Lex Aeterna von Nanghaithya ================================================================================ Kapitel 1: Fremde Freunde ------------------------- „Doch obwohl ihr Geist schlief, lebte ihre Seele weiter. In allem was war, in allem was ist und in allem was sein wird. Zeitlos, wie die Große selbst. Und so mag es geschehen, dass ihr Ebenbild selbst sterblich unter den Sterblichen wandelt. Eine Erscheinung rein und zart wie die Strahlen der neu erwachenden Morgensonne. Keine Farbe wird ihr Antlitz trüben und die Spiegel ihrer Seele werden leuchten und funkeln wie nur das endlose Blau des Himmels es vermag. Wo sie erwacht, sprießt Hoffnung. Wo sie sich niederlässt, blüht Frieden. Wo sie vergeht, öffnet sich ein Tor. So ruhet Dea in allen Dingen,wartend auf den Tag, da ihre Seele wieder geeint und ihr Geist erweckt wird. Den verlorenen Liebsten im Arm schlummert sie im Herzen des Seins, auf dass alles zu ihr zurückkehren möge.“ *** Dünner Nebel stieg aus den Wäldern Arindells, während sich die Sonne behäbig über den Horizont schob. Obwohl die Bäume noch ihr sommerlich grünes Kleid trugen, hatte in den kühlen Nächten längst der Herbst Einzug gehalten. Es würde nun nicht mehr lange dauern, bis auch das Laub die warme Jahreszeit hinter sich ließ und in leuchtend neuen Farben erstrahlte. Noch ruhte das geschäftige Städtchen. Durch seine zentrale Lage im Herzen des Schemenwaldes fand Arindell vor allem bei Reisenden und Erholungssuchenden viel Anklang. Nur hier und dort erklang ein verschlafener Hahnenschrei und rüttelte die ersten Bewohner wach. Doch in den zahlreichen Gasthäusern und Pensionen der Stadt herrschte hinter den Kulissen bereits reges Treiben. Das Goldblatt, ein altes Gasthaus mit urigen Holzbalken, bildete dabei keine Ausnahme. Schon seit 150 Jahren zierte das dreistöckige Fachwerkhaus das Stadtbild und hatte weit über die Grenzen Andrindells hinaus einen guten Ruf. An Arbeit mangelte es hier nie und auch dieser Tag war dabei keine Ausnahme. Festen Schrittes erklomm eine kleine, kräftige Frau die Treppen zum Dachgeschoss. Rutha Canda, die Besitzerin des Gasthauses war sichtlich aufgebracht. Obwohl sie in nur zwei Jahren ihre fünfte Dekade auf dieser Welt vollenden würde, war sie fit und energiegeladen. Nur die grauen Strähnen in ihrem rehbraunen Haar ließen ihr Alter vermuten. Ohne Unterlass marschierte sie geradewegs auf die letzte Tür am Ende des Gangs zu. Ihre runden Wangen glühten rot, als sie kraftvoll gegen das Holz hämmerte. „Kahlis!“, rief sie mit durchdringender Stimme. „Schwing sofort deinen Hintern aus dem Bett!“ Während sie noch immer an die Tür klopfte drückte sie die Klinke mehrfach tief, doch es war verschlossen. „Wenn ich dich nicht in zehn Minuten im Speisesaal sehe, dann möge Dea deiner Seele gnädig sein!“ Ohne auf eine Antwort zu warten machte Rutha auf dem Absatz kehrt und stapfte fluchend davon. Die alten Holzdielen ächzten unter jedem ihrer wütenden Schritte. Missmutig grummelnd wandte sich Kahlis auf der anderen Seite der Tür wie ein Wurm in seinem Bett. Selbst mit dem Kopf unter dem Kissen war das Wüten seiner Mutter nicht zu überhören. Eigentlich sollte er daran gewöhnt sein, denn das Theater wiederholte sich beinahe jeden morgen. Doch egal wie oft er getadelt wurde, sein Körper machte auch nach Jahren keine Anstalten sich an das frühe Aufstehen zu gewöhnen. Unter schwerem Seufzen setzte er sich schließlich auf. Das Kissen rutschte von seinem Kopf und fiel mit einem dumpfen Geräusch auf die Matratze. Es kostete Kahlis viel Kraft und Überwindung nicht das Gleiche zu tun. „Ach verdammt...