In the spider's web von Mizuki18 ================================================================================ Kapitel 31: The first move -------------------------- „Nein! Lass mich runter!“, schrie ich und schlug mit den Fäusten auf Sebastian’s Rücken, was diesem jedoch nur ein müdes Lachen entlockte. „Wenn du nicht aufhörst so zu strampeln, wirst du noch fallen.“, tadelte er und klang kein bisschen außer Atem, obwohl er gerade versuchte vor den Drillingen zu fliehen, die uns (bewaffnet mit Gartengeräten) verfolgten. „Das ist mir doch egal! Lass mich sofort los!“, verlangte ich, doch der Versuch Sebastian’s Griff zu entkommen war in etwa so erfolgversprechend, als wenn man versuchte Claude eine emotionale Reaktion zu entlocken. „Hör auf zu zappeln, du trittst mich!“, beschwerte sich Ciel, der auf der anderen Seite über Sebastian’s Schulter hing. Ich knirschte mit den Zähnen. Blödes, verzogenes Balg. Als ob das jetzt noch von Bedeutung wäre. „Angriff! Zusammenspiel! Aufsammeln des Laubs der Hölle!“, hörte ich Claude in der Ferne debattieren. Ich verdrehte den Augen. Unglaublich, wie war es überhaupt möglich, dass mir jemand so dermaßen auf die Nerven gehen konnte? Sebastian’s Finger gruben sich in meine Hüfte, als er rückwärts sprang, um der gigantischen Heckenschere auszuweichen, mit der Timber ihn angriff. Und mir mal nicht mal bewusst gewesen, dass wir so etwas überhaupt besaßen. Plötzlich blieb Sebastian stehen. Ich pustete mir die Haare aus dem Gesicht, um besser sehen zu können, was da vor sich ging. Und bereute es sofort wieder. Was wohl eine ausgeklügelte Kampftechnik sein sollte, glich mehr einer schief gegangenen Ballettchoreografie. Mit erhobenen Händen, in denen sie jeweils eine Gießkanne, eine Holzleiter und eine Heckenschere hielten, umkreisten uns die Drillinge in einem merkwürdig anmutenden Rhythmus. „Lass mich einfach gehen! Was willst du noch von mir?“, zeterte ich und versuchte mich mit aller Kraft von Sebastian wegzudrücken. „Oh, aber nicht doch. Ich bin mir sicher, dass du sehr viel mehr weißt, als du vorhin preisgegeben hast. Eine so wertvolle Informationsquelle werde ich doch nicht einfach hierlassen.“, meinte Sebastian und wich der Holzleiter aus, mit der Canterbury versuchte ihn anzugreifen. Ich presste die Lippen aufeinander. „Gar nichts wirst du von mir erfahren.“ „Das werden wir noch sehen.“, schmunzelte Sebastian, entwaffnete Timber mit seinem rechten Fuß, stieß die anderen beiden Dämonen in den Dreck und landete elegant auf dem untersten Ast einer alten Eiche. Und nicht eine Strähne seines rabenschwarzen Haares war verrutscht. „Diese Drei sind wirklich sehr gut.“, sagte Sebastian, aber jeder wusste, dass dieses Kompliment nichts weiter als eine verschleierte Beleidigung war. Die Drillinge hatten sich im Nu wieder aufgerappelt und formierten sich zu einem neuen Angriff. Ohne auch nur den Hauch einer Anstrengung, verließ Sebastian den Ast wieder und lief in die entgegengesetzte Richtung. Genau in die Richtung, in der Alois wartete. „Was hast du vor?