Clary, der teuflische Engel 2 - Das Erwachen von Oo_Izuya_oO (Die Zeit ist reif) ================================================================================ Prolog: Was bisher geschah.. ---------------------------- Jace war durch Liliths Mal an Sebastian gebunden und somit suchte Clary die beiden auf um Jace zu befreien. Sie stahl aus der Bibliothek des Instituts die Elbenringe, dabei wurde sie von Sebastian beobachtet, als er widerum mit Jace das Institut nach Hinweisen durchsuchte. Clary übergab einen Ring Simon und wartete schließlich bei sich zuhause gespannt auf weiteren Besuch. Sie wusste, dass sie sie holen kommen würden, hatten sie Clary doch schon zuvor aufgesucht. Als Sebastian und Jace kamen, und sie bereitwillig mitging, landete sie mit diesen in Valentines ehemaligen Zauberwohnung mitten in Rom. Dort, als sie mit Jace alleine im Petersdom unterwegs war, traf sie auf einen Fremden, der sich erst viel später als Erzengel Uriel zu erkennen gab. Er war ihr Beschützer, doch wusste sie von alldem noch nichts. In Rom verführte bei eine Tanz Sebastian sie und erlangte dabei ihren ersten Kuss. Vor Angst gegenüber Jace, der jedoch noch unter Liliths Einfluss stand, verschwieg sie dieses und andere folgende Zärtlichkeiten. Am gleichen Ort traf sich Sebastian überraschenderweise mit Meliorn, bei der Clary erkannte, dass die Feenkönigin ein doppeltes Spiel spielte. Schließlich bereiteten sie sich auf ihre Mission vor, die Sebastian anführte. Er benötigte einen Dolch und hatte vor mit dem Fürstendämon Cimeies einen Pakt einzugehen. Doch Clarys Anwesenheit missfiel diesem, da er von einer geheimnisvollen Prophezeiung wusste. Im darauffolgenden Kampf tötete Clary diesen und ließ somit Cimeies Legionen auf sie los. Nach ihrer geglückten Flucht, die ihnen um Haaresbreite gelang, in der jedoch Jace auf der Brust verletzt wurde und Clary ohnmächtig, landeten sie durch Clarys Portalrune in New York. Sebastian hatte sie aufgefordert, irgendwohin sich zu teleportieren und in ihrer Panik wählte sie ihre Heimat aus. Sebastian schickte Jace los eine Bleibe zu finden, während er sich liebevoll um sie kümmerte. Jace, der durch den Angriff in Liliths Rune verletzt wurde und somit das Band für eine Weile erlosch, suchte währenddessen Simon auf, um ihn in die Geschehnisse einzuweihen. Am gleichen Abend hatte Clary ihr erstes Mal mit Jace, bei dem dieser vergaß ein Kondom zu benutzen. Hierbei wurden sie schließlich am Schluss von Sebastian überrascht, der natürlich längst bemerkte, dass er vom Band getrennt wurde. Wütend brachte er die beiden in den Keller, nachdem Clary ihm verraten hatte, dass Simon und ihre Freunde sie am frühen Morgen aufsuchen und retten wollen. Diese trudelten schließlich verfrüht ein, so dass es zu einem Kampf kam, bei dem Clary und Sebastian durch einen Engel aus Rom nach Paris teleportiert wurden. Dort angekommen offenbarte Sebastian ein wenig seine Ziele und sie mussten ein Kelch und ein Schwert in Paris finden. Der Kelch befand sich laut Aufzeichnungen in den Pariser Katakomben, die Klinge in St. Michaels Brunnen. Bei der Suche nach dem Kelch brach Sebastian zusammen, da Jace im Institut gefoltert wurde. Clary lief in Sorge alleine weiter, fand den Kelch und bei ihm stand Uriel, der sich nun ihr offenbarte und geheimnisvoll manche Fragen beantwortete, unter anderem, dass Sebastian nicht ihr Bruder war. Auf dem Rückweg wurden sie von Dämonen überfallen, die Clary und Uriel belauscht hatten, da der Kelch kurz vor einem Eingang der Hölle versteckt wurde. Auf der anschließenden Flucht gerieten sie in einen Unfall, bei dem Sebastian bewusstlos im Wagen erst verblieb und Clary erneut alleine das Schwert aus dem Brunnen zog. Währenddessen kämpften die Pariser Schattenjäger gegen die Dämonen, bemerkten schließlich doch Clary, aber Sebastian rettete sie, indem er das heilige Schwert nutzte, was in seiner Hand sonderbarerweise seine völlige Macht erhielt. Durch Clarys Güte verschonte er aus Liebe zu ihr die Schattenjäger. Als sie ins Hotel zurückkehrten, überfiel sie die Leidenschaft und sie hatten das erste Mal Sex miteinander. Dabei war jedoch das Kondom gerissen. In ihrer Sorge benutzte sie den Elbenring und erreichte allerdings am anderen Ende nicht Simon, sondern Robert Lightwood, der ihr einen Deal für Jaces Leben anbot. Nachdem sie es Sebastian gebeichtet hatte, half er ihr trotz allem dabei und verblieb wartend in Paris. In New York angelangt wurden sie von Maryse verraten und sie wurde neben Jace ins Gefängnis gesteckt. Nach einer gefühlsvollen Unterhaltung, bei der Maryse sie einerseits belauscht hatte, wurden sie von Magnus und Jocelyn befreit und so kamen sie zudem dazu auch das andere Schwert zu erhalten. Auf der Flucht wurde Jocelyn beinahe tödlich verletzt und Magnus ins Gefängnis gesteckt und gefoltert. Er wusste aus vergangenen Tagen von einer Prophezeiung, ließ aber nicht zu, dass die Schattenjäger diese Information aus ihm rausbekamen. Er erzählte jedoch Clary, dass der letzte Kelch im Mausoleum von Idris versteckt gehalten wurde. Sebastian, Jace und Clary verblieben in Paris. Mit beiden jeweils verbrachte sie eine schöne Zeit und kurz vor Reiseantritt bemerkte Clary inzwischen, dass sie schwanger war. Bei einem anschließenden Angriff von Cimeies Dämonen, bei der sie den größten erschlug, da das zweite Schwerte einzig in ihrer Hand ebenso seine vollkommene Macht erhielt. Jedoch wurde sie nach einem leidenschaftlichen Kuss zwischen ihr und Sebastian von einem weiteren Unerkannten schwer verletzt. In der Not brachte Sebastian sie zu einer Hexe namens Meredith, der er einen Handel angeboten hatte, später in der Hölle Cimeies Position zu erhalten, wenn sie es schafft, Clary zu retten. Diese erkannte natürlich, dass Clary schwanger war, so dass diese aus Angst vor der Reaktion der beiden Jungs nach New York zu Simon flüchtete. Dort angelangt erzählte sie diesem alle Vorkommnisse, bei der Simon weiterhin erst recht auf ihrer Seite stand und die Beziehung zu Isabelle auf eine harte Probe stellte. Denn diese war nicht der gleichen Ansicht, als sie überraschend Simon Zuhause besuchte, mit dem sie inzwischen eine intime Beziehung führte. In Paris verriet unter Drohungen die Hexe den Jungs, dass Clary schwanger war. Sie versuchten schließlich für Clary Ruhe zu bewahren und reisten durch ein Portal der Hexe nach New York. Nach den einzelnen Versöhnungsgesprächen dort vor Ort, reisten sie nach Idris. Sie kämpften sich mit ihren heiligen Schwertern durch, und Clary trennte Sebastian und Jace, indem sie mit ihrem Schwert den Bann brach. Jedoch wurden sie kurz darauf voneinander getrennt, als sie in Fallen fielen. Auf dem weiteren Weg beschützte Sebastian hingebungsvoll sie und das Ungeborene und so erlangten sie schließlich den Kelch, während Jace von den Schattenjägern augenscheinlich wieder aufgenommen wurde. Direkt vor Ort führten sie das Ritual aus, bei dem Clary sich in die Hand schnitt, es in einen Kelch tropfen ließ, woraufhin Sebastian aus diesem trank, das gleiche taten sie vice versa. Doch es geschah augenscheinlich nichts, und nachdem Maryse Jace erneut verriet und den Befehl gab Clary und Sebastian zu töten, erstellte Clary aus Angst vor Sebastian und den Schattenjägern ein Portal nach New York und verschwand dorthin. Kurz bevor dieses erlosch, erreichte einzig Sebastian dieses und verfolgte Clary. Diese traf auf der anderen Seite Uriel, der sie vor Sebastian beschützte und beiden erklärte, dass nur der letzte Schritt noch fehlte. Sie mussten nach Griechenland, nach Chalinados, und dort Michaels Thron finden. Gleiches erzählte nach Betteln Magnus, der noch in Gefangenschaft war, Jace und offenbarte diesem auch, dass er das Seelenschwert dafür brauchen würde. Maryse belauschte sie zwar erneut, übergab aber das Schwert ihrem Adoptivsohn und schien ihnen zu vertrauen. Nun begann ein Wettrennen nach Chalinados, da dort durch einen Bann alle magischen Fähigkeiten untersagt waren, und einzig Engelsgleiche oder Engelsblütler schwächelnde Magie ausführen konnten. So mussten sie allesamt mit Mietwagen bis nach Chalinados fahren, da der Flughafen auf Lesbos stärker kontrolliert wurde auf besondere Wesen, als der in Athen. Clary und Sebastian hatten zwar einen Vorsprung, hatten jedoch durch einen geplatzten Reifen einen Unfall. Auf der Fahrt bemerkten sie zudem, dass Clarys Schwangerschaft schneller verlief als bei einem gewöhnlichen Menschen, und sie schon einen deutlich sichtbaren Bauch hatte. Bei Alec, Isabelle, Simon und Jace erzählte Magnus schließlich, was es mit den Prophezeiungen rund um Clary auf sich hatte, und dass sie der Schlüssel für all ihre Schicksale war, aber auch Jace nachwievor eine wichtige Rolle spielte. Schließlich erreichten sie den Thron Michaels, bei dem dieser auf sie wartete und ihnen offenbarte, dass sie die von Gott erwünschten neuen Todesengel werden sollten. Er vollführte das letzte Ritual und Clary und Sebastian erhielten damit ihre Engelsflügel. Dabei wurden sie von den anderen beobachtet und von Jace, der als Einziger den Engel hören konnte, belauscht. Erneut tauchte Maryse auf und ließ ihre Schattenjäger auf Clary und Sebastian los. Michael forderte sie auf zu fliehen, da ihre Kräfte noch nicht vollständig gewachsen waren. Allerdings erlag Clary ihren ersten Wehen und wurde damit gefangen genommen. In einem dunklen Verlies auf einer unbekannten Halbinsel befreite Jace sie schließlich. Auf der Flucht aus der Festung fanden sie in einer Gefängniszelle den Engel Gabriel, der dort ebenso gefangen gehalten wurde. Jedoch mussten sie ihn zurücklassen. Schließlich offenbarte sich Raziel, der nicht mehr nach Gottes Ermessen handelte, sondern machthungrig die Schattenjäger selbst anführte. In einem folgenschweren Kampf beschützte Jace Clary. Sebastian kam mit Michael angeflogen und schaute ihnen respektvoll aus der Distanz bereits zu und erkannte letztendlich, dass Jace schon immer einfach nur auf Clarys Seite stand. Im gemeinsamen Kampf gegen Raziel, platzte Clarys Fruchtblase, und als Raziel sie angriff, beschützte Jace sie mit seinem Leben, denn er wurde tödlich verletzt. Raziel wurde in Sebastians Wut schließlich von diesem getötet. Michael bemerkte, dass jede Rettung für Jace zu spät war und gemeinsam mit Sebastian brachte er die weinende Clary fort. Kapitel 1: Die Zeit ist reif ---------------------------- Michael flog voraus, immer weiter durch die Wolken hindurch, die sich wie ein Nebel stark zusammendichteten. Sebastian konnte die Hand vor Augen nicht mehr sehen und hätte auch den Erzengel verloren, hätte dessen Flügel nicht so stark geglänzt. In seinen Armen hing Clary, die unter größten Schmerzen litt. Die Wehen kamen nun rascher als je zuvor. Hätte Sebastian nicht seine schwere Rüstung getragen, so hätte ihr Griff in der Schulter sicherlich geschmerzt. Plötzlich tauchten vor ihm nebelverhangene Felsketten auf, an dessen Riffkanten zahllose versunkene Schiffe lagen. Moderne Benziner wie altertümliche Segelboote türmten sich gar schon in diesem tödlichen Gewässer. Letztendlich gelangte er in einen langgezogenen Canyon, in der seine Flugkünste äußerst geprüft wurden. Hier und da verletzte er sich an seinen Schwingen und versuchte Clary zu schützen. Nun erreichte er zahllose massive Berge, und unter ihm erschien schließlich eine schmale Passage, die mit einem übergroßen Torbogen eingerahmt wurde. Diese ließ eine Landung zu. Dahinter erkannte Sebastian schwindelerregend hohe Türme, Villen, Gärten und Flüsse, die mit zahlreichen Ranken beinahe vor seinen Augen verschwanden. Erstaunt landete er auf dem breiten Steg, der vor der Passage lag. Doch er hatte kaum Zeit sich alles genauestens anzusehen. Engel, die wie altertümliche Boten und Bedienstete gekleidet waren, nahmen ihm Clary vorsichtig aus den Armen und betteten sie auf eine Bambusliege. Mit wenigen Flügelschlägen schwebten sie davon, ehe Sebastian eingreifen konnte. Michael legte beruhigend seine Hand auf dessen Schulter. »Sie wird gut umsorgt werden, eine Hebamme ist dabei. Nun komm, ich werde dir euer neues Zuhause zeigen!« Michael spazierte voraus und Sebastian folgte ihm schweigend. Eine Treppe, geformt aus Stein, führte sie aus der Schlucht heraus. Schließlich erreichten sie eine schmale Brücke, auf der Michael stehenblieb. Unter ihnen tummelten sich engelsgleiche Wesen aller Art. Männer, Frauen und Kinder. Sie alle trugen entweder ihre Rüstung oder einfache Kleidung. Manche jedoch auch die moderneren Kleidungsstile, wie Sebastian es von der Erde gewohnt war. Fragend blickte er Michael an. Er fühlte sich unwohl, war er doch hier inmitten unsündiger Wesen, während er bisher in seinem Leben nur Tod und Verderben hereinbrachte. Michael nickte wissend und sprach ihn an: »Du bist nicht der erste Todesengel. Und auch Engel müssen hin und wieder ein Leben rauben. Sei dir gewiss, dass nur die wenigsten hier so unschuldig sind, wie sie für dich aussehen.« Sebastian bejahte es mit einem Kopfnicken, fragte aber: »Und warum tragen manche, nun, diese menschliche Kleidung?« Michael lächelte und führte ihn weiter, als er ihm antwortete: »Wir sind oft unter den Menschen. Denke an Uriel, der Clary beschützt. Oder denk an die zahllosen Schutzengel, die ihre Arbeit nachgehen. Die Menschen dürfen uns jedoch nicht so erblicken, viele Menschen tragen die Schrift der sieben Todsünden in sich. Jesus hat ihnen zwar die Sündenlast genommen, doch sie sammeln derzeit sehr fleißig neue. So dient diese Tarnung auch zu unserem Schutz. Aus diesem Grund ist unser Zuhause auch so versteckt. Geschützt von Magie und von der Natur unseres Vaters. Erzengel Gabriel und andere Engel waren einst leider nicht so sorgsam.« Michael verstummte und seufzte dann jedoch leise auf. »Gabriel wurde gefangen genommen? Wie kam es dazu?«, hakte Sebastian nach »Das erkläre ich ein anderes Mal. Nun komm! Ich zeige dir euer neues Zuhause!« Michael lief einen breiten Weg hinab, bog einmal links ab und hinter einem kleinen Hügel ragte ein rudimentäres Haus empor. Eine Dienerin öffnete ihnen die Haustür und verneigte sich vor ihnen. Sebastian staunte. So wirkte zwar das Häuschen von außen klein, jedoch bot sich im Inneren ein ganz anderer Anblick. Ein breiter Flur führte durch eine Tür in ein Esszimmer, dahinter bot sich ihm ein kuscheliges Wohnzimmer mit zahlreichen Decken und einem Kamin an. Durch die gläsernen, kreisrunden Fenster sah er im Hinterhof einen Brunnen und unzählige wachsende Früchte. Eine Treppe hinauf überraschte ihn ein Schlafzimmer mit einem übergroßen, weichen Daunenbett, dessen Gardinen wie ein Himmelbett hinabfielen, während das andere Zimmer eher wie ein Kinderzimmer bereits ausgestattet war. Es wirkte wie ein altertümliches, menschenähnliches Gebäude. Nur die fehlende Elektrizität und fehlende Kerzen zeugten davon, dass die Engel jenes nicht wünschten oder benötigten. Wenngleich sie wohl sich damit bestens auskannten. Sebastian fühlte sich hier eindeutig wohler. Er hatte die unvergleichliche Sorge, dass die Engelswelt so wäre wie auf den Gemälden von Da Vinci oder anderen sakralen Malern. Mit übertriebener Schönheit, weißen Villen oder paradiesischen Gärten. Hier jedoch erkannte man die Naturverbundenheit und die Frömmigkeit, die diese Wesen innehatten. Plötzlich eilte ein Bote herbei. »Herr, so kommt! Es ist soweit! Schnell!« »Folg mir, Sebastian!«, reagierte Michael, lief durch die Gartentür hinaus und flog davon. Sebastian raste ihm hinterher, bis er in die Lüfte sprang und mit wenigen Schlägen segelte. Sie erreichten ein Haus mit einem Flachdach und Sebastian polterte in Windeseile durch die Tür. Clary lag in einem kleinen Bett und hielt das Baby lächelnd in ihren Armen. »Was ist es?«, rief Sebastian lachend und trat heran, doch die Amme stellte sich ihm besorgt in den Weg. Clary schluckte sonderbarerweise und blickte Michael flehend an. Dieser nickte und blieb mit verschränkten Armen an der Tür stehen. Schließlich ließ die Hebamme Sebastian passieren. Überrascht und vorsichtig trat dieser an Clarys Seite und schaute auf das kleine Kind. Es war ein Mädchen. Sie hatte rötlich-blonde Haare und goldene Augen. Ganz wie Jace. Sebastians Mund öffnete sich und Clary rutschte mit dem Kind behütend von ihm ab. Sie hatte panische Angst vor seiner Reaktion, obgleich sie ihn inzwischen über alles liebte. »Es ist Jaces Kind«, sagte er verwundert und starrte es weiterhin an, »und es ist wunderschön. So wie du, Liebste! Aber wieso? Wie kann?« Er wandte sich zu Michael. »Du sagtest, dass das Kind ein reiner Engel wird. Bedeutet dies …?« Michael nickte. »Jace trug Engelsblut in sich. Hätte er auch euer Ritual erlangt, wären die Schattenjäger nicht dazwischengekommen, so wäre auch er jetzt vollkommen. Doch sein Schicksal verlief nicht so glücklich. Doch, wenngleich er dein Rivale um Clarys Herz war, so hat er auch immer in ihrem Wohlwollen gehandelt. Ihr wart alle drei erwählt worden, doch er gab sein Leben für euch.« »Ich verstehe«, entgegnete Sebastian und hielt Clary liebevoll die Hand hin, »er hat sie um ihretwillen beschützt. Er strotzte immer nur so vor selbstloser Güte. Und er hat sein Leben für mich aufgegeben. Ich war. Ich bin zwar Zeit meines Lebens ein Monster, von meinen Taten her, jedoch habe ich durch ihn gelernt, was Ehre und Respekt bedeutet. Ich werde das Mädchen, meine Liebste, wie mein eigenes Kind aufziehen. Hab da bitte keine Sorge. Ich werde ein besserer Vater als … du weißt schon wer, sein.« Er setzte sich auf die Bettkante und streichelte liebevoll dem Baby durch das rotblonde Haar. Clary seufzte erleichtert auf und lehnte sich an ihn heran. »Was hälst du von dem Namen Bethany?«, fragte sie ihn. »Wunderschön! Es passt.