“, murmelte er leise und schwang die Beine aus dem Bett. Ein Schauer von Gänsehaut überkam ihn, als seine nackten Füße den kalten Holzboden berührten. Gebückt tapste er zur Waschnische auf der anderen Seite des Raumes. Schon die wenigen Schritte schienen unendlich weit und es graute ihm vor dem bevorstehenden Arbeitstag. Mit müden Augen blickte er auf seine Reflexion im Spiegel. Wie eine Geisterscheinung starrte das Spiegelbild aus matten eisblauen Augen zurück. Seufzend fuhr sich Kahlis durch sein schneeweißes Haar, das vom Schlafen wild in alle Richtungen stand. Der zierliche Junge im Spiegel erschien ihm immer mehr wie ein Fremder. Selbst seine ohnehin schon helle Haut wirkte heute noch blasser als sonst. Möglicherweise wurde er krank. Oder vielleicht war er es schon. Wahrscheinlich würde er den Unterschied nicht mehr bemerken. Kahlis schloss die Augen und ließ den Kopf kreisen, sodass seine Halswirbel leise knackten. Rutha hasste dieses Geräusch doch ihm gab es ein seltsames Gefühl der Erleichterung. Nachdem er auch seine anderen Gliedmaßen ausgiebig gestreckt hatte, widmete er sich der Morgendusche und richtete sein Haar. Zuletzt warf er sich in die schlichte Arbeitskleidung und verließ schließlich sein Zimmer. Ruthas Privatwohnung befand sich im Dachgeschoss des Gasthauses, was angenehm kurze Wege bedeutete. Dennoch hatte Kahlis das zehn Minuten Ultimatum seiner Mutter weit überschritten. Innerlich bereitete er sich auf die ausstehende Standpauke vor, als er die Treppen hinab stieg. Bereits jetzt drangen verschiedene Stimmen von Gästen und Kollegen an sein Ohr und er wusste, es würde ein anstrengender Tag werden. Der Speisesaal, in dem das Frühstück serviert wurde, war voller Leben. Das Klappern von Geschirr hallte durch den Raum und der Geruch von Kaffee und frischem Brot erfüllte die Luft. „Guten Mor....“, setzte Kahlis an, wurde jedoch jäh unterbrochen. „Wird ja Zeit, dass du auch mal kommst!“, fuhr ihn eine Kollegin schnippisch an und drückte ihm im Vorbeigehen ein Tablett in die Hand. Bevor er etwas erwidern konnte war die Blondine schon auf und davon. Leise stöhnend nahm er das Tablett auf und begann mit der Arbeit. Die anderen Kollegen machten sich gar nicht erst die Mühe auch nur ein Wort an ihn zu verlieren. Einige mieden ihn einzig da er der Sohn der Chefin war, die meisten jedoch beklagten seine schlechte Arbeitseinstellung. Und Kahlis verstand ihre Ablehnung. Er wusste, dass er weder gut noch mit Freude bei der Sache war. Wenn es nach ihm ging, wäre er gar nicht hier. Aber als zukünftiger Erbe des Goldblatts blieb ihm keine Wahl. Gedankenversunken ging er müßig seinen Aufgaben nach. Routiniert schenkte er dabei jedem Gast ein warmes Lächeln. Mit einigen wechselte er ein paar Worte, welche er sogleich wieder vergaß. Egal wie sehr er die Arbeit verabscheute, der Kundschaft würde er seinen Unmut nie zeigen. Seine schauspielerischen Fähigkeiten überstiegen seine gastronomischen bei weitem. Vermutlich war dies auch der Grund, dass er trotz seines mittelmäßigen Services vor allem bei den Stammgästen beliebt war. Sein ungewöhnliches Äußeres trug wahrscheinlich ebenfalls dazu bei. Kahlis