“, fragte ich, als es Ciel nicht tat, der trotz der dämonischen Natur seines Butlers, ein unglaublich hohes Vertrauen in ihn zu setzen schien. Ich erhielt keine Antwort. Natürlich nicht. Entweder weil Sebastian es nicht für nötig erachtete mich von seinem jüngsten Vorhaben in Kenntnis zu setzen oder aber, weil er alles in letzter Sekunde entschied. Genau wie jetzt, als er kurz vor Alois und Claude stehen blieb, sich um hundertachtzig Grad drehte und dann einen Rückwärtssalto vollführte, der mir ein unangenehmes Kribbeln in der Magengegend bescherte. Das alles geschah so schnell, dass ich nichts anderes tun konnte, als mich in den schwarzen Stoff von Sebastian’s Frack zu krallen. Ich hatte nicht mal Zeit, um über Alois’ geschockten und gleichzeitig bewundernden Blick nachzudenken. Es dauerte nur Sekunden und Alois‘ blonde Haaren waren nur noch ein goldenes Flimmern in der Ferne, bis der dunkle Wald sie schließlich gänzlich verschluckt hatte. Sebastian blieb stehen und setzte Ciel und mich ab. Zu meiner Überraschung sackte Ciel augenblicklich in sich zusammen, was Sebastian keineswegs zu interessieren schien. Ich schüttelte den Kopf. Auf der einen Seite war er bereit sein Leben für diesen Jungen aufs Spiel zu setzten und auf der anderen ließen in Momente wie diesen völlig kalt. „Ciel…“ Ich kniete mich hin. Eigentlich sollte ich ihn hassen. Er wollte Alois tot sehen, warum auch immer. Aber so jemand wie er hatte sicher seine Gründe. Ich konnte und wollte nicht glauben, dass er Alois aus purer Mordlust etwas antun wollte. Das passte einfach nicht zu ihm. Und eigentlich war er doch nur ein Kind. Genau so wie Alois. „Ist alles in Ordnung?“, fragte ich und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er zitterte, seine Atmung war unregelmäßig und viel zu schnell. Was hatte er bloß? Ciel hob den Kopf. Für einen winzigen Augenblick konnte ich den Jungen sehen, der tief in ihm begraben lag. Der Junge, der seine Familie verloren hatte und allein war. „Fass mich nicht an!“ Er schlug meine Hand weg und rappelte sich auf. „Ich wollte doch nur…“ „Mein junger Herr!“ Bevor ich meinen Satz beenden konnte, hatte sich Sebastian neben Ciel gekniet und hielt ihm die Ohren zu. Zuerst verstand ich nicht wieso, doch dann hörte ich es. Zarte, hallende Klänge. Glasklar und so leicht, dass der Wind sie tragen konnte. Die Musik war wunderschön und trotzdem…kaum hatte ich die ersten Töne vernommen, schienen sie sich in ein brennendes, tödliches Gift zu verwandeln, dass den Geist angriff und ihn zersetzte. Es war ein stechender, unerträglicher Schmerz. Als würde man mir tausende von kleinen Nadeln in den Kopf rammen. Ich kniff die Augen zusammen, hielt mir die Ohren zu, in der Hoffnung den mörderischen Klang so aussperren zu können, doch vergebens. „Es muss Jahrhunderte her sein, dass ich diese Musik gehört habe.“, sagte Sebastian, der offenbar keinerlei Schmerzen zu haben schien. „Was ist das?!“, fragte ich verzweifelt, als ich das Gleichgewicht verlor und ins Gras fiel, weil ich nur noch an dieses Stechen denken konnte. Doch ich bekam erneut keine Antwort. Stattdessen schob sich das Gesicht von Timber in mein Blickfeld. „Der junge Herr ist nicht erfreut, kleine Puppe.“, sagte er monoton, bevor er meinem Leiden mit einem Fußtritt ein Ende bereitete. ~ *** ~ „Hey!“ Ein scharfes Brennen durchzuckte meine linke Wange. „Hey! Wach auf!“ Ich blinzelte. Das trübe Schwarz vor meinen Augen wurde klarer und ich erkannte ganz deutlich Alois, der auf mir hockte. „Ah, du bist wieder wach. Sehr schön.“ Er holte aus und verpasste mir noch eine Ohrfeige. „Wie kannst du es wagen meine Befehle zu missachten?! Ich hatte dir doch gesagt, dass du im Ballsaal bleiben sollst!