Vergebung von Traumfaengero_- (Im Inneren zerschmettert) ================================================================================ Kapitel 1: Zersplittert ----------------------- Der Regen stürzte wild nieder, der Wind peitschte ihn gegen die Fenster des Fuchsbaues und brauste durch die Wiesen und Felder um das Haus. Es gab kaum ein widerwertigeres Wetter und alle Fensterläden waren fest verschlossen. Die dunklen Wolken ballten sich über den Himmel und türmten sich zu immer gewaltigeren Skulpturen auf. Obwohl die Nacht noch Stunden auf sich warten ließ, schien es kaum einen Unterschied zwischen dieser Finsternis und der Dunkelheit der mitternächtlichen Stunde zu geben. Keiner würde sich freiwillig bei diesem Wetter aus dem Haus wagen, sich durch die Felder schlagen, da ein großflächiger Schutzzauber das Grundstück abschirmte. Apparieren war in diesem Zauber nicht möglich und zwang Besucher den lange Weg durch die schlammigen Felder zu suchen. Wenn es nicht um Leben und Tod ginge, würde niemand diese Reise auf sich nehmen. Aber was bedeutete diese Aussage schon? Was bedeutete es sich um Leben und Tod Gedanken zu machen und solche Strapazen zu meistern? War es eine Option wenigsten einen Teil seiner Schuld begleichen zu können? War es eine Chance auf Vergebung, die ihn am Ende dieser Tortur erwarten könnte? Eisig hatte sich das Wasser auch in die letzten Schichten Stoff gesogen und der Wind ließ ihn grausam frieren. Seine Beine zitterten, er musste sich nicht nur gegen den Sturm stellen, auch rutschten seine Füße auf dem felsigen, nassen Untergrund stets ab. Als sich das mächtige Gebäude endlich im schemenhaften Licht erhob, nur verschwommen konnte er das Licht hinter den geschlossenen Fensterläden erkennen, spürte er zumindest ein leichtes Erwachen zerbrechlicher Hoffnung. Er hatte den größten Fehler seines Lebens begangen und dafür büßte er. Nein, um ehrlich zu sein war dieser Weg allein ein demütiger Anfang, eine winzige Huldigung seiner eigenen Ohnmacht. Er hatte versagt, er hatte sich einen Moment nicht kontrolliert, einen Moment fallen lassen und ganz gleich, was auch immer seine Familienehre davon hielt, er hatte sein Versprechen gebrochen! Einem Mann wie ihm gegenüber! Einem Mann, der gerade einen solchen Fehler nicht verzeihen konnte. Mühsam griffen seine schlanken Finger nach dem Gartentor und keuchend, nach Luft ringend stemmte er sich ein letztes Mal gegen den gewaltigen Wind, der ihn von den Füßen reißen wollte. Nur noch ein Stück, scheppernd krachte das metallene Tor hinter ihm zu und er kämpfte sich mit dem einzigen Mut in seinem Herzen weiter bis zur Tür. Er musste sie einfach erreichen! Er konnte jetzt nicht noch länger warten. Ganz gleich, was auch immer kommen würde! Angstvoll starrte er auf die Klingel und konnte gegen den tosenden Sturm doch das Geräusch im Hause selbst nicht hören. Er musste da sein! Mit unerwartetem Schwung wurde die Tür geöffnet und die braunen Augen starrten ihn an. Es waren zwei Paar, die in je einem sommersprossigen Gesicht zu finden waren und von wilden, roten Haaren umgeben wurden. Schweigend wurde er abschätzig gemustert, nur nebenher begriff der Blonde, dass er sich keuchend an der Wand abstützte. „Alles ok, Ron!“ Rief plötzlich der linke, der beiden Männer, nur damit der andere hinterher setzte. „Es ist nur ein Vertreter.“ Knallend schlug die Tür vor seiner Nase wieder zu, ein Zucken fuhr durch seinen gesamten Körper. Klar, was hatte er erwartet? Dass seine Brüder nichts von der Sache wussten? Ignoriert zu werden war sicher noch das angenehmste, zu dem die beiden fähig waren. Mit einem neuen Schnaufen betätigte er ein weiteres Mal die Klingel, nicht ahnend, wie oft er dieses heute noch tun würde. Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, bis die Tür erneut geöffnet wurde. Fred und Georg standen noch immer da, und mit einem höhnischen Grinsen meinten beide wie im Chor. „Wir kaufen nichts!“ Nur damit Draco ein weiteres Mal die Tür zugeschlagen bekam. Kraftlos warf der ehemalige Slytherin einen Blick über die Schulter. Er kam hier eh nicht wieder weg. Also, es blieb nur die Option einen weiteren Versuch zu starten. Mit verschränkten Armen hatten sich die beiden großgewachsenen Zwillinge im Türrahmen aufgebaut und drängten den Ankömmling ein Stück hinaus. Erschrocken machte Draco diesen Schritt rückwärts und landete im stürmischen Regen. Wieder riss der Wind an seinem Mantel, der gänzlich durchweicht war. „Bitte, ich… ich will doch nur mit ihm sprechen!“ Versuchte er gegen den tosenden Sturm zu formulieren, doch seine Stimme schien ihm den Dienst zu verweigern. „Hast du etwas gehört?“ Fragte der eine der Zwillinge und der andere schüttelte nur den Kopf. „Keine Ahnung, der Wind ist so laut. Aber was sollte schon kommen? Ein billiges „Es tut mir leid?“ Also wirklich!“ Stichelte nun der andere zurück und der Sturm brachte ihre roten Locken in Bewegung. „Besser noch, diese ewigen, nutzlosen Versprechen, dass es nie wieder passieren würde! Ich kotze gleich!“ Kommentierte nun Fred wieder und in den braunen Augen der beiden jungen Männer funkelte es gewaltig. Sie schienen hinter ihren dreisten Grimassen eine Idee zu verfolgen, die einfach nicht gut sein konnte. Langsam begriff der Blonde, dass diese Aufgabe eine unglaublich schwere war. Wie sollte er diese beiden uneinsichtigen Männer von seiner guten Absicht überzeugen? Panik setzte seinen Verstand kurzeitig aus und als er sich wieder fasste, bekam er schon die nächste Abreibung. „Wir können ihn zu den Schweinen in den Stall werfen. Ron wird es uns sicher übel nehmen, wenn wir ihn wieder nach Hause schicken.“ Der andere Zwilling, Draco konnte sie einfach nicht auseinander halten, griff diesen Faden auf. „Klar, da ist es warm, er ist nicht allein, klingt nach einer perfekten Idee!“ Das grausame Lachen erschien ihm wie ein weiterer Schlag ins Gesicht und mit einem erneuten Keuchen versuchte er sich gegen den Wind zu stemmen. „Nein,… ich kann nicht im Schweinestall…“ Doch weiter kam er nicht, seine Stimme verklang, sein Rachen schmerzte einfach zu stark, die Kälte hatte seinen gesamten Köper durchdrungen. „Oh, der feine Herr will den Stall nicht!“ Kam nun von der linken Seite, während der andere Zwilling, die Arme vor der Brust lockernd, ergänzte. „Dann haben wir unsere Pflicht getan!“ Im Gleichschritt setzten sie die Füße zurück und die Tür fiel zum ungezählten Male zu. Ein Teil in ihm wollte sich ergeben, wollte diesen Kampf aufgeben und hier direkt vor der Türschwelle einfach ein Teil des Wassers werden, welchem er sich näher fühlte als jeder menschlichen Existenz. Sein Körper war erschöpft, die Kälte hatte ihren grausamen Tribut gefordert und nun wirkte jede Hoffnung zerschlagen. Ein winziger Teil war noch nicht bereit aufzugeben, zu sterben, denn irgendwie wäre das die Alternative. Er kam nicht fort, konnte nicht apperrieren und sonst gab es keinen Platz, den er aufsuchen konnte. Er wäre vielleicht nicht einmal in der Lage über diese Türschwelle zu gehen, vor der er nun in die Knie sank. Wahrscheinlich würde er über sie kriechen. „Dass hat er nicht wirklich gewagt!