Sturm der Elemente von Kalliope (Warrior Cats - Die Clans vom Heiligen See) ================================================================================ Kapitel 1: Nachtpfote I ----------------------- Der Himmel über ihr war unendlich klar, sodass sie jeden einzelnen Stern im Sternenvlies erkennen konnte. Jeder einzelne von ihnen war einst ein großer Krieger, Heiler, Anführer oder Schüler gewesen – und auch sie würde eines Tages dort oben verweilen und auf ihre Kinder, Enkelkinder und Clangefährten herabblicken. Nachtpfote war sich der Endlichkeit ihres Daseins am Heiligen See bewusst. Ja, sie war schon immer anders als die anderen Schüler gewesen. Wenn sie an ihre frühste Kindheit zurückdachte, hatte sie den blumigen, frischen Geruch des Sees in Erinnerung, der einmal das Zuhause des LuftClans gewesen war. Es war eine gefühlte Ewigkeit her, damals, als die Clans noch am Heiligen Berg lebten. Nein, nicht alle Clans, es waren der FeuerClan, der WasserClan, der LuftClan und der ErdClan, die durch Streit, Missgunst, schlechtes Blut und die Zweibeiner dazu gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen und in das Gebiet des SeelenClans zu ziehen. Schon als Junge bekam man hier die Gründungsgeschichte der vier SeeClans erzählt. Aus den fünf alten Clans wurden der WaldClan, der BergClan, der WiesenClan und der SumpfClan, in dem auch Nachtpfote lebte. All das war gerade einmal ein halbes Jahr her. Heute war Nachtpfote eine der Schülerinnen des SumpfClans. Sie war geschickt, eine ausgezeichnete Jägerin, aber im Kampf gegen ihre Brüder Goldpfote und Schwalbenpfote unterlegen. Dennoch konnte es nicht mehr lange dauern, bis sie zu dritt zur Kriegerprüfung antreten durften. Und beim SternenClan, Nachtpfote hatte nicht vor zu versagen. Sie würde ihre Eltern und ihre Mentorin Regenkauz stolz machen. Trotzdem … schwang Wehmut in ihrem Herzen mit. Wieder blickte sie gen Himmel. Sie wusste nicht, was es war, doch es zerriss ihr das Herz. Eine unbeschreibliche Sehnsucht ergriff sie von Tag zu Tag mehr und sie fragte sich, ob ein Leben als Kriegerin im SumpfClan wirklich ihr Schicksal war. Es gab mehr als nur den Heiligen See im riesigen Seelental. Dort draußen wartete eine ganze Welt auf sie, mit all ihren Gefahren. Nachtpfote stand auf, schüttelte den feinen Tau von ihrem Fell und trabte zurück in Richtung des Wasserfalls, der einer der markanten Orte im Gebiet des SumpfClans war. Ruhelos plätscherte er in kleinen Kaskaden vor sich hin und es war ein beliebtes Spiel unter den Schülern, auf den schmalen Felsvorsprüngen zu balancieren, ohne nass zu werden oder herunterzufallen. Nachtpfote verstand nicht, wie die anderen so ausgelassen, naiv und blind sein konnten. Keiner außer ihr zweifelte an dem zukünftigen Leben als Krieger. Manchmal, früher, hatte Nachtpfote sich gefragt, ob sie womöglich zur Heilerin geboren war, doch Nessellicht hatte sie nie darauf angesprochen – und das hätte sie, wenn es so wäre. Die Heilerin war alt und es wurde Zeit, dass sie sich einen Schüler suchte, der ihr Erbe antreten konnte. Kopfschüttelnd tauchte Nachtpfote ihre rechte Vorderpfote in den Bach, der den Wasserfall speiste und sich kurz davor in einer Vertiefung wie in einem Becken sammelte. Von diesem Bach und dem Wasserfall ging keine Gefahr aus. An der tiefsten Stelle war der Bach gut eine Fuchslänge tief, außerdem floss er langsam und friedlich – nicht wie der Wasserfall, dem sie auf ihrer Reise vom Heiligen Berg zum Heiligen See begegnet war. Der war wild, ungestüm, tödlich. Nachtpfote hatte seine unbezähmbare Schönheit lebhaft