Let's Run!!! von Mezzo ================================================================================ Kapitel 20: Anzeige ist raus ---------------------------- Dash hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht und durchstöberte schon den ganzen Morgen lang diverse Jobbörsen, während Ran nicht weit entfernt an seinem Schreibtisch seiner Arbeit nachging und immer wieder, wie es schien mit von Stunde zu Stunde zunehmender Unlust, Supporttelefonate annahm. Und je länger er ihm dabei zuhörte, umso bewusster wurde ihm, wie sehr Ran seinen Job hasste und wie wichtig es war, dass er endlich etwas Besseres fand. Und wenn es das nur auf Hawaii gab, dann würde Dash mit ihm gehen. Deshalb brauchte er selbst einen Job, bei dem er flexibel blieb. Sowas wie einen Studentenjob, den er jederzeit wieder kündigen konnte, wenn es so weit sein würde. Vielleicht Kellnern … oder Taxifahren ohne Taxischein, wie bei Crazy Taxi (Moment, das hieß heute Uber…) … oder Tiere beim Tierarzt vor ihrer Behandlung streicheln und mit Leckerlis füttern, damit sie ruhig bleiben (Das war kein echter Job … Aber es sollte einer sein!). Er versuchte, mehr Stellenausschreibungen zu markieren, auf die er später eine Bewerbung schreiben wollte, aber Ran im Hintergrund wurde immer lauter und es fiel ihm immer schwerer, sich zu konzentrieren.   „ES GIBT KEINEN VIRUS, DER DIESE FEHLERMELDUNG HERVORRUFT, SIE BRAUCHEN EINFACH NUR IHRE LIZENZ!!“ Die Wörter Virus und Lizenz waren in den letzten Minuten eindeutig schon öfter gefallen. „Sind Sie SICHER, dass der Dongle eingesteckt ist und erkannt wird?“ Haha, Dongle. Das war ein lustiges Wort. Musste er sich für später merken. Für wenn er seinen Dongle mal bei Ran einstecken durfte (was?). Ran war von seinem Schreibtisch aufgestanden und lief nervös davor hin und her, während er dem Kunden am Headset zuhörte. „Okay, wissen Sie was, ich schau mal über Remote-Access bei Ihnen rein … Fern– … Nein, das heißt Fernzugriff, dann kann ich selbst nachschauen, was bei Ihnen mit der Software nicht stimmt.“ Er konnte ihn seufzen hören, und auch wenn Ran in Richtung seines Bildschirms schaute, vor dem er wieder Platz nahm, war Dash sicher, dass er gerade die Augen verrollte. „Ach du – Okay, haha – Ihre Paranoia vor Viren ist begründet, haben Sie ernsthaft keine Firewall?“ Ran legte für einen Moment beide Hände vors Gesicht, bevor er zur Maus griff. „Ich installiere Ihnen jetzt einen Virenschutz, bevor ich hier irgendwas anderes mache, das ist … unverantwortlich. Wo haben Sie denn … Sie haben ernsthaft nur Internet Explorer? … Ihnen ist bewusst, dass die Version zehn Jahre alt ist? … OH MEIN GOTT, WAS IST DAS?!?! Das ist ja mehr Toolbar als Browser! Ich kann das Suchfeld nicht sehen vor lauter Addons. Ist das wirklich Ihr Ernst?! … Ja, Entschuldigung, aber das ist eigentlich nicht mein Job. Ich seh jetzt mal nach, wo – Nein. – SIE WOLLEN MICH DOCH VERARSCHEN! SIE KLICKEN NICHT WIRKLICH AUF SOLCHE POPUPS?! NEIN, Sie haben KEINE zehn Millionen Euro gewonnen! Ich werde das NICHT anklicken, SO kommen VIREN auf Ihren Rechner!!