“ Herrschte eine beinahe schrille Stimme durch die tosende Nacht, als ein neuer Lichtschein sein nasses Gesicht bedeckte. Jemand hatte die Tür geöffnet und nun stand neben den Zwillingen ein Mann, den er wirklich hasste. In seiner Schulzeit hatte er diesen Mann schon mit all seinen Regeln und den Genauigkeiten als ein Übel empfunden, doch erst in den letzten Jahren war der rothaarige Musterschüler zu einem ausgewachsenen Problem mutiert. Er galt als die Stimme der Vernunft und seine Worte waren es oft genug, die Zweifel säten. Wie konnte ein einzelner Mann nur von allen so gehasst werden und dennoch eine solche Macht besitzen? Selbst die Zwillinge, die ihren älteren Bruder lieber von einer Klippe baumeln ließen, stellten sich mit überheblichem Blick hinter ihm auf, als wären sie die Leibgarde, die sich nach seinem Befehl zur haltlosen Bestie verwandelte. „Oh doch, dass hat er!“ Brummte die jetzt wieder gefasstere Stimme und die kalten, blauen Augen ruhten auf dem blassen, von Regen aufgequollenen Gesicht. „Ich hätte nicht gedacht, dich hier einmal im Dreck kriechen zu sehen, Malfoy!“ So viel Hohn lag in diesen Worten, sie flossen über vor Widerwertigkeit und mit diesem niederschmetternden Ansatz fuhr er fort. „Ich werde nicht zulassen…“ Nur kurz schien er inne zu halten, hob den Kopf etwas, als würde er sich an die beiden hinter sich wenden. „… niemand wird hier zulassen, dass du dich noch einmal an Ron vergreifst! Du hast dein wahres Gesicht gezeigt und nun verende genau dort, wo du dich befindest! Im DRECK!“ Erschrocken zuckte er zusammen, die Tür wurde mit solch einer Wucht zugeschlagen, dass der Nachhall sogar das Tosen des Regens übertönte. Eine besonders kalte Windböe ergriff ihn, riss erbarmungslos an seinem Mantel und Draco begann sich regelrecht zusammen zu kauern. Tränen liefen über seine kalten Wangen, doch niemand würde sie erkennen. Dazu verlor er sich selbst zu sehr im Wasser, welches vom Himmel zur Erde stürzte. Als spülte es ihn aus und ließe seine gesamte Persönlichkeit in den Grund sickern, umschloss die Wand an wilden Tropfen den jungen Mann, der kraftlos am Boden Halt zu finden hoffte. Was erwartete ihn schon noch? Hohn und Spott würden so oder so seine Begleiter werden! Es gab keinen Weg mehr, nirgendwohin. Nicht in dieses Haus, nicht von ihm weg und die Splitter seines gebrochenen Herzens schnitten tief in das aufgewühlte Fleisch. Er spürte seinen Körper nicht mehr, nur noch dieses dumpfe, stechende Gefühl der gebrochenen Splitter. Sein Herz war zerschlagen und er hatte es selbst getan. Er war dafür verantwortlich, niemand sonst! Er hatte diesen Fehler begangen und nun würde es hier enden! Was bliebe nach dieser Nacht noch von ihm übrig? Mit Glück wäre in seinem unterkühlten Leib noch etwas Leben, doch sein Verstand, seine Seele waren längst so weit verloren, dass sie den nächsten Morgen nicht erreichten. „Bitte, ich will nur sehen, ob es wirklich stimmt! Ist er ernsthaft hier?“ Das war die Stimme dieser kleinen, widerwärtigen Hexe. Er konnte sie einfach nicht ausstehen, aber wehren würde er sich nicht. Wie denn auch? Als der Lichtschein ein weiteres Mal sein Elend erhellte, blickte er nicht mehr auf. Er hatte den Kopf gesenkt, die Arme dicht an die Brust gezogen, die Knie tief im Schlamm versunken. „Lass diese Tür zu!“ Raunte Percy seiner Schwester zu, die ihre feuerroten Haare offen trug. „Ich mache sie auch gleich wieder zu.“ Antwortete sie mit leiser Stimme, doch in ihr klang der pure Spott mit. Sie hatte den einst so stolzen Slytherin längst bemerkt und mit ihrem Lachen wurde ihm dieses endgültig bewusst. Es erhielt all die Bosheit, die er ihr immer unterstellte. All die grausame Freude am Leid eines anderen, die sonst nur den Slytherin zugeschrieben wurde. „Da sitzt er ja wirklich! Wie erbärmlich! Wir dürfen ihn nur nicht vor unserer Haustür verrecken lassen, sonst heißt es nachher noch, dass wir für seinen Tod verantwortlich sind.