war zweifellos ein Blickfang. Sein weißes Haar und die klaren hellblauen Augen ließen ihn zu seinem Leidwesen in den letzten Jahren zu einer Art Maskottchen des Hauses werden. Für die meisten Gäste war dies das erste und einzige Mal, dass ihnen eine derartige Erscheinung begegnete. Für Kahlis jedoch war es jeden Tag ein Zeugnis seiner Andersartigkeit. Der Morgen verging und der Andrang schwand. Während seine Kollegen im Speisesaal aufräumten und ihn für das kommende Mittagsgeschäft vorbereiteten, zog sich Kahlis in die Küche zurück. Ein Hauch der Erleichterung ergriff ihn, als die Schwingtür klappernd hinter ihm zu fiel. Die Berge dreckigen Geschirrs, die sich vor ihm auftaten, schreckten Kahlis nicht. Tatsächlich war ihm diese Arbeit nur recht. Je weniger er in der Öffentlichkeit stand, desto schneller vergingen die Tage für ihn. Am liebsten würde er nur in der Küche arbeiten. Kochen, backen und selbst das Abwaschen waren für ihn viel erfüllender, als die Schinderei im Service. Doch Rutha wollte ihn stets am Gast sehen. Bei der Arbeit im Stillen, fernab der Gäste, ließ er oft die Gedanken schweifen. Aus einer dunklen Ecke seiner Erinnerung erklang plötzlich eine Melodie. Schwach, aber vertraut. Während er abwusch summte Kahlis die fast vergessene Weise. Langsam kehrte der Klang zu ihm zurück doch die passenden Worte blieben verborgen. Vertieft in das Lied und seine Arbeit bemerkte er nicht, dass sich jemand näherte. „Dass du dich daran noch erinnerst.“, erklang eine wohlbekannte Frauenstimme neben ihm. Überrascht fuhr Kahlis herum und erblickte seine Mutter. „Sey hat dir dieses Lied oft vorgesungen, als du noch klein warst. Du hast dann immer ganz schnell geschlafen.“ Ihre Stimme klang brüchig. „Sey...“, sagte Kahlis mehr zu sich selbst und senkte den Blick. Es kam nicht oft vor, dass Rutha über seinen Bruder sprach. Seit Sey vor sechs Jahren verschwand, war selbst sein Name ein Tabuthema. Doch für Kahlis verging kein Tag an dem er nicht an seinen älteren Bruder dachte und er wusste, dass es seiner Mutter genauso gehen musste. Ein kaltes Gefühl der Melancholie ergriff seine Brust. Schier endlose Momente der Stille verstrichen als Rutha das Wort ergriff. „Kaffee?“, fragte sie mit gezwungen fröhlicher Stimme. Sichtlich verwirrt über den plötzlichen Themenwechsel sah Kahlis zwischen seiner Mutter und der Tasse, die sie ihm entgegenstreckte, hin und her. „Nimm schon!“, sagte sie und übergab ihm den angebotenen Kaffee. Mit vom Abwasch tropfnassen Händen ergriff er das Porzellangefäß und brachte es zu seinen Lippen. Der Inhalt war lauwarm und leicht gesüßt. „Danke.“, sagte Kahlis leise bevor er einen weiteren Schluck nahm. Während er trank verschränkte Rutha die Arme und nahm ihn fest ins Visier. Kahlis spürte, dass ihm nichts Gutes bevorstand, als sie tief Luft holte:„Ich hoffe, dass bringt dich endlich in Schwung. Du bist ja vorhin herumgekrochen wie eine blinde Schnecke! Und von deiner Unpünktlichkeit will ich gar nicht erst anfangen!“ Prustend verschluckte sich Kahlis und hustete schmerzhaft. Noch während er nach Luft rang fuhr Rutha fort: „Du wirst morgen volljährig und schaffst es nicht einmal aus eigenem Antrieb pünktlich aus dem Bett zu kommen! Und ich hatte gehofft mich in den nächsten Jahren zur Ruhe setzen zu können, doch wenn du so weiter machst arbeite ich hier bis ich 100 bin!