“   Rans Verzweiflungstiraden dauerten noch eine ganze Weile an, bis er schließlich kurz vor der Resignation schien. „Also, ich habe Ihnen jetzt einen Virenschutz und einen Adblocker installiert, nach Viren gesucht und alle Treiber geupdatet. Neu gestartet hab ich auch. Ich weiß wirklich nicht, woran es noch liegen kann. Das einzige, was wir jetzt noch machen können, ist, Ihnen einen neuen Dongle zuzuschicken, das dauert dann aber ein paar – einen Dongle, darüber haben wir doch vorhin geredet. Da ist Ihre Lizenz drauf. … Sie haben mir doch gerade versichert, dass der eingesteckt ist. … Ein weißer USB-Stick, steht fett WILLOWSOFT drauf. … Warum fragen Sie denn dann nicht nach, meine Fr–“ Er schnaufte theatralisch aus. „SIE SOLLEN NICHT DENKEN, SIE SOLLEN MIR ZUHÖREN!!!“ Er atmete noch heftiger, während der Kunde am Headset irgendetwas erzählte. „Schicken Sie mir mal ein Foto von Ihren USB-Steckplätzen. … Mhmh, wie erwartet, da ist kein Dongle. … Ja, das sollte Ihnen auch leid tun. … Haben Sie eine Idee, wo der abgeblieben sein könnte? … Mhmh, aha. … Nein, der ist weiß. … Schicken Sie mir auch noch ein Foto von Ihrem Schreibtisch? … Ja, deshalb finden Sie ihn vermutlich nicht.“ Er klickte auf seinem Rechner herum und starrte genervt-konzentriert auf den Bildschirm. „Unter dem Umschlag, links oben. Neben den drei leeren Kaffeetassen. Nein, nicht neben der vollen. Genau. Einmal hochheben. Ist er das? … Mhmh, genau. … Jetzt stecken Sie den mal in Ihren PC ein und öffnen Sie das Programm nochmal neu. … Na, wer sagt’s denn. War doch ein Kinderspiel. … Gern geschehen. Tun Sie mir einen Gefallen und räumen Sie Ihren Browser auf … Und Ihren Schreibtisch. Wiederhören.“ Ran tippte wie wild geworden auf seiner Tastatur herum, bevor er das Headset auf seinen Schreibtisch knallte und selbst mit einem „AAARGH!!!$%&¿?!“ auf den Boden neben seinem Schreibtischstuhl sackte. Das war Dashs Stichwort, zu ihm zu eilen.   „Du brauchst eine Umarmung“, grinste er ihn an und kniete sich zu ihm auf den Boden. Ran schaute ihn unschlüssig an, als wäre er sich nicht sicher, ob er ‚Dein Ernst?!‘ oder ‚Ja, bitte!‘ antworten sollte, aber ließ es brav über sich ergehen, als Dash seine Arme um ihn legte und seinen Kopf streichelte, den er schließlich auf seine Schulter sacken ließ. „Du … solltest den Job auf Hawaii annehmen, glaub ich.“ Ran sagte eine Weile nichts, hob dann seinen Kopf an und löste sich wieder aus Dashs Umarmung. „Ich weiß.“ Er sah unglücklich aus, wich Dashs Blick aus. „Schlimmer kann’s doch kaum werden“, versuchte Dash etwas Positives zu sagen, „Und wenn doch, dann bist du nicht allein. Ich–“ „Doch, das bin ich“, erwiderte Ran trotzig. „Dash, ich … wir … wir kennen uns noch nicht lange genug. Vielleicht“, er murmelte in sich hinein, „sagst du heute das und morgen was anderes. Ich … will mir nicht falsche Hoffnungen machen, nur um dann wieder–“ „Du kennst mich“, fiel Dash ihm ins Wort. Er nahm Rans Hand, führte sie zu seinem Herzen. „Du weißt besser, wie es in mir aussieht, als jeder andere. Du hast mir geholfen, mich selbst besser zu verstehen.“ Einen ganz kleinen Moment lang schaute Ran ihm mit der Vertrautheit, von der Dash wusste, dass sie zwischen ihnen da sein könnte, in die Augen, nur um dann hastig den Blick wieder abzuwenden und seine Hand zu sich zurück zu ziehen. „Und wenn du mir nicht vertrauen kannst“, das würde Ran noch lernen, ganz bestimmt, „dann vertrau wenigstens dir selbst. Du bist so schlau und kreativ, du hast einen Job verdient, bei dem du das beweisen kannst.