Warum nicht jetzt, warum nicht wir von Capulet (Todoroki/Midoriya) ================================================================================ Kapitel 1: In der Luft zwischen uns ----------------------------------- Es gab keinen rationalen Grund dafür. Keine nachvollziehbare Begründung, warum er hier stand, mit hochroten Kopf, nicht mehr fähig auch nur eine Silbe über seine Lippen zu bringen. Es war keine besonders aufregende oder übermäßig wichtige Situation gewesen. Ein Gespräch dieser Art war mittlerweile alltäglich. Nein, es war nichts wirklich Außergewöhnliches an ihrer Unterhaltung. Todoroki hatte sie zu so einer gemacht. Ursprünglich wollte Midoriya sich lediglich für die Hilfe bedanken. Jetzt standen sie hier in einem dieser kahlen, tristen Gänge, die es in jedem Krankenhaus gab. Keine Menschenseele streifte durch die Flure. Es war wie ausgestorben. Wahrscheinlich ließ es sich auf die einfache Tatsache zurückführen, dass es mittlerweile später Abend war und sie sich in keiner dieser Abteilungen befanden, die sich um Notfälle kümmerte. Auch wenn es sich definitiv gerade wie einer anfühlte. Die Halogenlampe über ihren Köpfen flackerte. Sie würde bald ihren Geist aufgeben. Ein Fakt, der ihn vorhin noch gestört hatte, war nebensächlich geworden. Er konnte ohnehin nur den Freund, der ihm unmittelbar gegenüberstand anstarren. Mit halb offenem Mund und einem vermutlich unerträglich dämlichen Gesichtsausdruck. Und da war auch schon der Punkt, um den es ging. Ein Freund. Sein Freund. „Du…ich“, entfuhr es dem Grünhaarigen umständlich. Personalpronomen zu wiederholen war nie sinnvoll. Er war ja schon immer ein verschüchterter Junge gewesen, aber das übertraf alles. Er versuchte sich zusammenzureißen, das war jetzt nicht der Zeitpunkt um Schwäche zu zeigen. Ein neuer Versuch. „Ich verstehe nicht… Todoroki. Du und ich, wir…“, auch das brachte keineswegs Licht ins Dunkle. Midoriya schien an dieser Konversation kläglich zu scheitern. „Ich will nicht dein Freund sein.“, brauchte sein Gegenüber das Gesagte noch einmal auf den Punkt. Prägnant, ohne Geschwafel. Eine Sache, die ihm einfach besser lag. Also hatte er es doch verstanden. Es war dieser kleine aber feine Hoffnungsschimmer, dass seine zwischenmenschlichen Kenntnisse nicht ausreichten, um die Aussage richtig zu interpretieren. Aber nein, er hatte verdammt richtig geschlussfolgert. Todoroki lehnte seine Freundschaft also ab. Nur war das längst nicht alles, was der Andere zu Sagen hatte. „Es reicht mir nicht. Ich will mehr.“, er verzog keine Miene, stand da mit seinem kühlen Gesichtsausdruck, lässig an die Wand gelehnt, als wäre es nicht das aller erste Mal in seinem Leben, dass er eine derart ernste Sache von jemanden forderte. Wäre er selbst nicht so furchtbar durcheinander, hätte er mit Sicherheit ein nicht gerade kleines Maß an Bewunderung empfunden. Dieser Satz, der eigentlich eine gewisse Klarheit hätte bringen sollen, bewirkte bei dem Grünhaarigen letztendlich das komplette Gegenteil. Seine Gedanken wirbelten wie wild durcheinander. Sofort sah er seine analytischen Fähigkeiten als gefordert. Er brauchte eine Lösung für dieses Debakel. Eine Antwort. Wenn er all die Sachen richtig kombinierte, würde ihm schon etwas einfallen, er konnte bestimmt, wenn er sich nur genug anstrengte… Wie gewöhnlich brauchte er einen Moment um Herr der Lage zu werden und sich einen Überblick zu verschaffen, der es ermöglicht hätte ein zufriedenstellendes Ergebnis zu liefern. Nur leider führte dies unweigerlich dazu, dass er den Rest des Geschehens vollständig ausblendete. Er registrierte nicht, wie sich Todoroki im