. Er konnte Owain hören, irgendwo im Raum nebenan, doch das Mauerwerk war zu massiv, um mehr als Fetzen des Gesprächs – Monologs – zu ihnen dringen zu lassen. Er hätte Laslow ohnehin nicht retten können. Sie hatten sich noch im Innenhof der Festung erklärt. Prinz Xander hatte die Ritter der Königsgarde abführen lassen. Dann war alles zu schnell gegangen. Während Odin es geschafft hatte, seinen Prinzen dazu zu bringen, ihm in eines der Beratungszimmer zu folgen und ihn anzuhören, gewährte Prinz Xander ihm diesen Luxus nicht. Die Standpauke hielt er ihm mitten auf dem nächstbesten Flur. „Ich ging davon aus, meine Anweisungen seien unmissverständlich gewesen. Du musstest nichts weiter tun, als auf Schloss Krakenburg zu bleiben und auf den Diplomaten aus Cheve zu warten. Einen Brief solltest du entgegen nehmen. Und was tust du stattdessen?“ „Ich-“ „Du verlässt mitten in der Nacht das Schloss, um den Getreuen meines Bruders auf eine Mission zu begleiten, die ich nicht autorisiert habe.“ Laslow blickte nicht auf. Er wusste auch so, was ihn erwartete. Steile Zornesfalten. Entrüstung. Missbilligung. Und vor allem – weder Mitleid, noch Gnade. Für jemanden, der noch nicht einmal zwanzig war, wirkte der nohrische Kronprinz ziemlich einschüchternd. Jeglicher Versuch, ihn mit einem Lächeln zu besänftigen, erstickte daran, noch bevor er ihn zu Ende gedacht hatte. „J-ja, Milord.“ „Und als wäre das nicht genug, lässt du dich dabei beinahe umbringen. Zweimal.“ Er schluckte. „Dreimal, Milord.“ Einen Moment lang schwiegen sie beide. Laslow spürte den Blick, mit dem Xander ihn bedachte. Er war versucht, den Kopf einzuziehen, doch er wusste, das würde nichts bringen. Das hatte es schon bei Frederick und Miriel nie getan. „Dreimal“, wiederholte Prinz Xander frostig. „Ich verstehe, dass der Überfall im Händlerviertel euch unvorbereitet getroffen hat. Auch wenn ich der Meinung bin, dass ihr euch dessen angesichts der Uhrzeit und des Ortes hättet bewusst sein müssen.“ Der Protest lag ihm auf der Zunge. Er schluckte ihn hinunter. „Spätestens nach dem Abwenden der akuten Bedrohung wäre es deine Pflicht als mein Getreuer gewesen, zur Festung zurückzukehren und Hagen oder Iago Bericht zu erstatten. Deine Pflicht, Laslow.“ „Ja, Milord.“ „Stattdessen stehlt ihr dieses Pferd und verlasst die Stadt. Dachtest du wirklich, die Königsgarde wisse nicht, Beweise zu deuten?“ Er öffnete den Mund, doch kein Ton kam heraus. Leider wartete Prinz Xander dieses Mal auf eine Antwort. Laslow schluckte und erstickte dabei fast an dem Kloß in seinem Rachen. „Ich“, würgte Laslow hervor, „I-ich lag ziemlich lange im Schlamm, Milord.“ Prinz Xander antwortete nicht. Er starrte. „Ich – wir – gingen davon aus, dass nicht nur die Beweise relevant sind, sondern auch die Art und Weise, wie man die Begebenheiten erzählt, Milord.“ Laslow hörte, wie sein Gegenüber mit den Zähnen knirschte. Vorsichtig blickte er auf – bereute es aber noch im gleichen Moment. Die Miene seines Prinzen war so versteinert wie immer, wenn er dabei war, ihm verbal den Kopf abzureißen. „Selbst in diesem Fall hättet ihr den direkten Weg zu mir nehmen müssen. Dieses Abenteuer mit dem Bären-“ „Vollkommen unnötig, gewiss, Milord. Und lebensgefährlich.“ „Schön, dass wir zumindest in diesem Punkt übereinstimmen.“ Die Miene des Prinzen zeigte keinerlei Regung, die darauf schließen ließ, dass er tatsächlich irgendetwas daran schön fand. Oder auch nur erträglich. Nur sein Tonfall klang etwas weniger harsch – aber vielleicht bildete Laslow sich das auch nur ein. Er nickte. „Ja, Milord.“ „Ab sofort wirst du in meiner Nähe bleiben. Keine Ausflüge mitten in der Nacht. Keine Alleingänge. Keine Selbstmordkommandos. Ich dulde es nicht, einen Getreuen zu verlieren, Laslow. Hast du mich verstanden?“ „Ja, Milord!“ „Gut.“ Laslow atmete aus. Vor ihm tat Prinz Xander es ihm nach. Er schüttelte den Kopf, doch dieses Mal wirkte es es nicht missbilligend. Nur erschöpft. „Du bist dir bewusst, dass mein Bruder deinen Freund nur auf diese Missionen schickt, um ihn loszuwerden?