vor Augen, auch wenn es ihr wie eine Erinnerung aus einem anderen Leben erschien. Als sie ihre Pfote aus dem Wasser zog, kräuselten sich kleine Wellen auf der Wasseroberfläche. Ihr Spiegelbild wurde verzerrt, das Gesicht glich einer Grimasse und als sie spielerisch die Zähne bleckte, blitzten blutrote Augen über den schneeweißen Fängen auf. Erschrocken sprang Nachtpfote nach hinten. Ihr Herz raste und sie hatte die Augen weit aufgerissen. Nein, das war unmöglich. Ein Streich, den ihr übermüdetes Gehirn ihr spielte. Vorsichtig und in geduckter Haltung schlich sie sich wieder an den Bach heran und als sie dieses Mal in ihr Spiegelbild blickte, war alles wie immer. *** Für Mitte März waren es angenehm milde Temperaturen. Der Schnee war bereits vollständig geschmolzen – beste Voraussetzungen für das Training der Schüler, wie sämtliche Mentoren nicht müde wurden zu betonen. Außer Regenkauz. Nachtpfote war dankbar dafür, dass Regenkauz ihre Mentorin war, denn sie war ruhig und still, sagte nicht viel, aber wenn, dann hatte es Hand und Fuß. Manchmal fragte sie Regenkauz über das Leben am Heiligen Berg aus und dann kam sie Nachtpfotes Wunsch nach und berichtete ihr von dem Leben im LuftClan. „Wacholderstern war ein guter Anführer“, sagte Regenkauz auch heute wieder. Gemeinsam saßen sie am Rand der Lichtung nahe des Lagers, das zwischen dicht gewachsenen Kiefern, Fichten und Ahorn-Bäumen lag. „Auch wenn viele ihn mittlerweile anders darstellen. Sie sehen nur seine Schwäche, die er in seinem letzten Lebensjahr gezeigt hat, nicht aber die Stärke aus seinen zehn Jahren davor. Er war ein mutiger Krieger, einer der besten, die es jemals im LuftClan gegeben hat.“ Nachtpfote nickte. „Und er war dein Bruder.“ „Ja, das war er.“ Regenkauz seufzte. „Ich wünschte, ich hätte ihm eine bessere Zweite Anführerin sein können, aber es lag mir nicht so sehr im Blut wie ihm. Der SternenClan hat gewollt, dass der LuftClan zuerst untergeht – früher oder später hätten die anderen Clans unser Schicksal geteilt. Es ist … in Ordnung, wie es jetzt ist. Hier können wir in Frieden leben.“ „Aber hast du nicht manchmal das Gefühl, dass dir etwas in deinem Leben fehlt?“ Regenkauz‘ Ohren zuckten leicht. „Ich bin schon alt, Nachtpfote. Ich habe mein Leben gelebt. Wacholderstern war lange Zeit der Anführer meines Clans, Natterläufer hat eine eigene Familie gegründet. Mir war es nicht vergönnt, in die Fußstapfen einer meiner beiden Brüder zu treten.“ Dann straffte sie ihre Schultern. „Ich möchte nicht, dass du meinen Fehler wiederholst, Nachtpfote. Der Heilige See ist ein Neuanfang für uns alle. Versuch nicht, deinen Brüdern nachzueifern, sondern finde deinen eigenen Weg. Gib immer dein Bestes.“ Als ob sie das nicht ohnehin versuchte. Nachtpfote unterdrückte ein Schnauben. Lautes Schnattern und Gackern kündigte die nervigen Töchter von Dachsfuß und Fleckennase an. Nachtpfote hatte gerade noch genügend Zeit, um mit den Augen zu rollen, ehe drei der sechs Schwestern laut lachend durch das Unterholz brachen. Graupfote, Schlangenpfote und Bärenpfote blieben vor Regenkauz und Nachtpfote stehen. „Hey, Nachtpfote!“, grüßte Graupfote, die meistens zuerst das Wort ergriff. Sie und Bärenpfote sahen sich sehr ähnlich und glichen sich in ihren Fellzeichnungen bis auf winzige Kleinigkeiten, nur mit dem markanten Unterschied, dass Graupfote ein blau-weißes Fell hatte und Bärenpfote ein schwarz-weißes. „Wir sind gerade auf dem Weg zum Wasserfall und wollen eine Runde Fang-den-Fuchs spielen. Willst du mitkommen?“ „Nein, danke. Ich muss noch eine Runde trainieren. Meine Kriegerprüfung steht bald an.