“ Kein Gefühl der Menschlichkeit klang mit, als sie ihn so musterte. Mit einem zufriedenen Grinsen meinte der älteste in der Runde. „Das kriegen wir schon hin. Er ist auf dem Weg im Schutzkreis einfach in einem der Felder zusammengebrochen.“ Zum ersten Mal regte sich ein seltsames Gefühl in den Gesichtern der Zwillinge. Sie sprachen es nicht aus, aber ein bleiernes Empfinden machte sich in ihren Mägen breit und ließ sie lautlos schlucken. Sie hatten ihn ja ärgern, ihn demütigen wollen, aber das hier ging entschieden zu weit! Ganz gleich, was Draco Malfoy auch getan hatte, er war ein Mensch! Sahen das Ginny und Percy nicht mehr so? Heimlich warfen sie sich stumme Blicke zu und schienen abzuschätzen, wie weit die beiden anderen dies nur zum Scherz sagten oder ob dahinter eine handlungsfähige Absicht verborgen war. Welche Möglichkeiten blieben ihnen jedoch? Was konnten sie tun, um die Demütigung straffähig aufrecht zu erhalten, den blonden Mistkerl aber nicht umzubringen? Diese Frage wurde zu ihrem Glück von einer uneingeschränkt herrschenden Dame geklärt, die in ihrer aufgebrachten Art in die Küche stürmte. Ihre braunen Augen hatten den Aufmarsch an der Tür längst beim Eintreten in den großen Raum bemerkt und mit zusammengezogenen Augenbrauen zog sie das große, wollene Tuch über ihren Schultern enger. „Was geht hier vor? Wer hat da eben geklingelt?“ Ihre aufgebrachte Stimme enthielt schon diesen leicht hysterischen Ton, mit dem sie stets die Tonleiter in die Höhe stieg. Fred und George drehten sich augenblicklich um und antworteten so reflexartig, dass ihnen die Bedeutung des Auftauchens ihrer Mutter gar nicht erst bewusst wurde. „Niemand! Er ist schon weg!“ Erschrocken schlug Ginny die Tür vor sich zu und mit einem möglichst unschuldigen Lächeln nickte sie zustimmend. Ihr ältester, anwesender Bruder gab wie immer diplomatisch von sich. „Diese Angelegenheit ist schon zur Genüge geklärt. Nichts, mit dem du dich befassen müsstest.“ Da jedoch allen Weasley Kindern bewusst war, dass dieses eher eine Einladung zu neuen Fragen bei Molly bedeutete, stieß Ginny den schlaksigen Mann neben sich in die Seite. „Nur ein niemand, der sich nach Ron erkundigen wollte. Offenbar schreckt einige nicht einmal dieses Wetter ab!“ Percy erreichte sein Ziel, da er nicht gut im Lügen war, formulierte er die Wahrheit stets so um, dass sie falsch gedeutet werden musste. „Oh, diese widerwertigen Reporter!“ Begann die wuchtige Frau zu fluchen und ihr rundliches Gesicht wurde schlagartig rot. Zorn funkelt in den braunen Augen der 53 jährigen Hexe auf und sie eilte in ihrer Unruhe hinüber zum Herd. Mit einem Schwung ihres Zauberstabes ließ sie einen großen Topf auf den Herd schweben und füllte ihn mit Milch, während eine Unzahl an Bechern aus den Schränken auf dem langen Tisch Platz fanden. „Es war doch nicht wieder diese schreckliche Frau vom Tagespropheten oder?“ Erkundigte sich Molly nun und warf einen Blick über die Schulter. Bevor jedoch einer von ihnen antworten konnte, drang ein dumpfes Geräusch durch die Tür und die Mutter so vieler Kinder schien gänzlich in Brass zu geraten. Mit noch immer gezücktem Zauberstab fuhr sie herum und stürmte regelrecht am langen Tisch der Küche entlang, als hätte sie das Haus und das Leben ihrer Kinder zu verteidigen. Gedanklich die gleiche Entscheidung treffend sprangen Fred und Georg zur Seite, während Ginny vor der Tür stehen blieb. „Das ist keine gute Idee, Mum!