« Clary war voller Freude, strahlte ihn an und vergaß für einen Moment die Qualen, die sie erlitten hatte. Für sie wurde das größte Geschenk wahr, als Sebastian das Kind als das seine annahm. Sebastian hielt tatsächlich sein Wort und war voller Hingabe bei der Erziehung seiner Stieftochter. Clary wünschte sich, dass Bethany nie erfuhr, dass Sebastian nicht ihr leiblicher Vater war. Das erstaunte, allerdings erfreute ebenfalls Sebastian. Clary sah es als ihre Schuld an, dass es nicht sein Kind war, und entschied es, weil sie eine ganze Familie haben wollte. Bethany wuchs, wie auch schon während der Schwangerschaft, rasend schnell heran. In nur zwei Monaten erreichte sie bereits die Statur und Entwicklung eines dreijährigen Kindes. Sie lernte schnell die Sprachen, die ihr Vater ihr beibrachte. Englisch, Französisch und Italienisch. Von Uriel erlernte sie Latein. Zugleich half sie ihrer Mutter im Garten bei der Ernte und spielte mit Uriel, der wie ein Onkel zu ihr war. Besonders dann, wenn Clary und Sebastian auf der Jagd nach Sündern waren. Sie trugen dabei feine schwarze Rüstungen, die mit wundervollen Ornamenten und Glyphen verziert waren, wenngleich jene Glyphen auch eine magische Schutzfunktion innehielten, ganz ähnlich zu den Runen der Schattenjäger. Dazu trugen sie ein dunkles Cape mit einer schwarzen tiefsitzenden Kapuze, sofern sie diese über sich zogen. Ihre Waffen waren die Schwerter, die sie während ihrer Abenteuer zusammentrugen. Zudem trug Clary am Stiefel den kleinen Engelsdolch, den Sebastian ihr damals in der Dimensionswohnung überreicht hatte. Die Schattenjäger verbannten sie, zumindest diejenigen, die sie erwischten, nach Idris. Wenngleich andere so oder so in Idris ihren Schutz suchten. Ihnen wurde auferlegt niemals wieder ihre Runen zu benutzen. Clarys Schattenjäger-Freunde gingen von sich aus in dieses Exil. Auf Befehl des Allmächtigen hin, durften Magnus und Simon eine zweite Chance erhalten. Magnus, aus Liebe zu Alec, folgte diesem ins Exil der Nephilim. Während Simon jedoch die Erinnerungen geraubt wurden und er schließlich wie früher als normaler junger Mann in die Menschenwelt zurückkehrte und dort sein weiteres Leben verbringen sollte. Die Alternative für beide wäre einzig gewesen hinab in die Hölle zu fallen. Isabelle war damit äußerst unzufrieden, doch hatte sie aus den Augen des Herrn keine zweite Chance und keine Liebe verdient. Viele Schattenjäger jedoch schlossen sich einer Rebellion an, so auch Maryse und Robert Lightwood. Und wohl gar auch Jocelyn und Luke, denn sie waren für Clary und Sebastian unauffindbar. Die Dämonen verhielten sich ähnlich zu ihnen und versuchten durch allerlei Schlupflöcher an ihnen vorbeizutauchen. Diejenigen, die sie erwischten, verbrannte Sebastian zu Asche. Es war ein beständiger Kampf zwischen den Engeln, den Nephilim und den Dämonen. Einzig die Menschen, die Mundis, erfuhren nichts über diese transzendalen Geschehnisse um sie herum. Bethany wuchsen wie Sebastian und Clary schwarze Flügel, doch ihr Körper war überseht mit hellweißen Runen, die sich wie Adern auf ihrer Haut abzeichneten. Ihre langen Haaren umschmeichelten ihr zartes Gesicht, das mit ihrer Stupsnase Clary sehr ähnelte. Im menschlichen Alter von 10 Jahren, in dem sie in einen Zeitraum von 12 Monaten heranwuchs, begann Sebastian sie in der Kampfkunst, auch mit Schwertern, zu unterweisen. Auch Clary lernte sowohl von ihm als auch von Uriel neue Kampftechniken und Kampfstrategien. So wuchsen sie zu einer engen Familie zusammen, die tagsüber sich mit den anderen Engeln trafen und ihr Leben genossen, und nachtens sich auf die Jagd gegen Nephilim und Schattenweltler aufmachten. Doch auch wenn Bethany schon zu einer jungen und äußerst starken Frau heranwuchs, denn nach 16 Monaten erreichte sie bereits das menschliche Alter von fast 17 Jahren, entschieden ihre Eltern Clary und Sebastian, dass sie sich an der Jagd noch nicht beteiligen durfte. Es war sogar so, dass Sebastian sich darum vielmehr sorgte als Clary. Denn während der anderthalb Jahre, in denen Bethany jetzt in sein Leben getreten war, schloss er sie sehr in sein Herz und sie erreichte noch viel mehr seine Gefühlswelt als Clary es je tat. Allabendlich brachte er sie ins Bett und las ihr in ihren jüngeren Jahren unentwegt Gute-Nacht-Geschichten vor. Clary spionierte oftmals hinterher, und wenn Bethany eingeschlafen war, so nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn vor der Arbeit mit einem Lächeln oft genug ins eigene Schlafzimmer. Clary versprach aus Liebe zu ihm, ihm ein eigenes Kind zu schenken. Er war einerseits überaus glücklich darüber, dass Clary solche Gedanken im Sinn hatte, andererseits sah er Bethany bereits als sein eigenes Fleisch und Blut an. Doch gegen eine Erweiterung der so jungen Familie hatte er, seitdem sie zusammenlebten, nichts einzuwenden. Eine Familie sein eigen zu nennen, die er über alles liebte, daran hätte er im Entferntesten damals nicht gedacht, als er noch unter der strafenden Obhut seines Vaters war. Allabendlich, bevor er in die Schlacht zog, sinnierte er über die Geschehnisse und zeigte sich froh über die Entwicklung. Doch das Raubtier in ihm, das Dämonenblut, das verlor er nie, es wurde nur durch Clarys und Bethanys Anwesenheit dann und wann gezähmt. Eines Morgens blickte er beim Frühstück auf Bethany, während er das getrocknete Blut von seinem Engelsschwert säuberte. Sie war groß geworden, stellte er fest. Ebenso von schlanker Statur wie ihre Mutter, doch deutlich größer inzwischen mit ihren 1,69 m. Ihre rotblonden Haare, die sie als Baby besaß, wandelten sich zu hellblonden Haaren, die beinahe die gleiche Farbe wie ihre Runen aufwiesen. Ihre schwarzen Federn glänzten in der Morgensonne. Er legte schließlich die Klinge beiseite und faltete die Hände. »Bethany?«, sagte er tonlos. »Ja, Vater?«, reagierte sie mit einem aufmerksamen Lächeln und schmierte sich ihr Brötchen nebenher weiter. Mit einem Grinsen reagierte er: »Was hältst du davon, mit uns heute Abend in einem Restaurant mal wieder auszugehen und danach mit uns auf die Jagd nach Sündern zu gehen?« Bethany ließ vor Schreck das Messer fallen und starrte ihren Vater an, wohingegen Clary Sebastian nur anfeixte und seine Hand feinfühlig ergriff. Sie wusste, dass das für ihn keine leichte Entscheidung war. Sebastian runzelte mit einem fragenden Lächeln die Stirn. »Nun?« Da schob Bethany das Frühstück beiseite, krabbelte über den Tisch und schwang sich auf seinen Schoß. Schließlich drückte sie sich ganz fest an ihn. »Danke, danke, danke, danke, Vater!«, jauchzte sie lautstark. Sogleich hüpfte sie wieder fort und rannte die Treppenstufen hinauf und quasselte nur unentwegt: »Was ziehe ich nur an? Was ziehe ich nur an? Mum, hilf mir!« Clary lachte auf, schob in aller Seelenruhe den Stuhl zurück und gab Sebastian einen langen Kuss. »Das ist lieb, dass du dich endlich überwunden hast!« Sebastian zog sie auf seine Beine und lehnte sie kopfüber hinunter. Dann strich er über ihre Taille und hielt sie am Oberschenkel fest. »Ieeh«, tönte es von oben herab. Sebastian wendete den Blick von Clary ab und sah hinauf. Bethany stand am Treppengeländer und reagierte grinsend: »Reingefallen, das ist doch nicht eklig, ich bin doch schon fast erwachsen! Nun küsst euch endlich und dann kommst du, Mum, bitte hoch!« Bethany rannte wieder auf ihr Zimmer, während Clary Sebastian einen kurzen Kuss auf seine Lippen gab. Beim Aufstehen sah sie ihn kurz an, schüttelte lachenderweise den Kopf und fügte schließlich hinzu: »Deine Tochter!« »Mum!«, raunte es erneut von oben, gedämpft durch die Zimmertür aber nun. »Ja, Mum, jetzt geh schon! Hilf bei der Kleiderwahl«, neckte Sebastian Clary und gab ihr einen Klaps auf den Hintern. Clary grinste schief und schrie dann, als sie die ersten Treppenstufen betrat: »Ich komme ja schon!« Er entschied sich für eine feine schwarze Herrenhose mit einem ebenso schicken schwarzen Hemd. Er setzte sich wartend ins Esszimmer und spielte mit einem Dolch auf der Tischplatte herum. Während er hier so wartete, kam er ins Grübeln über die letzten anderthalb Jahre. Er war über sich selbst erstaunt, wie sehr er sich bezüglich Clary und Bethany verändert hatte. Er war sich die erste Zeit nicht sicher, ob ihm die Vaterrolle stehen würde, vor allem, da es Jaces Kind war. Allerdings bemerkte er nun, wie sehr sie ihm am Herzen lag und es erfüllte ihn mit Stolz, wenn sie ihn Vater rief. Auch die bedingungslose Liebe zwischen Clary und ihm, die er sich so eine lange Zeit erhofft hatte, übertraf seinen kühnsten Erwartungen. Wie selbstverständlich gab sie ihm jeden Tag Küsse und schöne Augenblicke. Allesamt auf ihre Art einzigartig und er genoss diese Liebe in seinem Leben. Wenngleich er ebenso sein Schicksal als Todesenggel begehrte. Er genoss es, wenn die Wesen vor Angst erstarrten oder die Flucht ergriffen. Wenn sie wussten, dass ihre Richter gekommen waren. Und er liebte es über alle Maßen, dass auch Clary diese Verantwortung mit ihm trug. Sie hatte die ersten Male gezögert, doch mit der Zeit genoss auch sie ihre neue Kraft und die neuen Talente. Wenngleich, sie im Gegensatz zu ihm vielmehr Güte den Sündern entgegentrug. Jedoch ergänzten sie sich darum umso mehr. So lächelte Sebastian, klappte den Dolch zusammen und steckte ihn in seinen Hosenbund. Schließlich stolzierte Bethany hinunter, sie trug elfenbeinfarbige Stöckelschuhe, eine enge schwarze Röhrenjeans und dazu ein passendes weißes, schulterfreies Top. Eine kurze schwarzgraue Bolero-Jacke mit einer hellen Kapuze rundete ihr Outfit ab. »Was sagst du?«, fragte sie ihn und drehte sich einmal im Kreis. »Es steht dir«, grinste Sebastian und fragte, »wie weit ist denn deine Mum?« Bethany griente ihn so diabolisch an, dass er erstaunt, aber auch mit Stolz, eine Augenbraue hochzog. Dann öffnete sich die Schlafzimmertür und Clary trat in roten High-Heels auf die Stufen der Treppe. Sebastian verfolgte mit großen Augen ihre Erscheinung. Sie hatte ein bodenlanges, körperbetonendes rotes Kleid ausgewählt, das mit dünnen Spaghetti-Trägern gehalten wurde. Über ihren Arm hielt sie einen entsprechend langen schwarzen Mantel, der tailliert geschnitten war. »Du siehst wundervoll sexy aus!«, reagierte er und half ihr in den Mantel. In diesen Kleidern wollten sie nun Bethanys Einweihung feiern, erst später würden sie sich ihre Rüstungen für die Jagd anziehen. Nach einer kurzen Teleportation durch Clarys Runenfähigkeit landeten sie direkt in einer Nebenstraße zum gewünschten 5 Sterne Restaurant in New York. Ein breitgefächertes Büffet stand auf der Tageskarte. Hier angekommen versteckten sie durch Magie ihre Flügel, ganz so, wie es Uriel damals tat, als Clary ihn das erste Mal in Rom getroffen hatte. Sebastian öffnete seinen Mädchen wie ein galanter Gentleman die Tür und ließ sie vortreten. Ein Kellner ließ sich seinen Namen geben und geleitete mit einem Grinsen die Drei zu ihrem Tisch, weit hinten in einer Ecke. Bethany war selten unter den Menschen und genoss jedoch jedes Mal diese Umgebung. Sie beobachtete jeden Mann, jede Frau, jedes Kind in diesem Lokal und machte sich einen kindlichen Spaß daraus, heute zusammen mit ihrem Vater, aufzudecken, wer wie auf welcher Weise gesündigt hatte. Die drei Todesengel konnten die Sünden der Menschen wie durch einen siebten Sinn wahrnehmen, dafür brauchten sie noch nicht einmal mehr viel Übung. »Der da hat seine Ehefrau betrogen!«, flüsterte Bethany zu ihrem Vater. Dieser nickte verschwiegen und breit grinsend. Clary schüttelte darüber nur den Kopf und ging als erste mit ihrem Teller zum großen Buffet. »Was hat Mum?«, fragte Bethany Sebastian besorgt, »habe ich etwas Falsches gesagt?« Sebastian schüttelte den Kopf, nahm die Serviette von seinen Beinen, legte diese auf den Tisch und meinte beim Aufstehen: »Nein, ich rede mal mit ihr! Bleib sitzen, meine Kleine!« Bethany legte die Hände in ihren Schoß und mit Bekümmern in der Stimme reagierte sie: »Ist gut.« Sebastian ging zur Salatbar, an der Clary sich aufhielt. Er umarmte sie von hinten und küsste ihren Hals. »Du bist wunderschön, Liebste!«, flüsterte er ihr ins Ohr, »was ist aber mit dir los?« »Nichts!«, grummelte Clary erst, dann jedoch fügte sie hinzu, »ich mache mir Sorgen um meinen Engel, um meine Kleine. Ich dachte, ich würde es besser aushalten als du. Aber denkst du wirklich, dass sie schon bereit dafür ist? Oder habe ich dich zu sehr dahin gedrängt?« »Ja, sie wird bereit sein«, antwortete er mit einer liebevollen Stimme, »und außerdem sind wir ja dabei. Ihr wird nichts geschehen!« Clary erfasste in ihrem Löffel eine Spiegelung und ruckartig drehte sie sich um. Ein Laster raste durch die Schaufenster des Restaurants auf sie zu. Glas klirrte und Menschen schrien lauthals auf, als der LKW kippte und quer durch das Lokal schlidderte. Der Wagen riss viele Menschen mit sich, die unter diesem begraben wurden. Plötzlich explodierte der Lastkraftwagen und mit ihm das Etablissement. Clary und Sebastian schleuderten hinaus, Glasscherben flogen bis weit auf die Straße und Feuer entbrannte lichterloh im Herzen der Gastwirtschaft. Sofort sprang Clary panisch auf und schrie: »Bethany?« Sebastian knurrte wütend auf, sein Herz fühlte sich wie gespalten an, und er lief außerhalb des Feuers auf und ab. Der Qualm und vereinzelte Flammen versperrten ihm die Sicht. Immer wieder rief Clary nach ihrem Kind, doch es war zwecklos. Und immer mehr Schaulustige erreichten die Gefahrenzone. »Komm«, sagte Sebastian und lief mit Clary um das Gebäude herum, in der Hoffnung, einen Weg hineinzufinden. Bethany rappelte sich in einer Ecke des Restaurants auf. Sie hatte sich den Kopf an der Wand angeschlagen und war für einen kurzen Moment ohnmächtig gewesen. Sie sah auf das Wrack des Lastwagens und rief nach ihren Eltern. Keine Reaktion. Voller Furcht rief sie erneut nach ihnen. Doch außer der Geruch vom verbrannten Fleisch konnte sie nichts vernehmen. Auf einmal hörte sie Schritte und kniete sich vor Freude trotz Schmerzen in den Fußgelenken hin. Aber statt Clary und Sebastian kamen vier vermummte Männer auf sie zu und der Erste schlug ihr ins Gesicht. Bethany schleuderte zurück zu Boden. Ein weiterer Maskierter nahm schnellstens ihre Handgelenke und legte sie in Fesseln. Sogleich spürte sie wie ihr jegliche magische Macht geraubt wurde. Panisch strampelte sie mit ihren Füßen, aber zwei der Männer hielten diese schließlich fest. Gemeinsam trugen sie Bethany heraus, liefen durch die Küche aus dem Hintereingang heraus und gelangten dort in der Hintergasse an einen Van. Sie öffneten die hinteren Türklappen und warfen Bethany hinein. Dumpf polternd landete sie im Inneren des Fahrzeugs. Die rollende Seitentür wurde aufgezogen und ein weiterer maskierter Mensch knebelte sie und steckte ihren Kopf in einen Sack. Dann stiegen alle zu ihr in den Wagen und brausten davon. Aus der Ferne hörte sie ihren Vater rufen. Er kam zu spät. Sie schluchzte bitterlich und fühlte sich verloren. Sie versuchte sich zu orientieren, ihre Fesseln zu lösen, doch es war nicht mit Erfolg gekrönt. Plötzlich bremste der Van ruckartig und Bethany rutschte ein gutes Stück vor. Sie hörte Gemurmel vor dem Wagen auf der Straße, das klackende Geräusche der Türen und dann wurde sie angehoben. »Habt ihr sie?«, tönte es von der einen Seite. »Natürlich«, von der anderen. Bethany wurde auf ihre nackten Füße gestellt, ihre Heels hatte sie unterwegs verloren wohl, und die Kapuze von ihrem Kopf genommen. Verwirrt und ängstlich sah sie in die Runde. Die vier maskierten Männer und zwei weitere standen sich gegenüber. »Ja, das ist sie!«, antwortete einer der beiden. Auf einmal erschallte ein Schuss und alle Männer sprangen in Deckung hinter dem Van und mehreren Mülltonnen, ließen jedoch Bethany an Ort und Stelle stehen. Sie begann erneut zu weinen, sie war noch nie so weit fort von ihren Eltern, sie wurde doch immer geschützt, wo waren sie nur. Da erblickte sie einen Mann auf dem Dach stehend, der sie in Augenschein nahm. Bethany wimmerte hilflos und sah sich verängstigt nach einem Versteck um. Allerdings sprang der Mann nun hinunter und ging in aller Seelenruhe in ihre Richtung, obgleich die Verbrecher noch in seiner Nähe waren. Die vier Maskierten zögerten, jedoch die zwei Handelsmänner holten Dolche heraus und liefen auf ihn zu. Der Fremde zog aus seinem Rücken ein Schwert, duckte sich unter den Angriffen hinweg und schlug sie beide mit nur einem Schlag nieder. Die Wucht seiner Bewegung beendete er, indem er sich mit einem Knie auf den Boden hockte. Da hörte Bethany wie der Motor des Vans gestartet wurde und das quietschende Surren des Rückwärtsgangs ertönte. So ließen sie sie alleine. Mit dem fremden Mann ihr gegenüberstehend. Er schulterte das Schwert wieder und spazierte in aller Seelenruhe zu ihr hin. Vorsichtig zog er ihren Knebel herunter. »Es ist gut, die werden nicht so bald wiederkommen.« Bethany nickte zaghaft, die Angst stand ihr auf der Stirn geschrieben. »Was wollten die von dir?« Er musterte ihre Fesseln. »Du scheinst ihnen wichtig zu sein, das sind ja magische Fesseln. Wie heißt du?« Bethany schwieg ihn hilflos an. Sie erinnerte sich daran, was ihre Eltern ihr sagten. Vertraue keinem Fremden. Schließlich fragte er sie: »Kannst du überhaupt sprechen?« »Ja«, stotterte sie, »ich weiß nicht, was die wollten. Ich war im Restaurant essen.« »Hm«, antwortete er, »vielleicht stelle ich mich einfach mal vor. Ich heiße Jace.« »Bethany«, reagierte sie zögerlich, schaute in seine güldenen Augen und reichte ihm höflich die gefesselte Hand. Kapitel 2: Dunkelheit --------------------- Jace stand ihr gegenüber und zerteilte die einzelne schmale Kette zwischen ihren Handgelenken mit seinem Schwert. »Die Ketten um deine Hände kann ich leider nicht zertrennen, die sind zu massiv.« Er sah daraufhin an ihr herunter und bemerkte, dass sie keinerlei Schuhwerk trug. »Soll ich dir meine Stiefel geben?« Bethany schüttelte den Kopf und sah sich verzweifelt um. Jace erkannte sofort, dass sie innerlich zerrüttet war und dass sie krampfhaft irgendetwas zu verstecken versuchte. Er konnte sich jedoch noch keinen Reim daraus machen. »Wie alt bist du eigentlich?«, fragte er sie zunächst erst einmal, denn er konnte selbst das nicht einschätzen. Bethany sah ihn überrumpelt an. »18«, log sie unwillkürlich und schaute zur Seite weg. Jace nickte und überlegte. »Weißt du denn, wo deine Eltern sind? Du lebst doch bestimmt noch bei ihnen, oder nicht? Entschuldige, dass ich so viel frage, aber ich möchte dir wirklich nur helfen.« Bethany seufzte leise auf und beinahe stimmlos antwortete sie: »Ich weiß nicht, wo sie gerade sind, ich weiß nichtmal, wo ich gerade bin. Ich war noch nie in dieser Stadt.« »Oh!«, reagierte Jace und vermutete in ihr eine umherreisende Touristin, »du bist in New York. In welchem Hotel seid ihr denn?« »Hotel?«, fragte Bethany überrascht, »was sollten wir denn da?« Jace erhob eine Augenbraue, diese Antwort hatte er nicht erwartet. Bethany erschien ihm äußerst mysteriös. Sie wurde mit magischen Ketten gefesselt, sie schien von vielem nicht die leiseste Ahnung zu haben und vermisste ihre Eltern. Vielleicht war sie auch nur einzig verrückt? Oder er selbst? Jaces Gedanken hüpften so sehr umher, dass er letztendlich den Kopf schüttelte, um sie wegzublasen. »Weißt du denn, welches Restaurant es war, wo ihr gegessen habt?« Bethany sah ihn mit so großen Augen an, dass er von sich aus schon abwinkte. Jace erkannte, dass jedwede weitere Frage nutzlos war. Er seufzte erschöpft von der Fragerei auf, ging hinüber zu einer der beiden Leichen und hielt seine Füße an deren Schuhwerk. Sie passten, also zog er sich seine Stiefel aus, streifte sich die Schuhe des Toten über und hielt seine dahingehend Bethany hin. »Hier, damit du dir nicht wehtust.« »Oh, äh, vielen Dank«, reagierte sie höflich, setzte sich auf den Boden, wie es Kinder nun einmal so selbstverständlich taten, und zog sich Jaces Stiefel an. Natürlich waren sie deutlich zu groß, aber es war besser als nichts. Jace verkniff sich ein Lächeln, denn ihm wurde schlagartig klar, dass sie definitiv keine 18 war, es entsprach einfach nicht ihrem Verhalten. Doch er machte sich, so merkwürdig, wie er es auch fand, Sorgen um ihr Wohlergehen. Somit ließ er sie in dem Glauben, dass er ihr das abgenommen hatte. Wackelig stand Bethany wieder auf und fragte ihn geradewegs heraus: »Und was jetzt? Wer waren eigentlich die Männer?« Jace musste nun doch schief grinsen und klärte Bethany auf. »Ich würde sagen, wir gehen jetzt erstmal hier weg, sonst kommen die vielleicht nochmal hierhin. Die waren nämlich Schattenweltler und Schwarzmarkthändler. Sie hatten wohl etwas Größeres mit dir vor, aber das geht mich nichts an. Also keine Sorge, ich werde nicht versuchen, dich auszuquetschen. In Ordnung?