Der lange Weg nach Hause von Des-C-Kudi ================================================================================ Akt I: Wiedersehen ------------------ Der lange Weg nach Hause . . . „The Uchihas are the ones who valued love and friendship above all else... So much so that they deemed it necessary to seal them off.” Tobirama Senju, zweiter Hokage, Naruto, Kapitel 619 . Es sind nicht die Vollkommenen, sondern die Unvollkommenen, welche der Liebe bedürfen. Wurde einem eine Wunde zugefügt, sei es durch die eigene oder die fremde Hand, dann sollte die Liebe herannahen und ihm Heilung schenken - aus welchem Grunde sonst existierte die Liebe? Oscar Wilde (1854-1900), ir. Schriftsteller . . . Akt I Wiedersehen . . . Die Sonnenstrahlen blendeten ihn, als er aus dem Wald trat und die Straße erreichte. Er hob den Blick und betrachtete die Tore der Stadt, die vor ihm aufragten.   Er war wieder in Konoha.   Kurzzeitig horchte er in sich hinein.   Aber da war nichts. Weder Freude, Trauer, Aufregung noch eine andere Emotion.   Einfach… nichts. . . . „Sakura!“   Mit einem lauten Knall flog die Tür zum Krankenzimmer auf.   Sie hob nicht den Kopf, sondern runzelte nur genervt die Stirn, während sie am Krankenbett stand und die Patientenhistorie überprüfte.   „Ino, siehst du nicht, dass ich gerade arbeiten muss?“   „Ach, papperlapapp, das kann warten. Ich habe unglaublich gute Neuigkeiten.“   Ihre Freundin ließ sich in den Besuchersessel fallen und warf ihre blonde Mähne zurück. Sie ignorierte den sichtlich verstörten Patienten, der den Blick zwischen ihr und Sakura hin- und herwarf.   Sakura notierte sich einige Angaben auf dem Krankenblatt. Sie verabschiedete sich vom Patienten und verließ das Zimmer. Ino folgte ihr widerwillig.   „Stirngesicht, du kannst doch wenigstens etwas Neugierde heucheln“, schmollte sie.   Sakura ignorierte das laute Lamentieren ihrer Freundin – sie hatte keine Zeit für den neusten Klatsch und Tratsch. In Gedanken ging sie ihre To-do-Liste durch. Um 14 Uhr hatte sie ihre Patientenvisite auf Station drei und um 16.30 Uhr war Teambesprechung. Vielleicht schaffte sie es noch vorher, sich einen Kaffee zu holen, bevor sie-   „Rate mal, wer wieder in Konoha ist!“   Abrupt blieb Sakura stehen. Die Gedanken waren in ihrem Kopf schlagartig still. Der vielsagende Ton ihrer Freundin war ihr nicht entgangen.   Triumphierend sah Ino Sakura an. Endlich hatte sie diesem Dickschädel eine Reaktion entlocken können. Sie wackelte suggestiv mit den Augenbrauen. „Und, wirst du alles stehen und liegen lassen, um deinen Liebsten zu empfangen?“   Sakura biss sich auf die Lippe. Sie zog demonstrativ die Tür ihres Büros auf.   „Jetzt nicht, Ino. Ich habe zu tun.“   Sie schloss die Tür vor der Nase ihrer völlig perplexen Freundin. . . . So hatte sich Sasuke das Wiedersehen nicht vorgestellt.   Eigentlich hatte er sich gar nichts vorgestellt. Tief drinnen hatte er eher damit gerechnet, dass alles beim Alten blieb. Die Gesichter der Hokage starrten ihn wie immer grimmig von oben herab an, als er über die Torschwelle trat. Als er im Hokage-Tower zum Report antrat, sprang Naruto, der neue, amtierende Hokage, sofort von seinem Platz auf und erdrückte ihn fast in einer stürmischen Umarmung. Anschließend verpasste er dem finster dreinblickenden Uchiha ein paar Seitenhiebe und verkündete lautstark, dass sie später auf dem Trainingsplatz unbedingt ein Kräftemessen austragen mussten, da er in dem Jahr, wo Sasuke auf seiner Reise fort gewesen war, definitiv noch stärker und unbesiegbarer geworden war. Sasuke quittierte den leidenschaftlichen Ausbruch seines Teamkollegen nur mit einem Augenrollen.   