“ Versuchte sie ihre Mutter noch aufzuhalten, wurde von ihr jedoch mit unerwarteter Kraft vom Eingang gedrängt. „Oh doch! Ich will wissen, wer so dreist ist und…“ Ihre aufgebrachte Stimme erstarb mit dem Herzschlag, in dem sie den jungen Mann auf der Türschwelle erblickte. Der Sturm schrie seine Wut heraus, während der Wind brutal an den Fensterläden und den Baumkronen rüttelte. Der Regen peitschte gegen die steinernen Wälle des Hauses, nur der kleine Bereich des Eingangs war dezent geschützt. Dort, auf diesem nur gelegentlich vom Regen eingenommenen Fleckchen Stein lag eine völlig durchnässte Gestalt, zusammengekauert und totenbleich. Auf den ersten Blick hatte Molly Weasley den blonden Haarschopf erkannt, den jungen, herangewachsenen Mann, der unerwarteter Weise seit einem Jahr eine Beziehung mit ihrem jüngsten Sohn eingegangen war. Sie rang mit sich. Schweigen herrschte im Raum und ihre Kinder warteten nur auf ihre Entscheidung. Da lag er, ohnmächtig, durchnässt und wirkte dabei halb tot; der Mann, der vor wenigen Tagen das Herz, welches ihm mit großem Bedenken geschenkt wurde, in tausende kleiner Splitter zerschlagen hatte. Ein Schlucken ihrerseits ging im Tosen des Sturmes unter und schließlich drehte sie sich um. Eine Mischung unterschiedlicher Gefühle spiegelte sich in ihrem Gesicht wieder und noch immer unschlüssig gab sie mit belegter Stimme von sich. „Fred, George, holt ihn rein und legt ihn vor den Kamin.“ Ihr gesamtes Auftreten machte deutlich, dass sie sich dieser Entscheidung nicht sicher war. Doch die Zwillinge stürmten regelrecht hinaus und nach einem kurzen, sehr prüfenden Blick griff jeder von Ihnen nach einem Arm. Da der junge Mann kauernd zusammengesackt war, stellte sich diese Aktion als nicht so einfach heraus. Mit etwas Geschick lag der ehemalige Slytherin in ihren Armen und das leise Brummen, welches er von sich gab, zeugte von einem noch immer vorhandenen Bewusstsein. Unerwartet behutsam setzen die beiden den Blonden auf dem Boden vor dem prasselnden Kamin ab und während der eine denn langsam wieder zu sich kommenden Mann hielt, versuchte der andere Rotschopf ihn langsam aus dem durchweichten Mantel zu schälen. Die Besorgnis in Freds Augen sah nur sein Bruder. Fragend gab dieser ein stilles Zeichen und als der nasse Stoff gänzlich vom unterkühlten Körper abgezogen war, raunte George. „Er ist absolut kalt.“ Bedächtig öffneten sich die grauen Augen des ehemaligen Slytherin, der nun langsam seine Sinne zu ordnen begann. Zwar hatte er den Satz des Rothaarigen gehört, fühlte sich aber nicht zu einer Erwiderung im Stande. Sein trüber Blick lag allein auf den Flammen des Feuers und die Wärme, welche aus dem Kamin zu ihm drang, machte sich zuerst auf seinen Händen und den weißen Wangen bemerkbar. Die gänzlich durchnässten Kleider umgaben ihn mit einer kalten Hülle, für die dieser Hauch noch nicht reichte. Plötzlich schob sich etwas in sein benommenes Sichtfeld, welches er nicht gleich erkannte. Der herrliche Duft umschmeichelte seine Nase, doch der gefolterte Verstand begriff nur, dass es sich um etwas wirklich Gutes handelte. „Du hast es eigentlich nicht verdient…“ Dröhnte die Stimme von Molly Weasley in seinen kalten Ohren und einer der Zwillinge griff nach dem Becher, der für ihn gedacht war. Der andere, der beiden Tunichtgute, kniete so hinter ihm, dass er sich an ihn anlehnen konnte. „Sie hat Recht, du hast ihn nicht verdient. Aber wir sind ja schließlich die Weasleys und nicht die Malfoys!