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Warum nicht jetzt, warum nicht wir

Todoroki/Midoriya
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Yeah, yeah, yeah !
Pünktlich zum Wochenende kommt Kapitel Nr. 2.
Ab hier weicht (natürlich) die Handlung komplett vom Anime ab. Falls es doch irgendwelche Parallelen geben sollte, dann sind sie zufällig.
Diesmal ist es mit knapp 3700 Wörtern etwas länger. Ich hoffe ihr freut euch.

Vielen Dank fürs Lesen & ich freue mich auf Feedback. Komplett anzeigen

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Kalte Schulter

28 Tage.

Nicht, als hätte er sie gezählt.

Es gab Wichtigeres, als die Tage zu zählen seit man die erste Liebeserklärung seines Lebens bekommen hatte.

Von einem Typen.

Nur war seit dem Nichts mehr passiert. Um genauer zu sein überhaupt nichts.

Die paar Worte, die sie miteinander gewechselt haben, waren zwar auch vor dem Sportfest von keiner besonderen Vielfalt gewesen, aber ihr jetziger Kontakt war gerade zu unterirdisch.

Midoriya war zwar definitiv kein Experte auf diesem Gebiet, aber wenn man jemandem vor nicht allzu langer Zeit seine Liebe gestanden und noch keinerlei Antwort darauf bekommen hatte, dann verhielt man sich doch anders, oder?

Möglicherweise sollte er jemanden zu diesem Thema befragen.

Leider war der Umfang an Leuten, denen er ein gewisses Maß an Erfahrung in diesem Bereich zutraute, verschwindend gering. Seine Mutter fiel aufgrund mehrerer Faktoren schon von vornherein aus dem Kreis. Sie würde ein riesiges Fass aufmachen – und wenn sie dann noch erfuhr, dass es sich um seinen Verehrer um einen Jungen handelte dann… Er wollte diesen Gedanken nicht mal in der Theorie zu Ende führen.

Eigentlich müsste er aufgrund gesellschaftlicher Konventionen auf das Wissen seines Klassenkameraden zurückgreifen, aber er befürchtete, sie könnten den Zusammenhang zwischen Todorokis ignoranten Art und seinen merkwürdig präzisen Fragen erahnen. Im Endeffekt war er also doch vollkommen auf sich allein gestellt. Wie immer.

Ein tiefes Seufzen verließ seine Lippen, was keinesfalls von Erschöpfung zeugte. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt seine Trainingsübungen auch während des Unterrichts fortzusetzen und stieß kaum noch einen Laut aus, der von Anstrengung rührte. Die Situation war einfach nur zum Kotzen.

Normalerweise war er im Gegensatz zu gewissen anderen Personen kein Freund von Kraftausdrücken, aber umso länger er sein Hirn zermarterte, umso ungehaltener wurde er von dieser auferlegten Bürde. Er wurde aus diesem Menschen einfach nicht schlau. Er war ein einziges großes Mysterium.

Das schrille Geräusch der Schulklingel riss ihn letztlich aus seinen verworrenen Gedanken. Es war die letzte Stunde gewesen, Zeit nach Hause zu gehen.

Der Grünhaarige wollte gerade nach seiner Tasche greifen, um seine Unterlagen hineinzupacken, da kam es – die Erkenntnis. Oder viel eher eine Feststellung.

Jeden einzelnen Tag an dem sie nun wieder die Yūei Oberschule besuchten, hatten er und seine Freunde, Iida und Uraraka, als Erstes das Zimmer verlassen. Sie hatten sich auf direktem Weg aus dem Schulgebäude nach Hause begeben und selbst wenn sie getrödelt hatten oder er ein Gespräch mit All Might führen musste – Todoroki war kein einziges Mal vor ihm gegangen. Diese Regelmäßigkeit war verstörend. Zu auffällig.