“ Wie dankbar sie Regenkauz dafür war, dass ihre Mentorin einfach nichts sagte, um sie nicht bloßzustellen. Graupfote gähnte enttäuscht. „Willst du es dir nicht noch überlegen?“ „Ach komm, lass sie“, gackerte Bärenpfote daraufhin und schmiegte sich eng an den Körper ihrer Schwester. „Nachtpfote hat doch sowieso nie Lust zum Spielen. Sie ist etwas Besseres.“ „Oh ja“, stimmte nun auch Schlangenpfote gehässig ein. „Mit der Einstellung kriegst du als letztes einen Gefährten ab, Nachtpfote.“ Nachtpfote spürte tief in ihrem Herzen einen Stich. „Es gibt Wichtigeres im Leben.“ „Klar“, erwiderte Schlangenpfote. „Aber nichts macht mehr Spaß als die Liebe.“ Bärenpfote und Graupfote stimmten ihrer Schwester kichernd zu. „Denkt nur mal an Aschekralle, miau! Den würde ich nicht von der Baumkante stoßen.“ Das Gekicher wurde nur noch lauter. „Oh ja, er ist so ein Zuckerschnütchen“, pflichtete Bärenpfote ihr bei. „Dieses seidige, blaue Fell, die stattlichen Pfoten. Da wird mir gleich ganz heiß ums Herz.“ Lachend zogen die drei Schwestern weiter. Nachtpfote starrte ihnen mit bösem Blick hinterher. Für diese einfältigen Puten gab es nichts anderes als die Frage, wann sie zu Kriegern wurden, und die Frage, wer später ihr Gefährte wurde. Insgeheim hoffte Nachtpfote, dass keine von ihnen jemals einen Kater für sich gewinnen konnte, das würde ihnen und ihren gemeinen Sticheleien nur recht geschehen. Regenkauz seufzte. „So jung und so unschuldig. Auch du solltest deine Jugend etwas mehr genießen.“ Aufgebracht stapfte Nachtpfote ein paar Schritte von Regenkauz weg. „Fang du nicht auch noch damit an!“ Mit diesen Worten ließ sie ihre Mentorin auf der Lichtung zurück. Ihr Weg führte sie geradewegs ins Lager, wo zur Mittagszeit nur wenig Betrieb herrschte. Die Morgenpatrouille war schon durch, der Frischbeutehaufen gut gefüllt. Die meisten genossen nun ihre freie Zeit und streiften durch das Revier oder zogen sich in Kleingruppen zurück. Zu Nachtpfotes Glück war der Bau der Schüler leer, sodass sie sich auf dem weichen Moos ausbreiten konnte und schmollte. Draußen liefen Sandblitz und Herbstwolke vorbei. „Man erzählt sich, dass Silberstern seit der Ankunft am Heiligen See sehr milde geworden sei“, sagte Herbstwolke gerade aufgeregt. Die schwarzweiße Kriegerin war die Großmutter der nervigen Schwestern und besaß ein ebenso lautes und neugieriges Mundwerk. Klatsch und Tratsch aus allen Clans war für Herbstwolke wie die Luft zum Atmen. „Ich gönne es ihr“, erwiderte Sandblitz gelangweilt. „Silberstern hat eine harte Zeit hinter sich. Jetzt, wo es ihrem Clan endlich bessergeht und wieder gesunde Junge zur Welt kommen, kann sie ihre sanfte Seite zum Ausdruck bringen.“ „Oh ja, der BergClan ist wirklich mit vielen Jungen gesegnet. Der SternenClan meint es sehr gut mit ihnen. So wie mit uns. Hach, die Kleinen werden immer so schnell groß. Hoffentlich haben wir bald wieder Nachwuchs.“ „Hoffentlich nicht.“ Sandblitz schnaubte hörbar. „Vierzehn Schüler sind mehr als genug. Ich freue mich schon darauf, wenn es wieder ruhiger bei uns zugeht.“ Herbstwolke schnaubte ebenfalls. „Na, wenn du meinst.“ Einen kurzen Moment schwieg sie, dann fuhr sie fort: „Jedenfalls bin ich sehr gespannt darauf, wie viele Junge es wohl im BergClan geben wird. Fünf Königinnen! Kann man das glauben? Und alle werden innerhalb eines Mondes ihre Jungen zur Welt bringen. Silberstern wird überglücklich sein.“ „Ja, das wird sie.