Zurück auf der Straße lief er Kakashi über den Weg, der es sich mit der neusten Ausgabe der Icha Icha Paradise-Reihe auf einer Bank gemütlich gemacht hatte. Als er Sasuke entdeckte, hob er die Hand und grüßte ihn mit einem kurzen „Jo.“ Nach ein paar kurz ausgewechselten Worten, einem etwas umständlichen, väterlichen Tätscheln auf dem Kopf (Sasuke war in den letzten Monaten in die Höhe geschossen) und einem halbherzigen Versprechen, am Abend beim Ichiraku-Nudelshop vorbeizuschauen, trennten sich ihre Wege. Allerdings waren bis auf die Begegnungen mit Naruto und Kakashi die restlichen Bewohner Konohas weniger erpicht darauf, den letzten Uchiha freundlich zu empfangen. Obwohl seine Hilfe essentiell im Kampf gegen Kaguya gewesen war und Tsunade selbst ihn begnadigt hatte, blieb das Misstrauen. Seine Sünden wurden nicht vergessen. Er war nicht willkommen.   Eindeutig alles beim Alten.   Aber wieso hatte er trotzdem das Gefühl, dass etwas nicht stimmte?   Er ignorierte die argwöhnischen Blicke und das Tuscheln hinter vorgehaltenen Händen. Als er den totenstillen Uchiha-Distrikt erreichte, ließ er endlich die penetranten Blicke der Bewohner hinter sich. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, während er seinen Blick über die verlassenen Häuser wandern ließ.   Aber der altbekannte Zorn blieb dieses Mal weg.   Die alten Dielen knarzten unter seinen Sandalen, als er das Haus seiner Eltern betrat. Die Möbel waren bedeckt mit weißen Laken und leuchteten geisterhaft in der Dunkelheit. Er strich mit den Fingern über das Familienporträt, das in der Diele hing.   Seine Eltern, sein Bruder und sein jüngeres Ich lächelten ihn an.   Er hatte sie alle gerächt. Die Bürde auf seinen Schultern war nicht mehr länger da. Aber statt Erleichterung oder Ruhe zu empfinden, spürte er es jetzt nur noch härter denn je.   Er war der Letzte seiner Art.   Er war vollkommen allein.   Bevor ihn die dumpfe Leere übermannen konnte, entledigte er sich seiner Sachen und ließ sie achtlos auf den Boden fallen. Unter dem prasselnden Wasser der Dusche ließ er die Stirn gegen die nassen Fliesen sinken. Wieso war er überhaupt zurückgekehrt? Es gab nichts mehr, das ihn noch hier hielt. Nur das Opfer, das sein Bruder für diese Stadt gebracht hatte und mit nichts in dieser Welt aufzuwiegen war, hatte ihn nach Konoha zurückgetrieben.   An die tiefen Schuldgefühle, die er gegenüber seinen Teamkameraden hegte, wollte er lieber gar nicht erst denken.   Nachdem er aus der Dusche gestiegen war, zog er sich schwarze Trainingskleidung über, die das Uchiha-Symbol zierte. Nach einigen Meditationsübungen trieb ihn die erdrückende Stille im Haus wieder raus auf die Straßen Konohas. Er entschied, dass er genauso gut bei Ichirakus vorbeischauen konnte. Abgesehen davon hätte der blonde Idiot eh keine Ruhe walten gelassen, bis er dazu gestoßen wäre.   Und nun saß er hier zwischen Naruto und Kakashi beim Nudelshop, während ihn der Duft von gebratenen Nudeln umwölkte. Da Naruto wie üblich einen großen Teil des Gesprächs übernahm, konnte er in Ruhe seinen Gedankengängen nachhängen.   Bis ihn Narutos Frage aufhorchen ließ.     „Oi, Kakashi-sensei, wo steckt überhaupt Sakura-chan?