Folgenden von der Wand in seinem Rücken abstieß und es mit nur zwei Schritten schaffte direkt vor ihm zu stehen. Die späte Einsicht kam erst, als er aufsehen musste um seinem Gegenüber weiterhin in die unterschiedlich gefärbten Augen sehen zu können. Eine kühle Aura, an die er sich mittlerweile recht gut gewöhnt hatte, empfing ihn wie einen alten Bekannten. Schlagartig war sein Kopf wie leergefegt. Ein Schlucken. Seine Kehle inzwischen staubtrocken. Eigentlich musste er die Worte des Anderen nicht analysieren, um sie zu verstehen. Die Atmosphäre zwischen ihnen sprach Bände. Todoroki war da… sehr einnehmend. Midoriya wusste nicht zu sagen, ob das nun an der Kraft lag, mit der sein Gegenüber gesegnet war oder an seiner Persönlichkeit. Er musste zugeben, seit ihrem letzten Kampf hatte sich einiges verändert. Vielleicht auch alles. Ein Zucken ging durch seinen gesamten Körper, als der Andere ohne Vorwarnung nach seiner Hand griff. Wortlos fuhr er mit seinen Fingerspitzen die offensichtlichen Narben an seiner Handfläche nach. Midoriya erwischte sich dabei wie er für die Dauer des Moments den Atem anhielt. „Dank dir…“, seine Stimme war leise, fast hypnotisch. Er konnte seinen Blick unmöglich von den Lippen seines Gegenübers abwenden. Sein gesamter Körper stellte sich gegen ihn, war wie erstarrt. „…weiß ich endlich, dass es meine Kraft ist.“, und wir zur Bestätigung seiner Aussage, spürte Midoriya eine Wärme. Ein angenehmes Gefühl breitete sich in seiner Hand aus, zeitgleich mit einem ehrlichen Lächeln auf seinem Gesicht. „Shouto.“, irgendwas in dieser vertrauten Situation veranlasste ihn sein Gegenüber beim Vornamen zu nennen. Ein Leuchten, von dem er nicht einschätzen konnte, welcher Natur es war, blitzte in den Augen des Anderen auf. Aber noch bevor er einen Gedanken daran verschwenden konnte, war es wieder verschwunden. „Das ist nicht der Rede wert. Ich bin da, wenn du mich brauchst. So wie du für mich. Oder nicht ?“, seine Stimme war sanft und aufrichtig. Das waren keine Worte, die man einfach so daher sagte. Es war ein Versprechen. Er spürte den prüfenden Blick, der auf ihm lag. Ebenso das ihm gegenübergebrachte Misstrauen. Es war offensichtlich, dass hier ein Vertrauensproblem vorlag. Doch das störte den Grünhaarigen nicht, im Gegenteil er unterbrach keineswegs den aufgebauten Blickkontakt. Dieselbe Entschlossenheit wie immer. Keine Kompromisse. „Und das ist, was Freundschaft ausmacht.“ Und dann brach etwas. Vielleicht hätte er das jetzt besser nicht gesagt. Nicht heute und auch niemals sonst. So unvorhergesehen wie diese Atmosphäre zwischen den Beiden entstanden war, so ruckartig fiel sie auch wieder in sich zusammen. Todoroki entließ seine Hand aus der eigenen, fast als hätte er sich verbrannt. Sein Gesichtsausdruck verdunkelte sich von der einen auf die andere Sekunde abrupt. Grund dafür schien dieser Satz zu sein. Er wollte ihn ganz offensichtlich nicht hören. „Tzz.“, nichts auf der Welt hätte klarer ausdrücken, was der Andere von diesem Geschwafel hielt. Alles nur leere Wort. Es war ein völlig untypischer Laut. Midoriya’s Braue schoss automatisch fragend in die Höhe. Wie bitte? Was sollte das? Was war sein verdammtes Problem? Wieso konnte er sich denn nicht mit damit zufrieden geben? Eine unglaubliche Frustration, die er so eigentlich nur von sich selbst kannte, strahlte von dem Anderen aus. Er hatte diesen verbitterten Gesichtsausdruck, diesen missbilligenden Schatten in seinen Augen. Genau wie bei ihrem ersten Treffen. Nur dieses Mal konnte der Grünhaarige mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass nicht der Vater seines Freundes Schuld für dessen miese Laune war. „Was?