Weil Liebe niemals einfach ist von Elefantastisch ================================================================================ Kapitel 19: Hausaufgaben ------------------------ „Warum heiratest du ihn eigentlich nicht gleich? Und ziehst zu ihm? Und setzt ganz viele kleine Scheißmalfoys in die Welt?“ „Hugo, jetzt lass sie doch mal in Ruhe…“ „Verdammt, was redest du eigentlich für Müll? Du solltest dir mal selbst beim Reden zuhören, du Idiot.“ Wenn er jetzt glaubte, dass sie sich für ihre Beziehung schämte oder rechtfertigte oder sonst irgendwas, dann hatte er sich aber gewaltig geschnitten. „Und was geht es dich überhaupt an? Meine Beziehung kann dir doch sowas von scheißegal sein!“ Der ganze Gemeinschaftsraum hatte die Ohren gespitzt, was aber eigentlich gar nicht nötig war. Lily und ihr Cousin Hugo standen an unterschiedlichen Enden ihres Aufenthaltsraumes und brüllten sich aus voller Kehle Beleidigungen entgegen. Vermutlich hörte man sie auch unten in den Kerkern noch. Zwischen ihnen hatte sich Roxy mit ausgebreiteten Armen aufgebaut, wobei nicht genau zu sagen war, ob sie den Streit schlichten oder nur ein Blutbad verhindern wollte. Aber das war ja auch…! Warum mischte sich eigentlich ihre halbe Familie in ihr Liebesleben ein? Sämtliche Potter-Weasleys, die noch in Hogwarts waren, redeten kaum noch mit ihr und wenn doch, waren sie nicht gerade freundlich. Und die, die schon aus der Schule draußen waren, hatten ihr in den Ferien oder per Brief gesagt, dass sie von ihrer Beziehung eher nicht so begeistert waren. Das konnte ihnen doch egal sein! Sie war glücklich mit Scorp, sie sollten sich liebe für sie freuen, anstelle ihr immer nur Vorwürfe zu machen. Das machte sie schon selbst oft genug. Außerdem konnte sich ja nichts dafür, in wen sie sich verliebte. „Er ist ein beschissener Malfoy! Ein Malfoy! Noch dazu ist er absolut unausstehlich und du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass er es ernst meint mit dir, oder?“ Einen Moment lang blieb Lily der Mund offen stehen. Sie war sprachlos, was so ungefähr einmal in zehn Jahren vorkam. Das war ja wirklich weit unter der Gürtellinie gewesen. Im Gemeinschaftsraum war es still geworden, alle Augen waren auf sie gerichtet. Keiner versuchte jetzt noch, auch nur so zu tun, als würde er nicht zuhören. Bis jetzt hatten sie wenigstens noch so getan, als würden sie ihren Streit nicht mitbekommen. Auch Hugo merkte, dass er jetzt einen Schritt zu weit gegangen war und kam auf sie zu. „Lily, es tut mir Leid, so war das nicht gemeint…“ „Fass mich nicht an!“ Sie schlug seine Hand weg, noch eh er sie ihr freundschaftlich auf den Arm legen konnte. Ihre Stimme war zu einem kalten Fauchen geworden und ihre Augen hatte sie zu schmalen Schlitzen verengt. „Lily…“ „Bleib mir einfach vom Leib. Du hast doch keine Ahnung von mir oder von ihm oder sonst irgendwas. Warum hältst du nicht einfach die Schnauze und lässt mich in Ruhe?“ Noch eh er weiter rum jammern konnte, wirbelte sie auf dem Absatz herum und eilte aus dem Gemeinschaftsraum. Einer der Gründe, warum sie es mit einem Mal so eilig hatte weg zu kommen, waren die Tränen, die sich nicht länger zurück halten ließen. Warum konnten sie sie nicht einfach alle in Ruhe lassen? Warum konnten sie ihr ihr Glück nicht einfach gönnen? Sie wusste, dass Scorp nicht gerade eine Vorzeigepersönlichkeit besaß. Er war egoistisch, arrogant und hatte die Todesser wieder ins Leben gerufen. Und sie wusste auch, dass es mit ihm nicht so leicht werden würde, wie sie es gern hätte. Aber es war nun mal so, dass sie ihm ihr Herz geschenkt hatte. Und er hatte es noch nicht zurück gegeben. Vor der Bibliothek hielt sie inne und wischte sich die Tränen von der Wange, die sich wie Glasscherben ihren Weg aus ihrem Inneren hinaus in die Welt bahnten. Tief durchatmen. Ein und aus. Bis sich der Pulsschlag wieder normalisiert hatte und die Tränen versiegt waren. Nieder mit der Trauer-Power. Ein letzter tiefer Atemzug, eh sie die Tür aufschlug und ihr der typische