“, keifte Alois. „Ich…ich wollte nur…“ „Was wolltest du, huh?!“ Alois hatte beide Hände um meinen Hals gelegt und drückte zu. „Mich verraten! Das wolltest du! Du hast Sebastian zu mir geführt! Wolltest du meinen Tod?! Hast du dich etwa mit Ciel verbündet?!“ Ich wollte den Kopf schütteln, doch es ging nicht. Ich war wie gelähmt, einerseits weil ich noch immer das Gefühl hatte diese schreckliche Musik zu hören und andererseits, weil Alois‘ Blick mir eine Heidenangst einjagte. Seine blauen Augen quollen aus dem bleichen Gesicht hervor, der pure Wahnsinn lag in ihnen und der zitternde Griff um meinen Hals wurde immer fester. „Du elenden Lügnerin! Du Verräterin!“, schrie Alois, schüttelte meinen Kopf, sodass er immer wieder gegen die Rinde des Baumes schlug, an dem ich lehnte. Mein Herz geriet in Panik, doch der Rest meines Körpers regte sich nicht. Bei jedem anderen Menschen hätte jetzt der Überlebenswille dafür gesorgt, sich mit aller Macht gegen das Luftabschnüren zu wehren. Doch nicht bei mir. Ich lag da und konnte nichts weiter tun, als Alois anzusehen. Wie sich seine Augen mit Tränen füllten und sich sein Gesicht in Schmerz und Trauer verzog. Er war der festen Überzeugung, dass ich ihm alles nur vorgespielt hatte. Eine Bemerkung von Sebastian hatte ausgereicht, um meine Zuneigung, die ich Woche für Woche immer wieder deutlich gemacht hatte, wie eine billige Lüge dastehen zu lassen. „Verraten…du hast…mich verraten…“, wimmerte Alois und lehnte seine Stirn gegen meine. Etwas Nasses tropfte auf meine Wange. Nein…so konnte es doch nicht enden. Ich konnte doch jetzt nicht sterben. Nicht nach allem was passiert war. Ich konnte Alois unmöglich allein lassen. Ich hatte mir doch geschworen ihn zu retten oder es zumindest zu versuchen. Ich konnte jetzt nicht aufgeben. „N-Nein…“ Es war nur ein Flüstern. Nur ein Hauch. Viel zu leise, als dass man diesem einen Wort Beachtung geschenkt hätte. „Was?“ Alois sah mich an, er hatte aufgehört mich zu würgen. Er wartete. Wartete, dass ich etwas sagte, dass seine Meinung ändern konnte. Etwas, das ihn davon überzeugen würde, dass ich nicht gelogen hatte. Aber welche Worte waren stark genug, um das zu bewirken? „Was?!“ Alois drückte wieder zu und aus einem Reflex griff ich nach seinen Händen. Los, sag etwas. Sag irgendwas, verdammt nochmal! „Ich…i-ich liebe dich…“ Alois starrte mich an. Er war nicht weniger überrascht, als ich selbst und selbst Claude’s kalte und glatte Fassade bröckelte für einen winzigen Moment. „Du…was…?“ Völlig perplex rutschte Alois von mir herunter, seine Hände glitten in seinen Schoß und ein Ausdruck der puren Ungläubigkeit legte sich über sein Gesicht. Ich hustete und merkte erst jetzt wie sehr mir der Sauerstoff gefehlt hatte. Trotzdem…ich musste mich konzentrieren. Jedes weitere Wort, das ich nun sagte würde über Leben oder Tod bestimmen. Ich durfte jetzt auf keinen Fall einen Rückzieher machen. „Ich liebe dich, Alois. Ich habe dich nicht verraten.“, keuchte ich und griff mir an den Hals, um zu überprüfen, ob auch alles in Ordnung war. „A-Aber…du hast Sebastian zu uns geführt…“, stammelte Alois verwirrt. Ich nickte. „Weil ich keine andere Wahl hatte. Ich wusste nicht wo du warst oder was du vorhattest. Ich hatte Angst, dass dir vielleicht etwas passieren könnte.“ Alois runzelte die Stirn. „Also…hast du das getan, weil…du dir Sorgen gemacht hast?