“ Ran schnaubte verächtlich. „Du stellst dir immer alles so einfach vor.“ „Hör dir doch wenigstens mal an, was sie dir zu bieten haben, gib dem Job eine Chance, absagen kannst du später immer noch … Hauptsache du schickst mich nicht wieder nach Hause, wenn ich dann irgendwann auch nach Hawaii komme.“ Ran schaute ihn unentschlossen an, öffnete mehrmals den Mund, als wollte er etwas sagen, aber ließ es dann doch wieder sein.   „Machst du Mittagspause?“, versuchte Dash das Thema zu wechseln. „Ich mach Feierabend für heute, hab meine Pflichtstunden erfüllt. Wir wollten doch zur Polizei gehen.“ Ob Ran deshalb so früh angefangen hatte? Extra wegen ihm? „Dann brauchen wir vorher noch eine Stärkung!“, beharrte Dash mit einem Lächeln. „Wollen wir was kochen? Wir könnten Ananas-Curry machen! Oder Spaghetti Honoluluani! Oder Königsberger Klopse Hawaii!“ Ran wirkte skeptisch. Noch skeptischer als sonst. „Oder lieber Pizza bestellen?“ Jetzt lächelte er verlegen zurück. „Ich … hab nicht wirklich Sachen zum Kochen da … ich muss mal wieder einkaufen gehen…“ „Kein Problem!“, lächelte Dash, „Dann bestellen wir jetzt erst mal Pizza und nach der Polizei können wir mit meinem Auto einkaufen, okay?“ Der Vorschlag schien Ran zu gefallen. „Das klingt gut, ja.“    Die Pizza ließ außergewöhnlich lange auf sich warten. Dash hatte Ran zwischenzeitlich die Jobanzeigen gezeigt, auf die er sich bewerben wollte, und Ran hatte beschlossen, dass er seinen Laptop nutzen konnte, um Bewerbungen zu schreiben, bis er seinen eigenen wieder hatte. Und weil Ran gute Vorlagen gespeichert hatte. „Du kannst das hier als Vorlage benutzen“, öffnete er einen einwandfrei gelayouteten Bewerbungsbogen auf dem Rechner. Dash schaute einen Moment lang erstaunt darüber. „Das ist deine Bewerbung für Hawaii“, stellte er schließlich fest. „Ja, die … wollten nochmal eine formelle Bewerbung für ihre Unterlagen, aber ich hätte den Job quasi sicher … wenn ich mich zurückmelde jedenfalls. Und wenn es ihnen jetzt doch nicht schon zu lange gedauert hat“, murmelte Ran in sich hinein. „Du hast schon alles fertig?“ Er schaute Ran halb beeindruckt, halb anklagend ins Gesicht. „Sogar das Anschreiben?“ Das Anschreiben hatte sogar einen Satz, in dem Ran sich dafür entschuldigte, dass er sich so lange Zeit mit der Antwort gelassen hatte, weil der Umzug eine sehr große Entscheidung wäre. „Warum hast du das nicht abgeschickt?“ Ran wirkte nervös. „I-i-ich … es ist eine große Entscheidung, das hab ich dir doch erklärt. Ich kenne noch nicht mal den Chef, ich kann nicht einfach zusagen und dann–“ „Das ist nur eine Bewerbung“, versuchte Dash ihn zu beruhigen. „Niemand verlangt von dir, dass du blind nach Hawaii ziehst. Bestimmt habt ihr vorher erst mal ein paar Kennenlerngespräche über Skype oder so, vielleicht kannst du dich auch schonmal von hier aus einarbeiten bevor du eine definitive Zusage machst.“ Ran schaute verlegen in der Gegend herum. „Du solltest das abschicken. Na los.“ „Jetzt?!“, fragte Ran entsetzt zurück. „Warum nicht? Du hast dir so viel Mühe mit der Bewerbung gemacht.