“   „Meinte sie nicht, dass sie heute eine längere Schicht hat? Bestimmt ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie auftaucht – ah, wenn man vom Teufel spricht.“   Sasuke drehte sich just in dem Moment um, als sich die Tücher über dem Eingang teilten und eine bekannte Gestalt den Nudelshop betrat. Ihre überhitzten Wangen deuteten darauf hin, dass sie gerannt war. Die feuchten Haare kräuselten sich in der warmen Luft und grüne Augen strahlten auf, als sie ihre Teammitglieder entdeckte. „Naruto, Kakashi-sensei, ich-“ Ihre Stimme stockte, als sie ihn entdeckte. Unmöglich große Augen wurden noch größer. Er starrte sie abwartend an.   Sie trat zögernd einen Schritt auf ihn zu. An ihrer steifen Haltung konnte er deutlich erkennen, dass sie innerlich mit sich kämpfte. Sie biss sich auf die Lippe.   Schließlich nickte sie ihm einfach nur zu.   „Willkommen zurück, Sasuke-kun.“   Er ließ sich seine Überraschung nicht anmerken.   Das Wiedersehen war definitiv nicht das, was er erwartet hatte. . . . Am liebsten hätte sie sich innerlich einen Tritt verpasst.   So hatte sie sich das Ganze nicht vorgestellt.   Sakura stocherte in ihrer Nudelsuppe herum und lauschte nur mit halbem Ohr Narutos Plappern. Stattdessen betrachtete sie unter halb gesenkten Augenlidern das jüngst dazu gestoßene Mitglied von Team 7.     Er war wirklich wieder zurück.   Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Herz bei seinem Anblick leise aufflatterte. Das dümmliche Grinsen, das sich auf ihr Gesicht stahl, konnte sie ebenfalls nur schwer unterdrücken. Es wirkte schon fast surreal, ihn mehr als ein Jahr später friedlich zwischen ihnen sitzen zu sehen. Wehmut überflutete sie, als ihr bewusst wurde, dass sie so zuletzt mit 13 Jahren zusammen gegessen hatten. Es schien eine Ewigkeit her zu sein.   Schwamm drüber, Haruno, solche Abende wird es nun öfter geben.   Die zuversichtliche Stimme ihres inneren Ichs versuchte ihr Mut zuzusprechen. Sie hoffte, dass ihre innere Stimme am Ende recht behielt. Ihn nochmal fortgehen zu sehen, würde sie nicht ertragen können. Ihm zuliebe würde sie alles opfern. Zur Not ihre Liebe.   Sie verzog den Mund, als sie wieder an ihren Auftritt von vorhin denken musste. Sie hatte es versucht. Ehrlich. Eigentlich hatte sie vorgehabt, mit einem souveränen, selbstbewussten Auftritt zu glänzen, so wie es sich für die stärkste Kunoichi nach der legendären Lady Tsunade gehörte. Er sollte nicht von ihren Gefühlen völlig überrumpelt werden. Zumindest nicht gleich beim allerersten Treffen.   Leider hatte sie nicht bedacht, dass auf ihre miserablen Schauspielkünste kein Verlass war. Ihre Begrüßung war mehr als gestelzt und unglaublich peinlich gewesen. Alles andere als locker und lässig, Haruno. Wem versuchte sie überhaupt etwas vorzumachen? Dass sie Uchiha Sasuke seit Kindheitstagen vollkommen verfallen war, stand praktisch auf ihrer übergroßen Stirn (in die sie zum Glück hineingewachsen war) in Leuchtbuchstaben geschrieben. Nach dem Essen traten alle vier raus auf die Straße.   Genüsslich rieb sich Naruto den Bauch. „Das müssen wir jetzt jeden Abend machen.“ Er wies drohend mit dem Finger auf Sasuke. „Und keine faulen Ausreden.“   „Hn.“ Statt näher darauf einzugehen, nickte Sasuke allen kurz zu. „Wir sehen uns.“ Naruto runzelte die Stirn, als sein Blick plötzlich auf Sakura fiel.   „Hey, warte mal! Begleite erstmal Sakura-chan nach Hause.