“ Mit erhobenem Zeigefinger unterstrich Rutha jedes ihrer Worte drohend. Obwohl Kahlis seine Mutter um gut eine Handbreite überragte, fühlte er sich jetzt ganz klein. Er wusste, dass sie eigentlich eine liebevolle und fürsorgliche Person war, doch wenn es um die Arbeit ging kannte sie kein Pardon. „Es kommt nicht wieder vor...“, versuchte er sich mit dünner Stimme zu retten. Doch seine schwache Entschuldigung ließ ihr Gesicht rot anlaufen. „Hast du eigentlich eine Ahnung wie oft ich das schon gehört habe? Jeden Tag die selbe Leier! Wenn deine alte Mutter mit der Morgendämmerung aufstehen kann, dann solltest du junger Kerl es doch erst recht können!“ Sie schnappte nach Luft. „Morgen will ich dich noch vor allen anderen im Dienst sehen! Und gnade dir die Große, solltest du auch nur eine Minute zu spät sein! Haben wir uns verstanden?“ Kahlis nickte hastig während Rutha wie ein wütender Stier schnaubte. Er traute sich nicht, ihr in die Augen zu sehen. „Das will ich für dich hoffen! Und jetzt ab an den Empfang, da hat ein Gast nach dir verlangt!“ „Jawohl...“, erwiderte Kahlis scheu und eilte fluchtartig an ihr vorbei. Er konnte sich ein Seufzen nicht verkneifen, als er die Küche verließ. Zwei seiner Service Kolleginnen tuschelten und kicherten hinter vorgehaltener Hand, als er den Speisesaal durchquerte. Vermutlich hatte man das Donnerwetter auch hier gehört. Doch er machte seiner Mutter keinen Vorwurf. Sie handelte lediglich im Interesse des Unternehmens und ihre Wut hielt auch nie lange an. Viel mehr als ihr Ausbruch gerade beschäftigte ihn allerdings der Gast, den sie erwähnt hatte. Obwohl Kahlis bei den Stammgästen bekannt war wie ein bunter Hund, kam es nur sehr selten vor, dass jemand direkt nach ihm fragte. Vor allem nicht am Empfang. Zwar wurde er oft während der Essenszeiten in Gespräche verwickelt, mehr aber auch nicht. Ein seltsames undefinierbares Gefühl machte sich in seinem Magen breit, als er sich dem Empfangstresen näherte. Die Rezeptionistin schien ihn bereits brennend zu erwarten. „Ah, da bist du ja.“, sagte sie und schob Kahlis Richtung Tresen. „Die Herren Kwinn und Reeve haben nach dir verlangt.“ Kwinn und Reeve? Kahlis kramte in seinem Gedächtnis doch die Namen waren ihm fremd. Genauso fremd wie die beiden großgewachsenen Männer, die ihn von der anderen Seite des Tresens her ansahen. Beide schienen älter als er. Der eine hatte langes schwarzes Haar, welches in einem lockeren Zopf über seine linke Schulter fiel und sein Gesicht zu einem großen Teil verdeckte. Doch sein rechtes Auge lag frei und Kahlis glaubte kaum, was er sah. Das Auge des Fremden strahlte in einem so hellen Blau, dass Kahlis glaubte in einen Spiegel zu blicken. Vielleicht wirkte die Farbe nur durch den Kontrast mit seinem dunklen Haar so intensiv, aber es war faszinierend. Der andere war komplett in Schwarz gekleidet und etwas größer als sein Begleiter, aber weniger muskulös. Eher schlank und athletisch. Beide waren jedoch ohne Frage gut trainiert. Einige Strähnen seines dunklen rotbraunen Haares fielen ihm ins Gesicht doch seine katzenartigen grünen Augen waren deutlich sichtbar. Ihn umgab die Aura eines Raubtieres auf der Pirsch. Die Fremden waren ein Anblick, den man nur selten in Arindell sah. Obwohl die Stadt ringsum von dichtem Wald umgeben war, blieb man hier von Räubern und wilden Bestien meist verschont. Söldnern und Jägern bot der Ort somit nur wenig Anreiz. Doch die zwei Männer waren zweifelsohne kampferprobt und wirkten nicht, als ob sie für einen Erholungsurlaub hier wären. Doch was konnten sie von Kahlis wollen, der diesen friedlichen Ort nie verlassen hatte? Während er noch milde verwirrt zwischen den Fremden hin und her sah, lächelte der Schwarzhaarige ihn freundlich an. „Dann bist du also Kahlis, ja?