“ Sandblitz klang bereits leicht genervt, doch davon ließ sich Herbstwolke nicht beirren. „Und dann sind Blaufeder aus dem WiesenClan und Seidenglanz aus dem WaldClan ebenfalls Königinnen. Hach, ich freue mich so für alle! Hier am Heiligen See erblüht das Leben.“ „Mhm.“ „Hey, Sandblitz, kannst du mal kurz kommen?“, rief Minzläufer ihr zu. „Klar.“ Dankbar löste Sandblitz sich von Herbstwolke los und trottete zur anderen Seite des Lagers. Nachtpfote beobachtete Herbstwolke dabei, wie sie einen Moment unschlüssig stehen blieb, ehe sie aus dem Lager ging, um sich einen neuen Gesprächspartner zu suchen. Gähnend schloss Nachtpfote ihre Augen. Ein, zwei Stunden Schlaf würden ihr guttun, weil sie wie so oft die halbe Nacht wachgelegen hatte – als hätten ihre Eltern ihr ihren Namen bei der Geburt als schlechtes Omen verpasst. Gerade begann sie, vor sich hinzudösen, als ihre Brüder den Bau der Schüler betraten. „Nachtpfote, da bist du ja!“ Goldpfote stupste sie an, woraufhin sie sich brummend erhob. „Es geht gleich los. Sturmstern wird uns jeden Moment zusammenrufen.“ Müde blinzelte Nachtpfote ihren Brüdern entgegen. Sowohl äußerlich als auch charakterlich ähnelte sie den beiden kaum. Goldpfote war zwar grau getigert, besaß rund um die Schnauze und die Brust jedoch einige rötliche Stellen. Schwalbenpfote war pechschwarz. Die beiden teilten sich die gleichen hellgrünen Augen und einen ruhigen, aber offenen Charakter. Nachtpfote hingegen hatte das blaue Fell ihres Vaters geerbt und hatte dunkle, türkisgrüne Augen. Ihr Vater wurde nicht müde, zu betonen, wie ähnlich sie seiner bereits verstorbenen Mutter sah. Schwalbenpfote legte den Kopf etwas schief. „Kommst du jetzt oder nicht?“ „Ja, ja, ich komme schon.“ Dabei interessierte sie sich kein Stück dafür, wen Sturmsterns Kinder als Mentoren bekämen. Nicht mehr lange, dann würden ihre Brüder und sie zu richtigen Kriegern ernannt und der größte Vorteil davon war, dass sie sich nicht mehr mit den sechs Schwestern oder den neuen Schülern herumschlagen musste. Abgesehen davon war es für ihren Geschmack auch so schon eng genug im Schülerbau. Sturmstern lag wie üblich auf einem tiefen, knorrigen Ast und schaute auf das sich füllende Lager herab. Seine Ohren zuckten nur leicht, als Graupfote, Bärenpfote und Schlangenpfote an der Seite ihrer Schwester Silberpfote lachend das Lager betraten. Unter ihm saß Schneewolke, Sturmsterns Gefährtin. Sie hatte ihre Jungen bekommen, als Sturmstern noch nicht an der Spitze des SumpfClans gestanden hatte. Nun wirkte sie nervös, knete den Erdboden unter ihren Pfoten und schaute immer wieder zu ihren fünf Kindern, die in der ersten Reihe saßen und aufgeregt miteinander tuschelten. Seestein, der Zweite Anführer des Clans, war ein großer, cremefarbener Kater, der wie üblich eine tiefe, innere Ruhe ausstrahlte. Sturmstern ging in eine sitzende Position über und sagte: „Ich fordere alle Katzen, die alt genug sind, um selbst Beute zu machen, dazu auf, sich hier zu einem Clan-Treffen zu versammeln.“ Augenblicklich kamen auch die letzten Nachzügler herbei und es kehrte eine angenehme Ruhe ein. Wohlwollend blickte ihr Anführer auf sie herab. „Wir haben uns heute zum Sonnenhoch hier versammelt, um auch die letzten fünf Jungen des SumpfClans zu Schülern zu ernennen.“ Er pausierte kurz und blickte zu seinen Kindern herab, die ihn mit leuchtenden Augen anschauten. Schließlich seufzte er leise und fuhr fort: „Ihr seid die ersten Jungen, die hier am See geboren wurden. Mit dem heutigen Tag geht der erste Zyklus in der neuen Heimat einen großen Schritt voran. Lernt fleißig, haltet euch an das Gesetz der Krieger und ehrt euren Clan.