Irgendetwas veranlasste den Anderen dazu länger als notwendig hier zu verweilen. Er war immer hinter Midoriya, sprach aber kein verdammtes Wort mit ihm. Kein Guten Morgen, kein Auf Wiedersehen und der Grünhaarige war sich absolut sicher, dass sein Freund auch den Blickkontakt mittlerweile komplett vermied. Als würde er nicht existieren, als wäre seine Präsenz mit diesem unbefriedigenden Ausgang eines Geständnisses aus dem Leben von Todoroki verschwunden.

Fast als wäre er es nicht mehr wert.

Ein genervtes, ungehaltenes Schnaufen entwich unbeabsichtigt seiner Nase. Lächerlich, dass er jetzt zu einem pubertierenden Teenager mutierte, der seine Gefühle hinsichtlich Wut und Frustration nicht unter Kontrolle hatte. Noch während er die Sachen in seine Umhängetasche stopfte, fasste er den Entschluss dieser Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Für ihn selbst eigentlich eher untypisch, würde er auf Gut Glück die Konfrontation suchen. Ein Grund dafür, warum er seine Freunde dazu aufforderte ohne ihn den Heimweg anzutreten. Die Sehnsucht konnte er dennoch nicht gänzlich aus seinem Blick verbannen, als er ihnen beim Gehen hinterher sah.

Tatsächlich ließ er sich nur ein kleines bisschen mehr Zeit als sonst, um die Stufen des Gebäudes hinunter zu gehen, um in die Eingangshalle zu gelangen.

Und natürlich hatte es gerade angefangen zu regnen. Kein leichter Nieselregen, nein, ein satter Platzregen, der die Welt draußen binnen weniger Sekunden in ein endloses Rinnsal an Wassermassen verwandelte. Ein kurzer Blick über seine Schulter verriet ihm, dass Todoroki wider seiner Erwartungen nicht hinter ihm war. Anscheinend ließ sich der andere extra viel Zeit und wollte wieder einen gehörigen Abstand zwischen ihnen entstehen lassen. Aber das war nicht was er wollte.

Wenn er jetzt losginge, dann würde es enden wie immer.

Doch dann näherte sich jemand, beinahe hätte Midoriya das Gesicht zu einem siegessicheren Lächeln verzogen, nur wäre ihm jenes wahrscheinlich im Halse stecken geblieben, denn die Iris der Augen in die er nun blickte, hatten die selbe Farbe. Rot. Er schluckte hörbar. So hatte er sich diese Situation definitiv nicht ausgemalt – in seinen schlimmsten Alpträumen nicht.

Bakugou beäugte ihn mit einem Blick, den er wie üblich schlecht einschätzen konnte. Zum einen war es dieser übliche Ausdruck, der ihn am liebsten in der Hölle schmoren sehen wollte, zum anderen aber auch ein fragendes Funkeln, warum zum Teufel er hier so dumm rum stand.

„Was stehst du hier so dämlich rum, Deku? He?“. Die gereizte Stimmlage schaffte es, dass er sich komplett versteifte. Erschreckend richtig geraten. Ein Anflug von Panik breitete sich in seiner Magengegend aus. Und das Schlimmste daran war, dass er es selbst nicht hätte besser ausdrücken können. So wie er hier mit einem Regenschirm in der Hand wie hypnotisiert nach Draußen starrte, ohne sich einen Millimeter zu rühren, geschweige denn mit der kleinsten Absicht hinter seinem Tun.

„Ich warte.“, antworte der Grünhaarige wahrheitsgemäß. Bakugou würde es vermutlich drei Meilen gegen den Wind riechen, wenn er es wagte ihm ins Gesicht zu lügen. Und trotzdem wurde er nervös, verschränkte seine Finger ineinander und musste dem Reflex widerstehen sie zu kneten.

Der Blonde hob missbilligend eine Braue, allem Anschein nach interpretierte er diese Antwort als aufmüpfig. Kein Wunder, jeder konnte deutlich sehen, dass er wartete.