“, entfuhr es dem Grünhaarigen unverhältnismäßig gereizt. Normalerweise hatte er mehr Geduld. Vor allem wenn es um seine Mitmenschen ging. „Du verstehst es einfach nicht.“ Das war keine neue Information. „Dann musst du dich klarer ausdrücken.“, er verzog das Gesicht, einer Grimasse dabei nicht unähnlich. Vielleicht hätte er dies besser unterlassen, wenn er das Nachfolgende hätte kommen gesehen. „Wie klar willst du es denn haben…?“, obwohl diese Frage eindeutig rhetorischen Ursprungs war, öffnete der Grünhaarige seinen Mund. Keine besonders gute Idee in diesem Moment auch noch einen Fisch nachzuahmen. Todoroki stand immer noch direkt vor ihm, eine Armlänge entfernt. Es jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Irgendetwas weckte ihn ihm das Gefühl eine Grenze überschritten zu haben – und dabei war er sich doch überhaupt keiner Schuld bewusst. In den faszinierenden Augen seines Gegenübers leuchtete jedenfalls zeitgleich etwas auf, was er definitiv als Herausforderung interpretieren konnte. Da war sich Midoriya hundertprozentig sicher. Er hatte es schon einmal gesehen und er würde sich hüten diesen Ausdruck wieder zu vergessen. Entweder Todoroki registrierte seinen inneren Kampf überhaupt nicht oder er tat gut daran ihn völlig zu ignorieren, denn er verringerte ohne jede Hemmung die Distanz zwischen ihnen auf einige wenige Zentimeter. Der Grünhaarige unterdrückte erfolgreich den Impuls einige Schritte zurück in Richtung Wand zu gehen. Es gab keinen nachvollziehbaren Grund in dieser Situation zurückzuweichen. Keine greifbare Gefahr. Trotzdem versicherte er sich aus dem Augenwinkel heraus wie viel Platz ihm nach hinten blieb. Verdammt. Hatten die Mundwinkel des Anderen etwa gerade nach oben gezuckt? Aber seine Züge wirkten bei genauerem Hinsehen nach wie vor kühl und gefasst. Das musste er sich eingebildet haben. Was er sich allerdings überhaupt nicht einbildete war dieses verräterische Zusammenzucken seines gesamten Körpers, als Todoroki ihn ein weiteres Mal ohne Vorwarnung berührte. Midoriya konnte nicht genau sagen warum, aber irgendwie hatte er anstatt einer Hand, die ihm die Haare aus der Stirn strich, einen Schlag erwartet – und zwar einen der es in sich hatte. Kein Zweifel, jetzt war da ein genugtuendes Grinsen auf den schmalen Lippen des Anderen, von dem er bis jetzt nicht mal wusste, dass es zum Gefühlsrepertoire dieses Eisprinzen zählte. Und er selbst kam sich gerade nur vor wie ein völlig verschrecktes Hühnchen. Toller Held. Beiläufig bemerkte der Grünhaarige, dass die Hand seines Gegenübers nach wie vor auf seinem Kopf ruhte und nachfolgend verhinderte, dass ihm die langen Strähnen zurück ins Gesicht fielen. Am liebsten hätte Midoriya gefragt, was es nun schon wieder mit dieser unvorhersehbaren Geste auf sich hatte, aber Todoroki kam ihm zuvor, lehnte seine eigene kühle Stirn an die seinige. Es lief ihm eiskalt den Rücken hinunter. Was war das bitte für eine Art von Berührung? DAS war keine freundschaftliche Geste. Das war fast… Er spürte wie ihm die Röte ins Gesicht stieg und sich verräterisch in seinen Wangen sammelte. Der Grünhaarige war mehr als dankbar, dass Todoroki den Komplementärkontrast in seinem Gesicht nicht mit einem unnötigen Kommentar quittierte. Glücklicherweise beendete der andere auch prompt den eben aufgebauten Kontakt, indem er sich ein Stück zurücklehnte. „Midoriya.“ Oh Gott. Jetzt kam es. Das Ende. Er stellte sich innerlich bereits auf das Schlimmste ein. Was für eine schicksalhafte Wendung konnte diese Situation denn noch nehmen? War es denn nicht schon komisch genug zwischen ihnen? „Du bist so aufopferungsvoll und nett zu jedem. Stellst dein eigenes Wohl immer hinter das von Anderen. Du hast dir verdammt nochmal zweimal die eigenen Hände gebrochen.