« Bethany nickte zaghaft. Dieser fremde Mann verhielt sich sonderbar. Normalerweise vertraute sie sich auf ihren siebten Sinn, aber diese dämlichen Handschellen störten ihre magische Fähigkeiten. Und die schwächliche Restkraft brauchte sie für das Verstecken ihrer Flügel auf. Ihre weißen Runen wurden zum Glück von ihrer Jacke, Top und Hose verdeckt. So fühlte sie sich nahezu verloren. Sie war bei diesem jungen Mann gestrandet und er erschien ihr zweifellos gutmütig, jedoch schien er auch etwas vor ihr zu verbergen. Sie wusste schlichtweg nicht, ob sie ihm vertrauen sollte. Sie musterte ihn schließlich eindringlich. Er trug eine schwarze Hose, ein weißes, langärmeliges T-Shirt und darüber eine ebenso tiefschwarze Lederjacke. Er lief sichtbar offen mit diesem Schwert herum und doch schien auch er Magie zu besitzen, denn er hatte diese Wesen und sie bemerkt. Sie konnte ihn einfach nicht einschätzen und das bekümmerte sie umso mehr. Jace sah sie an und zuckte schließlich mit den Schultern. »Ich kann dir anbieten, bis es vielleicht Tag ist, bei mir zu nächtigen? Keine Sorge, ich werde auf dem Stuhl schlafen. Oder auf dem Boden. Aber ich denke, du willst bestimmt nicht zur Polizei?« Bethany wusste keinen Rat mehr und das spiegelte sich in ihrer Mimik wieder. Sie holte dennoch einmal tief Luft und überlegte, was ihr Vater nun in dieser Situation bloß täte. Ein Seufzen entfuhr ihr darüber wieder. Denn ihr Vater wäre niemals in solche Umstände hineingeraten. Sie spürte, wie sie ihn und ihre Mutter herbeisehnte, und versuchte krampfhaft nicht loszuweinen. Jace wartete geduldig ab. Er wusste schließlich, in welcher Notlage sie sich befand. Er verstand zwar nicht ihr geheimnisvolles Auftreten, doch er beließ es dabei. »Soll ich vor dir gehen?«, fragte er sie nun, »Ah, Moment, ich habe eine Idee!« Jace kramte in seiner Jackentasche einen kleinen Dolch hervor, drehte die Klinge herum und hielt Bethany das Heft hin. »Hier! Damit fühlst du dich vielleicht wohler?« Bethany nahm es dankbar an. Sie sah, dass ein geschwungenes ‚J‘ und ein ebenso verzierendes ‚F‘ eingraviert waren. »Wofür stehen die Buchstaben? Jace Fffff... ?« Jace wandte sich mit einem verschreckten Gesichtszug zu ihr um. »Nein, das Ding gehörte der Mutter einer ehemaligen Freundin von mir. Sie hatte es mir einst mal gegeben.« »Ah, es ist auf jeden Fall hübsch!«, erwiderte Bethany nett lächelnd. Doch weiter führte Jace es schweren Herzens nicht aus und achtete nichtmal auf Bethanys liebevoller Mimik. Gedankenverloren lief er einfach vor und sah nur kurz hinter sich, ob Bethany ihm folgte. Sie tat es, wenngleich auch mit einem gehörigen Sicherheitsabstand und einem fragenden Stirnrunzeln. Sie hatte sich den Dolch in einen Stiefel gesteckt und atmete einmal tief ein, nachdem sie sich auf den Weg gemacht hatte. Kurze Zeit später erreichten sie eine schmale Gasse, in deren Mitte eine Feuerleiter heruntergelassen war. Jace blieb abrupt stehen und Bethany wäre fast in ihn hineingelaufen. Sie dachte die gesamte Zeit über ihren mysteriösen Retter nach. Und sie beobachtete ihn ganz genau. Jedwede Bewegung erfasste sie. Außer, dass er stehenblieb und sie dadurch ins Stolpern geriet. »Entschuldige!«, reagierte sie sofort, »ich habe nur zuviel nachgedacht.« »Ist nicht schlimm, ich glaube aber, ich hatte zuhause Besuch. Verbleib mal bitte hier unten.« Jace zog die Leiter hinunter und kletterte bis zur zweiten Etage hinauf. Die Fenster zu seiner Wohnung waren zersplittert und die weiß-schwarz gemusterten Gardinen wehten hinaus. Er lugte herum und erkannte die Lage. Er hatte eindeutig Besucher da gehabt. Vorsichtig stieg er wieder hinab und seufzte tief. »Ich glaube, wir müssen noch ein gutes Stück weiter. Meine gesamte Bude wurde auf den Kopf gestellt. Aber keine Angst, ich kenne hier jemanden. Der wird uns bestimmt für eine Nacht übernachten lassen.« Achselzuckend betrachtete Bethany ihn, woraufhin Jace versuchte ihr mittels eines Lächelns Hoffnung zu geben. Doch ihre Ausdruckslosigkeit zeigte ihm, dass es hoffnungslos war. So ging er weiter und wurde von seinem weiblichen Schatten verfolgt. Immerhin verkürzte sich der Abstand zwischen ihnen ein wenig. Dies stimmte ihn zumindest ein wenig zuversichtlicher. Einige Straßenblocks später erreichten sie ein Hochhaus. Eine große Party schien dort zu laufen. Bethany beobachtete die jungen Leute, die ihre roten Plastikbecher hielten. Ein Mädchen lachte laut auf und mit ihr intonierten zwei bis drei Jungs, die sich um sie versammelten. Man brauchte kein Todesengel zu sein, um zu verstehen, dass sie es nur taten, um sie zu erobern. Jace nickte selbstbewusst einem der breitschultrigen Männer, der eine Football-Jacke trug, zu und ging hinein. Bei Bethany hingegen erhob jener die Hand knapp vor ihrer Brust und blickte auf ihre Handgelenke. »Was hast du denn da?«, fragte er sie argwöhnisch. »Das ist die neue Mode«, antwortete sie schnippisch. Jace grinste schief, ihm gefiel ihre freche Art. Für einen kurzen Moment musste er an Clary dabei denken. Doch schnell verwarf er wieder diesen Gedanken. Zuviel Schmerzen bereitete ihm diese Erinnerung. »Lass sie einfach durch, das ist schon in Ordnung«, äußerte er schließlich wie selbstverständlich. Bethany lächelte den jungen Mann höflich an und passierte ihn, während dieser Jace unsicher anblickte. »Kennst du ihn?«, fragte sie Jace, als sie den Fahrstuhl betraten und er den Knopf für die 24. Etage betätigte. Nachdem die Türen sich geschlossen hatten, antwortete er: »Nein, aber manchmal hilft es allein, hart und bestimmend zu erklingen. Dann sind die Menschen verunsichert und tun alles, um bloß nicht in einen Kampf zu geraten.« »Hm, das sagt mein Vater auch immer«, grübelte Bethany laut, »aber ich denke, bei ihm hilft auch seine imposante Erscheinung.« »Klingt nach einem interessanten Mann. Ähnlich interessant, wie du es bist.« Bethany sah beschämt zu Boden und selbst Jace bemerkte, dass der Satz komplett falsch aufgefasst werden konnte. Beschwichtigend erhob seine Hände. »Ich, äh, meinte das nicht so. Ich meinte es wirklich nur wegen deiner magischen Fesseln. Immerhin scheinst du ja den Schattenweltlern wichtig zu sein.« Das Klingeln des Fahrstuhls ertönte und unterbrach die peinliche Unterhaltung. Bethany seufzte erleichtert auf, trat zielstrebig heraus und bog nach links in den Flur ab. »Ähm«, Jace blieb in der Mitte stehen und sah ihr grinsend hinterher, »wir müssen rechts entlang.« Beinahe unwillentlich drehte sie sich wieder um und folgte ihm gezwungenermaßen. Jace klopfte schließlich an einer Tür an und wartete. Aufgeregt stand Bethany daneben, voller Erwartung, wer sich wohl dahinter verbarg. Ein schlanker, junger Mann, der eine Brille, ein bedrucktes T-Shirt und eine blaue Jogginghose trug, öffnete die Wohnungstür und schaute Jace überrascht an. »Hey! Mit dir habe ich ja gar nicht gerechnet. Das ist aber mal eine coole Überraschung. Komm rein!« Jace ließ es sich nicht zweimal sagen. Vorsichtig folgte Bethany ihm und sah sich um. Zwei schmale Betten, zwei Schreibtische mit passenden Drehstühlen, zwei Kleiderschränke und zwei kleine Regale fand sie vor. Allerdings war nur die eine Seite des Raumes häuslich eingerichtet. An den Wänden hingen kreuz und quer zahlreiche Poster, deren Inhalte Bethany nicht einzuordnen wusste. Der junge Mann beobachtete erst Jace, der sich direkt auf einen Stuhl pflanzte. Dann verfolgten seine Augen Bethany, und als sie sich ihm zuwendete, hielt er ihr höflich die Hand zur Begrüßung hin. Als sie ihm ihre reichte, sagte er lächelnd: »Hi, ich bin Simon!« Sebastian schrie vor Wut, vor allem über sich selbst, dass er den blauen Van so knapp verpasst hatte. Clary saß mit angewinkelten Beinen auf dem Boden und vergoss elendiglich ihre Tränen. Plötzlich landete Uriel bei ihnen und sein Gesicht wirkte aufgewühlt und schmerzverzerrt. In seinen Händen trug er Clarys und Sebastians Rüstungen. Er überreichte Eine zunächst stillschweigend Sebastian, der sofort sich daran machte, sich umzuziehen. Daraufhin ging Uriel vorsichtig und einfühlsam auf Clary zu und kniete sich zu ihr. »Es tut mir leid, meine Teuerste, ich habe sie nicht beschützen können. Dabei war es seit jeher meine Aufgabe.« Er verneigte voller Demut sein Haupt vor ihr. Clary schüttelte den Kopf. »Es ist nicht deine Schuld. Ich muss mir die Schuld geben. Sie war noch nicht dazu bereit. Und ich kann sie nicht mehr orten. Irgendetwas Schlimmes ist vorgefallen.« Uriel erhob seinen Kopf wieder und blickte sie traurig an. »Ich vermute, dass man ihr magische Fesseln angelegt hat. Denn Gleiches wurde bei Gabriel getan. So können wir sie nicht finden. Oder bei ihr ist jemand, der nicht gefunden werden will. Diese Kraft allein reicht ebenfalls aus um sich vor unsereins zu verstecken.« »Aber doch nur, wenn dieser jemand mächtig genug ist. Darum habe ich ja so viel Angst um meinen kleinen Engel. Wer weiß, was ihr gerade angetan wird.« »Niemand wird ihr etwas antun, Liebes«, zischte Sebastian, der nun bei ihnen stand, »das würde niemand wagen, an meinem Schatz Hand anzulegen. Jeder müsste wissen, dass meine Rache dann umso fürchterlicher ist.« Dennoch kniete er sich nun zu Clary und nahm sie beschützend in den Arm. Mit einer deutlich liebevolleren Stimme versuchte er, ihre Tränen zu trocknen. »Gemeinsam werden wir unsere Tochter retten. Verlass dich darauf! Gemeinsam haben wir so viel erreicht, dann wird das hier ein Spaziergang werden.« Er küsste ihre Stirn und drückte sie fest an sich. Zusätzlich umarmte er sie mit seinen Flügeln und herzte sie. Mit einem gequälten Lächeln bedankte sie sich bei ihm und stand mit wackeligen Beinen auf. Als sie sich allmählich das wundervolle Kleid auszog, drehte sich Uriel höflichst weg, während Sebastian als Sichtschutz seine Schwingen um sie legte. Mit zittrigen Händen legte sie sich ihre schwarz-silbrige Todesengel-Rüstung an und an ihrer Hüfte steckte sie ihr Schwert hinein. Sebastian trug seines hingegen auf dem Rücken zwischen den Flügeln und Schulterblättern. »Was hast du zuletzt gesehen?«, fragte Clary Uriel. »Der Wagen wurde später wieder für uns sichtbar. Er steht in der Nähe des Hotels Dumort. Er scheint jedoch leer zu sein.« Sebastian sah ihn aufgebracht an. »Wirklich? Dort? Der Ort ist doch längst schon von den Vampiren verlassen, seit Clary und ich unserem Schicksal nachgehen!« Clary sah ihn dennoch hoffnungsvoll an. »Lass es uns herausfinden, es ist unsere einzige Spur!« Sebastian bejahte es tonlos und schwang sich in die Lüfte. Wut, Hass und Trauer nagten an ihm. Clary bemerkte es und seufzte. »Ich hoffe, ich verliere nicht an einem Abend beide.« Uriel schüttelte beschwichtigend den Kopf. »Er verarbeitet es lediglich anders als du. Ihm wurde so viel Schmerz in der Vergangenheit auferlegt. Und nun wurde ihm eines seiner beiden teuersten Schätze geraubt. Diesen Schmerz will er nicht noch einmal erfahren. Flieg einfach mit ihm, Clary. Er wird deine Liebe mehr denn je benötigen.« Clarys Augen verrieten, dass sie Uriel zustimmte, und mit nur wenigen Flügelschlägen hob sie in den Himmel ab. Sebastian stand in der Luft und wartete schon. Doch er versuchte sich zu gedulden. Er spürte Clarys Angst, er spürte seine eigene, und gerade deshalb war er so aufgebracht. Er wollte keine Furcht zeigen, doch die Entführung Bethanys zeigte ihm auf, dass auch er verletzlich war. Und das missfiel ihm drastisch. Sie landeten nach wenigen Minuten lautlos auf dem Dach des Hotels. Der Eingang war mit Holz von außen verbarrikadiert worden. Es schien wirklich jemand wieder an diesem verwunschenen Ort zu sein. Sebastian und Clary setzten sich ihre dunklen Kapuzen auf. Nur einzelne rote Strähnchen verrieten Clarys Antlitz dahinter, während Sebastians Erscheinungsbild komplett im Dunkeln lag. Die mächtigen Rüstungen und die weich wehenden düsteren Umhänge wirkten bedrohlich und unheilvoll. Sebastian zog sein Schwert und ließ es entflammen. Knisternde Funken sprühten, als er mit wenigen Hieben das Holz von der Tür herunterriss. Mit einem schweren Quietschen zog er die freigelegte Metalltür auf und trat ins dunkle Treppenhaus. Trotz allem konnte er in dieser Finsternis bestens sehen. So wie einst in den Katakomben vom Mausoleum in Idris. Auch Clary war bewandert in dieser Fähigkeit und lief ihm zielstrebig auf leisen Sohlen hinterher. Ihre schwarzen Flügel hatten sie eingeklappt, damit sie durch die Flure passten. Doch auch auf dieser Art und Weise war ihr Erscheinungsbild furchteinflößend, und auch so erreichten sie bei den Sündern die grauenvollsten Angstgefühle. Sie gelangten auf die Etage, wo einst die zahlreichen Penthouse-Suits eingerichtet waren. Dort horchten sie auf, flüsternde Stimmen drangen aus einem der Zimmer. Sebastian deutete auf die Tür in der Mitte des Flures hin und so blieb Clary angespannt vor jener Zimmertür stehen. Währenddessen kletterte er aus einem der zerstörten Fensterrahmen ins Freie hinaus und schwebte mit wenigen leisen Flügelschlägen zum gegenüberliegenden Fenster. Er ließ die Flammen seines Schwerts ersticken und landete auf dem Balkon. Er erkannte zwei Männer, die auf Sesseln saßen und sich auf einem kleinen Fernseher mittels einer Zimmerantenne das Abendprogramm anschauten. Auf dem Bett liegend sah er zwei Strumpfmasken liegen, genau die gleichen, die er durch die Fensterscheiben des Vans ausmachen konnte. Voller Wut konnte er sich nicht länger halten und brach tobend durch die Balkontür herein. Sein Schwert und seine Rüstung ging in lodernde Flammen auf. Die Männer sprangen voller Panik auf und rannten zur Zimmertür. Doch bevor sie diese erreichten, trat Clary seelenruhig durch diese hindurch und erhob ihre hellglühende Klinge. Die Verdächtigen liefen umher und suchten verzweifelt nach einem Ausweg, bis sie voller Furcht erkannten, dass es keinen gab. Einer der beiden kniete sich schließlich hin und bettelte zitternd um Vergebung. Der Andere presste sich an eine Wand und schloss die Augenlider. Sebastian beobachtete beide und trat auf den am Boden sitzenden heran. »Wer bist du?«, grollte er und ließ die Flammen seiner Rüstung ersticken, während Clary ihr Schwert an die Kehle des Zweiten drückte, damit dieser die Gunst der Stunde nicht ausnutzte, um vielleicht zu fliehen. »Jason«, stotterte er, »ich, ich wurde nur dazu befehligt, ich, es war nicht meine Idee.« »Wessen Idee war es, wer hat dir den Befehl gegeben?«, reagierte Sebastian ungezügelt und neigte sich tief zu ihm hinunter. Jason sah in die Kapuze und konnte trotz seiner vampirischen Sehkräfte außer tiefste Finsternis darin nichts erkennen. Die Furcht stieg ins Unermessliche und Tränen liefen seinen Wangen hinab. »Sprich!«, schrie plötzlich Clary laut und ungehalten hinüber. Sie ergriff den Kragen des zweiten Vampirs und schleuderte ihn neben Jason zu Boden. Erschrocken riss dieser die Augen wieder auf und erblickte Sebastians Schwertspitze direkt über seinem Gesicht hängen. Das Weiße seiner Augen war nun deutlich sichtbar und er versuchte sich krampfhaft zu beruhigen. Doch Sebastian ließ eine einzelne Feuerspitze entfachen und so polterte der am bodenliegenden Mann los: »Wir wissen nicht, wer der Auftraggeber ist. Unser Clan-Führer hat uns nur dorthin geschickt. Unser Clan-Führer wurde aber von dem Auftraggeber getötet. Wir sollten nur zwei Händlern dieses Mädchen überreichen. Es waren Hexenmeister. Sie hatten irgendetwas mit ihr vor. Doch dann kam zufällig ein Schattenjäger vorbei und hat den Austausch gestört.« »Schattenjäger existieren nicht mehr! Wir verbannen sie!«, reagierte Sebastian scharf. Jason stotterte: »Aber er trug Runen, ich habe sie gesehen, als er mit seiner Klinge ausholte, rutschte ihm sein Shirt hoch!« »Kanntet ihr ihn?«, fragte Clary mit einer tiefen Ruhe in ihrer Stimme. Jason und der andere Vampir schüttelten die Köpfe. »Wir hatten zuvor nie wirklich viel Kontakt mit ihnen. Wir gehörten nicht zu Raphaels Clan.« »Ihr wart zu viert«, setzte Sebastian an, »wo sind die anderen beiden?« »Sie sind zu der Untergrund-Disco!«, stotterte der Namenslose. »Marc!«, rief Jason erschrocken, »verrate ihnen doch nicht alles! Sie werden uns doch so oder so in die Hölle befördern!« Marc sah Jason angsterfüllt an und seine Mimik bedeutete diesem, nicht so etwas laut herumzuschreien. Clary fragte hingegen, ohne weiter auf Jason zu achten: »Wo ist diese Disco?« Jason schüttelte in Marcs Richtung hin den Kopf, so dass jener schweigend zu Sebastian hinsah. Schweißtropfen perlten von seiner Stirn und er biss die Zähne krampfhaft zusammen. Sebastian allerdings seufzte schwer auf, nahm sein Schwert und schlug es in Jasons Brust. Jason erstarrte und erbleichte vor Panik, erst als das Feuer entbrannte, schrie er wie am Spieß. Marc traute seinen Augen kaum und sah vor Herzensangst weg. Innerhalb weniger Sekunden erstarb Jasons Jammerlaut und einzig seine Asche zeugte noch von seiner ehemaligen Existenz. »So, Marc, wenn du eine Chance haben willst, dass wir dich nur ins Fegefeuer schicken und nicht für immer zerstören, dann führe uns jetzt zu dieser Disco.« Sebastian reichte ihm seine Rechte, die in einem metallisch-silbrigen Handschuh steckte. Der Vampir seufzte leise auf, denn er wusste, dass ihm kaum eine andere Wahl blieb. So nahm er die Hand des Todesengels. Sebastian packte ihn jedoch mit beiden Händen am Arm, rannte zur geöffneten Balkontür und sprang hoch in die Luft. Sodann breitete er seine tiefdüsteren Schwingen aus und flog über die Stadt. Marc kreischte und hielt sich krampfhaft an Sebastian fest. Währenddessen sah sich Clary in der Suite noch ein letztes Mal um und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. »Ich hoffe, wir finden dich rechtzeitig, mein Kind!«, flüsterte sie angsterfüllt. Dann sprang auch sie hinaus und schwang sich in die Lüfte. Kapitel 3: Der Tanz ------------------- Marc zeigte mit der freien Hand nach unten. So ließ Sebastian auf annehmbarer Höhe den Vampir fallen, der auf einem Dach eines Hochhauses zunächst auf die Füße fiel. Dagegen landeten Clary und Sebastian sanft hinter ihm. Marc machte erst gar nicht den Versuch zu flüchten, trotz seiner Fähigkeiten war ihm durchaus bewusst, dass er ein Wettrennen nicht bestehen konnte. »Nun? Wohin jetzt?«, fragte Sebastian ruhig. Clary wusste, dass diese Ruhe auf viele Gegner ungewohnt und damit beunruhigt wirkte. Und auch bei Marc trug es Früchte. Er zeigte auf eine im Boden versenkte Tür, die er wie zwei Flügel hochklappte. »Da hinunter!«, wies er Sebastian hin, doch er schubste Marc voraus. Dieser stolperte und hielt sich am Geländer fest. Zaghaft trat er Schritt für Schritt vor, bis eine riesenhafte Gestalt sich vor ihm auf dem Flur aufbaute. Es war ein Golem. Clary sah erstaunt zu Sebastian, der hinter seinem Rücken einen Zeigefinger nach unten ausstreckte. »Was wollt ihr?«, tönte der Golem. Wer auch immer diesen zum Leben erweckt hatte, war äußerst mächtig. Marc sah sich zögerlich um und räusperte: »Wir sind hierhergekommen, um zu feiern.« »Wie lautet das Passwort?«, brummte der lebendig gewordene Steinfels. Sebastian nahm die Hand vom Rücken und klatschte sich sanft auf den linken Oberschenkel. Marc flüsterte: »Adora quod incendisti, incende quod adorasti!« »Wie?«, donnerte die Gestalt und schubste den Vampir nach hinten. Jener strauchelte durch die Kraft und plumpste auf seinen Hintern. »Ita erit Solis!