“ Kommentierte Fred und reichte nun den Becher mit einem dampfenden Kakao zu ihm hinüber. Vorsichtig umgriffen die zitternden Finger das warme Getränk und mit einem langen Blick dankte er dem Zwilling, der nur das Gesicht verzog. Im ersten Moment konnte er die Wärme noch nicht spüren, jedoch verwandelte sich dieses seltsame Prickeln in seinen Fingern bald in eine unerträgliche Hitze. Kurz hätte er den Becher am liebsten wieder abgestellt, doch eine leise Stimme in seinem Hinterkopf riet ihm einfach zu warten. Leise atmete er den heißen Dampf ein, der aus dem Becher aufstieg. Seine Lungen füllten sich mit diesem ersten Hauch und die starren Muskeln begannen mit einem Gefühl des Zwiebelns, des Prickelns und Stichelns. Nachdenklich ruhte sein Blick auf den völlig durchweichten Schuhen, bis zu den Knien war seine Hose mit Schlamm beschmiert und sein Mantel sah sicher nicht besser aus. Auch auf seinen weißen Fingern waren Schmutzreste und Schlieren zu sehen. Das Wasser siffte aus den Stoffen seiner Kleidung und wurde gierig vom trockenen Teppich aufgesogen. Um ehrlich zu sein war nichts an seiner Situation einfach und selbst das unerwartete Überleben seiner Ankunft und der noch viel unerwartetere, mit nichts zu rechtfertigende heiße Kakao verbesserten diesen Moment nicht. Sein gesamter Körper befand sich in diesem Übergang zwischen kalter Starre und auftauendem Schmerz, sein Verstand wollte die Arbeit nur gähnend langsam wieder aufnehmen, wobei jeder Gedanke nur zäh unter enormen Anstrengungen zu Stande kam. Allein diese Erkenntnis zu erhalten, aus dem trüben Dunkel seines betäubten Gehirns ein Licht zu schaffen, hatte Draco so viel Zeit gekostet, dass die Zwillinge ihn beinahe für ohnmächtig erklären wollten. Verlorenes Bewusstsein bei offenen Augen. Da er aber noch mit beiden Händen den Becher hielt, entschieden sie sich für die Auswirkungen von „Gehirnfrost“. Mit dieser Aussage brachten sie zumindest ihre Schwester zum Grinsen, ihre Mutter scheuchte nur wütend Percy mit einer großen Ladung Becher die Treppe hinauf. In dieser verweilenden Stille, in der sich eine unheimliche Atmosphäre in der sonst so heimeligen Wohnküche der Weasleys ausbreitete, schien der großgewachsene, schlaksige Besserwisser im Treppenhaus jemandem zu begegnen. Leise Stimmen drangen von den oberen Stufen hinunter und dann schien sich jemand erschrocken und vielleicht auch vom Zorn getrieben mit energischen Schritten auf den Weg hinab zu machen. Polternd und laut dröhnten die stampfenden Fußtritte auf dem Holz abwärts, erhöhten ihre Intensität, je näher sie dem Ende entgegen strebten und erstarben dann auf den letzten Stufen in dem großen Raum, der sich zum Kamin hin öffnete. Für einen winzigen Augenblick, für diesen Wimpernschlag bildete sich Draco ein, dass er es sein könnte. Wild entschlossen, eilig und voller Sehnsucht, vielleicht voller Wut und Entrüstung über sein Handeln… doch die Stimme, die nun erklang, barst sein Herz und seine Hoffnung ein weiteres Mal an diesem Abend. „Du wagst es wirklich, Malfoy?“ Innerlich zu erschöpft, um den Namen wenigstens gedanklich auszusprechen, schlossen sich die grauen Augen und er sah das Bild des schwarzgelockten Brillenträgers vor sich. „Ich denke nicht, dass du von dem noch heute eine Antwort erhalten kannst. Der sitzt schon ne Weile hier so, trinkt nicht einmal seinen Kakao.“ Bemerkte Fred über die Schulter und wurde mit der klagenden Stimme seines Bruders unterstützt. „Welch traurige Verschwendung. Mum, er hat ihn wirklich nicht verdient.“ Eine erneute Welle grausamer Kälte packte das zerschlagene Herz und erschöpft öffneten sich die einst so selbstgefällig funkelnden Augen, deren grauer Glanz nun matt erschien. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)