“ „Nur weil man sich Mühe mit etwas macht, heißt das nicht, dass es gut wird“, sagte Ran trotzig. „Aber de-da-du–“ Dash wusste gar nicht, wie er Ran widersprechen sollte, so viele Gründe gab es, dass er verflixt nochmal diese Bewerbung abschicken sollte. Er tippelte nervös mit den Füßen auf der Stelle herum. „Du hast was besseres verdient als diesen verdammten Callcenter-Job!“, er wurde unbeabsichtigt laut beim Sprechen, „Du hast es geschafft, dass ich mich überwunden habe, Lunis zu sagen, dass er sich ficken kann. Dieser Job ist dein Lunis! Sag ihm: Fick dich, Support-Hotline! Trau dich, Ran! Bitte, trau dich. Es kann nur besser werden.“ Ran starrte ihn eine ganze Weile wortlos mit großen Augen an, bevor er in ein seltsames, unkontrolliertes Lachen ausbrach. „Dash, beruhig dich. Das ist …“, er schnappte amüsiert-verwirrt nach Luft, „Das ist doch kein Vergleich. Ja, ich reg mich gerne auf, aber–“ „Du leidest unter diesem Job. Du solltest einen Job haben, den du gerne machst und bei dem du Anerkennung bekommst und–“ „Solche Jobs gibt es nicht.“   Warum musste Ran nur immer alles so schwarz malen? „Das weißt du nicht, bis du es nicht wenigstens versucht hast“, stellte er sich ihm entgegen. „Komm schon, du hast nichts zu verlieren. Du kannst immer noch absagen, wenn dir irgendwas nicht passt.“ Ran schnaufte energisch. „Okay, damit du aufhörst, mich damit zu nerven“, holte er den Laptop wieder zu sich und öffnete sein E-Mail-Programm. Er kopierte etwas aus dem Anschreiben in die E-Mail, tippte noch ein paar Zeilen und fügte die Anhänge an, schaute dabei immer wieder unsicher zu Dash, als wollte er etwas sagen, machte es dann aber doch nicht. „Ich … schicke dann jetzt ab, okay?“ Rans Blick und Stimme waren immer noch seltsam verunsichert. Wartete er etwa darauf, dass Dash ihn davon abhalten würde, die E-Mail abzuschicken? „Ja, los!“, sprach Dash ihm Mut zu und Ran klickte endlich den Senden-Button. Er sah nicht wirklich erleichtert aus. „Ran, ich … drück dir alle Daumen … ich weiß, dass du denkst, dass der Job bedeutet, dass du alleine sein musst, aber das stimmt nicht. Ich tu alles, was ich kann, damit –“ Es klingelte an der Tür. Die Pizza. Bevor er eine Chance hatte, seinen Satz zu beenden, war Ran aufgesprungen und zur Sprechanlage geeilt. Dash folgte ihm zur Wohnungstür.   „Sorry, Jungs“, schnaufte der schon etwas betagtere Pizzabote mit buschigen, ernsten Augenbrauen, als er vor der Wohnung angekommen zwei duftende Pappschachteln aus der Transportbox holte und von Ran Geld entgegennahm, „Ihr bekommt ‘ne Flasche Cola für die Verspätung dazu, wir sind gerade extrem unterbesetzt. Aber ich alte Kämpfernatur schaukele alles alleine.“ Er schnaufte noch einmal kräftig. „Aber falls ihr jemanden kennt, der dringend ’nen Job sucht–“ „ICH!!!“, fiel Dash ihm begeistert ins Wort. „Ich such ’nen Job! Pizza ausfahren wäre genau das Richtige!“ Er hibbelte aufgedreht auf der Stelle herum. „Das hab ich im Studium schonmal gemacht, ich bin Profi! Ich pfeife sogar italienische Lieder, während ich die Treppen hochkomme! Okay, eigentlich nur eins, mehr kenne ich nicht, aber das wird nie langweilig. Ich kann direkt anfangen! Wo kann ich mich melden?“ Warum wirkten sowohl Ran als auch der Pizzamann, als würden sie ein Kichern unterdrücken?  „Donnerwetter, so viel Begeisterung… Okay, warte, ich ruf kurz beim Boss an und frage nach.