«, schrie plötzlich Clary und erhob ihr Engelsschwert. Sebastian sprang im gleichen Moment zur Seite und kurz darauf entfachte ein Lichtstrahl sich aus der Spitze der Schneide und brannte wie Sonnenlicht in den Flur hinein. Der Vampir kreischte und zerfiel in kürzester Zeit zu Asche, ganz so, wie als würde er im Tageslicht stehen. Der Golem brüllte und auch er versuchte sich zu retten. Er stampfte in Clarys Richtung, doch bei jedem Schritt büßte er Gesteinsbrocken ein, die auf den Boden prasselten. So verlor er sein Gleichgewicht und fiel in sich zusammen. Ein letztes dumpfes Grollen ertönte, als sein Kopf in Einzelteile aufsplittete. Sebastian besah es mit einem Lächeln und streckte die Hand nach Clary aus, die ihr Schwert wieder einsteckte. »Komm, Liebes. Ich vermute, hier sind wir richtig!« Auch wenn Clary ihre Tochter vermisste, so musste sie Sebastian anlächeln. Sie war froh darüber, wie sehr ihre Beziehung über das Jahr gewachsen war und wie oft es sich zeigte, dass sie sich selbst mit wenigen Zeichen verständigen konnten. Wie auch Bethany versteckten sie nun ihre Flügel, doch hinzukommend schnipste Sebastian einmal und ihre mächtige Rüstungen wurden zu alltäglicheren Kleidungsstücken verzaubert. Clary trug nun ein grünes Kleid, so wie damals, als Sebastian Jace und sie in eine Disco eingeladen hatte. Er hingegen kleidete sich in einer schwarzen Hose und in einem blauen T-Shirt mit einem ansprechenden V-Ausschnitt. So ergriff Clary seine Hand und den dumpfen Klängen der Musik folgend führte er sie in die Tiefe des Gebäudes. Ein Fahrstuhl wartete bereits auf sie und vorsichtig betraten sie diesen. Die Türen schlossen sich wie von selbst und genauso fuhr er wie von Geisterhand selbstständig herunter. Clary rutschte in Sebastians schützende Arme. Ihr war nicht ganz wohl dabei. Mit einem sanften Rumpeln endete ihre Talfahrt und die Schiebetüren öffneten sich. Vor ihnen hallte Musik durch eine schwere Eisentür. Ein Dämon grinste sie an und zog jene für sie auf. Da standen sie nun, in dieser riesiger Halle. Dieser Tanzfläche auf mehrstöckigen Ebenen, die umringt von Balustraden waren, und an deren Decken Kronleuchter und Flutlichter im Takt der Musik schwangen und blinkten. Clary schaute sich um und erblickte Schattenweltler, Dämonen, Elfen und Hexen aller Art. Sie bewegten sich geschmeidig, sinnlich, anziehend auf dem Parkett dieser illegalen Tanzhöhle. Fasziniert zog sie Sebastian an sich und schmiegte sich an seine Brust. »Es erinnert mich an damals. Ich trage selbst das gleiche Kleid. Wie damals, nur hast du es dir heute ausgesucht.« Sebastian lächelte sie an und gab ihr einen sanften Kuss auf den Lippen. In Clary explodierten die Sinne, die Gefühle, all die letzten Geschehnisse verschwommen dahinter, und sie wollte nie wieder von hier fort. Sebastian erwiderte leidenschaftlich und drückte sie noch näher an sich heran. Er spürte ihren Po an seinen Lenden und gemeinsam ließen sie ihre Hüften im Rhythmus des aktuellen Liedes kreiseln. Clary verspürte, wie die Musik sie entflammte, wie ihre Begierde geweckt wurde, immer mehr von ihm zu verlangen. Sie zerrte ihn zur Tanzfläche, wollte sie zumindest. Denn Sebastian blieb eisern stehen. Er schüttelte den Kopf und rief gegen die Melodien an: »Konzentriere dich. Verliere dich nicht! Denk an Bethany!« Im nächsten Moment fiel ihr alles wieder ein und still und starr beobachtete sie erneut die Masse. Sie wurde verzaubert. Wie konnte sie nur ihr Kind vergessen. Sie fühlte sich schuldig, doch Sebastian strich ihr sorgsam über den Rücken. »Es ist nicht deine Schuld, dieser Ort will uns vergessen lassen. Komm, wir suchen jetzt Antworten!« Clary nickte und folgte Sebastian mit freudloser Miene. Sie kam nicht umhin, sie konnte diesen letzten Moment nicht ignorieren, zu lang war es her, dass sie so miteinander tanzten. Sebastian sah zu ihr zurück und auch er vermisste dieses Tanzvergnügen. Er spürte, dass Clary ähnlich fühlte und so zog er sie plötzlich an sich. »Schenk mir noch einen Tanz!« Er grinste sie liebevoll an und schlang die Arme um ihre Taille. Clary konnte nicht anders, sie hielt sich in seinem Nacken fest und gemeinsam bewegten sie sie sich rhythmisch. Es lief zwar ein schnelles Techno-Lied, doch es war ihnen gleich. Sie träumten mit ihren Füßen von unbekümmerteren Zeiten, in denen ihnen noch nicht so vielen Aufgaben auferlegt wurden. Clary schloss die Augen und dachte zurück an die Zeit, wie er sie auf Armen trug, wie Bethany, er und sie im Wohnzimmer im Kreis tanzten und sich zu allerlei Kinderliedern die Arme ausbreiteten und zusammen mit Flügeln die Welt bereisten. Ihr lief eine Träne herunter und im nächsten Moment tupfte Sebastian ihr diese ab. Sie drückte sich an ihn und öffnete ihre Augenlider wieder. »Es wird Zeit«, seufzte sie, »lass uns.« »Unsere Tochter finden!«, beendete Sebastian selbstbewusst ihren Satz und küsste ihre Schläfe, »keine Sorge, das wird schon!« In dem Moment erblickte er eine ihm allzuvertraute Gestalt auf einer Etage über ihnen. »Nicht möglich!«, rief er aus und sprang mit einem Satz hinauf. Er schwang sich über das Geländer und landete direkt vor einem allzubekannten Gesicht. »Sebastian! Ich könnte ja jetzt sagen, wie es die Menschen pflegen, die du beschützt, dass ich mich freue dich hier zu sehen. Aber das wäre gelogen!« »Du mich auch, Meliorn!«, erwiderte Sebastian, während Clary die Treppenstufen hinauflief, um kurz danach bei ihm an der Seite zu stehen. »Ah, liebste Clary! Da frage ich mich doch glatt, wo ist eure liebreizende Tochter?« Mit großen Augen starrte Clary ihn an, umrundete blitzschnell Sebastian und packte Meliorn an der Kehle. So hob sie ihn und betrachtete ihn wütend. »Was weißt du?«, zischte sie, »antworte mir! Sag mir, welchen Befehl die Feenkönigin ihrer Armee genannt hat. Sollt ihr euch aufstellen oder die Waffen ruhen lassen.« »Antworte mir!«, schrie sie erzürnt direkt darauf, sie hatte ihm nichtmal Zeit gegeben zu reagieren. Meliorn versuchte sich weiterhin in einem Lächeln, gab aber seine Geheimnisse preis. »Wir wappnen uns. Und man habe sich erzählt, dass die Schattenjäger wohl wieder hier sind. Zumindest einer.« Sebastian hakte nach: »Wie ist sein Name?« »Das«, säuselte Meliorn feixend, »weiß leider keiner. Er scheint sich auch vor unseren Augen zu verstecken. Aber anscheinend schafft er es ja gar ebenfalls bei euch. Also ist er ein mächtiger Gegner. Und er wird nicht alleine kämpfen!« Clary schüttelte den Kopf, »wer war für die Explosion im Restaurant zuständig? Das war nicht der Nephilim.« Meliorn sah sie ernst an. »Ich schätze, ab jetzt kann ich euch nicht mehr sagen. Nur laute Vermutungen. Ich vermute, ihr solltet an alten Orten suchen. Orte, die ihr kennt.« Clary ließ ihn langsam hinunter und nickte ihm zustimmend zu. Sie ergriff Sebastians Hand und führte ihn von Meliorn fort. »Wir werden wiederkommen«, rief er, »und werden dann diese Hölle niederreißen!« Einzelne Wesen erkannten schließlich, wer unter ihnen wandelte und rückten voller Respekt von ihnen ab, als sie gingen. Als sie wieder auf dem Dach des Hochhauses standen, entzauberten sie sich und flogen schweigend fort. Sebastian beobachtete Clary, die vor ihm schwebte. Er wunderte sich erst über sie, wie stark sie scheinbar war, allerdings als er sich mit harten Flügelschlägen voranstieß, sah er, wie sehr sie dem Weinen nah war. Er ließ ihr die Flugzeit für sich alleine, erst als sie beim alten, verlassenen Institut der Lightwoods landete, kam er zu ihr und bettete sie in seine Flügel. »Hab keine Angst, Liebste!«, er strich sorgsam über ihre Taille und hielt mit der anderen Hand ihre Wange. Sie schmiegte sich in diese hinein und wimmerte sachte. Ein zaghaftes Nicken stimmte ihm vorsichtig zu. Arm in Arm betraten sie so das Institut. Simon zeigte auf das freie Bett, "setz dich ruhig da hin. Mach es dir bequem. Möchtet ihr etwas trinken?" Bethany schüttelte den Kopf und Jace reagierte gar nicht erst. "Woher kennt ihr beiden euch eigentlich?", fragte sie neugierig. Jace und Simon waren so ungleich, ein magischer Kämpfer und ein Mensch, dafür musste es eine Erklärung geben. "Er hat mir das Leben gerettet", Simon strahlte voller Stolz. Bethany betrachtete ihn überrascht. "Wovor? Vor Dämonen?" Jaces Miene verzog sich und er sah sie warnend an. Simon lachte hingegen nur auf. "Guter Witz. Du hast ja mehr Fantasie als ich. Nein, nein, er hat mich vor ein paar Schlägern gerettet." Bethany schaute liebevoll in Jaces Richtung und lächelte. "Ja, das kann er sehr gut." "Was ist dir denn passiert?", reagierte Simon und setzte sich auf sein Bett. Plötzlich riss ein Mädchen die Tür auf und rief schief lachend: "Simon, Siiiiimooon! Uh, du hast ja Besuch. So, sogar Freunde? Du siehst ja süß aus. Genauso wie Simon, der Loser!" Lauthals kichernd lief sie weiter und plärrte Simons Namen über die Gänge. Bekümmert und beschämt sah Simon zum Teppich und wich Bethanys und Jaces Blicken aus. Ein weiteres Mädchen trat in den Türrahmen und Simon stand wütend auf: "Na, willst du auch auf mir rumhacken?" Das junge Ding grinste, "nein, ich will sie!", und zeigte dabei auf Bethany. Ohne die Füße zu bewegen, bewegte sie sich auf sie zu und die Pupillen verfärbten sich tiefschwarz. Simon kreischte panisch auf, während Bethany den Dolch herausnahm. Jace brannte sich sofort mit seiner Stele die Schutzrune ein und stellte sich zwischen ihnen. "Oho, der eine Schattenjäger", krächzte der Dämon, "der mysteriöse, sich selbst verbannende." Bethany staunte und rückte von Jace ab. Sie dachte an ihren Vater, an die Gesetze des Himmels. Und sie ließ sich von einem Schattenjäger helfen, war denn das richtig? Handelte sie falsch? Fragen über Fragen überkamen sie. Ihre Hände fingen an zu zittern. Verschreckt sah sie Jace und den Dämon an. Jace beachtete sie hingegen kaum, er wandte sich einzig dem untoten Mädchen zu. "Warum willst du sie?", fragte er zischend. Das Mädchen kicherte. "Oh, sie hat es dir nicht erzählt. Naja, das würde ich an ihrer Stelle auch nicht!" "Es reicht!", erwiderte Jace. Er wusste, dass er eher selbst Bethany fragen musste, als diesem Dämon zu vertrauen. So zog er sein Schwert. Jene grinste und breitete die Arme aus. "So sei es!" Hinter dem Mädchen tauchten schwarze, wabernde, ölige Wesen auf, die am Boden entlang sich bewegten. Aus ihnen quollen lange, knöchrige Greifarme heraus, die über den Teppich kratzten. Jace schlug eine Hand mit einem Hieb ab, aber aus der Wunde formte sich sogleich eine neue Kralle. Der Dämon kicherte abstoßend und schüttelte lachend den Kopf. Simon schrie vor Angst und Unglaube. Und Bethany zückte ihren Dolch. Selbstsicher sah sie sich um. Dann schloss sie die Augen und sagte tonlos: "Eret Lumen, Non tibi placet diem et mortem ortum est in caelis! Amen." Aus ihren weißen Runen schien ein Licht sich in die Waffe in ihren Händen zu pumpen, an dessen Spitze ein greller Schein erleuchtete. Die Dämonen kreischten schrill voller Furcht auf. Wie eine riesige Lanze schnitt ein Lichtstrahl durch sie hindurch und gab Bethany, Jace und Simon einen Weg zur Flucht frei. Jace staunte, aber erkannte sogleich Bethanys Strategie. Er packte den beinahe ohnmächtigen Simon am Arm und riss ihn mit sich. Gemeinsam rannten sie durch die Schneise, während das dämonische Mädchen hilflos weinte. Jace lief vor und hüpfte die Treppenstufen hinab, immer zwei auf einmal. Bethany kam ihm kaum hinterher, denn sie keuchte vor Überanstrengung. Die magischen Fesseln hatten ihr die letzte Kraft genommen, als sie ihr Runenzauber ausführte. Wie durch ein Wunder musste sie dabei nicht die Verzauberung ihrer Flügel nehmen, allerdings hatte das zusätzliche Kraft geraubt. Sie stöhnte, "ich kann nicht mehr!", da rutschte sie schon mit dem Fuß ab. Panisch griff sie nach dem Geländer, erfasste es und schlidderte mit dem zweiten übergroßen Stiefel von der Stufe. Ein Finger nach dem anderen löste sich wieder, sie drehte sich um die eigene Achse und kippte nach hinten über. Kreischend streckte sie die Arme hilfesuchend zu den sich immer weiter entfernenden Geländerstangen, da wurde sie plötzlich unterhalb der Schultern von zwei starken Händen aufgefangen und behutsam aufgestellt. Vorsichtig wandte sie sich um, und sah Jaces goldene Augen. Ihr Herz blieb für einen Moment stehen, bis sie sich wieder fasste. "Danke!" "Ich glaube, es wird zu meiner Gewohnheit. Auch wenn wir ohne deine Kräfte nicht so weit gekommen wären.« Jace lächelte sie schief an. Bethany stellte sich sogleich aufrecht hin und lief stillschweigend weiter. So ließ sie Jace auf der Treppe hinter sich stehen, der sich fragte, was das nun sollte. Er verstand sie nicht und ihre widersprüchliche Handlungen verwirrten ihn. Dennoch zuckte er bloß mit den Schultern und lief zu ihr hin, an ihrer Seite. Die Fragen über sie türmten sich ins Unendliche bei ihm auf. Sie erreichten den Keller und Simon zeigte ihnen ein aufschließbares Gitter, das in die begehbare Kanalisation New Yorks führte. "Keine Sorge, hier gibt es keine Alligatoren", scherzte er, "zumindest glaube ich das. Nachdem was ich heute gesehen habe, was ihr könnt, da bin ich mir gar nicht mehr sicher." Er strich mit der Hand an der Wand entlang, als sie sich auf einem schmalen Steg entlanghangelten. Als sie gut zehn Minuten stillschweigend voranschlichen, platzte es schließlich aus Simon heraus: "Jace, wieso warst du wirklich da in dieser Gasse? Ich meine, ich war weit, weit weg von jeder Menschenmenge. Wieso warst du da? Und was zur Hölle war das eben?" »Fragst du dich nie was du vor den letzten anderthalb Jahren gemacht hast? In den zwei Jahren zuvor?« Simon traute nicht dem, was er hörte. Er hatte diesen Schleier schon immer verspürt, allerdings hielt er es für eine Art Filmriss durch zu viel Stress oder anderes. »Was, woher weißt du das?« »Ich wüsste jemand, der dir da helfen könnte. Er ist fast so magisch wie sie!« Jace zeigte auf Bethany. Da polterte sie dazwischen: »Jace, er darf es nicht wissen, er hat Gottes Segen, er hat eine zweite Chance erhalten, dafür musste er!« Sogleich verstummte sie. Sie war drauf und dran sich selbst zu verraten. Und das gegenüber ihr Fremden. Doch Jace reagierte schon längst mit einem böswilligen Blick: »Wer bist du? Wie kommt es dazu, dass du so etwas weißt?« Die gleiche Frage stellte sich Bethany über Jace. Woher hatte er all diese Informationen, wenn er einzig nur ein Schattenjäger war? »Er trug das Kainsmal einst, er hat ein Leuchten an sich, das kaum ein anderer Mensch trägt, nur diejenigen, die.« Bethany stoppte sich selbst im Satz. Sie merkte, dass sie zuviel gesagt hatte und schwieg. Jace hingegen fuhr fort: »Die was? Und wie Simon schon fragte, was für Kräfte waren das eben?« Simon nickte bejahend: »Ja das wüsste ich gern, ich habe noch nie so etwas gesehen.« Sie schüttelte den Kopf: »Ich darf es nicht sagen, das wäre unrecht. Aber warum weißt du davon, Jace? Und warum bist du nicht bei den anderen Schattenjägern? Du gehörst doch nicht hierhin!« Jace runzelte die Stirn und antwortete ernst: »Ich erzähl dir meine Geheimnisse, wenn du deine auch verrätst.« Das hatte sie nicht erwartet. Und im nächsten Moment dachte sie an ihre Mutter, die immer eine Antwort parat hatte. Sie hier jedoch nicht. Aber allein der Gedanke an sie ließ ihr eine Träne hinunterkullern. Jace sah sie erstaunt an und kam ein Schritt auf sie zu. »Entschuldige! Ich wollte dir nicht wehtun«, er wischte den Tropfen von ihrer Wange. Sogleich stürmte sie in seine Arme und bettete ihr Gesicht an seiner starken Brust. Sie wusste, ohne ihn, wäre sie längst nicht hier, wäre niemals gerettet worden. Aber gleichzeitig hatte sie solch eine Angst davor herauszufinden, wer dieser mysteriöse Schattenjäger und dieser junge Student waren. Jace strich ihr vorsichtig über die hellblonden Haare und flüsterte ihr aufmunternd zu: »Wir finden schon noch deine Eltern, wir müssen nur hier irgendwie weg. Weißt du denn gar keinen Ort?« »Wir sind in New York, oder? Dann müsste ich sie vielleicht in der Saint John Kathedrale antreffen.« Simon zog eine Augenbraue hoch: »Warum ausgerechnet da?« Bethany löste sich aus Jaces Armen und seufzte: »Bitte vertraut mir!« Sogleich zuckte Jace erneut mit seinen Schultern. »Gegebenenfalls können ja deine Eltern Licht ins Dunkel bringen, was hier los ist. Also kommt! Aber unterwegs suchen wir uns etwas zu essen. Ich verhungere!« Sie lächelte zustimmend dazu. Auch ihr Magen hing schon in den Kniekehlen. »Na dann«, erwiderte Simon, »ich kenne hier in der Nähe ein gutes Restaurant.« »In der Kanalisation?«, antwortete Jace schnippisch. Simon rollte mit den Augen und zeigte in eine Richtung vor ihnen. »Nein, ich war schon ein paar Mal hier. Ich kenne den Weg!« Jace erhob die flache Hand und streckte den Arm aus. »Ach so, na dann. Nach ihnen!« Bethany kicherte und grinste Jace zu. Sie mochte seine Art. Kapitel 4: Sie sind wieder zurück.. ----------------------------------- Er ließ ihre Hand nicht los, auch wenn er nicht wusste, warum dies so war. Jace blickte auf das Mädchen und fragte sich abertausende Dinge. Aber vor allem eins: Wo kam sie her? Simon führte sie an der Oberfläche tatsächlich zu einem Restaurant. Höflich öffnete er seinen Rettern die Tür und bat sie hinein. Innen trug das Lokal ein kuscheliges Ambiente, das mit Lounge Musik unterstrichen wurde. Jace blickte sich um und sah überraschend zwei vertraute Gesichter an einem Vierertisch am Ende des Ganges. Er lief eilig zu ihnen hinüber und rief: »Na, wen haben wir denn da?« Das Pärchen sah auf und lächelte erfreut. Sie winkten Jace sogleich zu sich und der junge Mann zeigte auf die Plätze ihnen gegenüber. »Nehmt Platz! Jace, wie geht es dir?« »Gut, gut!«, reagierte er freundlich und deutete Bethany sich nach innen hineinzusetzen. Doch Bethany stand bloß wie eine Salzsäule erstarrt am Tisch. Ihr Mund öffnete sich und ein leises, zaghaftes »Hi!« entsprang ihren Lippen. Langsam kroch sie auf die Sitzbank, den Blick auf dem Pärchen haftend. »Kennt ihr euch?«, las Simon aus ihrem Verhalten, zog sich einen Stuhl dazu und setzte sich verkehrt herum darauf, mit den Armen über die Lehne gebeugt. Bethany schaute ihn aufgeschreckt an, schüttelte allerdings sogleich mit dem Kopf. »Nein, nein.« Die junge Frau ihr gegenüber lehnte sich vor und reichte ihr die Hand. »Also ich bin Lucinda, aber alle nennen mich einfach Luce. Und das ist mein Freund Daniel.« Bethany schüttelte beiden die Hände und zog sich auf ihren Platz zurück. Sie kannte die beiden doch sehr genau, aus Geschichten, aus Beobachtungen, auf denen ihr Vater sie einst mitnahm. Sie hatten aus den Wolken auf sie hinabgesehen. »Wieso beobachten wir sie?«, hatte sie ihren Vater gefragt. »Weil«, er hatte sich selbst gestoppt. Er hatte über ihre damals noch rotblonde Mähne gestrichen, die heute nur noch weißblond gefärbt war, und hatte fortgeführt: »Weil sie Unrecht taten, auf ihnen lastet ein Fluch. Er ist ein gefallener Engel. Sie ist. Das ist zu kompliziert für dich. Ich erkläre es dir, wenn du älter bist. Auf jeden Fall beobachten wir sie, weil es uns so befohlen ist. Und wenn sie etwas tun, was nicht den Regeln entspricht, dann müssen wir einschreiten!