“ Seine Stimme war warm und einladend. Kahlis nickte und verbeugte sich knapp. „Kahlis Canda, ja. Bitte lassen Sie mich wissen, wann immer ich etwas für Sie tun kann!“ Peinlich berührt winkte der Fremde ab. „Bitte nicht so förmlich! Wir sind nicht als Gäste hier. Mein Name ist Rhai Kwinn und das ist Jakk Reeve“, sagte Rhai und zeigte auf seinen Begleiter. Jakk würdigte Kahlis jedoch keines Blickes und sah stumm an ihm vorbei. „Wenn es möglich ist, würden wir gerne irgendwo ungestört mit dir reden.“ Rhai lächelte weiterhin doch den Blick, den er der neugierigen Rezeptionistin zuwarf, war eindeutig. Die resolute Dame wich einen Schritt zurück und sah fragend zu Kahlis. Doch auch ihm war die Verwunderung deutlich ins Gesicht geschrieben. Er wusste nicht, woher die beiden ihn kannten und noch weniger wusste er, was sie mit ihm zu besprechen hatten. Doch was er wusste war, dass solche Gestalten meistens Ärger bedeuteten. Obwohl die Neugier in ihm brannte, hielt er es für klüger Distanz zu wahren. Höflich lächelnd wies er sie ab. „Es tut mir leid, aber ich werde den ganzen Tag im Dienst sein. Für private Gespräche bleibt da leider keine Zeit. Ich hoffe, ihr versteht das.“ Zu Kahlis' Überraschung nickte Rhai zustimmend. „Ja, natürlich.“ Er legte die Hand unters Kinn und schien angestrengt nachzudenken. „Hey, Jakk?“, wandte sich Rhai an seinen Freund, „Was hältst du davon, mal wieder eine Nacht in einem richtigen Bett zu verbringen?“ Jakk, der bisher keine Regung zeigte, war sichtlich angetan von diesem Vorschlag. Es war nur ein kurzer Moment doch das Funkeln in seinen Augen war nicht zu verkennen. Rhai schien dies als Antwort zu genügen und so wandte er sich wieder Kahlis zu: „Bitte verzeih, aber wie es scheint, sind wir doch als Gäste hier.“ Völlig perplex starrte er Rhai an. Wie ein gestrandeter Fisch öffnete und schloss Kahlis den Mund ohne auch nur ein Wort zu sagen, während sich Rhai der Empfangsdame zuwandte. „Vorausgesetzt ihr habt noch ein Zimmer für uns frei.“ Sie nickte. „Aber ja, die Herren! Zwei Einzelzimmer?“ „Ein Doppelzimmer genügt. Wir kennen uns schon eine Weile.“, erwiderte Rhai scherzend. „Aber unsere Pferde müssten wir doch separat unterbringen.“ „Selbstverständlich. Wir bieten Unterbringung und volle Pflege zu adäquaten Preisen, sodass Sie Ihren Aufenthalt bei uns voll und ganz genießen können.“ Ungläubig beobachtete Kahlis, wie seine Kollegin die Vermietung abwickelte, als ob das Vorherige nie passiert wäre. Natürlich war jeglicher Umsatz gut für das Gasthaus, doch die ganze Situation erschien ihm mehr als skurril. „Kahlis, führe die Herrschaften doch bitte zu unseren Stallungen.