“ Er stellte die Transportbox ab und holte sein Handy aus der Hosentasche. „Boss, ich hab hier einen jungen Mann, der bei uns anfangen könnte“, nuschelte er in sein Telefon. „Wie heißt du?“, wandte er sich an Dash. „Dash!“, rief er etwas zu laut und aufgeregt zurück, „Dash Glückauf!“ Der Pizzabote murmelte noch ein paar Sätze ins Handy, bevor er es zurücksteckte und sich wieder den beiden zuwandte. „Du kannst heute Abend gegen sieben bei uns im Laden vorbeischauen, da hat er Zeit. Adresse steht auf dem Flyer.“ „AWESOMESAUCE!!“, freute sich Dash. Der Pizzamann schien den Ausdruck nicht zu kennen. „Das heißt so viel wie, äh, astrein“, erklärte Dash schnell und sah aus dem Augenwinkel, wie Ran amüsiert den Kopf schüttelte. „Dann sind wir bald Kollegen!“, lachte er, „Wie heißt du?“ „Karate-Mike“, entgegnete der Pizzabote, „Also… Mike. Aber der Pizzabäcker heißt auch Mike, deshalb nennen mich auf Arbeit alle Karate-Mike, weil ich Karate mache.“ „Woaaah“, Dashs Augen begannen zu leuchten, „Kannst du mir Karate beibringen?“ Er hörte, wie Ran versuchte, erfolglos ein Lachen zu unterdrücken. „Dash, jetzt lass den armen Mann in Ruhe, der muss Pizza austragen.“ Dann waren Karate-Mikes Augen plötzlich zielsicher auf Ran gerichtet. „Machst du auch Karate?“, wollte er wissen. Ran schien von der Frage völlig überrumpelt. „Was – nein – wieso – Nur weil ich Japaner bin, mache ich kein Karate.“ Sein Tonfall wurde defensiv. „Sowas ist total rass–“ „DANN SEHEN WIR UNS BESTIMMT MORGEN“, versuchte Dash ihn schnell zu übertönen. „Ich fürchte auch“, entgegnete Karate-Mike, „Auf meinen nächsten freien Tag muss ich sicher noch eine Weile warten. Aber ich lass mich nicht unterkriegen, lasst es euch schmecken!“ Ran und Dash starrten sich irritiert an, nachdem Karate-Mike verschwunden und die Wohnungstür wieder geschlossen war.   „Sorry, dass ich dir ins Wort gefallen bin“, war das erste, wonach Dash das Bedürfnis hatte, es zu sagen. „Nein, das – ist schon – ich – bin nicht gut mit Menschen…“ stammelte Ran. „Doch, du – Du sagst, wenn dir was nicht passt. Das ist wichtig. Das sollte ich auch öfter machen“, sagte Dash einsichtig. „Damit dich auch keiner mag?“, schnaubte Ran. „Ich mag dich“, lächelte Dash. „Du magst ja auch jeden“, erwiderte Ran abfällig, aber nicht ohne ein ganz kleines bisschen rot zu werden, „Und freust dich wie ein Idiot über einen Job als Pizzalieferant, nachdem du mir schon die ganze Zeit erzählst, wie wichtig es ist, einen Job zu haben, bei dem man respektiert wird und sein Können unter Beweis stellen kann und–“ „Für dich!“, lächelte Dash überzeugt zurück, „Ich brauche erst Mal was für den Übergang, damit ich für Hawaii sparen kann, und da finde ich dann auch meinen Traumjob.“ Ran wirkte skeptisch. „Du glaubst da wirklich dran, was?“ „Natürlich!“, antwortete Dash wie aus der Pistole geschossen. Warum konnte Ran nicht auch daran glauben? „Wenn man fest genug daran glaubt, dann passieren auch gute Sachen! So wie dass ich jetzt einen neuen Job habe.