« »In Ordnung, Vater«, hatte sie geantwortet und Sebastian hatte stolz ihren Kopf getätschelt. Und nun saß sie mit ihnen am gleichen Tisch, sie wusste, dass Luce gerade erst 16 Jahre alt war. Dass Daniel ähnlich alt wie Michael eigentlich war, aber eben auch nur wie ein Teenager aussah. Sie hoffte inständig, dass er sie nicht enttarnen konnte, wenngleich sie heute um ein Vielfaches stärker als jener gefallene Engel war. Jedoch trug sie magische Fesseln, er nicht. Daniel jedoch, er schien durchaus etwas zu spüren, das erkannte sie. Vorsichtig sah sie hinüber zu Jace, der aber keinerlei Anzeichen machte, darüber zu wissen, was Daniel wohl war. So kuschelte sie sich an Jaces Schulter an, der angenehm überrascht von ihrer Geste war. Mit einem Lächeln zog er sie an sich heran und umarmte ihre Taille. Irgendwie fühlte sie sich bei ihm geborgen, auch wenn sie gar nichts von ihm wusste. Sie sah zu ihm auf, während er sich mit seinen vermeintlichen Freunden zwanglos unterhielt, und träumte von einem wundervollen Kuss. Im nächsten Moment wischte sie die Gedanken fort. Wie konnte sie für einen Fremden bloß so viel Zuneigung empfinden? Es wirkte falsch auf sie, doch sie zog sich nicht zurück. Plötzlich ein weiblicher Schrei aus der Küche und die Angestellte lief in Panik heraus. Sofort sprang Jace auf und hielt seine Hände griffbereit. »Was ist los?«, fragte er und trat auf die Theke zu, hinter der die Köchin stand. Ihre Knöcheln färbten sich weiß, so sehr hielt sie sich an der Arbeitsplatte fest. Die einzige Kellnerin sah von einem Tisch hoch, den sie gerade bediente. Und im nächsten Moment hörten sie Geräusche aus der Decke und die Deckenplatten wölbten sich schlangenlinienhaft, als würde jemand dort hindurchkriechen. Oder Etwas. Jace streckte seine offene Hand nach Bethany aus, er war sich sicher, dass, was auch immer es war, dass es auf der Suche nach dem Mädchen war. Daniel stellte sich schützend vor Luce, während Simon hilflos und zittrig mitten im Lokal stand. Mit einem Mal krachte ein Dämonenhund durch die Decke und fiel auf Simon. Kreischend schützte dieser mit den Armen sein Oberkörper und sein Gesicht, aber dies hinderte das dämonische Wesen nicht im Entferntesten daran, nach ihm zu beißen. Es riss ein Stück der Haut vom Unterarm ab und Simons rohes Fleisch wurde gar sichtbar. Voller Schmerz schrie er auf, da rasselte auch schon Jaces Klinge durch den Kopf des Monsters. Mit der freien Hand zog Jace Simon vom Boden hoch und mit dem ausgestreckten Zeigefinger deutete er auf die Eingangstür. Bethany hatte längst ihren kleinen Dolch gezückt und beobachtete die Menschen, die panisch aus dem Restaurant stürzten. Aus dem Augenwinkel sah sie auf Luce, die angsterfüllt an Daniels Seite stand. Jener nickte plötzlich Bethany zu, als wüsste er nun, was hier geschah, oder wer sie wohl tatsächlich war. Rückwärts, Bethany nicht aus den Augen lassend, stürmte er mit Luce im Gepäck aus dem Lokal. Nun waren sie wieder allein, Jace, Simon und Bethany. Und mit ihnen ein getöteter Dämonenhund. Jace beobachtete noch den Küchenausgang und die Decke, da ging Bethany einigermaßen ruhig zu dem Wischtuch der Kellnerin, das sie fallengelassen hatte. Sie hob es auf, hielt es unter den Wasserhahn hinter der Theke und legte das befeuchtete Handtuch auf Simons Wunde an. Er biss sich auf die Lippen, um nicht weiter aufzuschreien. »Ist es so gut?«, fragte sie ihn liebevoll. Simon nickte zaghaft und registrierte mit Staunen, wie Jace den Leichnam des Monsters anzündete. Nachdem der Dämon verbrannt war, trat Jace zu ihnen. »Wir müssen weiter, hier ist es nicht mehr sicher.« Wortlos stimmten Simon und Bethany zu und folgten Jace an die frische Luft. Die Nacht schien unendlich lang anzudauern. Es waren noch so viele Stunden bis zum nächsten Morgen übrig. Jace untersuchte die Umgebung, die freien Straßen boten ihm nicht genügend Schutz. Er winkte seine beiden Schützlingen herbei. »Wir müssen runter von der Straße. Kommt, ich habe eine Idee!« Simon zuckte mit den Schultern, aber selbst diese kleine Bewegung ließ einen Schmerz durch seine Wunde ziehen. Verkrampft sah er Bethany an, die einen Mundwinkel zur Seite schob und sich nur dachte, dass Simon mit so wenig Mut eh niemals das Kainsmal verdient hatte. Jedoch sickerte Simons Blut längst schon durch das Wischtuch und hinterließ eine sichtbare Spur auf dem Boden. Nach einer Viertelstunde erreichten sie, unter Jaces Führung, ein verlassenes kleines Hotel, das mit Brettern vernagelt war. Jace zog sein Schwert und nutzte es wie einen Hebel, um ein paar der morscheren Holzbretter von einem Fenster zu reißen. Nachdem ihm das geglückt war, half er Simon zunächst hinein. Daraufhin hielt er Bethany die Hand hin. »Komm, ich helf dir!« Jedoch schlug sie ihm die Hand aus und mit einem Satz sprang sie durch die Fensteröffnung. »Danke, aber ich kann das schon alleine«, grinste sie ihn an, während er noch auf dem Fenstersims saß. Jace kam nicht umhin, ihm gefiel ihre kesse Art, die sie dann und wann zeigte. Er rutschte von der Fensterbank und folgte ihr. Simon suchte ein Zimmer, was weniger Insekten und Ratten beherbergte und schmiss sich auf eines der zwei Betten im Raum. In kürzester Zeit schlummerte er ein. »Nimm du ruhig das andere«, reagierte Jace, doch Bethany zog ihn am Ärmel zu sich mit auf die Matratze. »Du hast auch ein wenig Bequemlichkeit verdient. Mein großer Retter!« »Es heißt wenn dann ‚Ritter‘«, berichtigte er sie. »Aber du hast uns doch gerettet?«, Bethany runzelte ihre schöne Stirn und lehnte sich zurück. Jace lachte, »ach, egal.« Mit großen Augen sah sie ihn schweigend an, so sehr, dass auch Jace einen Kloß im Hals hatte. Betreten schwiegen sie sich an. Eine unangenehme Stille herrschte, bis sie ihn ansprach. »Ich muss dir etwas beichten!«, sagte sie seufzend. Jace wachte halb aus seiner Trance auf. »So? Was denn?« »Ich bin noch keine 18. Ich bin erst 17.« Er lachte auf, so dass Bethany ihn böse anstierte. »Nein, nein! So ist es nicht gemeint, ich habe es mir nur bereits schon gedacht«, merkte er an und legte einen Arm um sie. Ein Kribbeln jagte durch ihren Körper und fasziniert setzte sie sich näher zu ihm. Jace nahm seine Hand unter ihr Kinn und hob es feinfühlig an. Er wusste, dass sie noch zu jung war, aber gleichzeitig wirkte sie so erwachsen und erfahren. Und irgendetwas hatte sie an sich, was seinen Beschützerinstinkt manifestierte. Vorsichtig näherte er sich ihren Lippen. Das Institut wirkte verlassen, ganz so, wie es sein sollte, und wie es Clary und Sebastian erwarteten. Die alten Gemälde der Lightwoods hingen hier und da noch an den Wänden. Clary erschauderte, als sie das entdeckte, auf dem Maryse mit ihren drei Kindern abgebildet war. Vorsichtig berührte sie das Ölgemälde und wischte den Staub von Maxs, Izzys und Alecs Antliz. Mit einem Seufzen wendete sie sich ab und stieg die Treppenstufen hoch. Sebastian wusste, welche Erinnerungen hier ruhten und ließ einen respektablen Abstand zu ihr. Sie passierte Jaces Zimmer und konnte nicht anders, sie musste es betreten. Zaghaft trat sie hinein und lächelte über die nachwievor bestehende Ordnung, die Jace so über alles ausmachte und liebte. Sebastian legte nun doch seine Hand auf ihre Schulter, und beherzt fasste sie nach jener. »Es tut mir leid, aber so ist es richtig gewesen. Und Jace hat mit Ehre und Respekt gekämpft.« Clary flüsterte sanft, als würde sie Jace ehren wollen, »ich weiß, ich hoffe nur, dass Jace nun in Frieden ruht.« Es vergingen ein paar Minuten, bis sie aus dem Zimmer traten, Hand in Hand, da plötzlich überraschte sie eine Gestalt auf dem Flur. Clary griff sofort nach ihrem Schwert. Bis sie ihn erkannte. »Uriel!«, rief sie aus, »warum erschreckst du mich so?« »Verzeih, Clarissa, aber ich habe eine Spur für euch gefunden! In einem Studentenapartment tauchten Dämonen auf.« »Und?«, fragte Sebastian, »das passiert doch immer wieder. Die dämlichen Studenten spielen ja auch immer mit Ouija Brettern oder Pentagramme, wenn ihnen langweilig ist.« »Aber dieses kam ohne deren Einfluss. Und es geschah in nicht irgendeinem Zimmer. Es war das von Simon Lewis. Und jener ist nun fort.« Noch bevor Uriel etwas hinzufügen konnte, rannte Clary zum nächsten Fenster, sprang durch das Glas hindurch und schnellte mit vielen Flügelschlägen in Richtung des Studentenwohnheims. Sebastian folgte ihr, blieb aber auf der Fensterschwelle stehen und drehte sich zu dem Erzengel um. »Ich danke dir. Auch in Clarys Namen!« »Nun flieg schon, Sebastian! Du musst Clary und Bethany beschützen!«, reagierte Uriel unvermutet. Sebastian schien überrascht und so schwebte er davon. Innerhalb kürzester Zeit erreichten sie das Apartment. Sie verwandelten erneut ihre Rüstungen und ihre Schwingen zu menschlicherer Kleidung. Dieses Mal trugen sie schwarze Anzüge, ganz so als würden sie für das FBI arbeiten. Denn ringsherum baute sich schon die New Yorker Polizei auf, die das Gebäude wie einen Tatort absperrten. So traten Sebastian und Clary die Treppenstufen hinauf, auf denen ein Polizist einen jungen Mann in einer Footballjacke befragte. Sebastian hielt dem Beamten einen FBI-Ausweis unter die Nase. »Vielen Dank, aber wir übernehmen jetzt.« Überrascht und verunsichert zog jener von dannen, während der vermeintliche Football-Spieler verzweifelt seufzte. »Ich habe doch gar nichts gemacht. Was sollen denn bloß die anderen denken?« »Was ist denn vorgefallen?«, fragte Clary ihn streng. »Das habe ich doch dem Cop schon gesagt. Ich war heute mehr so der Türsteher. Und irgendwann kamen ein Typ und ein komisches Mädchen hier herein und sind dann hoch zu dem Loser Simon.« Als Clary hörte, wie dieser Simon betitelte, hätte sie ihm am Liebsten eine Ohrfeige gegeben. Oder Schlimmeres. Doch sie musste sich zusammenreißen. Also hakte sie einfach weiter nach: »Wie sahen sie aus?« Sie hatte hellblondes, langes Haar, sehr schlank, hübsch. Ungefähr so groß wie Sie. Sie trug eine schwarze, enge Hose, ein weißes Top und eine schwarze Jacke mit Kapuze. Und an den Händen hatte sie so emo-mäßige Armbänder. Die sahen aus wie Handketten. Verstehen sie?« Sebastians Wut nährte sich mit jedem Wort, was dieser Junge von sich gab. Allein durch die Beschreibung war ihm gewiss, dass es Bethany war. Allerdings diese Handketten, sie waren natürlich magisch. Da war er sich ganz sicher. Denn sonst hätte sie sich ja schon längst befreit. Clary ergriff seine Hand und drückte sie. »Und der Typ? Wie sah der aus?« »Ach der, der war etwa so groß wie ich, einigermaßen muskulös. Er hatte blonde Haare und er trug gänzlich schwarz. Und er hatte auf den Rücken irgendwas getragen. Ich schätze einen Baseballschläger oder so.« »Und das kam dir nicht komisch vor?«, zischte Sebastian zwischen seinen Zähnen hindurch. »Sir, ich lege mich doch nicht mit so einem an?«, reagierte der Junge sofort, »der hatte bestimmt auch Messer oder so bei sich.« »Ok, danke«, reagierte Clary und zog Sebastian mit sich, »das Mädchen war unser Mädchen. Ganz bestimmt!« Sebastian nickte und lief die Treppenstufen hoch, bis er an der Etage angelangte, in der erneut Polizisten umherschwirrten. Draußen lag die Leiche eines verbrannten Mädchens, dass von den Forensikern noch immer untersucht wurde. Sebastian erkannte sofort, dass ein Lichtstrahl sie getötet haben musste. Auch Clary bemerkte es und nickte ihm wohl wissend zu. Gemeinsam sahen sie in eines der Zimmer. Ein Mädchen saß heulend auf ihrem Bett, so trat Clary da hinein. »Hi, ich bin Clary Morgenstern. Ich bin vom FBI.« Sie sah zu Clary auf und wischte sich mit einem Taschentuch vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht. »Was war denn passiert?«, Clary kniete sich zu ihr und lächelte sie freundlich an. Schniefend antwortete die Studentin: »Maggie ist tot! Ich. Ich war nur kurz auf der Etage.« »Einfach von Anfang, erklär es mir«, reagierte Clary fürsorglich. »Ich, ich war auf dem Flur und bin in die Zimmer und habe mich gefreut, weil ja Party war. Ah und bin dann zu Simon ins Zimmer und habe gemeint, die Drei sollen auch Party machen, mit uns. Verstehen Sie? Und dann bin ich weiter und plötzlich haben die Drei meine beste Freundin getötet.« In Clary brannte es, sie spürte die dreiste Lüge. Wie Feuer pochte ihr Blut durch ihre Adern und voller Wut sprang sie auf. Das Mädchen zuckte überrascht zurück, da erblickte sie das helle Licht in Clarys Augen. »Was, was?«, stotterte die Studentin und krabbelte noch ein Stück weiter nach hinten. »Du lügst«, zischte Clary, »keiner der drei hat etwas getan. Du hingegen doch. Ich lese es in deinen Augen!« »Entschuldigen Sie, Ma’am«, erwiderte sie, aber Clary drückte sie mit einer Hand hinunter. »Ich sehe es, du hast Simon als Loser betitelt! Und du bist dann abgehauen und hast die anderen beiden ähnlich genannt.« Das Mädchen sah Clary panisch an. »Woher wissen Sie? Wie?« »Wohin sind die Drei danach?«, hakte Sebastian nach, und als sie auch zu ihm aufblickte, sah sie das Feuer in seinen Augen. »In den Keller. Da ist ein Durchgang zur Kanalisation. Glaube ich. Simon ist da ständig. Wie eine verdammte Kellerratte!« Unwissend wütend stand die Studentin auf und lief auf den Flur. »Sie sind ja auch beide voll die Freaks!« Clary war im Begriff ihr nachzurennen, doch Sebastian hielt sie auf. »Wir haben Wichtigeres zu tun, als verwöhnte Studentenkinder nachzurennen. Sie wird schon noch ihre Quittung dafür bekommen!« Gemeinsam stiegen sie hinunter in den Keller und öffneten das Gitter zur Kanalisation. »Hier sollen sie also langgegangen sein?«, fragte sich Clary, als sie einige Meter durch die stinkenden Röhren gelaufen waren. Sebastian witzelte, während er ihre Hand nahm. »Mich erinnerte es grad an das Mausoleum in Idris, wo ich dich durch die Katakomben getragen und beschützt hatte.« Clary lächelte ihn an. »Ja, da hattest du mich sehr lieb umsorgt. Da hatte es damals so richtig gefunkt bei mir.« »Und direkt danach hätte ich dich durch meine Natur fast verloren.« »Fast!«, antwortete sie und streichelte ihm über die rechte Wange, »aber jetzt sind wir hier zusammen. Ich mit meiner großen Liebe! Auf der Suche nach unserem gemeinsamen Kind.« »Wir werden Bethany finden!«, beteuerte Sebastian ihr aufrichtig und hob sie in seine Arme. Clary wickelte ihre Beine um seine Hüften, während er die Hände unter ihrem Hintern verschränkte. Sie kicherte, als er sie so den ganzen restlichen Weg weitertrug und nur gelegentlich an sie vorbeisah, um nicht zu stolpern. Sie betrachtete seine tiefschwarzen Augen und strich ihm durch sein wundervolles Haar. »Ich glaube, wir sind da!«, sagte er plötzlich und zeigte auf einen Ausgang. Er schickte sich an, sie herunterzulassen. »Moment«, unterbrach sie ihn in seinem Handeln. Sie drückte sich an ihn heran und überraschte ihn mit einem zuckersüßen, langen Zungenkuss. Sebastian erwiderte es und lehnte sie ans Mauerwerk an. Er strich über die weiße FBI-Bluse, die sie noch trug, und knöpfte diese gewaltsam auf. Ein schwarzer Spitzen-BH zeigte sich ihm. So presste er sie noch ein Stück weiter in die Höhe und liebkoste ihr Dekolletee, während Clary erregt aufseufzte. Aber es fühlte sich falsch an, sie dachte an Bethany und ein flehendes Gesicht, das nach ihrer Mama schrie, schob sich vor ihr geistiges Auge. »Ich, ich kann nicht!«, Clary drückte Sebastian von sich. Sofort ließ er von ihr. »Es tut mir leid, es überkam mich einfach.« »Es ist schon gut, ich wollte ja auch. Nur. Bethany ist alleine da draußen. Ich kann da nicht an Vergnügen denken!« »Entschuldige, Liebste! Du hast recht.« Sebastian wollte schon die Kleider zu ihren Rüstungen zurückwandeln, da hielt Clary ihn auf. »Nicht, wir müssen noch eine Weile jetzt auf Erden wandeln. Ohne Aufsehen zu erregen.« So knöpfte sie sich ihre Bluse wieder zu. »Dann hätte ich mir doch einen FBI Wagen klauen sollen«, murmelte Sebastian mürrisch, in sich selbst vertieft. Clary musste trotz allen Sorgen über ihn schmunzeln und gab im einen liebevollen Klaps auf den Hintern. Mit einem frechen Grinsen schloss sie es ab. Nachdem sie aus der Kanalisation heraustraten, standen sie in einer langen Gasse. Sie liefen diese hinunter und an deren Ende fanden sie ein verlassenes Restaurant vor sich, dessen Fensterscheiben zerstört waren. Stirnrunzelnd traten sie näher und rochen das verbrannte Fleisch des Dämonenhundes. »Was im Himmel ist hier geschehen?« Sebastian lief ein paar Seitengassen ab, während Clary das Innere des Restaurants durchforschte. Mit den Fingerspitzen strich sie über den Boden, dort, wo der Dämonenhund einst lag. »Dämonenfleisch«, flüsterte sie zu sich selbst und entdeckte die menschlichen Blutstropfen in unmittelbarer Nähe. Sie folgte dieser Spur, die bis nach draußen verlief und eine Straße hinauf führte. Im gleichen Moment stieß Sebastian wieder zu ihr. »Ich habe etwas entdeckt«, riefen sie sich beide gleichzeitig zu. »Du zuerst!«, antworteten sie, zeitgleich. Clary musste kichern und auch Sebastian konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Danach erhob Clary den Zeigefinger. »Also, da hinten ist eine Blutsspur, die dort entlangläuft. Sie scheint menschlich zu sein. Das Fleisch, das verbrannt wurde, ist das eines Dämons. Wir sollten der Spur nachgehen. Und was hast du gefunden?« Sebastian nickte ernst. »Dort hinten ist eine magische Spur. Die Spur von einem magischen Portal.« »Welcher Wesen?«, hakte Clary nach. Sebastian atmete einmal schwer ein, bis es aus ihm herausbrach. »Die Portalspuren von Schattenjägern.« Kapitel 5: Der Kuss ------------------- Bethany lehnte sich vor. Es fühlte sich richtig an. Sie schloss ihre Augen und träumte von einem unwiderstehlichen Moment. Jace tat es ihr gleich. Die Lider legten sich nieder und sein Herz machte riesige Sprünge. Er streichelte ihre Wange, die so unfassbar weich und sanft war. Er berührte ihre glatten Haare, die wie Seide sich um es einen Finger schmiegten. Das war der Moment, er wusste es. Hier würde er endlich wieder glücklich werden. Plötzlich ertönte das Klirren von Fensterglas. Bethany schreckte auf und rückte von Jace ab. Dieser stand auf und zog voller Wut und innerer Zerbrechlichkeit sein Schwert. Mit der anderen Hand rüttelte er an Simons Schulter. Er rieb seine Augen und gähnte herzhaft. Und übertrieben laut. Bethany eilte zu ihm und hielt ihm den Mund zu. »Schh, wir sind nicht mehr allein.« Simon sah sich und starrte unvermutet auf Jaces Schwert. »Irgendwoher kenne ich das«, murmelte er verschlafen und stand unter Jaces zornigen Blick endlich auf. Dieser öffnete vorsichtig die Zimmertür und trat auf den engen, langgezogenen Flur. Auf Zehenspitzen schlich er vor, da vernahm er einen leichten Windzug. Eine Klinge rasselte auf ihn nieder und Jace hielt sein Schwert dagegen. Dabei verkantete er es und es blieb in der dünnen Wand stecken. Ein weiterer Windstoß erfolgte und Jace wich im letzten Moment aus. Bethany öffnete derweil neugierig die Tür und spürte ebenfalls einen Luftzug. Sofort ließ sie die Tür zufallen. Irgendetwas krachte hinein und plärrte vor Schmerz. Es war ein Mensch dem Klang nach zu urteilen. Aufgeregt riss Bethany die Tür beinahe aus ihrer Halterung und schrie wütend: »Schattenjäger, gottverdammte! Ostende te!« Mit einem Mal endete die Unsichtbarkeitsrune bei allen Nephilim. Simon reagierte mit Erstaunen. »Was bist du bloß? Und woher kannst du so viel Latein?