Spätesten jetzt wusste Midoriya, dass das hier eskalieren würde. Er würde keinesfalls heil aus diesem Zusammentreffen hinauskommen.

„Das sehe ich selber.“ Zähneknirschen. Ein bekanntes Zeichen dafür, dass er gleich aus der Haut fuhr. Warum auch immer. Gründe zu suchen, bei denen sein Kindheitsfreund nicht explodierte, waren mit Sicherheit schwerer zu finden.

„Auf was wartest du, Deku?“, spezifizierte der Blonde ein weiteres Mal seine Frage und deutete mit seiner Hand unmissverständlich auf den Regenschirm, den Midoriya nach wie vor umklammerte.

Gute Frage. Nächste Frage.

Es gab keine Erwiderung, die Bakugou zufrieden stellen würde. Mal davon abgesehen, dass er ganz eindeutig lügen müsste. Er öffnete trotz dessen seinen Mund, nur um ihn gleich darauf wieder zu schließen. Kein Ton verließ seine Lippen. Wenn der Blonde einer Sache noch weniger Habhaft war als gutes Benehmen, dann war es Geduld. Der Grünhaarige konnte die verräterische Ader sehen, die auf der Stirn seines Gegenübers zu pochen begonnen hatte. Ihm blieben vielleicht noch dreißig Sekunden Rest an Lebenszeit. Fieberhaft versuchte sich Midoriya eine Antwort zurecht zu legen, leider war da nur Leere in seinem Kopf. Nichts, nichts, noch mehr Nichts und Todoroki, der ihn verflucht nochmal in diese beschissene Situation gebracht hatte. Ohne ihn hätte er diesem überflüssigen Machtspielchen aus dem Weg gehen können. Mehr war das hier nicht.

Ein Impuls, den selbst nur am Rande notierte, ging durch Bakugou. Doch er verschwand so plötzlich wie er gekommen war. Anstelle dessen erschien eine andere, bekannte Präsenz an seiner Seite. Kühl, ausgeglichen und von unvergleichbarer Eleganz. Selbst mit geschlossenen Augen hätte er gewusst, wer hier neben ihm stand.

„Wir gehen.“, drang die ruhige Stimme an sein Ohr, zusammen mit einer Hand an seiner Schulter, die ihm mit einem sehr bestimmten Druck zu verstehen gab, in welche Richtung er jetzt zu wandern hatte. Was dem Grünhaarigen allerdings entging, war der mörderische Blick den Todoroki dem Blonden zuwarf, ehe er entspannt mit ihm Schritt hielt.

Kaum waren sie im Freien, spannte Midoriya in einer mechanisierten Bewegung den Regenschirm auf. Todoroki sah sich, im Gegensatz zu seinem Verhalten in den letzten Wochen, nicht in der Pflicht einen gewissen Abstand zwischen sie zu bringen. Im Gegenteil – während sie so nebeneinander her liefen, um nicht nass zu werden, berührten sie sich sogar einige Mal flüchtig an der Schulter.

Unangenehmes Schweigen herrschte zwischen ihnen und Midoriya war froh, dass wenigstens das Rauschen des Wassers die Atmosphäre einigermaßen erträglich machte.

Keine Ahnung, wo sie überhaupt hingingen. In seiner Routine hatte der Grünhaarige den Weg nach Hause eingeschlagen, wusste jedoch nicht, ob es ein besonders guter

Einfall war, den Anderen mit zu seiner Wohnung zu nehmen. Natürlich konnte er auch nicht einschätzen, ob sie überhaupt dort ankommen würden.

Das war doch bescheuert.

Midoriya blieb unvermittelt stehen. Da die Reflexe seines Gegenübers nach wie vor tadellos waren, hielt er ebenfalls inne. Einer dieser fragendenden Blicke, die Midoriya eigentlich nur wütend machen konnten.