Büchereigeruch entgegen schlug. Eine Mischung aus alten, ledernen Einbänden, knittrigem Pergament und brüchigem Papier. Und noch ein letzter Hauch der Verwüstung der letzten Tage. Die Bücherreihen zu beiden Seiten ragten wie Hecken in einem Labyrinth auf, scheinbar unendlich hoch, da die oberen Reihen mit der Dunkelheit verschmolzen, weil sie das warme Kerzenlicht nicht mehr erreichte. Gespenstisch. Aber auch mystisch und geheimnisvoll. Und beruhigend. Schön. Nur wenige Schüler waren um diese Uhrzeit noch in der Bibliothek. Jane wartete bereits auf einem der vordersten Tische auf sie, Schreibzeug bereitgelegt. „Tut mir leid, dass ich zu spät komme. Ich…wurde noch aufgehalten.“ „Kein Problem“, lächelte Jane ihr entgegen, doch dann legte sie den Kopf schief und musterte sich aufmerksam. „Alles in Ordnung mit dir?“ Lily hatte sich zerstreut auf einen Stuhl zu setzten versucht, auf dem einig Pergamentrollen gelegen waren. Die Rollen waren von dem Versuch eher weniger begeistert gewesen und eine Feder, die dabei gelegen war, war unter Lilys Gewicht zerbrochen. Mit einem Seufzer zupfte sie sich einen Splitter vom Hintern und sah diesmal nach, ob der Stuhl, den sie hervor zog, wirklich leer war. „Ja, alles bestens, danke.“ „Ach, dann ist der Waschbärlook seit neuem modern?“ Ups. Nicht wasserfeste Wimperntusche. Mit dem Ärmel wischte sie sich über die Augen, was die ganze Sache vermutlich nicht wirklich verbesserte. Mit einem mitfühlenden Lächeln reichte ihr die Ravenclaw einen Spiegel und eine Packung Taschentücher. Hello Kitty, wohl bemerkt. „Ach, ich hab einfach grad ein wenig Stress mit meiner Familie…“ Ein wenig war zwar leicht untertrieben, aber ja. Außerdem war es ja nicht nur ihre Familie. Irgendwie auch ihre Freunde und Verwandten und sämtliche anderen Bekannte. Die einzige Ausnahme bildete Roxanne „Wegen Scorpius?“ Es war ein offenes Geheimnis, dass die Potters nicht sonderlich begeistert von ihrer Beziehung waren. Schön, dass sie anscheinend im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit stand. Einen Moment lang überlegte sie einfach Nein zu sagen, aber im Grunde war es doch egal. Außerdem würde es schön sein, endlich mal mit jemandem drüber zu reden. Jemandem, der nicht voreingenommen war. Jemandem, der sie nicht hasste, weil sie mit ihm zusammen war. Jemandem, der Scorp mochte. Es brach wie eine Sintflut aus ihr heraus. Die Worte, wie auch die Tränen. Sie kotzte alles aus, von Anfang an. Nein, eigentlich vom Ende an. Sie berichtete von den Streitereien mit ihrer Familie in letzter Zeit. Dann mit den Meinungsverschiedenheiten am Anfang ihrer Beziehung. Und dann von ihrer Verliebtheit in der ersten Zeit. Von den Schmetterlingen im Bauch. Vom Prickeln auf ihrer Haut bei jeder Berührung. „Es war, als ob mir jeden Tag die Sonne aus dem Arsch scheinen würde.“ Jane lachte. „Was für eine noble Ausdrucksweise du doch hast.“ Einen Moment lang lächelten sich die beiden stumm an. Lilys Brust fühlte sich an, als ob eine zentnerschwere Last von ihr abgefallen wäre. Sie fühlte sich so erleichterte, so erneuert, wie nach einem reinigenden Sommerregen. „Danke, dass du mir zugehört hast. Es war wirklich ein schönes Gefühl, endlich mal mit jemandem reden zu können, der Scorp nicht hasst. Und mich nicht hasst, weil ich mit ihm zusammen bin.“ „Wer sagt, dass ich dich nicht hasse deswegen? Ich meine, du hast den absolut heißesten Typ überhaupt abgekriegt. Scorp ist sooo wahnsinnig scharf, ich will auch!“ Jane grinste und drehte genüsslich die Augen über. Rund um sie herum wurde es immer ruhiger. Vor den Fenstern war es bereits völlig dunkel geworden und eine Hand voll Sterne schimmerten deutlich abgehoben vom schwarzen Himmel durch die hohen Fenster. Einige zarte Wolkenfetzen wurden vom Wind am zunehmenden Mond vorbei getrieben. „Du hast ihn noch nicht in seiner vollen Pracht gesehen.