« Jace ignorierte Simons sinnlose Fragen und nutzte die Chance aus, als jeder Schattenjäger überrascht sich und seine Haut ansah. Er riss sein Schwert wieder aus der Flurwand. Zahlreiche morsche Bretter splitterten aus dem veralteten Gebäude heraus. Dann sah er sich jene an, und erkannte eine. »Mia Redhood! Was tut du und die anderen hier?« »Jace, du Verräter!«, erzürnte sie sich und stürzte auf ihn zu. Schnell erhob er sein Schwert und verteidigte sich gegen ihre Dolchhiebe. Er kannte sie aus dem ehemaligen Institut, sie war eine der eher weniger auffälligen Mitglieder. Der Schattenjäger vor Bethany und Simon ergriff wieder die Kampflust und er warf sich gegen sie. Hart schlug sie mit ihrem Hinterkopf auf dem Boden auf, während der Jäger bereits begann, ihre Handgelenke erneut zu fesseln. Da traf ihn ein Stuhlbein und er richtete seine Aufmerksamkeit zu seiner Linken. Simon hatte einen Stuhl erhoben und es ihm gegen den Schädel gedonnert. »Geh runter von ihr!«, rief er aus. Wutschnaubend richtete sich der Nephilim auf, da erst erkannte Simon, dass dieser ein Hüne von über zwei Metern war. Schockiert stolperte Simon einige Schritte zurück und fiel auf das Bett. Der Schattenjäger erhob seine Hand, er hatte sich mit einem Faustring bewaffnet und da dreschte er auf Simon ein. Jener versuchte seine Hände schützend vor seinem Gesicht zu halten. Da erwischte ihn ein Schlag auf sein Ohr. Direkt heulten und schrillten unfassbare Töne in seinem Kopf auf. Weitere Schläge prasselten auf seinen Kopf nieder. Die Haut platzte auf und Blut spritzte in alle Richtungen. Simon war schon längst bewusstlos, doch der Gigant ließ nicht von ihm ab. Bethany rappelte sich allmählich auf, ihr Gehirn dröhnte, so hart hatte es sie getroffen. Sie sah sich um und erschrocken hörte und sah sie die Hiebe, die auf Simon einhämmerten. Trotz der Schmerzen riss sie sich hoch, stürmte Simon zur Hilfe und rammte ihren Dolch in des Schattenjägers Gedärme. Er sah hinunter, verzog die Miene und zog ganz langsam die Messers Schneide aus seinem Bauch. »Mia!«, schrie Jace, »warum jagt ihr sie? Wer gibt euch das Recht dazu?« Mias Wurfmesser flog in seine Richtung, ehe sie antwortete. Jace wich einzig mit dem Oberkörper zur Seite. Schon wie im Institut war er ihr haushoch überlegen, was die Kampftechniken anging. »Maryse will sie entführen! Warum habe ich keine Ahnung. Es ist auch egal! Raziel will sie wohl!« »Raziel handelt nicht mehr in Gottes Auftrag!«, warf Jace wütend ein. »Lügner!«, keifte sie ihn fassungslos an. Sie rannte mit weit über ihrem Kopf erhobenen Dolch auf ihn zu und stieß einen Kampfschrei dabei aus. Hinterrücks näherten sich zwei Schattenjäger, die mit Äxten und Peitschen bewaffnet waren. »Anfänger«, dachte sich Jace, »mit einer Peitsche im engen Gang kämpfen zu wollen.« Die Peitsche schlug schwach in seine Richtung, der Nephilim hatte nicht bedacht, dass er hier nicht weit genug ausholen konnte. Jace schnappte sich das Ende der Peitsche und riss ihn damit zu sich. Die Spitze seines Schwertes durchbohrte den Brustkorb seines Angreifers, daraufhin trat er es mit einem Fuß wieder heraus, so schleuderte ihn gegen den Axtschwinger hinter ihm, der unter jenen begraben wurde. Im gleichen Moment drehte sich Jace um seine eigene Achse und schlug Mias Dolch mit einer Verteidigungsbewegung so hinweg, dass sie dabei das Heft aus den Händen verlor. Die Waffe fiel dumpf auf den Teppich des Hotels. Mia schluckte und blieb verängstigt vor ihm stehen. Sie war ihm nun schutzlos ausgeliefert. »Scher dich zum Teufel!«, schrie er ihr entgegen und machte Platz zur Treppe hin. Eiligst lief sie die Stufen hinab, beachtete ihre Mitstreiter nicht einmal mehr, da hörte Jace Bethany kreischen: »Jace! Hilf mir! Bitte!« Sofort stürmte er los, in das Zimmer und starrte den Hünen an. Hinter diesem lag ein regungsloser, verdroschener Simon, der überall im Gesicht blutete. Er schien zu spät zu kommen für seinen langjährigen Freund. Hinter Jace, aus dem Treppenhaus, erklangen mehrere Schritte. Sie waren deutlich in der Überzahl, das stand für ihn nun fest Er sah hinüber zu Bethany, die ihn fragend anstarrte, daraufhin schloss er die Augen und bekreuzigte sich. Blind packte er ihre Hand, rannte mit ihr im Schlepptau zum Fenster und sprang hinaus. Sie fielen zwei Stockwerke tief, geschickt rollte er sich unten angekommen ab, während Bethany auf ihren Füßen landete, als wäre sie nur über ein dünnes Seil gehüpft. Sofort rappelte er sich auf und hielt ihr die Handfläche hin. »Komm, Bethany!« Sie war sich unsicher. »Wir können Simon doch nicht so zurücklassen!« Jace schrie verzweifelt und wütend: »Wir müssen, ich kann ihn nicht tragen und gleichzeitig uns verteidigen!« Schockiert und verängstigt sah sie ihn an. Sie fragte sich, wieso er nun so in Rage war. Was die Schattenjäger ihm vielleicht über sie erzählt hatten oder weshalb er seinen Freund so hinterging. Jace spürte ihre Angst durch und durch, und obwohl die Schattenjäger vom Fenster wichen und bestimmt schon bald zu ihnen stießen, nahm er sich die Zeit, ging auf sie langsam zu und umfasste beschützend ihre Schultern, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Sie suchen dich im Auftrag Raziels. Ich weiß nicht, wer du bist, aber ich lasse nicht zu, dass dieser gottlose Engel dich kriegt.« »Wieso?«, stammelte sie, »wieso bist du so gut zu mir? Wieso stehst du als Schattenjäger gegen Raziel?« Jace blickte über ihre schmale Schulter hinweg und sah, wie die Nephilim zu ihnen rannten. »Wir müssen weiter, ich erkläre es dir, aber jetzt haben wir keine Zeit!« Zaghaft nickte Bethany, sie wusste, dass er recht hatte. Aber die Fragen schienen unendlich. Gemeinsam liefen sie Hand in Hand davon, verfolgt von gefühlt zwanzig Schattenjägern. Sebastian und Clary folgten der Blutspur. »Wer auch immer das ist, er war verdammt achtlos«, stellte Sebastian es kopfschüttelnd fest. Clary lächelte ihn aufmunternd an. »Immerhin erleichtert es uns so die Verfolgung.« Als sie um eine Straßenecke bogen, hielt Sebastian sie auf und schob sie zurück. »Was? Was hast du gesehen?« Er bückte sich zu ihr und verwandelte ihre Rüstungen zurück. »Schattenjäger. Mindestens fünf. Sie sind uns zuvor gekommen!« »Wo?«, hakte sie fassungslos nach und ging weiter vor, »ich will es sehen.« Sebastian zeigte auf das Dach eines Hotels, auf dem zwei Schattenjäger standen. Auf den Treppen des Eingangs stand ein Schattenjäger-Mädchen. Sie textete irgendwem auf ihrem Smartphone. »Erkennst du einen von ihnen?«, fragte Sebastian Clary und spannte dabei wutschnaubend seine Muskeln an. Clary kniff die Augen zusammen und starrte jeden Einzelnen von ihnen an. »Nein, nicht wirklich. Die auf der Treppe, die habe ich schonmal gesehen. Irgendwann, im Training, in der Eingangshalle? Ach, es ist doch eh egal! Sie jagen unser Kind!« Plötzlich setzte sich Sebastian seine Kapuze auf, da stürmte er schon los und stürzte sich auf die Nephilim. Seine Iris glühte feuerrot und seine Pupillen wirkten wie tiefdunkle Seen. Aus seinem Rücken zog er sein Engelsschwert und jagte es in den ersten Schattenjäger, der ihm auf dem Weg zur Treppe in die Quere kam. Roter Lebenssaft spritzte aus dessen Brust und er fiel wie eine Statue auf den Asphalt. Ein Rauschen der schwarzen Flügel erschallte und Sebastian landete schon auf dem Dach des Hotels. Die Peitsche eines Schattenjägers rasselte auf ihn nieder, doch ihr Schlag endete auf der stählernen Rüstung des Todesengels. Unberührt kreiselte Sebastian sein Schwert um sich und sprang zugleich einige Schritte voraus. Er traf die Schulter und durchtrennte die Muskeln und Sehnen mit jenem Hieb. Ein schmerzverzerrtes Brüllen schallte hinunter bis zu Clary. Sie sah ihm mit großen Augen zu. Einerseits erschreckte sie seine Raserei, andererseits konnte sie ihm das auch nachfühlen. Ihre Familie wurde erneut auseinandergerissen. Gemächlich kam sie aus ihrem Versteck hervor, das Cape tief ins Gesicht hinuntergezogen und die Hand legte sie auf das Heft ihres verzierten Schwertes. Ihre Stiefel klackten hart auf dem Teer und kündete sie ausreichend an, denn Mia erzitterte auf der Treppe und trat ängstlich zurück. Sie suchte einen Ausweg, sie besah sich ihre nähere Umgebung, doch nichts schien geeignet zu sein. Clary zog ohne jede Eile ihr langes Schwert aus der Hüfte und streckte es mit der rechten Hand weit von sich aus. Die Schwertspitze schwebte wenige Zentimeter über dem Boden und glitzerte im Mondschein leuchtend auf. »Ich, ich habe ihnen nichts getan«, stotterte Mia und rannte die Treppenstufen hoch. Sie lief zu dem Hünen ins Zimmer und schob ihn vor sich. Voller Ruhe folgte Clary ihr und öffnete die Tür. Sie sah sich um, da entdeckte sie einen Verletzten und erkannte Simon sofort darin. »Wer war das?«, schrie sie bitterlich, »wer hat ihn so zugerichtet?« Der riesenhafte Schattenjäger zog seinen Säbel und stellte sich ihr kampfbereit entgegen. Schweiß perlte von seiner Stirn und mit einem Flüstern erwiderte er: »Ich.« Clarys Kapuze fiel zurück und ihre rote Haare loderten wie Flammen auf, ein heller Schein umgab sie und ihr Schwert. Mit beiden Händen packte sie es und schlug es in seiner Richtung. Er hielt mit seiner Klinge dagegen und doch zersplitterte sie in Tausend Scherben. Sogleich packe sie ihn am Kragen und unter einem angsterfüllten Kreischen verbrannte sein Körper in einem hellweißen Licht. Mia kauerte sich in die linke, hintere Ecke des Raumes und zog die Beine an sich heran. Sie kannte die Geschichten der Todesengel. Sie wollte ihnen nicht glauben, sie hielt es für übertrieben, aber jetzt sah sie es mit ihren eigenen Augen. Clary trat auf sie zu und sah von oben auf ihr herab. »Erzähl! Wo ist meine Tochter!« »Sie, sie, sie ist geflohen!«, stotterte Mia und erhob flehend ihre Hände, wie zu einem Gebet. »Wohin?«, Clarys Stimme war seltsamerweise voller Ruhe. »Ich, ich weiß es nicht. Ich sollte hier bleiben. So war es befohlen!« Clary trat mit ihrem Stiefel gegen ihr Schienbein und Mia verzog schmerzverzerrt ihr Gesicht. »Wer hat es dir befohlen?« »Ma, Maryse, sie will Bethany entführen. Für Raziel!« Clary konnte es kaum glauben, sie hatte doch den Engel sterben sehen. Wie konnte es nur sein, dass er noch lebte? Wutentbrannt rasselte sie ihre Klinge nieder und köpfte Mia. Sofort darauf eilte sie hinüber zu Simon, steckte ihr Schwert wieder ein und strich ihm sorgsam über sein Gesicht. Ein leises Röcheln vernahm sie nun und sofort hob sie ihn in ihre Arme. Just in dem Moment trat Sebastian durch die Tür und überblickte die Szenerie, die vor ihm lag.«Was ist geschehen?« »Er wird sterben, wenn ich ihn nicht in ein Krankenhaus bringe. Maryse ist unser Feind, angeblich arbeitet sie im Auftrag Raziels. Kümmer du dich um die Schattenjäger, finde heraus, was geschehen ist!« »Ist gut, sorge für Simon, und versuch du durch ihn herauszufinden, was los ist.« Sebastian wusste, was sie vorhatte und er verstand, dass diese Rollenaufteilung die bessere Wahl war. Er hätte nicht die Geduld für Simon aufbringen können. Sofort flog Clary los, in ihren Armen trug sie den schwerverletzten Simon. Sebastian sah ihr nach und flüsterte: »Wir werden Bethany finden, meine Liebste. Und jeder, der mir dabei im Weg steht, wird nicht um Gnade winseln können!« So drehte er sich um und überblickte die toten Schattenjäger. Mit einem beinahe diabolischen Lächeln. Kapitel 6: Abgrund ------------------ Sanft wog Clary Simon in ihren Armen. Ihr Federkleid erzeugte einen kaum merklichen Luftzug. Würde man die Augen geschlossen halten, so hätte man nicht geglaubt gerade zu fliegen. Simons Augen öffneten sich. Jedoch, er erlebte es wie in einem Traum, fernab von jedweder Realität. »Es kann nicht wahr sein, das kann einfach nicht sein, nein nicht wirklich«, murmelte er unentwegt vor sich hin. Clary bettete seinen Kopf in ihrer Armbeuge, fast wie bei einem Kind. So empfand sie auch gegenüber Simon, ihrem besten Freund seit frühester Kindheit und sie fühlte sich schuldig. Benommen sah er sie an und sagte: »Du bist wunderschön, wer bist du?« Eine einzelne Träne kullerte ihr herunter. Von all den Geschehnissen um ihren ehemaligen Freunden herum, schmerzte dies am meisten. Ihre Flügel fegten die dunkle Wolkendecke, die über New York hing, fort. Tief unter ihnen erstrahlten die Lichter der Stadt wie ein Meer aus Kerzen. »Wundervoll, ich bin Iron Man«, flüsterte Simon. Er brachte sie zum Lachen, ganz wie früher. »Wir sind gleich da!«, antwortete sie ihm aber nur, »du hast es gleich überstanden.« »Wache ich dann auf? Hast du dann keine Flügel mehr?« Sie verzog einen Mundwinkel und seufzte leise. »Wüsstest du nur«, dachte sie sich und biss sich auf die Zunge. Es lag nicht in ihrem Ermessen, wie sie über ihn zu entscheiden hatte. So sah sie hinunter und landete auf dem Dach eines Krankenhauses. Genauer gesagt auf dem Landeplatz des Hubschraubers. Eine Krankenschwester stand dort und neben ihr war eine Liege, als würde sie schon lange bereitstehen. Die Schwester schaute unverwandt auf Clary, die sie kaum beachtete, sondern einzig Simon in aller Seelenruhe auf die Trage bettete. Die junge Frau hingegen hielt schockiert die Hand vor ihrem Mund, als sie Simons Verletzungen in Augenschein nahm. Merkwürdigerweise schien sie Clarys Flügel keine Beachtung zu schenken. »Was ist geschehen, Herrin Clary?«, fragte sie. »Schattenjäger haben ihn so zugerichtet. Ich vermute, es sind Rebellen.« Die Krankenschwester nickte, »wo ist Sebastian?« Plötzlich unterbrach sie Simon, »Clary und Sebastian? Irgendwoher kenne ich diese Namen. Und irgendwo habe ich dein Gesicht schon mal gesehen, meine Retterin. Spielst du in Supernatural mit?« Clary trat auf ihn zu, jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen, ihn zu fragen, da fiel er mit seinem Kopf zurück und seine Augen rollten zur Seite. »Verdammt«, rief die Krankenschwester auf und zückte ihr Walkie-Talkie, »ich habe hier einen Notfall. Auf dem Helideck! Bitte um sofortige Unterstützung, Kammerflimmern!« Mit beiden Händen massierte sie Simons Brust, da ertönten aus der Ferne schon zahlreiche menschliche Stimmen. »Geht, Herrin! Er wird es überleben. Versprochen!« Clarys Augen waren weit aufgerissen. Sie zitterte am ganzen Körper. Aber sie hörte auf die junge Frau und sprang hoch und weit in die Luft. Gekonnt setzte sie sich vom Gebäude ab und blickte nur kurz einmal zurück. Ärzte legten ihm gerade eine Beatmungsmaske an. Weinend flog sie fort. Es war zu viel für sie. Erst verlor sie ihre Tochter, dann womöglich noch ihren besten Freund. Schlimmer konnte es aus ihrer Sicht nicht mehr werden. »Jace!«, rief Bethany und zeigte auf eine Disco, die zu ihrer Linken am Ende der Straße erschien. Er stimmte mit einem Kopfnicken zu und gemeinsam liefen sie hinüber und reihten sich in die kurze Warteschlange ein. Jace zog sie an sich heran und tuschelte: »Lass so tun, als wären wir ein Pärchen, damit wir nicht auffallen.« Bethany kuschelte sich in seinen Arm nur allzu gerne ein und genoss die Wärme, die sein Körper ausstrahlte. »Warum sehen dich eigentlich die Menschen? Irgendetwas ist anders bei dir als bei den anderen Schattenjägern. Was?« Doch Jace rückte mit ihr einfach vor und ein breitgebauter Türsteher musterte ihre Kleidung. Hier und da klebte Blut an ihren Kleidern, ganz zu schweigen von Bethanys Stiefeln, die ihr gar nicht standen. Jace lehnte sich vor und drückte ihm einen 100 Dollar Schein in die Hand. Der Mann grinste und öffnete die Tür für sie. »Sünder«, flüsterte Bethany, aber nur so laut, dass es Jace mitbekam. »Der Zweck heiligt die Mittel, Kleine!« Bethany empfand es trotzdem nicht als rechtens, allerdings war sie nicht in der Lage irgendetwas auszurichten, das war ihr bewusst. Also nahm sie es schweren Herzens hin und lief rot an. Das hingegen konnte keiner sehen. Das Discolicht flackerte mit zahlreichen Lichtern und ein Stroboskop verstreute ein Lichtgewitter durch die tanzwütige Masse. Bethany besah sich diese übergroße Halle mit Staunen. Sie hatte so etwas zuvor noch nie erlebt und lief fasziniert durch die Menschenmenge. Der Geruch von Parfüm, Schweiß und Endorphine benetzte ihre Sinne. Der Rhythmus steckte sie an, und während sie Jace in der Menge vorauslief, schwang sie ihre Hüften im Takt. Verwundert lief er ihr hinterher. Trotz den Gefahren verblieb sie wundervoll optimistisch. Es war lange her, dass er solch ein positiv eingestelltes Wesen getroffen hatte. Und Jace blieb mit seinen Augen auf ihrem Körper haften. Er stellte für sich fest, dass ihre Rundungen ihrem Körper schmeichelte. Ihm gefiel ihr Anblick zusehends.Bethany spürte, dass sie beobachtet wurde, und drehte sich geschwind um. Jaces unabsichtliche Mimik reichte ihr aus und schlagartig grinste sie ihn an. Mit einem übertriebenen Hüftschwung kehrte sie zu ihm zurück und legte ihre Arme um seinen Rücken. Sogleich wippte sie gefühlvoll im Klang der Musik. Jace flüsterte besorgt: »Was tust du?« Bethany antwortete nicht, doch ihre Augen verrieten ihm mehr als alles andere. Merkwürdigerweise war ihm die ganze Situation unwohl. Wenngleich es nicht ihre Jugend war, die ihn bekümmerte. Es war etwas anderes, etwas, was er nicht erfassen konnte. Und gleichzeitig erfreute ihn jeder ihrer Berührungen. Sanft nahm er sie in den Arm und passte sich ihren Bewegungen an. Er strich ihr durch die hellblonden Haare und hielt sie am Hinterkopf fest. Ihre Wimpern verzauberten ihn und in ihm steigerte sich das Verlangen sie zu küssen. Bethany starrte in seine goldenen Augen, sie hatte noch nie so etwas Wundervolles gesehen außer bei ihr selbst. So fühlte sie sich bei ihm beschützt, verbunden und umsorgt vor den Gefahren dieser Welt. Langsam streckte sie sich hinauf zu ihm, gleichzeitig hob er sie an ihrem kleinen und straffen Po ein wenig an. Er beugte sich hinunter und sie presste ihre Lippen auf seinen Mund. Sie schmeckte süß und zart wie eine Praline. Doch irgendetwas fühlte sich nicht richtig für ihn an. Vielleicht war es die ewige Einsamkeit, dachte er sich. Da stieß sie ihn plötzlich von sich weg, stolperte ein paar Schritte zurück und rannte fort. »Beth!«, rief er ihr erschrocken hinterher, da tauchte sie schon in der Menge unter. Sie lief auf das Damenklo und schloss sich in eine der Toilettenkabinen ein. Dann brabbelte sie los und begann zu weinen. »Es fühlte sich nicht richtig an! Ganz und gar nicht. Aber er ist doch derjenige! Lag ich ganz falsch? Aber ich liebe ihn. Ist es denn Liebe? Mama hat immer gesagt, dass sie bei Vater sich wohlfühlt, dass sie ein Kribbeln verspürt. Das spüre ich doch auch. Wo ist der Unterschied?« Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und raufte sich danach durch ihren Haarschopf. »Ich bin wohl einfach noch zu jung. Das wird es sein!«, sie schüttelte über sich selbst den Kopf, »das ist so peinlich. Wie soll ich ihm denn jetzt begegnen?« Vorsichtig trat sie aus der Kabine wieder heraus und spülte sich die Tränen aus dem Gesicht. Behutsam tupfte sie sich die Augen mit den Fingerkuppen ab, dabei wurde sie von einer jungen Frau beobachtet. »Lass mich raten, ein Kerl?«, fragte sie Bethany, während sie im Spiegel ihren Lippenstift nachzog. Bethany nickte, »Ja, aber es ist kompliziert.« »Mädchen, Jungs sind immer kompliziert«, sie hielt ihr ein Taschentuch hin, »aber ist er es denn wert um ihn zu weinen?