„Was soll das? Du ignorierst mich wochenlang und jetzt gehen wir im Regen zusammen unter meinem Schirm spazieren?“, fauchte der Grünhaarige schon fast. Vielleicht war er nur halb so gut seine Emotionen zu kontrollieren wie er bis jetzt immer angenommen hatte. Aber das tat momentan nichts zur Sache. Eigentlich kotzte ihn gerade nur die Tatsache, dass er zu Todoroki aufsehen musste, mehr an. Seine Größe war nie ein Problem gewesen, aber jetzt bedauerte er zum ersten Mal nicht auf den Anderen herabsehen zu können.

Todoroki wirkte von dieser offensichtlichen Anfeindung wenig beeindruckt.

„Du denkst also ich zeige dir die kalte Schulter?“, erwiderte er die Frage und schien durchaus amüsiert über sein kreatives Wortspiel – zumindest verformten sich seine Lippen zu einem seichten Lächeln.
 

War das jetzt sein Ernst?
 

Midoriya platzte langsam aber sicher der Kragen. Er hatte keine Lust mehr diesen Schirm zu halten, der sie vor den hinunterprasselnden Wassermassen schützte. Aus Folge dieser unbändigen Frustration, die sich in seinem Inneren ausbreitete, beförderte er seinen Schirm kurzerhand auf den Gehweg. Er gönnte es seinem Gegenüber nicht trocken zu bleiben. Jemand, der sich so unverhohlen über ihn lustig machte, hatte es nicht verdient sich mit ihm einen Regenschirm zu teilen.

Zwar würde er selbst ziemlich durchnässt Zuhause ankommen, aber das war es alle Male wert. Die erhoffte Gefühlsregung seines Gegenübers blieb weiterhin aus.

„Stört es dich etwa?“, fragte Todoroki stattdessen äußerst gefasst, während ihm seine langen Strähnen inzwischen klatschnass im Gesicht klebten. Jetzt machte der Anderen keinen so unantastbaren Eindruck mehr. Ein kleiner Sieg.

Nur brachte ihn diese Frage erneut aus dem Konzept. Die vergessen geglaubte Röte kehrte auf seine verräterischen Wangen zurück.

„Es stört mich nicht.“, gab er schnell zur Antwort. Vielleicht einen Tick zu schnell.

„Es stört dich also.“, beschloss Todoroki und man konnte in seinen Augen sehen, wer der eigentliche Gewinner dieses Geschehens war.

Midoriya knirschte mit den Zähnen, wischte sich die störenden Tropfen aus dem Gesicht, die fortlaufend seine Stirn hinunter liefen.

„Natürlich stört es mich.“; seine Stimme inzwischen leise, aber nicht weniger verbissen. Der Anflug eines zufriedenen Lächelns huschte über das Gesicht des sogenannten Eisprinzen. In Folge dieses Eingeständnisses bückte sich Todoroki tatsächlich um den Schirm aufzuheben und ihn im Folgenden wieder schützend über ihre Köpfen zu halten.

„Komm ich bring dich nach Hause.“, lautete das fast versöhnliche Angebot und der Grünhaarige kam nicht umhin diesem zuzustimmen. Zwar nutzte er für sein Einverständnis kein einziges Wort, setzte sich aber zeitgleich mit dem Anderen in Bewegung. Bis jetzt hatte er noch keinen Gedanken daran verschwendet, dass Todoroki allem Anschein nach wusste, wo er wohnte.

Den Rest des Weges verbrachten die Beiden stillschweigend. Gerade so lange bis sie an den überdachten Hauseingang zu seiner Wohnung angekommen waren.

„Ich behalte den Schirm. Ich werde ihn dir morgen wieder geben.“, es wirkte eher als würde sein Gegenüber ihn über diese Entscheidung informieren, nicht als hatte er vor um Erlaubnis zu bitten. Und dass obwohl es vielleicht angebracht gewesen wäre.

Todoroki tat Vielerlei Dinge ohne zu Fragen.