“ „Das ist … immer noch total surreal. Ich meine, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass–“ „Manchmal meint das Universum es halt auch mal gut mit einem, wenn davor was Schlimmes passiert ist. So war das bei mir meistens…“ Er dachte an seine ersten Eltern und an die Glückaufs. „Bestimmt hat es mich deshalb auch zu dir geführt, nach Lunis…“ Ran schaute ihn irgendwie mitfühlend an, bekam schon wieder ganz rote Wangen. Er wollte ihn so sehr küssen, ihn so sehr an sich drücken und nie mehr wieder loslassen. „Das ist doch Unsinn. Ich meine, schöner Unsinn irgendwie, aber–“ Ran schaute ihm verlegen in die Augen. Dash lächelte ihn an, näherte sich ihm, schloss seine Augen und spitzte die Lippen – „DASH, ich – das – wir…“ Ran war zurückgeschreckt. „Wir wollten doch – Pizza essen – die Pizza … wird kalt.“ Ran schnappte sich, ohne ihn noch einmal anzuschauen, die beiden Pizzakartons und rannte damit regelrecht ins Wohnzimmer zurück.   Nach dem Essen waren sie zur Polizei aufgebrochen – nicht, ohne sich noch einmal zu vergewissern, dass Lunis’ Motorrad noch immer bei Dashs Wohnung geparkt war. Dash war schrecklich nervös, während er dem Polizisten für die Anzeige von den vergangenen Ereignissen mit Lunis berichtete, angefangen mit der Auseinandersetzung auf dem Parkplatz, nach der er im Krankenhaus gelandet war. Und obwohl es so gut geklappt hatte, als er mit Ran geübt hatte, die Geschichte zu erzählen, war er vor dem Polizisten so aufgeregt und schämte sich immer noch so sehr, dass er zu schnell mit zu vielen unnötigen Details redete, nervös über Dinge lachte, die eigentlich nicht lustig waren, und andere sogar herunterspielte. Er war Ran dankbar, dass er ihm manchmal ins Wort fiel und Dinge richtig stellte oder zusammenfasste, wenn er selbst sie nicht anständig wiedergegeben hatte. „Und Sie haben die Anschrift von diesem der-die-das Lunis?“ Dash spürte einen kleinen Stich in seinem Herzen. Es war gar nicht mal so sehr, dass der Polizist Lunis beleidigt hatte. Er wollte und würde Lunis nie mehr verteidigen – zumal Lunis sowas ohnehin egal war (im Gegensatz zu Nevis, bei der / dem er schon mehrere kleine Nervenzusammenbrüche auf Grund solcher Aussagen erlebt hatte). Aber wofür er Lunis beleidigt hatte, lag Dash schwer im Magen. „Lunis ist non-binary“, versuchte er zu erklären und war sich anhand des Gesichtsausdrucks des Polizisten sicher, dass er das Wort noch nie gehört hatte. „Biologisch und … auf dem Papier ist er ein Mann, wenn es das einfacher macht“, übernahm Ran das Reden. „Ja, danke, das macht es einfacher“, nickte der Polizeibeamte Ran zu und fügte mit einem Kopfschütteln hinzu: „Die wollen jetzt ja sogar auf dem Ausweis ein drittes Geschlecht einführen für solche Leute.“ Dash sackte das Herz in die Hose. Er konnte gar nicht genau auf den Punkt bringen, was es war, aber er war sich plötzlich sicher, dass die Anzeige eine dumme Idee gewesen war. Dass ihn hier niemand ernst nehmen würde. Oh Gott, fing er etwa an, wie Ran zu denken? Bestimmt hatte der Polizist das nicht so gemeint, wie es bei ihm angekommen war. Er spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen.    Ran begegnete seinem Blick, schenkte ihm ein Lächeln, das halb mitfühlend schien, halb „reiß dich zusammen“ sagte, und drückte kurz seine Hand. Es war genug, um das Schlimmste zu verhindern. Dann merkte er, dass der Polizist ihn ungeduldig anstarrte. „Also?“, hakte er nach. Was wollte er von ihm? „Die Adresse?“ „Ooh“, rief Dash zu laut aus, als ihm klar wurde, wie sehr seine Gedanken abgedriftet waren, und schaffte es schließlich, Lunis’ Adresse zu diktieren. „In Ordnung, der junge Mann bekommt dann eine Vorladung von uns. Ist ein anderer Gerichtsbezirk, das heißt das kann eine Weile dauern.