“ Lily lächelte verschmitzt, bis Jane schallend los prustete. Eigentlich hatte sich das auf seinen wahnsinnigen Hammeroberkörper und seinen knackigen Hintern bezogen. Die Zweideutigkeit hinter ihren Worten wurden ihr erst bewusst, als Jane beinahe vom Stuhl fiel, weil sie vor Lachen keine Luft mehr bekam. Verdammt, in Gesprächen mit pubertären Teenagern musste man aber auch wirklich bei jedem Wort aufpassen, dass kein schlüpfriger Ton hinein interpretiert werden konnte. „So…“, stammelt Lily mit knallrotem Kopf, „ich…also, das war nicht so gemeint!“ Die Ravenclaw wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln, bis sie Lilys tomatenrotes Gesicht sah und erneut in Gelächter ausbrach. Jetzt passte sie wenigstens zu den Rubinstreifen auf ihrer Hauskrawatte. Nachdem die erste Peinlichkeitswelle abgeklungen war, lachte auch Lily mit. Erst zaghaft, dann immer herzhafter. Janes glockenhelles Kichern war einfach ansteckender als ein Lauffeuer. Die wenigen Schüler, die noch hinter ihren Büchern vergraben waren, warfen ihnen empörte Blicke zu, doch sie bemerkten es nicht. Es war einer der Momente, in denen man sich vor Lachen einfach nicht mehr einkriegen konnte; der Lachflash ließ sich beim besten Willen nicht unter Kontrolle bringen. „So herzhaft“, japste Jane nach einer Weile, „hab ich schon lange nicht mehr gelacht.“ Da konnte die rothaarige Gryffindor nur zustimmen. Selbst ihre Freundschaft mit Roxanne war seit dem Anfang ihrer Beziehung überwölkt gewesen. Es war einfach nicht mehr dasselbe seither. Irgendwie komisch, wie sehr eine einzige Entscheidung ein ganzes Leben so ändern konnte. Nichts war mehr wie bisher und würde auch nie wieder so sein. Doch im Moment störte es Lily zur Abwechslung mal nicht. Sie fühlte sich erleichtert und glücklich, diese drückende, beengende Leere in ihr war verschwunden. Lily fühlte sich selig, während sie Janes munteres Geplapper über sich ergehen ließ. „…aber wenn du ihn näher kennst, ist er eigentlich wahnsinnig cool. Naja, aber das bist du auch. Selbst Quinn kann das nicht leugnen. Er mag dich, was in etwa eine Hand voll Leute von sich behaupten können. Ich wünschte, dass du Weihnachten mit uns verbringen würdest. Scorp wollte dich nicht fragen, weil er meint, du würdest sicher lieber mit deiner Familie feiern.“ „Was?“ Jane sah von ihrem Pergament hoch, auf das sie gerade kleine Herzchen gemalt hatte, während sie von Scorp schwärmte. „Welchen Teil soll ich jetzt noch mal wiederholen? Den, in dem ich deinen Freund anhimmle, den über Quinn oder den Schluss?“ „Den Schluss.“ „Ich wollte dich zu Weihnachten einladen – ich hätte dich gern bei uns dabei gehabt – aber Scorp wollte nicht, dass ich dich frage, weil er meint, dass du sicher lieber mit deiner Familie feiern würdest und er dich nicht in die Lage bringen wollte, dass du ‚nein‘ sagen musst. Keine Ahnung, was daran so schlimm sein sollte. Aber er glaubt, dass du mit deiner Antwort niemanden vor den Kopf stoßen wollen würdest, wenn du sagst, dass du das Fest der Liebe nicht mit uns verbringen willst. Oder irgendwas in die Art jedenfalls.“ Das Goldköpfchen zuckte die Achseln und grinste, während Lily lächelte und die gerührten Tränen zu unterdrücken versuchte. Er war einfach perfekt. So liebevoll und fürsorglich. Und es war absolut unfair von ihr, auch nur für eine Minute an ihm zu zweifeln. „Seit wann ist Scorp denn so fürsorglich? So kenn ich ihn ja gar nicht“, scherzte Lil, um ihre Rührseligkeit zu überspielen und Jane kicherte. „Womit wir wieder beim Thema wären, wie toll er doch ist.“ „Ich will dir ja nicht drohen oder so, aber nur damit du’s weißt: ich kratz jedem die Augen aus, der ihm zu nahe kommt.“ Die beiden lachten und Jane hob theatralisch die Arme in einer abwehrenden Geste. „Vielen Dank für die Warnung – ich werd sie beherzigen, da mir mein Augenlicht lieb ist.“ „Gut“, schloss Lily, „da wir das jetzt geklärt hätten könnten wir uns dann langsam mal den wirklich wichtigen Dingen des Lebens widmen: Muggelkunde.“ Obwohl Muggelkunde nicht gerade eines von Lilys Lieblingsfächern war, war es doch einer der schönsten Abende seit Langem. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)