Trotz dessen nickte Midoriya, wenn auch nur aus Gewohnheit. Sein Blick haftete inzwischen auf dem Steinboden zu seinen Füßen, musterte fasziniert die Rillen der einzelnen Kacheln.

„Du bist mir jeden Tag bis nach Hause gefolgt.“, stellte Midoriya mit neu erlangter Nüchternheit fest. „Anscheinend wolltest du mich nicht aus den Augen lassen.“, manchmal war er wirklich scharfsinniger, als gesund für ihn war.

„Warum tust du das, wenn du dir sonst so viel Mühe gibst mich zu ignorieren?“, fast als hätte er einen Moment gebraucht, um sich wieder zu fassen. Jetzt sah er dem Anderen wieder ernst in die unterschiedlich gefärbten Augen.

Todoroki hatte diese wiederum längst verengt, beinahe als würde ihm diese Gabe der logischen Schlussfolgerungen allmählich auf den Geist gehen. Wenn ihn jemand aus der Reserve locken konnte, dann war es ganz klar der Grünhaarige. Noch nie war es so schwer gewesen seine Fassade aufrecht zu halten. Nur gefiel Todoroki diese defensive Haltung absolut nicht. Und wenn er eines darüber gelernt hatte wie er sein Gegenüber auf effektive Art und Weise einschüchtern konnte, dann war es Körperkontakt.

Erneut machte der Regenschirm eine unangenehme Bekanntschaft mit dem Erdboden. Dieses Mal machte Midoriya einige Schritte zurück in Richtung Wand, ehe er unfreiwillig mit dieser kollidierte. Sein durchnässter Rücken presste sich an die Steinmauer, wo auch schon die Kälte an ihm hinaufstieg. Todoroki unmittelbar vor ihm, keine zehn Zentimeter zwischen ihren Gesichtern und dem Rest ihrer Körper. Der Grünhaarige versuchte trotz dieser unvorhergesehenen Reaktion seine Überraschung zu verbergen, verzog keine Miene, auch wenn die Kälte nun von zweierlei Orten ungehindert auf ihn einströmte. Er hatte nicht vorgehabt sich erneut dermaßen in die Ecke drängen zu lassen, aber sein Fluchtinstinkt war unvermittelt gekommen und er hatte keine Chance sich ihm zu widersetzen.

Dafür musste er jetzt eisern bleiben. Nach wie vor blickte er seinem Gegenüber starr in die Augen.

„Warum ich das mache?“, fragte Todoroki mit diesem unerträglich zynischen Unterton in seiner Stimme. Selbstverständlich ließ er ihm keine Zeit zu antworten. Geschweige denn eine Pause zum Atmen.

„Irgendwie muss ich ja deine Aufmerksamkeit erzwingen.“ Diese Begründung war genauso grotesk wie er es sich vorgestellt hatte und entsprach exakt dem Bild, was er mittlerweile von Todoroki gewonnen hatte. War er wirklich eifersüchtig oder doch eine Spur besitzergreifend?

„Gut, die hast du.“, Midoriya betonte das Offensichtliche mit Nachdruck. Zeitgleich begann er sich zu fragen, wer hier eigentlich wen aus der Reserve lockte. Vor gut zehn Minuten hätte er darauf bestimmt anders geantwortet.

Der Grünhaarige sah es förmlich hinter der Schädeldecke seines unmittelbaren Gegenübers rattern. Anscheinend war Spontanität keine Stärke des Anderen. Todoroki war es lieber wenn alles nach Plan verlief – seinem Plan wohlgemerkt. Da hatte er allerdings nicht mit den rebellischen Charakterzügen dieses Jungen gerechnet. Lieber Rebell ohne Grund als Rebell ohne Mund.

„Wenn das so ist, dann gibt es ja keine Grund dich jetzt nicht zu küssen.“, eine Vorwarnung, keine Frage, völlig unvorhergesehen. Also wie immer.