“ Nacheinander nickte er ihnen zu und es war unverkennbar, wie stolz er dabei war. Am Ende blieb sein Blick bei Feuerjunges hängen. Feuerjunges war die Älteste von ihnen. Genau wie ihre Eltern und ihre Geschwister hatte sie langes, seidiges Fell, jedoch fehlte ihr genau wie ihrem Bruder Luftjunges der buschige Fellkragen, den die anderen von Sturmstern geerbt hatten. Feuerjunges‘ Fell war rot und schwarz getigert, dazu hatte sie einen weißen Bauch, eine weiße Brust und weiße Pfoten, die aussahen, als wäre sie kürzlich erst durch Schnee gelaufen. Aus goldenen Augen blickte sie aufgeregt umher. „Feuerjunges, du bist nun sechs Monde alt und es ist an der Zeit, um mit deiner Ausbildung zu beginnen. Von diesem Tag an, bis diese Schülerin sich ihren Kriegernamen verdient hat, wird sie Feuerpfote heißen. Ich bitte den SternenClan, über diese Schülerin zu wachen, bis sie in ihren Pfoten die Kraft und den Mut eines Kriegers findet.“ Feuerpfote streckte stolz ihre Schultern durch. „Seestein, du bist bereit einen Schüler auszubilden. Du wurdest im SeelenClan hervorragend ausgebildet und hast als unser Zweiter Anführer bewiesen, dass du tapfer, gemäßigt und gerecht bist und die Werte des SumpfClan vertrittst. Du wirst der Mentor von Feuerpfote sein und ich bin davon überzeugt, dass du dein Wissen an sie weitergeben wirst.“ Seestein trat vor, berührte Feuerpfote an der Nase und setzte sich neben sie. Der ganze Clan rief ihren Namen: „Feuerpfote! Feuerpfote! Feuerpfote!“ Nachtpfote rollte unauffällig mit den Augen, schloss sich den Rufen jedoch an. „Wasserjunges, du bist nun sechs Monde alt und es ist an der Zeit, um mit deiner Ausbildung zu beginnen. Von diesem Tag an, bis diese Schülerin sich ihren Kriegernamen verdient hat, wird sie Wasserpfote heißen. Ich bitte den SternenClan, über diese Schülerin zu wachen, bis sie in ihren Pfoten die Kraft und den Mut eines Kriegers findet.“ Wasserpfote strahlte überglücklich vor sich hin. Sie hatte ein braungetigertes Fell mit weißer Brust, Schnauze und Pfoten, doch auffällig an ihr war, dass sie ein blaues und ein grünes Auge besaß, genau wie ihr Bruder Luftjunges. Dies zeigte, dass sie durch ihre Mutter Schneewolke das Blut des alten WasserClans in sich trugen. Sturmstern nickte Aschekralle zu, woraufhin Graupfote, Schlangenpfote und Bärenpfote augenblicklich neidische Blicke in Richtung Wasserpfote abschossen. „Aschekralle, du bist nun bereit für deinen ersten Schüler. Du wirst der Mentor von Wasserpfote und ich bin davon überzeugt, dass du dein Wissen an sie weitergeben wirst.“ Aschekralle berührte Wasserpfotes Nase mit seiner eigenen und setzte sich neben sie. Dann folgte Erdpfote, der Rußfell, Aschekralles Bruder, als Mentor bekam. Nebeneinander bildeten ihre Körper einen recht hübschen Kontrast, denn neben Aschekralles tiefschwarzem Fell schien das gleichmäßige Cremerot von Erdpfote nur noch stärker zu leuchten. Luftpfote war das kleinste von Sturmsterns Kindern. Er hatte einen schmalen, eher zierlichen Körperbau, weißes Fell und ebenso wie Wasserpfote ein blaues und ein grünes Auge. Sein Mentor wurde Flockenherz und die beiden weißen Krieger verstanden sich auf Anhieb sehr gut. Zum Schluss war Seelenpfote an der Reihe. Auch er war schneeweiß, besaß aber wie Erdpfote einen sehr breitschultrigen, kräftigen Körper und goldgelbe Augen. Sturmstern teilte ihm Schwarzschnee, einen ruhigen und strengen Krieger, als Mentor zu. Zuletzt erhob Sturmstern noch einmal das Wort. „Hiermit sind auch die letzten Jungen des Clans zu Schülern geworden. Der SumpfClan kann sich geehrt fühlen, dass der SternenClan uns mit vierzehn gesunden Schülern gesegnet hat. Mögen sie alle zu großen Kriegern werden. Wie es die Tradition gebietet, werden die neuen Schüler heute Nacht schweigend die Nachtwache halten. Hiermit erkläre ich die Versammlung für beendet.