“   Sie wirbelte überrascht herum. „Was-“   „Das Gleiche gilt für dich, Sakura-chan. Was auch immer da los ist, macht es unter euch aus.“ Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und trabte davon. Hilfesuchend wandte sich Sakura an Kakashi. Dieser zuckte nur ratlos mit den Schultern und war ebenfalls auf und davon, so dass sie mit Sasuke alleine zurückblieb.   Sie hätte sich denken können, dass ihr Auftritt bei Kakashi und Naruto ebenfalls für Stirnrunzeln gesorgt hatte. Sie vergaß manchmal, wie sensibel Naruto war. Er hatte instinktiv gespürt, dass ihre Beziehung zu Sasuke – anders als seine – noch viele offene Fragen aufwies.   Plötzlich trat Sasuke neben sie. Überrascht blickte sie auf. Er schaute stur nach vorne.   „In diese Richtung, nicht wahr?“   Sie konnte nur stumm nicken.   Schweigend gingen sie nebeneinander her. Unausgesprochene Worte hingen zwischen ihnen beiden. Oder bildete sie es sich nur ein? Sasuke war anders als sie schon immer von Natur aus sehr wortkarg.   Sie verschränkte die Arme hinter dem Rücken und lächelte zu ihm auf. „Erzähl, Sasuke-kun. Wie war deine Reise?“ Es schien wohl eine Ewigkeit zu vergehen, bevor er kurzbündig antwortete: „Gut.“ Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie ihr Lächeln in sich zusammenfiel. Irritiert zog er die Augenbrauen zusammen. Wieder einmal mehr war er die Ursache für Haruno Sakuras Kummer.   „Zuletzt war ich in Karagakure.“   Überrascht blinzelte sie ihn an. „In dem Dorf hinter den grünen Wasserfällen?“   Er nickte.   „Ich war da vor einigen Jahren wegen einer Mission. Ein sehr armes Dorf, aber trotzdem begegnen die Bewohner Fremden mit einer unglaublichen Gastfreundschaft." Traurig schüttelte sie den Kopf. „Durch den Ninja-Krieg wurde dieses Gebiet besonders in Mitleidenschaft gezogen. Immer muss es die Ärmsten treffen.“   In Gedanken musste er ihr zustimmen.   Plötzlich breitete sich auf ihrem Gesicht ein kleines Lächeln aus. „Und du warst dort für den Wiederaufbau, stimmt’s?“ Er spürte, wie sich seine Ohren plötzlich unangenehm warm anfühlten. „Es gibt noch viel zu tun“, antwortete er brüsk. Erst einige Sekunden später wurde ihr die Tragweite seiner Antwort bewusst. Bestürzt blieb sie mitten auf der Straße stehen.   „Du gehst wieder zurück?“, flüsterte sie. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.   Er ging ungerührt weiter. „Ich werde übermorgen aufbrechen.“   Sprachlos starrte sie den roten Fächer auf seinem Rücken an. In ihrem Mund breitete sich ein bitterer Geschmack aus. Sie bemerkte, dass sie bei der verhassten Bank stehen geblieben war. Wäre die Situation nicht so unendlich traurig, hätte sie zynisch gelacht.    Er würde sie alle verlassen. Wieder einmal.   Ein drittes Mal kam sie sich in dieser Situation unglaublich hilflos vor. Sie wusste, dass er sich durch nichts auf dieser Welt aufhalten ließ. Dazu kannte sie diesen Sturkopf zu gut.   Plötzlich ballte sie die Hände zu Fäusten zusammen. Zorn schoss durch ihre Adern.   Aber dieses Mal würde sie nicht untätig hinter ihm herschauen.   „Sasuke-kun, warte!“   In zwei Schritten hatte sie ihn aufgeholt. Sie packte ihn an der Schulter und riss ihn zurück. Überrascht drehte er sich zu ihr um. Er betrachtete ihre Finger, die ihn mit ihrem fast unmenschlichen Chakra festhielten. Schließlich hob er fragend eine Augenbraue.   In ihren grünen Augen blitzte eiserne Entschlossenheit auf.   „Nimm mich mit.“ . . . tbc… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)