“ Herrgott, manchmal war er wirklich schwer von Begriff. Oder er wollte es einfach nicht verstehen. „Natürlich! Das weißt du doch. Ich habe immer Angst um dich, ich will dich beschützen. Ich würde nie etwas tun, das dich in Gefahr bringen würde. Niemals.“ Ich krabbelte mühsam auf allen Vieren zu Alois und griff nach seinen Händen. „Alles was ich je gesagt habe war die Wahrheit. Ich habe nicht ein einziges Mal gelogen.“ „Nie gelogen…“, murmelte Alois und schob seine Finger dann langsam zwischen meine. Ich lächelte leicht. „Mein Herr, die Musik ist verstummt. Wir sollten zurückkehren.“, mischte Claude sich plötzlich ein und ich hätte ihm für dieses Timing eine verpassen können. Alois räusperte sich. „Ja, du hast recht. Der Abend ist noch nicht vorbei.“ Er entzog mir seine Hand und stand auf. „Genevieve, ich vergebe dir.“ Ich atmete erleichtert auf. „Ich danke dir…“ „Aber, trotzdem musst du bestraft werden. Schließlich hast du meine Anweisungen missachtet und das kann ich dir nicht einfach so durchgehen lassen, kleine Rose.“ Alois schmunzelte. Da war er wieder. Genau so kannte ich ihn. „Claude, kümmere dich darum.“, befahl Alois und schnippte mit den Fingern. „Mit Vergnügen, mein Herr.“, erwiderte Claude und diesmal gab er sich nicht mal Mühe das teuflische Grinsen zu verbergen. So ein verdammter Mistkerl! „Aber verschone ihr Gesicht. Sie soll mich begleiten.“, ergänzte Alois noch und drehte mir dann den Rücken zu, während Claude mich unsanft hochzerrte. Dass ich eine Strafe erhielt, wunderte mich nicht. Alois handelte nun mal nicht gnädig, das lag nicht in seiner Natur. Aber immerhin ließ er mich am Leben. „Und beeil dich gefälligst.“ „Jawohl, Eure Hoheit.“ Claude’s Faust bohrte sich ungebremst in meine Magengrube und mir blieb sofort die Luft weg. Etwas, das vermutlich mein Frühstück gewesen war, kämpfte sich meine Speiseröhre nach oben, doch bevor ich mich übergeben konnte, packte Claude mich am Hals und rammte mir sein Knie in die Wirbelsäule. Ich würgte ein ersticktes Keuchen hervor und ging gezwungenermaßen auf alle Viere. Claude schaute auf mich herab. Wie ein gewaltiger, schwarzer Schatten türmte er sich über mir auf und seine goldenen Augen leuchteten. Er genoss es. Dieses perverse Arschloch… Als er schon den Fuß hob, gebot Alois ihm Einhalt. „Stopp, das reicht. Ich denke sie hat genug.“ Claude nickte und trat einen Schritt zurück. Ich sackte in mich zusammen, jeder einzelne Muskel schmerzte und das Ziehen in meinem Kopf hatte auch noch nicht wirklich nachgelassen. „Kleine Rose.“ Ich hob mühsam den Kopf. Alois hatte sich neben mich gekniet und legte mir nun eine Hand unters Kinn. „Du wirst mich nie wieder hintergehen, verstanden?“ Ich nickte. „J-Ja…“ Alois lächelte zufrieden. „Gut, dann steh jetzt auf, richte dein Kleid und setz ein Lächeln auf. Ich will, dass Ciel Phantomhive vor Neid erblasst.“ Er half mir aufzustehen und erst jetzt bemerkte ich, dass er nicht länger das Dienstmädchenkleid trug, sondern ein violettes Kostüm mit kleinen, schwarzen Flügeln, die an seinem Rücken befestigt waren und an eine Fledermaus erinnerten. „Komm, ich will meine Gäste nicht länger warten lassen und ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren.“ Alois bot mir seinen Arm an, ich hakte mich ein und gemeinsam mit Claude machten wir uns auf den Weg zurück zum Anwesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)