Und dann lehnte sich Todoroki auch schon mit seinem Gesicht nach vorne, raubte dem Grünhaarigen den letzten Rest seiner wertvollen Privatsphäre. Midoriya konnte den warmen und zugleich eiskalten Atem auf seiner Haut spüren.

Es war wie ein gezielter Schlag in seine Magengegend. Sein Inneres verkrampfte sich wie auf Kommando zu einem unbrauchbaren Haufen innerhalb seines Organismus. Seine Körperfunktionen stellten sich alle samt gegen ihn, während es ihm seine Kehle völlig zuschnürte. Das war Nichts, womit er gerechnet hatte. Es war auch Nichts, womit er auch nur ansatzweise umgehen konnte.

Reflexartig drehte er seinen Kopf zur Seite und bedeckte noch im selben Moment den Mund seines Gegenübers mit der eigenen Hand, hielt ihn nachfolgend sogar davon ab sich ihm auch nur einen weiteren Millimeter zu nähern.

Den Fußboden einer intensiven Betrachtung zu unterziehen, kam ihm ein weiteres Mal sehr verführerisch vor. Midoriya war selbst recht erstaunt von seiner schnellen Auffassungsgabe und Reaktionsfähigkeit. Und das obwohl er im Augenblick mehr Ähnlichkeit mit einem in die Enge getriebenen Tier hatte als einem furchtlosen Kämpfer.

Er versuchte sein Herz, was in seiner unbändigen Natur gegen seine Brust hämmerte, zu beruhigen. Er redete sich ein, dass er alles unter Kontrolle hatte, dass zumindest gerade nichts Unvorhergesehenes mehr passieren konnte. Ein Schwall an angestauter Atemluft entwich seinen verkrampften Lungen.

Erst jetzt wagte er es überhaupt einen Blick zu Todoroki zu riskieren und versuchte einzuschätzen wie er diese Panikattacke seinerseits verkraftet hatte. Es war schwieriger als Gedacht den Gesichtsausdruck eines Menschen zu interpretieren, bei dem eine Hälfte mit einer Hand verdeckt wurde.

Da er die Gefahr als gebannt ansah, entschied Midoriya kurzerhand seinen Arm sinken zu lassen. Immerhin hatte er jetzt auch eine bessere Aussicht auf die vielversprechende Mimik seines Gegenübers.

Zugegeben, Begeisterung sah anders aus.

Jedoch hatte er auch keine Jubelschreie bei einer Abfuhr dieser Art und Weise erwartet. Schon jetzt keimte das schlechte Gewissen in seinem Innersten auf und er widerstand dem unsinnigen Drang sich für seine Aktion zu entschuldigen.

Todoroki wirkte zwar nicht, als hätte man ihm soeben das Herz aus der Brust gerissen und wäre darauf rumgetreten, dennoch fand der Grünhaarige deutliche Anzeichen von wachsender Frustration auf den sonst so gefassten Zügen. Die Kälte, die ihn in einer so natürlichen Weise sonst umgab, war wie weggeblassen. Stattdessen konnte nun jeder Trottel sehen, dass Todoroki Feuer in sich trug.

Midoriya vermochte nicht einzuschätzen, ob er sich damit nun gewaltig in die Scheiße manövriert hatte oder ob dies doch noch ein glimpfliches Ende für ihn nehmen würde.

So wie der Tag bis dato gelaufen war, würde er auf direktem Weg in der Hölle landen. Das stand fest.

Er räusperte sich mitleiderregend. Irgendwie fühlte er sich in der Verpflichtung sich zu erklären.

„Nicht hier.“, versuchte er eine zweisilbige Antwort zu finden, die ihn möglichst rasch aus dieser unangenehmen Situation entließ. Es gab bestimmt über tausend Gründe, warum er sich diesem Kuss entzogen hatte, aber das war keiner davon. Obwohl er seiner Meinung nach sehr plausibel war.

„Verarsch mich nicht.“, war postwendend die bissige Antwort. Todoroki war sauer, nein, das Brodeln in seinem Inneren war auch draußen deutlich spürbar.