“ Es dauerte keine zwei Herzschläge, bis sich der Clan in eine wuselige Masse verwandelte. Jeder wollte den neuen Schülern persönlich gratulieren und auch die fünf Mentoren waren im Mittelpunkt des Interesses. Nachtpfote zog sich schnell aus dem Trubel heraus und trottete an den Rand des Lagers. Dabei kreuzte sie den Weg von Goldstreif, der so wütend aussah, dass sie automatisch eine geduckte Haltung annahm und blitzschnell an ihm vorbeihuschte. Welche Ratte hatte den denn gebissen? Als sie ein gemütliches Plätzchen in der Nähe von Nessellichts Heilerbau gefunden hatte, beobachtete sie Goldstreif aus der Entfernung. Sie wusste, dass Goldstreif früher einer der beiden angesehensten Krieger im alten SeelenClan gewesen war. Außerdem war er Sturmsterns Vater und somit der Großvater von Feuerpfote und den anderen. Trotzdem hatte Sturmstern ihm bislang noch keinen Schüler zugesprochen – womöglich lag darin die schlechte Laune des Kriegers begründet? „Du wolltest mich sprechen?“ Die Stimme von Sturmstern riss Nachtpfote aus ihren Gedanken und sie realisierte, dass Sturmstern und Nessellicht sich in der Nähe vom Eingang ihres Baus befinden mussten. Eigentlich wollte Nachtpfote nicht lauschen, aber ihre Neugier siegte. Mucksmäuschenstill kauerte sie sich zusammen und konzentrierte sich auf das Gespräch im Inneren des Baus. „Ja, Sturmstern“, sagte die alte Heilerin. „Ich habe letzte Nacht eine Prophezeiung des SternenClans erhalten. Es geht um deine Kinder.“ „Um … meine Kinder?“ Besorgnis schwang in seiner Stimme mit. „Es tut mir sehr leid, Sturmstern.“ „Was ist los? Was hat der SternenClan dir gesagt?“ Nachtpfote konnte kaum glauben, was sie da hörte. Ihre Augen weiteten sich von Wort zu Wort mehr und am Ende verfluchte sie sich dafür, überhaupt gelauscht zu haben. Diese Informationen waren ganz und gar nicht für ihre Ohren bestimmt gewesen. Bevor man sie entdecken konnte, verkroch sie sich tiefer in dem Dickicht und wartete, bis Sturmstern den Heilerbau weit hinter sich gelassen hatte. Sie schüttelte sich den Dreck von den Pfoten, streckte sich und erstarrte, als Nessellichts Stimme vom Eingang des Heilerbaus ertönte. „Und du, junge Nachtpfote … vergiss, was du gerade gehört hast, sprich mit niemandem darüber.“ Nur langsam drehte Nachtpfote sich um und zuckte zusammen, als sie Nessellichts eisigen Blick zu spüren bekam. „J-ja, Nessellicht … ich werde kein Wort verraten.“ Die Heilerin nickte. „Der SternenClan will nicht, dass irgendjemand außer Sturmstern und mir davon erfährt. Wir müssen abwarten, was die Zukunft für uns bereithält.“ „Ich verstehe, Nessellicht.“ „Dann geh.“ Unter dem strengen Blick der Heilerin huschte Nachtpfote davon und verkroch sich im Bau der Schüler. Noch immer raste ihr Herz, weil man sie ertappt hatte – und so ganz konnte sie einfach nicht glauben, was sie gerade gehört hatte. Es konnte doch nicht wahr sein, dass einer der fünf neuen Schüler sterben musste? Und wieso unternahmen Sturmstern und Nessellicht nichts dagegen? Sie konnten doch nicht einfach zusehen und darauf warten, dass sich die Prophezeiung erfüllte? Erschöpft schlief Nachtpfote ein. Sie träumte von Nessellichts eisblauen Augen – und immer, wenn sie über die Schulter nach hinten sah, glaubte sie, in weiter Ferne die blutroten Augen ihres Spiegelbilds im Bachlauf zu erblicken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)