The Weight Of The World von Puppenspieler ================================================================================ V.IV. Return ------------ Weshalb er Kuroos Einladung, bei ihm zu übernachten, angenommen hatte, war Morisuke inzwischen selbst unverständlich. Er hätte einfach nach Hause gehen sollen, nachdem sie aus der Bahn gestiegen waren, die sie vom Trainingscamp zurückgebracht hatte. Stattdessen stand er jetzt hier, mitten in der Nacht, war längst todmüde und wollte schlafen, und starrte stattdessen seit einer gefühlten halben Stunde schweigend aus dem Fenster in den lichtverschmutzten, gelblichen Himmel, an dem kaum ein Stern zu sehen war. „Es ist immer wieder schade“, kommentierte Kuroo plötzlich neben ihm. Morisuke zuckte zusammen von der unerwarteten Ansprache, wandte sich zu seinem Freund um, der wehmütig grinste. „Von hier aus sieht man den balletttanzenden Russen einfach nicht.“ Morisuke knurrte und trat Kuroo seitlich gegen das Schienbein. Er wollte den balletttanzenden Russen auch nicht sehen! Auch wenn er zugeben musste, dass die Erinnerung irgendwie nach wie vor liebenswert war. Lev war so begeistert gewesen.   „Der ganze Kindergarten hat den Schwachsinn adaptiert wegen euch. Lev fand das super.“ „Bokuto auch!“, gab Kuroo lachend zurück – ein Lachen, das ein bisschen so klang wie ein mies schauspielerndes Schluchzen. Kein gutes Thema. Dabei war es schon eine Weile her, dass Bokuto und Akaashi gegangen waren. Aber… Morisuke verstand es. Auch wenn er selten sentimental sein wollte, in einigen Dingen war er es dann einfach doch.   Die Stille kehrte zurück. Er hätte den Abend lieber bei Lev verbracht, auch wenn das bedeutete, dass der Familienhund Vassi ihn belagerte und nicht mehr in Ruhe ließ. Irgendwie war er ja doch süß, solange Lev nicht betonte, wie ähnlich sie sich seien. Morisuke war kein kleiner, runder Flauschball! Er war nicht einmal klein, verdammt! … Nicht so klein zumindest. Noch so eine Sache, die Lev einfach nicht lernte. Genauso, wie die Tatsache, dass Spitznamen nicht in die Öffentlichkeit gehörten, aber inzwischen hatte Morisuke aufgegeben, sich darüber zu ärgern. Vergeudete Lebenszeit, es half ja eh nicht.   Und, auch wenn er es nie zugeben würde, inzwischen mochte er den Namen.   „Weißt du, es passt zu dir.“ Als Kuroo wieder sprach, war noch eine weitere halbe Ewigkeit vergangen. Er plauderte. Morisuke war nicht nach plaudern. Nach wehmütig sentimentalem Blabla und In-Erinnerungen-Schwelgen, um hinauszuzögern, was unvermeidlich zwischen ihnen stand wie der sprichwörtliche rosa Elefant. Er hatte wirklich keine Lust, und er konnte sich zumindest einreden, dass das der Grund war, weshalb seine Antwort schroffer ausfiel als nötig:  „Du hast das vorhin ernst gemeint, oder?“ „Hmhm. Hier ist Ende für mich. Also, für uns.“ Kuroo lachte. Morisukes Mundwinkel zuckten unzufrieden, und einen Moment gab er sich dem Gedanken hin, wie es beim nächsten Mal sein würde, wenn er hierher zurückkehrte. Ohne Kuroo. Ohne diesen Idioten, der ihm sein Leben zur Hölle machte und dabei ganz nonchalant und selbstverständlich zu seinem besten Freund wurde. Da würde eine Kuroo-förmige Lücke sein, all die Zeit. So oft sie auch wieder herkommen würden. Wie oft?   Tröstlich war nur der Gedanke, dass er niemals mit einer Lev-förmigen Lücke leben müsste.   „Allein entscheiden ist ja nicht.“ Der unverhoffte Nachsatz ließ Morisuke seufzen. „Ich versteh nicht, wie ihr darüber reden könnt.“ „Das kommt mit der Zeit. Passiert dir auch noch.“ Morisuke schnaubte, ein vehementer, wortloser Widerspruch. Kuroo sah ihn nur an, auf diese elende, wissende Art, die nach diesem Mal nie wieder zurückkommen würde.   „… Und Kenma?“ Stille. Ein Schatten huschte über Kuroos Gesicht, aber dann schüttelte er den Kopf, der düstere Blick verschwand und zurück blieb gelassene Überzeugung. „Der Chibi passt gut auf ihn auf, passt schon. Gab genug Gelegenheiten, wo wir nicht dauerhaft aufeinander kleben konnten, und er trotzdem gut überlebt hat. Wird schon schief gehen. Ich meine… Weißt du noch damals? Als wir Titanen jagen waren? Da hat’s auch geklappt!“ Morisuke wollte sich nicht erinnern. Er lachte trotzdem auf. „Lev war doch selbst fast einer.“ „Du übertreibst! Aber es war gut.“ „Gibt besseres. Es war nicht appetitlich, von einem Monster gefressen zu werden.“ Erinnerungen, auf die Morisuke echt irgendwie verzichten könnte. Aber irgendwie gehörten sie auch dazu. Und wenn er dann daran dachte, wie schön es eigentlich gewesen war, sich abends in der Kneipe zu treffen und mit der Wachgarnison über ihre Abenteuer draußen in der Wildnis zu reden, dann war es doch irgendwie… es hatte so viel Spaß gemacht! Und obwohl es hart gewesen war, war es eines der Leben, in denen Kenma am Häufigsten gelacht hatte. Wenn man jeden Tag fürchten musste, dass der eigene Freund nicht mehr von seinen Aufklärungsmissionen zurückkam, war es wohl irgendwie leichter, Glück zu leben, wenn es da war. Sie waren alle so gewesen.   „Ich hab’s trotzdem gemocht“, kommentierte Kuroo, „Auch wenn ich plattgetreten wurde.“ „Hm. War ein gutes Leben.“   Sie waren alle gut gewesen. Egal ob Cheerleading, Eiskunstlauf, riesige Monster oder irre Zauberwelten.   Nur auf Levs dämlichen Yaku-Radar würde er für immer verzichten können!   „… He Yakkun.“ Wieder war es Kuroo, der die Stille durchbrach. Morisuke stieß unzufrieden die Luft aus. Er wollte Stille. Oder, dass Kuroo zum Punkt kam, aber so, wie er den Idioten inzwischen kannte, würde er einfach nie zum Punkt kommen. Er würde einfach beim nächsten Mal nicht  mehr da sein, wenn sie herkamen. Er nicht. Daishou nicht. Und Morisuke würde ewig angepisst sein, weil er ihm nicht einmal mehr einen letzten Arschtritt zum Abschied verpassen hatte können. „Was willst du?“ „Ich bin fast neidisch.“ Jetzt wandte er sich zu Kuroo um, hob die Augenbrauen. Der Kerl zog den Ausschnitt seines Schlafshirts runter, bis die oberen Striche seiner eigenen Botschaft auf seiner Brust erkennbar wurden. Er wusste, was dort stand – ein halber Roman, verglichen mit den wenigen Worten, die er selbst trug. Morisukes Augenbrauen wanderten noch weiter. „Hä?“   „Es sind gute letzte Worte.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)