„Wenn du denkst, dass es heutzutage noch einen Unterschied macht, wer hier wen küsst, dann bist du irgendwo vor 20 Jahren stehen geblieben.“, erklärte der Anderen weiter seinen Standpunkt und man musste zugeben, da war einiges dran. Bei diesen Kräften, die heute achtzig Prozent der Bevölkerung besaßen, wie konnte man sich da noch über gleichgeschlechtliche Liebe aufregen? Geschweige denn sich darüber wundern.

Liebe.

Wieder errötete er wie ein pubertierendes Schulmädchen.

Heute wurde ihm einiges abverlangt. Gerne hätte er die Diskussion mit Todoroki weiter geführt, nur war es ihm absolut nicht möglich auch nur einen klaren Gedanken zu verfolgen, wenn der Andere weiterhin in seinem sehr geschätzten Freiraum verweilt. In Ermangelung an Alternativen nutze er seine freien Hände, um sie seinem Gegenüber an die Brust zu legen und ihn einige Zentimeter von sich zu schieben. Todoroki schien genauso verblüfft über diese Tat wie Midoriya. Niemals hätte er sich sowas getraut, wenn es eine andere Möglichkeit gegeben hätte seinen gesunden Menschenverstand wieder zu finden.

„Ich kann nicht denken, wenn du so dicht vor mir stehst.“, rechtfertigte er sein Handeln und klang nicht halb so selbstsicher, wie er es sich vielleicht gewünscht hätte. Todoroki störte sich daran anscheinend ausnahmsweise überhaupt nicht, nein, im Gegenteil: Er wirkte belustigt. Ein Anflug von Zufriedenheit blitzte in seinen außergewöhnlichen Augen auf, war aber genauso rasch wieder verschwunden.

Dieses Mal blieb Midoriya mehr Zeit um über seine Worte nachzudenken.

„Es ist ja nicht so, als würde ich dich nicht mögen…aber warum zum Teufel musst du mich so überfallen? Ich meine in der Schule schaffst du es meine Präsenz völlig auszublenden und dann… Was ist das hier eigentlich?“, ihm schwirrte der Kopf und umso mehr er versuchte die gegebenen Anhaltspunkte logisch zu verknüpfen, umso verwirrter wurde er letztendlich. Allem Anschein nach wollte sein Gegenüber ebenfalls seine Stimme erheben, doch Midoriya schnitt ihm eiskalt das Wort mit dem eigenen ab. Als ob er schon fertig wäre. Witzig.

Eigentlich wollte er einen Gefühlsausbruch vermeiden, aber dann hätte er auch versuchen können einen Tsunami direkt vor der Küste abzufangen.

„Vielleicht solltest du dir lieber mal Gedanken mach was du tun kannst, damit ich auch bereit bin dich freiwillig zu küssen?“

Oh nein. Es war einfach aus ihm rausgesprudelt, wie ein endloser Schwall Wasser aus einem Springbrunnen. Möglicherweise sollte er das nächste Mal länger nachdenken. Oder einfach seine große Klappe halten.

Irgendetwas weckte in ihm eine Erinnerung, dass sich seine Worte eher nach einem altmodischen Frauenbild anhörten, als wäre er nicht leicht zu haben. Was natürlich wahr war, was er aber mit Sicherheit nicht sagen wollte. Midoriya vergrub das Gesicht aus reiner Verzweiflung in seinen Händen. Der schlimmste Fall war eingetreten. Und das Schönste daran war, dass er sich selbst dort hinein bugsiert hatte.

Todoroki seinerseits wirkte als wäre ihm dieser Redeschwall genau recht gekommen. Wenn der Grünhaarige es nicht besser gewusst hätte, hätte man meinen können er wäre fröhlich. Sicherlich war dies aber kein Gemütszustand, die der Andere je annahm.