“ Mit einem gequälten Lächeln nickte er die Bitte ab. Noch immer neben sich stehend ging er an Rhai und Jakk vorbei und gab ihnen ein Zeichen ihm zu folgen. Die beiden Pferde waren unfern des Goldblatts an einem Baum festgemacht und fraßen Blätter und Gras vom Boden. Sie waren noch komplett aufgezäumt und reichlich beladen. Neben einigen Utensilien zum Kampieren erblickte Kahlis diverse Rüstungsteile aus Leder und leichtem Metall und einen schlanken Langbogen, der gut und gerne seiner eigenen Körpergröße entsprach. Spätestens jetzt war ihm endgültig klar, dass die beiden keine gewöhnlichen Reisenden waren. Jakk versprühte definitiv die kalte Unnahbarkeit eines Söldners. Rhai hingegen schien viel zu freundlich und unbekümmert für ein derartiges Leben zu sein. Kahlis wurde aus dem ungleichen Paar einfach nicht schlau. Wortlos machte Jakk die Pferde vom Baum los und drückte Rhai die Zügel der Fuchsstute in die Hand. Er selbst führte den langbeinigen Rappen, der auch den Bogen trug. „Der Stall befindet sich nur ein Stück hinter dem Gasthaus. Bitte folgt mir.“ Begleitet von einem mulmigem Gefühl führte Kahlis seine Gäste hinter das Gebäude. Neben dem Gasthaus selbst nannte Rutha noch ein großzügiges Stück Land ihr Eigen, das sich bis an den Waldesrand erstreckte. Der Stall bot Platz für ein Dutzend Pferde, jedoch war zur Zeit nur eine der Boxen belegt. Die alte Mähre sah langsam auf, als das Stalltor geöffnet wurde. Befand die Neuankömmlinge jedoch schnell als uninteressant und vergrub den Kopf wieder genüsslich im Heu. Kahlis öffnete die vordersten Boxen und führte die Pferde hinein. Während Rhai und Jakk absattelten erklärte er ihnen wie Fütterung und Auslauf hier gehandhabt wurden. „Wirst du dich um sie kümmern?“, fragte Rhai interessiert. „Wenn ihr das wünscht, werde ich es tun, ja.“, bestätigte Kahlis was Rhai erneut ein Lächeln entlockte. „Es kann nicht schaden, wenn sie sich schon jetzt an dich gewöhnen. Runa ist umgänglich, aber Vida kann ein echter Sturkopf sein.“ Jakk schnaubte bei Rhais Worten missmutig und tätschelte dem schwarzen Hengst die Stirn. „Er ist nur schüchtern.“, sagte er leise. Rhai lachte und schulterte sein Gepäck. Jakk tat es ihm nach. „Lasst mich etwas davon tragen. Das sieht ziemlich schwer aus.“, bot Kahlis an doch Rhai winkte ab. „Keine Sorge, wir sind das gewohnt und es ist ja auch nicht weit.“ Vermutlich war es sogar besser so. Die Ausrüstung schien einiges an Gewicht zu haben und an Körperkraft konnte Kahlis den beiden bei Weitem nicht das Wasser reichen. Zu Dritt kehrten sie ins Goldblatt zurück. Kahlis begleitete sie noch zu ihrem Zimmer, wo er sich schließlich verabschiedete. „Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt. Wenn ihr Wünsche oder Fragen habt, zögert nicht euch an meine Kollegen oder mich zu wenden. Und solltest ihr Hunger haben, so findet euch doch gerne in unserem Speisesaal im Erdgeschoss ein. Das Goldblatt hat nicht nur weiche Betten sondern auch eine ausgezeichnete Küche.“ Er schenkte Rhai, der in der Tür stand, ein freundliches Lächeln und verneigte sich knapp. „Danke, wir kommen auf jeden Fall darauf zurück.“, entgegnete Rhai fröhlich und hob zum Abschied die Hand. Kahlis erwiderte die Geste und sah zu wie sein Gegenüber die Tür schloss. Ein Seufzer der Erleichterung entwich seinen Lippen, als die Tür ins schloss fiel. Schon als er heute früh seinen Dienst antrat, spürte Kahlis, dass dieser Tag anstrengend werden würde. Doch die jüngste Entwicklung übertraf diese Erwartung bei weitem. Tausend Gedanken rasten durch seinen Kopf, als er die Treppe hinab stieg. Und zum ersten Mal seit langem hoffte er auf so viel Arbeit, dass ihm gar keine Zeit mehr zum Nachdenken blieb. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)