« Bethany nickte erneut, nahm dankend das Tuch und versuchte sich in einem Lächeln, was ihr nur halbwegs gelang. Die Frau lächelte sie an, »dann wird bestimmt alles sich zum Guten wenden.« »Danke, das ist lieb«, reagierte Bethany und war ein wenig zuversichtlicher gestimmt. Jene drehte ihren Lippenstift wieder zurück, setzte die Kappe auf und warf ihn in ihre Handtasche. »Gut, ich gehe dann mal, meine gute Tat ist für heute getan!«, sie lachte kurz auf, öffnete die Tür und vor ihr stand eine kahlrasierte Frau, die ein enges, rotes Spitzenkleid trug. Sie passierte sie abfällig musternd und kehrte zurück zu ihren Freunden, die ganz in der Nähe wohl ihr Sektglas hielten. Die Frau mit der Glatze schloss die Tür hinter sich und mit scharfen Krallen riss sie den Türgriff hinaus. Sie zwinkerte mehrmals und sprach schließlich Bethany an. »Du bist also Clarys und Sebastians Tochter. Es freut mich, dass du noch am Leben bist. Guten Tag, Bethany!« Bethany wandte sich nervös zu ihr und fragte: »Guten Tag, und wer bist du?« Die Frau grinste sie diabolisch an: »Ich bin Meredith!« Sebastian ballte die Fäuste, als Clary verschwunden war. Wutschnaubend durchsuchte er jeden Winkel des Hotels, Tür für Tür schwang er brachial auf, so dass sie gegen die Innenwände donnerten. Da entdeckte er eine verschlossene Tür. »Kommt rahaus!«, brüllte er mit einem bösartigen Lachen dahinter. Nur Stille antwortete ihm jedoch. Mit seinen eisenbehafteten Stiefeln trat er die Tür aus ihren Angeln und scheppernd fiel sie zu Boden. Zwei Schattenjäger befanden sich im Raum, der Dritte sprang gerade aus dem Fenster heraus. Eine Maskierte sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, als würde sein Antlitz sie erstaunen. »Du Mörder!«, schrie sie, umfasste ihren Säbel und stürmte auf ihn zu. Sie schlug mit der Klinge in seine Richtung und Sebastian hielt einzig seinen eisernen Armschutz als Abwehr hoch. Metall traf auf Metall. Wütend riss sie ihre Maske herunter und stemmte sich gegen ihn. »Aline Penhallow, welch freudige Überraschung«, lachte Sebastian höhnisch auf und schob sie mit einer unmenschlichen Kraft von sich. Sie fiel Rücklinks zu Boden und stützte sich sofort auf, doch da hielt er sein Engelsschwert bereits unter ihre Kehle. Feuer brannte in seinen Augen, das Feuer der Vergeltung, der Rache und aber auch einer irrsinnigen Freude. Der Mann hinter ihnen stand still, er wusste schlichtweg nicht, wie er sich verhalten sollte, denn ihm war durchaus bewusst, dass sie ihm nun unterlegen waren. »Nur zu, komm her und ich blute sie direkt aus!«, feixte Sebastian mit einer unheimlichen Partitur. »Du hast dich kein bisschen verändert!«, presste Aline zwischen ihren Lippen hervor. Voller Tobsucht starrte er sie an. »Nein? Das habe ich wohl!« Er warf seine Klinge auf den Boden und packte sie am Hals. So riss er sie hoch und mit Raserei in der Stimme sagte er: »Sieh mir in die Augen!« Im nächsten Moment drückte Sebastian fester zu, Aline keuchte und schlug gegen seine Rüstung. Der andere Schattenjäger sah zu ihm hin, schaute hinüber zu Sebastians Schwert und ergriff es. »Eret ignis!«, rief Sebastian lachend aus, Feuer entbrannte der Engelswaffe und ging auf den Mann über, der lichterloh zu brennen begann. Er kreischte und versuchte das Feuer abzuschütteln. Doch es war zu spät. Mit einem letzten Ächzen fiel er tot hinab. Aline verließen die Kräfte und langsam ließen ihre Hände von seinem Handgelenk los. Schlaff fielen sie hinunter und wenige Sekunden danach schlug auch ihr Herz nicht mehr. Wie Abfall warf er sie in eine Ecke, hob sein Schwert auf und trat an den Fenstersims. In weiter Ferne sah er, wie unten auf der Straße drei weitere Schattenjäger liefen. Zähnefletschend stieß er sich von der Hotelwand ab, schwang sich hoch in die Lüfte und stürzte wie ein Greifvogel auf den Anführer hinab. »Ich schicke euch in die Hölle!«, spuckte Sebastian wie Gift und Galle und riss den Kopf der Schattenjäger über seine Schulter zu seinen Füßen. Dabei fiel seine Kapuze zurück und seine Pupillen waren vor Raserei geweitet. Mit beiden Händen griff er das Schwert, drehte es und stach es in die Brust des Mannes. Blutspuckend verzerrte dieser sein Gesicht vor Schmerzen. Die Übrigen sahen Sebastian ängstlich an, sie alle waren ihm zuvor schon begegnet, als sie die Hallen des Mausoleums erstürmt hatten. Jetzt erkannten sie aber erst das Ausmaß seiner Gewaltbereitschaft und die übermenschliche Stärke, die ihm geschenkt wurde. »Gott, steh uns bei!«, flüsterte einer und bekreuzigte sich. Sebastian brüllte voller Wut auf und zerrte sein Schwert aus dem Sterbenden heraus. »Gott? Ihr seid doch diejenigen, die unschuldige Kinder in die Hölle schicken! Ihr habt mich verbannt. Mein Vater war Teil von euch. Und ihr habt sein Kind einfach direkt weiter verurteilt! Obwohl ich nichts dafür konnte, was er aus mir gemacht hatte!« Die Schattenjäger erhoben verteidigend die Hände. »Wir können auch nichts dafür!«, flehte einer. Sebastian neigte die Stirn hinab und starrte sie durchdringend an. Mit einer eiskalten und gereizten Färbung erwiderte er: »Und nun wollt ihr mein einziges Kind stehlen! Ihr wollt erneut meine Familie auseinanderreißen! Aber ich werde nie wieder hinabsteigen in die Hölle! Ihr jedoch! Einer nach dem anderen.« Er setzte sich seine Kapuze wieder auf und verschwand in die Dunkelheit. Er ließ das Schwert über den Boden kratzen, während er gemächlich auf sie zuging. Der erste fiel auf seine Knie und bettelte mit gefalteten Händen. »Es war doch nur ein Befehl! Bitte vergib uns!« »Nur einer gab euch noch einen Befehl. Erzengel Michael. Ihr wurdet verbannt! Und was tut ihr? Ihr rebelliert! Gegen die Engel!« Schweigen schlug ihm entgegen. »Das habe ich mir gedacht!«, merkte er an, »so büßt nun für eure Sünden! Endlich!« Er schwang sein Schwert hoch in die Luft und ließ es mit einem Brüllen hinunterfallen. Da traf es klirrend auf eine engelsgleiche Schwertseite. Vor ihm stand Clary, die ihm die Stirn bot. »Sebastian, beruhige dich!« »Wieso verteidigst du sie? Sie haben uns angegriffen, Bethany ist seitdem verschwunden!« »Ich weiß!«, zischte sie ihm entgegen, »aber wir handeln nicht aus Rache! Wir befragen sie. Das wäre zumindest klüger gewesen, als sie wahllos abzuschlachten. Oder weißt du nun, wo sich unsere Tochter befindet?« Sebastian schluckte seine Raserei hinunter, als er Clarys wütenden Blick voller Tränen erkannte. Langsam senkte er sein Schwert und ließ es klirrend zu Boden fallen. Mit beiden Händen setzte er seine Kapuze ab und Trauer umspielte seine Lippen. Der knieende Schattenjäger seufzte erleichtert auf. Da riss Clary herum und hielt ihm ihre Schneide an die Halsschlagader. Tonlos sprach sie ihn an: »Glaube ja nicht, dass du nun sicher bist. Wage es ja nicht zu flüchten!« Sie erhob ihren Kopf und schüttelte diesen kurz in Richtung des anderen Jägers, als Zeichen bloß nicht auf dumme Gedanken zu kommen. »Also?«, setzte sie an, »was wisst ihr?« Der Vordere, an dessen Kehle sie sich zu schaffen machte, räusperte sich: »Maryse will sich mit eure Tochter ihre Freiheit erkaufen! Sie schickt uns!« »Wo ist sie?«, hakte sie nach. »In Idris natürlich!« Clary nickte Sebastian zu, der stillschweigend seine Waffe wieder aufnahm und ihrem Blick bewusst auswich. So trat sie an ihn heran und ergriff seine Hand. Sie flüsterte ihm sanft zu: »Ich habe dich länger beobachtet. Erzähl mir bitte nachher, was damals in der Hölle geschehen war. Ich denke, die Zeit ist nun reif dafür!« »Nein, das kann ich nicht«, wich er ihr aus. Ihre Stimme zitterte: »Ich flehe dich an, bitte! Vertrau mir!« Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und sah sie eindringlich an. »Genau deswegen kann ich es dir nicht sagen. Weil ich dich beschützen will davor. Weil ich euch beide einfach davor beschützen will!« So ging er hinüber zum anderen Schattenjäger, und bevor dieser oder Clary etwas sagen konnte, rammte er ihm sein Schwert in die Brust. Clary schluckte, sie spürte in jeder Faser ihres Körpers, wie sie ihn in jenem Moment kurz an die Hölle wieder verloren hatte. Doch Sebastian reagierte einzig mit schonungsloser Stimme an den knieenden Jäger gewandt: »Du siehst, du bist jetzt der Letzte hier auf Erden! Wenn du überleben willst und nicht in der Hölle schmoren willst, dann führe uns zu Maryse!« Kapitel 7: eine alte Freundin ----------------------------- Sebastian schwenkte sein Schwert mehrmals durch die Luft, damit die zahlreichen frischen Blutstropfen hinabfielen. Clary sah ihn hilflos an, als er seine tiefdunkle Augen nicht verlor. Es war eine Zeit her gewesen, dass sie ihn auf solch einer Weise begegnet war. Damals waren sie noch tief verfeindet, er war der mordende sogenannte Bruder, der Max auf dem Gewissen hatte und kaum Reue zeigte. Er war derjenige, der Jace am Liebsten mit einem Messer hinterrücks erdolcht hätte. Und genau dieser gemeingefährliche Sebastian wurde nun durch ihren Kindsverlust hervorgerufen. »Clary?«, rief er ihr dunkel zu, »was ist los? Mach doch endlich das Portal!« Sie erwachte aus ihren Gedankengängen und zuckte merklich unter seinen Worten zusammen. »Ja, sorry, ich war in Gedanken!«, antwortete sie bissig, andererseits bemerkte er ihre Verzweiflung und Wut darin mehr schlecht als recht. Allerdings ging sie erstmal nicht weiter darauf ein, dass er ihr nicht die gebührende Beachtung schenkte, und nahm stattdessen folgsam ihre Hand hoch. Ohne besondere Anstrengung entfachte sie eine Portalrune. Der Schattenjäger, der gefesselt vor ihnen stand, traute seinen Augen kaum. Mit einem hellen Lichtblitz erschuf jene Rune einen wabernden Tunnel nach Alicante, direkt ins Herz der verbannten Nephilim. »Wo kommen wir aus?«, hakte Sebastian nach und fletschte mordlüstern die Zähne. Das war Clary nun doch zuviel. Sie ging zu ihm hinüber und zog ihn beiseite. Aus der Hörreichweite des Gefangenen. Mit nachdrücklichem Flüstern ermahnte sie ihn. »Sebastian, komm endlich zur Vernunft! Die meisten Nephilim werden nicht von diesem Aufstand wissen. Oder zumindest können wir das Gegenteilige nicht vermuten. Und wir müssen herausfinden, was nun hier gespielt wird. Das erreichen wir nicht mit endlosem Blutvergießen!« »Lass das lieber meine Sorge sein, ich weiß, wie ich meine Familie zu beschützen habe!«, schnauzte er sie wütend an. »Jonathan!«, rief Clary wutschnaubend, nun hörbar selbst für den Schattenjäger, »wenn du keine Gerechtigkeit heute walten lassen kannst, dann siehst du mich nie wieder!« Sebastian zuckte zusammen. Er wusste, wenn sie ihn bei diesem Namen nannte, dann war er auf einem sehr gefährlichen Pfad, was ihre Liebe anging. Gleichzeitig jedoch wütete er zornig dagegen. Sofort trat er auf sie zu und wollte loslegen, doch endlich erkannte er an ihrem bittenden Blick, die Angst und Verzweiflung die sie in sich trug. Unmerklich nickte er ihr zu und ergriff ihre geballten Hände. Er umschloss sie mit seinen Fingern, die unnachgiebig zu sein schienen. »Du hast zwar recht, aber sie jagen unser Kind. Ich werde mir alle Versionen anhören, aber wenn sie nur einen Zweifel bei dir aufkommen lassen werden, so werde ich ihnen ein Ende setzen.« »Bei mir?« »Ja, ich vertraue deinem Urteil.« »Und wer bist du, Meredith?«, fragte der kleine Todesengel zitternd. »Sag bloß dein Vater hat mich nie erwähnt? Welch ein Jammer, welch eine Enttäuschung!« Sie trat mit einer verletzten Miene einen Schritt auf Bethany zu, die jedoch nicht von ihrer Stelle wich. »Du bist ein starkes Mädchen«, lachte Meredith und zeigte damit ihre haifischartigen Zähne in ihrem Mund. Drei Reihen von dreieckigen, gezackten Beißern ragten hinter ihren dünnen Menschenlippen hervor. »Und du ein Dämonenfürst, wie ich sehe!«, Bethanys Atem stand still und sie pustete ängstlich die restliche Luft mit einem Mal aus ihrer Kehle heraus, »was willst du von mir?« »Ich? Ich will gar nichts, aber mein Meister verlangt nach dir. Oder nach euch besser gesagt. Du und dein Aufpasser!«, krächzte Meredith mit einer merkwürdigen Tonart, die deutlich unmenschlich erklang. Im nächsten Moment zersprangen die Glühbirnen in der Decke und nur das feine Licht, was Bethany für sich ausstrahlte, versuchte krampfhaft gegen die Finsternis anzukommen. Lange Schatten streckten sich von der ehemaligen Hexe aus und schwarze Federn wuchsen aus ihrem Körper. Ihre schwarzen Pumps platzten und wülstige Krähenfüße krallten sich am Marmor des Badezimmers fest. Ihr Gekrächze tobte, als sie um mehrfache Meter heranwuchs. Jace durchsuchte die Disco, jeder letzte Winkel durchforstete er nach ihrem Verbleib und schiere Panik war in sein Gesicht geschrieben. Er schob die tänzelnden Menschen, die ihm sein Durchkommen erschwerten, genervt immer wieder beiseite. »Jace!«, rief plötzlich jemand hinter ihm und er wandte sich vorsichtig um. Er kannte diese Stimme nur allzugut. »Du hast mich im Stich gelassen!« Alec stand aufrecht mit Pfeil und Bogen bewaffnet einige Meter vor ihm. Seine schwarzen Augenbrauen zogen sich missgünstig zusammen und seine Oberlippe zuckte vor Wut. Er legte den Pfeil an die Sehne an und spannte den Bogen. Jace traute kaum seinen Augen, da ließ Alec mit einem Zischen die Sehne los und der Pfeil steckte im nächsten Augenblick in Jace linker Schulter. Schmerz durchzog seinen Körper. Mit Mühe und Kraft riss er die Spitze aus seinem Fleisch und zerbrach den Holzschaft entzwei. »Du bist nicht Alec, du hast mit der falschen Hand gezielt.« Die Augen des Alecs zwinkerten wie ein Chamäleon und mit einem vergnügten Zucken warf er seine Waffe fort. »Der Meister hatte recht, du bist mir ein ebenbürtiger Gegner!« Sogleich stürmte er vorwärts und klappte seinen Mund tief hinunter. Die gleichen reißartigen Zähne, die Meredith besaß, kamen zum Vorschein und mit einem beherzten Biss versuchte er, Jace zu erreichen. Jener zog sein Schwert und hielt es abwehrend vor sich. Die Beißer des Dämons klirrten auf dem Metall. Mit verdrehten Pupillen gluckste er. »Wir wollen den Engel!« »Welcher Engel? Wovon sprichst du?« Jace holte weit aus und setzte dem Dämon nach, der wie ein Grashalm im Winde sich zur Seite bog. Jener kicherte auf und zog seine beiden Zeigefinger von außen nach innen zusammen. Zwei rasende Dämonenhunde sprangen aus diesen Richtungen auf Jace zu. Sofort hüpfte er hoch und weit in einem Salto zurück und rollte sich ab, ehe er kampfbereit auf einem Knie landete. Er war recht froh, dass die Mundis von alldem nichts mitbekamen. Wie ein Wirbelwind kreiselte er mit dem Schwert in der Hand hinauf. Alls sie wieder nach ihm fassten schnitt er mit einem Mal ihre Kehlen auf. Die Engelsrunen der Waffe blitzten auf und mit ihrem Licht verbrannten die Körper der vierbeinigen Monster. Jace landete auf seine Füßen, während die Ungetüme leblos hinunterfielen. Triumphierend zogen sich seine Mundwinkel hoch, da ergriff ihn ein langer schwarzer Arm und schleuderte ihn zurück zu seinen Füßen. Der Alec-Dämon kicherte, feixte und stellte sich breitbeinig über den ehemaligen Schattenjäger. Mit seiner normal wirkenden Hand packte er Jace am Kragen. »Sei froh, dass dich der Meister lebend haben will«, flüsterte er und schlug Jace krachend zu Boden. Dicht an dicht senkte er sein Haupt hinab und starrte in Jace güldene Augen, die er missbilligend anstarrte. »Vielleicht erinnerst du dich nicht mehr, aber damals als dir Clary begegnen war, damals in der Disco, als ihr euch noch nicht kanntet, da hast du mich versucht zu erdolchen. Ich wurde zurückgeworfen in den Schlund der Hölle. Aber nun stehe ich hier. In ganzer schwarzer Blüte.« Krallenbewehrte Fäuste trommelten auf Jace ein, der sich kaum mehr wehren konnte. Seine letzter Widerstand war gebrochen, die Schmerzen wuchsen ins Unermessliche, jedoch, sein einziger Gedanke galt, Bethany. Zahlreiche kleine rabenähnliche Teufel sausten aus Meredith Federkleid auf Bethany zu. Das Mädchen kreischte vor Angst und Panik. Sie versuchte vergebens sich aufzubäumen. Stattdessen fiel sie zu Boden. Mit letzter Kraft zeigte sie ihre Flügel und schlug mit ihnen leuchtend auf. Die fliegenden Bestien zirpten und zischten. Doch dann schrie Bethany vor Schmerz auf. Die Vogelwesen rissen Löcher in ihre Schwingen, ihre Schnäbel pickten auf ihre schöne Federn und bissen mit rasiermesserscharfen Zähnen hindurch. Sofort versteckte sie ihre Engelsflügel wieder, doch diese letzte magische Kraft kostete sie viel. Erschöpft kippte sie um und ihre Augenlider fielen hinab. Meredith trat an sie heran, wie eine bildgewaltige Harpije stand sie über ihr und krächzte: »Schlaf gut, meine Kleine, bald wirst du bei meinem Meister sein!« Die Badtür wurde aus ihrer Verankerung gehoben und weggerissen. Am Unterschenkel festgehalten schliff der Alec-Dämon Jace hinter sich her. »Ich habe ihn, er war ein würdiger Gegner!« Meredith sah über ihre Schulter und zeigte eine lachende Fratze. »Dann lass uns sie auf die Straße bringen. Hier drin können wir kein Höllentor errichten. Hier sind zu viele Menschen, das würde Aufmerksamkeit erregen.« »So sei es, meine Herrin!«, er verneigte sich vor ihr, nahm Bethany auf seinen freien Arm und lief hinaus, Jace weiterhin hinterherziehend. Auf der dunklen Straße drapierte er beide zurecht und Meredith erschuf mit ihren magischen Fähigkeiten ein Portal. Feuer stieß aus diesem heraus und wurde von ihrer gespreizten Fingern wieder zurückgedrängt. Da blickte sie hinauf und schrie keifend. »Wir haben Besuch! Hilf uns! Bitte!« Uriel landete und stürmte zu Bethany und Jace. Als Jace ohnmächtig geworden war, verlor er seinen Schutzzauber, und so konnte Uriel endlich seine »Nichte« wieder orten. Er beugte sich zu ihr hinunter, da traf ihn ein gewaltiger geschuppter Schwanz. Er schleuderte gegen eine nahe Hauswand und seine engels-ritterliche Rüstung färbte sich blutrot. »Lilith!«, stieß er keuchend hervor, rollte sich unter Schmerzen unter den dunklen Schemen hinweg und nahm Jace das Schwert mit Mühe ab. Ein zweiter Schlag traf seinen Rücken, als er gerade wieder versuchte aufzustehen. Einige Meter rutschte er bäuchlings über den Asphalt und hinterließ eine dunkelrote Spur hinter sich. Ein fürchterliches, geflügeltes und gehörntes Wesen mit finsteren Augen und Dunkelheit in der ledrigen Haut stolzierte aus dem Höllenportal heraus. »Schwester! Lillith! Bitte!«, flehte er erneut und bäumte sich mit letzter Kraft auf. Er blickte zurück und in seiner Iris spiegelte das blanke Entsetzen. Ihr Brustkorb wuchs ins Unermessliche, darunter lodernden Feuerzungen, die nach Uriel griffen. Theatralisch breitete sie ihre feingliedrigen Arme aus und richtete ihren wunderschönen Kopf gen Himmel. Die gleichen haifischartigen Zähne, die Meredith trug, bleckte sie mit einer schlangenartigen Zunge, so dass sie im Mondschein glitzerten. Sie riss ihren Mund weit auf und das Höllenfeuer hauchte sie hinaus. In allerletzter Sekunde sprang Uriel hinauf, Feuer brodelte unter ihm und folgte hoch bis in die Wolken. Haarscharf entkam Uriel dieser Hölle auf Erden. »Wessen Familie gehörst du eigentlich an?«, fragte Clary, als sie sich zum Schattenjäger hinunterbeugte. »Geht euch nichts an, ihr berüchtigten Morgensterns! Euren Vaters Kinder!« »Wir sind keine Morgensterns, wir sind nicht einmal verwandt! Du und deinesgleichen sind die falschen Schlangen! Seit jeher!