“ Er stand von seinem Schreibtisch auf und ging Richtung Tür, streckte Ran und Dash die Hand entgegen, um sie zu verabschieden. Das … war es? „A-aber“, hörte er Ran plötzlich losstammeln, „Lunis ist immer noch in Dashs Wohnung, können Sie da nichts–“ „Doch, natürlich“, entgegnete der Polizeibeamte, als hätte er nie etwas anderes vorgehabt, „Ich schick Ihnen jemanden mit.“   „Tut mir leid, ich hab mir das einfacher vorgestellt“, fiel Ran ihm plötzlich um den Hals, als sie zusammen in Dashs Auto saßen und darauf warteten, dass die junge Polizistin, die sich ihnen als Jenny vorgestellt hatte, und ein Kollege ihnen im Polizeiauto zu Dashs Wohnung vorausfahren würden. Dash genoss einen Moment lang Rans Umarmung, die er so fest er konnte erwiderte, das schöne Gefühl, zu wissen, dass Ran auf seiner Seite war, bevor er antwortete. „Dann … kam das nicht nur mir so vor, als würde der Polizist mich nicht ernst nehmen?“, schaute er Ran unsicher an. Ran seufzte. „Du hast es ihm auch nicht gerade leicht gemacht“, musste er ein bisschen grinsen, „Vielleicht hättest du Pinapberry nicht erwähnen müssen … und die Box of Shame …“ Dash blickte schuldbewusst zu Boden. „Aber das ändert nichts daran, dass der Typ ein Arsch ist. Den Kommentar mit dem Ausweis hätte er sich echt sparen können.“ Rans Gesichtsausdruck war bitter. Er konnte sehen, dass es ihn genau so getroffen hatte. Konnte plötzlich ein bisschen besser verstehen, warum Ran bei Karate-Mikes Karatekommentar am Mittag so böse geworden war. „Aber hey“, lächelte Ran ihn plötzlich an und nahm wieder seine Hand, sodass mit einem Mal all die negativen Gedanken wieder aus seinem Kopf verschwanden, „du kannst trotzdem stolz auf dich sein. Du hast Lunis angezeigt und das wird nicht ohne Folgen bleiben. Egal, wie halbherzig die Polizei an die Sache geht. Auf jeden Fall hast du ein Zeichen gesetzt, das bei Lunis ankommen wird. Und jetzt gehen wir und schmeißen ihn aus deiner Wohnung.“ Es kam ihm ein bisschen vor, als würde Ran sich heimlich auf den letzten Punkt freuen. Vielleicht sollte er das auch. Aber gleichzeitig hatte er irgendwie Bedenken, was gleich passieren würde. Ob die Polizei Lunis festnehmen würde?    Wie auf Kommando schoss da auch schon ein Polizeiauto, aus dem Polizistin Jenny energisch herauswinkte und dabei auf die Hupe drückte, an ihnen vorbei, um mit zu hoher Geschwindigkeit den Parkplatz zu verlassen. Dash nahm es als Anlass, ebenso aufs Gas zu drücken und ihr hinterher zu sausen. „Immerhin ist diese Jenny sympathischer als der Typ vom Revier“, lachte er und genoss die ‚Verfolgungsjagd‘. „Pass auf, dass sie dir gleich keinen Strafzettel für überhöhte Geschwindigkeit ausstellt“, grinste Ran und fügte lachend ein „Zapdos verfällt in Raserei“ hinzu, auf das Dash sich ein „DIE ATTACKE IST SEHR EFFEKTIV!!“ nicht verkneifen konnte, während er noch stärker aufs Gas drückte, nur um an einer roten Ampel eine Vollbremsung hinzulegen, nach der er und Ran mit weit aufgerissenen Augen heftig schnaufend beschlossen, sich für den Rest der Fahrt an die Geschwindigkeitsvorgaben zu halten.   