“, die Stimme des Anderen war in Anbetracht der Lage eher leise und ruhig, aber dennoch sehr eindringlich. Genau genommen klang das Ganze hier gerade eher wie ein Loblied auf seine Person, nicht wie eine Erklärung. Und das war eine Sache, die ihm verdammt unangenehm war. „Aber…“, versuchte er aus diesem Grund sofort zu intervenieren. Möglicherweise konnte er das Missverständnis zwischen ihnen so aus dem Weg räumen. Doch für Todoroki schien es keine Option zu sein, ihn zu Wort kommen zu lassen. Stattdessen verschloss er mit seiner noch freien Hand den Mund des Grünhaarigen und versagte ihm somit recht effektiv jedes weitere Wort. Beinahe so routiniert als hätte er mit so einem Widerspruch von vornherein gerechnet. „Und dann bist du noch so furchtbar naiv und denkst, dann würde sich niemand in dich verlieben?“, es war wie eine Anklage, rau, verächtlich und trotzdem mit diesem Ausdruck in den Augen, der etwas bedeutete. Viel mehr als er im Moment einschätzen konnte. Als einzige derzeit mögliche Reaktion weiteten sich die Augen des soeben Angesprochenen deutlich. Das konnte unmöglich sein Ernst sein. Sie waren doch… Doch es wirkte nicht, als hätte der Andere geglaubt das allein würde ausreichen um seinen Standpunkt deutlich zu machen. Natürlich untermauerte er seine Aussage mit einer entsprechenden Geste. Wenn es jemals eine Gelegenheit gegeben hatte in der Midoriya glaubte einem Herzinfarkt nicht weit entfernt gewesen sein, dann war es nicht während seines ersten Zusammentreffens mit All Might, auch nicht als dieser ihm das One for all angeboten hatte, sondern genau jetzt. Todoroki küsste ihn. Von der einen auf die andere Sekunde. Vollkommen unvorbereitet und ohne sein Einverständnis. Schön, es war kein richtiger Kuss. Ihre Lippen hatten sich auch nicht berührt. Und auch sonst ging ihr körperlicher Kontakt bis auf die Hand, die nach wie vor auf seinem Kopf verharrte, gegen null. Trotz dessen führte der Andere seine Lippen zu seinem eigenen Paar, beließ es aber letzten Endes dabei sie auf seine eigene Hand zu legen, die ihn nach wie vor an einer Gesprächsbeteiligung hinderte. Er blieb nur wenige Augenblicke in dieser Position, ehe er sich gänzlich von dem Grünhaarigen löste und einen Abstand herstellte, der für zwei Menschen als angemessen galt. „Du musst jetzt nicht antworten. Ich sorge schon dafür das es dir genauso geht.“, auch wenn dies ohnehin außerhalb des momentan Machbaren lag, war Midoriya froh, nicht zu einer Antwort genötigt zu werden. Er konnte kein Wort fassen, geschweige denn einen vernünftigen Satz zu Stande bringen. Seine Gedanken waren überall, nur nicht hier. Hatte ihm gerade wirklich das erste Mal in seinem Leben jemand seine Liebe gestanden? Ihm? Und dazu noch ein Typ? Und dann lächelte dieser Idiot von Todoroki auch noch so draufgängerisch und klang so unendlich cool und selbstsicher. Sollte er denn nicht verschüchtert und unsicher sein? Irgendwas lief hier total falsch. „Wir sehen uns in der Schule.“, sein Gegenüber hob die Hand zum Abschied. Midoriya versuchte es ihm reflexartig nach zu tun, schaffte es aber nur halbherzig. Stattdessen starte er seinem vermeintlichen Freund nur hinterher. Selbst als dieser längst um die nächste Ecke des Ganges verschwunden war, konnte er sich noch nicht aus seiner Versteinerung reißen. Und dann gab auch noch diese verfluchte Halogenröhre ihren Geist auf und ließ ihn im Dunklen stehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)