« Sebastian spuckte ihm ins Gesicht, ließ seine recht Hand aufflammen und legte sie auf den Oberschenkel des Mannes. »Spür die Qualen, die ich auch erleiden musste! Von meinem sogenannten Vater, von der Hölle, in die ich geschickt wurde! Spüre sie!« Sebastians Lachen wirkte geplagt, heimgesucht von alten Erinnerungen. Der junge Schattenjäger riss die Augen auf und sein Leid stieg ins Unermessliche. Schlussendlich sackte er ohnmächtig in sich zusammen. Sebastian keuchte auf vor Genugtuung und setzte sich auf die Straße. Das lodernde Feuer erlosch. Er vergrub sein Gesicht in seine Hände, während Clary sich nachdenklich zu ihm begab. »Erzähl mir, was war damals geschehen?«, wisperte sie ihm zu, auch wenn nun niemand sie eigentlich belauschen konnte. Sebastian schüttelte vehement den Kopf, nahm die Hände herunter und blickte sie an. »Clary, Liebste, ich kann das nicht tun. Es würde dich nur quälen. Ich möchte dich davor nur verschonen. Bitte.« Ihr wurde erneut bewusst, dass er all seine Gefühle geopfert hatte, um zu überleben, und dass erst sie und später Bethany ihm Teile seiner Seele zurückgegeben hatten. Sorgsam strich sie ihm über die Wange und zog seinen Kopf auf ihre Brust. »Es wird alles gut. Es wird alles wieder gut.« Nach wenigen Minuten sträubte er sich dagegen, er wollte wohl nicht verletzlich wirken, also löste er sich von ihr, stand er auf und steckte das Schwert zurück auf seinen Rücken. »Wollen wir?«, er reichte ihr die Hand und zog sie damit vom Boden hoch. »Mhm!«, sie wusste, dass er sich ungern verletzlich zeigte, also versuchte sie nicht weiter darauf einzugehen, »nimmst du ihn? Mir ist der Typ eindeutig zu schwer.« Sebastian lachte feixend auf und packte den Schattenjäger in beide Arme. Er gab ihr einen zärtlichen Kuss und trat auf das Portal zu, das Clary erschaffen hatte. Windböen tosen auf und Clary sah sich um. Mit einem Lächeln winkte sie. »Uriel!« Doch als er bei ihnen landete, eine tiefe Wunde sichtbar war und er dieses sonderbare Schwert in den Händen trug, da war ihr gewiss, dass etwas nicht stimmte. Uriel stützte sich auf dem Schwert auf und sah einzig Clary an. »Sie haben sie. Sie haben sie in die Hölle entführt. Beide! Wir müssen ihnen nach! Ich weiß einen Weg!« Clary schüttelte den Kopf. »Wen meinst du? Welchen beiden? Mein Kind und wer?« »Ich hatte es vermutet«, räusperte sich Uriel, »ich war dumm, dass ich es nicht eher erkannte. Es war seine Kraft, die uns von ihr abschirmten. Und es war seine Tugend, die sie beschützte.« »Wer?«, rief Sebastian laut auf. Uriel richtete sich unter Schmerzen langsam auf. »Jace. Er hat sie beschützt. Er wurde mit ihr in die Hölle genommen.« Sebastian staunte. »Wie kann das sein? Ich habe ihn sterben sehen!« Der Erzengel sah ihn erbost an. »Glaubst du mir nicht? Vertraust du nicht auf meine Worte? Wenn ich es doch sage, Jace hat sie beschützt.« »Dann müssen wir ihnen nach!«, fletschte Sebastian die Zähne, da stellte sich ihm Clary gegenüber. »Einer muss aber die Schattenjäger befragen, warum sie es eingeleitet haben. Und auf dich werden sie hören. Verzeih mir, Liebster!« Sie nahm ihre gesamte Kraft auf und schubste ihn ins Portal hinein. »Was tust du?«, schrie er wütend und verzweifelt, als er durch den Strudel fiel. Mit einer Handbewegung schloss sie das Portal hinter ihm. Leise sprach sie mit sich selbst. »Ich rette dich. Ich kann dich nicht noch einmal an die Hölle verlieren!« Uriel legte andächtig seine Hand auf ihre Schulter. »Du hast weise gehandelt. Aber nun komm! Vor uns liegt viel. Wir werden sie retten! Ich werde nie von deiner Seite weichen!« Kapitel 8: Der Morgenstern -------------------------- Kapitel 8 - Der Morgenstern Sebastian stand vor dem Nichts. Seine große Liebe war verschwunden. Er konnte keine Portalsrune erwirken, dafür brauchte er Clary, und damit war er hier jetzt gestrandet, in der verhassten Welt der Schattenjäger. Er ließ den Nephilim zu Boden fallen und weckte ihn hiermit auf. Sofort kniete er sich auf seine Brust und stieß mit seinem Bein gleichzeitig gegen dessen Kinn. »Nun zeig mir den Weg zu Maryse!«, zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Lieber sterbe ich!«, erwiderte der Jäger ohne jegliche Angst. Der pure blinde Wahnsinn stand diesem ins Gesicht geschrieben. Sebastians Zorn schlug wie wild in seinem Herzen, allerdings horchte er innerlich auf Clarys Worte. Sein Brustkorb hob sich an und es dauerte eine Weile, bis er wieder ausatmete. Er erhob sich von dem Schattenjäger und setzte die Kapuze auf. Er verbarg sein Gesicht vor dem Licht und zeigte auf den jungen Mann zu seinen Füßen. Mit einer tiefen, bestialischen Stimme, die gar nicht mehr Sebastian ähnelte, forderte er ihn auf: »Steh auf! Und dann zeigst du mir den Weg zu Maryse.« Der Schattenjäger lachte hysterisch. »Ich weiß nicht, wo sie ist. Niemand weiß das. Du musst sie schon selbst finden, du dämonischer Bastard. Du Sohn Valentines.« Sebastian schloss die Augen und mit einem leisen Flüstern flammte seine Rüstung auf. »Vergib mir, Clary!« Die Klinge wanderte von seinem Rücken in seine Hand und zuletzt in die Brust des Nephilims. Das Feuer in Sebastians Herzen sprang über der Schneide auf den sterbenden Körper zu seinen Füßen. Es war Zeit für Sebastian zu gehen, hier hielt ihn nichts mehr. Und er wusste nur eine Person, die ihn aus diesem Gefängnis heraushelfen konnte. Nur einer konnte den magischen Fluch durchbrechen, den die Engel diesem Land auferlegt hatten. Nur ein Hexenmeister. Und an diesem Ort gab es nur noch einen einzigen Hexenmeister. Magnus. Clary sah zu Uriel. »Ich weiß nicht, ich weiß nicht, wie ich solch ein Portal erstelle.« Der Erzengel nickte und schloss die Augen. »Novissima inferni, tartareus!« Ein pechschwarzes Tor erschien und öffnete die flügelartigen Gittertüren. Dahinter lag ein tiefschwarzes Nichts. »Das habe ich mir anders vorgestellt«, reagierte Clary erstaunt. Uriel zog sein Schwert und trat hindurch. »Die Unterwelt hat viele Gesichter. Dieses ist nur eines davon.« Clary folgte ihm zitternd. Sebastian hatte nie ein Wort über den Ort der Verdammnis verloren. Er wollte sie schützen, gar keine Frage, doch jetzt wäre jede Information über das Reich der Finsternis wertvoll gewesen. Die Dunkelheit schwand schnell. Ruinen standen in Flammen, deren Lodern wie feinster Sandstaub wirkte, der sich in der Luft verteilte und auf der Haut brannte. Uriel sprach einen Schutzzauber aus, der sich sanft und hautnah um sie bildete. »Hab Dank, Uriel.« »Nicht dafür, Clary.« Sie war es gewohnt, dass er ihr dabei ein Lächeln schenkte. Doch dieses Mal war es anders. Sorge stand in seinem Antlitz geschrieben. Sie sah auf zur Decke, die mehrere Hundert Meter über sie hing. Gesteinsfelsen bildeten die Wände und rot-schwarzes Magma tropfte herab. Ein roter Tropfen fiel auf Clarys Wange. Mit einer Fingerspitze nahm sie ihn auf und besah sich ihn. Sie blieb erschüttert stehen und wagte kaum nach oben zu blicken. Uriel wandte sich zurück zu ihr und eilte zu ihr hin. Gewaltsam hielt er ihre Hände fest. »Koste nicht davon und sieh mich an!« Allein durch diesen Satz konnte Clary nicht mehr anders und schaute hinauf. In kokonartigen Käfigen hingen Menschen verkehrt herum hinab und verzerrten ihre Gesichter vor Schmerz. Flammenpeitschen schlugen auf ihre Körper und vernarbten wie ätzende Säure die Rücken der Gefangenen. Sie sah genauer hin und erkannte an ihnen die gleichen Wunden, die Sebastian trug. Ihr großes Herz bebte voller Furcht. »Wir müssen, wir müssen sie retten!«, jammerte sie gequält. Uriel senkte die Augenlider. »Nein, Clary, sie gehören hier hin. Sie sind Sünder. Du hast sie hierher geschickt.« Fassungslos und wortlos fixierte sie ihn. Sie hatte die Gottesordnung vergessen. Sie hatte sich nie Gedanken über die Unterwelt gemacht. Es wirkte für sie immer wie ein Ammenmärchen. Ein Gleichnis für den Himmel. Doch, wo ein Himmel, so auch eine Hölle. Noch mehr musste sie in sich gehen, als sie erfasste, dass Sebastian mit Wonne die Wesen hierhin abstrafte. Er wusste von diesem Übel, von der Brutalität und von der Dunkelheit. Die Erkenntnis erschütterte sie um ein Vielfaches. Ohne sie war Sebastian ein höllisches Monster. Ein Dämon, der sich in den Himmel geflüchtet hatte und der in ihre Arme geflohen war. Tränen liefen ihre Wangen hinab. »Oh Sebastian, was musst du nur durchgemacht haben.« »Im wahrsten Sinne Höllenqualen«, erwiderte Uriel, seine Pupillen dunkel und starr auf den Weg gerichtet, »es tut mir leid, Clary, wir müssen weiter. Und da wir noch nicht angegriffen wurden, schätze ich, dass wir erwartet werden.« »Von wem?« Sebastian lief durch die verlassenen Straßen Alicantes. Keine Nephilimseele war zu sehen, die Häuser waren verriegelt. Er verstand. Sie hatten bemerkt, wie er angekommen war. Er legte seinen Umhang zurück, er brauchte ihn hier nicht. Jeder wusste über ihn Bescheid. Und das brachte ihn zum Grinsen. Ein bösartiges Grinsen, das er nicht länger versuchte zu verstecken. Er erinnerte sich an die Route, er konnte den Weg gar beinahe blind finden. In kürzester Zeit erreichte er die Tür und hieb mit seiner Faust gegen den Holzbeschlag. »Hab keine Angst, Jocelyn! Ich bin nicht aus Rache hier. Ich..., ich ersuche deine Hilfe!« Stille schlug ihm entgegen. Sebastian biss sich vor Wut auf die Lippen, so dass gar aus seiner Unterlippe sein tiefrotes Blut saftete. Voller Zorn brüllte er auf: »So sei es!« »Warte, Jonathan«, ertönte es plötzlich von der anderen Seite, die Stimme war männlich, »bitte, Jonathan!« Sein Herz schlug wie wild und er zischte, »Mein Name ist Sebastian!« »Sebastian, in Ordnung. Bitte gedulde dich. Ich muss erst die Bretter lösen.« Das Geräusch eines Hammers, der benutzt wurde, um Nägel aus ihren Löchern zu entfernen und ein leises Tuscheln waren zu vernehmen. »Er wird seine Gründe haben.« »Du willst ihn doch nicht wirklich reinlassen?« »Was kann er uns schon tun. Wir sind eh hier schon eingesperrt.« »Nein, tue es nicht!« »Schwester, lass mich!« Mit einem Rumpeln zog Luke die Tür auf. »Komm rein, Sebastian!« »Ich danke dir«, Sebastians Worte passten jedoch nicht zu seiner erkaltende Miene. Er sah sich um und seine Augen trafen auf Jocelyn, die mit Amatis am Esstisch saß. Die Stühle waren herumgedreht, so dass sie in seine Richtung in die Flurmitte blicken konnten. »Was möchtest du von uns, Sebastian?«, fragte sie leise nach. Sie war innerlich gebrochen, er hatte ihr Clary entrissen und nun besuchte sie ausgerechnet der Verräter. Sebastian trat vor ihr, doch dann kniete er sich überraschend hin und sprach sehr ruhig und gewissenhaft. »Clary ist wohlauf. Sie ist mit dem Erzengel Uriel unterwegs.« Er erhielt die Reaktion, die er erwartet hatte. Pures Staunen. Daraufhin schlug seine Stimmung wieder in Jähzorn um und er setzte fort: »Vor einigen Stunden gab es ein Attentat von Schattenjägern auf unsere Tochter Bethany. Sie wurde entführt. Jace konnte sie retten. Doch beide wurden nun in die Hölle verschleppt. Damit ich nicht wieder hinabsteige, hat Clary mich nach Idris weggestoßen und das Portal hinter mir geschlossen. Jetzt bin ich hier gestrandet und brauche Magnus Hilfe. Ich kann keine Portale erzeugen. Da Alec und Magnus sich gegen meine Macht abschirmen, brauche ich eure Hilfe um sie zu finden.« »Moment«, unterbrach ihn Jocelyn, »wenn du hier bist.« Sie schlug die Hand auf ihren Mund und flüsterte durch sie hindurch. »Mein stures, liebes Kind. Sie ist in die Hölle hinabgestiegen.« Früher hätte sie Sebastian dafür angeschrien, ihn verunglimpft für seine Taten, doch heute begann sie zu weinen. Eine Träne nach der anderen floss ihren Wangen hinab. Sebastian erhob sich wieder und breitete seine schwarzen Flügel aus. Amatis und Jocelyn bestaunten ihn nun noch mehr. »Wisst ihr, wo Magnus ist?«, fragte Sebastian lautstark ohne auf Jocelyns Gefühle einzugehen. Luke umrundete ihn und stellte sich an Jocelyns Seite. Ihm missfiel Sebastians Verhalten Jocelyn gegenüber, allerdings erkannte er auch die Not, in der Sebastian und seine ehemalige Ziehtochter Clary steckten. Und so erklang seine Stimme ernst. »Ja, das tun wir.« Uriel führte Clary immer weiter in die Tiefe. Gequälte Seelen baten um ihre Vergebung. Die Gesichter waren zu Fratzen verzerrt und die Körper auf das letzte Fleisch verstümmelt. Clary zog die Schultern hoch und versuchte sich zusammenzureißen. Sie dachte nur noch an Bethany und Jace. Auch sie benötigten ihre Hilfe. Sie gehörten nicht an diesen verwunschenen Ort, denn sie waren keine Sünder, also nicht wie jene. Allerdings schmerzte es ihr im Herzen, dass sie ihnen nicht helfen durfte. Auf einmal blieb Uriel stehen und zeigte voraus. »Wir sind da.« Ein einfaches Tor aus Eisen, das bis zur Decke ragte, versperrte ihnen den Weg. »Wie öffnen wir es?«, Clarys Blick wanderte an dem verschlossenen Zugang hinauf und sie entdeckte kein einziges Schloss. Uriel breitete die Flügel und Arme aus und rief: »Du weißt doch schon längst, dass wir hier sind, also lass uns eintreten. Bitte!« Staub am Rand des Tors wirbelte auf und mit einem beinahe mechanischen Ruck öffnete sie sich. Clary zitterte am ganzen Körper, sie ahnte bereits, wen Uriel die gesamte Zeit meinte. Gemeinsam gingen sie weiter, und als sie das Tor gänzlich passiert hatten, verschloss es sich selbst wieder. Dieser Weg führte nun nicht mehr zurück und sollten sie keinen anderen finden, so waren sie hier gefangen. Auf ewig. Diese Umgebung war anders. Keine Seelen und keine Dämonen waren zu sehen. Auch kein Feuer oder fließende Lava versprühte das übliche Bild einer Hölle. Dieser Ort war ganz und gar in hellem Licht getaucht, obwohl keine Flamme sichtbar loderte. »Das Licht erhalte ich hier von den Flammen der Hölle. Die Wände sind dünn«, ertönte eine liebevolle Stimme. Ein bildhübscher Mann in einem eleganten, silbernen Anzug saß auf einem Thron am anderen Ende des Gewölbes. An Seilen baumelten zwei Eisenkäfige hinab, in denen Bethany und Jace gefangen gehalten wurden. Clary breitete die Flügel aus und flog zu ihnen hinauf. Da flog ein Funke und die Käfige wurden von Feuer ummantelt. Bethany schrie auf und kroch in die Mitte ihres Geheges. »Mama, bitte hilf mir!« »Ich versuche es, Beth, ich gebe dich nicht auf«, rief sie ihr versucht beruhigend zu. Jace sah verblüfft auf, »Bethany ist deine Tochter, Clary?« Nun war es Bethany, die ihn verwundert anstarrte. »Woher kennst du meine Mutter?« Clary schüttelte den Kopf, »dazu haben wir jetzt keine Zeit!« Sie landete wieder und legte die Flügel an. Sie ging mit schweren Schritten auf den Mann auf dem Thron zu, während Jace und Bethany sich gegenseitig begafften. Jaces einziger Satz war: »Ich scheine dich wohl immer zu retten, Bethany, schon als du in Clarys Bauch noch warst, habe ich dich gerettet, euch gerettet.« Ein kleines bisschen Freude lag in seinem Gesicht, als ihm dies bewusst wurde. Bethany nickte und versuchte vergeblich zu lächeln. Clary stand an den Stufen zum Thron inzwischen, an ihrer Seite befand sich Uriel. »Ich nehme an, du bist Luzifer?« »Luzifer Morgenstern, um genau zu sein. Aber keine Furcht, wir sind nicht blutsverwandt. Es ist wohl nur eine Allegorie des Schicksals.« Seine Augen schimmerten silbern, in der gleichen Farbe seiner Kleidung. »Uriel, mein kleiner Bruder, was tust du denn hier?« Uriel ergriff Clarys Hand. »Ich sorge für ihre Sicherheit!« »Und das hast du rechtschaffend getan«, Luzifers Zähne blitzten auf und seine Mundwinkel gaben ein sanftes Lächeln frei. Clary fragte nun voller Ungeduld. »Was willst du von uns?« Luzifers Augen erhellten um ein Vielfaches. »Meine Gerechtigkeit. Dein Kind ist mir gleich, du obzwar nicht. Dein Kind war nur Mittel zum Zweck.« »Wofür willst du sie?«, entgegnete Uriel tonlos. Luzifer kicherte wie wahnsinnig. »Du kennst die Prophezeiung, du hast das Schicksal so selbst gewählt.« Clary ließ Uriels Hand los und wechselte zwischen den beiden Brüdern hin und her. »Was? Worum geht es?« Erneut lachte Luzifer auf. »Wie immer. Wie immer verschweigen sie den niederen Wesen etwas. Ich kann dir alles erzählen. Dir sogar sagen, dass Raziel nur wegen mir so gehandelt hat. Er ist meins.« Uriel reagierte bestürzt: »Du hast ihn verführt?« Luzifer winkte ab. »Nein, er hat sich mir angeschlossen und seine Lämmchen ohne deren Wissen nach meinem Belieben befohlen.« »Du hast die Schattenjäger ausgenutzt?«, sagte Clary betroffen. Nun fühlte sie sich schuldig. »Ja, aber sie taugen mir nun nichts mehr. Du hingegen, du bist viel wert. Dich brauche ich. Mehr als du ahnst.« Clary trat einen Schritt zurück. »Und wenn ich ablehne?« Luzifer zeigte gehässig auf die Käfige: »Dann stirbt dein Kind und deine erste Liebe.« Bethany schaute fassungslos Jace an. Das hatte sie nicht von ihm erwartet. Sie vermutete, dass sie aufgrund dessen sich in Jace verliebt hatte. Weil auch ihre Mutter ihn einst liebte. Ja, so musste es gewesen sein, dachte sie sich. Jace hingegen zeigte keinerlei Gefühle mehr. Wie so oft versteckte er seine Emotionen tief in sich und verschloss es hinter einer nicht zu deutenden Mimik. Clary sah unglücklich hinauf. Sie wollte Bethany und Jace retten. Um einfach jeden Preis. Sie wandte sich an Luzifer und trat zwei Schritte vor. Mit ernster Miene forderte sie ihn auf. »Wenn ich bleibe, was passiert mit Ihnen? Sind sie dann frei?« Luzifer lehnte sich begierig vor und nickte: »Dann darf Uriel sie nach draußen geleiten. Wenn du erst hier bist, werden sie eh nichts mehr tun können, und es wird so oder so zu dem kommen, was unser aller Schicksal ist. Also, wenn du bleibst, dann werde ich sie freilassen. Ohne ihnen ein weiteres Haar zu krümmen. Darauf gebe ich dir mein Wort. Solltest du dich aber anders entscheiden, so werden sie sterben!« Clary zuckte unter seinen Worten zusammen. Luzifer wirkte so unscheinbar und so gepflegt. Allerdings erklang seine Stimme jetzt kalt und gewissenlos. Sie wünschte sich gerade Sebastian herbei. Auch wenn seine Verstimmungen vielleicht den Handel zum Schlechteren gekippt hätte. Luzifer unterbrach ihre Gedankengänge energisch: »Entscheide dich!« »Ist gut, ich bleibe«, reagierte sie ängstlich, aber auch bestimmend, »Uriel, bitte kümmer dich gut um sie!« Bethany schrie panisch auf: »Nein Mama! Tu das nicht!« Clary sah hinauf und verdrängte ihre Tränen. »Es ist besser so, mein Schatz. Geh mit Uriel und Jace!« Luzifer ließ derweil die Käfige mit seinen magischen Kräften hinab. Bethany rannte zu Clary hin, doch Uriel hielt sie auf. »Besser wir gehen jetzt. Wir werden sie retten!«, er strich ihr sorgsam durch das Haar, während er sie in den Arm nahm. Bethany weinte bitterlich und vergrub ihr Gesicht in Uriels Schulter. Jace trat an ihre Seite und nickte Clary zu. »Ich werde gut auf sie aufpassen, Clary! Verlass dich da drauf!« »Ich weiß«, reagierte sie. Dann dachte sie sich, »mehr als du denkst.« Luzifer rollte mit den Augen. »Sind wir mit der theatralischen Verabschiedung fertig?« Clary bejahte es mit einer einzelnen Träne, die aus ihrem linken Auge herauslief. »Geht!«, wies er dem Dreiergespann an. Uriel schob Bethany vor sich weiter, während Jace ihnen folgte. Gemeinsam winkten sie Clary ein letztes Mal zu. Dann verschloss sich das Tor hinter ihnen. Sie schaute auf Luzifer. Sorge, Empörung und Missmut tosten in ihrem Körper. Schließlich fragte sie ihn mit zittriger und wütender Stimme: »Und nun?« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)