Als sie an Dashs Wohnung ankamen, war Lunis’ Motorrad vom Parkplatz verschwunden. „Sieht aus, als kämen wir hier vorerst nicht weiter“, erklärte die Polizistin mit einem Schulterzucken, nachdem die beiden Polizeibeamten die Wohnung durchsucht und sichergestellt hatten, dass Lunis nicht da war. „Die Tür wurde aufgebrochen?“, vergewisserte sie sich noch einmal. „Ja“, erklärte Dash, „Das wurde auch in die Anzeige aufgenommen.“ Ihm wurde bewusst, dass es ihm doch ganz gut gefallen hätte, Lunis mit der Polizei rauszuschmeißen, und er sich nun wieder seltsam hilflos fühlte. „Ich würde vorschlagen, Sie holen direkt einen Schlüsseldienst und lassen das Schloss austauschen, dann sind Sie wieder sicher“, nickte sie ihm beschwichtigend zu.   „Mehr können wir leider im Moment nicht machen. Aber die Anzeige ist ja gestellt, wir kümmern uns drum“, war das letzte, was sie zum Abschied sagte, bevor die Polizisten sich wieder auf den Weg zu ihrem Polizeiauto machten. „…nicht“, fügte Ran beleidigt an, nachdem sie außer Hörweite waren. Dash schaute ihn ratlos an. Der Gedanke, alleine hier zu bleiben, beunruhigte ihn. „Was, wenn ich das Schloss austauschen lasse und Lunis es wieder aufbricht?“, sprach er aus, was ihm gerade durch den Kopf ging. „Ich wette, er kommt zurück. Er wusste, dass ich zur Polizei gehen will. Bestimmt hat er mich irgendwie beobachtet. Mit seinem Copter oder so. Bestimmt wartet er nur drauf, dass ich alleine in der Wohnung bin, und kommt dann zurück.“ Es war zum Verzweifeln. „Du – musst nicht hierbleiben“, sagte Ran entschlossen. Ein erleichtertes Lächeln legte sich auf Dashs Gesicht. „Heißt das, ich darf weiter bei dir wohnen?“, fragte er etwas zu begeistert zurück. Ran errötete und wandte mit einem Räuspern den Blick ab. „Bis das mit Lunis geklärt ist jedenfalls“, murmelte er. Ran war so lieb. Dash freute sich so sehr, dass er auf der Stelle herumhüpfte. Er konnte nicht anders, als Ran stürmisch zu umarmen und ihm ein Küsschen auf die Wange zu drücken, woraufhin Ran sich mit noch roterem Kopf ebenso stürmisch aus seiner Umarmung befreite.    „Pack dir eine Reisetasche zusammen oder so, okay?“, schritt er in Dashs Wohnung voran und schaute sich dort neugierig um. Er starrte nachdenklich in der Gegend umher, während Dash von überall Klamotten zusammensuchte. Rans Blick schien an Dashs Laptop auf seinem Bett kleben zu bleiben. „Benutzt Lunis deinen Laptop?“, fragte er und Dash wurde das Gefühl nicht los, dass er irgendeine Art von Plan zusammenspinnen musste. „Äh… vermutlich.“ Ziemlich sicher sogar, wenn er es sich recht überlegte. Er konnte Rans Augen hin- und herwandern sehen, seine Gedanken förmlich arbeiten hören. „Hast du ‘ne Webcam oder sowas? Oder ein altes Handy mit Kamera?“ Was zum Kuckuck hatte Ran vor? „Irgendwo müsste ich sowas haben.“ „Und vielleicht ’nen Bluetooth-Lautsprecher?“ „Hab ich auch, da drüben“, antwortete Dash und zeigte Ran den Lautsprecher, „Heckst du etwa einen Plan aus?“ „Einen teuflischen“, grinste Ran, „Mit dem wir Lunis vielleicht schneller hier raus kriegen als die Polizei … Man könnte sagen ich hacke einen Plan aus … Nerd-Style.“ Seine Augen leuchteten auf. „Manchmal bist du so badass“, grinste Dash zurück. Das war irgendwie sexy… „Such die Webcam, okay? Ich knöpf mir mal kurz deinen Laptop vor.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)