“ Er sah auf. Ihre Blicke trafen sich, doch da war nichts in den Augen des Prinzen, aus dem er hätte lesen können. „J-ja, Milord.“ „Laslow.“ Er sackte in sich zusammen. „Jeder, der ein bisschen darüber nachdenkt, kommt darauf, Milord. Schwärme von goldenen Krähen? Magnete, die Dunkelheit anziehen? Seelengefährten? Alles Geschichten, die einem vielleicht eine Amme erzählt, aber doch kein seriöser Magier …“ „Und doch hat er das Ammenmärchen auch dieses Mal bewiesen.“ Laslow schnaubte. „Ja. Für drei Monate, vielleicht.“ Statt die Frage auszusprechen, hob Prinz Xander die Augenbrauen. Laslow öffnete seinen Mund, schloss ihn jedoch gleich darauf wieder. Ein Tiegel mit Lidschatten wechselte den Besitzer. Bevor Prinz Xander ihn schelten konnte – erneut schelten, zumindest – drang Odins Stimme durchs Mauerwerk. Lauter, dieses Mal. „… eine herausragende Frage“, verkündete sie, „der Finstere Odin wird sie sogleich ergründen!“ Die Tür flog auf, mit einem Elan, der sie beinahe aus den Angeln riss. „Laslow des azurblauen Himmels“, brach es über ihn herein, „warum ist es eigentlich dein Name, der auf meinem Handgelenk steht?“ Laslow schloss die Augen und zähle bis drei. Leider öffnete sich keine Drachenader unter ihm, die ihn für die nächsten drei Monate verschluckte. Stattdessen kroch ihm nur das altbekannte Brennen in die Wangen. Er schluckte. „Ähm … Odin“, antwortete er. Er öffnete die Augen, wenn auch nur, um hilfesuchend zu Prinz Xander zu blicken. „Ich, fürchte, der Moment ist gerade denkbar ungünstig. Milord war gerade dabei, mich für mein Fehlverhalten zu bestrafen. Nicht wahr, Milord?“ Er legte so viel Flehen in seine Stimme, wie ihm möglich war, ohne dabei loszuheulen. Einen Moment lang sahen sie einander an. Schließlich schüttelte sein Prinz den Kopf. „Oh, ich denke, das schaffst du dieses Mal ganz gut allein.“ „Aber Milord!“ Milord warf ihm einen letzten Blick zu. In seinen Augen funkelte es verdächtig. Doch bevor Laslow sich einen Reim auf diese Regung machen konnte, trat Prinz Xander an ihm vorbei. Ein leises Klicken ertönte noch, als er die Tür zu Leos Zimmer hinter sich schloss, dann war er mit Odin allein. „Also“, wiederholte er, weniger pompös, dieses Mal, „warum steht dein Name auf meinem Arm?“ Laslow schluckte. Er starrte zu der Tür, hinter der seine Rettung verschwunden war, doch auch das half ihm nicht. Odin musste nicht einmal weiter nachhaken. Die Stille zwischen ihnen war Frage genug. „Weil ich ihn dort hingeschrieben habe.“ Seine Stimme war so leise, er hörte sich selbst kaum. „Was-?“ „Du-“, er seufzte, „Du warst so enttäuscht, als deine Zauber keine Wirkung gezeigt haben. Da habe ich … du bist eingeschlafen … und ich- Du erinnerst dich an das Make-Up? Diesen Lidschatten, den ich versehentlich eingepackt habe? Ich- ich-“ Dieses Mal war es Odins Blick, der sich unter seine Haut bohrte. Da war kein Stern von Rigel. Da war nicht einmal diese hoshidische Schriftrolle, die sie Gavin abgenommen hatten. Trotzdem richteten sich die Härchen in seinem Nacken auf. „Aber warum?“ „Weil.“ Laslow atmete durch. Er konnte das. Nein, er konnte das nicht- Er- … Er gab sich einen mentalen Tritt. „Weil ich nicht will, dass irgendein anderer Name auf deinem Handgelenk steht. Ich weiß, das war falsch. Ich hätte viel früher was sagen sollen. Sagen müssen. Und ich hätte dir nicht einfach in deine Rituale fuschen dürfen, wo diese ganze Magie doch auch für dich noch neu ist. Ich meine, ich habe von Magie keine Ahnung. Davon nicht und von den Sitten in Nohr auch nicht. Ich habe ja nicht mal von den Sitten von Ylisse sonderlich viel Ahnung, also von denen vor dem Krieg. Und wenn man es genau nimmt, habe ich auch von Verabredungen keine Ahnung. Oder Beziehungen. Oder ... oder. ... Ich mache keinen Sinn, richtig?“ Schritte hallten im Flur wieder. Genau vier Stück, dann war Odin bei ihm. Nah. So nah, dass Laslow seinen Atmen auf seiner Wange spüren konnte, und seine Haare, die über seine Stirn strichen. „Nein, ich fürchte nicht“, hörte Laslow ihn sagen. Er spürte das schiefe Grinsen mehr, als das er es sah. „Aber weißt du was? Ich auch nicht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)