„In Ordnung.“, antwortete Todoroki mit melodischen Stimme, die mehr Entschlossenheit ausstrahlte als je zuvor. So einfach. „Ich helfe dir bei deinem Training. Du hast doch immer noch Schwierigkeiten deine Fähigkeit zu kontrollieren, oder? Wir können uns abends treffen. Vielleicht am Strand. Ich denke es würde dir mehr bringen mit einem echten Gegner zu üben.“

Dieser Einfall kam dann doch ein wenig überraschend – vor allem aber zu schnell, fast zurechtgelegt.

Natürlich brauchte Midoriya Hilfe in Anbetracht der Tatsache, dass er erst vor kurzem die plötzliche Erkenntnis darüber erlangt hatte, wie er das One For All gezielt einsetzen konnte. Da Theorie und Praxis jedoch weit voneinander entfernt lagen, gab es nur die Möglichkeit durch Üben seine Fertigkeiten zu verbessern. Nur ob das mit Todoroki als Partner gut funktionieren würde und er Fortschritte machen würde…

Das lag außerhalb seines Erfahrungsschatzes. Also warum nicht probieren? Es war nichts grundsätzlich Verkehrtes an diesem Angebot – außer dass es ziemlich eigennützig war.

„Wenn du das wirklich willst, dann…können wir es versuchen.“, gab Midoriya schlussendlich klein bei. Er selbst hatte ja diese Idee geäußert, also konnte er unmöglich widersprechen.

Nachfolgend hob Todoroki den vernachlässigten Regenschirm vom Boden auf. Er hatte ja zuvor angedeutete, dass er ihn sich leihen wöllte. Zum Abschied hob er eine Hand. Midoriya tat es ihm gleich. Sein Repertoire an Sätzen war für heute sowieso komplett aufgebraucht.

„Bis morgen.“, verabschiedete sich der Andere mit einem – er wollte es fast nicht denken aber – verführerischen Lächeln? So hatte ihn noch jemand angesehen. War das gerade wirklich passiert?

Todoroki, der ihm unbedingt hatte seinen allerersten Kuss stehlen wollen, hatte sich letzten Endes mit dem Fakt besänftigt gegeben, dass sie nun miteinander trainieren würden? Gab es etwa doch Zeichen und Wunder auf dieser Welt?

Ohne der Tatsache Beachtung zu schenken, dass er nach wie vor draußen war, die feuchte Kälte seine Glieder längst in Beschlag genommen hatte und er eine recht dünne Schuluniform trug, rutschte Midoriya langsam aber sicher an der Mauer hinter sich hinunter. Sitzen war eine willkommene Abwechslung von der angespannten Haltung, in der er hatte verharren müssen. Der damalige Kampf gegen Todoroki stellte im Vergleich zu heute einen schlechten Scherz dar.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Wisteria
2018-03-23T21:21:17+00:00 23.03.2018 22:21
Hui,
Todoroki ist gut, wirklich gut, dass ignorieren hat gut geklappt. Süß ist ja das er ihm trotzdem nach
Hause gefolgt ist. Hat was von stalking. ;D
Tolles Kapitel und interessante Verhalten von beiden, recht ausgeklügelt.
LG
Von:  Puraido
2017-08-18T20:41:53+00:00 18.08.2017 22:41
Heya :D

Ein sehr gutes Kapitel, auch eine angenehme länge ^^ Armes Midoriya, man merkt ihm die Überforderung an. Wobei ich es auch seltsam finden würde, wenn mir jemand die Liebe gesteht und mich dann überhaupt nicht beachtet.

Sehr gut finde ich es übrigens, dass Midoriya Todorokis Kuss abblockt. Ich bin es ja so leid, FFs zu lesen, bei der die Charaktere nach einem Kapitel schon direkt zusammen sind und so halt ... urg, so nervig.

Ich bin gespannt, wie lange es dauert :D Todoroki soll ruhig ein wenig schmoren müssen, hehehe.

LG Puraido


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